Seelenanker von Torao (From Lust to Heart [Penguin x Law]) ================================================================================ Kapitel 11: Einzelkämpfer ------------------------- Eine ölverschmierte Hand streckte sich von links Penguin entgegen, gefolgt von einer kurzen Anweisung: „Sechskanter!” Stumm wanderte sein Blick von der Druckmessanzeige vor ihm zum Werkzeugkasten, aus dem er im nächsten Moment den abgenutzten Schraubenschlüssel entnahm und Ban, der mit dem Körper übergebäugt hinter einer der Maschinen hing, in die Hand drückte. „Meinst du wirklich, wir bekommen es wieder hin?” Auch Shachi stand daneben und beobachtete, wie sein Freund versuchte einen Defekt zu reparieren, der den für die Mechanik zuständigen Teil der Crew nun schon den gesamten Nachmittag im Maschinenraum beschäftigte. „Ja natürlich. Wie oft willst du das noch fragen?” In Bans Stimme klang etwas Genervtes mit. „Geh lieber und sag dem Käpt’n Bescheid, was los ist und dass wir erstmal weiter segeln sollten. Wenn wir tauchen können wir maximal halbe Leistung fahren.” Da er immer noch auf das technische Problem fixiert und halb hinter der Maschine verschwunden war, sah der Raucher nicht den unsicheren Blick, der nun das Gesicht des Jüngeren zierte. Aber Penguin bemerkte ihn, zumal er auch wusste, warum Shachi so reagierte: Seit dem Morgen hatten weder er selbst noch sein bester Freund wieder mit ihrem Käpt’n gesprochen. Und so wie er selbst bekam wohl auch der Andere sichtlich Bauchschmerzen beim alleinigen Gedanken daran, ihm wieder unter die Augen zu treten. Dies hatten sie bisher nicht mehr gemusst, da Law sich scheinbar einmal mehr in seiner Kajüte verbarrikadiert hatte. Zumindest hatte er sich auch beim Mittagessen nicht blicken lassen. „Er… will sicher seine Ruhe”, gab der Rotbraunhaarige kleinlaut von sich. „Sicher will er die, wenn er schon wieder Einsiedler spielt. Aber du weißt auch wie er reagieren wird, wenn er hintenherum von der Sache hier erfährt oder erst dann wenn er den Befehl zum Tauchen gibt.” Ban sah immer noch nicht auf. Hilfesuchend sah Shachi Penguin an. Dieser wäre liebendgerne für seinen Freund eingesprungen und hätte Bericht erstattet, hätte er nicht gewusst, dass Law auf ihn noch viel wütender war. Beim Gedanken an den Grund dafür, wanderte sein Blick wieder in Bans Richtung. Zwar arbeiteten sie hier zusammen, weil alles andere schlichtweg kindisch gewesen wäre, aber er hatte sich auch mit ihm noch nicht ausgesprochen und für sein Verhalten am Vorabend entschuldigt. Dazu war bisher einfach keine Gelegenheit gewesen, wollte er das doch gerne unter vier Augen klären. Aber genau diese Möglichkeit könnte sich nun ergeben. Er sah wieder Shachi an: „Sonst geh und sag einem der Anderen Bescheid, er soll zu ihm gehen. Wobei ich nicht glaube, dass er noch sauer auf dich ist.” Shachi druckste herum, bevor er einmal tief Luft holte und letztlich recht entschlossen wirkend davon ging. Penguin rechnete damit, dass er zu einem der Anderen gehen würde, die außer Hörweite weiter vorne im Maschinenraum tätig waren, um ihn zu schicken. Doch Sekunden später hörte er trotz des recht hohen Lärmpegels im Raum die Luke zum Deck über ihnen zufallen. War sein Freund etwa dabei doch mutig zu werden? Doch Ban ließ nicht zu, dass er nun darüber nachdachte. Er kam hinter der Maschine hervor und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn, der sich unterhalb seines Stirnbands gebildet hatte. „Der Käpt’n ist wütend auf ihn?”, fragte er beiläufig. Penguin sah ihn verwundert an, hatte er nicht damit gerechnet, dass der Andere heute eine Konversation mit ihm führen wollen würde. „Ja, weil wir verschlafen haben.” „Ach ja richtig, Waka hat mir davon erzählt.” Ban sah Penguin weiterhin nicht an, hielt jedoch das Gespräch aufrecht: „Na, dann hast du ja vermutlich heute zweimal richtig Anschiss kassiert, oder?” In Bans Aussage klang keine Schadenfreude mit. Dennoch legte sich die Stirn des Schwarzhaarigen in Falten. Der Andere bemerkte dies im Augenwinkel: „Hey, ich habe es ihm nicht erzählt, falls du das denkst. Das war Shou. Aber auch erst nachdem der Käpt’n ihn fast in die Mangel genommen hätte. Und du weißt wie schnell Shou ihm gegenüber den Schwanz einzieht. Glaub mir, ich hab ihm schon ein paar Takte dazu gesagt, dass man seine Kameraden nicht verpfeift, nachdem ich davon erfahren habe. Mir wäre es auch lieber gewesen, wir hätten das alleine unter uns klären können. Aber ich nehme mal an, jetzt hat er dir schon ziemlich den Arsch aufgerissen.” So wie Ban es ausdrückte konnte man es wohl nicht sagen, aber für sein Fehlverhalten hatte Law ihn dennoch gestraft. Penguin blickte zur Seite. „Danke”, kam es nur leise von ihm. Er war dem Blonden wirklich dankbar, dass dieser es hatte für sich behalten wollen. Und er war auch nicht wütend auf Shou, weil er Law alles erzählt hatte. Er wusste wirklich nur zu gut, wie erfolgreich ihr Käpt’n auch bei ihrem sonst so vorlauten Nesthäkchen mit seiner angsteinflößenden Art war. Der Einzige, auf den er wütend war, war er selbst. Und wahrscheinlich würde er seinen Fehler Law gegenüber nicht einfach so wieder gut machen können. Aber zumindest wollte er sich nun bei Ban entschuldigen. „Sollte unter Freunden ja wohl selbstverständlich sein”, Ban wischte sich die Hände mit einem Tuch sauber, „aber mich würde trotzdem interessieren, was gestern mit dir los war. So habe ich dich noch nie erlebt.” Offenbar hatte auch er nur darauf gewartet, dass er ungestört mit Penguin über den Vorfall sprechen konnte. Penguin seufzte: „Keine Ahnung. Aber es tut mir echt Leid, Ban. Das war total dämlich.” „Allerdings”, bestätigte der Andere, „aber was heißt keine Ahnung? War’s nur wegen dem