이상한 경우 (Isanghan Kyeong'u) von Chrolo (Seltsame Situationen) ================================================================================ Kapitel 1: Eine seltsame Nacht ------------------------------ Während ich mir in Deutschland manchmal gewünscht hatte, dass das U-Bahn-System dort irgendwann mal an die ostasiatische Struktur angepasst werden würde, war es mir jetzt natürlich ein Hindernis, dass ich ohne meine T-Money-Card, welche hinter meinem Kleingeld im Portemonnaie steckte, nicht einfach die U-Bahn benutzen konnte. Ich überlegte kurz, schaute auf meinem alten Smartphone mit 32% Restakku schnell auf Google Maps und stellt erfreut fest, dass der Zielort zu Fuß wahrscheinlich in knapp einer Stunde erreichbar wäre und zusätzlich das Haus meines Vermieters in ungefähr derselben Richtung lag – zweifelsohne meine nächste Station, da dieser einen Ersatzschlüssel zu meiner Wohnung besaß. Um zumindest an mein Bett, eine heiße Dusche und das Handy-Ladekabel zu gelangen. Wenigstens hatte ich jüngst einen längeren Urlaub von meinem Job genommen, so dass ich immerhin in diesem Bereich nicht ganz so aufgeschmissen war. Nun, längerer Urlaub... das sind hier in Korea auch schon fünf Tage. Insgesamt haben viele Leute nur ganze fünfzehn im Jahr, exklusive spezieller Feiertage. Aber ich habe mir ganze acht in Folge frei genommen. Mit der Begründung eines Kreatiefs zur Grenze an einen Burnout. Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber ohne die nötige Schwere sind acht Tage Urlaub am Stück hier kaum zu bekommen. Viele Vorgesetzte würden nicht mal einen Burnout ernst nehmen. Mein Chef war natürlich nicht sehr erfreut, aber er zeigte letztendlich die nötige Cholanz und segnete es ab. Allerdings nicht ohne mir vor dem Urlaub noch zwei Wochen lang das gefühlt doppelte Material auf meinen Schreibtisch zu stellen. Jaja... wenn ich wirklich Burnout-gefährdet wäre, könnte man ihn in anderen Ländern wohl wegen versuchten Mordes anklagen. Aber ich nahm es wortlos hin und ackerte wie ein Irrer. Eine meiner positiven Fähigkeiten ist doch immerhin, dass ich unter Druck nicht zerbreche, sondern normalerweise noch eine ganze Schippe draufpacken kann. Ich möchte auch gar nicht leugnen, dass ich etwas stolz darauf bin. Kurz überlegte ich, ob mein Chef mich mit den Akten herausfordern wollte und mir im Falle, dass ich nicht ohnmächtig zu Boden sänke, den Burnout absprechen würde. Aber er nahm meine Energieleistung anerkennend entgegen und gönnte mir schließlich die freien Tage. Nach einer halben Stunde Fußmarsch überquerte ich eine große Straße und verlor dabei eine Menge Zeit. Aufgrund der hohen Arbeitszeit rechnet der gemeine Anzugträger in Asien tendentiell immer mit einem Verlust von Zeit, wenn er diese sinnlos irgendwo verstreichen lässt. Der Sinn steckt hierbei durchaus in der Vergnügung, aber definitiv nicht im reinen Warten auf irgendetwas. Was das Überqueren von Straßen angeht... mein persönlicher Rekord liegt bei 18 Minuten, als ich einmal quer über die riesige Kreuzung bei der Gongdeok-Station gelangen wollte. Seitdem nehme ich wann immer möglich die Abkürzungen durch die in Seoul sehr zahlreich vorhandenen U-Bahn-Stationen. Aber hier gab es leider keine und ich wartete geschlagene dreizehn Minuten, bis ich endlich ohne Beeinträchtigung weiterlaufen konnte. Es war jetzt 12 Uhr und ich verspürte einen für diese Uhrzeit ungewöhnlich starken Hunger; wohl begründet dadurch, dass mein Frühstück nicht lange im Magen geblieben war. Ach pardon, ich habe gar nicht erzählt, wie es zu dem Verlust meiner Börse kam. Ich möchte es hier nachholen. Nun, ich verbrachte die vergangene Nacht hauptsächlich in einem Club im Seouler 'Reichenviertel' Gangnam. Zwar bin ich eigentlich kein großer Clubgänger, aber als allein lebender Mann ziehen mich dann und wann