Abbygails Abenteuer von yazumi-chan (Road to Lavandia) ================================================================================ Kapitel 108: Nachwuchs (Ich hasse sie) -------------------------------------- Ohne Pokémon hält Dark es am sichersten, dass ich die nächsten Tage im Hauptquartier bleibe und mich dort meinen Aufgaben widme. Vor einigen Monaten, vielleicht sogar Wochen, hätte ich heftig dagegen protestiert, aber meine Erlebnisse in Fuchsania City sind mir noch frisch im Gedächtnis und außerdem gibt es genug zu tun. Wie die beiden vorigen Tage sitze ich auch am 24. März in einem der unbenutzten Räume des Rocket-Verstecks und erweitere meine Notizen. Dank Julius habe ich das Heft lange Zeit nicht einmal anrühren wollen, aber Zach ist ohnehin schon im Gefängnis und ich bezweifle, dass Darks Identität noch lange ein Geheimnis bleiben wird. Nachdem ich alle Informationen über Team Rocket aus Dark herausgequetscht und sie Polizeireporten verglichen habe, die Ryan mir unter Murren und verletztem Stolz von den Polizeiservern besorgt hat, bin ich nun dabei, mir das Gehirn über ihre Pokémon-Teams zu zermartern. Stift im Mund und mit wippenden Füßen sitze ich vornübergebeugt an dem Schreibtisch und versuche, mich nicht von Louis ablenken zu lassen, der Ronyas Buch Traumatisierte Pokémon ausgeliehen hat und sich regelmäßig leise über die langen Wörter beschwert oder geräuschvoll Seiten umblättert. Mir ist klar geworden, dass ich von allen Anwesenden die meiste Erfahrung mit Team Rocket habe, Dark einmal ausgenommen. Aber er kennt nur einige der Pokémon, und hat bislang gegen keinen der Trainer gekämpft, außer seinem Vater. Ich schon. Es ist anstrengend, aber ich zwinge mich, all mein Wissen aus den Vorlesungen bei Agnes einzusetzen, um die Builds der Pokémon zu erahnen. Wie haben sie auf unsere Attacken reagiert, welche Strategien verfolgen sie in Kämpfen, welche Attackenkombinationen besitzen sie? Egal, wie unwichtig mir ein Detail erscheinen mag, ich schreibe alles auf, was mir in den Sinn kommt, denn wenn ich nicht aus den Strategien schlau werde, gibt es immer noch sechs andere hochkarätige Trainer, die sich sicher einen Reim auf das Ganze machen können. „Was zur…“, murmelt Louis hinter mir. „Somatoforme Störungen? Psychodynamisch Imaginative Traumtherapie? Was ist Ronya für ein Genie, dass sie das alles versteht?“ „Frag sie“, antworte ich abwesend und dokumentiere den Körperbau von Athenas Kleoparda. Schmal, schlank, guter Geruchssinn. Gebaut für Agilität und Initiative. Anfällig für geruchbasierte Angriffe? „Abby“, beschwert Louis sich. „Du brütest seit drei Tagen über deinen Notizen und hast heute noch nicht zu Abend gegessen. Oder überhaupt etwas gegessen, wenn ich jetzt so darüber nachdenke. Mach mal ´ne Pause.“ „Gleich.“ Ein Stöhnen, gefolgt von dem lauten Zuschlagen des dicken Psychowälzers. „Ich geh Ronya suchen und frag sie nach einem Lexikon. Ryan merkt bestimmt nicht, wenn ich zwei von seinen Instant-Nudeln klaue, oder?