Flittchen?” Penguin schnaufte kurz spöttisch, als Ban ihm wieder die junge Frau ins Gedächtnis rief, an die er bereits nahezu jede Erinnerung verloren zu haben schien: „Blödsinn.” „Was dann?” Er bohrte weiter nach. Aber sein Gegenüber haderte mit sich und schwieg. „Alter, rede mit mir, sonst bin ich echt angepisst!” Ban wandte sich ihm mehr zu und sah ihn durchdringend an. „Es gibt Dinge, über die man nicht einfach so reden kann”, gab er monoton als Antwort. Daraufhin runzelte nun der Andere die Stirn: „Du klingst schon fast wie der Käpt’n.” Überraschen trat bei dieser Aussage in Penguins Gesicht, welches immer noch zur Seite gewandt war. Shachi hatte vorgestern Abend in der Kneipe etwas Ähnliches zu ihm gesagt. Verhielt er sich wirklich so? Änderte nicht er Law, sondern tatsächlich Law ihn, ohne dass er es merkte? Ein Klopfen an der Tür ließ Law seine Augen aufschlagen. Müde blinzelte er zur Zimmerdecke. Wie lange hatte er geschlafen? Er drehte den Kopf zu Seite: Draußen war es noch hell, aber der Wecker verriet ihm, dass es Nachmittag war. Demnach hatte er also fast den ganzen Tag verschlafen. Dennoch fühlte er sich noch müder als zuvor. Gleichzeitig spürte er wieder den Kopfschmerz und auch sein Arm tat weiterhin weh. Erneut klopfte es zu seiner Linken, gefolgt von Shachis Stimme, die durch die Tür drang: „Käpt’n? Es gibt etwas Wichtiges.” Etwas Wichtiges? Dem musste wohl wirklich so sein, sonst würde gerade Shachi nach dem Morgen wohl kaum mit ihm sprechen wollen. Wortlos richtete Law sich auf, setzte sich auf die Bettkante und strich sich einmal mit der Hand durchs Haar, als würde dieses nicht ohnehin permanent recht zerzaust wirken, ehe er endlich antwortete: „Ja?” Langsam ging die Tür auf und Shachi trat ebenso zögerlich ein, wobei er die Tür wieder schloss. „Es gibt einen Defekt an einem der Antriebe”, begann er leise und an der Tür stehen bleibend zu sprechen. „Heißt was?” Da Laws mechanisches Verständnis nicht ansatzweise so gut war wie sein medizinisches, kam sein Nachfragen nicht überraschend. „Nichts Schlimmes. Aber wir sollten möglichst erstmal weiter segeln. Beim Tauchen schaffen wir nicht mehr als die halbe Maximalgeschwindigkeit”, erklärte der Jüngere ihm die Lage. Eine Situation die Law gar nicht zusagte, wie seine nun noch ernstere Miene verdeutlichte: „Könnt ihr es denn reparieren oder müssen wir auf den nächsten Hafen warten?” Shachi schüttelte den Kopf: „Ban ist sich sicher, dass er es hinbekommt. Er und Penguin arbeiten schon eine Weile daran. Aber es wird einige Zeit dauern.” Doch Laws Miene entspannte sich kaum, obwohl er wusste, dass die beiden Erwähnten nicht nur überragende Kämpfer sondern auch mehr als fähige Mechaniker waren, ebenso wie Shachi und einige Andere an Bord. Und daran war vor allem sein eigener Zustand Schuld: Der Gedanke daran, nicht die vollen Möglichkeiten seines Schiffes ausschöpfen zu können, wenn er selbst angeschlagen war, verstärkte das Pochen in seinem Kopf nur zusätzlich. Dennoch versuchte er gelassen zu wirken: „Gut. Dann sagt Bescheid, wenn es etwas Neues gibt.” „Aye!”, antwortete der Jüngere, der sich gerade wieder zum Gehen wenden wollte, als er in der halben Drehung innehielt und seinen Käpt’n etwas besorgt ansah, „Ist alles in Ordnung, Käpt’n?” Der Arzt hatte den Blick gerade erschöpft senken wollen, war er doch davon ausgegangen, die Tür würde jeden Moment ins Schloss fallen, als diese Frage kam. Irritiert sah er zurück. „Ja?! Was sollte sein?” Er hatte sich doch wirklich alle größte Mühe gegeben sein Befinden zu vertuschen. „Du warst nicht beim Essen.” Wissend, dass das ab und an vorkam und damit kein Grund zur größeren Besorgnis war, fügte der Rotbraunhaarige noch stockend an: „Und… du wirkst blass.” Law starrte Shachi an. Mit ersterer Aussage hatte er fast schon gerechnet. Und darauf hätte er zu kontern gewusst. Aber die zweite Feststellung traf ihn unvorbereitet. War er wirklich blass? Scheinbar ließ er zu lange mit einer Antwort auf sich warten, sodass Shachi sich nun wieder ihm zudrehte und weitersprach: „Ist es dein Arm?” Der Jüngere erinnerte sich wohl noch gut an den Verband, den er am Abend an Laws Arm entdeckt hatte. Und den Abend selbst rief er damit nun wieder zurück in die Erinnerung seines Käpt’ns, dessen Magen sich umgehend flau anfühlte. „Nein!” Ungewollt harsch fuhr er den Anderen nun an, der daraufhin, kaum dass er gerade einen Schritt auf ihn zugemacht hatte, wieder zurückwich. „T… tut mir Leid.” Shachi fürchtete wohl, er war damit zu weit gegangen und wollte die Flucht ergreifen, doch Laws Gewissen ihm gegenüber war schneller. „Nein, mir tut es Leid, Shachi”, kam es nun ruhiger von ihm, wobei er sich langsam vom Bett erhob. Dabei stellte er fest, dass auch seine Gelenke etwas schmerzten. Er musste sich etwas eingefangen haben. Wahrscheinlich eine Erkältung. Doch weiterhin ließ er sich die Beschwerden nicht anmerken und reagierte auf Shachis verwirrten Blick: „Ich wollte dich nicht anschreien. Ich habe nur schlecht geschlafen, wegen gestern Abend. Ich weiß nicht was wieder in mich gefahren ist und mir tut es Leid. Glaube mir, ich belästige dich nicht mehr.” Shachis Augen weiteten sich. Law hatte keine Ahnung, was er damit gerade in ihm auslöste. „Du hast mich nie belästigt!”, schoss es wie aus einer Pistole aus ihm hinaus. Der Chirurg sah ihn fragend an. Hatte er das nicht? Wahrscheinlich behauptete er das nur, weil er Angst hatte, seinem Käpt’n gegenüber etwas Falsches zu sagen, nachdem er ihn schon am Morgen etwas verärgert hatte. Daher versuchte Law, für ihn untypisch, sanft zu wirken: „Es ist schon in Ordnung, Shachi. Ich weiß, dass du das nie wolltest. Ich hatte mich einfach nicht unter Kontrolle und habe dich ausgenutzt… für