Sterben kann so schön sein... von Erenya (... oder auch nicht) ================================================================================ Kapitel 7: Geruht und Gesucht ----------------------------- „Was soll das heißen, dass du 'Nichts' siehst?“ Thoth schien nicht vor zu haben, auf Apollons Frage zu antworten. Viel mehr erhoffte er sich klarere Antworten, vielleicht sogar Hinweise von Apollon, der schützend die Hände hob und von Thoth zurück wich. „N-Nichts eben. Da war nur Dunkelheit. Keine Geräusche, keine Farben, einfach schwarz als ob...“ Apollon schwieg und sah zu mir. Er war sich unsicher, ob er aussprechen sollte, was ihm gerade durch den Kopf ging. „Sag es ruhig, Apollon... Als ob ich keine Zukunft hätte...“, wisperte ich. Das war doch die einzige logische Erklärung. Warum sollte er sonst nichts sehen, wenn ich keine Zukunft hatte? „Was willst du damit sagen?“ Wütend fauchte Thoth Apollon an. So hatte ich den Gott des Wissens noch nie gesehen. Störte es ihn etwa, dass er etwas nicht verstand? Er hatte doch auch noch nicht verstanden, warum ich bei Anubis gelandet war, doch dort hatte er nicht so erbost reagiert. Wahrscheinlich war es nicht nur für mich ein langer Tag gewesen, sondern auch für Thoth selbst. „Nun sag schon, Aho! Was hat das für sie bedeuten? Wieso siehst du nichts?“ Ohne scheinbar groß nachzudenken, hatte Thoth Apollon an dem Tuch gepackt, das eigentlich dazu dienen sollte, dass dieser Gott nicht nackt durch den Olymp lief. Doch er konnte sich kaum gegen Thoth wehren, auch wenn er seine Arme packte und ihn flehend ansah. „Thoth-sensei... Lass gut sein, So wirst du auch nicht die Antworten finden, die du dir erhoffst. Apollon weiß genauso viel wie du. Denk dran, dass er nichts sieht, ist selbst für ihn neu.“ Heldenhaft ergriff Dionysos den Arm Thoths, der diesen jedoch mit einen ebenso bösen Blick fixierte, wie er es bei Apollon getan hatte. Doch anders als bei dem Sonnengott, schien die Vernunft wieder einzusetzen und er ließ von Apollon ab, der sofort noch weiter zurückwich, um nicht wieder in den Griff von Thoth zu geraten. „I-Ich muss gehen, muss ich wirklich. Die Sonne senkt sich nicht alleine, hat sie ja noch nie gemacht.“ Er floh. Ich hatte Apollon noch nie so fliehen gesehen, doch es war eindeutig, dass er vor Thoth gerade Angst bekam. Er schien sichtlich überfordert zu sein, nicht nur weil Thoth Antworten forderte, sondern auch, weil er keine hatte und das wahrscheinlich von sich selbst aber forderte. „Schlaf gut, Nya-chan!“, rief er mir noch nach, setzte ein zwanghaftes Lächeln auf und lief so schnell weg, als hätte eine Tarantel ihn gestochen. „Anubis... Komm.“ Mein Blick wandte sich wieder zu Thoth, der bereits gen der Zimmertür gelaufen war, die uns Apollon zuvor gezeigt hatte und hinter der sich Thoths und Anubis Zimmer befand. Es war nicht unweit von meinem entfernt, aber dennoch wurde aus diesen paar Metern plötzlich eine Distanz, die ich fürchtete. Was wenn Apollons Vision Thoth nun dazu brachte, mich meinem Schicksal zu überlassen. Von Anfang an hatte mein Schicksal immerhin nichts mit ihm zu tun gehabt, so dass es schon an ein Wunder grenzte, dass wir soviel Zeit miteinander verbracht hatten. „Mach dir keine Sorge. Schlaf eine Nacht über das alles und morgen sieht die Welt schon viel besser aus.“ Sanft hatte Dionysos seine Hand auf meine Schulter gelegt und lächelte mich an. Er wollte mir scheinbar Mut zusprechen und vielleicht hatte er ja Recht. Meist sahen die Ereignisse des Vortages nicht mehr ganz so schlimm aus, wenn man eine Nacht lang geschlafen hatte. „Danke, Dio. Du hast wahrscheinlich Recht. Schlaf später auch... natürlich nur wenn Götter überhaupt schlafen.“ Ein leises Kichern war nicht zu vermeiden. Die Vorstellung, wie Götter nicht schliefen und dann mit tellergroßen Augenrändern in eine Versammlung kamen, war einfach nur zu absurd. Wahrscheinlich brauchten Götter nicht einmal Nahrung und taten es nur, weil sie halt gut schmeckte. Wer wusste das schon? „Danke... Uhm... Wenn... du dich einsam fühlst, kannst du gerne zu mir kommen.“ Dahin war die geringe Dankbarkeit die ich für Dionysos empfand. Was hatte ich mir auch gedacht, dass er wirklich reine Gedanken hatte und sich um mich sorgte. Ich blödes Ding. „Nein... wohl eher nicht“, nuschelte ich und betrat das mir zugewiesene Zimmer. Für mich alleine war das Zimmer viel zu groß, auch wenn es wohl wirklich nur für eine Person angedacht hat. Seidenvorhänge hingen am Fenster, die Wände waren wie so ziemlich alles hier aus Wolken und ein Bett mit Himmel diente als Nachtlager. Vor dem Fenster jedoch stand eine rote Recamiere. Sie erinnerte mich stark an mein Sitzpolster von Zuhause. Damals hatte ich meine in einem An- und Verkauf ergattert. Sie war zwar nicht sonderlich praktisch wenn Gäste da waren, aber sie war unglaublich bequem. Seufzend steuerte ich daher auf die Recamiere zu und ließ mich auf dieser nieder. Schlafen. Das war leichter gesagt als getan. In meinem Kopf drehte sich noch alles, denn es war wirklich soviel geschehen. Erst das ägyptische Totenreich, dann Bastet, dann der Olymp, die Begegnung mit Dionysos, Hades Listen, Apollons Visionen... Warum konnte das nicht einfach schon vorbei sein? Oder viel mehr, warum konnte das hier nicht besser laufen? Warum war ich denn nicht das dämliche Otome-Mädchen, das alle Männer um den kleinen Finger wickelte? Deprimiert öffnete ich das Fenster im Zimmer. Seltsam, dass die Olympianer Fenster brauchen. Aber immerhin konnte man so den Abendhimmel sehen. Vielleicht beruhigte mich das ja, oder gab mir eine plausible Erklärung dafür, warum Apollon nichts in meiner Zukunft gesehen hatte. „Autsch...