“ „Mhm“, stimme ich zu. Golgantes, größer als gewöhnlich. Erdbeben und Hammerarm, physischer Angreifer, Freude an der Jagd… Ich kaue nachdenklich auf meinem Kugelschreiber, als plötzlich schrilles Klingeln im ganzen Hauptquartier wiederhallt. Der Stift fällt klackernd auf den Tisch, während ich schon aufgesprungen und aus dem Raum gestürzt bin. In meinem Kopf überschlage ich die Tage. Alle Team Shadow Mitglieder kennen das Passwort zu unserem Hauptquartier und die einzigen, die wissen, wo man uns finden kann, sind… Genau wie ich hat die Klingel die restlichen Shadows im Flur zusammengetrommelt. Ich entdecke Ryan, der genervt an eine Wand gelehnt steht und seine frisch aufgebrühte Instant-Nudelsuppe schlürft. Dark kommt als letztes die Treppen hinauf, Hundemon und Priss wie immer an seiner Seite. Chris und Jayden halten sich im Hintergrund, während Gerard, Ronya und Louis sich neben mir aufstellen. „Ich warne euch−“, beginnt Ronya, wird aber von einem blonden Wirbelwind unterbrochen, der die Treppen herunter läuft und auf sie zustürmt. „Ronyaaaa“, quietscht das Mädchen, das sich ihr an den Hals geworfen hat und ihr Gesicht gegen Ronyas schmiegt. „Was machst du denn, monatelang alleine durch Johto zu rennen und mir dann nicht Mal Bescheid zu sagen, wenn du erfolgreich bist? Gemein!“ Sie nimmt etwas Abstand, ohne Ronya loszulassen und zieht eine Schnute. Es gelingt Ronya nicht, ihr Lachen zu unterdrücken. Sie tätschelt ihrer Freundin den Kopf, die ein Geräusch von sich gibt, das mich stark an Skus Schnurren erinnert. „Wo sind die anderen beiden?“, fragt sie schließlich. „Oh, lass die doch“, murmelt das Mädchen. „Viel wichtiger ist, dass ich hier bin!“ „Stimmt, du hast Recht.“ Ronya entfernt die Hände von ihren Schultern und schiebt das Mädchen ein Stück zurück. „Willst du dich nicht vorstellen?“ „Ah, haha, tut mir leid.“ Sie kratzt sich am Kopf und streckt verlegen ihre Zunge heraus. „Ich bin Amy Heartoline, Ronyas älteste Freundin, komme aus Einall, Septerna City und bin nachtaktiv, nehmt also bitte Rücksicht.“ Dark nickt ihr respektvoll zu. „Danke für dein Kommen, Amy. Wir freuen uns, dich in Team Shadow aufzunehmen.“ „So, und wer von euch allen ist diese Abby, die bis Mitternacht aufgeblieben ist, nur um mich anzurufen?“ Ich trete grinsend vor. „Das wäre dann wohl ich.“ „Ahh, das war so lieb von dir!“ Sie stürmt auf mich zu und begräbt auch mich unter einem Schwall ihrer blonden Locken. Von allen Anwesenden ist sie eindeutig die kleinste. Als sie sich wieder löst, bedenkt sie mich mit einem verschwörerischen Blick und flüstert hinter vorgehaltener Hand. „Du glaubst gar nicht, wie oft ich tagsüber angerufen werde. Und dann wundern sich die Leute, dass ich motzig bin. Wie würdest du dich fühlen, wenn nachts alle paar Minuten dein Handy klingelt?“ „Wie oft wirst du denn angerufen…“, murmele ich kaum hörbar, doch Amy ist schon längst weitergegangen und schaut nun zu Gerard hinauf, während sie ihn darüber informiert, Ronya und er dürften erst heiraten, wenn sie das Okay gebe und bisher habe er sich eindeutig noch nicht bewiesen. „Ich will Ronya nicht heiraten!“, schreit Gerard sie an, Amy bricht in Tränen aus und fällt Ronya um den Hals, die ihr abwesend den Rücken tätschelt. „I-ich meine es doch nur gut mit euch beiden… Niemand sonst wird euch haben wollen!“ „Ja“, murmelt Ronya und verdreht in meine Richtung die Augen. „Danke, Amy.“ Jaydens lauthalses Lachen und anschließende Witzerklärung für Chris verebben, als zwei weitere Trainer die Treppen hinuntersteigen. Der erste, ein Junge mit einem Schopf voluminösen, schwarzen Haars, schwarzen Handschuhen und einem dicken Schal, nimmt alle Anwesenden in Augenschein und lächelt gewinnend. Er sieht nett aus. Wäre da nicht die zweite Person neben ihm, die seinen Eindruck mit nach unten zieht. Ich schlucke. „Das ist Melissa“, murmelt Gerard, während er sich leicht zu mir nach unten beugt. „Wir nennen sie auch Bitch.