meine Bedürfnisse.” Der Arzt konnte weder sehen noch hören, wie das Herz des Anderen gerade in tausend Splitter zersprang. Es war nicht so, dass Shachi sich je eingeredet hatte, Law hätte mehr Interesse an ihm gehabt. Doch es nun so aus seinem Mund zu hören, traf ihn schmerzlich. Und dennoch bemühte auch er sich, sein Inneres weiterhin in sich zu verbergen. „Schon… okay.” Shachi lächelte. „Aber du siehst wirklich nicht gut aus. Ich glaube nicht, dass das vom schlechten Schlaf kommt, Käpt’n.” Es war auffällig, wie er das Thema wechseln wollte. Trotzdem ging Law darauf ein. „Vermutlich hast du Recht”, er setzte sich wieder aufs Bett und zog seine Schuhe an, „ich muss mir eine Erkältung eingefangen haben.” „Sicher? Was ist mit deinem Arm?”, fragte der Andere sichtlich besorgt nach. „Nur ein Streifschuss von übermütigen Piraten. Kanaye hat es genäht. Aber wenn es dich beruhigt”, Law erhob sich abermals und es wirkte sogar etwas als würde er lächeln, „gehen wir zum Behandlungsraum und du nimmst mir Blut ab. Ich untersuche es, nur um sicher zu gehen, dass es nichts Ernsteres ist.” Zum einen wollte er Shachi wirklich nicht noch mehr Kummer bereiten, hatte er sich doch gerade erst für seine Vergehen bei ihm entschuldigt, und zum anderen war er sich selbst nicht sicher, ob es wirklich nur eine Erkältung war, die ihm körperlich zu schaffen machte. Aber selbst wenn dem so war, wusste Law schon jetzt, er würde es Shachi nicht auf die Nase binden, wollte er ihn doch nicht unnötig beunruhigen. Der Jüngere nickte nach einem kurzen Moment der Verwunderung angesichts dieses unerwartet kooperativen Vorschlags, bevor er die Tür öffnete und gefolgt von seinem Käpt’n auf den Flur trat. „Danke, Shachi.” Fest drückte Law einen Wattebausch auf die Einstichstelle, nachdem der Andere die Nadel entfernt und entsorgt hatte. Der Jüngere schüttelte leicht den Kopf: „Nichts zu danken. Kann ich sonst noch was tun?” Law blickte auf die mit dunkelrotem Blut gefüllte Spritze neben sich auf dem Tisch, bevor er ihn wieder ansah: „Nein, ich untersuche es gleich. Schau lieber…” Doch er wurde unterbrochen, als Kanaye in den Raum trat, wahrscheinlich mal wieder auf der Suche nach neuem Lesestoff. Dieser erkannte die Situation sofort: „Oi, Käpt’n, alles in Ordnung?” Der Angesprochene, der diese Frage so sehr hasste, sah zur Tür. „Ja. Bekomme wohl eine Erkältung. Habe Shachi nur versprochen, zu prüfen, ob es nichts Ernsteres ist", während der Erwähnte etwas rot wurde, sprach Law weiter und blickte wieder ihn an, „wie dem auch sei. Schau bitte wie es mit dem Antrieb ausschaut. Wenn es etwas Neues gibt, lass es mich wissen.” „Aye!” Damit spurtete der Jüngere aus dem Raum. Law hob prüfend die Watte an, bevor er sie ganz wegnahm und durch ein Pflaster ersetzte, während der andere Anwesende ihn nun genauer ansah. „Mit Verlaub Käpt’n, aber du sieht wirklich ziemlich bescheiden aus”, stellte nun auch Kanaye Laws ungewöhnlich helle Hautfarbe fest. Wieder etwas was er nicht hören wollte. Er wollte nicht krank wirken. Und noch viel weniger wollte er es sein. „Was ist mit deinem Arm? Soll ich den Verband wechseln?”, bot Kanaye an, ehe er überlegte, „Vielleicht war das auch keine einfache Kugel und du hast eine Blutvergiftung oder so etwas.” Bei den letzten Worten gefror Laws Blut regelrecht. Kanaye hatte keine Ahnung welche Wunden er damit in ihm aufriss. Panik stieg in ihm auf. Was wenn er Recht hatte? Was wenn seine Vergangenheit ihn gerade unerwartet wieder einholte? Nein, das konnte nicht sein. Zumal es sich anders angefühlt hätte. Gleichgültig drehte er sich weg und widmete sich der Blutprobe: „Später.” Kanaye seufzte und richtete seinen Fokus auf das Bücherregal, während sein Käpt’n neben ihm sein eigenes Blut untersuchte. Dabei beobachtete er ihn jedoch immer wieder aus dem Augenwinkel mit wachsender Besorgnis. Und das zu Recht, als Law nach überraschend kurzer Zeit wie erstarrt wirkte, zügig aufstand und zur Tür ging. Kanaye wirbelte mit einem Buch in der Hand herum: „Käpt’n?” Law blieb kurz in der Tür stehen, sah ihn jedoch nicht an: „Räum bitte auf!” „Und dein…”, doch der Ältere konnte seine Frage nur noch der zufallenden Tür stellen, “...Arm?” Verunsichert blickte er auf die Probe auf dem Tisch. Eiligen Schrittes kehrte Law in seine Kajüte zurück und ließ abermals die Tür hinter sich unsanft zufallen. Er lehnte sich gegen die Wand. Obwohl er nicht weit gelaufen und noch jung war, war er außer Atem. Und er spürte deutlich wie sein Zustand sich verschlechterte. Und nun wusste er auch warum. Er musste etwas unternehmen - es irgendwie aufhalten. Er streckte seine linke Hand aus: „ROOM!” Doch sein „Room” kam nur kurz zustande und verschwand unmittelbar wieder. Ihm fehlte offensichtlich bereits mehr Kraft, als er selbst wahrhaben wollte. Er sah starr auf seine Handfläche: „Verdammt. Ihr beschissenen Teufelskräfte! Ihr seid so verdammt nutzlos! Alles was ihr tut, ist mich wahrscheinlich irgendwann den Kragen kosten.” Das das nicht der ganzen Wahrheit entsprach wusste er nur zu gut. Auch wenn er Letzteres wirklich befürchtete, so hatten sie ihm auch schon sein Leben gerettet. Und im selben Augenblick fühlte er sich furchtbar undankbar - undankbar gegenüber jenem Mann, dem er diese Fähigkeiten und damit sein Leben überhaupt verdankte. Und dieses Leben hatte er doch nun ihm gewidmet. Frustriert schlug der Arzt seinen zunehmend schmerzend Kopf leicht gegen die Wand hinter sich, bevor er sich letztlich davon wegdrückte und zielstrebig zum Medizinschrank in der Zimmerecke neben seinem Schreibtisch ging. Dabei bemerkte er, wie auch die Kraft in seinen Beinen spürbar mit jedem Schritt nachließ. „Dann eben auf die herkömmliche Art.” Abrupt riss er die