Bruderliebe von randydavies ================================================================================ Kapitel 48: ------------ ~°~47~°~     Wir hatten viel aufzuholen. All die Jahre, die wir getrennt waren, sogen wir voneinander auf wie ein Schwamm. Die Nähe genoss ich auch ohne Händchenhalten – die Gespräche waren Balsam für die Seele. Aber nicht nur ich, auch Darian erzählte viel von sich und wie er merkte, dass auch er auf Männer stand – dass er ausprobierte. Ich schmunzelte. Zwar war ich schon lange schwul, aber ich hatte mich niemals austoben müssen. Eifersüchtig war ich deswegen nicht. Nach ein paar weiteren Bieren, Darian hatte schon sein Viertes, ich drei intus, waren unsere Gespräche fürs Erste beendet. Wir brachen auf und besuchten Plätze, an denen wir oft als Kinder unterwegs waren. Auch wenn die Jahreszeit nicht gerade angenehm war, ließen wir uns nicht davon abbringen, es zu tun.   Die darauffolgenden Tage, die Darian freihatte, genossen wir – ganz ohne Sex. Die Sehnsucht nahm aber immer weiter zu. Nicht nur bei mir, auch er sah mich ab und an mit verstohlenen Blicken an. Auch wenn ich mich nach ihm verzehrte, wusste ich, dass es wert war, zu warten und mich wunderte Darians Geduld, denn seine Augen sprachen eine andere Sprache … und doch war es die schönste Zeit nach Carstens Tod. Carsten … ein Thema, das wir beide nicht anschnitten. Ich war dankbar. Wenn die Jahreszeit es hergegeben hätte, dann hätte ich mir gewünscht, auf seinem Motorrad zu sitzen und mit ihm ins Grüne zu fahren. Eines Tages würden wir das nachholen. Als ich ihn nach seinem Motorrad fragte, grinste er nur. „Ich hoffe doch, dass wir dann eine Spritztour machen werden“, meinte er zärtlich. In einem unbedachten Moment küssten wir uns. „Komm, lass uns Susan besuchen gehen, bevor ich über dich herfalle“, sagte er schließlich knurrend und ich lächelte ihn verliebt an. Wir fuhren mit der Bahn und besuchten unangekündigt Susan. Vor ihr mussten wir nicht schauspielern und sie lachte glücklich, als sie uns Hand in Hand vor der Tür stehen sah. Die Überraschung war uns also gelungen. „Endlich haben sich der Berg und der Prophet gefunden.“ Sie klatschte begeistert in die Hände und wir umarmten sie beide. Wer aber der Prophet und wer von uns der Berg war, fragte ich lieber nicht nach. „Kommt rein. Mein Mann ist auch da.“ So lernte ich ihren Mann kennen, ein netter Kerl. Doch vor ihm waren wir allerdings nur Brüder. Susans Blick hatte uns dazu veranlasst. Aber egal, das spielte keine Rolle. Ich fühlte mich wohl, das war das Wichtigste. Wir verbrachten den Nachmittag bei ihr, tranken Kaffee und aßen ihren selbst gebackenen Kirschkuchen. Als wir uns verabschiedeten, war es ein Herzliches. Sie hatte mir wirklich verziehen. „Du wirst Patenonkel, das ist keine Bitte, sondern ein Befehl“, sagte sie zum Schluss. „Ich fühle mich geehrt.“ Das war ich. „Na Brüderchen, dann musst du ja Verantwortung übernehmen“, scherzte Darian und legte freundschaftlich den Arm um mich. „Du aber auch!“ Ich gab ihm einen Klaps auf die Schulter. „Susan ist ein wirklicher Freund, ich bin froh, dass sie mir verziehen hat.“ „Jaden … ich …“ In seiner Stimme lag ein Verlangen und ich wusste, was er meinte. Ich hielt ihn auf. „Sag nichts, lass Miguel Zeit, eine Bleibe zu finden. Wir finden noch einen Weg, jetzt gehen wir zu mir.“ „Nein, zu deiner Mutter und Helmut.“ Er seufzte und ich konnte mir denken, worauf er hinauswollte, aber ein Hotelzimmer wollte ich nicht nehmen.   