“ „Ihr seid nicht die ersten, die mich so genannt haben, also bildet euch nichts auf eure Originalität ein“, sagt Melissa, die uns natürlich gehört hat. Blassviolett gefärbtes Haar baumelt als hoher Zopf über ihre Schulter und mit ihrer langen, schmalen Figur erinnert sie mich an eine Peitsche. Ihre Augen gleiten nacheinander über uns, und mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter. Es ist nicht der Blick eines Raubvogels, nicht ganz. Dark hatte so einen Blick, als ich ihn das erste Mal getroffen habe. Mel auch. Die Art von Blick, die dir klarmacht, dass jemand dich ganz genau beobachtet, voll auf dich konzentriert ist, bereit, jeden Moment zuzuschlagen, wenn du dich falsch verhältst. Melissas Augen haben etwas leeres, desinteressiertes, als ob es ihr völlig gleichgültig wäre, sollten wir alle im nächsten Moment tot umfallen. Gefährliche Langeweile, das ist es. Als sie uns fertig gemustert hat, schaut sie sich in dem Raum um. Ihre Hand wandert hinauf zu einer Kette, die um ihren Hals hängt und mir bis dahin nicht aufgefallen ist. Dicke Holzperlen in schwarz und weiß reihen sich aneinander. Ihre Finger berühren die Kugeln nur kurz, bevor sie zurückschnellen und in der Tasche ihrer Jeansjacke verschwinden. „Das ist die lausigste Versammlung, die mir je untergekommen ist“, verkündet sie und dreht sich um. „Komm Nat, wir buchen uns irgendwo ein Zimmer.“ „Warte doch“, entgegnet er und tritt zu uns in den Flur. „Ich bin Nathan Shuck, und das ist eine gute Freundin von mir, Melissa Border.“ Er nickt mir zu. „Vielen Dank für die Einladung, Abby. Wir werden uns sicher beweisen.“ Melissa zischt. „Wir uns beweisen?“, fragt sie ungläubig und zieht Nathan mit einer Hand zurück. „Ich dachte, du bist hier, um zu einer Legende zu werden? Mit diesen Clowns gelingt dir das ganz sicher nicht. Komm, wir verschwinden hier und morgen nehmen wir uns Team Rocket selbst vor.“ Ich gluckse und halte mir erschrocken die Hand vor den Mund. Melissas Blick folgt dem Geräusch in meine Richtung und ruht auf mir. Sie kräuselt angewidert die Lippen und fasst erneut nach ihrer merkwürdigen Kette. „Was ist?“, fragt sie. „Nichts, nur dass ihr Team Rocket unmöglich alleine besiegen könnt“, antworte ich. Eigentlich will ich keinen Streit mit dieser Trainerin anfangen, aber schon jetzt geht mir ihre Art auf die Nerven und ich habe kein Interesse daran, gerade vor ihr zu kuschen. „Wenn du denkst, du bist besser als alle hier, bitte, tob dich aus“, sage ich und deute zu Dark. „Unser Anführer steht für Duelle bereit, wenn du ihm den Posten streitig machen willst.“ Melissa tritt ohne zu zögern vor, aber Ronya stellt sich ihr in den Weg. „Du hast keine Chance, Melissa“, sagt sie und zuckt mit den Schultern. „Ich habe haushoch gegen ihn verloren.“ „Ich bin nicht du“, erwidert Melissa und schultert sich an ihr vorbei. „Vergleich mein Team nicht mit deiner verweichlichten Krüppelparade.“ „Du hast schon zweimal gegen meinen Krüppel den Kürzeren gezogen“, gibt Ronya ungerührt zu bedenken. Ich tausche einen schnellen Blick mit Louis. Melissa mag unhöflich sein, aber wie sie von Maxwell spricht, geht eindeutig zu weit. Wenn es nicht um die Zukunft von Kanto und Johto ginge, würde ich die Einladung sofort zurückziehen. „Wenn du zwei von sieben möglichen Siegen als Erfolg siehst, bitte sehr“, sagt Melissa und fasst wieder ihre Kette. „Ich habe höhere Ziele.