schon mal die Reize der Abwechslung, vorzugsweise die des anderen Geschlechts in Gegenden, in denen ich normalerweise nicht verkehren würde. So auch gestern, als ich von einer Bekanntschaft zunächst in einen Noraebang eingeladen wurde. Karaoke ist toll; ich singe nicht gut, aber gerne. Es gibt im Übrigen auch Abende, in denen es sich dort nicht nur um heiteren Singsang dreht... Ich dachte an diesem Abend zwar nicht wirklich daran, dass im Noraebang etwas... passieren sollte. Aber ich war doch etwas überrascht, als meine Bekanntschaft noch unangekündigt drei Freunde mitschleppte und einer der beiden männlichen Begleiter schon nach einer halben Stunde darauf drückte, dass wir den Abend schnellstmöglich in einem angesagten Club fortsetzen sollten. Diese 'Bitte' wurde auch ziemlich früh umgesetzt und so fanden wir uns etwas später im Club Octagon wieder, einem der bekanntesten Szene-Clubs in Gangnam. Wir standen zwar auf keiner Gästeliste – und das kann vor allem in besagter Gegend teuer werden –, aber die weibliche Begleitung meiner Bekanntschaft drückte einem der beiden Türsteher ihre goldene Kreditkarte in die Hand und nach einem gefühlten Händeschnippen fanden wir uns auch schon an einem nahe der Tanzfläche gelegenen Tisch wieder, gut versorgt mit Wodka, Whiskey und dem in letzter Zeit in Korea sehr beliebten Jägermeister – mit dem ich im Übrigen aufgrund meiner deutschen Wurzeln schon manchmal unfreiwillig in Verbindung gebracht wurde. Aber dazu ein Andermal... Wir waren nicht lange zu fünft, da sich alsbald mehrere andere Gäste zu uns gesellten. Vorzugsweise Leute ohne VIP-Bändchen, von denen sich besonders in Gangnam viele auf die auserwählten Vertreter des anderen Geschlechts fixieren, um deren Vorteile mitnutzen zu können – oder alleine weil Geld geil macht. Für gewöhnlich ist das nicht mal Heuchlerei, sondern wird offen gezeigt. Ziemlich widerlich... dachte ich immer, aber an dem Punkt der Geschichte befand ich mich selbst zwischen zwei Schönheiten, welche ich kaum einfach wegschicken konnte. Die blonde zu meiner Linken war ziemlich offensiv und massierte mir mit ihren Händen abwechselnd die linke Schulter und benachbarte Körperstellen, während die dunkelhaarige Lady zu meiner Rechten eher dem Alkohol zugewandt schien und uns immer wieder Whiskey und Jägermeister nachschenkte. Hier begann das Unglück so langsam, denn mein Magen hat aus irgendeinem Grund etwas gegen Whiskey und meine Situation verbot mir leider, die Shots abzulehnen... eigentlich finde ich das sehr schade. Ich liebe es, Leuten mit Whiskey-Kenntnissen beim Plaudern zuzuhören. Auch wenn ich selbst nicht nachvollziehen kann, wieso ein Connemara nun süßer als ein Tyrconnell und pelziger als ein Glennfiddich schmecken soll, aber nicht so würzig wie... ach egal. Es macht Spaß. Selbst Blender könnten mich auf diese Art und Weise beeindrucken... Nach einem ersten Ritt auf die Tanzfläche wäre fast noch ein drittes Mädchen auf meinen Schoß gelandet, aber als ich den gespielt empörten Blick meiner Bekanntschaft bemerkte, entschied ich mich dazu, die Schöne auf einen freien Platz fern meiner Eigen zu verweisen. Zu dem Zeitpunkt ging es mir schon nicht mehr so gut, der Whiskey schaukelte in meinem Magen und das einmal fast bis zurück nach oben. Nach einer Weile bat ich die Ladies deshalb um etwas Geduld, da ich die Toilette aufsuchen wollte... doch dazu sollte es wohl nicht kommen. Auf dem Weg ein Stockwerk höher (der Hauptteil des Clubs liegt mehr oder weniger im dritten Untergeschoss, die angenehmeren Toiletten befinden sich im Stock darüber) wurde ich von einem adrett gekleideten, zugleich aber unglaublich nach Cognac stinkenden Mitdreißiger angerempelt, der mit absoluter Sicherheit nicht mehr bei klarem Verstand war, aber in Folge die Schuld an dem Zusammenprall bei mir