Seelenanker von Torao (From Lust to Heart [Penguin x Law]) ================================================================================ Kapitel 9: Herzschlag --------------------- Im Schatten der Häuser in einer schmalen Seitengasse, nur wenige Meter von jener entfernt, aus der er vor knapp einer halben Stunde angegriffen worden war, saß Law auf einer Holzkiste. Sein Oberkörper war nackt. Bis auf die blutende Wunde an seinem Oberarm war er allerdings unversehrt. Mit der linken Hand und den Zähnen zog er den Knoten zu, den er in einen seiner Ärmel gemacht hatte, nachdem er ihn von seinem Sweatshirt abgerissen und um die Verletzung gewickelt hatte. Auch wenn das Geschoss seinen Arm nicht durchbohrt hatte, so hatte es eine tiefe Spur hinterlassen. Der Arzt wusste, dass er schnellstmöglich zurück zum Schiff musste, um die Blutung dort fachmännisch zu stoppen. Der Stoff seines Pullis würde das nicht lange tun. Einmal mehr verfluchte er seine Teufelskräfte, da sie ihm zwar vieles in medizinischer Hinsicht ermöglichten, nicht aber das Schließen von Wunden. Er würde von seiner Crew daher sicher mit lästigen Fragen konfrontiert werden, sobald sie seine Verletzung sehen würde. „Ich hätte vorsichtiger sein müssen”, warf er sich in Gedanken selbst Unachtsamkeit vor. Ebenso ermahnte er sich selbst nicht zum ersten Mal, dass es längst überfällig war, sein Observationshaki mehr zu trainieren. Der hinterhältige Angriff des Piraten, dessen Steckbrief er noch beim Frühstück unbeabsichtigt länger betrachtet hatte, hätte ihn dann wohl verfehlt. Aber Law hasste Training. Er hasste das Kämpfen. Eigentlich hasste er es sogar Pirat zu sein. Doch anders konnte er sein Ziel nicht erreichen. Und auch wenn Bullet Joe, Rookie aus dem Westblue, ihn verwundet hatte, so hatte er mit seinen Männern, als sie aus dem Schatten hervorgetreten waren, nichts gegen ihn ausrichten können. Selbst seine Teufelskraft, die ihn befähigte Kugeln beliebiger Größe und Menge aus seinem Körper abzufeuern, hatte dem dicken, schwerfälligen Piraten mit dem Cowboyhut nichts genützt. Stattdessen lagen seine Männer nun in Einzelteilen und der Käpt’n selbst bewusstlos in der Gasse, wo sie wohl niemand allzu schnell finden würde. Nur ein Teil seines Angreifers war hier bei ihm. Ein leises Pochen drang von links an Laws Ohr. Er blickte aus dem Augenwinkel auf den durchsichtigen, zuckenden Kubus neben sich auf der Kiste: Fünfzig Millionen Berry war das Herz in seinem Inneren der Marine wert. Nicht gerade viel. Er hatte es schon mit anderen Kalibern aufgenommen. Sein eigenes Kopfgeld belief sich mittlerweile auf das Fünffache, wohlgleich er es nie darauf angelegt hatte - im Gegenteil. Er seufzte, bevor er den Würfel nahm und ihn sorgfältig in seinem zerrissenen Pullover einwickelte, sodass man ihn nicht sehen konnte. Anschließend erhob er sich langsam. Es ging bereits auf den Abend zu und trotz des Kampfes, der ihn glücklicherweise nur wenig Kraft gekostet hatte, hatte er nicht sein Versprechen gegenüber Shachi vergessen. Vorher musste er allerdings seinen Arm versorgen. Das eingewickelte Herz in der rechten Hand haltend, nahm er sein Katana, das Kikoku, welches neben ihm an der Hauswand lehnte, in die linke, bevor er seinen Rückweg antrat. Einige Leute auf der Straße blickten den Fremden argwöhnisch an. Sicher lief nicht alle Tage jemand halb entkleidet aber dafür mit einem mit Fell überzogenen Hut auf dem Kopf durch die Stadt. Doch der Arzt blieb davon unbeirrt. Auch war ihm nicht kalt. Aufgrund seiner Herkunft empfand er die für eine Frühlingsinsel typischen milden Temperaturen als angenehm. Dennoch war er froh, als er endlich sein Schiff erreichte. Sein Arm schmerzte zunehmend. Bevor er sich allerdings um ihn kümmern konnte, musste er erst etwas Anderes erledigen. Zu seiner Erleichterung kam er ungesehen bis zum Zwischendeck unterhalb des Behandlungsraumes sowie des Operationraumes und überhalb der Mannschaftsräume. Neben dem Trainingsraum, den einige seiner Crew in ihrer freien Zeit intensiv nutzten, lagen hier ausschließlich Lagerräume. Einer von ihnen, der kleinste, war stets verschlossen. Der Einzige, der einen Schlüssel dafür besaß, war er selbst. Und das aus gutem Grund. Er bewahrte ihn in seiner Kajüte auf und hatte ihn auf dem Weg hierher von dort geholt. Law sah sich nochmal um, um zu prüfen, ob er alleine auf dem Gang war, bevor er die Tür aufschloss und den fensterlosen Raum betrat. Er schaltete das Licht an und schloss die Tür hinter sich. Es war still. Der Großteil der Mannschaft waren wohl an Land unterwegs, sodass nichts an Bord zu hören war. Und auch das Meer und die Möwen draußen wurden hier übertönt von einem unregelmäßigen pochenden Geräusch, neben dem in der Hand des Chirurgen. Es ging von der brauen massiven Holztruhe ihm gegenüber aus. Mehr als diese Kiste befand sich auch nicht in diesem Raum. Zielsicher ging er auf sie zu und hockte sich vor ihr nieder, wobei er sein Schwert mit dem nicht verletzten Arm festhielt. Mit einem zweiten Schlüssel, den er ebenfalls aus seiner Kajüte geholt hatte, öffnete er das Vorhängeschloss und klappte den Deckel hoch, wobei das dumpfe Pochen deutlicher daraus hervortrat. Er richtete sich wieder auf und blickte auf das was sich darin verbarg: Kleine, beige Jutesäckchen, die asynchron zuckten. Mit finsterem Blick entpackte Law das Herz aus seinem Pulli und steckte es in einen der leeren Säcke, welche obenauf lagen, schnürte ihn zu und ließ ihn zu den anderen fallen. „Sechsundsiebzig”, sagte er trocken. Noch einen Moment betrachtete er seine Sammlung, bevor er den Deckel wieder zuklappte und verriegelte. Mit ausdrucksloser Miene verließ er den Raum, wobei er sicher ging, dass er ihn wieder sorgfältig