“ Ich zuckte zusammen, als von der rechten Seite des Fensters ein dumpfer Aufprall zu hören war. Sofort verschloss ich die rechte Seite wieder und lugte durch die linke vorbei und erkannte Hades, der sich die Nase rieb. „Oh mein Gott, Hades! Ist alles in Ordnung?“ Panik stieg in mir hoch, als ich das schmerzverzerrte Gesicht von Hades erblickte, der sich die Nase weiterhin hielt. Wer wusste schon, aus was für Materialien die Fensterrahmen hier bestanden, dass selbst ein Totengott sich so schmerzerfüllt das Gesicht hielt. „Es tut mir lei-“ „Nein, das ist schon in Ordnung, mein Unglück ist dafür verantwortlich...“, nuschelte Hades und schnitt mir damit jegliche Möglichkeit ab, mich bei ihm zu entschuldigen. Ob dieser eine Satz, dieses Unglück von dem er immer sprach nicht eher eine Geisel für ihn war? „Da fällt mir ein... es überrascht mich zu sehen, dass du auch noch hier bist, Hades. Ich dachte du müsstest sofort zurück in die Unterwelt.“ Ein Lächeln zierte Hades Gesicht, als er zu der geschlossenen Fensterseite griff und diese öffnete. Vorsichtig, sodass ihm nichts passierte. „Der Übergang zwischen Olymp und der Unterwelt ist nur zu bestimmten Zeiten möglich. Deswegen musstet ihr etwas warten. Der einzige, der sich frei bewegen kann ist Hermes. Alle anderen müssen den Weg durch die temporären Tore gehen.“ Es war leicht mit Hades zu sprechen. Er redete mit einem, erklärte alles was man wissen wollte und brachte damit Licht in mein Dunkel. Ich hätte es sonst nie für möglich gehalten, dass auch Götter an diverse Zeiten gebunden waren. Zumindest war das nichts, was Disneys Herkules weiß machen wollte. Wobei Hades aus Disney und Kamigami Hades zwei verschiedene Welten für sich waren. „Apollon freut sich sicher, dass er dann noch etwas Zeit mit dir hier verbringen kann.“ Ich erinnerte mich plötzlich daran, wie sehr Apollon an seinem Onkel hing. Ihr Verhältnis miteinander war noch familiärer gewesen als Apollons Verhältnis zu Zeus. „Wobei...“ Mir kam ein Gedanke. Wenn es so leicht war mit Hades zu reden, vielleicht konnte er mir dann beantworten, was das ganze mit Apollon vorhin zu bedeuten hatte. Eher würde ich wohl nicht schlafen können. „... im Bezug auf Apollon. Hat es eine tiefere Bedeutung, wenn er nichts in seinen Visionen sieht?“ Hades hatte sich an die rechte Seite, offene Seite des Fensters gelehnt und sah in den Himmel. Nachdenklich, etwas abwesend, so als müsste er selbst über meine Frage nachdenken. „Genau deswegen... bin ich hier.“ Verwundert sah ich zu Hades, der meine Frage nicht einmal im Ansatz beantwortete, sondern sie eher als Gelegenheit nutzte, um mir zu erklären, warum wir beide nun miteinander plauderten. „Ein Mensch, dessen Zukunft aus Dunkelheit besteht... existiert nicht. Selbst bei den Toten könnte Apollon eine Zukunft sehen. Die in der Unterwelt, oder die des neuen Lebens, was danach kommt. Aber gar nichts bei dir zu sehen... ist bedenklich und traurig.“ Nur zu gut erinnerte ich mich an Thoths Wutausbruch. War das der Grund gewesen? Dass Apollon wirklich gar nichts sah, obwohl ich lebend und menschlich war. „Du bist nicht tot, oder?“ Entsetzt sah ich zu Hades. Sicher, er hatte es gemerkt, er war der Gott der Unterwelt, aber es so deutlich offenbart zu bekommen war doch schon irgendwie entsetzlich. „Nach der Beweislage von Thoth nein.“ Was brachte es jetzt noch, Hades ausreden zu wollen, dass ich noch lebte? Er hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. „Das ganze ist in doppelter Hinsicht bedenklich. Thoth-sensei muss sich schrecklich fühlen, vor allem nachdem er Apollons Vision gehört hat.“ Thoth musste sich schrecklich fühlen? Wieso? Es war ja nicht so, dass er mich in ein Leben ohne Zukunft gestürzt hätte. Dafür war ja... irgend etwas anderes verantwortlich. „Wir fühlen uns alle schrecklich, dass dir dieses Unglück zuteil wird... verloren ohne zu wissen, was passiert ist und dann zu erfahren, dass es keinerlei Zukunft für einen gibt...“ Sollte es das wirklich heißen? Sollte es wirklich heißen, dass ich keine Zukunft hatte, nur weil Apollon nichts gesehen hatte? „Das wäre zu einfach...“, nuschelte ich leise und wurde kurz darauf von Hades mir Verwunderung angesehen. „Tut mir leid, ich hab nur laut gedacht. Ich meine... ich schreibe gerne Geschichten. Wäre dies eine Geschichte, dann könnte dieses 'Nichts' sehen vieles bedeuten. Zu Anfang würde ich als Schreiber natürlich versuchen die Leser auf eine falsche Fährte zu locken, indem ich einen begabten Gott sagen lassen würde, dass er nichts in meiner Zukunft sieht. Später würde ich einen weiteren Gott erklären lassen, dass es wohl bedeutet, dass diese Person deren Zukunft 'Nichts' ist, keine Zukunft besitzt, auch wenn ich damit den Leser im unklaren lasse wieso. Doch noch später im Verlauf der Geschichte würde sich herausstellen, dass dieses 'Nichts' sehen bedeutete, dass der Charakter gar nicht in diese Welt gehört, oder dass seine Zukunft gerade so unbestimmt, aufgrund der vielen Verlaufsmöglichkeiten, ist, dass man zu diesem Zeitpunkt des Sehens noch nicht festmachen konnte, welche Zukunft den Charakter erwartete.“ In der Tat, wenn ich im ruhigen darüber nachdachte, war die Ausrede keine Zukunft zu haben die einfachste und hoffnungsloseste. Vielleicht wollte ich mir selbst mit meiner Rede Mut machen. Mir damit sagen, dass es auch andere Möglichkeiten gab. Doch machte ich mir damit nicht nur etwas vor? „... fürchtest du dich davor, wenn die beiden letzteren Erklärungen nicht eintreffen?