Kill this Killing Man II von Kalea (Höhen und Tiefen) ================================================================================ Kapitel 191: Eine Entscheidung ------------------------------ 191) Eine Entscheidung Erleichtert atmete Dean auf, als sie bei der Hütte ankamen, konnte er sich hier doch wenigstens etwas ablenken. Er entfachte das Feuer im Herd, um ihnen Kaffee kochen zu können. Sam packte den eingeschweißten Kuchen aus und verteilte ihn auf den Papptellern. „Willst du morgen wieder hin?“, fragte er. Er schob sein Handy in den Rucksack. Es hatte kaum noch Strom und auch der Akku seines Laptops war inzwischen fast leer. Das Überspielen der Bilder würde er erst im Motel machen können. „Keine Ahnung. Ich hab gesehen, was ich sehen wollte. Sie kommen ohne mich klar“, erwiderte er betrübt. Sam schloss die Augen und nickte. Das war offensichtlich gewesen. Beides! Also eins nach dem anderen. „Willst du morgen wieder hin?“ „Ich weiß nicht“, entgegnete der Ältere leise. Er wusste es wirklich nicht. Ja, er wollte wieder hin. Er wäre gerne Teil ihres Lebens, doch das ging nicht, wenn er nicht als Einsiedler in diesen Wäldern enden wollte. Also würde er sich mit jedem Besuch nur selbst weh tun. Außerdem würde er sie nur behindern. „Willst du das Leben, das auf dich wartet gegen ein Leben wie in der Steinzeit tauschen?“, versuchte Sam ihn zu einer Entscheidung zu drängen. „Steinzeit?“ Irritiert schaute Dean auf. „Wenn du mit ihnen ziehen willst, müsstest du wie ein Steinzeitmensch leben. Im Wald zu schlafen mag ja im Sommer nur unbequem sein, im Winter stelle ich es mir fast unmöglich vor. Du könntest aber auch Biologie studieren und dann die Wölfe offiziell erforschen. Käme letztendlich aber wohl auf das Selbe heraus.“ „Ich will sie nicht studieren!“ „Aber so würdest du für das Leben bei ihnen vielleicht wenigstens etwas Geld kriegen.“ „Ich will nicht bei ihnen leben und vermarkten will ich sie schon gleich gar nicht.“ „Warum bist du dann so angepisst?“ „Ich bin nicht angepisst!“ „Dann eben niedergeschlagen.“ Dean atmete tief durch. Er nahm den Filter von der Kaffeetasse, leerte ihn, füllte ihn erneut und machte sich daran die zweite Tasse aufzubrühen. Erst als er Sam den fertigen Kaffee reichte, antwortete er: „Es ist einfach nur … Sie sind wahrscheinlich die einzige eigene Familie, die ich je haben werde.“ Sam schloss die Augen. Daher wehte der Wind. „Das weißt du doch gar nicht. Wieso sollte da draußen keine Familie auf dich warten?“ „Mit Alistairs Worten als Damoklesschwert über mir?“ „Willst du dir von einem Dämon dein Leben diktieren lassen?“ „Haben wir das nicht schon?“ „Und deshalb müssen wir das auch weiterhin tun? Wir wollten aussteigen, schon vergessen?“ So langsam wurde Sam wütend. Sie drehten sich irgendwie im Kreis. „Ja, aber kann ich ihm Frau und Kinder zum Frauß vorwerfen oder mich durch sie angreifbar machen?“ „Dann musst du ja nicht weiter darüber nachdenken, aussteigen zu wollen.“ „Aber du willst unser altes Leben hinter dir lassen!“ „Es geht um DEIN Leben, Dean.“ „DU bist mein Leben, Sammy. Es ging und geht für mich immer zuerst um dich.“ „Ich bin erwachsen und sollte selbst auf mich aufpassen. Meinst du nicht, dass du jetzt anfangen solltest auch mal an dich zu denken?“ „Aber ich hab doch nur dich“, platzte der Ältere schon fast verzweifelt hervor. „Das wird sich ändern, glaub mir. Du wirst Freunde finden und Kollegen und irgendwann auch eine Frau.