verschloss und die Schlüssel in seine Hosentasche steckte. Plötzlich sprach ihn jemand von hinten an: „Käpt’n?” Law zeigte äußerlich nicht, wie er in seinem Inneren zusammenzuckte, als er Penguins Stimme vernahm. Er drehte sich zu ihm um. Der Andere musterte ihn bereits mit scharfem Blick, wobei er einige kleine Holzbretter in den Armen hielt. Es kam nicht oft vor, dass der Arzt halb bekleidet an Bord umherspazierte und seinen Pulli nur in der Hand trug. Und viel auffälliger noch war das Stück Stoff an seinem Oberarm, welches durch das Blut längst nicht mehr dunkelblau sondern schwarz war. Mit entsetztem Blick schritt der Ältere auf ihn zu und sah auf die roten Spuren, die seinen Arm hinabgelaufen waren. „Was ist passiert?”, wollte er wissen. „Nichts.” Law blieb kühl und wollte an ihm vorbeigehen. Penguin packte ihn jedoch energisch am unverletzten Arm und hielt ihn fest: „Nichts? Verdammt, du blutest!” Law riss sich los und sah ihn wütend an: „Und? Passiert schon mal.” Warum war er auf einmal so schroff zu ihm? Wieso verfiel er doch immer wieder in seine alten Verhaltensmuster, wenn sich jemand um ihn sorgte? Sogar dann wenn es Penguin war? „Ich weiß nicht, warum du dich jetzt wieder so verhältst, aber lass es mich bitte ansehen. Du wirst es nur schlecht alleine versorgen können.” Law blickte zur Seite, als der Andere das sagte. Nun antwortete er ruhiger: „Es wird schon gehen. Ist nur ein Streifschuss.” „Von wem?” Penguin sah ihn überrascht an: Es wunderte ihn, dass Law offensichtlich angegriffen worden war, da in all den Tagen, in denen sie nun schon hier waren, nichts passiert war. „Pirat. Meinte er könnte es mit mir aufnehmen”, Law sah ihn wieder an. Der Ältere musterte ihn und schlussfolgerte angesichts seiner sonstigen äußerlichen Unversehrtheit: „Da hat er sich wohl offensichtlich geirrt.” „Tja, Dummheit wird eben bestraft.” Der Unterton, als würde er über sich selbst sprechen, entging Penguin nicht. Law bewegte sich endgültig an ihm vorbei Richtung Treppe. Der Andere sah ihm nach: „Soll ich dir wirklich nicht helfen?” „Nein.” Damit ging er die Stufen hinauf. Penguins Blick wurde skeptischer, als er nun den Kopf drehte und auf die Tür blickte, aus der Law eben herausgekommen war. Er wusste, dass niemand außer dem Arzt dort Zutritt hatte. Und wie so vieles, war es etwas, worüber dieser nicht sprach. Bisher hatte Penguin sich damit abgefunden, wie mit all den Geheimnissen, die sein Käpt’n hütete. Doch nun kratzte die Neugier an ihm. Er spürte, dass Law dahinter etwas verbarg, das von immensem Ausmaß war. Nur was? Und wie sollte er es herausfinden? Mit fragendem, aber auch ernstem Blick sah er auf die Bretter, die er immer noch festhielt. Sie sollten als freischwiegende Ziele fürs Training dienen. Die alten, die im Übungsraum von der Decke hingen, waren zum Teil inzwischen zerborsten. Shou hatte sich neulich an einem der Splitter böse verletzt und Penguin wollte nicht, dass sich so etwas wiederholte. „Ich sollte mich erstmal darum kümmern.” Mit diesem Gedanken setzte er nun seinen Weg fort, auch wenn ihm Geheimnistuerei seines Anführers nicht aus dem Kopf ging. Law biss etwas die Zähne zusammen, als er den Stoff von seinem rechten Oberarm löste. Er war wirklich nicht zimperlich, aber die Wunde schmerzte immens. Zusammen mit dem Rest des Pullovers beförderte er den Ärmel in den Mülleimer neben dem kleinen Schreibtisch gegenüber der Behandlungsliege. „Verdammt”, zischte er, als er den Arm drehte und sehen konnte, dass er immer noch stark blutete. Hastig überbrückte er den Meter zum Medizinschrank und riss ihn auf, um ein der verpackten Kompresse herauszunehmen, sie ebenso hastig aufzureißen und auf die Stelle zu drücken. Verbluten würde er nicht so schnell, dazu war die Öffnung zu klein. Aber sie musste sehr tief sein, sonst hätte sie sich längst geschlossen. Er hörte wie hinter ihm die Tür geöffnet wurde und sah über seine Schulter. Kanaye betrat den Behandlungsraum. Er brachte einen Stapel Bücher mit, den er wohl aus dem kleinen Bücherregal hier im Raum entliehen hatte. „Oh, Käpt’n”, sprach er ihn überrascht an, entdeckte dann aber auch augenblicklich Laws Verletzung, legte die Bücher eilige auf den Tisch und ging zu ihm, „Was ist passiert?” Wieder dieselbe Frage. Doch dieses Mal wollte der Arzt nicht so gereizt darauf reagieren, wie er es bei Penguin getan hatte. Es gab einfach keinen Grund dazu. „Kleine Auseinandersetzung”, antwortete er daher monoton. Auch Kanaye erkannte, dass er als Sieger aus dieser hervorgegangen sein musste, da er ansonsten keine sichtbaren Blessuren davon getragen hatte. „Lass es mich ansehen!” Er hielt ihm die Hand hin, damit der Chirurg seinen Unterarm in diese legte. Law zögerte. Beim Gedanken daran, dass es gerade Penguins Hand hätte sein können, die sich ihm da entgegen streckte, wenn er sie nicht so unüberlegt abgelehnt hätte, hätte er sich am liebsten selbst geohrfeigt. Er ließ sich nicht gerne anfassen. Aber Penguins Berührungen war er inzwischen schließlich mehr oder weniger gewöhnt. Allerdings wäre er wohl eh nicht um Kanayes Hilfe herum gekommen. Er war neben ihm selbst der Einzige in der Crew, der Wunden nähen konnte, was er selbst mit einer Hand aber kaum hätte bewerkstelligen können. Und genau darauf lief es nun hinaus. „Ohne ein paar Stiche wird das wohl nichts”, erkannte der Andere ebenfalls, als er nun Laws Arm festhielt und seine Brille, die er wegen seiner Kurzsichtigkeit brauchte, auf der Nase zurecht rückte. „Oder siehst du das anders, Käpt’n?” Law seufzte und presste wieder die Kompresse auf die offene Stelle: „Nein. Ein Verband alleine wird nicht reichen. Es ist zu tief.” Ihm war inzwischen klar, dass er Glück gehabt hatte. Hätte das Geschoss ihn