“ Die Frage von Hades traf dahin, wo sie niemals hätte hin treffen sollen. In mein Selbstbewusstsein. Was wenn ich mich nun zu sehr in meine Hoffnungen verrannte und damit mich selbst nicht bereit für das vielleicht doch so offensichtliche machte? „Ja... Keine Zukunft zu haben, ist schrecklich und würde nur noch mehr beweisen, dass alles was ich in meinem Leben getan habe, umsonst war.“ An sich wollte ich nicht daran denken, doch wenn Hades schon einmal fragte, wollte ich ehrlich zu ihm sein. „Das ist okay... Angst zu haben. Solange du dich nicht von ihr beherrschen lässt und deswegen aufgibst.“ Ein sanftes Lächeln lag auf den Lippen von Hades. Es war beruhigend und irgendwie glaubte ich ihm sogar, dass ich nicht aufgeben sollte. „Vertrau auf Thoth-sensei. Er wird sicher nicht zulassen, dass du keine Zukunft hast.“ Vertrauen. Na toll, da forderte man ja etwas, dass bei mir absolute Mangelware war. Gerade Hades sollte wissen, wie schwer das war, denn auch er hatte lange Zeit niemanden vertrauen können. Nur dank Yui war ihm das gelungen. Aber ich hatte keine Yui und selbst wenn sie hier gewesen wäre, mir wäre das wohl nicht so schnell gelungen. „Gerade auf Thoth soll ich vertrauen? Er ist ungehobelt, arrogant und macht sich ständig über mich lustig. Wirklich vertrauenerweckend ist das nicht,“ Nachdenklich musterte mich Hades, bis er schließlich leise aufseufzte. Vielleicht verstimmte ich ihn ja mit meiner Art, aber nachdem Thoth mich meist als Spätzünder bezeichnete, fiel das vertrauen schwer. Sicher, er hatte bisher alles getan, damit ich nicht verloren ging, aber das lag wohl nur daran, dass ich sein Beweis war. Wobei er mich in Zukunft nicht mehr brauchen würde, immerhin hatte er Zeus bereits bewiesen, dass ihr System einen Fehler gemacht hatte. „Ich denke, du vertraust bereits mehr auf ihn, als dir selbst bewusst ist. Ich konnte euch beide vorhin bei Zeus gut genug beobachten. Du hast ihn immer wieder angesehen, als hofftest du, dass er dir helfen würde.“ Hatte ich wirklich so oft zu Thoth gesehen? Wirklich? Mir war das gar nicht bewusst gewesen, aber selbst wenn es so war, Thoth war nicht sonderlich hilfreich gewesen. „Auch wenn er es nicht sehr deutlich zeigt, er sorgt sich um dich und würde wirklich niemals zulassen, dass dir etwas passiert. Auf seine Weise behält er dich im Auge und beobachtet alles was du tust und sagst um im entscheidenden Moment einzugreifen. Also vertrau ihm ruhig und dann wird alles gut.“ Der Gedanke das Thoth mich immer im Auge behielt, war irgendwie charmant, gleichzeitig aber auch gruselig. So konnte er immerhin nur noch mehr von meinen schlechten Eigenschaften sehen. Gerade die wollte ich aber verbergen. „Ich denke, ich werde darüber eine Nacht schlafen. Danke, Hades. Und, es hat mich wirklich gefreut dich kennenzulernen. Du bist echt cool. Außerdem solltest du öfter Lächeln, das steht dir wirklich sehr.“ Ich schmunzelte etwas, als ich mich zurück in das Zimmer zog und das linke Fenster Schloss. Durch die offene rechte Seite, die Hades selbst griff, sah ich noch, wie er errötete, bevor er das Fenster schloss und noch ein leises „Danke und schlaf gut“, murmelte. Auch wenn ich es schade fand, dass ich nicht noch mehr Zeit mit Hades hatte, so hatte mir das Gespräch mit ihm doch schon sehr gut getan, so dass ich eigentlich merkte, wie müde ich wirklich war und beschloss endlich die Nachtruhe zu bekommen, die ich wollte. Mein Geist hatte in der Nacht so vieles verarbeitet und mir absolut konfuse Träume geschickt. Albträume, in denen mich Thoth mit Anubis alleine gelassen hatte, weswegen mir noch beim erwachen, der Traum quer im Magen lag. Hades hatte gesagt, ich sollte Thoth vertrauen, doch was wenn ich es tat und er mich plötzlich einfach so in Stich ließ? Wahrscheinlich war dieser Gedanke grausamer als die Erinnerung daran, dass Apollon nichts in meiner Zukunft gesehen hatte. Alleine in der Welt der Götter wollte ich nicht sein. Sie war so fremd und furchteinflössend. Noch dazu kam ich mir in ihr so minderwertig vor. Einfach erbärmlich. Tief seufzend, holte ich Luft, bevor ich die Augen öffnete und an die Decke des Himmelbettes starrte. Seltsam, ich hatte schon immer eines gewollt, aber es fühlte sich nicht so toll an, in so einem zu erwachen, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Vielleicht war ich ja doch Mädchen genug um wenigstens ab und an den Wunsch zu hegen, eine echte Prinzessin zu sein, oder ein Engel, oder eine Halbgöttin. Etwas, oder jemand, der sich mit den Göttern messen konnte, wenn auch nur ein kleines bisschen. Ein erneutes Seufzen holte mich zurück in die Realtität. Ich würde niemals eine Göttin oder dergleichen sein, noch dazu musste ich zurück in meine Welt. Die Frage war nur, wie ich das anstellen sollte. Sicher, Thoth würde mir helfen, soviel stand fest, aber wie sehr durfte ich mich auf seine Hilfe verlassen? Konnte ich wirklich darauf vertrauen, dass Thoth alleine hinter das Geheimnis kam? Konnte ich gar nichts tun, um ihm ein bisschen zu helfen? Ich fühlte mich nicht gut bei dem Gedanken, den Gott des Wissens alle Arbeit alleine erledigen zu lassen. Gleichzeitig wusste ich aber, dass ich nichts tun konnte außer brav hinter Thoth herzulaufen wie ein treuer Hund und zu hoffen, dass er es wirklich schaffte mich nach Hause zu bringen. 