☾ Mikadzuki-ko von Mimiteh (Fortsetzung zu "☾ Mikadzuki") ================================================================================ Kapitel 21: Soutas Plan ----------------------- Während Kagome also über den Ablauf des Ehemaligentreffens sehr erfreut war, begann Kikyô langsam sich zu langweilen. Ihre Großmutter war mit dem Abwasch beschäftigt und Kikyôs Hilfangebot war energisch ausgeschlagen worden. Ihr Urgroßvater war sonst wohin verschwunden, wenn sie dem gelegentlichen Aufkeimen von schwacher, reiner Magie Glauben schenken konnte, dann betete er irgendwo. Und ihr Onkel? Der war vor nicht allzu langer Zeit ins obere Geschoss verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht. Kôhei saß noch in ihrer direkten Nähe, aber der schien sich damit abgefunden zu haben, dass momentan nichts vorwärts ging. Kikyô konnte nicht wissen, dass der Wolfsdämon nach dem Handel mit InuYasha hingenommen hatte, dass sie zum Planen des weiteren Vorgehens noch mehr Tage Zeit hatten. Mit einem leichten Seufzen holte sie den Reißzahn aus ihrem Ärmel, den ihre Mutter ihr zum Üben des schweren Bannkreises gegeben hatte. So konnte sie wenigstens etwas Sinnvolles machen. Aber schon nach wenigen Versuchen merkte sie, dass alle die fremden Gerüche und Geräusche hier ihr die Konzentration extrem erschwerten und so gab sie es vorerst auf und steckte den Zahn wieder ein. Draußen war es inzwischen stockduster, aber noch gab es kein Anzeichen, dass ihre Eltern zurückkehren würden. Da inzwischen auch ihre Großmutter irgendwo oben beschäftigt war, erhob Kikyô sich schließlich und ging die Treppe hinauf. Sie fand die Gesuchte in einem der Zimmer die vom Flur abgingen, anscheinend damit beschäftigt einen weißen Schonbezug von einem Gestell zu ziehen, dass aussah wie ein erhöht liegender, sehr dicker Futon. So wie sie ihre Großmutter kennengelernt hatte, wollte sie dabei keine Hilfe haben. Also ging Kikyô ein paar Schritte weiter, bis sie ein leichtes Kratzen vernahm, das klang, als würde etwas über Papier geführt. Ein Schreibpinsel war das nicht, aber was sonst? Neugierig öffnete sie die Tür einen Spalt und erkannte Souta im künstlichen Licht von einer dieser ‚Lampen‘ sitzen. Er hatte sich etwas vorgebeugt und hielt eine Art kleinen Stab in der Hand, mit dem er über das Papier fuhr, mal langsam und sorgfältig, dann wieder ruckartig und schnell. Bemüht, ihn nicht aufzuschrecken, schlüpfte Kikyô ins Zimmer und lugte ihrem Onkel über die Schulter. Was sie sah, entlockte ihr dann doch einen leisen Laut der Überraschung, der wiederum Souta auffahren ließ. „Wa-… ach, Kikyô, du bist es“, er beruhigte sich sichtlich schnell wieder und legte den dünnen Stab ab, der vorne angespitzt war, wie Kikyô jetzt erkennen konnte. Dennoch vermochte sie ihren Blick nicht von den beiden Papierbögen zu nehmen, die vor Souta auf der Tischplatte lagen. Der eine, kleinere, der bereits das eine oder andere notdürftig geglättete Eselsohr zur Schau trug, zeigte eine sichtlich ältere Zeichnung, während der andere, größere anscheinend eine ins reine gearbeitete Fassung des alten Bildes war. Beide aber zeigten eindeutig ihre Eltern. Und sie waren fast unglaublich gut getroffen. Ihr Vater mit halb trotzigem, halb verschmitztem Blick in den Augen, die Ohren so detailliert gezeichnet, dass Kikyô sie beinahe zucken