이상한 경우 (Isanghan Kyeong'u) von Chrolo (Seltsame Situationen) ================================================================================ Kapitel 4: Ein seltsamer Moment ------------------------------- Kapitel 4: Wie ein Blitzschlag durchfuhr es mich. Ganz plötzlich! Das Gesicht, was in meiner Erinnerung noch ziemlich lebendig war... diese Ratte... ich wusste ganz plötzlich, wo ich dieses Gesicht zuvor schon einmal gesehen hatte. Das war auf der Wache vor fünf, sechs Jahren! Ich wollte damals in einem Gerichtsprozess als Zeuge aussagen und ein widerlicher Polizist, dem ich damals auch sofort das Aussehen einer Ratte zugeschrieben hatte, wollte mich mit allen legalen Mitteln von einer Aussage abhalten. Ich kann mich noch an einige Argumente erinnern... zum Beispiel, dass ich in Folge einer Verhaftung des Angeklagten von seinen Untergebenen verfolgt werden würde und die Polizei in solchen Fällen meist nichts machen könnte... einige Zeugen seien schon auf solche Weise umgekommen, sagte er. Aber am Ende siegte der Wille der Gerechtigkeit in mir. Und der Stachel in meinem Kopf, der mir immer wieder vor Augen spulte, was ich zuvor gesehen hatte: Wie ein Mann sich gleichzeitig an drei minderjährig aussehenden Frauen verging und von einigen Kumpanen vergnügt dabei beobachtet wurde, wie er schreckliche Dinge mit ihnen anstellte. Die Mädchen hatten jeweils irgendwelche für mich unerkennbare Dinge im Mund, damit man ihre Schreie nur ganz dumpf hören konnte. Damals bin ich nur aus Zufall an den Schauplatz des Verbrechens gekommen; eine alte Lagerhalle, die mit ziemlicher Sicherheit schon lange nicht mehr für gewöhnliche Zwecke benutzt wurde. Ich suchte damals Abstand zu einer gewissen Frau, mit der ich einen Teil meines Lebens zusammen verbracht hatte und welche es für eine Weile geschafft hatte, dass mich alle Orte, teilweise sogar simple Gegenstände meines Lebens in irgendeiner Weise an sie und alles Negative an unserer gemeinsamen Zeit erinnerte. An diesem einen Abend streifte ich einfach nur zerstreut durch die Gegend... wenn ich überhaupt ein Ziel vor Augen hatte, dann war es an diesem Abend, ganz weit von ihr wegzukommen. An irgendeinen Ort, der mir das Gefühl gäbe, in einer anderen Welt zu sein. Aber stattdessen betrat ich nichts ahnend diese alte Lagerhalle und wurde Zeuge eines grausamen Schauspiels. Ich wurde damals natürlich schnell entdeckt, aber die drei Handlanger des Übeltäters kriegten mich nicht zu fassen. Obwohl ich zu der Zeit der Trennung von meiner Verflossenen noch gelegentlicher Raucher war und vor allem an diesem Abend eine Kippe nach der anderen verraucht hatte, war ich im Vergleich zu heute um einiges sportlicher und schaffte es, die Verfolger relativ problemlos abzuhängen. Im weiteren Verlauf des besagten Abends meldete ich mich bei der nächsten Wache und mit Hilfe von Fingerabdrücken und anderen Spuren in der Lagerhalle konnten die Täter zwei Tage später tatsächlich dingfest gemacht werden. Insgesamt fünf Männer konnten identifiziert werden; allesamt vorbestraft. Und vor allem derjenige, den ich aufgrund seines Körperumfangs leicht als den Haupttäter ausmachen konnte, hatte beileibe keine dünne Strafakte. Der Kläger im Prozess waren letztendlich eine Mutter und ein Vater von jeweils einem der drei Opfer, deren tote Körper in der Nähe der Lagerhalle ausgegraben wurden, bevor ein Verwesungsprozess einsetzen konnte. Mit