Bruderliebe von randydavies ================================================================================ Kapitel 29: ------------ ~°~29~°~     Mich überrollte der Zorn von Neuem, als ich in das unschuldig aussehende Gesicht Carstens blickte, in dem Angst und Sorge lagen. Seine Wangen fühlten sich zwischen meinen Händen heiß an. Und trotz, dass er mich mit seinen Konzertklängen ein wenig hatte vergessen lassen können, wurde ich auch zunehmend nervöser. Nur nicht zurückziehen, dachte ich, stand das Darian-Problem noch im Weg. Sanft gab ich ihm einen Kuss auf die Lippen, erhob mich vom Platz und ging ans Telefon. Dabei atmete ich tief durch, holte den Zettel hervor, wo Darians Nummer draufstand und nahm den Hörer an mich. Mein Partner stand hinter mir. Er wollte mich unterstützen, hier bleiben, dennoch wollte ich ihn nach draußen schicken. Ich musste da alleine durch. „Jaden, du musst das nicht machen.“ Carsten war sich nicht schlüssig, mich wirklich alleine zu lassen. „Schatz, doch ich muss“, zwinkerte ich ihm aufmunternd zu, als er mich traurig ansah. „Ich schaff das“, sagte ich mit Nachdruck und versuchte mich in einem Lächeln. Doch machte ich mir nichts vor, einfach würde das Gespräch nicht für mich werden. Wie es in mir drinnen aussah, brauchte ich nicht groß an den Tag legen. Vielleicht hätte Carstens Anwesenheit mich ruhiger werden lassen. Und dennoch … Es war für mich wichtig, es alleine zu bewältigen. Ein weiterer Schritt in die Unabhängigkeit. Carsten hatte sich zurückgezogen, und war in mein ehemaliges Zimmer hinaufgegangen, um sich abzulenken. Basta, den ich nach dem Frühstück vom Nachbarn abgeholt hatte, lag zu meinen Füßen, und sah zu mir auf, als ich auf dem Stuhl Platz genommen hatte. Ich sah ihm liebevoll in die Augen, streichelte kurz über sein weiches, dichtes Fell. Dabei legte der Hund zufrieden seinen Kopf auf seine Vorderpfoten ab, ließ die Streicheleinheiten wohlwollend über sich ergehen. Ich atmete nochmals tief durch, dann wählte ich die Nummer. Das bekannte Freizeichen ... Dreimal tutete es, dann nahm jemand ab. Der Gesprächsteilnehmer hatte sich zwar nicht mit Namen gemeldet, sondern sich nur mit einem: „Ja“ zu erkennen gegeben, doch erkannte ich sofort die Stimme meines Bruders. Einerseits war ich erleichtert, ihn sofort dran zu haben, andererseits, wenn keiner dran gegangen wäre … Doch war es immer noch besser, als wenn es Miguel gewesen wäre, dann hätte ich mir schnell etwas einfallen lassen müssen, warum ich meinen Bruder anrief. Wie viel Miguel wusste und wie er auf die Rangelei überhaupt reagiert hatte, konnte ich nur erahnen. Es war klar, dass er sich dann auf die Seite meines Bruders geschlagen hätte. Da konnte ich ihm nicht böse sein, würde jeder machen. Aber nun war die Situation anders, daher ging ich sofort in die Offensive, ließ Darian keinerlei Chancen, sich zu artikulieren. „Verschwinde aus meinem Leben, verschwinde auch aus Carstens Leben. Such dir verdammt noch mal einen anderen Therapeuten, denn das ist meiner und ich liebe ihn …“, sprach ich mit fester Stimme, die laut, fast schon brüllend klang. Ich hatte mich weder zu erkennen gegeben, noch vorgestellt, aber das brauchte ich nicht, denn die erschrockene Stimme von Darian war deutlich zu hören. „Bist du das, Jaden?“ „Ja.