zu sehen glaubte. Ihre Mutter dagegen, die auf dem alten Bild noch etwas wie ein vergleichsweise eng anliegendes Kimonohemd und einen extrem kurzen Rock trug, war auf dem neuen Bild nicht nur gereifter, sondern auch im Kimono dargestellt. Wo sie auf den alten Bild nur zaghaft InuYashas Hand hielt, hatte sie sich auf der neueren Version gut sichtbar bei ihm untergehakt und blickte zu ihm auf, der Schalk in ihren Augen schien sich mit dem von InuYasha zu messen. Kikyô schüttelte ungläubig den Kopf. Sie hätte nie geglaubt, dass ein gezeichnetes Bild Charaktere so gut einfangen konnte. Selbst Rin und Saika vermochten das nicht ganz so gut und die beiden waren innerhalb der Familie diejenigen mit der meisten, künstlerischen Begabung. „Deine Zeichnung ist… wunderschön“, bemerkte sie schließlich, wohlwissend, dass selbst diese Formulierung ihre Begeisterung nicht in Worte zu fassen vermochte. Souta lächelte ein wenig. „Ich danke für das Lob, Kikyô. Aber ich zeichne eigentlich nur zum Spaß. Jetzt wo meine Schwester endlich einmal wieder da ist, musste ich einfach eine neue Version von diesem uralten Bild anfertigen. Vor allem, wo ihr doch nicht lange bleibt, das hat euer dämonischer Begleiter doch gesagt“, erklärte er. Kikyô nickte etwas, auch wenn sie sich dessen nicht so ganz sicher war. Kôhei wirkte ihr ein wenig zu gelassen, selbst für seine Verhältnisse, wenn sie doch morgen schon wieder aufbrechen wollten. Er musste von Rin wissen, dass Menschen Schlaf brauchten und eigentlich müsste er sich wundern, wo Kagome blieb, wenn sie vor einem frühen Aufbruch noch eine Mütze Schlaf abbekommen wollte. Insofern nahm sie fast an, dass sie wenigstens noch einen Tag hier verbringen würden. „Du hast sie perfekt getroffen…“, fuhr sie aber fort, während sie die feinen, dunkelgrauen Linien musterte, die der kleine Stab hinterlassen hatte. So zierlich ein guter Zeichner auch mit dem Pinsel zu zeichnen vermochte, so gleichbleibend dünn gelang das nie. „Ich kenne meine Schwester. Und Inu-no-niichan ist vergleichsweise leicht. Er ist etwas Besonderes, kein einfacher Mensch, bei dem man sich an jeder einzelnen Linie aufhalten müsste um den Unterschied zu anderen deutlich zu machen. Sein Charakter ist offensiv, man kann ihn geradezu lesen, dann ist es auch einfach, das auf Papier zu bringen… Wollte ich zum Beispiel dich zeichnen wäre es schwieriger. Dein Verhalten ist eher defensiv, du zeigst dich nicht so sehr nach außen. Andererseits siehst du meiner Schwester zwar ähnlich, hast aber einige stille, ernste Züge, die bei ihr weniger ausgeprägt sind. Zu mindestens nicht im normalen Umgang. Ich weiß, dass sie genauso verschlossen dreinschauen kann, wie deine Augen es ständig tun“, erläuterte Souta derweil leichthin, sichtlich offen dafür, die Genauigkeit seiner Arbeit zu begründen. Jetzt griff er nach einem anderen, dünnen Stab, der neben dem ersten lag und begann einige Linien seiner Zeichnung nachzuziehen, schwärzer und ein wenig dicker. Kikyô erkannte, dass es sich dabei einzig um die äußeren Konturen handelte. Ihr Blick wurde allerdings erneut von dem alten Bild eingefangen. „So sah Okaa-san also aus, als sie so alt war, wie ich jetzt wirke?