meiner Zeugenaussage war der Prozess im Handumdrehen gewonnen und obwohl keine weiteren Opfer als die drei von mir gesehenen Mädchen (die tatsächlich allesamt minderjährig waren) ausgemacht wurden, bekamen die Angeklagten zwischen fünf Jahren und lebenslänglich aufgebrummt. Damals freute ich mich riesig und zweifelte nicht im Ansatz daran, das Richtige getan zu haben. Aber hier und jetzt... stockte ich für einen Moment und mir stieg etwas Schweiß auf die Stirn, als ich plötzlich das Gesicht dieser Person in meinem Kopf zuordnen konnte. Und während ich besorgt war, dass dieser Fall vielleicht in irgendeiner Weise noch Folgen haben könnte, war dieses Gesicht doch nur ein Puzzlestück im Ganzen, was mir leider weder meine nötigsten Sachen zurückbrachte, noch einen wirklichen Anhaltspunkt zum Handeln gab. „Geht es Ihnen nicht gut?“, fragte im nächsten Moment Melissa, welche wohl den Schweiß auf meiner Stirn gesehen (oder gerochen?) hatte. Ich schüttelte kurz den Kopf und bemühte meine rechte Hand zu einer entsprechenden Geste. „Wenn Sie aufgegessen haben, könnten Sie gerne mal erzählen, wer Sie sind und was genau nun Ihr Problem ist.“ „Das würde mich auch interessieren.“, nickte mein linker Nachbar den Vorschlag ab. Er war äußerst schnell mit dem Tafeln fertig und saß mittlerweile ganz verkehrt herum – mit seinem Holzstuhl schräg an den Tisch gelehnt – und verschränkte die Arme hinter seinem Kopf, während er nach links zu mir herüber schielte. Die Haltung sah durchaus riskant aus und bewies keine großen Manieren, aber als Gast hätte ich dazu niemals etwas gesagt; zumal es die anderen auch nicht zu stören schien. Während ich noch dabei war, meine Gedanken zu sammeln, fiel mir einen Moment später wie bei einem Blackout das Besteck aus den Händen; der Löffel auf meinen Schoß und die Gabel auf den Boden. Beschämt bückte ich mich herunter, um die Gabel aufzuheben. Dabei erblickte ich für einen kurzen Moment eine Art Graffiti auf dem Boden unter dem Tisch. Tendentiell gelb, aber ohne Licht war es trotz der Größe kaum zu erkennen und ich bemühte mich ohnehin, schnell wieder oberhalb der Tischkante zu sein. Mittlerweile lagen die Blicke aller Anwesenden auf mir, und obwohl die Vorstellungsrunde des Clubs immer noch nicht abgeschlossen wurde, war es nun wohl an mir, mich etwas zu offenbaren. Für einen Moment dachte ich, dass es eigentlich untypisch für mich wäre, mich Fremden so einfach anzuvertrauen. Ich war schon immer tendentiell eher ein Einsamer Wolf gewesen, habe die Probleme lieber ohne fremde Hilfe bei der Hand gepackt... insofern war es schon untypisch, dass ich den tätowierten Freak auf der Straße angesprochen hatte – und noch unnormaler, dass ich seinem Tipp sogar gefolgt bin. Während ich so in die Runde schaute, vernahm ich die gespannten Blicke der Anwesenden allerdings wie ein Signal an mich selbst. In Worte gefasst in etwa: „Du bist hierher gekommen, obwohl du auch deinen Zweitschlüssel hätten abholen können – das beweist, dass du ein Vertrauen in das Unbekannte hast.“ „Ich hatte wohl längst keine Wahl mehr...“, dachte ich und musste lächeln. Nachdem ich alles erzählt hatte, was meine Erinnerungen zu dem Abend im Club Octagon preisgeben konnte – die Szenen mit den Frauen auf meinem Schoß vernachlässigte ich dabei –, herrschte ein ziemliches Murmeln in der Runde. Es wirkte etwas, als wüsste niemand so recht weiter, aber vielleicht irrte ich mich auch, denn nach einigen Sekunden ergriff der Schalk aus Luxemburg das Wort: „Nun, die Geschichte könnte interessant werden. Deine Story hilft uns gewiss, denn wir haben jemanden in unseren Reihen, der wochenendtags in dem von dir besuchten Club arbeitet.