“ Mehr sagte ich nicht. Dass ich aufgebracht und harsch am Telefon reagierte, musste sein, sonst hätte ich es nicht gepackt. Mir fielen sofort seine Gemeinheiten ein. Besonders ein Wort. Doch da schaltete sich mein Verstand dazu und hielt die unsteten Gedanken zurück. Die, die mich früher verzweifeln ließen. Nein, sagte ich zu mir, lass sie nicht an dich ran. Mein Herz aber zitterte, überschlug sich, alleine durch seine Stimme und der Gedanke, wie er mittlerweile aussah, half nicht wirklich, ihn zu hassen. Mir war hundeelend, aber die Worte, die ich mir zurechtgelegt hatte, sprudelten aus mir heraus. „Du kannst froh sein, dass ich dich nicht anzeigen werde, dafür, dass du meinen Lebensgefährten verprügelt hast.“ „Er hat angefangen.“ Hatte Darian noch alle Tassen im Schrank? „Komm mir nicht damit. Und vor allem komme Carsten niemals mehr zu nahe. Außerdem will ich dich nicht mehr wiedersehen ...“ Alles, was ich zurechtgelegt hatte, hatte ich hervorbringen können. Doch emotional wackelte ich schwer. Die Tränen standen mir in den Augen, ich konnte sie kaum zurückhalten, aber das sah man Gott sei Dank durch das Telefon nicht. Carsten war mittlerweile doch dazugekommen. Ich hatte seine Schritte gehört. Er stand nun unweit hinter mir, spürte seinen Atem im Nacken. Nein, jetzt würde ich ihn nicht wegschicken wollen, das Timing war hervorragend; ich war dankbar, dass er sich nicht daran gehalten hatte – ich brauchte ihn. Daher griff ich nach seiner Hand, die er mir sofort hingestreckt hatte, und drückte sie kurz. „Verschwinde von hier!“, klang ich auch mutiger. „Du bedeutest mir nichts mehr.“ Darian wollte daraufhin etwas erwidern. „Jaden ... bi …“ Ich hatte ihn nicht mehr zu Wort kommen lassen, im Gegenteil, und drückte das Gespräch einfach weg. Doch war mir dieser Schritt nicht leicht gefallen. Nein, das war es mit Sicherheit nicht gewesen. Für mich war alles gesagt und ich hoffte, dass er Ruhe gab. Zittrig und mit schweißnasser Handinnenfläche legte ich das Telefon vor mir auf den Tisch und stützte meinen Kopf auf meine Hände. Ich war innerlich zerrissen. Dann sah ich zu Basta. „Es war die richtige Entscheidung, nicht wahr?“ Klar konnte mir der Hund nicht mit Worten antworten, doch tat er es auf seine Hundeweise, die einfach nur allerliebst war. Er bellte – zweimal. Die andere Antwort hingegen kam mental von meinem Partner, der von hinten seine Arme um mich schlang und ich gegen seinen Körper gedrückt wurde. Ich spürte seinen Atem, seine Wärme, fühlte Nässe. Er weinte? Nein, ich glaube, ich weinte – oder wir beide? Ich stand auf und drehte mich zu ihm um. Wir hielten uns stumm aneinander geklammert und weinten zusammen. Als wir uns beruhigt hatten, fuhr ich ihn endlich zu einem Arzt. Seinem Hausarzt wohl gesagt, auch wenn Carsten wie immer abwinkte, hatte ich darauf bestanden. Außer ein paar Blutergüssen im Gesicht, an den Armen und Rippen war nichts Schlimmeres passiert, wie uns der Hausarzt dann mitteilte. Trotzdem, um ganz sicher zu sein, hatte der Arzt ihn vorsorglich mit einer Überweisung versehen und ich fackelte nicht lange, als ein Gegenprotest kam. Ich wusste gar nicht, dass Carsten eine Ärztephobie hatte. Im Auto angekommen versuchte er, mich vom Gegenteil zu überzeugen. „Lass uns nach Hause gehen.“ „Oh nein, wir fahren jetzt zum Spezialisten.“ „So hartnäckig kenne ich dich gar nicht.“ „Das habe ich von Ihnen, Herr Engel.