“, wollte sie wissen. Souta folgte ihrem Blick kurz, ehe er den Kopf schüttelte und seine Arbeit fortsetzte, während er antwortete: „Da war sie jünger. Das Bild stammt aus der Zeit, als sie noch regelmäßig durch den Brunnen hin und her sprang. Da war ich… Güte, elf vielleicht? Und sie etwa fünfzehn, sechzehn.“ Kikyô staunte. Für einen Elfjährigen war dieses Bild umso erstaunlicher, denn auch wenn es bei weitem nicht an das Neue herankam, war auch das Alte sorgfältig und hübsch gezeichnet, bildete InuYasha und Kagome genau ab. Souta selbst riss sie schließlich aus ihrer Betrachtung, als er sich aufrichtete, einen Bogen halbdurchsichtiges, hellgraues Papier über das neue Bild zog. „Sag mal, was genau ist eigentlich dieser ‚Auftrag‘, auf dem ihr unterwegs seit? Könnte Tokio damit Probleme kriegen?“, fragte er ernst nach. Kikyô erinnerte sich andeutungsweise daran, dass ihre Mutter erzählt hatte, zwei ziemlich gefährliche Abenteuer hätten beinahe auch das neuzeitliche Tokio ins Chaos gestürzt. Aber das war bei ihrer Suche sehr unwahrscheinlich. Also schüttelte sie den Kopf. „Wir suchen nur jemanden. Den Ziehvater von einem Waisenkind, von dem wir uns mehr Informationen über die Abstammung der Kleinen erhoffen. Leider wissen wir von dem Mann nicht viel mehr als den Namen und eine vage Andeutung.“ Souta schob mehrere der kleinen Stäbe zusammen um sie in eine Metallschatulle zu legen. „Weißt du, wenn man hier bei uns jemanden sucht, dann geht das am einfachsten mit etwas technischer Hilfe“, deutete er an. Kikyô legte den Kopf schief. „Tech-nisch?“, fragte sie zögernd. Souta schmunzelte. „Technik ist fast wie Magie, nur das Menschen sie sich ausgedacht haben. Jeder kann sie benutzen, wenn er weiß, wie es geht.“ Kikyô nickte leicht, ehe sie sich im Zimmer umsah. „Und welche… Technik könnte bei unserer Suche behilflich sein?“ Souta wies mit der Hand auf ein flaches, mattsilbernes Teil, das neben ihm auf dem Zeichentisch stand. „Das Internet.“ ~*~ Rin war mehr als erleichtert, als die Tür wieder aufgeschoben wurde und Arata, dicht gefolgt von Zankò hereinkam. Der Akademieleiter kniete sich direkt neben Rin an das Lager der kleinen Hanyô, die Rin möglichst bequem auf den Futon gebettet hatte. Sayuris Stirn war inzwischen von einem dünnen Schweißfilm bedeckt und sie sah kaum weniger gequält aus, als am Tag ihrer Ankunft. Arata atmete mit einem Kopfschütteln tief durch. „Das sieht alles andere als gut aus. – Was sagt Ihr dazu?“ Die Frage des erfahrenen InuYôkai richtete sich an Shizuka, die eben auch hereinkam, hinter ihr stürzte Teshi ins Zimmer. Es war ein offenes Geheimnis, dass das junge Mädchen alle Bücher der Schlossbibliothek, die sich mit Yôkistärken, Mischblütern und ähnlichem beschäftigen, annähernd auswendig kannte. Shizuka blickte ernst drein, ehe auch sie langsam den Kopf schüttelte. „Ich kann Euch leider nur Recht geben, Arata-san. – Aber ich kann mir auch denken, wo das herkommt. Ihr Körper weiß nichts mit der Veränderung anzufangen. Wenn ich mich recht erinnere, Rin, dann gab es dieses Phänomen auch bei Teshi, oder?“ Rin wiegte leicht den Kopf hin und her, ohne den Blick von Sayuris gequälten Gesichtszügen zu nehmen. „In gewisser Weise. Bei Saika auch. Aber da waren die beiden wenige Wochen alt, ihre erste schwache Nacht eben. Sie haben die Nacht über nicht geschlafen und nur gebrüllt, aber am Morgen war es wieder gut.