“ „Und worüber soll ich mit denen reden? Über das Monster der Woche?“ „Auch das wird sich ergeben.“ „Du hast gut reden. Du wirst damit ja auch keine Probleme haben!“ „So sicher wie du denkst, bin ich mir auch nicht, aber ich denke, wenn wir einen Schritt nach dem anderen tun, sollten wir es schaffen.“ Skeptisch musterte Dean seinen kleinen Bruder. Ja er wollte aussteigen, aber er hatte auch Angst davor es nicht zu schaffen. Sein ganzes Leben lang hatte er gejagt, das konnte er im Schlaf. „Okay?“, versuchte er sich selbst etwas Optimismus zuzusprechen. Er atmete tief durch und wandte sich wieder seinem Kaffee zu. Schnell hatte er den Filter beiseite gestellt und sich mit seiner Tasse zu Sam gesetzt. Sein Blick fiel auf die beiden Teller. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Du willst nicht mehr von dem Kuchen?“ „Nee, lass mal. Das Stück reicht mir vollkommen.“ „Und wie geht es jetzt weiter?“, fragte Dean während er das erste Stückchen auf seinem Teller aufspießte, um es sich in den Mund zu schieben. „Kommt darauf an was du vor hast.“ „Wie, was ich vor habe?“ Dean schaute etwas dümmlich aus seiner Wäsche. „Naja, willst du morgen wieder zu den Wölfen?“ „Keine Ahnung.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es echt nicht. Aber du könntest mir erst mal erzählen, wie du mich gefunden und was du in der Zwischenzeit gemacht hast.“ „Du bist verdammt hartnäckig! Willst du das wirklich wissen?“ Sam wusste nur zu gut, dass er sich in der Zeit nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte. „Es geht um dich, da will ich alles wissen!“ Dean schob sich das nächste Stück Kuchen in den Mund. Sam trank noch einen Schluck Kaffee und begann zu erzählen. Er ließ nichts aus, nicht den Streit mit Bobby, nicht seine Erkältung und nicht die Tage in Campbells Keller. Er erzählte, dass er sich wieder mit Bobby versöhnt hatte und von den vielen Archiven, in denen er eine Spur des Phönix‘ gesucht hatte. Schweigend lauschte Dean bis sein kleiner Bruder geendet hatte. Er musste immer wieder schlucken und sein schlechtes Gewissen blähte sich auf wie ein Heißluftballon. „Kannst du dich an die Zeit als Wolf erinnern? So richtig meine ich?“, wollte Sam leise wissen. Viel zu gut sah er, was in Deans Kopf vor sich ging. Dean nickte nur. Die Zeit war unbeschwert. Als Mensch würde er sich als glücklich beschreiben. Konnte er das wirklich werden? Er stand auf, streckte sich und schaute aus dem Fenster. Inzwischen war es dunkel geworden. „Hast du noch Hunger?“, wollte er heiser wissen und sammelte ihr Geschirr ein. „Haben wir denn noch was?“ „Eine Dose Ravioli, etwas Salami, trockenes Brot und eine Dose Bohnen mit Fleisch.“ „Klingt super“, erwiderte der Jüngere und verdrehte die Augen. „Also, Hunger?“ „Nein, aber wenn wir das jetzt nicht essen, dann wohl nie. Lass es uns vernichten.“ „Brot und Salami könnten wir draußen verfüttern und für den Rest würde sich wohl auch jemand finden. Hier kommt nichts um“, sagte Dean. Er wog die Dosen in seinen Händen und hoffte, dass Sam es irgendwie essen wollte. So konnte er sich immerhin beschäftigen. „So dicke haben wir es auch nicht.“ „Okay, dann stürzen wir uns mal drauf.