weiter an der Innenseite seines Arms erwischt, hätte es bei dieser Eintrittstiefe vermutlich die Hauptschlagader getroffen. Kanaye nickte und ließ seinen Arm los. Law legte seinen Hut ab und lehnte sich an den Schreibtisch, während der Andere alles zusammensuchte, was er benötigte. Bewusst vermied der Chirurg die Behandlungsliege. Er wollte sich nicht darauf befinden. Denn dann hätte er sich krank gefühlt. Und krank war er seit seiner Kindheit nicht mehr gewesen - daran wollte er nicht mehr denken. Der ein Jahr ältere Kanaye legte die Utensilien auf dem Tisch ab, desinfizierte seine Hände und zog sich Handschuhe über. Dass sein Käpt’n seine Gründe hatte, sich nicht auf die Liege zu setzen, war ihm klar. Aber auch wenn er sie nicht kannte, fragte er nicht danach. Wortlos begann er mit der Behandlung. Law beobachtete jeden Handgriff, den er tätigte. Er wusste, dass der Andere sehr gut in solchen Dingen war. Dennoch konnte er nicht anders als seinen kontrollierenden Blick starr auf seinen Arm zu richten. Selbst als die brennende Reinigung beendet war und Kanaye zum unansehnlicheren Teil, dem Nähen überging, sah er nicht weg. Warum auch? Er hatte das schon hundertfach bei Anderen, in erster Linie seinen Männern gemacht. Daher machte es ihm nichts aus zu sehen, wie die Nadel wieder und wieder seine Haut durchbohrte. Auch der dabei entstehende zusätzliche Schmerz schaffte es nicht, Law aus der Fassung zu bringen. Dafür hatte er schon weitaus Schlimmeres in seinem Leben ertragen. Plötzlich sprang die Tür auf und Bepo stolperte in den Raum: „Käpt’n!” Law sah zu ihm, blieb allerdings gelassen, da der Bär generell etwas hektisch war, wenn er ihm etwas mitteilen wollte. „Ja?” Doch bevor er sein eigentliches Anliegen kundtat, realisierte der Vizekäpt’n was er da sah und wurde noch unruhiger: „Oh nein, Käpt’n! Was ist passiert?” Und ein drittes Mal dieselbe Frage. Law versuchte zu lächeln: „Halb so wild. Nur ein Streifschuss. Mach dir keine Sorgen!” Der Bär schien sich zu beruhigen: „Entschuldigung.” Ja, er entschuldigte sich sogar, wenn er sich Sorgen machte. Bepo war in diesem Punkt wahrlich merkwürdig. Aber Law mochte ihn dennoch sehr. „Was gibt es?”, fragte er ruhig. „Der Logport hat den neuen Kurs”, antwortete der noch in der Tür Stehende. Endlich. Musik in Laws Ohren, die es allmählich leid waren, jeden Tag das Möwengeschrei über ihnen ertragen zu müssen. „Sag allen Bescheid, dass wir morgen früh bei Sonnenaufgang ablegen”, ordnete er an. „Morgen früh erst?”, wunderte sich sein Stellvertreter, da sie meist am Abend ablegten und sie zudem nun schon recht lange hier waren. Doch Law hatte zu diesem Zeitpunkt andere Pläne, die er aber für sich behielt. „Ja, morgen früh”, der Arzt beobachtete wieder was Kanaye tat, während er weitersprach. „Aye, Käpt’n!” Damit verschwand der Eisbär wieder. „Na, dann sollte ich wohl ein Auge darauf werfen, dass die Anderen nicht zu viel trinken. Sonst kommen die nicht rechtzeitig aus den Kojen”, schmunzelte der Mann neben ihm. Innerlich wunderte es auch ihn, dass Law nicht schon am Abend ablegen wollte. Gönnte er ihnen etwa den Spaß? „So unvernünftig sollte eigentlich keiner sein”, merkte Law trocken an, „nicht mal Shou.” „Na, mal sehen”, sagte Kanaye knapp, nachdem er die Wunde geschlossen, sowie die Blutreste beseitigt hatte und unter Laws prüfendem Blick ihm einen Verband anlegte. „Danke”, kam es trocken vom Jüngeren, als er endgültig fertig war. „Keine Ursache.” Der Ältere machte sich daran aufzuräumen und Law wollte schon gehen, als der Andere ihn nochmal aufhielt: „Käpt’n, hast du noch fünf Minuten? Ich habe in einem der Bücher über Blutuntersuchungen etwas gelesen, was ich nicht ganz nachvollziehen kann.” Law drehte sich wieder um und kehrte zum Tisch zurück, wo Kanaye nun zwei der Bücher aufschlug. Obwohl seine Wunde schmerzte und er deswegen Tabletten in seiner Kajüte zu sich nehmen wollte, um den Abend mit Shachi nicht aufgrunddessen zu vermiesen, nahm der Arzt sich die Zeit, dem Anderen seine Fragen zu beantworten. Er schätzte es einfach, wie sehr Kanaye sich für die Medizin interessierte, zumal Law der Ansicht war, dass jedes Wissen, egal welcher Art es war, nützlicher sein konnte als reine physische Stärke. Und es konnte jederzeit sein, dass es nicht mehr ausreichte, wenn er alleine an Bord umfangreiche Kenntnisse in der Medizin besaß. Der Abend kam und Law hatte mit Hilfe von Medikamenten die Schmerzen in den Griff bekommen. So ging er mit entspannter Miene neben Shachi her. Dieser wusste nichts von der Wunde, die er unter seinem schwarzen Strickpullover trug. Hätte er etwas geahnt oder gar gewusst, so hätte er wesentlich besorgter gewirkt. Es hatte sich wohl noch nicht in der Crew herumgesprochen, was Law sehr zusagte, mochte er es doch nicht, wenn man über ihn sprach oder ihm zu viel Beachtung schenkte, zumal es sich um keine große Sache handelte. Doch Shachi, in seinem langärmligen weißen Shirt und mit der orangenen dicken Steppweste darüber wirkte unbeschwert und glücklich, als sie nebeneinander durch die geschmückten Straßen gingen. Es war voll. In der Luft lag der Geruch von gebratenen Nudeln und anderem Essen. Musik spielte. Über ihnen schwankten bunte Lampions, die von Haus zu Haus gespannt waren. Und an den Straßenseiten reihte sich ein Verkaufsstand an den anderen. Law hatte Mühe, Shachi nicht aus dem Blick zu verlieren, so schnell wie dieser fasziniert von einer Auslage zur nächsten huschte und sich begeistert die angebotene Ware ansah. Kanaye hatte beim Frühstück ganz richtig vermutet: Der Großteil davon war wirklich genau dieser „Krimskrams”, den er so sehr liebte. Inzwischen hatten sie einen Platz erreicht, auf dem einige Stände im Kreis angeordnet waren