Meine Mutter erkundigte sich schon nicht mehr, warum Darian immer dabei war. Abends ging Darian zu sich und ich fragte mich manchmal von Eifersucht geplagt, ob die beiden sich noch das Schlafzimmer teilten. Etwas, was mir gar nicht gefiel. In der ganzen Zeit hatte ich ein Zusammentreffen mit Miguel vermieden. Und wenn ich Darian mit dem Auto abholte, konnte ich am Fenster hinter dem Vorhang eine Regung erkennen. Ich musste nicht raten, dass es Miguel war, der uns beobachtete. Hin und wieder fragte mich Darian, ob ich nicht mit rein wollte.   Darians vorletzter Tag, dann musste er wieder arbeiten. Und ich musste wieder nach Hamburg zurück. Wir hatten das Thema die ganze Zeit ausgeklammert. Er wusste, dass ich nicht auf Dauer bei meiner Mutter wohnen bleiben konnte. „Miguel zieht heute Abend aus“, riss mich mein Bruder aus meinen Gedanken. „Das war es auch, was ich dir eigentlich im Auto sagen wollte.“ Wir standen im Flur und Helmut und meine Mutter waren im Wohnzimmer und schauten sich einen Tatort an. So konnten wir einigermaßen reden, ohne gleich gehört zu werden. „Hat er eine Bleibe gefunden?“ „Ja, endlich.“ Er seufzte. „Es ist nicht einfach, oder?“ „Nein, ist es nicht. Er geht nach Hamburg zurück.“ „Ich muss auch gehen“, platzte ich dann auch mit dem Thema Weggang heraus. „Oh.“ Darian klang überrascht. „Ja sicher, du bist hier nur auf Besuch.“ Er sah mich ernst an. „Wann?“ „Morgen, oder Übermorgen.“ Ich war mit mir noch uneins. „Dann haben wir noch einen Tag – und ich sturmfreie Bude.“ Sein Blick ging mir durch Mark und Bein und die Schmetterlinge im Bauch begannen zu flattern. Ich gab ihm als Antwort einen flüchtigen Kuss, als ich sicher war, dass uns meine Mutter nicht sehen konnte, die Tür zum Wohnzimmer war zu. „Gefährlich, gefährlich“, flüsterte Darian und gab mir einen zurück. „Bis morgen.“   Meine Mutter wie auch ihr Mann, ließen mich zufrieden, als ich mich ins Wohnzimmer zu ihnen setzte, um den Rest vom Film mit anzuschauen. Sie stellten keine Fragen und doch konnte ich sehen, dass sie sich etwas zusammenreimen konnten. Helmuts Blicke sagten viel aus. Wir mussten vorsichtiger sein.   Es war in aller Herrgottsfrüh, als ich packte und war eigentlich entschlossen heute schon zu fahren anstatt erst morgen - auch wenn ich wusste Darian und ich wären bei ihm nun alleine. Dies aber erzählte ich meiner Mutter nicht, sondern ließ sie im Glauben, dass ich sofort zurückfahren würde. Außerdem, und das war die Wahrheit, fehlte mir Basta und mir fehlte mein Rückzug. Ich brauchte ein paar Tage für mich. Auch wenn ich mich mit meiner Mutter ausgesöhnt hatte, was man von meinem Vater nicht behaupten konnte, verstand sie meine Beweggründe. Sie war zwar traurig, aber sie wusste auch, dass es kein Abschied für immer sein würde. Ich fiel, während ich packte, in Gedanken. Miguel war tatsächlich seit gestern Abend bei Freunden untergekommen, wie mir gestern Nacht noch Darian übers Handy mitgeteilt hatte. Mein Bruder hatte angedeutet, wieder aus dem Haus zu ziehen. Er fand es sowieso viel zu groß für zwei Leute und ich hatte bereits herausgehört, dass Miguel die treibende Kraft mit dem Haus gewesen war. „Ihr beide, du und Darian, habt nun ein besseres Verhältnis?“, fragte mich meine Mutter, als ich meinen Koffer im Auto verstaute. Sie hatte sich in ihren Mantel gehüllt, der Wind war eisig. Helmut schlief noch und ich hatte mich am Abend vorher für die Gastfreundschaft bedankt. Erstaunt sah ich sie an. „Ja, haben wir“, antwortete ich ihr. Warum fragte sie mich das so seltsam? „Gibt es was, was du mir sagen möchtest?