'Wenn ich nicht mehr tun kann... dann sollte ich wenigstens das richtig machen...' Es war ein Entschluss, der mich dazu bewegte, mich aus dem Bett zu schälen. Zeus hatte angemerkt, dass wir so früh wie möglich gehen sollten. Auch wenn es wohl mitten in der Nacht war, so sicher war ich mir da nicht, da ich keine Uhr mehr zur Hand hatte. Vielleicht wusste Thoth wie spät es war, er hatte immerhin am Tag zuvor ebenso angemerkt, dass ich nach einem langen Tag eine Pause brauchte, auch wenn mir immer noch nicht klar war, wie lange dieser Tag wirklich angedauert hatte. Wenn ich Glück hatte, besaß Thoth die Güte mir noch die ein oder andere Sache zu erklären, bevor ich dumm verstarb. Noch etwas gerädert von meinen Gedanken und all den Ereignissen, gelang es mich nichts desto trotz aus dem Bett emporzusteigen. Die Sachen an meinem Körper waren noch jene, die mir Bastet gereicht hatte, doch Wechselkleidung war ein Luxus den ich mir hier halt nicht leisten konnte. Sonst hätte ich mich nur zu gerne in einen dicken Wollpullover gesteckt und in frisch gewaschene Jeans, die aussahen als wären sie schon Millionen mal gewaschen worden. Alles in allem war das zwar nicht schick, aber sehr bequem. Anders als dieses ägyptische Kleid, bei dem man drauf achten musste, dass es an den unpassendsten Stellen nicht zu sehr rutschte und man anderen plötzlich einen Ausblick bot, den man nicht geben wollte. Auch wenn das den Göttern wohl egal war, mir hingegen war es wichtig, nicht zu viel zu zeigen, wogegen dieses Kleid allerdings etwas einzuwenden hatte. Es schien förmlich zu schreien „Zeig wie die Götter dich geschaffen haben!“. Man sollte denjenigen, der sich mit meiner Oberweite einen Spaß erlaubt hatte, wirklich verklagen, soviel stand fest. Nachdem das Kleid gebändigt und ich nicht mehr ganz so schlecht gelaunt deswegen war, verließ ich den mir zugewiesenen Raum und ging direkt in die Richtung, in der Thoths und Anubis Zimmer lag. Zum Glück hatte ich den Vortag einigermaßen noch aufgepasst, so dass ich binnen weniger Sekunden und Schritte vor deren Zimmer stand und vorsichtig anklopfte. „Thoth? Anubis? Seid ihr schon wach?“ Stille. Ich hörte gar nichts auf der anderen Seite, was mich doch verwunderte. Schliefen die beiden etwa noch? Erneut klopfte ich und lauschte. Doch wieder nichts außer Stille. Ob es als unhöflich galt, wenn ich einfach so in ihr Zimmer ging? Nachdenklich starrte ich auf den Türgriff. Ich hatte geklopft, oder? Damit war es doch nicht mehr unhöflich, wenn ich nun die Tür öffnete, und irgendetwas sah, was eigentlich nicht für meine Augen bestimmt war. Zumindest klang das logisch, nur für den Fall der Fälle das... „Ich komme rein...“, sagte ich leise, mehr zu mir selbst, als das irgendjemand das hören konnte. Dieser Satz existierte nur um mir Mut zu machen, wirklich den Türgriff nach unten zu drücken und in das heiligste der Götter einzudringen. Ihr Schlafgemach. Schwer schluckend und nach einigen längeren Minuten des Zögerns, öffnete ich schließlich die Tür und trat ein. Doch das Zimmer war leer. Ebenso die Betten, von denen eines so zerwühlt war, als hätte ein Ringkampf mit der Decke stattgefunden. Das konnte eindeutig nur Anubis Bett sein. Sicher hatte der kleine Schakal irgendetwas aufregendes geträumt. Das andere Bett hingegen sah eher danach aus, als hätte niemand darin geschlafen. Und wenn ich ehrlich war, bezweifelte ich, dass Thoth sein Bett so gut machen konnte, dass es wie unangetastet aussah. Vor meinem inneren Augen sah ich förmlich, wie er sich auf dem Lesesessel niedergelassen und dort sein Buch weitergelesen hatte, bis Anubis seine Traumjagd beendet und aus Morpheus Armen wieder erwacht war. So und nicht anders musste das wohl gewesen sein. Die Frage war nur, wo waren die beiden? Ob Apollon oder Dionysos irgendwo in der Nähe waren? Mit Sicherheit konnten beide mir helfen, denn wenn ich ehrlich war, wollte ich mich nicht auch noch im Olymp verlaufen. Leise ging ich aus dm Zimmer raus. Die Gefahr, dass mich Thoth und Anubis doch plötzlich erwischten, war nicht gerade klein. Am Ende dachten sie noch, dass ich irgendein perverser Spanner war. Thoth war das zumindest zuzumuten. „Oh~ Ein Voyeur. Schade nur, dass die beiden Süßen nicht da sind.“ Ertappt zuckte ich zusammen, als ich hinter mir eine Stimme hörte. Es war einfach unglaublich, wie leise sich Götter an einen heranschleichen konnte. Zumindest konnte diese Frau, die so plötzlich hinter mir aufgetaucht war nichts anderes als eine Göttin sein. Sie war schließlich hier im Olymp. „V-Voyeur? Das verstehst du falsch. Zeus meinte nur, wir sollten so früh wie möglich gehen und da dachte ich das... naja... ich meine... ich habe geklopft aber keiner hat mich gehört.“ Warum wollte ich mich eigentlich vor der Göttin rechtfertigen? Wieso? Ich kannte sie nicht, sie kannte mich nicht. Wobei, ich hatte eine leise Ahnung, wer sie war. Sie war schön, hatte ein makelloses Gesicht, strahlende blaue Augen, goldenes, langes Haar und eine niedliche Stupsnase. Ihre Lippen waren schmal aber doch sehr sinnlich auf ihre Weise und als Mann wäre ich förmlich besessen davon gewesen, sie küssen zu dürfen. Böse Gedanken, die auch noch von einer perfekten Figur nach griechischen Ideal unterstrichen wurden. Ihre kleinen, runden Brüste waren auf den ersten Blick fest und ihre kurvige Figur wirkte nicht zu dick aber auch nicht zu abgemagert. Eher weiblich und solide. Sie war wirklich wunderschön, abgesehen von den viel zu dichten Augenbrauen, die das Gesamtbild zerstörten. „Du bist... Aphrodite, oder?