“ „Jetzt lass gut sein, Lissa“, stöhnt Nathan und stemmt die Hände in die Hüften. „Du hast versprochen, dich nicht unmöglich aufzuführen und jetzt forderst du als erstes ihren Anführer heraus? Hör dir doch wenigstens an, was sie zu sagen haben.“ „Ich führe mich nicht unmöglich auf!“, protestiert Melissa sofort, während sie puterrot wird. Ich hebe überrascht eine Augenbraue. Sie wickelt die Kette um ihre Finger und schließt einige Sekunden die Augen, macht aber keine weiteren Anstalten, Dark von seinem Posten zu verdrängen. Ich werfe ihm einen schnellen Blick zu und er nickt. „Wenn die neuen Mitglieder ihre S-Coms konfiguriert haben, folgt mir bitte in den Seminarraum“, verkündet er. Ryan schlürft den Rest seiner Nudelsuppe aus und verteilt die klobigen Geräte an unseren durchwachsenen Zuwachs. Amy quietscht vor Vergnügen, als sie ihre Trainer-ID eintippt, Nathans Gesicht bleibt neutral entspannt und Melissa sieht aus, als habe man ihre gerade eine Mülltüte in die Hand gedrückt. Während die anderen Dark die Treppen hinunter folgen, laufe ich schnell zurück in unser Zimmer, krame meine Notizen zusammen und haste schließlich den Nachzüglern hinterher. Nachdem alle an dem runden Tisch Platz genommen haben, erhebt Dark sich und lässt den Blick über unsere Gesichter schweifen. „Da die letzten Trainer eingetroffen sind, die Abby für uns rekrutiert hat−“ Er ignoriert Melissas Schnauben, „−ist Team Shadow nun vollzählig. Ich begrüße euch. Wie ihr alle inzwischen erfahren habt, sind wir eine Gruppe hochklassiger Trainer ohne Orden, die zusammen trainiert und sich derzeit zusätzlich der Bekämpfung von Team Rocket widmet.“ „Die Polizei kriegt ohne uns halt nichts gebacken“, meint Jayden breit grinsend und stößt Chris in die Seite, die sich ebenfalls ein Lächeln nicht verkneifen kann. Humor mag sie nicht verstehen, aber stolz ist sie allemal. „Und was ist mit der da?“, fragt Melissa und deutet mit einem Daumen in meine Richtung, ohne die Augen von Dark zu nehmen. „Stark ist sie jedenfalls nicht und sie hat nur einen Pokéball.“ „Der Rest ist im Pokécenter“, erwidere ich gereizt. „Anders als du bin ich schon etwas länger dabei.“ „Oh, gruselig“, höhnt Melissa. Nathan wirft ihr einen genervten Blick zu und sie dreht verlegen den Kopf weg. Dark räuspert sich. „Abby hat verschiedene Aufgaben“, erklärt er an die Neuankömmlinge gewandt. „Bis vor kurzem war sie Rekruterin. Ihr haben wir die Hälfte unserer Mitglieder zu verdanken, so wie unsere gute Beziehung zu der Polizei. Sie ist außerdem diejenige mit der meisten Kampferfahrung gegen hochrangige Rockets und hat sich dazu bereiterklärt, uns zu coachen.“ Ein Stöhnen geht von Melissa aus, nur übertönt von dem aufgeregten Murmeln aus Amys Richtung, die sich begeistert an Ronyas Arm festkrallt. Ihre Freundin verdreht gutmütig die Augen und lässt sie gewähren. Ich räuspere mich und stehe auf. „Wahrscheinlich muss ich es nicht sagen, aber ich will trotzdem sicher gehen, dass jeder hier versteht, wogegen wir kämpfen.“ Mein Blick gleitet über alle Anwesenden und bleibt bei Melissa hängen. „Ich kenne die Level eurer Pokémon nicht, aber ich gehe davon aus, dass jeder hier in einem Bereich von Level 65 bis 75 liegt, Dark einmal ausgenommen.