Tessaiga no sentaku von Mimiteh ("Tessaigas Wahl") ================================================================================ Kapitel 4: Allein? ------------------ Die Zeit schien stillzustehen. Kagome nahm nicht einmal ihre eigene Panik wahr, ihr Blick war einzig auf die Energiekugel gerichtet, die auf sie zuschoss, unaufhaltsam und sicher schmerzhaft, wenn nicht gar tödlich. Ihr schwarzes Licht warf gespenstische Schatten auf den grasbedeckten Boden. Es war zu spät zum Ausweichen, selbst zu spät, als das Sesshômaru noch hätte eingreifen können – wenn man das von ihm überhaupt hätte verlangen können. Und ehe Kagome es überhaupt richtig wahrnahm, reagierte sie instinktiv. Eine ihrer Hände löste sich von Tessaiga, sie streckte sie dem Angriff entgegen, kniff die Augen zusammen. Die Geste erschien lächerlich und doch spürte sie in diesem Moment ihre Mikokraft erwachen. Ein Impuls weißvioletten Lichts ging von ihrer Handfläche aus, strahlte der Energiekugel entgegen, traf die Energiekugel und drängte sie zurück. Aber nicht genug. Das Yôki darin schien zu stark. Wer ihr da entgegen stand, war ein ganz anderes Kaliber als Lady Tausendfuß damals. Sie kam nicht dagegen an, das spürte sie. Kalter Schweiß rann an ihren Schläfen herab, während die Energiekugel sich ihr unbarmherzig entgegendrückte, ihre Verteidigung immer mehr auffraß. Kagome krampfte die andere Hand fester um Tessaigas Scheide, hielt mit dem Mut der Verzweiflung stand. Doch der feindliche Angriff drückte sich ihr immer näher entgegen, jetzt war er nur noch einen halben Meter entfernt. Kagome schloss die Augen und versuchte noch einmal, ihre eigene Magie zu stärken. So sah sie nicht, wie Tessaigas Scheide plötzlich leicht vor sich hin glomm. Aber sie fühlte das kurze Pulsieren. Erschrocken riss sie die Augen auf, die Konzentration ging flöten, ihre Mikokraft schwand – und in diesem Moment aktivierte sich Tessaigas Bannkreis, warf sie zurück und zerstörte die Energiekugel mühelos. Kagome kam unsanft auf dem Boden auf und war für einen Moment benommen. Nur langsam kam ihr zu Bewusstsein, was gerade geschehen war. Tessaiga hatte sie gerettet. Völlig ohne ihr Zutun hatte Tessaiga den Angriff zurückgeschlagen und sie zugleich abgeschirmt! Da hörte sie plötzlich das Klirren von Metall und hob den Blick. Sesshômaru hatte die Konsequenz gezogen, hielt nun Bakusaiga in der Hand und ließ seinem Gegner keine Zeit mehr, überhaupt darüber nachzudenken, wie er angreifen könnte. Der fremde Dämon war endgültig in die Defensive gedrängt worden und selbst die hielt er nicht mehr lange durch, auch wenn er – weiß der Teufel wo – selbst ein Katana hergezaubert hatte. Sekunden später unterlief Sesshômaru den Verteidigungsschlag und Bakusaigas weißssilberne Klinge drang in den Körper seines Gegners, knapp oberhalb der Hüfte. Blut spritzte nach allen Seiten, als der fremde Dämon zweigeteilt wurde, als habe er weder Knochen noch Organe, die Bakusaigas Schnitt beeinträchtigen würden. Er spuckte noch einen Schwall Blut aus, dann kippte er leblos um. Sesshômaru beachtete ihn nicht mehr. Mit einem raschen Seitwärtsschwung befreite er seine Klinge von dem Blut, ehe er sie wieder wegsteckte. Dann kam er gemessenen Schrittes in Kagomes Richtung. „Alles heile?“, fragte er zu ihrer Überraschung. Etwas perplex ob seines Interesses nickte Kagome. Sicher hatte sie sich bei ihrem Sturz ein paar blaue Flecken zugezogen, aber das interessierte sie nicht und ihn sicher schon dreimal nicht. Sie riskierte nur einen kurzen Blick auf den Leichnam ihres Gegners. Dann blickte sie kopfschüttelnd zum Himmel, genau in die Sonne hinein. Aber sie wusste, dass das Brennen in ihren Augen nicht von dem grellen Licht kam. Die Tränen kämpften sich schon wieder unaufhaltsam nach draußen. Jetzt hatte sie Gewissheit. InuYasha war tot. Ihr geliebter Hanyô, der sie zurück in diese Zeit gezogen hatte, war tot. Sango und Miroku vermutlich auch. Das war doch das Lockmittel