und wo der Jüngere nun euphorisch hin und her lief. Law blieb an einem Fleck stehen und sah ihm dabei zu. Plötzlich sprach ihn jedoch der Verkäufer, neben dessen Stand er Halt gemacht hatte, von der Seite zu: „Junger Mann, Interesse daran etwas Glück zu erwerben?” Law blickte mit desinteressiertem Blick zu ihm und erkannte auf Anhieb noch mehr „Krimskrams”. „Nein, danke.” Ignorant wandte er sich wieder ab und steckte die rechte Hand in die Hosentasche, während seine linke Hand weiter sein Kikoku festhielt. Doch der Mann mit dem langen Spitzbart ließ nicht locker: „Schauen sie es sich wenigstens mal an! Meine Steine bringen garantiert Glück! Und Glück will doch jeder. Wenn sie sich schon glücklich schätzen, dann können sie es auch verschenken!” Law seufzte. Der Händler nervte ihn mit dem Unfug, den er da erzählte. Er wollte weiter weggehen, doch dann fiel sein Blick wieder auf Shachi, der gerade in einiger Entfernung länger an einem Stand stehen geblieben war. Der Chirurg glaubte an so etwas wie Glück nicht. Er verfolgte auch nicht das Ziel jemals sein Glück zu finden. Er wollte nur eine Sache in seinem Leben zu Stande bringen. Was danach geschehen würde, interessierte ihn nicht. Aber das wünschte er sich nicht für seine Crew. Auch wenn sein eigenes Leben ihm nur dazu diente, um den Wunsch des Mannes zu erfüllen, der es ihm einst gerettet hatte, so hoffte er, dass seine Mannschaft mehr im Sinn hatte: Dass jeder einzelne von ihnen das Glück suchte und es irgendwann finden würde. Denn auch wenn er nicht in der Lage war es ihnen zu zeigen, war Law ihnen dankbar, dass sie ihm folgten. Bedingungslos. Ahnungslos. Aber trotzdem loyal, wobei Law dennoch misstrauisch blieb. Doch alleine würde er sein Ziel nie erreichen. Er hätte ja nicht einmal sein eigenes Schiff steuern können. Zumindest wäre er an der Technik irgendwann gescheitert. Er entschied sich anders und drehte sich um. Zufrieden lächelte der Mann hinter seinem Stand. Laws Blick huschte über die angepriesenen Steine, die es in etlichen Formen und wohl allen Farben des Regenbogens gab. „Was kostet der?” Er deutete auf einen bläulichen Stein in Form einer Mondsichel. „Oh der ist was ganz Besonderes”, bewarb sein Gegenüber ihn noch mehr, „aber ich gebe ihn Ihnen für nur achthundert Berry.” „Achthundert Berry? Für einen nutzlosen Stein?” Law behielt seine Gedanken für sich, wartete noch einen Moment und nahm den Stein dann an sich. Er setzte sein Schwert, welches er die ganze Zeit über der linken Schulter getragen hatte, um seinen rechten Arm zu schonen, ab und hielt es mit der Armbeuge, ehe er aus seiner Hosentasche einige Münzen fischte, passend abzählte und sie letztlich dem Verkäufer überreichte. „Vielen Dank. Möge er ihnen unermessliches Glück bringen.” Während der Mann dies wegen des Handels zufrieden von sich gab, nahm Law sein Katana wieder auf, wandte sich ab und ging ein Stück davon. „Na, mir wird er sicher kein Glück bringen”, behielt Law seine innerlich ablehnende Haltung gegenüber solchem Aberglaube bei und suchte wieder nach Shachi, den er am selben Fleck erblickte, wo er ihn zuletzt gesehen hatte, „aber vielleicht freut er sich zumindest darüber.” Dem Rotbraunhaarigen eine Freude zu machen, war immer noch ein tiefer Wunsch, den Law hegte. Nur mit ihm hierher gekommen zu sein, erschien ihm bei weitem nicht genug. Abgesehen davon, ging er auch nicht davon aus, dass Shachi großen Wert darauf legte, dass ausgerechnet er mit ihm hier war. Sicher hätte er lieber einen der Anderen bei sich gehabt, aber diese waren alle leichter für Frauen, Rum und Poker zu begeistern als für Steine. Gut, er selbst hielt von Letzterem auch am aller wenigsten, aber er hatte Shachi nicht alleine gehen lassen wollen, selbst wenn er sich jetzt lieber in seine Bücher vertieft hätte. Dafür plagte ihn einfach zu sehr sein schlechtes Gewissen. „Ich hoffe nur, er gibt nicht zu viel Geld für diesen Unfug aus.” Law seufzte, als er beobachtete, wie der Jüngere nicht zum ersten Mal einem Händler Geld überreichte. Davon hatten sie nur soviel, wie sie anderen Piraten, nachdem sie sie besiegt hatten, abnahmen oder wie Tomo beim Poker gewann. Raubzüge und Überfälle auf Handelsschiffe oder gar Zivilsten gab es nicht. Niemand von ihnen wollte plündern oder sinnlos morden, um an Geld zu gelangen. Da war die Crew sich mit ihrem Käpt’n einig. Sie griffen auch keine anderen Piraten an, solange diese nicht zum ersten Schlag ausholten. Dennoch waren sie nicht unbedingt knapp bei Kasse. Allerdings war Law sich nicht sicher, wie lange das noch so bleiben würde, da sie nun schon geraume Zeit hier auf dieser Insel waren und viel Geld ausgegeben aber keins eingenommen hatten. Immerhin würden sie am Morgen endlich wieder in See stechen. Dennoch sollte Shachi nicht jeden Berry, den er bei sich trug, für unnütze Dinge ausgeben. Auf der anderen Seite konnte er ihm keinen Strick daraus drehen. Denn zeitgleich saßen alle Anderen in einem Lokal und investierten etliche Summen in Alkohol oder steckten es den Frauen zu, nachdem sie sich mit ihnen vergnügt hatten. Denn egal wie attraktiv er und einige andere in der Crew waren, viele der Damen, die sie abends in den Bars umwarben, waren nicht mehr als Huren, die damit ihr Geld verdienten. Nur einige waren, wie Law sie bezeichnete, Flittchen, die gerne jeden halbwegs gutaussehenden Mann um den Finger wickelten, ohne es auf sein Portmonee abgesehen zu haben. Wieder fiel ihm ein, welche Probleme Shachi mit Frauen hatte, selbst wenn sie käuflich waren. Law erinnerte sich an einen Abend der Monate zurücklag: Ban und einige Andere hatten damals beschlossen, sein Glück in die Hand zu nehmen indem sie eine der Damen vorab bezahlt hatten. Diese hatte daraufhin