“ „Stimmt... ich war gestern natürlich dort...“, sagte Melissa daraufhin etwas zögerlich. „Aber ich kann mich nicht erinnern, dich dort gesehen zu haben. Auch einen Streit habe ich nicht bemerkt. Mag daran liegen, dass ich an der Bar hinter der Tanzfläche arbeite.“ Ich war natürlich verwundert, dass eine der hier anwesenden Personen angeblich vor Ort war, aber ihrer Angabe nach half uns das wohl nicht wirklich weiter. Obgleich ich kurz nachdachte und in meiner Erinnerung an der Theke hinter der Tanzfläche nur extrem vollbusige Mädchen gesehen hatte. Solche, welche die wohl berühmtesten Vorzüge von Gangnam wohl mindestens vier, fünf Mal in Anspruch genommen hatten... während der Brustumfang meiner Sitznachbarin sich im absolut gewöhnlichen Maß befand. „Zu schade. Aber du sagtest mal, dass du einen gewissen Einfluss hast. Kannst du nicht Kontakt zu deinen Mitarbeitern aufnehmen? Oder Aufnahmen der CCTV einsehen...?“, hakte der Earl weiter nach. „Ich weiß nicht... ich kann sicher mal nachfragen.“, antwortete die hübsche Lady in Rot erneut etwas verhalten, ehe der als Sarge vorgestellte Koreaner sich in Folge zum erste Mal aktiv in das Gespräch einmischte: „Während Melissa etwas über die Situation unseres Gastes herauszufinden versucht, möchte ich daran erinnern, weshalb wir heute eigentlich hier sind.“ „Der Bonobo-Affe?“, fragte Hyeonjee. „Ist ja irre, wie du scharf auf diese Informationen bist...“ „Er ist halt gewissenhaft. Ich möchte diesen Fall auch gerne lösen.“, stützte Melissa das Verhalten des Benarbten sofort und schaute an mir vorbei zu Jihoon, welcher mit seinem gekippten Stuhl in diesem Moment nach vorne auf den Boden aufsetzte und sich erhob. Er trug die beiden braunen Briefumschläge in seiner linken Hand und schaute kurz darauf, um dann den unteren der beiden auf den Tisch zu werfen. Sarge griff ihn sich und öffnete ihn unverzüglich. Nach dreißig Sekunden des Lesens wurde sein Gesichtsausdruck bereits etwas finster und nach einer vollen Minute legte er den Umschlag vor sich hin und schaute Jihoon leicht verärgert an: „Was soll denn das?“ „Wieso? Ich sollte etwas über Bonobo-Affen herausfinden, hier hast du das Ergebnis meiner Recherche. Ich habe mir extra das Buch 'Bonobo Sex and Society' von Frans B. M. De Waal aus einer Bibliothek besorgt.“ Während die restlichen Anwesenden in heiteres Gelächter verfielen, schien die Antwort dem strengen Koreaner nicht so sehr zu gefallen: „Gib mir lieber gleich den anderen Umschlag!“ „Sie doch nicht so ernst.“, versuchte ihn Kang Hyeonjee mäßigem Erfolg zu beruhigen. Schließlich warf der Koreaner mit den gelockten Haaren ihm auch den anderen Umschlag zu und zumindest schien dieser keine weiteren Scherze zu enthalten, da der Prozess des Lesens diesmal deutlich länger andauerte. Bei dem gemeinten Bonobo-Affen handelte es sich um einen Kerl, welcher sich den vorherigen Nachforschungen zu Folge jeden Tag mit mindestens einer anderen Frau vergnügte, zumeist ohne groß um Erlaubnis zu fragen. Manchmal gegen Bezahlung, manchmal mit Einschüchterung, manchmal mit Gewalt... So kam es, dass eine Woche zuvor ein Opfer dieses Perverslings von einem 'tätowierten Spinner', wie sie selbst sagte, zu der SonderBAR geschickt wurde und im Anschluss mehr oder weniger dasselbe tat wie ich an diesem Abend. Ich hatte langsam den Eindruck, dass hinter der verrückten Fassade dieser Typen tatsächlich eine wohltätige Organisation stecken könnte. „Wer hilft schon freiwillig fremden Leuten?