“ Sie sah mich ernst an. Es gab vieles, was man sagen sollte, aber nicht das hier. „Darian und ich sind Brüder, wir mögen uns, mehr ist da nicht“, log ich und sie hob ihre Augenbrauen, da wusste ich, sie nahm mir die Mär nicht ab. „Mehr sollte ich nicht wissen, meinst du das? Ich bin nicht blöd, und eure Blicke haben euch gleich am ersten Tag verraten.“ Ich schluckte schwer und wusste nicht, was ich sagen sollte. Daher blieb ich stumm. Sie sagte ebenfalls nichts, trat aber an mich heran und gab mir überraschenderweise einen Abschiedskuss auf die Stirn und schenkte mir danach einen liebevollen Blick. Dann ging sie wieder ins Haus und ließ mich so zurück. Sprachlos und mit feurigen Wangen stieg ich total durch den Wind ins Auto. Ihr letzter Satz wirkte noch eine Weile nach. Meine Mutter wusste von uns – akzeptierte sie es? Ihre Reaktion war nicht negativ. Nein, das war sie wirklich nicht. Ich startete den Wagen. Als ich vor Darians Haus parkte, war er bereits am Fenster und keine Minute später stand er schon vor der Haustür – mit einem Jogginganzug. Er sah zum Anbeißen aus und ich verschwieg ihm, dass meine Mutter was ahnte. Warum sich damit belasten? „Komm rein, es ist saukalt hier draußen.“ Darian rieb sich seine Arme und vor seinem Gesicht bildete sich beim Ein- und Ausatmen kalter Nebel. „Ich weiß nicht“, gab ich schüchtern von mir.  Mir kam das Haus nun fremd vor und ich fühlte mich auf einmal als einen Eindringling. Er schien meine Gedanken erraten zu haben. „Miguel hat all seine Sachen mitgenommen, die Möbel waren bereits im Haus, wir hatten sie vom Vormieter übernommen. Es ist nichts mehr von ihm da“, erklärte er dennoch feierlich. Die Glut in seinen Augen ließ mich erröten. „Ich weiß, aber …“ „Wir sind für uns alleine. Bitte! Es ist unser letzter Tag!“ Er trat nahe an mich heran. „Wir haben doch noch einen Tag, oder?“ Warum duftete er nur so gut? Warum sagte mir mein Gefühl, ich sollte es riskieren? Mein Herz raste, meine Beine verwandelten sich in Pudding, mir wurde schwindelig und ich konnte ihn nur anstarren. Als ich antworten wollte, wurde ich schon ins Haus gezogen. Kaum war die Haustür hinter uns geschlossen, fiel er über mich her. Seine Hände waren überall und mir entwich ein Stöhnen, was ihn schmunzeln ließ. Wir taumelten weiter ins Hausinnere, ins Wohnzimmer und binnen von Sekunden lag ich auf der Couch und Darian auf mir. Er küsste mich stürmisch, ausgehungert, während er mich von meiner Jacke befreite. Mein Hirn hatte sich in dieser Zeit verabschiedet und begann viel zu spät nun mitzudenken, was wir hier machten. „Warte!“, keuchte ich. Darian hörte widerstrebend auf. „Was ist? Warten? Oh nein, ich habe die ganze verdammte Woche gewartet. Ich kann nicht mehr warten.“ Er rieb seinen Körper an mir und ich spürte da deutlich etwas, was wirklich nicht warten wollte. „Oh, Darian.“ Mein Körper bebte unter seinem Gewicht, meine Sinne nur auf ihn ausgerichtet. „Ich will dich!“ Ich sah ihn nur an, bebte. „Ich muss dir doch ein Andenken mitgeben, sodass du gezwungen bist, wieder zu kommen? Ich will nicht, dass du gehst.“ Angst lag in seiner Stimme und er hatte bereits seine linke Hand unter mein Shirt geschoben und fuhr mir bestimmend über den Bauchnabel. Das war es also, warum Darian mit mir unbedingt schlafen wollte. Er hatte Angst, ich könnte nicht zurückkommen. Nein, ich würde immer wieder zu ihm kommen. „Willst du mich etwa schwängern?