schmale Schranktür auf, ehe er zielsicher und zügig ein Medikament nach dem anderen herausnahm und neben sich auf den Tisch stellte. Er schlug die Tür wieder zu, eilte zum Nachttisch auf dem seine Wasserflasche stand und kehrte mit dieser zum Schreibtisch zurück, bevor er begann ein Tablettenglas nach dem anderen zu öffnen und jeweils eine Pille zu sich zu nehmen. Auch dies tat er in einem auffällig schnellen Tempo. Erneut hastig atmend lehnte er sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch und starrte auf die noch geöffneten Gläser vor sich. Er wusste, dass er da gerade einen Medikamentencocktail zu sich genommen hatte, dem ihm sein Körper wahrscheinlich nicht danken würde, aber das war ihm gerade mehr als egal, solange es irgendwie die aufkeimende Grippe tötete, bevor sie ihn töten konnte. Er war zwar wirklich erleichtert, dass nicht jene Krankheit aus seiner Kindheit ihn wieder eingeholt hatte, doch das was er da in seinem Blut gefunden hatte gefiel ihm nicht unbedingt besser. Auch wenn die Immunologie nicht sein Spezialgebiet war, war er sich mehr als sicher, dass die entdeckten Antikörper kein Anzeichen einer simplen Erkältung waren. Ganz im Gegenteil. Sicherlich hätte er in seinen Büchern nachschlagen können, doch dazu, so hatte er das Gefühl, fehlte ihm gerade die Zeit, wenn er in Betracht zog, wie rapide sein Körper abzubauen schien. Und das musste er so schnell es ging unterbinden. Er hatte ein Ziel. Und dafür benötigte er all seine Kraft. Und wer wusste, wo das nächste Marine- oder Piratenschiff lauerte und sie angreifen würden? Er brachte auch seine Crew in Gefahr, wenn er nicht bei Kräften war. Wieder klopfte es. „Ja?!” Laws Stimme klang hörbar genervt. Dennoch ging die Tür auf. Für einen Moment rechnete er damit, dass es erneut Shachi war, der hereinkam. Als er sich umdrehte, stellte er jedoch fest, dass dieses Mal Kanaye ihn störte. „Was ist?” Er musste sich wirklich zusammenreißen, nicht zu gereizt zu klingen, und verdeckte ganz bewusst mit seinem Körper die etlichen Pillenfläschchen auf dem Tisch. Doch Kanaye war nicht wie Shachi. Er ließ sich nicht von Laws Art beirren und sah ihn ruhig an. „Käpt’n, wie fühlst du dich?” Ohne Zögern sprach er dies aus. „Mir geht’s gut. Was soll die Fragerei?” Der Jüngere zog die Augenbrauen zur Gesichtsmitte. „Ich glaube dir kein Wort. Ich weiß, du wirst mich dafür lynchen, aber ich habe mir dein Blut gerade angesehen”, Laws Gesichtsausdruck entgleiste, hatte er damit doch nicht gerechnet, während der Andere fortfuhr, „und meine Medizinkenntnisse mögen ja weit hinter deinen liegen, aber eine Grippe kann ich dennoch von einer Erkältung unterscheiden.” Der Chirurg lachte kurz spöttisch und blickte zur Seite: „Ich sollte dir wohl verbieten, meine Bücher zu lesen.” „Wenn du das für richtig hältst”, Kanaye verschränkte die Arme vor der Brust, „dann tue das. Aber jetzt weiß ich dank deiner Bücher auch, dass du dir nichts Angenehmes eingefangen hast.” „Und wenn schon! Ich hatte dir nur gesagt, du sollst aufräumen. Meine Gesundheit ist nicht dein Problem!” Laws Sturheit war einmal mehr unüberhörbar. „Und wie das mein Problem ist, wenn es meinem Käpt’n schlecht geht!”, Kanayes Blick wurde finster und besorgt zugleich, „Ich weiß, du willst nicht, dass wir uns um dich Sorgen machen, aber das kann ich nun mal nicht. Niemand auf diesem Schiff kann das.” Der Jüngere lehnte sich gegen den Schreibtisch, hatte er doch das Gefühl noch schwächer zu werden: „Dann sag es den Anderen nicht und sie müssen sich keine Sorgen machen.” „Ach und wie soll ich ihnen erklären, dass unser Käpt’n sich nicht blicken lässt für wer weiß wie lange? Denn das wird ja wohl dein Plan sein, wie ich dich kenne.” Und da schätzte Kanaye ihn richtig ein. Doch Law schien eine Lösung parat zu haben, die er ernst kundtat: „Natürlich werde ich die nächsten Tage hier bleiben. Andernfalls stecke ich euch nur an. Sag ihnen einfach, ich sei erkältet und sie sollen sich von mir fernhalten.” Kanaye erschien diese Ausrede jedoch absurd, war er sich doch sicher, eine Erkältung würde schneller vergehen. Dennoch gab er allmählich nach: „Dann lass mich dir wenigstens helfen. Du wirst nur noch mehr abbauen. Ich habe gerade extra noch mal nachgeschlagen: Der Virus, den du da hast kann richtig una…” „Unangenehm werden und mich sogar umbringen”, Laws Blick verdeutlichte dem Anderen, dass er ihm nichts erzählte, was er nicht ohnehin selbst wusste, „aber du kannst mir nicht helfen. Ich habe alle Medikamente hier, die es könnten.” Der Andere seufzte: „Wahrscheinlich hast du Recht.” Law sah ihn an und bemerkte, wie Kanaye scheinbar damit kämpfte, dass er tatsächlich nichts in seiner Macht Stehendes tun konnte. Dabei wollte er doch nicht, dass er sich noch mehr Sorgen machte. „Du solltest außerdem erst recht von mir fern bleiben”, der an der Tür Stehende sah zu ihm zurück, während Law weitersprach, „denn außer dir kann sich gerade niemand darum kümmern, wenn einer der Anderen krank oder ernsthaft verletzt wird. An der Stelle brauche ich dich gerade mehr als hier bei mir wo du eh nichts tun kannst.” Überraschen über diese Worte trat in Kanayes Gesicht. Einmal mehr zeugten die Worte seines Käpt’ns davon wie viele Gedanken er sich machte - auch um seine Crew. Er nickte, bevor Law fortfuhr: „Stell bitte sicher, dass ich euch alle nicht angesteckt habe. Und wenn doch, gib den Betreffenden sofort die richtigen Medikamente. Außerdem sag Bepo, er soll erstmal die Kontrolle übernehmen.” „Aye”, bestätigte der Andere, dass er ihn verstanden hatte. „Aber versuche sie alle nicht zu beunruhigen. Besonders Bepo nicht”, Law legte seine schmerzende Stirn gegen seine Fingerkuppen der rechten Hand, „denn du weißt wie panisch