“, fragte ich verlegen nach, um das Thema zu wechseln. Sicher war ich mir nicht, aber ich hatte immer gelesen, dass Aphrodite, die Göttin der Liebe, die Schönste aller Göttinnen war. Zumindest laut Paris, der Aphrodite den goldenen Erisapfel geschenkt hatte. „Was? Nein. Wie kommst du darauf, dass ich... diese Frau bin?“ Kaum dass ich die Göttin mit Aphrodite verglichen hatte. 'Diese Frau' klang auch nicht gerade nach einen Kosenamen, den man seiner besten Freundin gab. „Hör gut zu, Menschenmädchen. Ich bin Persephone und ich habe dich mit Thoth in dem Zimmer beobachtet, als ihr auf Hades gewartet habe. Ich erkenne wenn Männer Hintergedanken haben. Zeus hat sie zur Genüge.“ Hintergedanken? Was für Hintergedanken sollte Thoth haben? Sicherlich irrte Persephone sich. Den einzigen Hintergedanken den er hatte, war das er herausfinden wollte, was der genaue Grund für meine Anwesenheit war. Als Gott des Wissens musste es ihn eben quälen seine Neugier nicht stillen zu können und irgendwie wollte ich ihm dabei helfen, auch wenn ich nicht so ganz wusste, wie ich das machen sollte. „Ich werde aufpassen... Du weißt aber nicht zufällig, wo Thoth und Anubis sind?“ Es war mir irgendwie unangenehm mit Persephone zu reden. Dagegen hatte es mit Bastet irgendwie Spaß gemacht. Vielleicht lag das aber auch eher an ihren volumnösen Augenbrauen, von denen ich meinen Blick nicht abwenden konnte. „Komm mit. Ich weiß zumindest wo der Schakaljunge ist. Was allerdings mit Thoth ist, weiß ich nicht. Als er sein Zimmer verließ, war er nicht sonderlich erfreut.“ Verwundert hob sich wie von selbst eine meiner Augenbraue. Wer war hier nun der Voyeur. Sicher nicht ich. Sagen wollte ich das aber nicht. Immerhin konnte sie mich zu Anubis bringen und das reichte doch schon vollkommen. Auch wenn dieser mich sowieso nicht verstehen konnte. Persephone hatte mich wirklich heil und sicher zu Anubis gebracht, der in einem großen Speisesaal ähnlichen Raum befand. Vor ihm auf einem langen Tisch standen Kuchen, Suppen, gebratenes Fleisch und alles was man sich hier in Griechenland vorstellen konnte. Am Ende des Tisches saß ein glücklich schmatzender Anubis, den ich schon alleine bei diesem Anblick beneidete. Er durfte hier was essen, ich nicht, auch wenn die Speisen wirklich gut ansahen. Dann musste Anubis sie eben für uns beide genießen und ich war mir sicher, dass er das auch konnte. Sein Gesichtsausdruck war zumindest sehr glücklich, als ich näher auf ihn zugegangen war. Er genoss das Frühstück wirklich. „Guten Morgen, Anubis...“, murmelte ich leise und setzte mich etwas unweit, aber dennoch in Reichweite von ihm hin. Vielleicht hatte junge Ägypter ja doch vor mal so etwas wie Kommunikation mit mir zu versuchen. „Der Kleine hat wirklich einen gesunden Appetit. Wenn er so weiter schlingt, müssen wir noch mehr auftischen.“ Ein leidiges Seufzen kam Persephone über die Lippen. Verstehen konnte ich das. Irgendwie schien Anubis gerne zu essen, diesen Eindruck hatte ich schon der Serie gehabt. Ob es nun beim Mondscheinfest war, oder beim Schulfest... Man sah ihn wirklich häufiger mit etwas im Mund, aber das änderte nichts daran, dass ich ihn in gewisser Weise niedlich fand. „Du solltest dich beeilen, sonst bekommst du nichts mehr von dem Festmahl.“ Etwas scherzendes lag in Persephones Stimme. Sie wusste genau, dass ich hier nichts essen durfte, weswegen sie noch einmal extra den Finger in die Wunde bohrte. Allerdings ohne Erfolg. Ich hatte keinen Hunger. So wie schon am Tag zuvor, an dem ich eigentlich nur aus Gewohnheit und Höflichkeit den ein oder anderen Bissen zu mir genommen hatte. „Schon gut, er kann meine Portion essen. Ich bin sowieso kein sonderlich guter Esser.“ Misstrauisch beäugte mich Persephone. Ja, ich geb es zu, ich sah nicht gerade aus wie „ich bin kein guter Esser.“ Niemand der mich gesehen hätte, hätte mir das abgekauft, nicht einmal ich selbst. „Schön... Wie du meinst. Ich lass euch beide dann mal... alleine...“ Irgendwie hatte Persephones Stimme doch schon etwas schnippisches, aber gut. Wobei, eigentlich eher nicht gut. Mit wem sollte ich reden während Anubis aß? Fast schon panisch streckte ich meine Hand nach der Göttin aus, die aber schon in diesem Moment weit außer meiner Reichweite und schließlich auch schon aus dem Raum raus war. „Bara?“ Seufzend ließ ich mich wieder auf meinen Platz sinken und sah zu Anubis, der kurz von seinem Teller aufblickte um mich fragend anzusehen. „Schon okay, iss ruhig weiter...“, erklärte ich leise. Eigentlich ahnte ich ja, dass er mich nicht verstand und doch wandte er sich wieder schnell seinem Frühstück zu und schlang es genüsslich murmelnd runter. Schweigend saß ich da und wünschte mir gerade irgendeinen Gott an meine Seite, oder von mir aus auch Göttin. Solange jemand mich verstand, war mir alles recht. Leider saßen hier nur Anubis und ich. „Hey... Anubis...“ Ich weiß nicht mehr, warum ich plötzlich das Wort ergriff, aber irgendetwas drängte mich dazu ungeachtet dessen ob Anubis aufmerksam wurde oder nicht, etwas zu sagen. „Irgendwie erscheint mir das alles nicht real. Ich meine... Ich sitze hier mir dir, einem Gott, im Olymp. Noch dazu kenne ich dich als Figur aus einem Anime...