“, witzelte ich unter ihm, dann wurde ich ernst. Ich wollte ihm das Gefühl geben, es ernst zu meinen. „Ich komme wieder, versprochen – aber ich habe einen weiten Weg vor mir, vielleicht sollte ich doch heute fahren?“ „Fahr morgen!“ Ich seufzte. „Bitte, wir haben alles geklärt und das, was auf der Hütte …“ Ich hatte einen Finger auf seine Lippen gelegt und zwang ihn, zu schweigen. „Ich möchte nicht mehr davon reden, okay! Das hier – Jetzt und Hier, das zählt, sonst nichts.“ Und trotzdem stand etwas zwischen uns, ich spürte es und wollte das unsichere Gefühl nicht zulassen, aber es war so. „Schlaf mit mir!“, riss er mich aus den Gedanken und sah mich erwartungsvoll an. Ich sollte mit Darian schlafen? Ich! „Bitte?“ Er richtete sich auf und zog mich mit auf die Beine, die Jacke hing in meiner Armbeuge und Darian zog sie mir einfach aus, legte sie über das helle Sofa, dann strich er sich die Haare aus dem Gesicht. „Darian!“ Unsicherheit lag auf meinen Lippen und ich strich mein schwarzes Shirt glatt, versuchte, Zeit zu schinden. In meinem Kopf wirbelte einiges an Gedanken. Ich wollte so sehr mit ihm schlafen, aber es dann auch zu machen, war eine andere Sache. „Du hast doch schon mal, oder?“, wurde er jetzt unsicher und ich starrte nur auf die Uhr, die an der Wand hing. Sieben Uhr Uhr in der Früh und das Thema war wirklich sehr ungewöhnlich. Ich nickte. „Ja, ich habe schon mal.“ Dass es aber nur mit Carsten war, band ich ihm nicht auf die Nase. Darian wusste noch nicht einmal, dass ich ein Piercing an meiner rechten Brustwarze hatte. Den Ring hatte ich die ganze Zeit über abgenommen, heute jedoch nicht. „Also, worauf warten wir, ich kann an nichts anderes mehr denken, ich meine – du weißt schon.“ Ich betrachtete ihn mir, seine offenen blonden Haare reichten bis zu den Schultern, seine grünen Augen leuchteten. Er sah einfach umwerfend aus, in seinem Shirt und seiner Jogginghose und mein Widerstand schmolz dahin. „Unter einer Bedingung. Wir gehen nicht ins Schlafzimmer, ich glaube zwar kaum, dass Miguel ein Teil des Bettes abgesägt hat, aber ich möchte das einfach nicht.“ „Ich schlafe momentan im Gästebett. So dreist bin ich nicht.“ Er lächelte. „Das heißt dann wohl ein Ja, oder?“ „Nun ja, ein Nein klingt wohl anders.“ Meine Stimme war belegt und ich trat an ihn heran, wurde aktiv und zog ihm das Shirt über seinen Kopf, begann ihn zu küssen. Darian umschlang meinen Körper und ich kostete alles von ihm, alles was er mir anbot, während sein Shirt achtlos auf den Boden fiel und ich auf nackte Haut traf. Okay, dann sollte es andersherum sein. Mein Körper wollte ihn sowieso und zurückrudern hätte ich nicht mehr können, als ich ihn auch noch von den anderen Sachen befreite und er vor mir stand, wie Gott ihn geschaffen hatte. Mutig und mit Herzklopfen fasste ich nach seiner Hand und legte sie über den Schritt meiner Hose. „Na dann.“ Er grinste, streichelte mich dort und nahm meine Hand, führte mich nach oben in das Gästezimmer. Ich dirigierte ihn ans Bett, woraufhin er sich drauffallen ließ. Ich beugte mich über ihn und begann ihn stürmisch zu küssen, drang mit meiner Zunge in seinen Mund, während meine Hände aktiv wurden und über seinen Körper streichelten, denn es war mein Part, ihn zu verführen. Und das tat ich auch.   