er werden kann.” Kanayes Miene blieb ernst: „Ja.” Law sah wieder auf, da der Andere immer noch keine Anstalten machte den Raum zu verlassen. „Dann geh jetzt! Bevor du dich doch noch ansteckst.” Wieder nickte der Andere: „Aye. Aber wenn du mich doch brauchst, dann...” Doch Law schnitt ihm abermals scharf das Wort ab: „Ich brauche keine Hilfe! Ich komme alleine klar.” Kanaye gab auf. Abermals seufzend verließ er den Raum und ließ seinen Käpt’n alleine. Dieser spürte, wie Erschöpfung sich in ihm breit zu machen schien, weshalb er sich schlapp auf seinen Schreibtischstuhl fallen ließ. Er stützte den rechten Ellenbogen auf die Tischplatte und legte die Stirn nun in seine Handfläche. Hoffentlich würde es nicht noch viel schlimmer werden. „Läschd dör Köpt’n wüda dasch Eschen auschfall’n?”, fragte Shou mit vollem Mund beim Abendessen in die Runde, die von allen gebildet wurde außer Bepo und einem anderen Crewmitglied, die das Schiff gerade steuerten, und ihrem Käpt’n. Allerdings bekam er dafür dieses Mal keine ermahnenden Worte von Kanaye zu hören, der unmittelbar neben ihm saß. „Er grübelt sicher wieder über irgendetwas. Er sollte wirklich damit aufhören”, kam es von einem seiner Freunde. Ein Murmeln ging kurz durch die Runde, ehe Kanaye sich trocken und ernst einschaltete: „Er wird eine Weile nicht mit uns essen.” Die Anderen sahen ihn verwundert an. Shachi ließ perplex seine Stäbchen fallen. „Also ist er doch krank?!” Als Kanaye nickte, weiteten sich auch die meisten anderen Augenpaare am Tisch. „Was fehlt ihm?”, stellte ein Anderer die Frage, die wohl allen auf der Zunge lag. Kanaye schwieg, woraufhin erneut Shachi sich unruhig zu Wort meldete: „Ist es doch mehr als eine Erkältung?” „Woher weißt du überhaupt, dass er krank ist, Shachi?” Dai sah ihn fragend an. Der Jüngere blickte etwas beschämt zur Seite: „Na ja, ich war vorhin bei ihm, um ihm wegen des Problems mit dem Antrieb zu berichten. Da fiel mir auf, dass er sehr blass war. Er meinte, es sei nichts oder nur eine Erkältung. Er hat sich aber zur Sicherheit Blut von mir abnehmen lassen, um es zu untersuchen. Was ist dabei rausgekommen?” Bei seiner letzten Frage sah er nun wieder unruhig Kanaye an, der mehr zu wissen schien. Dieser seufzte: „Ich weiß, er wird mich hassen, wenn ich es euch sage, aber ihr würdet mir spätestens in drei Tagen eh nicht mehr glauben, dass er nur erkältet ist, so wie er will, dass ich es euch sage. So naiv ist hier schließlich niemand.” „Na ja, einer vielleicht schon.” Shou sah grimmig zu Ban, als dieser dies beiläufig in die Runde und ihm dabei einen vielsagenden Blick zuwarf. Sein Sitznachbar deutete ihm mit der Hand, er solle ruhig sein, damit Kanaye ungehindert weiter sprechen konnte. Doch dieser zögerte abermals, scheinbar unsicher, ob er es wirklich sagen sollte. Tomo drängte ihn: „Jetzt spuck’s aus! Was ist mit ihm?” „Grippe”, kam es letztlich von dem Brillenträger, „und zwar eine ziemlich üble. Sie muss ihn innerlich schon ziemlich geschwächt haben, anders kann ich mir nicht erklären, warum er sie sich nicht mit seinen Teufelskräften vom Hals schafft.” Ban sprang auf und stemmte beide Hände auf den Tisch, sodass sämtliches Geschirr auf der Tischplatte klapperte: „Und warum bist du dann hier und hilfst ihm nicht, wo du von uns allen am meisten Ahnung von Medizin hast?” „Genau deswegen”, zischte Kanaye zurück. „Der Käpt’n meinte selbst, es sei dumm, wenn ausgerechnet ich mich anstecken würde, da euch dann niemand helfen kann, wenn etwas sein sollte.” Auch dem Blonde erschien dies nun einleuchtend und er ließ sich wieder auf seinen Platz sinken, wobei jedoch nicht nur seine Sorge wuchs. „Außerdem”, fuhr Kanaye fort, „alles was ich weiß, weiß ich von ihm und aus seinen Büchern. All dieses Wissen hat er selbst und viel mehr darüber hinaus. Ich kann wirklich nichts tun, was nicht jeder Andere von uns auch tun kann.” „Trotzdem muss sich jemand um ihn kümmern. Ihm Essen und Tee bringen und was er sonst noch braucht”, kam es von Dai. Dabei ahnte niemand von ihnen, welche Körperspannung sich gerade am anderen Ende des Tisches in Penguin aufgebaut hatte seit Kanaye zu sprechen begonnen hatte. Die Gedanken überschlugen sich erneut in ihm und wurden untermalt von wachsender Besorgnis um Law. Am liebsten wäre er schon vor Dais Worten aufgesprungen, um für ihn zu sorgen. Doch erstens wollte er es nicht erneut riskieren Aufsehen zu erregen, was ihre zwischenmenschliche Beziehung betraf, und zweitens war er sich sicher, dass Law immer noch furchtbar wütend auf ihn war und ihn momentan am allerwenigsten sehen wollte. Kanaye brachte noch einen dritten Punkt dazu, der ihn dazu bewegte, sitzen zu bleiben: „Vergesst es! Er hat mir klipp und klar gesagt, dass er keine Hilfe will. Und ihr kennt ihn alle. Ihr wisst, dass er niemanden zu sich lassen wird, wenn er das sagt. Wir sollen uns alle von ihm fernhalten. Und ich soll euch allen Blut abnehmen, um sicher zu gehen, dass sich noch keiner angesteckt hat.” Ban schlug verbissen mit der Faust auf den Tisch: „Wie kann ein einzelner Mensch so viel Sturheit auf einem Haufen in sich tragen? Das ist unfassbar!” „Ich würde ja fast sagen, dass das der Richtige sagt”, seufzte Wakame, „aber er übertrifft da sogar dich.” „Wie dem auch sei, wir müssen zusehen, dass wir einen kühlen Kopf bewahren. Der Käpt’n muss sich auf jeden von uns verlassen können. Deswegen sagt auch bitte Bepo nicht, wie ernst es ist. Ihr wisst, dass er schnell panisch wird, wenn etwas mit dem Käpt’n nicht stimmt. Und ich werde euch auf jeden Fall gleich noch allen Blut abnehmen”, kündigte Kanaye an. „Nach dem Essen?”, fragte Shou irritiert. Kanaye nahm sich vom Reis nach: „Spielt dabei keine Rolle. Antikörper sind im Blut