“ „Ich fürchte fast, bei ihr wird das nicht so einfach…“, mischte Arata sich wieder ein und nahm Arisu, die bereits auf eigene Faust losgeeilt war, etwas Wasser und einen weichen Stofflappen zu holen, die kleine Schüssel ab. „Kann ich noch irgendetwas tun?“, fragte die Zofe. Rin warf ihr ein kurzes Lächeln zu. „Nein, danke, Arisu. Das heißt, doch, du könntest die Flurwache informieren, dass wir eine Kranke haben und hier oben Ruhe herrschen soll.“ Die Sika-Yôkai verbeugte sich leicht zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. „Und… der Herr?“, wollte sie aber wissen. Unwillkürlich glitt über alle Gesichter ein kurzes Lächeln. Sie alle wussten, dass einzig Natsus oder Rins Wort Gewicht hatte, wenn es darum ging, Sesshômaru eventuell von irgendeinem Ort fernzuhalten. „Der Herr ist sowieso beschäftigt…“, erklang eine weitere Stimme und Natsu, die den Raum fast lautlos betreten hatte, zog die Aufmerksamkeit kurz auf sich. Ihre silbriggrünen Katzenaugen ruhten besorgt auf Sayuri. Keiner fragte weiter, was Natsu mit ihren Worten meinte. Im Moment gab es wichtigeres, als womit Sesshômaru sich die Zeit vertrieb. Plötzlich jedoch begann die kleine Hanyô sich noch heftiger herumzuwerfen, ihre Hände krallten sich in die dünne Decke – und in Kazuya, der das mit zusammengebissenen Zähnen über sie ergehen ließ, weil Sayuri ihn eh zu fest im Griff hatte, als dass er sich hätte losmachen können, ohne ihr wehzutun. Fast automatisch ging Natsus Hand richtung Obi, wo ihr Instrument steckte, aber sie zögerte. „Kann man irgendetwas für sie tun, außer sie zu beruhigen?“ Arata und Shizuka schüttelten synchron den Kopf. „Sie ist eigentlich zu alt für diese Symptome, deswegen geht es ihr so schlecht. Wir können tatsächlich nicht mehr machen, als abzuwarten. Es kann gut sein, dass sie wieder ein paar Tage ausgeschaltet ist, sie fiebert jetzt schon…“, erklärte Shizuka leise. Wäre Kagome anwesend gewesen, hätte sie sicher automatisch die Parallele zu den Kinderkrankheiten gezogen, denn Windpocken und Co machten einem ja auch mehr zu schaffen, je älter der Patient bereits war. „Und vorhin hat sie gesagt, ihr wäre schlecht“, fügte Rin aber nur hinzu, die inzwischen begonnen hatte, Sayuris Stirn behutsam zu kühlen. An der Unruhe der Hanyô änderte das aber auch nichts. Schließlich trat Natsu einen Schritt vor. „Wenn uns sowieso nichts außer Abwarten bleibt, dann können wir die Versammlung auch auflösen.“ Obwohl sie leise und freundlich sprach, wussten alle, dass das ein Befehl gewesen war. Einzig Rin blieb zurück, weiterhin Sayuris Stirn kühlend. Sie wusste, was ihre Adoptivmutter vor hatte und sie wusste auch, welch durchschlagende Wirkung Natsus Lieder haben konnten. Im Zweifelsfall würde sie eben auch einschlafen. Natsu duldete das, als sie neben Sayuris Lager hinkniete und ihr Instrument hervor holte. „Armes Kind… auch wenn ich einfach mal annehmen will, dass dein Elternteil dir mit dem Bann nur Gutes wollte, jetzt zeigt sich der Rattenschwanz der ganzen Geschichte… na, mal sehen ob wir dir helfen können….