den unwissenden Shachi, trotz seines Gestammels und hochroten Kopfes in ein Gästezimmer des Wirtshauses verschleppt. Allerdings hatte es keine Viertelstunde gedauert bis sie panisch und nur leicht entkleidet zurück gerannt gekommen war. „Einen Arzt! Ich brauche einen Arzt!”, hatte sie panisch hervorgebracht. Der Wirt hatte schon einen rufen wollen, als er, Law, mit Kanaye und Penguin aufgesprungen und der Dame in das Zimmer gefolgt war. Dort hatten sie Shachi vorgefunden. Kreidebleich und mit blutender Nase. Er hatte auf dem Bett gelegen. Bewusstlos. „Ich hatte gerade mein Kleid ausgezogen, da ist er umgekippt”, hatte sie erklärt, ehe Law sie fortgeschickt hatte. Nach einer leichten Ohrfeige seitens Penguins war der Jüngste wieder zu Bewusstsein gekommen. Zu ihrer Erleichterung hatte Law jedoch nichts Ernsthaftes feststellen können. Er war einfach nur ohnmächtig geworden. Sekunden später war er in Tränen ausgebrochen. Mehr wusste Law nicht, da er und Kanaye daraufhin den Raum verlassen hatten. Er hatte der restlichen Crew darauf hin nur untersagt, nochmal auf so eine Idee zu kommen. Obwohl er Arzt war hatte er keine Erklärung für Shachis Verhalten. Vielleicht hatte ihn irgendetwas in seiner Kindheit traumatisiert. Aber wenn, dann wusste davon wohl nur Penguin. „Was er wohl gerade macht?” Law konnte nicht verhindern, dass seine Gedanken sich plötzlich wieder extrem auf den Älteren fixierten. War es richtig gewesen, nicht mit den Anderen feiern zu gehen? Dann wüsste er jetzt was er tat. Wahrscheinlich hätte er ihm sogar wieder seinen eindeutigen Blick zugeworfen. Denn selbst wenn er es nicht darauf anlegte, wusste Law, dass seine Lust ihn in seiner Nähe irgendwann wieder überkommen hätte. Aber es war wohl besser so. Für beide. „Das heute Nacht ging schon viel zu weit”, dachte er. Trotzdem begann er sich auszumalen, wie Penguin im Moment fröhlich feiernd und trinkend mit den Anderen zusammen saß. Vielleicht lag er sogar schon mit einem dieser Flittchen im Bett? Oder sogar zwei? Warum interessierte es ihn überhaupt? Es war schließlich Penguins Sache. „Warum denke ich schon wieder darüber nach? Ich komme mir selbst vor, wie ein eifersüchtiges Eheweib”, ging es Penguin durch den Kopf, während er über den Rand seines Krugs, aus dem er gerade trank, Wakame beobachtete, als sich gerade eine rothaarige Schönheit auf dessen Schoss niederließ. Es war sogar eine der Tänzerinnen, die eben auf der Bühne ihr Können präsentiert hatten, und damit keine, die sich an ihn ranmachte, um mit ihm zu schlafen und dann abzukassieren. Nicht dass diese Frauen, die es nicht für Geld taten in irgendeiner Hinsicht besser waren. Allerdings fühlten die Männer sich immer in ihrem Auftreten bestätigt, wenn es ihr Aussehen war, dass die Frauen anzog und nicht ihr Geldbeutel. Und obwohl auch seine Attraktivität wieder ihre Wirkung zeigte, schenkte Penguin den Frauen wie schon am Vorabend nur wenig Aufmerksamkeit - Dafür umso mehr dem Alkohol. Und das obwohl Bepo sie darüber informiert hatte, dass sie im Morgengrauen aufbrechen würden, und ihm bewusst war, dass er dann wach sein musste. Das Ablegen war genau wie das Anlegen ein aufwendiger Prozess, bei dem jeder der Männer gebraucht wurde. Die gesamte Crew hatte es verwundert, dass ihr Käpt’n nicht umgehend hatte ablegen wollen, wie es sonst der Fall gewesen wäre. Die Meisten gingen davon aus, dass er ihnen den Spaß hier gönnte, während er selbst in seiner Kajüte Bücher wälzte und Bepo auf dem Schiff Wache schob - der Eisbär war die Saufgelage auf dieser Insel inzwischen eh leid. „Ich will wo hin, wo es Bärenweibchen gibt”, grummelte er mindestens einmal am Tag. Penguin allerdings wusste, dass ihr Vize momentan der Einzige an Bord war. Law war mit Shachi in den Straßen unterwegs. Das war seines Erachtens auch der Grund, warum er das Auslaufen auf den Morgen verschoben hatte. Und genau das war es, was ihm die ganze Zeit im Kopf vorging: Wie Shachi mit ihrem Käpt’n die Zeit verbrachte. Inzwischen hatte Penguin sogar den Eindruck, sie hatten ein Rendezvous, so bescheuert das auch klang. Vorallem wenn man beachtete, dass es sich um Law handelte, der wahrscheinlich in seinem ganzen Leben noch nichtmal über so etwas nachgedacht hatte. Dennoch beschlich ihn mehr und mehr die Vermutung, dass Law mehr für seinen besten Freund empfand, wie es wohl auch andersherum der Fall war. Warum sonst hatte er ihn gefragt mit ihm etwas zu tun, was er selbst ganz sicher verabscheute? Und warum sonst macht es Law nichts aus, wenn er, Penguin, davon wusste, dass er mit Shachi schlief, während es umgekehrt einer Katastrophe glich? Vielleicht war der Grund, dass niemand wissen sollte, dass er als Käpt’n passiv Sex mit einem Mann hatte, nur vorgeschoben. Vielleicht ging es ihm in Wirklichkeit darum, dass er Shachi nicht verletzen und verlieren wollte, weil er ihm mehr bedeutete. Ja, so musste es sein. Und er, Penguin, war ihm völlig egal. Er benutzte ihn nur, um zu bekommen, wonach sein Körper sich sehnte, was Shachi ihm aber nicht geben konnte. Nun fand Penguin auch, dass der Arzt sich auffällig viele Sorgen um den Jüngeren machte. Besonders wenn er an das Gespräch vom Vorabend dachte. „Ich Idiot. Natürlich ist es so. Er empfindet etwas für Shachi. Warum habe ich das nicht eher geschnallt? Deswegen war er ihm heute früh auch nicht mehr böse. Und ich Blödmann dachte, dass ich das irgendwie bewirkt hätte.” Penguin verstrickte sich mehr und mehr in diesen Gedanken. Ihm wurde regelrecht schlecht davon. Und während er darüber nachdachte, trank er ungehemmt weiter. Er realisierte nicht mal mehr die Menge, die er seine Kehle hinabgoss, während eine Kellnerin immer wieder vorbeikam und ihm fleißig nachschenkte. Erst als