Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 16: Geistergeschichten ------------------------------ 16 Geistergeschichten Traurig schaute Sam auf die Tür, die sein Bruder ziemlich geräuschvoll geschlossen hatte. Wie konnte das denn so falsch laufen? Er machte sich wirklich Sorgen. Dean war in gewisser Weise ein Draufgänger und er wäre lieber an seiner Seite. Irgendetwas ging in dem Haus vor sich. Verdammt! Warum hatte er sich von diesem Geist auch so erschrecken lassen? Wütend schlug er die Decke zurück, schob die Beine aus dem Bett und stand auf. Das ging doch schon mal ganz gut! Er machte einen Schritt. Der Schmerz jagte von seinem Knöchel durch sein Bein. Sein Knie gab nach. Ungeschickt versuchte er sich am Bett abzustützen. Seine geprellten Rippen stießen gegen das Bettgestell, Der Schmerz ließ ihn aufstöhnen, seine Sicht verschwand und er ging endgültig zu Boden. Tränen der Wut drängten sich in seine Augen und er fluchte leise vor sich hin. Dean hatte Recht. Er war nutzlos! Mühsam kämpfte er sich wieder in sein Bett und versuchte sich zu beruhigen, nicht dass hier gleich noch ein Trupp Ärzte und Schwestern auftauchte! Die Geräte, an die er angeschlossen war, waren allerdings nicht so freundlich, seinen erhöhten Puls und die ungesunde Atemfrequenz zu ignorieren. Keine Minute nachdem er wieder im Bett lag, klopfte es an der Tür und noch bevor er „Herein“ sagen konnte, kam eine Schwester ins Zimmer. Ihr Blick glitt fragend über den Winchester. „Ich wollte nur mal ins Bad“, versuchte er mit einem Lächeln so ruhig wie möglich zu sagen. Es gelang ihm nicht wirklich. Sie nickte verstehend und lächelte: „Warten Sie, ich helfe Ihnen“, sagte sie und gab ihm Hilfestellung beim Aufstehen und auf dem Weg ins Bad. „Hier kommen Sie allein zurecht?“ „Das hoffe ich doch“, knirschte er beschämt. Dean war zur Bibliothek gefahren und hatte versucht da mehr über Brauer und seine Familie zu erfahren. Leider gab es kaum etwas, was er nicht auch im Internet gefunden hatte. Lediglich eine Todesanzeige der kleinen Sophia hatte er entdeckt und vielleicht ein halbes Jahr später eine Beschwerde über eine schlampig ausgeführte Arbeit. Sein Handy machte sich vibrierend in seiner Hose bemerkbar. Bevor er sich in die Bücher und Zeitungen vertiefte, hatte er den Alarm eingeschaltet, nicht dass er sein Date verpasste. Außerdem wollte er Sam vorher ja noch etwas zu essen und ein Buch mitbringen. Er hatte auch schon die richtige Literatur im Sinn. Die würde seinen kleinen Bruder eine Weile beschäftigen. Eine knappe Stunde später kurvte er auf den Parkplatz des medizinischen Zentrums, stellte den Impala dicht am Eingang ab und betrat den Warteraum. Die Luft war fast zum Schneiden und alle Plätze besetzt. Einige Patienten saßen auf zwei Liegen, die wohl als Sitzgelegenheiten hierher gebracht worden waren. Die Schwester schaute auf, erkannte Dean und ihre Miene wurde deutlich freundlicher. Der neue Besucher war genau das, ein Besucher. Dean lächelte ihr zu und verschwand in dem Gang zu den Zimmern. „Ich bring dir dein Essen und etwas Unterhaltung“, sagte er ohne weitere Begrüßung und stellte alles auf dem Nachtisch ab. Er wollte sich die Laune nicht wieder verderben lassen. Die war schon nicht die beste. „Danke“, sagte Sam leise. Sofort musterte Dean ihn alarmiert. Sein Bruder war blasser als heute Morgen. „Was ist mit dir?“, wollte er besorgt wissen. Hatten die Ärzte was übersehen? „Ich wollte nur … ins Bad“, versuchte Sam zu beruhigen. „Du wolltest nicht nur ins Bad! Du wolltest hier raus!“ „Ich …“ „Hör auf! Du bist ein schlechter Lügner!“ Seufzend nickte Sam. „Ich mache mir halt Sorgen! Ich liege hier rum und kann dir nicht helfen!“ „Du hilfst mir, wenn ich weiß, dass du hier „rumliegst“, wie du so schön festgestellt hast. Dann weiß ich, dass Du in Sicherheit bist.“ Aber …“ „Sammy, bitte! Hör auf. Es ist nicht der erste Fall, den ich alleine bearbeite und vielleicht auch nicht der letzte. Auch wenn ich das alles andere als toll finden würde. Wir können es im Moment nicht ändern, also ruh dich aus und werd gesund. So, und jetzt iss deinen Keks. Ich hab dir auch was zu lesen mitgebracht.