“ Damit setzte sie ihr Instrument an die Lippen, schloss die Augen und begann zu spielen. Was zuerst nur kurze Tonkombinationen waren, verschmolz bald zu einer Melodie, die sanft und getragen im Raum hing – und langsam aber sicher ihre Wirkung entfaltete. Sayuri entspannte sich zwar nicht wirklich, aber sie wurde ruhiger, bis sie schließlich still lag. Wenn man ihr schon die Leiden dieser ersten schwachen Nacht nicht abnehmen konnte, wenigstens der hinzugekommene Albtraum ließ sich auslöschen. Natsu lächelte ohne ihr Spiel zu unterbrechen. Geht doch… ~*~ Sesshômaru war derweil, kaum, dass Jaken InuKin vorbeigebracht hatte, Richtung Verlies aufgebrochen, seinen Sohn direkt auf den Fersen. Der augenscheinlich knapp sechzehnjährige ließ seinen Vater nicht aus den Augen. Er wusste nicht, was der diesmal vor hatte, denn wie üblich erklärte Sesshômaru sein Handeln nicht, aber InuKin wusste, dass es etwas Wichtiges sein musste. Ebenso wie sein Vater hatte er den Aufruhr gehört, der im Nordtrakt, wo die Familiengemächer lagen, entstanden war. Wenn Sesshômaru das ignorierte und ihn noch zusätzlich holen ließ, musste es wirklich herausragend sein, was er plante. Als sie nun an den beiden Wachen vorbeigingen, die den Eingang zu den Arrestzellen bewachten, ahnte InuKin bereits, was anlag. Sie traten an den sechs Zellen vorbei, die zuvorderst lagen und nur durch Gittertüren verschlossen waren. Sie waren meist nur für solche gedacht, die Unruhe stifteten und nicht mehr als zwei Tage einsitzen mussten. InuKin wusste, dass selbst sein Schwager Kôhei diese Zellen von innen kannte. Weiter hinten lag jedoch der richtige Kerker und hier wurde es nicht nur dunkler, sondern auch mit festen Türen bestückt und vor jeder besetzten Zelle war ein eigener Wächter postiert. Momentan traf das nur auf eine Einzige zu: Die, in der sich Kaori befand. InuKin versuchte sich so gut es ging zu erinnern, was er über die Taubendämonin wusste. Gegnerin des Fürstenrates, Aufrührerin – und zuletzt Entführerin von Sayuri. Er wartete ab, während die Wache auf Sesshômarus Zeichen hin rasch die Tür öffnete. Dahinter erstreckte sich eine winzige, dunkle Zelle von vielleicht zwei mal drei Metern. In der hintersten Ecke stand Kaori, ihr Kopf war ihr auf die Brust gesunken, die Arme waren über den Kopf gestreckt, wo man sie an kurzen Ketten gefesselt hatte. Normalerweise hätte man einer Gefangenen die Ketten lang genug gemacht, dass sie sich wenigstens setzen, die Arme aber nicht senken konnte. Dies war bei Kaori allerdings nicht geschehen und dementsprechend ausgelaugt sah sie aus. Vermutlich hatte sie nur alle paar Tage ein wenig Wasser bekommen und keinen Krümel Essen, übliche Praxis, wenn man es mit einem dämonischen Schwerverbrecher zu tun hatte, der nicht gleich hingerichtet wurde. Jetzt endlich schien sie bemerkt zu haben, dass sie nicht mehr allein war und dass der Neuankömmling nicht gekommen war, um ihr Wasser zu bringen. Sie fuhr auf und ihre Kiefermuskeln spannten sich an, fast als wollte sie wütend knurren und könne sich erst im letzten Moment zurückhalten. InuKin wusste, dass sein Vater diese Anzeichen ebenso gesehen hatte, aber er reagierte nicht auf die Beinahe-Drohung. „Kaori“, konstatierte er nur neutral, während er die Widersacherin emotionslos musterte. Angesprochene starrte ihn wortlos an, schien eine Art Blickduell herauszufordern, das Sesshômaru allerdings mühelos gewann, weil Kaori ihre Aufmerksamkeit plötzlich auf den jüngeren Dämon im Raum richtete. InuKin bemühte sich um einen ebenso nichtssagenden Gesichtsausdruck wie sein Vater ihn zur Schau trug, was ihm sogar halbwegs gelang. Dennoch war in der Dunkelheit des Kerkers die katzenartige Form seiner Augen nur zu gut zu erkennen. Und genau das schien Kaori aufgefallen zu sein. „Sieh an, der Mischblut-Prinz“, wisperte sie mit rauer Stimme, der man anhörte, wie wenig Flüssigkeit sie die Tage über erhalten hatte. „Hast du sonst nichts zu sagen?