immer nachweisbar.” Schweigen trat ein. Und auch während des weiteren Abendessens blieb die Stimmung getrübt. Dennoch versuchten alle im Anschluss daran ihren Aufgaben nachzugehen. Auch Kanaye, der wie angekündigt Einen nach dem Anderen zu sich in den Behandlungsraum kommen ließ und allen, einschließlich sich selbst, Blut abnahm, ehe er es der Reihe nach untersuchte. Dabei war er froh, dass er sich in den letzten Wochen sehr intensiv mit diesem Thema befasst hatte. Auch die Anderen widmeten sich währenddessen wieder ihren Aufgaben. Man merkte wie jedem nun mehr denn je daran lag, dass alles reibungslos von Statten ging. Auch wenn ihr Käpt’n sich nicht helfen lassen wollte, so war die Crew sich darin einig, dass sie ihm jede weitere Unannehmlichkeit ersparen wollte. Daher tüftelten Ban, Penguin, Shachi und einige Andere auch zu später Stunde noch am beschädigten Antrieb. Sie wollten dieses Problem nun mehr denn je so schnell wie möglich aus der Welt schaffen. Es war Kanaye, der sie unerwartet in ihrem Handeln unterbrach, als er in den Maschinenraum hinabstieg. „Peng, kann ich dich mal sprechen?” Der Angesprochene hob den Kopf. „Kann das warten? Wir wollen das hier endlich hinbekommen”, fragte er. Doch Kanaye blickte ernst drein: „Nein, kann es nicht.” „Ist er krank?”, fragte Shachi panisch, war das doch der erste Gedanke, der ihm durch den Kopf schoss, da es ausgesprochen selten vorkam, dass Kanaye überhaupt hierrunter kam. „Nein”, versuchte der Andere ihn zu beruhigen und sah wieder zu Penguin, „aber ich muss dich trotzdem sprechen.” Etwas genervt, was er durch ein Augenrollen ausdrückte, da ihm das Problem mit der Maschine eigentlich gerade neben Laws Gesundheitszustand am wichtigsten erschien, wischte er sich die schmutzigen Hände grob ab und warf den Lappen wieder dorthin wo er zuvor gelegen hatte, bevor er Kanaye aus dem Raum folgte. „Also? Was ist los?”, wollte er wissen, kaum dass sie sich im Korridor befanden, wo außer ihnen niemand war. „Fühlst du dich krank?”, fragte Kanaye mit durchdringendem Blick. „Nein”, kam es irritiert von seinem Gegenüber, „dann hätte ich was gesagt.” Ein „Hmm” und ein nachdenklicher Gesichtsausdruck waren alles, was als Antwort kam. „Was heißt hier hmm? Sollte ich mich krank fühlen? Hast du bei mir was gefunden?” Penguin beschlich ein ungutes Gefühl. „Jein”, drückte der Andere sich weiter unklar aus, „alle Proben waren in Ordnung, nur deine nicht. Allerdings wirkst du auf mich wirklich nicht krank. Aber du hast Unmengen der gleichen Antikörper in dir, wie der Käpt’n.” Innerlich wich Penguin entsetzt etliche Schritte zurück, was die Wand in seinem Rücken allerdings in der Realität nicht zuließ. Er befürchtete, Kanaye würde nun irgendwelche Schlüsse ziehen, die ihre Affäre verraten könnte, nachdem er sich in der Bar so daneben benommen hatte und sie so oft fast zeitgleich aus anderen Kneipen verschwunden waren. „Ich frage mich die ganze Zeit sowieso wann und wo der Käpt’n sich das eingefangen haben könnte. Bei einer Grippe ist der zeitliche Abstand zwischen Ansteckung und ersten Symptomen meist sehr kurz, aber er war die letzten beiden Abende auf dem Schiff.” Fast hätte Penguin dem widersprochen, bis ihm wieder einfiel, dass außer ihm natürlich nur Shachi und vielleicht Bepo wusste dass dem nicht so war. Und es lag ihm nun wirklich fern, offenzulegen, wo und mit wem Law am Vorabend unterwegs gewesen war. Allerdings befürchtete er, dass das seine einzige Option war, um die eine aufkeimende Aufmerksamkeit gegenüber ihrem Verhältnis zu verhindern. Allerdings fasste er sich bewusst kurz: „Soweit ich weiß, war er gestern Abend noch unterwegs.” „Oh, wirklich? Dann kann es natürlich gut sein, dass ihr der gleichen Person über den Weg gelaufen seid und euch bei ihr angesteckt habt.” Kanaye musste kurz lachen: „Außer du hast dich in deinem besoffenen Kopf gestern verlaufen und beim Käpt’n im Bett geschlafen. Wobei du dann wohl nicht in einem Stück vor mir stehen würdest.” Bei diesem Worten versuchte sein Gegenüber krampfhaft zu lächeln: Auch wenn das gestern Abend tatsächlich nicht der Fall gewesen war, so pochte Penguins Herz heftig. Kanaye war wirklich verdammt dicht daran vorbeigeschrammt, die Wahrheit zu enthüllen. Er musste unbedingt von diesem Thema wegkommen: „Aber wenn wir es uns beide eingefangen haben, warum ist er dann krank und ich nicht?” Kanaye rückte seine Brille zurück: „Das ist ja wohl offensichtlich: Bei seinem Lebensstil kann man von Glück sprechen, dass er nicht alle zwei Wochen flachliegt. Zehn Tassen Kaffee am Tag, oftmals nur Reis und tagelang in seiner stickigen Kabine über Büchern hocken ist jetzt nicht gerade das, was ich gesund nennen würde. Du dagegen bewegst dich viel, bist draußen und ernährst dich vernünftig. Dein Immunsystem scheint einfach immens stark zu sein, während der Käpt’n für solche Viren ein leichtes Opfer ist.” Neben ihnen ging die Luke zum Maschinenraum auf und zwei ihrer Kameraden kamen heraus. Beide sahen sichtlich geschlaucht aus. „Wir hauen uns aufs Ohr. Gute Nacht”, kam es von Einem von ihnen, als sie an Penguin und Kanaye vorbeigingen und auch diese ihnen eine gute Nacht wünschten. Der Andere hingegen gähnte nur ein müdes „Nacht”, woraufhin sein Freund, der offenbar seinen Atem dabei in den Nacken bekommen hatte, ging er doch dicht vor ihm, sich genervt umdrehte. „Kannst du vielleicht deine Hand vor den Mund halten und mir nicht in den Nacken gähnen? Ich mag deinen feuchten Atem nicht spüren”, mahnte er. „Sorry”, grinste sein Freund, bevor beide weiterzogen. Kanaye, der nie im Maschinenraum arbeitete, da das einfach nicht seine Welt war, musterte nur skeptisch ihre verdreckten Overalls. Penguin hingegen war erneut wie erstarrt: Seine Kameraden hatten ihn gerade wieder an etwas erinnert. Wie zum Greifen nahe sah er wieder den kranken Mann vor sich, mit dem er auf dem Weg zum Schiff zusammengestoßen war. „Er hat mich angehustet”, entsinnte er sich stillschweigend, „und ich habe Law auf dem Flur…” Seine Gedanken gefroren bei dem was er in seiner Erinnerung vor sich sah als würde es gerade passieren. Bis gerade hatte er noch gedacht, dass sein eigenes negatives Befinden nicht mehr schlimmer werden könnte. Doch nun wurde ihm eins klar: Mit ziemlicher Sicherheit war tatsächlich er derjenige, der Law angesteckt hatte. Und das nur, weil er sich selbst nicht unter Kontrolle gehabt hatte. Andernfalls hätte er sich nicht so betrunken und wäre sicher noch länger in der Bar geblieben. Damit wäre er wohl auch nie dem Mann und auch im Anschluss darauf nicht seinem Käpt’n begegnet. Letzterer würde dann jetzt nicht krank in seiner Kabine versuchen wieder einmal alleine mit seinen Problemen fertig zu werden. „Eigentlich war die Idee, dass du ihn angesteckt haben könntest, eh absurd. Du hättest erstmal krank sein müssen”, kam es nun überlegend von Kanaye, der nicht wusste, was in seinem Gegenüber vorging. Penguin versuchte seinen entsetzten Blick zu mäßigen: „Ist das so?” „Ja. Solche Viren werden durch Körperflüssigkeiten übertragen. Aber Dai achtet ja darauf, dass das Geschirr immer gründlich gespült wird, zumal der Käpt’n zumindest ja eh nur aus seiner Tasse trinkt”, Kanaye musste schmunzeln, da er wohl gerade an die etwas kindisch wirkende orangefarbene Tasse mit dem Eisbärenkopf denken musste, die Bepo Law mal geschenkt hatte, „abgesehen davon, dass sie auf Gegenständen, zumindest bei der Wärme hier im Schiff, eh nicht lange überleben. Und beim Sprechen habt ihr ja auch mindestens die Distanz zwischen euch wie wir beide jetzt. Daher könntest du ihn nur durch Husten oder Niesen infiziert haben, was du aber ohne krank zu sein eher selten tust. Geküsst haben wirst du ihn ja wohl kaum.” Wieder lachte Kanaye etwas, erneut nicht ahnend wie falsch er lag und wie starr der Andere war. Diese Schlussfolgerung beruhigte Penguin kein Stück, sondern untermauerte, was er befürchtet hatte: Er hatte Law definitiv in diese Situation gebracht. Doch Kanaye hatte davon wohl wirklich keinen Schimmer und gähnte nun ebenfalls, allerdings hinter vorgehaltener Hand. „Ich muss auch endlich schlafen. Entschuldige, dass ich dich von der Arbeit weggeholt habe. Ich wollte nur dass du es weißt. Aber du musst dir keine Sorgen machen, ich denke nicht, dass die Krankheit bei dir noch durchbrechen wird, so rasend schnell wie dein Immunsystem den Erreger ausgemerzt zu haben scheint. Versuch nur bitte trotzdem, Ban nicht anzuspucken, wenn er dir mit seinen Sprüchen wieder auf den Senkel geht, auch wenn du vermutlich den Virus schon nicht mehr in dir trägst”, witzelte er noch, „Gute Nacht!” Er wandte sich zum Gehen, wurde jedoch abrupt von Penguin am Arm gepackt: „Warte!” Verwundert drehte er sich nochmal halb ihm zu: „Hmm?” „Wenn ich so viele Antikörper habe, heißt das dann ich kann mich nicht mehr neu anstecken und krank werden?” Penguin war ein ganz anderer Gedanke zusammen mit seinen Selbstvorwürfen gekommen. „Würde ich so nicht sagen”, war jedoch die Antwort, „aber die Wahrscheinlichkeit ist auf jeden Fall gering, denke ich.” „Dann”, Penguin ließ ihn los und sah ihn entschlossen an, „sollte ich mich um ihn kümmern. Dai hatte Recht. Jemand muss ihm helfen. Wenn es wirklich schlimm wird, muss ihm jemand etwas zu essen und zu trinken bringen. Wer weiß wie weit er abbaut.” Penguin selbst war noch nie ernsthaft krank gewesen, nicht mal erkältet. Ob das nun an seiner Lebensweise lag, wie Kanaye gesagt hatte, oder er einfach nur Glück gehabt hatte, war unklar. Aber er hatte schon bei anderen Menschen mitangesehen, wie es ihnen mit einer Grippe ergangen war. Und daher war ihm klar, wenn Laws Immunsystem wirklich so schwach war, wie sein Gegenüber es geschildert hatte, dann würde die Infektion wohl extrem an seinen Kräften zehren. „Das stimmt schon. Aber auch wenn du dich nicht so leicht anstecken würdest, vergiss nicht von wem wir hier reden. Zwar kannst du sein Argument aushebeln, was die Ansteckung betrifft, aber seinem Starrsinn wirst du wahrscheinlich nicht viel entgegenbringen können.” Kanayes Worte waren ebenso wahr wie niederschmetternd. Law dazu zu bewegen, sich helfen zu lassen, war wirklich eine unmöglichscheinende Aufgabe. Besonders nachdem Penguin es sich mit ihm ohnehin schon so verscherzt hatte, war er wohl von Allen am weitesten davon entfernt, ihm wirklich helfen zu können. Er ließ den Kopf sinken: „Stimmt leider.” Kanaye klopfte ihm auf den Oberarm: „Kopf hoch! Seine Sturheit hat auch den Vorteil, dass er sich nie leicht unterkriegen lässt. Vielleicht unterschätzen wir ihn einfach nur und er steht morgen früh schon wieder in der Kombüse und ist fit.” „Das glaubst du doch selbst nicht, oder? Du warst doch der, der gesagt hat es sei so ernst und dass sein Körper das nicht so leicht wegsteckt.” Penguin ließ sich nicht beirren. Wie ertappt ließ der Brillenträger etwas missmutig seine Hand wieder sinken: „Ja. Und ich würde auch gerne sagen, dass das gelogen war. Aber wir können einfach nicht mehr machen, als abwarten und hoffen, dass er es alleine packt oder sich vielleicht doch helfen lässt.” „Es packt?” Der Blick des Älteren war nun geschockter denn je, klangen diese Worte für ihn mehr als bedrohlich, sodass er Kanaye energisch an der Schulter packte, „Kana, wie ernst ist es wirklich?” Der Andere löste sich mit einer Bewegung gekonnt aus seinem Griff und sah nun ebenfalls zu Boden, bevor er leise antwortete: „Verdammt ernst. Zwar kann einen jede Grippe