Freundschaftsband von Tammix (Durch die Kraft des Bands der Freundschaft) ================================================================================ Kapitel 21: Mysteriöse Mondscheingespräche ------------------------------------------ Mysteriöse Mondscheingespräche „Zac, ehrlich, du musst das nicht machen. Es ist wirklich gefährlich, nachts durch den Simplex Wald zu laufen.“ „Was du nicht sagst. Und dann soll ich dich alleine lassen? Du bist verletzt, natürlich werde ich dich da bei Lady Diana abholen. Ich lasse dich doch nicht alleine durch den Wald laufen!“ „Ich bin doch nicht alleine“, seufze ich auf. „Ja, noch ist dieser … nein diese… oder doch? Na egal, dieser Mensch bei dir, aber er oder sie wird ja wohl auch bald alleine weiterreisen. Immerhin hieß es, diese Person begleitet dich zu Lady Diana und das war’s dann.“ „Aber-“ setze ich an, doch Zac unterbricht mich einfach. „Nein, Svenja, keine Widerrede. Xanny und ich werden bei Lady Diana auf euch warten. Wir sehen uns nachher.“ Und damit legt er einfach auf. Verblüfft starre ich mein Handy an, bevor ich es wieder in meinem türkisfarbenen Rucksack verstaue. Eigentlich wollte ich Zac nur anrufen, um ihm zu sagen, dass ich es wohl nicht schaffe, um 8 Uhr wieder bei ihnen und aus diesem Wald raus zu sein, wie ich es ihnen versprochen hatte. Doch Zac scheint sein Versprechen mir gegenüber wahr machen zu wollen. Wenn ich um 8 Uhr noch nicht bei ihnen bin, dann kommt er mich im Simplex Wald suchen. Und darum läuft er jetzt auch gerade mit Xanny durch den Wald zu Lady Diana, um dort auf mich zu warten. „War das dein Freund?“, fragt Robin neben mir neugierig. Noch immer werde ich von ihr und ihrem Glutexo gestützt. Nachdenklich sehe ich sie an. Ja, Zac ist in den letzten Tagen tatsächlich zu einem guten Freund geworden. Auch wenn sie mit ihrer Frage natürlich wissen will, ob Zac mein fester Freund ist. „Ein Freund, ja, aber nicht mein Freund.“ Doch wenn ich die Zeichen richtig deute, dann ist er vielleicht irgendwann Xannys Freund. Zumindest Zac scheint an Xanny interessiert zu sein. Aber das geht mich auch eigentlich nichts an, sondern nur die zwei. „Jedenfalls werden wir wohl ein wahres Begrüßungskomitee haben, wenn wir bei Lady Diana ankommen. Zac und meine beste Freundin Xanny erwarten uns dort und bereiten Lady Diana schon mal auf alles vor.“ Ich seufze auf. Hoffentlich kommen die beiden unbeschadet bei Lady Diana an. Immerhin sind jetzt auch die ganzen nachtaktiven Pokémon unterwegs, wie wir drei leider schon erfahren durften. Dieses riesige Irrbis war wirklich hartnäckig, aber Salim konnte es zum Glück verjagen. „Nun, dann sollten wir uns beeilen, sonst fangen die die coolen Sachen noch ohne uns an.“ Bestimmt zieht Robin mich weiter, diesmal deutlich schneller als gerade eben noch. Verdammt, mal sehen wie lange ich da mithalten kann. Robin ist auf jeden Fall sehr viel sportlicher als ich. Eine knappe Stunde später kann ich endlich die Lichtung, auf der Lady Dianas Hütte steht, sehen, sowie den Bach rauschen hören. Und ich höre noch ganz andere Dinge. „Xatu, Schnabel!“, ertönt Zacs Stimme zu mir herüber. Einen Moment ist es still, dann trillert Xatu triumphierend auf. „Gut gemacht, Xatu.“ Da meldet sich eine sanftere und leisere Stimme zu Wort. „Eine schöne Idee, sich mit dem Teleport ungesehen zum Gegner zu bewegen und sich so auch schnell wieder aus der Gefahrenzone bewegen zu können. Dass habt ihr beide gut trainiert, Xatu, Zac. Zeigt mir nun, wie ihr mit einem Angriff umgeht. Schlapor, Ruckzuckhieb.