“, mischte sich Sesshômaru kühl ein. „Warum so-“, Kaoris Stimme erstarb nun endgültig. Auf eine Geste Sesshômarus hin, brachte der Wächter eine Schüssel Wasser, die er Kaori grob an die Lippen zwang. Nach dem Trunk war deren Stimme wenigstens wieder zu verstehen: „Warum sollte ich? Dir ist die Reinheit der großen Dämonenclans nicht heilig genug, das ist altbekannt. Es ist unter meiner Würde, mich weiter damit auseinander zu setzen.“ InuKin schüttelte sich innerlich. Wollte die Dame eigentlich sterben? Sie provozierte es ja geradezu. Sesshômaru dagegen blieb gespenstisch ruhig: „Unter deiner Würde, ja?“ Seine Augen verengten sich für den Bruchteil einer Sekunde, ehe er einen Schritt näher zu Kaori trat. Sie war kleiner als er, aber er machte sich nicht die Mühe, auf sie hinabzusehen, sondern blickte zwischen ihren gestreckten Armen hindurch auf die schartige Wand. „Eine Dämonin, die einem jener beiden Clans angehört, die sich untereinander oft vermischen, eine Dämonin, die als Vagabundin durch die Lande zieht und eine Bande Banditen gegen den Fürstenrat führen will, eine solche Dämonin will mir erzählen, was Würde ist?“ Kaori rührte sich weder, noch kam ein Ton über ihre Lippen. Gewissen Stolz besaß sie also doch. InuKin beobachtete jede Regung der beiden Gegner, wartete, dass sein Vater fortfuhr. Sicher hatte er Kaori nicht tagelang hier unten schmoren lassen, um dann aus nichtigen Gründen gerade jetzt zu ihr zu gehen. Es musste etwas geschehen sein. Die Bestätigung bekam er sogleich. „Besitzt deine Bande einen Schmied, Kaori?“ Den Sinn der Frage schien die Angesprochene nicht recht zu verstehen. „Was ginge dich das an?“ Die Bewegung, in der Sesshômaru zurücktrat, sie am Kimonokragen packte und auf Augenhöhe zu sich hinauf zog, war blitzschnell. „Besitzt deine Bande einen Schmied?“, wiederholte der InuYôkai seine Frage unbeugsam. Kaori lackte trocken auf. „Nicht mehr. Deine werte…“, sie hustete abwertend, „Schwägerin hat ihm den Gar ausgemacht.“ Offenbar machte es ihr wenig aus, zuzugeben, dass Kagomes Kraft einen ihrer Untergebenen hatte platt machen können. Sie störte bloß, dass Kagome in eine Dämonenfamilie hatte einheiraten können, wenn man so wollte. Das zu mindestens war Kins Interpretation, während sein Vater wieder einmal nicht zu erkennen gab, wie er über die Erwiderung dachte. „Die Legierung von Giftkristall. War sie ihm bekannt?“, fuhr Sesshômaru fort. Kaori schien ernstlich nachzudenken. Offenbar war ihr klar geworden, dass eine geschickte Handbewegung Sesshômarus ausreichte, damit ihr Genick Vergangenheit war. Also zeigte sie sich kooperativ – und plötzlich drückte sie sich ausführlich und gewählt aus. Dennoch war ihre Angst deutlich zu wittern und am liebsten wäre Kin ein paar Schritte rückwärtsgegangen. „Er nicht, der war ja noch ein halbes Kind. Und seit diese Legierungen verboten sind, praktizieren sie zwar noch einige, aber lehren tut es keiner mehr. Aber ich meine, er hatte mal erwähnt, sein Vater habe es noch gekonnt – und er habe ein Erbstück aus dieser Legierung.