“, fragte ich mich für einen Moment, überlegte dann aber, dass es diesen sonderbaren Gesellen scheinbar Spaß machte, eine Aufgabe zu haben. Vielleicht hatte Melissa auch einfach die pure Wahrheit gesagt und fühlte sich als Samariterin schlichtweg super. Am Geld schien es den Damen und Herren zumindest nicht zu hapern, das zeigte bereits das Essen oder auch die schicke Kleidung jedes einzelnen. Im nächsten Moment summte das Handy meiner rechten Sitznachbarin und sie teilte uns bedauerlicherweise mit, dass sie keinen Zugriff auf die Aufzeichnungen der CCTV bekommen könne. Da aber Samstag war, würde sie an diesem Abend erneut dort arbeiten und auf jeden Fall den Chef persönlich fragen, falls er sich die Ehre geben würde. Ich war etwas enttäuscht, aber freute mich gewissermaßen auch darüber, dass mir scheinbar ohne Bezahlung geholfen wurde. Ein wirklich schönes Gefühl, dass ich länger nicht mehr hatte. Das lag vielleicht daran, dass ich generell ein Mensch war, der Problemen möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten versuchte und daher auch selten Hilfe benötigte. Aber bis auf meinen besten Freund Seung fiel mir spontan auch niemand ein, dessen größere Hilfe ich in den letzten Jahren in Anspruch genommen hatte. In Folge schwenkte das Thema der Runde gänzlich auf die Sache mit dem Bonobo-Affen um. Unter anderem kam die Diskussion auf, ob dem böse Mann psychische, nymphomanische Schäden anzulasten wären, denen zu Folge er zwanghaft koitierte. Jedenfalls schien dieser Jihoon auf irgendeine unerläuterte Weise herausgefunden zu haben, wer dieser Mann sein könnte. In dem braunen Briefumschlag steckten in erster Linie drei 'Charakterprofile' von verschiedenen Männern, welche sich mir laut der Diskussionen als die drei möglichen Täter erschlossen. Vor allem Sarge und Melissa diskutierten angeregt darüber, wie man als nächstes verfahren könnte. Ich las mir nebenbei die erste Seite aus den Nachforschungen über Bonobo-Affen durch: „Die Interaktionen zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern sind meist friedlicher als bei anderen Primaten und beinhalten häufig Sexualverhalten. Dies dürfte der Reduktion von Spannungen dienen und wird unabhängig von Alter, Geschlecht oder Rangstufe ausgeübt. Auch das Gewähren sexueller Kontakte zum Nahrungsaustausch ist verbreitet. Bonobos praktizieren eine Vielfalt von Sexualkontakten, die auch Kopulationen mit einschließen. Der Geschlechtsverkehr kann auch mit zugewandten Gesichtern erfolgen, was bei Gemeinen Schimpansen selten ist [...]“ „Wieder etwas gelernt...“, dachte ich amüsiert. Bevor ich weiterlesen konnte, tippte allerdings der mir bisher noch am allermerkwürdigsten erscheinende Jihoon mit dem Zeigefinger an meine linke Schulter und bat mich mittels einer deutlichen Geste nach draußen vor die Tür. Ich folgte ihm neugierig. Die anderen vier Personen vermerkten unseren Abgang zwar, aber niemand schien sich etwas dabei zu denken, nahm doch ihre Diskussion um die Jagd nach dem Bonobo-Affen weiter Fahrt auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)