Ban neben ihm versuchte ihn zu bremsen, setzte er seinen Krug ab. „Oi, Peng! Mach mal halblang! Willst du dich abschießen? Dann kriegst du keinen mehr hoch. Und ich dachte ich kann hier auf dich zählen!” Penguin schnaufte nur durch die Nase. Den Alkohol spürte er bereits. Dennoch verstand er jedes Wort. „Außerdem”, Ban lehnte sich etwas zu ihm hinüber, um nicht von allen, vor allem aber nicht von den Frauen gehört zu werden, und sprach leise weiter, „weißt du, dass wir morgen früh ablegen. Wenn wir wieder auf See sind, hast du erstmal eine Zeit lang niemanden, der für dich die Beine breit macht.” „Hast du eine Ahnung”, schoss es dem Anderen durch den Kopf. Doch er ließ es unausgesprochen. Selbst wenn er völlig betrunken gewesen wäre - und das war er noch nicht - hätte er nicht über das zwischen ihm und ihrem Käpt’n gesprochen. Auch wenn er sich in diesem wohl getäuscht und Law ihn gewissermaßen an der Nase herumgeführt hatte, so würde er nicht sein Versprechen brechen und es ausplaudern. Shou, der ebenso wie Wakame und Kanaye am selben Tisch saß, hatte Bans Worte wohl gehört und grinste: „Vielleicht will er absichtlich lange nicht vögeln, damit er beim nächsten Mal richtig lange kann.” „Blödsinn, Shou. Wenn er lange nicht vögelt, umso kürzer kann er beim nächsten Mal. Selbst wenn er sich zwischendurch einen runterholt”, klärte Kanaye ihn auf. Man merkte, dass auch der Brillenträger schon den ein oder anderen Krug geleert hatte. Sonst achtete er mehr auf seine Wortwahl, auch wenn er tagtäglich nur von Männern umgeben war, von denen das die Wenigsten taten. Ban musste direkt wieder spöttisch darauf eingehen: „Sprichst aus Erfahrung, was Kana? Ach ne, warte. Bei dir dauert’s ja so oder so nie lange.” „Das kann ich aber nicht bestätigen”, mischte sich die Brünette ein, die schon seit geraumer Zeit hinter Kanaye stand, beide Arme um seine Schultern gelegt hatte und nun mit den Fingern lasziv durch sein kurzes schwarzes, glattes Haar fuhr. Die Runde am Tisch erinnerte sich, dass sie ihn bereits am Vorabend, als sie auch hier gewesen waren, umworben hatte und letztlich mit ihm verschwunden war. Kanaye sah Ban daraufhin selbstsicher an, während er seinen Becher wieder zum Trinken ansetzte. Dennoch lachte der Andere: „Wie viel hast du ihr dafür bezahlt, dass sie das sagt?” Allerdings kam Kanaye nicht dazu ihm Paroli zu bieten, da augenblicklich jegliche Aufmerksamkeit am Tisch Penguin galt. Dieser erhob sich nun nämlich unerwartet und ging mit einer Blondine, die erst vor wenigen Sekunden angefangen hatte ihn zu umwerben und obendrein ebenfalls eine der Tänzerinnen war, davon. „Na geht doch!” Zufrieden sah Ban ihm nach und hob ebenfalls wieder seinen Krug an, während seine andere Hand auf dem Po der Dame lag, die neben ihm stand und mit den Fingern immer wieder leicht über seinen Nacken strich. „Mal sehen, wie lange das dauert”, grinste Shou. „Ich wette, wenn er das richtige Gegenstück finden würde, bei dem es ihm das wert wäre, würde er mit seiner Ausdauer die ganze Nacht nichts anderes machen”, überlegte Wakame schmunzelnd. Jeder wusste welches unfassbare Durchhaltevermögen, auf das der Braunhaarige anspielte, Penguin beim Training und im Kampf an den Tag legte. Dennoch lachte die Runde über diese Aussage. Fröhlich summte Shachi eine Melodie, während er neben Law den Pier, an dem die Polar Tang festgemacht war, entlang ging. Es war schon spät. Bald Mitternacht. Stundenlang waren er und der Ältere über das Fest gegangen. Und Shachi hatte es genossen. Jede Sekunde, die er alleine mit seinem Käpt’n verbracht hatte, hatte ihn unbeschreiblich glücklich gemacht. Doch dieser ahnte nicht, dass er der Grund für die gute Laune des Anderen war. Er ging davon aus, dass dieser sich einfach nur freute, weil er nicht alleine hatte gehen müssen und sich jede Menge neuer Figuren hatte zulegen können. Zumindest trug er jetzt in einer Hand eine reich gefüllte Tüte. Von dem kleinen Stein, den Law erworben hatte, wusste der Jüngere bisher nichts. Der Arzt hatte ihn in seiner Hosentasche verschwinden lassen und zögerte noch ihn ihm zu geben. Er hatte Angst, dass Shachi ihn nicht annehmen würde, so wie er ihn behandelte. Oder dass er ihn auslachen würde, da er das Geschenk, auch wenn es aus der selben Kasse bezahlt war, wie alles, was sie sich kauften, falsch auffassen würde. Vielleicht dachte er dann, der Ältere hätte Gefühle für ihn und wäre peinlich berührt, obwohl dem nicht so wahr. Daher wollte Law weiter abwarten. Sicher würde sich eine Gelegenheit bieten, ihm den Stein beiläufig zu geben, ohne dass es zu Missverständnissen kam. Schließlich wollte er ihm damit nur eine Freude machen. Aber für den Moment freute es Law bereits wie glücklich Shachi im Moment war. „Ich hoffe du kannst schlafen, so aufgedreht wie du bist”, meinte der Ältere ein wenig amüsiert, während sie das Schiff betraten. Bepo lag an Deck und schnarchte, sprang jedoch augenblicklich auf, kaum dass er ihre Schritte hörte, und ging in Kampfstellung. Selbst wenn der Bär schlief, so sagten ihm sein Hör- und Geruchssinn sofort, wenn sich jemand nährte, sodass er ruhigen Gewissens während seiner Wache ein Nickerchen machen konnte. Allerdings erkannte er die beiden Ankömmlinge sofort: „Ach ihr seid es.” Damit ließ er sich zurück aufs Deck sinken und schlief umgehend wieder ein. Shachi und Law entlockte dies kaum mehr als ein Schmunzeln, während sie an ihm vorbei ins Schiff gingen. Nach so vielen Monaten gemeinsam auf See hatte sich jeder an die Eigenarten der Anderen gewöhnt und solche Dinge waren Alltag geworden. „Es wird sicher eine Weile dauern, Käpt’n”, Shachi linste grinsend in seine Tasche, „ich muss erst für alles einen Platz finden.” Law musste erneut