“ Ich fühlte mich sicher mit dem was ich sagte. Was sollte Anubis schon tun? Er verstand sowieso kein Wort von dem was ich sagte. „Irgendwie bin ich es leid ständig zu lügen. Aber mit Thoth und den anderen will ich es mir auch nicht verscherzen. Aber ich habe nachgedacht... Sollte ich es nicht vielleicht erzählen? Was wenn ich... naja in eurem Paralelluniversum gelandet bin. Das würde erklären warum ich nicht tot bin und wahrscheinlich auf keiner Geburtenliste stehe. Sehen wir es doch wie es ist, ich werde weder bei den Norden, noch den Japanern, noch die Italieniern oder sonst wem auf der Liste stehen. Ich gehöre hier genauso wenig her, wie ich in meine eigene Welt gehöre... Eigentlich macht es da doch keinen Unterschied, ob Thoth mich nach seinen Nachforschungen zurück bringt oder nicht. Im Grunde kann er mich gleich von diesem Planeten fegen.“ Ich lächelte bitter und seufzte erneut. Irgendwie war das aktuell zu meiner Haupthandlung geworden. Seufzen und sich selbst bemitleiden dafür, dass man fern der Heimat bei halbnackten, gut aussehenden Göttern war. „Das ist so selten dämlich. Ich hatte mir immer gewünscht Yui zu sein. Einen Harem nur für mich. Irgendwie habe ich diese ganze Sache wohl unterschätzt. Ich meine, nicht dass ich mich mit Yui messen kann. Sie hat wirklich jeder irgendwie geliebt, mich hingegen... Ich mag gar nicht daran denken. Das wahre ist es irgendwie auch nicht.“ Nachdem ich den Platz vor mir etwas von dem ganzen Essen befreit hatte, legte ich meinen Kopf auf die Platte. Ich war selbst trotz der einen Nacht Ruhe total erschöpft. Vielleicht erschöpfte mich auch nur meine Gefühlslage. „Einmal was besonderes sein... Vielleicht wollte ich deswegen einen Harem... Einfach um zu sehen, dass ich mal was besonderes bin. Doch irgendwie... bin ich das nie. In meiner Welt schreibe ich viel und selbst das macht mich nicht besonders. Im Gegenteil, es zerrt an mir genauso sehr wie es mir Kraft gibt. Und wofür? Für den albernen Traum Menschen glücklich zu machen. Ich kann nicht einmal mich selbst glücklich machen. Geschweige denn, dass ich fähig bin auch nur einmal etwas durchzuziehen, was mir was bedeutet. Wäre Thoth nicht, hätte ich mich schon in der Unterwelt bei dir aufgegeben. Ich brauche immer jemanden der mir einen Tritt in die richtige Richtung gibt und wenn das jemand tut, hasse ich diese Person... Wobei nein, ich hasse mehr mich und versuche diese Gefühle auf diese Person zu fokussieren.“ Das bittere Lächeln schwand nicht. Wie viele Jahre schleppte ich wohl schon diese Gedanken mit mir herum? Viel zu lange wahrscheinlich. „Ich habe viele Menschen die mir wichtig waren, verloren. Weil ich nicht vertrauen und Hilfe annehmen kann. Thoth ist anders... er will mir nicht helfen. Er will nur wissen was los ist, mehr auch nicht. Und dennoch.. ich habe Angst. Was wenn irgendwo in dieser unbekannten Zukunft der Schlüssel zur Lösung des Rätsel bei mir liegt. Nicht in der Art das ich was besonderes bin, sondern in der Art, dass nur ich es lösen kann. Das mir keiner dabei helfen darf... Ich bin nicht gut darin nach vorne zu schauen und einfach das zu tun, was nötig ist. Zumindest nicht dann, wenn es zum erfassen eines Zieles gehört. Selbst wenn ich dann Hilfe bekommen dürfte, ich hätte auch nicht den Schneid auch nur einen von euch beiden um Hilfe zu bitten. Danach würde ich mich wieder verzweifelt in mein Schneckenhaus verkriechen, mich missverstanden und einsam fühlen. So wie immer. Ist doch echt lächerlich und traurig. Ich habe viele gute Freunde, aber manchmal... mag ich sie nicht. Immer dann, wenn ich ihre Stärke bewundere... ihre Talente. Ich komme mir neben ihnen so klein und unbedeutend vor. Weißt du, Anubis, ich habe da meine Freunde aus dem Internet. Shicchi zum Beispiel. Sie ist echt so genial und so stark. Ich bewundere sie. Ich meine, sie hat voll das Fandomwissen zu Pokemon und anderen Serien. Selbst aus japanischen CD-Dramen holt sie noch so viele geniale Informationen heraus, an die ich nie gelangen könnte. Beneidenswert. Versteh mich nicht falsch, ich hab Shicchi lieb, wirklich sehr lieb, aber gleichzeitig habe ich Angst vor ihr. Genauso wie ich Angst vor Alaiya habe. Vielleicht ist das aber auch nur Respekt... Ich hab keine Ahnung. Ich weiß nur eines, ich kann niemals wie die beiden sein. Stark und bewundert. Ich werde immer irgendwie in ihren Schatten stehen, unbemerkt von der Außenwelt. Und dennoch werde ich lächeln und stolz auf sie sein. Selbst wenn ein Teil in mir sie irgendwie hasst. Aber die Liebe für die beiden ist stärker. Genauso wie meine Liebe für Lilim oder Fini. Sie sind alle echt gute Freundinnen und ich... bin ein Monster. Ich kann ihnen nicht vertrauen, ich spiele ihnen was vor, bin niemals ich selbst und wenn ich es mal bin, dann sehen sie die schlimmste Seite an mir. Die Schwache, zerbrochene, die damit droht sich das Leben zu nehmen, es in dem Moment auch wirklich will, es aber einfach nicht kann weil sie zu Feige ist. Und dann hilft nur noch eines... weglaufen... Darin bin ich echt gut geworden. Vor Problemen und meinen Schwächen weglaufen... Anderen die Schuld in die Schuhe schieben ist ebenso einfach. Genauso wie es einfach ist, Freunde stumm zu bewundern und im geheimen ein wenig zu hassen, statt an sich selbst zu arbeiten. Absurd ist, dass ich das alles weiß... wie albern und sinnlos das weglaufen ist. Dass es nur etwas Arbeit benötigt, das meine Freunde auch für mich da wären... aber... ich kann es einfach nicht. Vertrauen... Als Hades sagte ich solle Thoth vertrauen, klang das so einfach. Nicht einmal Thoth vertraue ich. Ich habe Angst, dass er mich im Stich lässt, sobald er genug von meinem Gejammer hat. Dann bin ich ganz alleine, denn du bist ja dann auch nicht da. Du hasst Menschen. Ich bin ein Mensch, also hasst du logischerweise auch mich. Und ich kann dir das nicht einmal verübeln.