gewesen, um sie auf die Reise mit diesem falschen Kerl zu schicken. Und Sesshômaru hatte die Wahrheit gesagt. Haltlos rannen die Tränen jetzt über ihre Wangen, sie hatte das Gefühl sämtliche Kraft hätte sie verlassen. Selbst den Kopf wieder zu senken überstieg ihre Fähigkeiten, so kam es ihr momentan vor. „Er hat all die Jahre auf dich gewartet“, erklang da plötzlich wieder Sesshômarus Stimme und auch wenn die junge Frau sich nicht rührte, spürte sie, dass er direkt neben ihr stand und auf sie hinab blickte. „Er hat es niemals aufgegeben, hat immer gehofft, dass du zurückkehrst. – Ich habe ihn ein gutes Stück weiter nördlich gefunden, der Gegner, der ihm den Gar ausmachte, muss ihn einfach liegen gelassen haben. Sicher war Magie im Spiel, jedenfalls hatte er keine größeren Verletzungen. Ich weiß nicht, ob er einfach schon zu lange tot war, aber Tenseiga konnte nichts mehr ausrichten. Anstatt ihn zurückzuholen, hat es ihn verschwinden lassen. Nur Tessaiga blieb zurück. Ich habe es mitgenommen, damit es nicht in falsche Hände fällt.“ Irgendwo im Hinterkopf fühlte Kagome die Verwirrung über Sesshômarus vergleichsweise lange Rede, spürte sie die Überraschung darüber, dass er offenbar versucht hatte, mit Tenseiga zu retten, was zu retten war. Aber es kam nicht wirklich bei ihr an. Die Trauer, die Verzweiflung war zu stark, machte sie taub und blind für alles andere. Das einzige war sie spürte, war das glatte Holz von Tessaigas Scheide in ihren Handflächen. Sie hatte das Schwert auf ihren Schoss gezogen und umklammerte es wieder mit beiden Händen. Tessaiga, das InuYasha Begleiter und Waffe zugleich gewesen war, das Erbe seines Vaters, dessen Zuteilung schließlich selbst Sesshômaru gebilligt hatte. Tessaiga, das InuYashas Blut im Gleichgewicht hielt, das ihn auf seinem Weg nie im Stich gelassen hatte, das wohl InuYashas wichtigster Besitz gewesen war. Tessaiga hatte sie gerettet. Tessaiga wollte, dass sie lebte. Und das war beinahe so, als habe ihr InuYasha diese Aufgabe hinterlassen: Lebe! Nach schier endloser Zeit stemmte sie sich auf die Füße ohne die Hände von Tessaiga zu lösen. Dennoch wusste sie, dass jemand anderes besser in der Lage war, darüber zu wachen, dass es nicht in die falschen Finger geriet. Etwas zaghaft hielt sie das Schwert Sesshômaru entgegen, der noch immer reglos neben ihr stand. Aber er machte keine Anstalten danach zu greifen, obwohl er die Scheide problemlos hätte berühren können. „Behalte es. InuYasha hätte es so gewollt“, sagte er knapp, ohne sie dabei anzusehen. Obwohl Kagome überrascht war, legte sich ein vorsichtiges Lächeln auf ihre Lippen. „Arigatô“, brachte sie mit erstickter Stimme hervor, ehe sie sich etwas unentschlossen abwandte. „Weißt du… weißt du wo die nächste Siedlung ist? Ich muss mir einen Bogen besorgen, sonst bin ich vollkommen schutzlos“, fragte sie dann noch. Einen Moment schien es, als wollte Sesshômaru keine Antwort geben, dann aber wandte er ihr noch einmal für einen kurzen Moment den Blick zu: „Folge dem Bach flussabwärts. Gegen Abend solltest du ein Dorf erreichen.“ Ohne darauf zu warten, ob sie ihm ein weiteres Mal dankte – was Kagome zweifellos vorhatte – drehte er sich um und ging davon. Doch nach ein paar Schritten blieb er wieder stehen und sah kurz zum Himmel. Seine Augen verengten sich. Kagome erkannte das noch aus dem Augenwinkel und spannte sich an. Hatte er etwas gewittert oder gehört, dass sich ihrer Sinneswahrnehmung noch entzog? Eine neue Gefahr? Sie fuhr heftig zusammen, als aus heiterem Himmel ein Blitz nicht weit entfernt in die Wiese einschlug. Im nächsten Moment stand da eine braune, dreiäugige Kuh und auf ihrem Rücken hockte im Schneidersitz, den dünnen, graues Zopf etwas angekokelt und den langstieligen Hammer an der Schulter lehnend eine wohlbekannte Gestalt. Es war Sesshômaru, der dessen Name zuerst aussprach und er klang nichts weniger als begeistert: „Tôtôsai“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)