schmunzeln: „Dürfte schwierig werden, bei dem was du schon alles rumstehen hast.” Für einen Moment schwieg der Jüngere, während sie den Gang entlang gingen. „Du”, begann er leise, „könntest mir vielleicht dabei helfen.” „Ich?” Law war irritiert, wusste er nicht, wie er ihm dabei hätte helfen sollen. Er ahnte nicht, dass Shachi ihn einfach noch in seiner Nähe haben wollte. Sie kamen vor seiner und Penguins Kabine an. „Ja! Du kannst mir sagen, was wo am besten aussieht.” Was da von dem Kleineren kam, klang immer abstruser, zumal Shachis bisherige Anordnung seiner Sammlung auf Law nicht den Anschein machte, als hätte er sich darüber je zuvor Gedanken gemacht. Law stellte sein Schwert erneut ab, da es ihm zu schwer wurde. Es stundenlang in nur einer Hand zu tragen war relativ anstrengend. Es hatte aufgrund seiner Größe einiges an Gewicht. „Ich glaube, dafür bin ich nicht der Richtige. Ich habe für so etwas kein Auge”, antwortete er letztlich nüchtern. „Verstehe.” Enttäuscht wandte Shachi sich zur Tür. Law entging sein Stimmungswechsel nicht. „Hey, ich habe nicht gesagt, dass ich dir nicht dabei Geschellschaft leisten würde bis Penguin wieder da ist.” Er hatte das Gefühl, dass der Andere sich einsam fühlte, sobald er ging. Daher wollte er bleiben, bis sein bester Freund zurück sein würde, wenn es ihn glücklich machte. Und es schien zu funktionieren. Das Strahlen in den grünen Augen, die er so spät in der Nacht nicht mehr hinter seiner Sonnenbrille verbarg, die Shachi aber dennoch die ganze Zeit am Kragen seines Shirts trug, da sie ihm wohl etwas bedeutete, kehrte zurück. Shachis Herz klopfte vor Freude etwas schneller. Er öffnete die Tür der Kajüte und trat gefolgt von Law ein. Dass dieser, kaum dass er Penguins Namen in den Mund genommen hatte, mit seinen Gedanken wieder ganz woanders war, wusste der Jüngere nicht. Während er freudig seine Einkäufe abstellte und seine Mütze aufs Bett warf, bevor sein Blick überlegend über seine gegenwärtige Sammlung wanderte, geriet der Mann hinter ihm innerlich ins Wanken. Law stand an der Tür, die er hinter sich geschlossen hatte, und beobachtete den Jüngeren geistesabwesend. In seinem Inneren kroch plötzlich wieder dieses Verlangen hoch. Das Verlangen sich Penguin hinzugeben, ja sich regelrecht von ihm nehmen zu lassen. Es fühlte sich so gut an und sein Körper sehnte sich danach - seine Seele noch viel mehr. Nur nicht sein Verstand. Auch wenn dieser in letzter Zeit immer schwächer geworden war was diese Angelegenheit anging, so schien er gerade an Stärke zurückzugewinnen. Denn Penguin war nicht hier. Scheinbar musste er anwesend sein damit sein sachliches Denken den Dienst quittierte und die Kontrolle an seine Lust abgab. Nun hingegen war Laws Verstand sehr präsent und sagte ihm erneut, wie unangemessen es in seiner Position war, sich wieder und wieder auf dieser emotionalen und vollkommen irrationalen Ebene auf Penguin einzulassen. Was aber viel schlimmer war, als dass sein Kopf ihm das wieder einreden wollte, war sein Zwang alles und jede Situation kontrollieren zu wollen. Diese zwanghafte Kontrollsucht über sich und den Moment kam ebenso zurück. Hand in Hand mit seinem Verstand, der immer noch sagte, dass das, wozu seine Lust und sein Verlangen ihn ständig trieben, äußerst verwerflich war, übernahm sie wieder die Oberhand in ihm. Und das verstärkte sich, als Shachi sich auf sein Bett kniete, ihm seine Kehrseite entgegenstreckte und anfing einige Figuren auf seinem Regal hin und her zu schieben. Es war als würde sein Kopf ihm sagen: „Tu es! Beweis dir selbst, dass du die Kontrolle hast! Niemand kann dich lenken oder kontrollieren. Nur du kannst es umgekehrt. Sei nicht so schwach!” Seine Lust spielt dabei nur die zweite Geige. Wie eine Sklavin bekam sie regelrecht von seinem Kopf befohlen, bei diesem Anblick ihre Arbeit zu verrichten und seine Erregung zu wecken, während sein Verlangen nach dem was er eigentlich wollte, völlig von seinem Gehirn unterdrückt und ruhig gestellt wurde. Selbst seine Vernunft, die ihm später wieder sagen würde, dass er einen Fehler gemacht hatte, sah gerade nur tatenlos zu und ließ seiner Kontrollsucht freien Lauf. Wortlos stellte Law sein Schwert am Schrank ab und verriegelte die Tür. Shachi hörte das und drehte sich um. „Käpt’n?”, fragte er irritiert. Er hatte sich gefreut, dass der Ältere ihm noch hatte Gesellschaft leisten wollen. Doch jetzt war er verunsichert. Den ganzen Abend war er so nett zu ihm gewesen. Jetzt aber war da wieder dieser herrische Blick, den er bei ihm nicht mochte. Denn den hatte er immer an sich, wenn er eins wollte. Wollte Law es wirklich hier tun? Hier in seiner und Penguins Kabine? Das war noch nie vorgekommen. „Zieh dich aus!” Doch genau das wollte er offenbar, wurde dem Jüngeren bei dieser Anweisung klar. Ohne Zögern zog der Größere seinen eigenen Pulli über seinen Kopf. Sofort fiel der Blick seines Gegenübers auf seinen Verband. „Käpt’n, du bist verletzt?!” Diese halbe Frage, halbe Feststellung seitens Shachi änderte nichts an Laws Ausdruck. „Tut nichts zur Sache.” Er kam näher. „Du sollst dich ausziehen!” Shachi sah kurz auf die Tasche auf dem Boden: Seine Freude über den in seinen Augen schönen Abend wich. Er wusste jetzt schon, dass er das Kommende wie immer nicht mögen würde, auch wenn er den Mann vor sich mehr als nur mochte. Natürlich hätte er nein sagen können. Und natürlich hätte Law es dann gelassen. Das wusste er genau. Aber dann würde er gehen, das wusste er ebenso. Und genau das bestätigte Law ihm nun mit einer emotionslos ausgesprochenen Frage: „Oder soll ich gehen?” „Nein!” Fast schon hektisch zog Shachi seine Weste aus und ließ sie auf den Boden fallen, gefolgt von seinem zweiten Oberteil. Law öffnete