“ Keinen Atemzug später höre ich schon Xatus Schmerzensschrei und höre, wie es irgendwo gegen klatscht. Vielleicht gegen einen Baum, denn ein Geräusch erklingt, als wäre es nochmal zu Boden gefallen. Nun beeile ich mich noch mehr. Welches Pokémon schafft es, Xatu mit einem Ruckzuckhieb fast zu besiegen? Auch Robin scheint neugierig zu sein, denn sie zieht mich sogar noch hinter sich her. „Xatu“, keucht Zac erschrocken, doch sein Pokémon zwitschert ihm leise und definitiv erschöpft zu. Aber das heißt, es ist noch nicht besiegt. „Kannst du noch weiter machen?“ Wieder trillert das Pokémon leise. „Ich bin stolz auf dich. Sehr gut, Xatu. Verdammt, ist dieses Schlapor schnell. So sieht es gar nicht aus.“ Zustimmendes Zwitschern. „Es ist sogar schnell als du, selbst wenn du Teleport einsetzt. Trotzdem, wir geben nicht auf. Nachtnebel, Xatu.“ Gerade als Zac seinen Befehl ausspricht, durchbrechen wir drei endlich die Baumreihe und sehen Zac und Xatu auf der einen Seite und Lady Diana und ein Schlapor auf der anderen Seite. Xanny sitzt in sicherer Entfernung bei dem See auf einem großen, glatten Stein und scheint einige der Pokémon zu streicheln, wobei sie aber auch aufmerksam den Kampf verfolgt. Aber Moment! Was ist das? Dieses Schlapor hat schwarze Flecken an den Beinen und die Ohren… die sonst so schönen wuscheligen Ohren sind nun… geflochten? Was ist los mit diesem Pokémon? Neben mir stößt Robin ein unmenschlich hohes Fiepen aus und ich sehe sie überrascht und auch erschrocken an, doch die bemerkt das gar nicht. Ihre Augen kleben an dem seltsamen Schlapor und verfolgen es mit größter Bewunderung. Auch Salim hat mich los gelassen und sieht nun fasziniert dem Kampf zu. Gerade als Xatu den schwarzen Nebel ausgestoßen hat, stößt sich das Schlapor mit seinen langen Beinen vom Boden ab und springt aus dem Stand so hoch in die Luft, dass es auf dem Wipfel eines hohen Baumes landet. Der biegt sich unter diesem Gewicht zur Seite nach unten, also lässt Schlapor den Baum los, schlägt einen Salto in der Luft und sieht dabei zu seiner Trainerin. Lady Diana nickt leicht und ihr Pokémon sieht wieder konzentriert auf den Gegner. Dann zieht es ein Knie an den Körper, das andere ist angewinkelt und zielt auf Xatu. Wird das ein Turmkick? „Xatu, Tele-!“, will Zac schreien, doch noch bevor er seinen Befehl beenden kann, ist das Schlapor schon mit dem Knie voraus und mit seinem ganzen Gewicht und dem Schwung, den es durch den Fall hatte, auf Xatu gelandet und hat das kleine Vogelpokémon sprichwörtlich in den Boden gestampft. Es ist besiegt. „O mein Gott, das war der Wahnsinn! Überkrass! Einfach nur fucking fantastisch!“, bricht Robin auf einmal neben mir in Jubel aus und rennt auf die beiden Pokémon zu. „Das war einfach unbeschreiblich!“ „Ähm, naja. Dankeschön“, erwidert Zac verlegen, kratzt sich im Nacken, wird leicht rot und ruft schnell sein Xatu in den Ball zurück. Robin wirft ihm nur einen kurzen Blick zu. „Ich rede doch nicht mit dir. Ich rede mit Lady Diana und ihrem fabelhaften Mega Schlapor!“ Dann wendet sie sich wieder Schlapor zu, streckt die Hand nach ihrem Ohr aus, doch kurz davor hält sie inne. „Darf ich?“ Das Schlapor lächelt sanft, nickt und sofort streichelt Robin ihm das Ohr entlang. „Oooh, so weich!