“ Ich starrte auf eine Obstschale, die verführerisch vor mir stand. In mir erwachte ein Gedanke. Warum sollte ich nicht einfach eine Traube nehmen, sie essen und dann für immer hier gefangen sein? Dann mussten meine Freunde nicht mehr unter mir leiden und ich war nicht mehr in einer Welt die mir nicht gefiel. Auch wenn der Olymp oder wo auch immer ich dann hingehörte, nicht der idealste Fleck war. Wie von selbst streckte sich meine Hand nach den Früchten aus. Nur eine Traube, mehr brauchte es nicht, um mich von meiner Welt loszulösen. „BARA!“ Erschrocken zuckte ich zusammen, als Anubis Stimme sich plötzlich erhob und die Obstschale vor mir verschwand. Ein Blick zu dem jungen Ägypter verriet mir, dass dieser sie mir genommen und damit auch die Chance auf ein neues Leben in einer anderen Welt verwehrt hatte. „Bara ka bara bara bara ka....“, schimpfte er dabei und sah mich vorwurfsvoll an. Zwar hatte ich nicht verstanden was er gesagt hatte, aber irgendwie ahnte ich es. „Ich weiß... Thoth hat es verboten... Schon gut“, murmelte ich seufzend und riss mich aus meinem Tief. Bringen würde es im Augenblick sowieso nichts, denn selbst wenn Anubis nicht so wirkte, lagen seine Sinne doch sehr aufmerksam auch auf meiner Person. „Wo ist Thoth eigentlich?“ Fragend sah ich Anubis an, der die Obstschale wieder auf den Tisch stellte, sie aber vorsorglich leerte, damit ich keinen einzigen Bissen mehr davon bekam. Oder zumindest nicht mehr mit dem Gedanken spielen konnte, sie auch nur zu leeren. Auf meine Frage hingegen bekam ich keine Antwort. Wen wunderte es, unsere Beziehung war noch weit davon entfernt, dass wir einander wirklich verstehen konnte. Wie machte Thoth das nur? „Anubis!“ Etwas deutlicher sagte ich seinen Namen, woraufhin seine Aufmerksamkeit wieder auf mir lag. Er selbst wusste genauso gut wie ich, dass mehr als seinen Namen wohl nicht verständlich sein würde, dennoch lag eine gewisse Erwartung in seinen Augen. Immerhin würde er wohl versuchen mich zu verstehen. „Thoth?“, fragte ich daher leise. Wenn er schon nur Namen verstand, dann wollte ich es auch mit nur Namen probieren und einem überaus fragenden Blick. Vielleicht reicht das ja auch schon aus, damit Anubis mich verstand. „Ka bara?“ Wahrscheinlich reichte nicht einmal das. Doch wie sollte ich Anubis zeigen, dass ich wissen wollte, wo Thoth war? Über Bilder hatten wir es ja schon probiert, doch das hatte auch nicht geholfen. Doch nicht nur ich schien deprimiert darüber. Anubis schmollender Ausdruck zeigte deutlich, dass ihn die ganze Situation störte. „Ka Bara!“ Mit einem entschiedenen Ausdruck in seinen Augen, erhob sich Anubis von seinem Platz und griff nach meiner Hand. Ohne zu warten, zog er mich hinter sich her, wobei ich mehr von meinem Stuhl stolperte als mich wirklich erhob. Mehr recht als schlecht konnte ich Anubis folgen, bis er endlich meine Hand losließ, wahrscheinlich bemerkend, dass er zu lange die Hand eines Menschen gehalten hatte und ich endlich mein eigenes Tempo festlegen konnte, um dem jungen Gott zu folgen. Hin und wieder blieb Anubis sogar auf dem Weg stehen, nicht aber um zu sehen, ob ich ihn einholte, sondern um zu schnuppern. Wahrscheinlich suchte er gerade nach Thoths Fährte. Anders konnte ich mir nicht erklären, warum er die Wege des Olymps so zielstrebig gehen konnte. Ich wusste nicht einmal mehr, ob wir durch irgendwelche Räume gegangen waren. Der Olymp war so seltsam offen und das, obwohl ich bisher hier schon so viele Türen gesehen hatte. Doch auf einmal waren sie nicht mehr da. Wie viele Räume wir durchwandert waren, war mir nicht klar. Im Gegenteil, es fühlte sich an, als wären es Milliarden gewesen. „Ka bara!“ Abrupt blieb Anubis stehen und zeigte mit seiner Hand in den großen Saal, in dem wir schon einen Tag zuvor gestanden hatten. Verwundert wandte ich mich um, denn ich erkannte ihn, doch anders als zuvor, waren wir durch keine Tür gegangen. Seltsam, aber vielleicht doch normal für Götter. Immerhin dank Anubis hatten wir diesen Saal wieder gefunden, zusammen mit Thoth und Zeus, die einander ansahen, als würden sie einen stummen Kampf austragen. „Tho-“ Ich hatte meine Hand erhoben und wollte nach dem Gott des Wissens rufen, als Anubis mir seine Hand auf den Mund legte und mit seinem Finger zeigte, dass ich schweigen sollte. Verwundert blickte ich den den Totengott an, der ein leises „Bara...“ ausstieß und mich zu einer Säule zerrte, gegen die er mich drückte, immer noch die Hand auf meinem Mund. Wahrscheinlich befürchtete er, dass ich schreien oder laut werden würde, doch er wusste nicht, dass die einzigen Laute die ich gerade gerne ausgestoßen hätte, ein verzweifeltes, leises Fiepen gewesen wäre. Der Gott war mir so nahe, als er so dicht vor mir stand und selbst noch versuchte Schutz hinter der Säule zu finden. Ich konnte deutlich die Wärme seines Körpers spüren genauso wie ich seinen Duft stärker als gewohnt wahrnahm. Mein Herz begann schneller zu klopfen und einen Moment dachte ich an ein im Wortlaut fehlerhaftes Zitat von Goethes Faust. Hätte ich im zu diesem Augenblick nur sagen können „Verweile doch, du bist so schön!“ ich hätte mir wirklich gewünscht, dass die Zeit stehen bliebe. Anubis so nahe zu spüren, ließ mich alle Demut und depressiven Stimmungen vergessen, ebenso die Tatsache, dass dies hier nicht die Zweisamkeit eines Pärchens war. „Erkläre mir das, Zeus!