suchte. Ich empörte mich und es dauerte nicht lange, bis er mir eine langte. Und auch wenn sein Schlag so kraftlos wie der eines Teenagers war, brachte die Überraschung (oder der Whiskey) mich dazu, den Halt zu verlieren und meinen Hintern spontan auf dem leicht klebrigen Discoboden vor der Treppe abzusetzen. Alles was danach passierte, kann ich nicht mehr richtig wiedergeben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich irgendwo erbrach und ich kann in den hinteren Winkeln meiner Ohren auch noch das Schreien des gewalttätigen Säufers hören, tendentiell so als würde er von wem anders weggezogen werden. Außerdem hat sich das Bild einer seltsamen Fratze in mein Hirn gebrannt – ein Gesicht wie das einer Ratte, mit hervorlukenden Schneidezähnen und kleinen, zur Gesichtsmitte hin kurvig nach unten verlaufenden Augen. Aber ich weiß nichts direkt damit anzufangen. Wie ich sowas hasse...! Trotz allem wachte ich heute morgen nicht etwa in dem Club oder gar auf einer Toilette auf, sondern vor meiner Haustür. Ich will nicht wissen, wie viele Leute aus den Nachbarhäusern mich dort gesehen haben, denn dank meiner leichten Sitzhaltung war ich sicher einfach zu identifizieren. Aber immerhin schien keiner der Nachbarn aus dem Haus meiner eigenen Wohnung informiert, denn ich lehnte zum Zeitpunkt des Aufwachens mit vollem Gewicht an der Eingangstür. Was mich aber freilich am meisten wunderte, war der Mantel, den ich halb offen über meinem schwarzen Hemd trug. Offensichtlich nicht mein eigener (außer ich gab jemandem dafür volltrunken meine Brieftasche im Austausch), aber dafür ein ziemlich hochwertiger Ciguardian von Cinque in schönem Beige. Der adrette Stehkragen wusste zu gefallen und die Innentaschen waren hochwertig mit weichem Pelz gefuttert. Ich kann mir vorstellen, dass man zwischen 300.000 und 500.000 Won für einen neuen bezahlt hätte. Zwar keine Seltenheit in den wohlhabenderen Straßen von Gangnam, aber ein Preis, den ich selbst allenfalls für eine komplette Garnitur ausgeben würde. Zum Zeitpunkt meines Erwachens war es cirka 10 Uhr und die Sonne stand verdeckt hinter einigen leichten Wolkenschwaden am graublauen Himmel. Trotz der knappen zehn Grad war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht allzu kalt; wohl wegen dem Restalkohol in meinem Blut. Nachdem ich die Möglichkeit, bei einem Nachbarn zu klingeln, ausschlug, versuchte ich die Bekannte zu erreichen, die mich am Vorabend zum Singen eingeladen hatte – leider ohne Erfolg. Meine erste Station war dann ein guter Freund, aber auf halbem Weg zu ihm fiel mir ein, dass Seung bereits auf der Arbeit sein musste und als operierender Arzt für gewöhnlich das Handy abschaltete. Nächste Anlaufstelle war ein Mc.Donald's, wo ich meinen vorne im Briefkasten versteckten Notgroschen an zwei Cheeseburger verschwendete, welche meinen Körper pünktlich genau dann wieder verließen, als ich schließlich auf der Polizeistation um einen Durchruf über abgegebene Fundsachen quer durch Seoul bat. Diese orale Ejakulation führte wohl auch zu dem inakzeptablen Verhalten des Polizisten, welcher meine Bitte mit dem Argument ausschlug, dass ich doch persönlich zur U-Bahn-Haltestelle Jeongno-sam gehen solle, an der sich angeblich ein verwaltendes Fundbüro befand. Der Kontakt zwischen diesen Stellen und der Polizei war scheinbar nicht wirklich vorhanden. Geld für den Bus gab er mir auch keines... Soviel jedenfalls zu meiner derzeitigen Situation. Leider fehlen mir noch entscheidende Puzzleteile und vor allem ein paar klimpernde Münzen, um der Lösung meines Problems näher zu kommen. Aber vielleicht entscheidet sich mein Schicksal ja tatsächlich in dieser SonderBAR... Ach und ich bitte an dieser Stelle noch um Verzeihung für den Wortwitz mit dem Blender. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)