“ Schnell hatte der Ältere die Dosen geöffnet und auf den Herd gestellt. „Ich hole noch Holz“, erklärte er und verschwand nach draußen, während Sam Salamibrote machte und sie auf einem Teller verteilte. Das Essen verlief ruhig. Jeder hing seinen Erinnerungen nach. „Wie geht es jetzt weiter?“, fragte Sam, als sie gemeinsam aufräumten. „Keine Ahnung!“, begann Dean und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Ich möchte sie nochmal besuchen und ich möchte sie nie wiedersehen. Ich … Vielleicht weiß ich morgen mehr.“ Er schaute unsicher zu Sam. Konnte der sein Gestammel überhaupt deuten? „Kannst es dir ja auch morgen früh noch überlegen oder willst du ganz früh hier weg?“ „Nein, das wohl nicht.“ Sam nickte und da es sonst nichts mehr zu tun gab, begann er sich für die Nacht fertig zu machen. Dean folgte seinem Beispiel und so lagen sie schon bald in ihren Schlafsäcken, Obwohl er wie immer fast sofort eingeschlafen war, fand Dean in dieser Nacht keine Ruhe. Seine Gedanken kreisten um die Wölfe, um Sam und um das Leben, das mit dem Morgengrauen beginnen sollte. Sollte es doch, oder? So ganz konnte er sich das nicht vorstellen. Würden sie nur noch Fälle lösen, die ihnen direkt vor die Füße fielen oder würden sie nie wieder einen Fall anfassen? Konnten sie das? Was wollte er jetzt mit seinem Leben anfangen? Was für einen Beruf ergreifen? Wie sollte es überhaupt weitergehen? Stand diese Frage überhaupt zur Debatte? Sam hatte so viel auf sich genommen, um ihn wieder zu einem Menschen zu machen, da war es doch wohl nur recht und billig, wenn er jetzt das Seine dazu tat, damit Sammy endlich ein normales Leben leben konnte. Und doch blieb die Angst davor, die Unsicherheit, wie es weitergehen würde. Egal wie oft er sich sagte, dass sich alles ergeben würde und wie sehr er sich anstrengte, er schaffte es einfach nicht dieses immer schneller kreisende Karussell in seinem Kopf anzuhalten. Leise schälte er sich aus seinem Schlafsack und ging nach draußen. Die Nacht war sternenklar und kalt. Er lehnte sich an die Wand und malte mit seinem Atem kleine, flüchtige Wolken in die Luft, bis sein Blick an den Sternen hängen blieb. Langsam wurde er ruhiger. Erst als er das Zittern seiner Muskeln nicht mehr unterdrücken konnte, löste er den Blick und ging wieder in die Hütte. Er griff sich seine Kleidungsstücke, kritzelte schnell eine Nachricht an Sam auf ein Blatt und huschte, nach der Armbrust greifend, wieder hinaus. Erst hier traute er sich, sich anzuziehen ohne Sammy zu wecken. Doch selbst in die dicke Winterbekleidung verpackt, wurde ihm nicht wärmer. Er nahm die Armbrust und begann zu laufen. An einer Lichtung blieb er stehen. Seine Atmung kam stoßweise und sein Hals brannte, doch er fror nicht mehr und das Chaos in seinem Inneren hatte sich auch gelegt. Zwar waren noch immer nicht alle Fragen beantwortet, doch er konnte sich wieder auf einen Punkt konzentrieren, ohne in Panik zu verfallen, dass er etwas übersah. Nachdem er wieder normal atmete, suchte er sich einen geschützten Platz und wartete darauf, dass der Morgen anbrach. Einige Rehböcke traten auf die Lichtung und rissen Dean aus seiner Lethargie. Er spannte die Armbrust, legte einen Pfeil ein und zielte kurz. Leise surrend schnellte der Pfeil durch die Luft und riss einen Bock von den Füßen. Während die anderen Tiere in Panik davon hasteten, rannte Dean zu seiner Beute. Mit einem gezielten Stoß mit dem Messer beendete er dieses Leben. Er wischte das