“ Thoths Stimme war es schließlich, die mich aus meinen Fangirlfantasien riss. Dahin war der kurzweilige Augenblick und der Gedanke, dass dieser Augenblick nur Anubis und mir gehörte. Stattdessen konzentrierten sich meine Sinne auf Thoth und Zeus, deren Gespräch alles andere als freundschaftlich war. „Ich frage mich, was ich dir erklären soll, Thoth.“ Zeus Stimme klang anteilsnahmlos, fast so als interessierte es ihn nicht einmal, dass Thoth wirklich sauer war. Was für eine Freundschaft war das eigentlich zwischen den beiden, wenn Zeus Thoth mehr als seinen Spielball behandelte, ihn nicht einmal Sonderprivilegien gab? So wie es für mich schon in Kamigami immer den Anschein gehabt hatte, respektierte Thoth zwar Zeus, aber dieser schien den Gott des Wissens auch nur wie eine seiner Schachfiguren zu benutzen. „Warum sie hier ist! Du weißt mehr als du sagst, also sag schon was das alles bedeutet!“ Sie? Es ging in dem Gespräch um mich? Verwundert neigte ich meinen Kopf etwas in die entgegensetzte Richtung von der Anubis hinter der Säule hervorlugte. Sollte es bei ihrem Streit wirklich um mich gehen? Oder eher um Thoths Unzufriedenheit etwas nicht zu wissen? „Rede!“ Thoths Ton wurde harscher. Er erinnerte mich an den Thoth den ich am Abend zuvor bei Apollon gesehen hatte. Eine Seite, die ich wirklich kaum kannte und die mir, wenn ich ehrlich war, Angst machte. „Du hast es angefangen, Thoth, dann bringe es auch zu Ende.“ Da war sie, die Aussage Zeus' die zeigte, dass er wirklich etwas wusste, Thoth aber mir Sicherheit nichts sagen würde. Warum nur? Warum konnte Zeus nicht einfach die Katze aus dem Sack lassen. Alle Probleme wären mit einem Mal verschwunden. Was hatte er davon, wenn er einen auf Geheimniskrämer machte? „Ich denke, du wirst es auch selbst herausfinden. Deswegen... Carpe Diem. Nutze auch diesen Tag, Thoth.“ Mit einer Handbewegung verwies Zeus zum Ausgang. Er schmiss allen ernstes den Gott des Wissens raus und machte noch einen auf Klugscheißer. Erneut benutzte Zeus Thoth nur als Spielball, zumindest wirkte es auf mich so. „Bara...“, wisperte Anubis mir leise ins Ohr, der spürte, wie die Wut in mir zu brodeln begann. Mein ganzer Körper hatte scheinbar Signale dafür gesendet, aus dem sicheren Versteck hervor zu kommen und Zeus eine Standpauke zu halten. Nur durch Anubis fand ich einen Weg aus meiner Wut, die zwar nicht erloschen, aber vorerst runtergeschluckt war. „Schon gut...“, antwortete ich leise und holte tief Luft um die letzten erbosten Schläge meines Herzens zu beruhigen. Warum regte ich mich eigentlich auf? Das waren Götter. Was sollte ich da schon tun? Und vor allem warum regte ich mich darüber auf wie Zeus Thoth behandelte? Warum störte mich das? Wäre Thoth ein Freund von mir gewesen, wäre diese Reaktion absolut verständlich, aus meiner Sicht, aber so. Er und ich waren nur Fremde. Oder rumorte es in mir, weil ich in meinem Unterbewusstsein doch so schnell wie möglich nach Hause wollte? „Das letzte Wort ist deswegen noch nicht gesprochen, Zeus...“, antwortete Thoth kühl und wandte sich dem Gehen zu. Auch wenn Anubis und ich nicht viel von dem Gespräch mitbekommen hatten, es war eindeutig, dass das was vor unserem Lauschangriff gewesen war, sicher nicht mindere Heftigkeit besessen hatte. „Ihr beide!“ Ich spürte wie Anubis Körper sich verkrampfte, als plötzlich Thoths Stimme so nahe erklang. Er stand auf der anderen Seite der Säule, so dass er uns nicht sehen konnte und doch schien er uns bemerkt zu haben. Und dank Zeus war seine Laune alles andere als positiv. „Kommt sofort mit...“ Der Befehlston den Thoth an den Tag legte, gefiel mir gar nicht, doch es war besser ihm zu folgen, als jetzt zu widersprechen. Das machte mir auch Anubis deutlich, indem er sich von mir und der Säule löste und auf Thoth zutappste. Für den jungen Totengott schien diese Stimmungslage von Thoth nicht fremd zu sein, kein wunder, er kannte ihn ja auch schon wesentlich länger als ich. Wahrscheinlich war es da wirklich besser, wenn ich Anubis vertraute und einfach folgsam spurte. „Ach Thoth... Ich möchte noch mit ihr reden...“ Kaum dass ich hinter dem Schutz der Säule hervorgetreten war, erhob Zeus abermals die Stimme. Sie hallte wie Donner an den wolkigen Wänden wider. „Was?!“ Erbost wandte sich Thoth um und sah zu Zeus, dessen Mimik keine Andeutungen machte, was in ihm vor sich ging oder was er plante. Und doch schien etwas in den mächtigen Augen des Göttervaters zu liegen, dass Thoth erneut in die Schranken wies. „Komm mit, Anubis.“ Ich konnte es nicht fassen. Ohne Diskussion, ohne Gegenwehr wandte sich Thoth wieder dem Ausgang zu, bei dem mit einem Mal wieder eine Tür war. Angst kroch in mir hoch. Was wenn er nun den Olymp verließ und ich alleine blieb? „Thoth!“ Verzweifelt rief ich seinen Namen, mehr automatisch als wirklich gewollt hatte ich mich auch bereits in Bewegung zu ihm gesetzt, weswegen der Gott des Wissens kurz inne hielt und noch einmal zu mir sah. „Wir warten draußen auf dich...“ Ich erstarrte in meiner Bewegung. Vertrau auf Thoth-sensei. Erneut kamen mir Hades Worte in den Sinn. Konnte ich Thoth wirklich vertrauen, dass er auf mich wartete? Hatte ich denn gerade eine andere Wahl als Hoffen und zu Vertrauen? Nein, eigentlich nicht. Das wusste ich, als Thoth durch die offene Tür trat, sich diese hinter ihm und Anubis schloss und er mich vollkommen alleine mit Zeus ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)