Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 7: Ein Geständnis ------------------------- 7) Ein Geständnis Nur Minuten später standen die Brüder vor dem oberen Bad und schauten sich an. „Hast du eine Decke für mich, ich leg mich unten auf die Couch“, sagte Sam, dem gerade erst wieder aufgegangen war, dass sein Bett ja belegt war. „Geh in mein Bett“, erwiderte Dean müde. „Aber du brauchst…“ Er wollte nicht schon wieder bevorzugt werden. „Geh, Sammy. Ich find schon einen Platz!“ Sam nickte ergeben und wandte sich um. Er hatte diese besondere Art Entschlossenheit in Deans Augen gesehen, die er immer zeigte, wenn etwas nicht so gelaufen war, wie es sollte. Sein Bruder würde sich nicht von seinem Vorschlag abbringen lassen und er wollte nicht noch mehr Zeit mit sinnlosen Diskussionen vertun, dafür war er wirklich zu müde und Dean auch. Traurig ließ er den Kopf hängen. Warum musste sein Bruder nur immer wieder so reagieren? Warum musste sich Dean noch immer für jedes Misslingen die Schuld geben? Denn genau das war der Grund für seine Aussage. Dean hatte versagt und dafür bestrafte er sich. Wenn er doch endlich einen Weg finden könnte, seinem großen Bruder das auszutreiben! Er sollte wirklich bald mal mit ihm über ein sesshaftes Leben reden. Dann würden auch diese unsinnigen Schuldzuweisungen aufhören! Dean musste endlich aus diesem Teufelskreis raus, oder er würde daran kaputt gehen und das wollte er mit allen Mitteln verhindern! Zufrieden mit seiner Entscheidung ließ er sich auf die Matratze fallen und war keinen Augenblick später eingeschlafen. Dean kam aus dem Bad und stand etwas unschlüssig in der Tür seines Zimmers. Sam schlief schon und er wollte ihn nicht stören. Aber er hatte auch keine Lust nach unten zu gehen und sich auf die Couch zu legen. So bekloppt es sich jetzt selbst in seinen eigenen Ohren anhörte, er wollte bei seinem Bruder bleiben. Sams ruhige Atemzüge würden am ehesten dafür sorgen, dass seine Gedanken nicht noch länger Achterbahn fuhren und er schlafen konnte. Er legte sich auf den Bettvorleger, zog sich die Tagesdecke vom Fußende seines Bettes und wickelte sich darin ein. Schon bald war auch er eingeschlafen. Jody erwachte langsam. Irgendetwas machte sie misstrauisch. Mit geschlossenen Augen lauschte sie auf die Geräusche des Hauses. Die waren so ganz anders, als sie es gewohnt war. Außerdem waren da noch die Gerüche nach Farbe und Tapetenleim. Wo war sie? Schnell fiel ihr alles wieder ein. Der Geist, Dean und sein Bruder Sam und … Robert Singer. Sie war bei ihm auf dem Schrottplatz. Das Haus sah irgendwie vollkommen verändert aus und die beiden jungen Männer schienen bei ihm zu wohnen. Jody atmete ein paar Mal ruhig durch und hörte dabei in sich hinein. Ihrem Bauch schien es gut zu gehen. Sie fühlte die Wunde kaum. „Okay, Zeit zum Aufstehen“, murmelte sie und setzte sich vorsichtig auf. Ihr Blick glitt durch den l-förmigen Raum. Eine große Fensterfront ging auf einen Balkon hinaus. In der Nische standen eine gemütliche Couch mit Tisch und zwei Sesseln. Es gab einen Schreibtisch, ein halb gefülltes Bücherregal, das Bett und einen Kleiderschrank, aber außer den Bildern an der Wand keine weiteren persönlichen Dinge, die auf den Bewohner schließen ließen. Auf dem Nachttisch lagen Tabletten und eine Flasche Wasser stand daneben. Entweder kannten sich die Männer mit Verletzungen aus, oder sie waren einfach sehr aufmerksam. Sie nahm eine Tablette und machte sich dann langsam auf die Suche nach ihren Gastgebern. Vielleicht gab es ja schon etwas Neues von Bellows. Vorher jedoch musste sie dringend ins Bad. Die Tür zu Deans Zimmer stand offen und sie warf unweigerlich einen Blick hinein, als sie aus dem Bad kam. Das Zimmer war ähnlich geschnitten, wie das seines Bruders, allerdings stand hier