“ Sein Mundwinkel zuckt und Hundemon grollt zustimmend. „Dark hat Recht“, fahre ich fort. „Louis und ich sind die schwächsten hier, aber wir laufen Team Rocket seit acht Monaten regelmäßig über den Weg und ich habe einige Informationen, die euch in den bevorstehenden Kämpfen nützlich werden könnten.“ „Und was soll das bringen?“, fragt dieses Mal Nathan, nicht unfreundlich, nur neugierig. „Wir alle sind erfahrene Trainer und ich bezweifle, dass Team Rocket uns gefährlich werden kann.“ „Nicht in einem normalen Duell“, stimme ich zu. „Aber Team Rocket spielt nicht fair. Sie besitzen Feuerwaffen, mit denen sie euch oder eure Pokémon attackieren können und werden. Oft kämpfen sie in Teams oder sogar als große Gruppen, um euch mit ihrer schieren Anzahl zu überwältigen. Ihr werdet nicht immer in der Lage sein, mit Großflächenangriffen aufzuwarten, sei es der Ort oder eure Freunde, die mit euch kämpfen und ebenfalls getroffen werden könnten. Die Schwächen eurer Feinde im Voraus zu kennen, wird hilfreich sein.“ Nathan nickt und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. Innerlich atme ich erleichtert aus. Ich weiß ja selbst, wie ich mich anhören muss, aber ich habe genug Kämpfe hinter mir, um Team Rocket nicht zu unterschätzen. Selbst Dark haben sie ausschalten können, nur weil sie den Überraschungsfaktor auf ihrer Seite hatten. Es wird Zeit, die Informationen, die Dark mir gegeben hat und die ich mit meinen Erfahrungen erweitert habe, in die richtigen Hände zu geben. Ich beginne mit einer kurzen Zusammenfassung der Hierarchie, so wie Dark sie mir direkt nach meiner Rückkehr erklärt hat.   Dark schob mir den Tee zu und lehnte sich auf dem Sofa zurück. „Wo soll ich anfangen?“, fragte er. „Mein Vater ist der Anführer. Er war Giovannis rechte Hand und übernahm nach dessen Verschwinden die Führungsposition. Die Lücke, die er im Vorstand hinterließ, wurde mit Craig gefüllt. Soviel ich weiß, war er das stärkste Mitglied nach Atlas selbst, deswegen wurde er ausgewählt. Er ist für die Kommunikation mit den Bikern und dem Untergrund zuständig.“ „Was ist mit den anderen?“ „Athena, Lambda und Lance gehörten schon zum alten Vorstand“, fuhr Dark fort. „Lambda ist bereits festgenommen worden, aber er hatte unter anderem die Aufsicht über Diebstähle und andere Verbrechen. Er hat alles organisiert und überwacht. Athena war Giovannis Geliebte. Die beiden hatten einen Sohn, aber er ist schon zu Golds Zeiten spurlos verschwunden. Ich habe ihn nie bewusst kennen gelernt. Athena redet nicht gerne über ihn.“ Er schmunzelte humorlos. „Mein Vater wohl auch nicht mehr über mich… Sie ist das Herzstück von Team Rocket. Niemand ist loyaler als sie. Sie ist effizient, tödlich, aber mit einem Hang zu Risiko, wenn sie sich zu sicher fühlt. Große Teile der Infiltrationsphase sind ihr geschuldet, sie hat noch von damals sehr viele Kontakte unter den einflussreichen Personen. Einige unterstützen sie weiterhin. Bevor du fragst, ich weiß nicht, wer.“ Ich hatte den Mund schon geöffnet, schloss ihn aber wieder. „Was ist mit Lance?“, fragte ich stattdessen. „Informationen“, sagte Dark und strich Hundemon über den Kopf. „Er organisiert alles, Materialien, gestohlene Güter, Nahrung, Geldeinnahmen und -ausgaben, Gehalt… Er ist das Gehirn von Team Rocket. Ohne ihn würde mein Vater nichts zustande bringen.“   „Woher wisst ihr das alles?