“, quietscht sie sofort auf. Schlapor lächelt, dann tritt es einen Schritt von Robin zurück und leuchtet kurz in einem braunen Licht auf. Als sich dieses Schimmern einen Lidschlag später wieder verzogen hat, sieht das Schlapor wieder aus wie ein ganz normales Schlapor. Die Mega Entwicklung! Jetzt erinnere ich mich wieder! Wir hatten das mal im Unterricht, aber ich habe noch nie eine Mega Entwicklung live miterleben dürfen. Vermutlich habe ich es deshalb wieder vergessen. Weil es so unwahrscheinlich ist, jemals eine zu sehen, geschweige denn, selbst einsetzen zu können. Schlüsselsteine sind äußerst selten und den passenden Megastein für das eigene Pokémon zu finden fast unmöglich. Ich wusste gar nicht, dass Lady Diana und ihr Schlapor diese Entwicklung einsetzen können! „Svenja!“, ruft Zac auf einmal aus und rennt auf mich zu. Plötzlich spüre ich wieder, wie unglaublich schwach ich eigentlich auf den Beinen bin, die Faszination hat mich das kurz verdrängen lassen, doch nun kommt die Erschöpfung mit aller Macht zurück. Schwer stütze ich mich auf Zac, der mir auch gleich einen Arm um die Hüfte und meinen Arm über seine Schulter legt. Auch Xanny hat mich nun entdeckt und rennt auf mich zu. „Oh Sweety, was machst du nur immer für Sachen? Wir haben uns solche Sorgen gemacht!“ „Komm, gehen wir rein. Lady Diana hat schon alles vorbereitet. Gleich geht es dir und deinen Pokémon wieder besser. Und danach musst du uns unbedingt alles erzählen“, drängt Zac und ich lasse mich einfach von ihm mitziehen. Lady Diana und Xanny sind direkt hinter uns, nur Robin und Salim bleiben draußen und bewundern weiter das nun nicht mehr megaentwickelte Schlapor. „Setzt sie dort hin“, bittet Lady Diana, sobald wir die Hütte betreten und Zac und Xanny führen mich zu einem aufgestellten und bezogenen Feldbett. Langsam lasse ich mich darauf sinken und zische gepeinigt auf. „Svenja, was stellst du nur jedes Mal an in diesem Wald, hm?“, fragt Lady Diana sorgenvoll, sobald sie sich auf einen Stuhl mir gegenüber gesetzt hat. „Ziehst du bitte dein Oberteil und deinen Rock aus, damit ich mir die Verletzungen besser ansehen kann? Ich kann deine Kleidung nachher auch wieder herstellen, keine Sorge, aber zuerst kümmern wir uns um dich und deine Pokémon. Oxana, würdest du deiner Freundin helfen? Und Zac-?“ „Ja?“, fragt dieser eifrig. „Würdest du… bitte…?“ Leicht zeigt Lady Diana auf die Tür, die aus der Hütte heraus führt. Kurz sieht Zac sie verwirrt an, dann fällt sein Blick auf mich, die ich gerade nach dem Saum meines Oberteils greife und sofort wird er flammend rot und stottert: „Oh… ja… ja natürlich… . Entschuldigung.“ Ohne eine weitere Sekunde zu verlieren dreht er sich um und eilt aus der Hütte. „Diese jungen Männer heutzutage.“ Seufzend schüttelt Lady Diana den Kopf, dass ihr die Brille etwas runter rutscht und sie sie erstmal wieder richten muss. Danach mustert sie mich aus ihren klugen, gütigen Augen, denn dank Xannys Hilfe hab ich mich bis auf die Unterwäsche ausgezogen. Zum ersten Mal sehe ich das volle Ausmaß der Verletzungen. Meinen ganzen Körper zieren Kratzer und Schnitte. Sie alle sind gerötet, einige bluten auch, allerdings ist keiner von ihnen so tief, dass das Blut in Strömen fließen würde. Anders als beim letzten Mal, was sehr beruhigend ist. Trotzdem tut mein gesamter Körper weh und entzieht mir alle Energie. Lady Diana dagegen nickt zuversichtlich. „Das bekomme ich wieder hin. Die Schnitte sind nicht so tief. Es werden nicht einmal Narben zurück bleiben.