umbringen, aber dieser Virus ist ziemlich aggressiv. Zumindest sagt das die Literatur.” Penguin hatte das Gefühl, sein Atem würde jeden Augenblick aussetzen. „Warum hast du das nicht direkt gesagt?”, fuhr er den Anderen nun fast an. „Was hätte das geändert, außer dass ich euch alle noch mehr beunruhigt hätte?”, entgegnete dieser ebenso laut. Und Penguin musste eingestehen, dass es zumindest nichts daran geändert hätte, dass Law das Annehmen von Hilfe bisher partout verweigerte. Trotzdem stand nun eins für ihn fest: Er musste ihm helfen. Auch wenn der Chirurg es vehemente ablehnen und nach seiner Genesung, die hoffentlich eintreten würde, sonstwas dafür mit ihm anstellen würde, konnte Penguin nicht einfach abwarten. Alleine die Vorstellung wie er selbst weiter an irgendwelchen Ventilen und Schrauben am Antrieb hantierte, während der Mensch, den er liebte nur wenige Meter von ihm entfernt vielleicht sogar um sein Leben kämpfte, war für ihn unerträglich „Jetzt gehe ich aber schlafen.” Mit einem letzten Handgruß ging Kanaye davon. Penguin blieb zurück. „Wenigstens hat es Shachi wohl nicht erwischt”, versuchte er zumindest einen erleichterten Gedanken zu fassen, während alle anderen wiederum in ihm unruhig kreisten. Das änderte sich auch nicht, als er versuchte seine Arbeit fortzusetzen und ebenso wenig als er später in seinem Bett lag. Auch wenn er Law helfen wollte, war er bisher noch nicht zu ihm gegangen. Schließlich war es bereits spät und somit schlief er sicher. Denn auch wenn er sich mit dem Schlafen sonst schwer tat, so zwang ihn mit Sicherheit sein Körper nun in den Schlaf. Und den wollte Penguin auf keinen Fall stören. „Ich hoffe er schläft”, kam es plötzlich von der anderen Seite des Raums, wo Shachi offensichtlich auch noch wach in seinem Bett lag. Anscheinend hatte er sich ähnliche Gedanken wie Penguin gemacht. „Sicherlich”, versuchte dieser ihn zu beruhigen, „er wird gar keine Wahl haben, wenn er krank ist. Das weißt du doch selbst.” „Stimmt.” Shachi erinnerte sich nur zu gut daran, wie es war, erkältet zu sein - und das war er schon oft gewesen, besonders als Kind, wobei er von der Grippe bisher verschont geblieben war. „Aber… Peng?” „Ja?”, kam es aus dem Dunkeln zurück. „Was wenn… ich meine…”, Shachi stockte, „es ist eine Grippe. Sowas kann jemanden töten.” „Hör auf!”, knurrte Penguin, „Er lässt sich von so etwas nicht kleinkriegen. Denk doch mal an deine Mutter. Erinnerst du dich als sie eine Grippe hatte?” Shachi nickte, obwohl sein Freund es nicht sehen konnte: „Ja.” „Und ist sie daran gestorben?”, fragte der Andere weiter. „Nein”, war die Antwort. Penguin seufzte: „Siehst du? Dann schafft er das auch.” Shachi starrte zur dunklen Zimmerdecke: „Du hast Recht. Er ist unglaublich stark.” „Eben. Und jetzt schlaf! Du brauchst deine Energie morgen. Wir müssen endlich den verfluchten Antrieb wieder hinbekommen.” Der Ältere bemühte sich ruhig zu klingen. Scheinbar mit Erfolg, denn Shachi drehte sich nun auf die Seite. Und auch wenn sein Kopf noch voller Gedanken war, die nicht nur seine Sorge um Law betrafen, sondern auch, was dieser am Nachmittag zu ihm gesagt hatte, schloss er letztlich müde die Augen. Ganz anders Penguin, dessen Kummer zwar nicht in seiner Stimme mitklang, dafür aber nicht geringer war als der des Jüngeren. „Er ist nicht mal annährend so stark wie du denkst”, ging es ihm unruhig durch den Kopf, wobei er sich verzweifelt auf die Unterlippe biss. Noch früher als sonst stand Penguin am nächsten Morgen auf. Er hatte ohnehin kaum schlafen können. Während sein bester Freund wohl irgendwann den Weg ins Land der Träume gefunden hatte, hatte er selbst unruhig wach gelegen und war mehrfach drauf und dran gewesen aufzustehen, um zur Kapitänskajüte zu schleichen. Doch wahrscheinlich war es ohnehin vergebens, schloss Law doch nachts stets ab, was Penguin in seiner jetzigen Situation überaus fatal fand. Doch wie sollte man das diesem Sturschädel beibringen? Wahrscheinlich war es unmöglich, ebenso wie ihn dazu zu bewegen, Hilfe anzunehmen. Aber dann würde er ihm eben seine Hilfe aufzwingen und lieber seinen Hass dafür auf sich ziehen, als mitanzusehen, wie er vielleicht an seiner Krankheit zu Grunde ging. Penguin kam gerade vom Duschen als er sich sicher war, eine Tür im Gang um die Ecke leise zufallen zu hören. Möglicherweise Laws Kabinentür? War er schon auf? Eigentlich hatte er sich vorgenommen erst später nach ihm zu sehen, um ihn nicht zu wecken, doch nun nagte es mehr denn je an Penguin, sodass seine Füße ihn in besagte Richtung lenkten. Letztlich stand er wieder hier vor Laws Tür, unsicher ob er klopfen sollte. Herein bitten würde er gerade ihn wohl so oder so nicht. Aber was wenn er sich geirrt hatte und der Arzt doch noch schlief? Er hätte ihn mit seinem Klopfen vielleicht geweckt. Vorsichtig und darauf gefasst, dass ohnehin abgeschlossen war oder aber etwas an den Kopf geworfen zu bekommen, sobald die Tür sich öffnen ließ und Law wach war, drückte er den Griff herunter. Das Schloss war nicht verriegelt. Langsam öffnete er die Tür einen Stück, gerade soweit, dass er den Kopf durch den Türspalt stecken konnte. Er spähte durchs Zimmer, konnte Law aber nicht entdecken. Sein Bett war nicht gemacht. „Vielleicht ist er auch rausgegangen zur Toilette oder so”, überlegte er. Er wollte gerade wieder umkehren, als er unbeabsichtigt die Tür noch etwas weiter aufdrückte und dabei einen Widerstand bemerkte. Sein Blick wanderte zu Boden und gefror augenblicklich. „Law!” Die aufsteigende Angst erstickte seine Stimme fast. Hastig schob er sich durch den Türspalt und kniete sich neben seinen Käpt’n, der bäuchlings hinter der Tür auf dem Boden lag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)