seinen Gürtel. Der Ausdruck in seinen Augen war plötzlich wieder kalt, fiel Shachi auf, während er es ihm gleichtat - Kalt und beherrschend. Es war jedes Mal so. Shachi, der reichlich unerfahren war, was Sex, egal ob mit Mann oder Frau, anging, hatte sich daran gewöhnt. Er erinnerte sich nicht mehr an die Wärme in den Augen Penguins, als dieser zweimal mit ihm geschlafen hatte. Daher empfand er Laws Augenausdruck inzwischen als normal. Es musste wohl so sein, dass er als aktiver Part ihn so ansah. Deswegen war er auch zu dem Schluss gekommen, warum er nie mit einer Frau schlafen würde: Er war zu diesem autoritären Verhalten nicht in der Lage. Er konnte einfach nicht so dominant sein. Dass die stahlgrauen Augen das komplette Gegenteil von Dominanz ausdrückten, wenn sie in so einer Situation Penguin vor sich sahen, ahnte Shachi nicht. Penguin saß auf dem Bett in einem der Gästezimmer über der Wirtsstube. Sein schwarzes Top lag irgendwo im Raum. Sein Overall befand sich auf dem Boden neben dem Bett. Ebenso seine Boxershorts. Er beobachtete die Blondine nun schon gut fünf Minuten, wie sie dort, ebenfalls nackt, zwischen seinen Beinen kniete und versuchte, ihn mit ihrem Mund und ihren Händen so gut sie konnte zu verwöhnen. Dennoch blieb der Gesichtsausdruck des Piraten ausdruckslos. Auch wenn sein Körper erregt war und seine Männlichkeit das zeigte, so war es nur ein physischer Prozess, den sie durch ihr Tun in ihm ausgelöst hatte. Seine Psyche empfand dabei keinerlei Erregung. Er hatte noch nicht für eine Sekunde das Verlangen gespürt, sie aufs Bett zu zerren und sich zwischen ihren Beinen nieder zu lassen. Er wollte sie nicht mal anfassen. Da war keine Lust seinerseits im Spiel, sondern nur Frust. Er war frustriert aufgrund dessen, was er nun für sich hinter Laws Verhalten erkannt hatte. Und nun versuchte er das, was Law vor einigen Wochen versucht hatte, um den Sex mit ihm aus dem Kopf zu bekommen: Mit irgendjemandem schlafen, um sich selbst zu zeigen, dass es egal war, mit wem man es tat. Aber wie schwachsinnig das war, bemerkte er gerade. Law mochte ihn angelogen haben, beziehungsweise ihn nur für seine körperlichen Gelüste brauchen, während seine Seele sich nach Shachi verzehrte, aber er selbst konnte das nicht trennen. Wenn seine Seele sich zu einer anderen hingezogen fühlte, dann tat es auch sein Körper. Und dann konnte man ihm jede beliebige Frau hinsetzen. Egal wie hübsch, schlank, groß oder vollbusig sie war: Es interessiert ihn nicht. Nicht mal, wenn sie eine Liebesgöttin gewesen wäre, hätte es ihn gekümmert. Und das Gleiche galt für jeden Mann, egal was er zu bieten gehabt hätte. Es gab keinen Menschen der ihn nun mehr in dieser Hinsicht interessierte bis auf einen. Und Penguin hasste sich gerade selbst dafür, dass er ihm so verfallen war. Wütend schlug er mit der Faust auf die Matratze neben sich. Die junge Frau vor ihm erschrak und ließ von ihm ab. „Habe ich was falsch gemacht?”, fragte sie unsicher. „Nein”, knurrte er, „aber verschwinde!” Er wollte es nicht. Er konnte es nicht. Auch wenn Law nie so für ihn empfinden würde, wie er es umgekehrt tat, konnte er das hier nicht tun, zumal es ihm selbst ohnehin keine Freude bereitet hätte. Und das obwohl er sich sicher war, dass es Law völlig egal war, wenn Penguin sich auch mit Anderen vergnügte. Schließlich hatte er am Morgen nicht im Geringsten darauf reagiert, als er zugesagt hatte mit herzugehen. Dabei wusste sein Käpt’n ganz genau, wie solche Abende von Statten gingen und vor allem meist endeten, zumal Ban es ja auch wieder betont hatte. Aber was erwartete er? Dass Law genauso eifersüchtig war wie er selbst? Das würde nicht passieren. Denn der Arzt war auf dieser emotionalen Ebene offensichtlich nur an Shachi interessiert. Die Frau stand auf und sammelte hastig ihre Sachen zusammen. So schnell sie konnte schlüpfte sie wieder in ihre Kleidung, riskierte dabei jedoch immer wieder einen fragenden Blick zu dem jungen Mann, der nun starr auf die Wand ihm gegenüber blickte. Sie öffnete die Tür und sogleich drangen die Stimmen aus dem Erdgeschoss, die auch bei geschlossener Tür zu hören waren, deutlicher herein. Sie zog die Tür hinter sich zu. Die Stimmen blieben, wenn auch wieder dumpf wie zuvor. Penguin stützte seine Ellenbogen auf die Knie und legte seine Stirn in die Handflächen, sodass er seine Finger in seine Haare schob, und musterte den Holzfußboden zu seinen Füßen. Nun wurde ihm endgültig eines bewusst. Ihm passierte gerade das, was ihm in den bisherigen sechsundzwanzig Jahren seines Lebens noch nie passiert war: Er war dabei, sein Herz zu verlieren. Und das ausgerechnet an jemanden, den er nicht haben konnte. Nicht weil Law sein Käpt’n war, schien das in diesem Fall ja sogar für diesen selbst kein Hindernis zu sein, sondern eben nur, weil sein Interesse einem Anderen galt. Penguin hatte immer gedacht, dass Laws Herz in dieser Form unerreichbar war. Aber da hatte er sich wohl geirrt. So wie er sich in allem seiner Meinung nach geirrt hatte. Allerdings war es für ihn nun wirklich unerreichbar. Wäre nämlich dieser Andere nicht sein bester Freund gewesen, dann hätte er wahrscheinlich versucht darum zu kämpfen. Aber so? Er konnte ihm, seinem Bruder, der offenbar genauso für Law fühlte, das nicht antun und ihn verletzen. Die fröhlichen Stimmen der feiernden Gäste drangen weiter zu ihm nach oben. Doch Penguin war alles andere als nach feiern zu Mute. Wäre er auch nur halb so nahe am Wasser gebaut gewesen wie Shachi, wäre das wohl der Moment gewesen, in dem er angefangen hätte zu weinen. Stattdessen entwich seinen Lippen nur ein verzweifeltes und wütendes „Scheiße”. Hosted by Animexx e.V. 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