Eine Stunde später liebte mich dann Darian, nachdem ich bettelnd darum gebeten hatte, und verdrängte die Hütte aus meinem Gedächtnis. Über das Brustpiercing war er ganz verzückt gewesen. Es hatte ihn beinahe rasend gemacht, wie auch mich, als seine Zunge immer und immer wieder über den Ring fuhr. Doch blieb eine Rechnung noch offen, und wenn die Zeit gekommen war, dann würde ich darauf zurückkommen, aber jetzt wollte ich Darian genießen und spüren. Und es war genauso, wie ich mir das in meinen Träumen vorgestellt hatte, nein, es war sogar noch besser. Mein Dauergrinsen war nicht zu überbieten und Darian sah ebenfalls äußerst zufrieden aus. Wir hatten beide das bekommen, was wir uns gewünscht hatten – uns.   Stunden später, es war weit nach zwölf Uhr, verabschiedete ich mich von Darian, weil ich mich doch entschieden hatte, noch am selben Tag zurückzufahren und ich wollte es auch. Der Abschied fiel uns trotz allem schwer. Ich versprach, schnell wiederzukommen, nachdem wir uns gefühlte tausend Mal versicherten, uns niemals mehr aus den Augen zu verlieren. Ich stieg ins Auto und sah seinen Blick im Rückspiegel. Seine grünen Augen leuchteten als Kontrast zu dem weißen Winterwetter. Traurigkeit aber auch Freude wechselten sich ab, als ich mich schon lange auf der Autobahn befand. Ich schmunzelte, als ich fünf SMS in der Zeit bekam, die ich für den Heimweg brauchte. Alle waren sie mit einem *Ich vermisse dich* und *Wehe, du kommst nicht zurück*, versehen. Ein großer Romantiker war Darian nie gewesen, aber ich wusste auch so, was sie bedeuteten. Sie drückten ein: „Ich liebe dich“ aus. Als ich mein Haus ansteuerte, war die Nacht längst hereingebrochen und die Laternen deuteten mir den Weg. Auf der Fahrt zurück wurde ich immer sicherer, wie meine Zukunft aussehen sollte. Ich würde nicht mehr in Schenefeld bleiben. Mein Platz war München, mein Platz war an der Seite von Darian. Es brannte Licht, das Haus wirkte weder leer noch einsam und da wusste ich, wem ich das Haus überlassen würde. Ina und Sabine und weitere neue Mieter. Das Haus sollte mit Menschen gefüllt sein, die das Leben genossen und ein Zuhause brauchten. Kurz dachte ich an Carstens Familie, und wie seine Eltern zu ihm waren. In diesem Moment liebte ich meine Mutter, liebte sie richtig. Denn ich hatte Glück, und dass sie nun das mit Darian und mir wusste, störte mich nicht mehr. Kaum war ich die Garageneinfahrt gefahren und ausgestiegen, lief Sabine als Erstes raus, gefolgt von meinem so sehr vermissten Vierbeiner, der sie im Nu überholt hatte. Basta hatte mich schier umgeworfen. Der Schäferhund schleckte mit seiner langen Zunge mein Gesicht ab. „Hey, du bist einen Tag früher als geplant! Sabine lächelte. „Ich weiß ... Hey!“ Ich wurde erneut von meinem Hund angesprungen. „Basta … ist doch gut, bin wieder da.“ Ich liebte den Hund, nicht seinen Speichel. „Bähh.“ Ich kraulte ihn hinter seinem Ohr und gab ihm einen Kuss in sein Fell. „Der Hund hatte nur noch die Woche über gejault, ich bin froh, dass du da bist. Er hat dich sehr vermisst.“ „Und ich ihn“, gab ich von mir und kam auf sie zu um sie zu begrüßen. „Hey, warum hast du nicht angerufen, dass du einen Tag früher kommst?“, beschwerte sie sich und fiel mir um den Hals, bevor ich ihr gleich antworten konnte. Wow. „Angerufen?“ Vor lauter Darian hatte ich das ganz vergessen. Ich kratze mich verlegen am Kopf. „Wenn ich in mein eigenes Haus zurückkehre, muss ich da anrufen, wann ich genau ankommen werde?“ „Na, ja.“ „Wo ist Ina?“ „Wo wohl?“ Auf ihrem Gesicht legte sich ein Schatten. „Bei ihrem Freund, es war oftmals sehr einsam ohne dich.