“ Neugierig wagte Sam einen Blick auf das doch recht dicke Buch. Wer wusste schon, was Dean da angeschleppt hatte. „Die Illias?“ „Du hast dich damals beschwert, dass ihr sie nur kurz angelesen habt.“ „Das weißt du noch?“ „Sammy …“ „Ja, du weißt noch alles, was mich betrifft“, schnitt der seinem Bruder das Wort ab. „Deshalb musst du jetzt aber kein Trübsal blasen. Wenn du der große Bruder gewesen wärst, würde es dir bestimmt auch so gehen.“ Sam zuckte mit den Schultern. Er wusste es nicht. Wäre er auch so ein guter großer Bruder gewesen? Vor ein paar Monaten hatte er in der Rolle mächtig versagt. Bobby war viel schneller mit der Kinderseele klar gekommen, als er. „Versprichst du mir wenigstens, dass du auf dich aufpasst?“ „Ich tu mein Bestes, okay?“ Sam nickte. Was blieb ihm auch übrig. Sein Fuß streikte. Ohne Hilfe würde er hier nicht rauskommen. Aber er nahm sich vor, mit der Ärztin zu sprechen, was passieren musste, damit er hier schnellstmöglich wieder raus durfte. „Ich muss los“, sagte Dean und stand auf. „Ich komm heute Abend nochmal rein.“ Wieder nickte Sam. „Danke“, murmelte er und griff nach dem Salat. Langsam begann er zu essen. Der Winchester betrat das „Fiesta“ und schaute sich um. Es roch herrlich nach gegrillten Maiskolben, Chilli und Fleisch. Sein Magen meldete sich grollend zu Wort. Außer Kaffee und einem labberigen Sandwich hatte er an diesem Tag noch nichts gegessen. Obwohl er zu früh war, saß Dr. Mahlkemper schon an einem Tisch und winkte ihm zu. „Hallo Doc“, grüßte er lächeln und setzte sich zu ihr. „Waren Sie schon bei Ihrem Bruder?“, wollte sie ohne weitere Einleitung wissen. „Ja, hab ihm was zu Essen und zu Lesen gebracht. Er langweilt sich furchtbar.“ „Dann sollten wir ihn so schnell wie möglich entlassen.“ „Sobald er sich wieder selbstständig bewegen kann, ja.“ „Was wollen Sie damit sagen?“ „Dass er einen Ausflug versucht hat?“ „Und sein Fuß es ihm übel genommen hat?“ „Genau das“, grinste Dean breit. „Wie kommt es, dass Sie in ihrem Alter noch mit Ihrem Bruder unterwegs sind?“, wechselte sie das Thema. „Das ist eine längere Geschichte.“ Er wurde von dem Kellner unterbrochen, der nach ihrem Wünschen fragte und ihnen die Karten brachte. Nachdem sie bestellt hatten, wartete Dr. Angelika Mahlkemper noch auf eine Antwort, die der Winchester ihr jedoch nicht zu geben bereit war. Stattdessen lenkte er das Gespräch auf ein anderes Thema. „Wieso waren sie gestern so sauer, dass Aimee und Cameron mit ihren Freunden in diesem alten Haus waren?“ „Reicht es Ihnen nicht, dass Ihr Bruder deswegen jetzt im Krankenhaus liegt?“, wollte sie verständnislos wissen. „Wenn ich ihm dazu später noch eine herrliche Geistergeschichte erzählen kann? Nein.“ „Sie stehen auf Geistergeschichten?“ „Wir hatten keine sehr beständige Kindheit“, begann Dean ein wenig auf die Tränendrüse zu drücken. „Wir waren viel unterwegs. Immer wieder neue Städte und neue Schulen. Kaum Zeit um überhaupt Freunde zu finden. Fast überall haben wir Gruselgeschichten aufgefangen, die wir uns dann zu Einschlafen erzählt haben. Irgendwie hat sich das eingebrannt. Es war unsere Stabilität. Wenn wir an einem neuen Ort sind und eine neue Geschichte aufschnappen können, tun wir das.“ „Es ist nicht die Geistergeschichte, die mir Sorgen bereitet. Allerdings ist die schuld, dass immer wieder Menschen in dieses verfluchte Haus laufen. Es ist eher das, was dieses Haus mit einigen von ihnen macht.“ „Ein Haus macht etwas?“, wollte der Winchester neugierig wissen. Angelika schüttelte den Kopf und griff nach ihrem Glas, ohne jedoch daraus zu trinken. Sie drehte es nur immer wieder zwischen ihren Händen. Der Kellner kam und brachte ihnen ihr Essen. „Sie können mich doch nicht mit einem Kopfschütteln abspeisen wollen?“, fragte Dean zwischen zwei Bissen und schaute sie mit dem winchestertypischen Dackelblick an. „Sie haben meine Frage ja auch nicht beantwortet“, konterte sie lächelnd. Der Winchester atmete durch. „Wie gesagt hatten wir eine sehr unstete Kindheit. Oft hatten wir nur uns. Jetzt fahren wir zu einer Tante. In ein paar Tagen ist der Todestag unserer Mom. Sie starb als wir noch ganz klein waren. An dem Tag versucht der Rest der Familie immer zusammenzukommen.