“, fragt Ronya stirnrunzelnd, als ich gerade zu den niederen Rängen wie Mel und Teal kommen will. Ich tausche einen schnellen Blick mit Dark. „Ryan hat sich in die Polizeiserver gehackt“, erkläre ich schließlich stockend. „Oh bitte“, protestiert Jayden sofort. „Die haben doch selbst keine Ahnung, was abgeht.“ „Nun, also…“ Ich ringe nach Worten, schaue fieberhaft zu Dark. „Es hat wohl keinen Sinn, es weiter geheim zu halten“, unterbricht Dark meine halb formulierte Ausrede. Er wendet sich der Gruppe zu. „Ich vertraue diesem Team. Atlas, der Anführer von Team Rocket, ist mein Vater.“ „WAS?!“, erschallt es von allen Seiten, am lautesten von Jayden, der schließlich einer der ersten in Team Shadow war. Chris sagt kein Wort, sieht nur perplex und ein bisschen verletzt aus. „Und das sagst du uns nicht? Dass du einer von denen warst?“ „Es gab keinen Grund, euch einzuweihen“, erwidert Dark ruhig. „Es gibt verdammt viele Gründe dafür“, ruft Jayden hitzig. Dann schaut er zu mir. „Und du wusstest davon?“ „Ich wusste, dass Atlas´ Sohn Dark heißt und ihn verraten hat“, entgegne ich kühl. „Als du mir sagtest, du und Chris wären einem Jungen mit demselben Namen begegnet, habe ich eins und eins zusammengezählt. Wenn ich es nicht schon gewusst hätte, hätte er es mir sicher nicht gesagt, wenn du darauf hinauswillst.“ „Tsz“, murmelt er und rutscht tiefer in seinen Stuhl. Nathan und Amy werfen sich fragende Blicke zu, schließlich sind sie erst seit heute hier. Für sie ist die Enthüllung weit weniger schockierend als für den Rest. Chris hat weiterhin irritiert die Augenbrauen zusammengezogen. Ronya beobachtet Dark lediglich mit erneuertem Interesse, während sie gleichzeitig Gerard davon abhält, die Stuhllehne zu zerquetschen und Ryan nickt nachdenklich, so als hätte er sich Darks Identität denken müssen. Einzig Melissa sieht aus, als hätte man ihr gerade ein Geburtstagsgeschenk vor die Nase gesetzt. „Das macht die Sache gleich viel interessanter…“, murmelt sie und pfeift vergnügt vor sich hin. Ich räuspere mich. „Da das jetzt geklärt ist“, beginne ich langsam, um die Aufmerksamkeit wieder auf mich zu ziehen, „werden wir uns jetzt dem Rangsystem und den Pokémon und Attackenbuilds der Vorstände widmen. Ich habe da etwas vorbereitet…“   „Ich hasse Melissa“, murmele ich unter meiner Decke vergraben, während Louis sich den Schalfanzug anzieht. „Ich hasse sie, hasse sie, hasse sie!“ „Sie ist eine Bitch“, stimmt Louis zu, der den Spitznamen in heller Begeisterung von Gerard übernommen hat und wirft sein T-Shirt auf meinen Kopf. Ich ziehe es zur Seite und setze mich abrupt im Bett auf. „Wenn sie mich nicht alle fünf Minuten unterbrochen hätte, weil sie irgendetwas so viel besser weiß, dann wären wir in weniger als einer Stunde fertig gewesen. Aber nein. Ich habe am Metarost City Pokécollege studiert, ich bin besser als ihr alle, ihr seid solche Amateure... und sie hat nicht mal den verdammten Abschluss gemacht!“ Louis lacht und setzt sich zu mir aufs Bett, wo ich mich in seine Umarmung fallen lasse und zu ihm hochgucke. „Ich hasse sie“, wiederhole ich, nur um das nochmal klarzustellen. „Ich weiß“, sagt er mit dem breiten Zahnlückengrinsen, dass ich so liebe. Ich werde knallrot und schaue zur Seite. Er stutzt. „Was?“ „Bevor du zurück nach Anemonia City fliegst−“, murmele ich, fast unhörbar. „−würde ich dich gerne meinen Eltern vorstellen.“ Ich muss sein Gesicht nicht sehen, um zu wissen, dass seine Augen aufleuchten. Dann treffen seine Lippen auf meine. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)