“ „Das Katana, das eine verdiente Freundin der Familie schwer verwundete“, ließ Sesshômaru sich herab zu informieren. Der einzige, der fast unmerklich zusammenzuckte war Kin. Unwillkürlich fragte er sich, wovon und von wem sein Vater redete. Kaori dagegen war unbeeindruckt und auch Sesshômaru drehte sich, als er merkte, dass er keine weitere Reaktion bekam, wortlos um und verließ die Zelle, die der Wachmann wieder hinten ihnen verschloss. „Päppelt sie auf, ich brauche sie noch. Einmal die Woche etwas Nahrung“, sagte er schlicht, ehe er sich, dicht gefolgt von seinem Sohn wieder auf den Weg nach draußen machte. Als sie wieder am Tageslicht waren, schloss InuKin etwas auf. „Was geschieht jetzt mit ihr?“ Sein Vater warf ihm nur einen kurzen Seitenblick zu. „Dem Tatbestand nach, könnte ich sie zum Duell verurteilen, gegen die, die sie zu schmähen versuchte. Da Sayuri dafür noch zu klein ist, müsste ein erblich gleichwertiger Vertreter ran und das wäre nur InuYasha. Der hat allerdings wohl keine Skrupel, Kaori tatsächlich umzubringen, also lassen wir das. Ich brauche sie noch, wenn weitere Fragen auftauchen“, erläuterte er neutral. InuKin nickte gehorsam. Das war nur logisch. ~*~ „Inter-net?“, echote Kikyô erneut etwas unsicher. Souta grinste. Er ahnte, dass seine Nichte keine Ahnung hatte, wovon er sprach. Dennoch nickte er bestätigend, während er die Zeichensachen endgültig weglegte und das silberne Ding – seinen Laptop – zu sich zog. „Das Internet ist wie ein ganz großes Gedächtnis, dem jeder etwas hinzufügen und aus dem jeder etwas ablesen kann“, fuhr er fort mit Erklären, während er das Gerät hochfahren ließ und drehte sich auf seinem Stuhl zu Kikyô um. „Also, wen sucht ihr denn?“ „Der Mann heißt Kuromori. Kuromori Hibiko. Er lebt in Nemuro und hat dort Familie. Gefährtin und mindestens ein Kind. Und Okaa-san meint, er könnte entweder etwas mit Schauspiel oder mit Tourismus zu tun haben, was auch immer letzteres ist.“ Souta nickte nachdenklich, ehe er die Suchmaschine erst einmal nur nach dem Namen suchen ließ. Nebst diversen Links zu unterschiedlichen sozialen Netzwerken – die zu erklären er jetzt gerade keine Muße hatte – waren auch ein paar brauchbare Ergebnisse darunter. Unter anderem mehrere Firmenseiten – und die Seite einer Vermisstenkartei. „Sieh an…“, murmelte Souta vor sich hin, während er die Seite öffnete. „Könnte das euer Kind sein?“, fragte er dann, nickte auf das Foto, das auf dem Bildschirm erschienen war. Kikyô nickte leicht, nachdem sie sich mit der Bildschirmanzeige vertraut gemacht hatte. „Wenn man sich die tierischen Ohren dazudenkt… ja, das kann durchaus Sayuri sein. Warum?“ Souta zeigte auf die Schriftzeichen unter dem Bild. „Kuromori Sayuri“, las er schlicht vor. „Scheint so, als habe er die Anzeige geschaltet, um das Verschwinden der Kleinen zu erklären. Und hier…“, er scrollte ein Stück hinunter,“ hier haben wir auch die Kontaktdaten… mal sehen, das ist die Polizei, aber hier… schau‘ einer an, das ist ja fast besser.“ Auf dem Bildschirm war der Foto einer Straßenecke zu erkennen – an der Sayuri angeblich zum letzten Mal gesehen wurde. An dieser Straßenecke war der Eingang zu einem Geschäft, oder genau genommen… einem Reisebüro. Quer über das seitliche Schaufenster zog sich Werbung für die Hauptattraktion dieses Reisebüros: Historische Ausflüge. „Bingo“, murmelte Souta vor sich hin, als er aus dem Augenwinkel Kikyôs Lächeln sah. Offenbar hatten sie einen Treffer gelandet. „Wenn er nicht gefunden werden wollte, ist er selber schuld. Er müsste dieses… Internet? … doch kennen.