anstelle der Couch das Bett, halb verdeckt von einem Schrank, der wohl als Sichtschutz dienen sollte. Auch hier gab es einen Schreibtisch und ein kleines Bücherregal, in dem zwei Lego-Feuerwehrtrucks standen. Auf der Couch saß ein Plüschesel und ein Quilt, mit dem Bild eines Pferdes in der Mitte, lag ebenfalls darauf. Neben dem Bett, auf dem Fußboden, lag eine Tagesdecke. Dean hatte wohl keine Lust gehabt, sie wegzuräumen, als er ins Bett gegangen war. Plötzlich bewegte sich dieses Bündel. Überrascht trat sie näher und glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Dean schlief auf dem Boden vor seinem Bett und Sam lag darin! Hatte sie ihm die Schlafstatt weggenommen? Aber wieso schlief dann Dean auf dem Boden? Gab es kein weiteres Bett in dem Haus? Das schlechte Gewissen machte sich in ihr breit. Sie drehte sich zur Tür und wollte den Raum verlassen, um mit Bobby zu reden. Ihr Blick blieb an einigen gerahmten Fotos hängen, die wieder Mary zeigten. Es waren mehr als bei Sam. Was hatte Robert Singer gesagt? Dean war fast fünf als seine Mutter starb. Sie schluckte. Ihr Sohn war sechs, als er bei einem Autounfall ums Leben kam. Schnell verdrängte sie die Erinnerungen. Neben den Fotos hingen Chaps, ein Staubmantel und ein Cowboyhut. Was die wohl für eine Bedeutung hatten? Die Männer hatten wohl schon einiges erlebt, überlegte sie. Hinter ihr raschelte es. Sie fühlte sich ertappt und flüchtete regelrecht aus dem Raum. Langsam ging sie nach unten, einen Arm vor ihren Bauch gepresst. Das Treppensteigen machte sich doch ziemlich heftig in der Wunde bemerkbar und zeigte ihr, dass sie noch lange nicht so fit war, wie sie dachte. Sie fand den Hausherrn in seinem Büro, auf den Bildschirm des PC starrend. Leise wandte sie sich um und ging in die Küche. Mit einer Tasse für sich und einer für Bobby kam sie zurück in das Büro. Sie wusste, wie er seinen Kaffee mochte. Es war nicht das erste Mal, dass sie hier welchen trank und sich so etwas zu merken, war Teil ihres Berufes. „Hey“, grüßte sie leise und stellte sie Tasse ab. Kurz blickte Bobby auf und sah die Tasse. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Wonach suchst du?“ „Bellows‘ Leiche war nicht in Springfield“, informierte er sie ruhig. „Ihr lasst mich also noch nicht nach Hause zurück?“ „Tut mir leid, nein. Aber ich hoffe, dass wir heute noch weiter kommen.“ „Gut. Ich möchte euch nicht länger als unbedingt nötig Unannehmlichkeiten bereiten.“ „Du bereitest uns keine Unannehmlichkeiten!“ „Dean schläft neben seinem Bett auf dem Boden!“, empörte sie sich. „Also ich nenne das schon Unannehmlichkeiten!“ Bobby verdrehte nur die Augen. Das war mal wieder typisch für den Jungen. „Wahrscheinlich hat Sam schon geschlafen und er wollte ihn nicht wecken“, nuschelte er kaum verständlich. „Bitte?“, fragte sie drängend. Bobby schnaufte und starrte auf die Tastatur. Fast unmerklich schüttelte er den Kopf. „Was?“ Ihr war seine Reaktion nicht entgangen. „Das ist kompliziert.“ Er schaute auf und blickte in Augen, aus denen ein ehrliches Interesse sprach, aber auch Unverständnis über das Gesehene. „Das ist mehr als nur kompliziert. Ich denke ich muss da weiter ausholen.“ „Ich laufe nicht weg. Schon vergessen, mein Haus wird von einem Geist heimgesucht“, sagte sie und lächelte schief. So ganz konnte sie das noch nicht glauben. Schon gar nicht, dass es ihr so einfach über die Lippen ging. „Ich weiß nicht, ob ich es dir erzählen kann.“ „Ich kann schweigen.