“ Seine Augen verloren jeden Glanz und schienen irgendwo in die Ferne gerichtet zu sein. Sie schluckte. Diese Erinnerungen hatte sie nicht aufwühlen wollen. „Es tut mir leid“, sagte sie leise. Dean blinzelte, schluckte und schaute ihr ins Gesicht. Er nickte kurz und widmete sich dann bedächtig wieder seinem Essen. „Es ist schon so ewig her“, warf er in den Raum. Angelika war sich sicher, dass er sie nur beruhigen wollte. Schweigen breitete sich an dem Tisch aus. Endlich legte auch der Winchester sein Besteck weg. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so langsam gegessen hatte. Aber er wollte den Schein wahren und das Essen war wirklich hervorragend, sodas es kein Problem war, so langsam zu genießen. „Sie wollten wissen, was ich zu dem Haus weiß?“, begann Dr. Mahlkemper ruhig. „Wenn Sie es mir noch erzählen wollen?“ Jetzt war es an ihr, tief Luft zu holen. Mit leiser Stimme begann sie zu erzählen: „Ich war sechzehn. Es war in den Sommerferien. Mein Freund, Fletcher, hätte in ein paar Wochen aufs College gehen sollen, 1000 Meilen weit weg. Wir haben den Sommer genossen, bis seine Freunde auf die Idee kamen eine Nacht in dem Brauer-Haus zu verbringen. Wir waren zehn, Jungs und Mädchen, haben Feuer im Kamin gemacht, Marshmellows geröstet und uns Gruselgeschichten erzählt. Es war lustig, bis einer ein Geräusch hörte. Die Jungs sind aufgestanden und durch das Haus gelaufen. Ein paar der Mädchen sind mitgegangen. Plötzlich schrie eines von ihnen entsetzt auf. Die blanke Panik klang in ihrer Stimme. Und dann brach das Chaos aus. Alle rannten durcheinander. Emmet schrie nach Fletcher. Ich wollte zu ihm, doch Ellen hat mich zurückgehalten. Christian drängte uns nach draußen und irgendwann, es kam mir vor wie Stunden, kamen auch die anderen mit meinem Freund. Er war bewusstlos. Keiner hatte gesehen, wie es passiert war.“ Sie schluckte und starrte auf ihr fast leeres Glas. „Er kam kurze Zeit später zu sich und hat etwas von einem Geist erzählt. Wir haben ihn ins Zentrum gebracht. Er hatte eine leichte Gehirnerschütterung. Nichts Schlimmes. Eigentlich. Drei Tage später ist er ins Koma gefallen und nicht wieder aufgewacht.“ „Das tut mir leid.“ „Es ist schon so lange her.“ „Und Sie meinen, dass das was mit dem Haus zu tun hat?“ „Ich weiß es nicht. Viele verbringen eine Nacht in dem Haus und ihnen passiert nichts. Aber hin und wieder gibt es ähnliche Fälle wie Fletcher.“ „Inwieweit ähnlich?“ Deans Neugier war geweckt. Angelika atmete tief durch. „Sie fallen ins Koma. Ihre Herzfrequenz ist unnatürlich hoch und steigt immer weiter. Irgendwann hält das Herz diesen Stress nicht mehr aus und sie sterben. Es gibt keine Gemeinsamkeiten bei den Patienten, außer der Tatsache, dass sie vermutlich alle in diesem Haus waren.“ „Vermutlich?“ „Bei einigen war es nicht zu klären. Ein guter Freund ist Arzt in dem Krankenhaus und er war damals auch dabei als Fletcher … Er kämpft schon seit Jahren dafür, dass das Haus endlich abgerissen werden soll. Jetzt scheint sich etwas zu tun. Da draußen soll ein neues Wohngebiet mit Einkaufsmeile entstehen. Wenn nicht alles an diesem einen Architekten hängt“, seufzte sie und ließ offen, was genau sie damit meinte. Ihr Blick fiel auf die Uhr. „Ich muss los“, sagte sie und erhob sie.“ Vielen Dank für das Essen.“ „Gern geschehen.“ Dean lächelte. Das Gespräch hatte ihm einige neue Hinweise gegeben. Dr. Angelika Mahlkemper lief an ihm vorbei zum Ausgang. Er griff ihr Handgelenk. „Was könnte an diesem Architekten hängen?“, hakte er nach. „Er hatte einen Unfall. Ich hoffe, er hat einen Partner, der das Projekt weiterführt.“ „Danke. Grüßen Sie Sam. Ich komme heute Abend wieder“, verabschiedete er sich von ihr. Sie nickte lächelnd und verließ das Restaurant eilig. Der Winchester bestellte sich noch einen Kaffee. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)