“ Erleichtert atme ich auf. Ein Glück! Nicht noch mehr Narben, die mich verunstalten und meinen Alltag erschweren. Schnell greift Lady Diana nach einem nassen Waschlappen, reicht ihn mir und befiehlt mir, mich erst einmal sauber zu machen, damit nicht noch Dreck in die Wunden kommt. Während ich mich also wasche, zerstampft Lady Diana mit geübten Griffen Kräuter, zerschneidet eine Pflanze und presst aus einigen Beeren den Saft aus. Dies alles mischt sie zusammen und verstreicht es auf Mullbinden, die sie dann in gleich große Stücke schneidet. Xanny währenddessen presst derweil Wikie- und Palmbeeren aus, deren Saft ich nachher trinken soll. Sobald ich mich abgewaschen habe, desinfiziert Lady Diana alle meine größeren und kleineren Wunden, was nicht gerade angenehm ist, aber wenigstens haben die meisten der Schnitte aufgehört zu bluten. Danach verbindet Lady Diana alle größeren Schnitte mit den vorbereiteten Mulltüchern und schmiert auf die restlichen Kratzer die Salbe, die angenehm kühl ist und den Schmerz quasi heraus zieht. Als ich dann auch nach Xannys Beerensaft getrunken habe, geht es mir tatsächlich schon wieder besser. Auch meine Müdigkeit ist verflogen, der Saft hat mir einen Energiekick gegeben und so ziehe ich mir, in Ermangelung von etwas anderem, eine schwarze Jogginghose und einen türkisfarbenen Hoodie an, den ich in meinem Rucksack dabei habe. „Gut, dann kümmern wir uns jetzt mal um deine Pokémon. Sie sind beide ko., nehme ich an?“, fragt Lady Diana. Ich nicke und reiche ihr die beiden Pokébälle. „ Ich habe den Vitalkräutern schon ihren Saft entzogen, wir können ihnen die Medizin also gleich geben. Beginnen wir mit Lin-Fu. Svenja, würdest du bitte von dem Feldbett aufstehen, damit ich Lin-Fu darauf entlassen kann?“ Sofort springe ich auf und stelle mich auf die andere Seite des Bettes. Gleich darauf hat Lady Diana Lin-Fu aus ihrem Ball entlassen und diese materialisiert sich auf dem Feldbett. Sie ist immer noch ko. und ihr Körper ist von Schnitten übersäht, allerdings nicht mit so vielen wie es bei mir der Fall war. Wenigstens konnte ich sie ein wenig beschützen. „Mach dir keine Sorgen, meine Liebe. Die Schnitte werden sich schließen und Lin-Fu wird wieder zu sich kommen, sowie sie den Saft des Vitalkrauts getrunken hat. Es wirkt eigentlich wie ein Topbeleber, außer das Vitalkraut sehr bitter schmeckt. Aber deshalb habe ich Wasmelbeerensaft hinzugefügt, der verleiht dem Ganzen einen süßen Geschmack.“ Mit diesen Worten beugt sie sich über Lin-Fu, öffnet ihren Mund und lässt eine grüne Flüssigkeit in ihren Mund laufen. Mit sanften Bewegungen massiert Lady Diana solange Lin-Fus Kehle, bis diese schließlich schluckt. Einen Wimpernschlag später kann ich mit großen Augen bestaunen, wie alle Wunden auf Lin-Fus Körper sich langsam zu schließen beginnen. Erstaunt streiche ich über Lin-Fus Arm, der gerade eben noch von Schnitten geziert wurde. Nun spüre ich nichts anderes mehr als glatte Haut und weiches Fell. Als Lin-Fu leise schmatzt, blicke ich sofort in ihr Gesicht und sehe, wie sie ihre Augen öffnet. Kurz sieht sie sich panisch um, bevor ihre braunen Augen meine türkisblauen treffen. Sofort wird sie ruhig und ruft stattdessen freudig „Lin-Fu!“ Ich lache erleichtert auf. „Lin-Fu. Dir geht es wieder gut!