“ „Sollte er“, grinste Souta zustimmend, ehe er den Laptop zuklappte. „Übrigens, was hältst du davon, wenn wir Nee-chan den morgigen Tag hier gönnen und ihr noch nicht sagen, dass ihr neue Informationen habt? Wir können derweil Vorbereitungen treffen. Wenn ich mich an das Konzept dieses historischen Urlaubs richtig erinnere, dann haben diese Reisebüros Kleiderkammern mit Kimono und so’nem Zeug. Mit euren eigenen Sachen könnt ihr da nicht reinmarschieren. Ich meine, es sind noch einige Sachen von Kagome hier, Okaa-san hat sie bestimmt nicht weggeschmissen. Die müssten Nee-chan und vermutlich auch dir passen. Aber für Inu-no-nii-chan und für Hotaru brauchen wir noch Anziehsachen, die nicht auffallen. Das Kinderkleid von den Nachbarn ist nur geliehen, das könnt ihr nicht mitnehmen. Sag, Kikyô, magst du morgen mit mir in die Stadt gehen und etwas für die beiden suchen? Dann hat Nee-chan noch ein bisschen Zeit für sich.“ Nach kurzem Nachdenken lächelte Kikyô zustimmend. „Du bist… sehr rücksichtsvoll. Ich bezweifle schwer, dass Akio sich so um mich sorgen würde“, bemerkte sie, während sie einen Schritt zurücktrat um Souta Platz zum Aufstehen zu lassen. Der junge Mann erwiderte das Lächeln, fragte aber: „Akio?“ „Gomen. Akio ist mein Bruder. Er und Itoe sind die Mittleren von uns vieren“, erklärte Kikyô rasch. Souta nickte verstehend, ehe er anmerkte: „Sag das nicht, wenn Geschwister gebraucht werden, helfen sie immer. Ich meine, ich bin es gewohnt, Kagome ein paar Sachen abzunehmen. Als sie noch hin und her gesprungen ist, hat sie viel in der Schule verpasst. Was meinst du, wer zu ihren Freundinnen getapert ist und die Aufzeichnungen besorgt hat? Oder wenn sie mal in der Schule war und die Hälfte der Bücher zuhause lag, die für den Unterricht nötig sind. Was meinst du, wer zu spät zur Schule gekommen ist, weil er ihr die Bücher hinterher gebracht hat? Und wie gesagt, da war ich elf.“ Kikyô lachte bei der Vorstellung. „Oh ja, das klingt, als hättest du Erfahrung“, bestätigte sie, ehe sie den Kopf wandte. „Hotaru ist zurück. Und dann sind Okaa-san und Otou-san auch nicht weit“, erklärte sie auf den fragenden Blick ihres Onkels hin. Tatsächlich klackte gleich darauf die Haustür und im nächsten Moment hörte man Hotarus rennende Schritte die Treppe hinauf. „Onee-chan!“, rief sie laut. Kikyô beeilte sich, ihrer kleinen Schwester zu öffnen und ihr spielerisch den Mund zuzuhalten. „Pscht, Hotaru! Andere Leute schlafen hier. Und wenn du nicht zu einem Viertel Dämon wärst, würdest du das auch längst, Aka-chan.“ „Ich bin kein Baby!“, murrte Hotaru, kaum das Kikyô ihre Hand sinken ließ, hielt aber dann den Mund, weil Kagome die Treppe herauf kam, dicht gefolgt von ihrer Mutter und InuYasha. Souta kam nun auch aus seinem Zimmer, nickte seiner Schwester zu, ehe sich sein Blick mit Kikyôs kreuzte. „Morgen“, konstatierte er mit verschwörerischer Stimme und hielt ihr die Hand hin. Kikyô schmunzelte. Den fragenden Blick ihrer Mutter geflissentlich ignorierend, schlug sie ein. „Morgen“, bestätigte sie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)