“ Bobby blickte ihr in die Augen und nickte. Die Geschichte der Jungs war nicht wirklich ein Geheimnis. „Mary wurde von einem Dämon getötet. Das hat John, den Vater der Jungs, aus der Bahn geworfen. Er hat angefangen Fragen zu stellen und er hat Antworten bekommen. Die richtigen Antworten, oder die falschen, wie immer man das sehen will, und er hat Rache geschworen. Schon bald begann er auf der Suche nach dem Mörder durch das Land zu ziehen. Er wollte oder konnte die Kinder nicht verlassen, aber er konnte sie auch nicht komplett auf die Jagd mitnehmen. Dafür waren sie noch viel zu klein. Also ließ er sie immer länger, auf sich gestellt, in irgendwelchen Motelzimmern. Die Verantwortung für ihr Leben lag auf Dean. Er hat sich um alles gekümmert. Um Essen, um Geld, um Kleidung und um John, wenn der verletzt wieder bei ihnen auftauchte. Dean ist ein absoluter Familienmensch. Er wird alles tun, damit der Rest seiner Familie heil und zusammen bleibt und seine oberste Priorität ist Sams Wohlergehen. Es gibt nichts, was er dafür nicht zu tun bereit wäre. Wenn es Sam gut geht, geht es ihm gut. Als sie noch klein waren, waren die Jungs hin und wieder hier. Manchmal für Tage, manchmal für Wochen und in dieser Zeit habe ich versucht ihnen so viel Freiraum und Kindheit wie möglich zu gewähren. Ich denke, sie haben es genossen, aber kaum war John ebenfalls hier, ging der Drill wieder los und Dean hat sich ohne zu fragen untergeordnet. Er hat seinen Dad abgöttisch geliebt, hat ihn auf ein Podest gestellt und einen Superhelden aus ihm gemacht. Es ist schwer für ihn, sich aus diesen Mustern, aus dieser Denkweise zu lösen. Das alles ist ihm so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass er es nicht einmal merkt.“ Traurig blickte er aus dem Fenster. Er hätte gerne mehr getan. Jody starrte in ihre Tasse. Sie wusste nichts zu sagen, und sie war sich sicher, dass Worte hier vollkommen fehl am Platz waren. Das waren Erinnerungen, die sie nicht teilen konnte, aber sie hatte aus den wenigen Worten hören können, wie sehr ihr Gegenüber die Brüder mochte. „Was ist mit deinem Haus passiert? Als ich das letzte Mal hier war, sah es noch vollkommen anders aus“, schnitt sie ein vollkommen anderes, nichts desto Trotz interessantes Thema an. „Kaputte Rohre und Dean!“ Verwirrt blickte Jody den Mann hinter dem Schreibtisch an. „Die Wasserrohre zum oberen Bad waren dicht. Es führte kein Weg daran vorbei, sie zu erneuern. Dean hat den Vorschlag gemacht, gleich das ganze Bad zu sanieren. Aus dem Bad ist das Obergeschoss geworden.“ „Und hier unten?“ „Das kann ich dir gerne später erzählen, jetzt sollte ich mich erst einmal um deinen Geist kümmern.“ Sie nickte bekümmert. Ihr Geist. Sie konnte gut und gerne auf „ihren“ Geist verzichten. Hätte der sich nicht ein anderes Opfer suchen können? Nein. So etwas wünschte sie niemandem. Warum konnte der nicht einfach tot sein und bleiben, wie jeder andere Tote auch! „Ich komme mir ziemlich überflüssig vor, kann ich irgendetwas tun?“ „Wie geht es deinen Verletzungen?“ „Es ist auszuhalten. Ich will mich nicht schon wieder hinlegen“, beantwortete sie auch gleich noch die Frage, die sie in seinen Augen lesen konnte. „Ich könnte was kochen“, schlug sie vor, nicht dass er sie doch noch nach oben schickte. „Kochen ist gut. Dean hat immer Hunger.“ E lächelte. „Ich kann ja mal sehen, was ich finden kann.“ „Pass aber auf, dass Gus seinen Schnabel nicht überall reinsteckt.“ „Gus? Wer ist Gus?“ „Eine Krähe, die seit ein paar Monaten hier lebt. Wir haben ihn als Küken gefunden und auf gepäppelt. Er hat hier in der Nähe sein Nest samt Familie. Aber er kommt immer mal wieder hierher und bettelt um Futter.“ „Okay?“, sagte sie und schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich zieh mir was … Ich hab ja gar nichts hier“, stellte sie fest. „Ich könnte dir was borgen?“, meinte er und ging nach oben. Wenig später stand Jody in einem Hemd von Bobby in dessen Küche und schnibbelte, während er wieder hinter seinem Rechner verschwand und weiter nach dem Verbleib von Bellows‘ Leiche suchte. 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