Veränderung von hare ================================================================================ Prolog: Julia ------------- Es war dunkel. Die schwarze Schlange wand sich um meinen Arm und nahm mir die Schmerzen, die wie Nadeln in meine Haut stachen. Sie war für mich da, nahm diese unsichtbare Qual von mir. Sie liebkoste meine geschundene Gestalt, als wäre diese so schön wie früher. Der Schlange war es egal. Ich hatte nur noch Augen für sie, für sie, für sie. Sie würde mir helfen, mich retten, ich wusste es genau. Sie würde mich fortbringen, weg aus diesem dunklen Zimmer, in eine bessere Welt, ohne Schmerzen. Alles tat weh, das Leintuch, die Decke, meine eigene Haut. Nur gedämpft nahm ich seine Stimme wahr, das Einzige, das nicht weh tat. „Julia.“ Jakob. Er war wieder da- oder noch immer? Die normalen Regeln der Zeit galten schon lange nicht mehr, die Tage wurden zu Minuten, die Stunden zu Jahren. Es war mir unmöglich geworden, sie zu zählen. Die Schlange hatte mir das schändliche Zeitgefühl genommen. „Julia.“ Er war da, und ich konnte ihm nicht antworten. Ich wollte. Aber ich hatte meine Stimme verloren, an die Schlange. Sie hatte sie mir genommen, wie schon so vieles davor. Doch Jakob gab nicht auf. Niemals. „Julia.“ Eine kurze Erinnerung an die wenigen Tage, an denen es nur uns gegeben hatte, nur wir, in unseren Armen, nur wir, gemeinsam, alleine. Die Liebe. Aber die Erinnerung war nur von kurzer Dauer. Sie verblassten, und verschwanden. „Julia.“ Ich dachte an unser erstes Konzert, eine Coverband Radioheads, das Lied, dass es bei unserem ersten Kuss gespielt hatte, „Talk Show Host“. Anfangs mochten wir nur die Melodie, später hatte es uns beschrieben. Jemand anders sein. Ich wollte jemand anders sein, genau wie er. Wir wollten besser sein. Die wenigen Kerzen, die den Raum erleuchteten, verloren an Helligkeit, ganz ohne zu flackern. Das Ende war gekommen. Nicht das Ende der Welt, oder der Zeit, sondern, viel undramatischer: Meines. „Julia.“ Bald würde ich gehen, aus dem Leben aller treten, die mich je gekannt, berührt hatten. Ein Schritt. Ein Stich. Es war so einfach. Beinahe schon zu einfach. „Julia.“ Ich war nicht Julia und doch, sah uns leicht von der Seite. Mein Blick lag auf der schwarzen Schlange, seiner auf mir. Ich schwebte darüber, sah mich selbst, das blonde Haar, kinnlang und unordentlich, das an den Wurzeln ausdunkelte, das eingefallene Gesicht, den Nasenring, den ich einst mit Stolz getragen hatte und der jetzt fehl am Platz wirkte. Genau wie sein T-Shirt. Genau wie alles, was ich mittlerweile besaß. Eine Decke lag über mir, doch sie schützte mich nicht vor der Kälte in meinen Knochen, die hervorstanden. Jemand anders sein. „Julia.“ Mein Name. Immer mein Name. „Bist du sicher, dass du es tun willst?“ Ich sah ihn nicht an, und auf meine eigene Weise doch. Ich schwieg, betrachtete die Schlange, spielte mit ihr, erteilte ihr die Erlaubnis. Natürlich wollte ich es. Das wusste er genau so gut wie ich. Ich wollte sie, nur sie, mehr, als ich jemals ihn gewollt hatte. Ich war bereit. Ihr nadelspitzer Zahn sank in meine Vene, ich genoss die Schmerzen schon fast, weil es die letzten sein würden, die ich spürte. Ich atmete ein letztes Mal ein, und drückte zu. „Julia.“ Ich war bereit. Ein letzter Blick zu Jakob. Ich atmete ein letztes Mal aus. Jakob. Jakob. Jakob. Und wachte auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)