“ Dann aber erhellte sich ihre Miene. „Ich male seit einigen Tagen, wollte fragen, ob ich meine Bilder in dem Zimmer von Carsten abstellen kann.“ Carstens Zimmer als Atelier? „Warum nicht.“ Ich gähnte, war ich doch sehr, sehr müde.  „Reden wir morgen, ich bin erledigt.“ „Oh sorry, hey, ich habe was gekocht und man kann es auch kalt essen.“ Hunger hatte ich schon, hatte ich, seit ich mit Darian geschlafen habe, keinen Bissen mehr gegessen vor lauter Verliebtheit. „Was gibt’s, was man um Mitternacht essen kann?“ „Lasagne … mit viel, viel Käse.“ Das hörte sich lecker an. „Überredet.“   Ich blieb zwei Wochen, sagte den Frauen, dass ich nach München ziehen würde, aber erst einmal nur für einige Wochen. Ich regelte soweit alles, versprach aber, ab und an zu Besuch zu kommen. Ich weihte sie in meine Pläne für die Zukunft ein und schenkte ihnen sogar den BMW, als Dank, dass sie hier wohnen bleiben wollten. Auch Ina fand die Idee super, denn sie hatte die Idee, dass ihr Freund zu ihr ziehen könnte. „Warum nicht“, hatte ich ihr daraufhin geantwortet. So bekam ich mehr Mieteinnahmen. Ich hatte nichts dagegen. Alles lief perfekt. Nur Darian fehlte mir. Jeden Tag chatteten wir über einen Nachrichtendienst, oder riefen uns an. Ich konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen und vermisste ihn immer mehr. Sabine gegenüber erwähnte ich die Sehnsucht nach meinem Bruder nicht, als sie mich danach fragte. Ich gab nur vor, jemanden in München kennengelernt zu haben.   Und dann war es endlich soweit. „Pass auf dich auf.“ Sabine umarmte mich und hatte Tränen in den Augen, als ich alles für die Rückkehr nach München gepackt hatte. „Ich pass auf mich auf“, versprach ich ihr und winkte zum Abschied. Ina hatte sich schon verabschiedet und hatte sich zu ihrem Freund ins Bett gekuschelt, der seit einem Tag hier wohnte. Zufrieden mit der ganzen Situation stieg ich in mein Cabriolet, fuhr aber nicht gleich auf die Autobahn, sondern besuchte Carsten. Diese Zeit nahm ich mir. Auf dem Baumfriedhof erzählte ich ihm von meinen Zukunftsplänen und küsste seinen Baum zum Schluss. Ich weinte dabei, denn ich hatte Carsten wirklich geliebt. Dann stieg ich in den Wagen, als die Tränen getrocknet waren und ich mit mir eins war, und rief während der Autofahrt Darian an. Er war gerade in der Bar arbeiten und konnte nicht richtig reden, zumal auch die Geräuschkulisse im Hintergrund sehr laut war. Wir vereinbarten mühevoll einen Treffpunkt, aber erst am nächsten Morgen, da ich zu spät ankommen würde. Dann rief ich meine Mutter an und kündigte meinen Besuch an, damit sie nicht länger auf mich warten musste. Sie freute sich und begrüßte mich elf Stunden später, mitten in der Nacht, als ich ankam, Helmut schlief schon. „Schön, dass du wieder zurück bist.“ Sie umarmte mich. „Danke“, sagte ich nur. Wir sprachen nicht viel und sie hatte mir noch etwas vom Abendessen aufgehoben, was ich dankbar zu mir nahm, denn ich hatte den Tag über kaum etwas gegessen. Meine Mutter hatte den Vierbeiner gleich ins Herz geschlossen und das, obwohl sie niemals einen Hund hatte. „Der ist aber lieb“, hatte sie gesagt. „Er ist mein Halt“, hatte ich ihr geantwortet. Dann legte ich mich völlig erledigt ins Gästebett und konnte es trotzdem kaum erwarten, bis die Nacht vorüberging. Basta legte sich neben mich und ich spürte die Wärme die von ihm ausging. Normalerweise schlief er nicht mit im Bett, aber heute machte ich eine Ausnahme.   