“ Ich startete den Wagen ohne weitere Gegenwehr und wir fuhren ohne Termin in die Unfallklinik Hamburg. Nach einer Stunde Wartezeit kamen wir endlich dran. Wie auch bei seinem Hausarzt zuvor stellte man ihm dort Fragen, wie er sich die Verletzungen zugezogen hatte. Carsten war ehrlich, auch wenn er sich schämte, dass er sich geprügelt hatte. Ein Streit auf einer Hochzeit, die dann ausuferte, war seine Begründung. Sie war nicht mal gelogen. Carsten wurde geröntgt, gründlich untersucht und ich wurde unruhig, weil er beim Abtasten seiner Verletzungen vor Schmerzen stöhnte. Hatte sich der Hausarzt doch geirrt? Aber auch dort beruhigte man uns, vor allem mich, weil ich wie ein Häufchen Elend geduldig neben Carsten sitzend wartete. Ich hatte mit in den Behandlungsraum gedurft. Anders hätte ich es auch nicht ausgehalten. Wie immer sahen Hämatome schlimmer aus, als sie in Wirklichkeit waren. Die hiesige Arzthelferin trug eine stärkere Salbe auf, als die, die wir hatten, und gab uns dann ein Rezept mit. Auf dem Rückweg holten wir alles in der Apotheke, kurz bevor sie schloss. Wir hatten noch Glück gehabt. Den ganzen Rückweg über redeten wir kein Wort. Carsten sah aus dem Fenster. Die Schweigsamkeit hatte uns eingeholt, während ich mich auf die Straße vor mir konzentrierte. Ich fuhr nicht schnell, aber auch kein Schneckentempo. Jeder hing seinen Gedanken hinterher und Carsten sah sehr erschöpft aus. Ich drückte kurz seine Hand, bevor ich in den dritten Gang herunter schaltete. Wir waren fast zu Hause und daher hatte ich die Geschwindigkeit gedrosselt. Als ich in unsere Einfahrt fuhr, trat ich unerwartet auf die Bremse. Oh mein Gott, bitte nicht! Carsten hatte kurz die Augen geschlossen gehabt und sah mich nun fragend an. „Jaden, warum hältst du so abrupt und warum fährst du nicht in die Garage?“ Mir wurde leicht übel und ich konnte nicht antworten. Daher zeigte ich nur in eine Richtung. Carsten folgte meinem Blick und stieß scharf die Luft aus. Unweit sahen wir eine Gestalt auf der Treppe sitzen, die sich dann erhob, als wir entdeckt wurden. „Darian?“, flüsterte ich, doch hatte es Carsten gehört. „Was will der hier?“, fragte er mehr zu sich als zu mir und klang nicht erfreut. Nein, er hörte sich sauer an und hatte Mühe, sich zu beherrschen, was er dann auch schaffte – im Gegensatz zu mir. Das kann doch nicht wahr sein. Was will er hier? Ärger machen? Meine Finger hatten sich automatisch verkrampft um das Lenkrad geschlossen. Ich atmete hektisch ein und aus, musste mich selbst wieder fangen. Mein Partner, der besorgt zu mir sah, versuchte beruhigend über meinen rechten Arm zu streicheln, wollte mir helfen, dabei brauchte er mehr Hilfe als ich. Doch war ich viel zu empfindlich, um seine Berührungen zu ertragen. Nicht vor den Augen von Darian. Nein, bitte nicht! War ich denn am Telefon nicht deutlich genug gewesen? Darian stand noch immer auf der Treppe. Noch nicht ruhiger geworden, nahm ich trotzdem meinen Mut zusammen und stieg aus, knallte dabei die Wagentür heftig hinter mir zu, sodass ich selbst leicht zusammenzuckte. Dann schritt ich, ohne zu zögern auf meinen Bruder zu. Ich spürte, dass mir Carsten folgte, auch wenn er die Autotür nicht so laut zugemacht hatte. Trotzdem konnte ich fühlen, dass nicht nur ich geladen war. Als ich mir Darian betrachtete, schnaufte ich verächtlich. Das hatte seinen Grund. Ich sah, dass er fast nichts an Blessuren abbekommen hatte. Nicht einmal ein blaues Auge hatte er. Außer einer kleinen Schramme an der rechten Wange und einem kleinen Pflaster auf der linken Schläfe war nichts zu sehen. Wie sein Körper aussah, wusste ich nicht. Doch wenn ich Carsten dagegen hielt, der in allen Farben schimmerte und wirklich mitgenommen aussah, war das hier ein Witz … Also hatte ich recht behalten. Carsten hatte weitaus größere Prügel kassiert. Darians Haare waren wie gestern zusammengebunden und er sah in seiner Lederkluft umwerfend aus. Meine Gefühle spielten Achterbahn und mein Zorn wich. Lederkluft? Alles deutete daraufhin, als ob er mit einem Motorrad oder Ähnlichem gekommen war. Einen Motorradhelm hatte er allerdings nicht in seiner Hand, wie ich dann feststellte. Daher drehte ich mich um, sah unweit eine schwere Maschine vor unserem Haus stehen und wunderte mich nur noch. Ein schwarzer Motorradhelm zierte den Sitz. War das seiner? Seit wann fuhr mein Bruder so etwas. Du hast ihn so lange nicht mehr gesehen … „Was willst du hier?