Messer am Fell ab und schob es wieder in die Halterung. Der Winchester schulterte den Bock, griff die Armbrust und machte sich auf den Weg, sein Abschiedsgeschenk auszuliefern. Je näher er der Höhle kam, umso sicherer wurde er sich, was seine Zukunft anging. Und auch wenn er sein Leben noch nicht bis ins Kleinste durchdacht hatte, so war er sich doch sicher, was er nach Vegas tun wollte. Mal sehen, wie Sam dazu stand. Vor der Höhle angekommen legte er den Bock so ab, dass sie ihn sofort finden konnten. Er nuschelte ein leises „Lebt wohl“, und verließ diesen Ort. Sie würden wissen, von wem das Geschenk war. Der Weg zurück zu Sam fühlte sich für ihn wie ein Aufbruch an. Es irritierte ihn. Er hatte mit dem Gegenteil gerechnet. Er freute sich aber auch darüber. Es machte den Abschied leichter, denn er würde nie wieder hierher zurückkommen. Sam lief unruhig vor der Tür hin und her. Der Zettel war alles andere als aussagekräftig gewesen. Komme wieder, Dean. Was hieß das schon? Zwar war er noch nicht so weit, dass er losziehen und ihn suchen wollte. Die Vernunft, die ihm erklärte, dass er ihn nie finden würde, hatte noch die Oberhand. Weit davon entfernt loszuziehen war er allerdings auch nicht mehr. Und dann sah er Dean unter den Bäumen hervortreten. Er atmete erleichtert auf und ging in die Hütte zurück. „Hey“, grüßte Dean und kratzte sich verlegen am Kopf. „Hey“, erwiderte Sam und versuchte in Deans Gesicht zu lesen. „Hier, den kannst du brauchen.“ Er hielt ihm eine Tasse dampfenden, wunderbar nach Zivilisation riechenden Kaffee entgegen. „Danke.“ Deans Hände schlossen sich um die wärmende Tasse. Mit geschlossenen Augen inhalierte er das Aroma. „Alles okay bei dir?“, fragte Sam heiser. Sein Blick ruhte noch immer auf seinem Bruder und das, was er sah irritierte ihn. Er runzelte die Stirn. Dean schien regelrecht zufrieden! „Mir geht’s gut.“ „Und wie viel von dem Satz ist wirklich wahr? Dean, du … was ist über Nacht passiert? Wo warst du?“ „Ich konnte nicht schlafen. Mir ist einfach zu viel durch den Kopf gegangen. Ich wollte dich nicht wecken, also bin ich aufgestanden und wollte draußen über alles nachdenken. Ist ja auch egal. Ich war nochmal bei den Wölfen.“ Er atmete tief durch und schaute seinem Bruder in die Augen. Wenn du willst können wir hier weg.“ „O-kay“, dehnte der Jüngere. Machte aber keine Anstalten, sich bewegen zu wollen. „Was ist los, Sammy?“ „Du müsstest niedergeschlagen sein, wütend, traurig … keine Ahnung, aber jedenfalls nicht so entspannt!“ „Mir geht’s gut. Wirklich!“ Sam zuckte mit den Schultern, nickte und startete einen weiteren Versuch seinen Bruder zum Reden zu bringen. „Wann willst du wieder hierher?“ „Nie. Sie werden uns vergessen, unser Geruch wird vergehen und dann sind sie ganz normale Wölfe, die das Glück haben in einem Nationalpark ein Revier gefunden zu haben.“ Wehmut klang jetzt doch in Deans Stimme mit. „Du willst sie wirklich nie wiedersehen?“ „Nein. Es ist besser so“, erklärte er ernst. Tränen glänzten in seinen Augen, doch er blinzelte sie weg. „Außerdem würde es nur weh tun.“ Die letzten Worte hatte er nur noch genuschelt, doch Sams Ohren waren gut genug, um das zu verstehen. Er nickte traurig. Warum musste ihr Leben immer aus Abschieden bestehen? Das konnte nur aufhören, wenn sie endlich sesshaft werden würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)