Am nächsten Morgen brach ich zeitig auf. Ich nahm den Hund mit in die Innenstadt. Der Treffpunkt war der Marienplatz, und als ich Darian schon von Weitem sah, er hatte mich aber nicht gesehen, wies ich Basta an, still zu sein. Ich wollte noch unbemerkt bleiben und band ihn an einem Geländer unweit von hier, aber außer Sicht von Darian, an einem Geländer fest. „Ich komme gleich wieder. Gleich wirst du meinen Bruder kennenlernen, ich hoffe, du magst ihn.“ Als Antwort legte er nur den Kopf schief, blieb dabei fast ruhig stehen, soweit ein Hund ruhig sein konnte. Aber sein Schwanz verriet ihn, denn der wedelte heftig. Zum Glück war es nicht mehr ganz so eisig, sodass ich mir keine Sorgen machen brauchte, ihn da alleine zu lassen, weil ich nicht wusste wie lange ich brauchte. Ich entfernte mich von Basta und schlug den Weg zu meinem Bruder ein. Darian sah mich nun kommen, da ich ihm winkte und entfernte sich vom Brunnen auf, an den er sich gelehnt hatte. Ich sah, dass er sich schick gemacht hatte. Wie gerne hätte ich ihn in den Arm genommen. Doch verbat ich mir das in der Öffentlichkeit. „Endlich, da bist du ja“, meinte er und ein Lächeln legte sich über seine Lippen. Er wirkte übernächtigt, hatte einen Dreitagebart, was ihm nicht schlecht stand. Nur beim Küssen würde er bestimmt kratzen. Aber das würde ich erst ansprechen, wenn wir unter uns waren. „Ja, endlich“, sagte ich nur und strahlte ebenfalls. Ich sah Darian lange und eindringlich an, sog alles von ihm auf, erinnerte mich an unseren schönen Abschiedssex und dann besann ich mich, dass ich ihm ja noch etwas sagen musste. „Darian.“ Wir liefen wieder zu dem Brunnen und blieben davor stehen. „Was ist?“, fragte er unsicher. „Ich muss dir etwas sagen?“, fing ich an und machte es spannend, indem mein Gesicht ernst blieb, obwohl ich innerlich grinsen musste als ich merkte wie er mich erschrocken ansah. „Was willst du mir sagen?“ Er wirkte auf mich auf einmal verschüchtert, was schier meine Maskerade bröckeln ließ. Ich musste mich vor ihm zusammenreißen. „Es gibt da jemanden in meinem Leben“, fiel ich mit der Tür ins Haus. „Oh!“ Seine Augen wirkten auf einmal traurig und leer. Die Worte hatten Wirkung gezeigt und ein schlechtes Gewissen breitete sich aus. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. „Carsten ist tot, ich verstehe, wenn du noch trauerst und du darum noch nicht mit mir zusammen sein kannst“, meinte er nur. Er hatte sich wieder an den Brunnen gelehnt, seine Hände lagen auf dem Schoß ineinander gebettet. Er wirkte in sich gealtert. „Nein, das ist es nicht. Warte hier!“, sagte ich darum schnell und wollte das hier Beenden, weil es mir selbst nahe ging. Ich stand auf und ging zu Basta, der mich kommen sah und mit dem Schwanz aufgeregt wedelte. Darian sah mich mit dem Hund kommen und verstand. Ich konnte seine Erleichterung förmlich spüren und sehen, denn er hatte nicht mehr diese Sorgenfalten auf seinem Gesicht. „Auf den werde ich nicht eifersüchtig werden, hoffe ich.“ Darian streichelte ihn und Basta schnupperte an seinen Händen, ließ sich die Streicheleinheiten gefallen. Basta mochte ihn – wie schön. „Hast du immer schön auf meinen Bruder aufgepasst, mhm?“ „Basta ist mein Leben. Und ja, hat er, er ist tief in meinem Herzen verankert. Genau wie du … “ Und das waren keine leeren Versprechungen, das war die reine Wahrheit. „… und Carsten!