“, schnauzte ich ihn künstlich an, in mir zersprang alles. Darian sah mich nur intensiv an. Wie konnte er mich nur so ansehen, schuldbewusst mit seinen schönen, grünen Augen? „Gehen Sie bitte von meinem Grundstück runter, sonst hole ich die Polizei“, mischte sich nun Carsten mit ein. „Ich möchte nur reden.“ Darian sprach ruhig, doch gelassen sah für mich anders aus. Seine Hände waren unruhig, sein Blick hatte sich von mir abgewandt, er sah aber nicht zu Carsten, sondern er starrte auf den Boden vor sich. Hatte er Gewissensbisse? Ich betrachtete verstohlen beide Männer. Jeder für sich war für mich was ganz Besonderes. Mein Herz raste nur bei dem Anblick, der sich mir bot. Ich stürzte abermals in ein völliges Gefühlschaos und das wollte ich nicht. Darian musste verschwinden! Gerade als ich ihm das sagen wollte, kam Carsten mir zuvor, doch anders als erwartet. „Wir haben alles besprochen“, sagte er. Ich drehte mich zu Carsten, der nun meinen Bruder sehr zornig ansah. Auch Darians Gesicht hatte sich verfinstert. „Ich wusste nicht, dass mein Bruder und du zusammen seid“, sprach er nun Carsten an – im vertrauten Ton. Noch redete er ruhig. Noch! Was sich aber dann schlagartig änderte. Er wurde lauter. „Ist es nicht seltsam, dass ausgerechnet du mir geraten hattest … meinen Bruder zu vergessen. Gerade du, der über meine Gefühle Bescheid weiß?“ Gefühle? Darian sprach in Rätseln und Carsten wurde neben mir unruhig. „Das tut nichts zur Sache. Ich kann nicht weiter dein Therapeut sein.“ Carsten war nun auch zum Du übergegangen. „Er hat ein stabiles Zuhause und er hat mich, hat Freunde.“ „Er hat aber noch eine Familie.“ Ein Schmerz brach in mir auf. „Meinst du meinen Vater, der so stolz auf mich ist?“, schleuderte ich die Worte zu Darian. Die Erinnerung an meine Familie schmerzte. Dass ich sie enttäuscht hatte – noch mehr. Ich konnte nicht anders, als mir einen Schutzschild um mich herum aufzubauen, indem ich mich an Carsten klammerte, der mein Unbehagen spürte. „Darian, geh bitte und lass mich in Ruhe.“ Mir war elendig zumute. „Ich hab deinen Bruder in einem schlimmen Zustand gefunden …“, fing Carsten an, doch ich hielt ihn rechtzeitig auf, noch mehr zu sagen. „Nicht, Carsten, bitte!“ Darians Gesicht war nun vor Zorn gerötet und ich war mir sicher, dass das nicht nur von dem warmen Wetter her stammte. „In was für einem Zustand? Armseliges Früchtchen, den man gleich ins Bett schleifen kann, weil er so zart aussieht, etwa?“, giftete Darian meinen Partner an. Armseliges Früchtchen? Wie nett, dass du mich mal nicht als Loch bezeichnet hast. Mich schmerzte auch dieser Ausdruck und ich brauchte den Halt von Carsten. Den er mir auch gab, in dem er mich beschützend in den Arm nahm, bevor er sich weiter mit meinem Bruder anlegte. „Nein, bestimmt nicht. Er wollte sich auf einer Brücke ...“ Erneut schritt ich dazwischen. „Stopp, ich will nichts mehr davon hören. Carsten bitte! Ich will nicht mehr darüber reden. Es geht zudem Darian nichts an.“ Fest sah ich ihm dabei in die Augen, bis er zustimmte. Er nickte – zögerlich. Um keinen Preis wollte ich Darians Mitleid. Niemals sollte er erfahren, dass ich mich wegen ihm umbringen wollte. Nein, das durfte er niemals erfahren. „Was geht mich nichts an?“, blaffte inzwischen mein Bruder nun mich an. Seine Augen blitzten zornig auf, was mich wiederum sofort an den alten Darian erinnerte. Der, der ständig das Sagen hatte, und es versetzte mir einen Stich. Hatte ich wirklich gedacht, er hätte sich geändert? „Jaden hat recht. Geh bitte!“ Carsten hatte mich losgelassen und war nun näher an Darian herangetreten. Baute sich vor ihm auf, doch gegen Darian sah Carsten nicht stark genug aus. „Er ist mein Bruder. Ich habe ihn schon so lange gesucht.“ Der Zorn wich wieder einer Verletzbarkeit, die mich irritierte. Er hatte mich gesucht? Ich geriet ins Wanken, sah nur die beiden Kontrahenten. Was war mit Darian los? Was war überhaupt hier los? Trotzdem, mein Bruder musste gehen. Ich hatte jetzt ein Leben, und zwar ein sehr gutes. Die Lippen bebten, mein Inneres zerriss. Ich wurde in zwei Hälften gespalten. Hilfeflehend sah ich zu Carsten, der sofort meinen Blick erwiderte. Ich spürte die warmen blauen Augen, die mich mitfühlend ansahen, die mir Halt gaben. In dem Moment war die Entscheidung gefallen und ich tat das einzig Richtige: Ich flüchtete mich in die Arme meines Engels – meines Retters. Carsten hielt mich eng an sich gedrückt und schlüpfte in die Beschützerrolle. Er tut dir gut. Du liebst beide, aber er ist der Richtige. Ich wusste in diesem Augenblick, dass ich beide gleichstark liebte und dennoch konnte es nur einen geben. Carsten nahm mir meine Entscheidung ab und ich war dankbar dafür. „Geh, und lass uns in Ruhe. Bitte! Lass Jaden für immer zufrieden. Wie du sehen kannst, lieben wir uns.“ Dann drückte mir mein Partner einen Kuss auf die Lippen, forderte so seinen Platz bei mir ein, und das vor Darians Augen. Auch wenn es der richtige Weg war, war mir das nicht angenehm, so vor meinem Bruder, und doch erwiderte ich Carstens Kuss mit all meiner Liebe. Denn die hatte ich – für beide. Als wir unseren Kuss lösten, schien der Plan aufgegangen zu sein, denn Darian sah uns nur noch enttäuscht an, wie wir dastanden, weiterhin eng umschlungen. Ich war kaum noch in der Lage, meine Tränen zurückzuhalten, als Darian sich mit einem kurzen, knappen Nicken und ohne ein weiteres Wort umdrehte und das Grundstück verließ. Ich brachte es nicht fertig, meinen Kopf zu drehen und ihm nachzuschauen, doch ein Teil meines Herzens ging mit ihm. Lebe wohl, Bruder! Ich hörte, wie ein Motor gestartet wurde. Es war tatsächlich sein Motorrad gewesen, welches vor unserem Grundstück gestanden hatte, und man nur noch die leisen Wegfahrgeräusche hörte, bis sie komplett verschwunden waren. Carsten hielt mich weiterhin, war aber ebenso unruhig wie ich. Ich sah zu ihm auf. Mein Blick war tränenverschleiert. „Danke.“ „Wofür? Nein, ich danke dir. Komm, ich glaube, wir beide können eine Tasse Baldriantee gut gebrauchen“, sprach er einfühlsam und hatte mir meine Tränen für meinen Bruder nicht übel genommen, die weiterhin geflossen waren. Dafür küsste ich ihn, dieses Mal war es mir nicht mehr unangenehm. Dieses Mal dankte ich es ihm von ganzem Herzen. Wir gingen ins Haus, ließen den Wagen einfach vor der Einfahrt stehen. Basta begrüßte uns schwanzwedelnd, als wir die Haustür öffneten und eintraten. Doch niemals würde ich Carsten sagen können, dass an dem Abend, ein Teil von mir mit Darian mitgegangen war, sich mit aufs Motorrad gesetzt hatte und zusammen davongefahren war.   ©Randy D. Avies 2012  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)