“, fügte er hinzu und ich war nicht nur überrascht, sondern überrumpelt. Was sollte ich sagen, denn Darian hatte nicht unrecht. „Jaden, mach dir nichts vor, er war dein Halt, dieser Halt, den ich dir in der Zeit nicht geben konnte … es ist in Ordnung.“ „Wirklich?“ „Ich bin zwar ein Arschloch, aber kein Idiot.“ Er lächelte. „Ja, du bist ein Arschloch!“, gab ich zu. „Aber anscheinend stehe ich auf Arschlöcher.“ Ich wollte ihm einen Stoß in die Seite versetzen, aber er wehrte es spielerisch ab. „Ich habe eine Wohnung für uns?“, platzte er mit einer Neuigkeit heraus, was mir die Sprache verschlug. „Du hast Geheimnisse vor mir?“ „Nein keine mehr, nur das eben!“ Seine grünen Augen leuchteten. Ab da wusste ich, wir hatten eine Zukunft. Ich freute mich sehr auf unsere gemeinsame Aussicht eines Zusammenlebens.   Wir sagten unseren Eltern nichts. Wir sagten nur, dass wir zusammenziehen wollten, weil ich wieder Sehnsucht nach meiner Heimat bekommen hatte? Als Grund dafür nannten wir die Kosten und dass wir sie uns dann teilen könnten. Da jeder von uns in keiner Partnerschaft steckte, fanden wir es nur logisch. Klar, meine Mutter nahm mir das nicht ab, wusste sie schließlich, dass ich eigentlich durch Carsten recht gut versorgt war. Sie sagte aber nichts zu unseren Plänen – Darian wusste nicht, dass sie es wusste und ahnte es auch nicht, da sie sich mit uns freute. Das war auch gut so. Ich behielt es auch für mich. Unser Vater war wie immer verschlossen, als wir ihm unserer Pläne mitteilten. Verschlossener, wie ich ihn niemals zuvor gesehen hatte. Das Verhältnis blieb trotzdem frostig, auch wenn er jetzt wusste, dass wir in München blieben. Darian schüttelte nur darüber den Kopf. „Wie kann man nur so engstirnig sein, also das ist was, das wir beide nicht von unserem Vater geerbt haben, nicht wahr?“ „Wohl wahr! Es macht mich traurig, aber vielleicht braucht er einfach noch Zeit.“ Ich versuchte ihn zu verstehen, konnte es aber nicht wirklich nachvollziehen. Darian und ich waren schließlich keine Verbrecher. „Schauen wir uns mal unsere Wohnung an, mmh, was meinst du?“ „Meinen? Ich dachte, wir würden niemals hinfahren.“ Dann hielt ich ihn auf, als wir vor meinem Cabriolet standen. Er drehte sich zu mir und sah mich verwundert an. „Was ist?“ „Ich möchte, dass wir uns ganz frisch einrichten, nichts soll mehr auf früher hinweisen, es soll für uns ein Neuanfang werden.“ „Ich würde dich jetzt gerne küssen, okay.“ Seine Augen blitzten mich vergnügt an. „Hier?“ „Ja, genau hier!“ Er setzte seine Worte in die Tat um.   Wir wussten genau, dass wir eine Gratwanderung machten, auch wenn es eine neue Wohnung war, in einem anderen Stadtviertel von München, wussten wir, dass Nachbarn nicht blöde waren, sie würden tuscheln. Aber dafür waren wir gewappnet. Wir würden es nicht an die große Glocke hängen und sagen, dass wir Brüder sind. Darian hatte den Namen seiner Mutter angenommen, das wusste ich noch von Carsten, so hatten wir beide unterschiedliche Nachnamen, etwas, was nicht auf Verwandtschaft hinweisen würde. Doch wussten wir genau, was wir hier taten. Wir wollten zusammen sein. Ich wollte mit Darian zusammen sein. Ob wir aber auf Dauer harmonieren würden, das würde sich zeigen. Denn Darians Wutausbrüche kannte ich zur Genüge. Und auch wenn er sich geändert hatte, eine gewisse Wut steckte immer noch in ihm. Ich war dennoch zuversichtlich, dass wir es schaffen würden. Aber eine Rechnung hatte ich trotzdem mit ihm offen und die würde ich bald in die Tat umsetzen.   ©Randy D. Avies 2014 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)