“ Mein Pokémon nickt energisch, bevor sie mit einem Satz vom Feldbett springt. „Lin-Fu Fu!“ Ich muss grinsen. „Das ist fantastisch.“ „Nun, dann machen wir jetzt genau dasselbe mit Karnimani“, bestimmt Lady Diana, ruft ihn aus seinem Pokéball und drapiert ihn auf dem Feldbett. Während Lady Diana mir meine beiden Pokébälle reicht und ich sie wieder an meinem Gürtel befestige, hat Lin-Fu Xanny entdeckt und saust auf diese zu. „Fu Fu!“ „Ich freue mich auch dich zu sehen, Lin-Fu“, lacht Xanny auf. Karnimani sieht noch schlimmer aus als Lin-Fu und selbst schlimmer als ich. Viele der Schnitte sind lang und tief und seine Schuppen sind blutverschmiert, auch wenn dieses schon getrocknet ist. Deshalb wasche ich ihn mit dem Waschlappen, mit dem ich mich selbst auch eben gewaschen habe, ab. Nicht, dass er erwacht und durch den Geruch seines eigenen Blutes ausrastet. Sobald ich fertig bin, öffnet Lady Diana Karnimanis Maul und tröpfelt die Flüssigkeit hinein. „Warum haben Sie mir das nicht auch einfach gegeben?“, frage ich neugierig. Sanft massiert Lady Diana Karnimanis Kehle, während sie mir antwortet. „Weil du kein bewusstloses Pokémon bist. Vitalkräuter setzt man nur bei Bewusstlosigkeit ein, ihre Heilungskräfte sind zu stark, um sie einem nur leicht verletzten Pokémon zu geben. Was mich zum zweiten Punkt bringt. Menschen haben längst keine so großen Selbstheilungskräfte wie Pokémon. Das Vitalkraut aktiviert und unterstützt diese Kräfte nur, bei Menschen hätte es keine oder sogar eine negative Wirkung.“ Dann war es wohl wirklich besser, dass ich das Vitalkraut nicht gegessen habe. Im nächsten Moment schließen sich auch bei Karnimani alle Wunden und er reißt die Augen auf. „Karnimani! Geht es dir gut?“, frage ich sofort und mache einen Schritt auf ihn und das Feldbett zu. Mein Pokémon reagiert nicht, stattdessen springt er von dem Feldbett in eine Ecke der Hütte und mustert uns alle. Er sieht beunruhigender Weise etwas wütend aus. Zuerst trifft sein Blick mich, wandert dann weiter zu Lady Diana und Xanny, die ihn ängstlich ansieht, dann bleibt sein Blick an Lin-Fu hängen. Sofort wird sein Gesichtsausdruck noch finsterer und er bleckt die Zähne. „Marni!“ , knurrt er dunkel und macht einen drohenden Satz auf Lin-Fu zu, die ihn ebenfalls wütend aussehend erwartet. Geht der Streit zwischen den beiden etwa schon wieder los? Offensichtlich ja, denn in dem Moment springt Karnimani vor und kratzt Lin-Fu. Die schreit empört auf und holt nach Karnimani aus. Entschlossen falle ich ihr den Arm. „Schluss damit! Hört auf euch zu bekämpfen! Ich dachte, wir hätten das geklärt? Wir sind im selben Team, also kämpfen wir nur zusammen und beschuldigen einander nicht für irgendetwas.“ Langsam lasse ich Lin-Fus Arm los und sehe meine beiden Pokémon, zwischen denen ich stehe, streng an. „Habt ihr das verstanden?“ Lin-Fu schnaubt schnippisch, doch unter meinem ernsten Blick knickt sie irgendwann ein und nickt wiederwillig. „Karnimani?“ Auffordernd sehe ich ihn an. Mehr als wütend sieht Karnimani erst Lin-Fu, dann mich an, macht sogar einen drohenden Schritt auf mich zu, sodass ich kurz glaube, er wird mich gleich angreifen, doch dann weicht er zurück. Irgendwie bitter bleckt er die Zähne, bevor er noch einmal wütend faucht und aus der Tür nach draußen rennt. „Karnimani!“ Wenn er jetzt wieder in diesen Wald abhaut, finde ich ihn nie wieder. Es ist schon mitten in der Nacht und dementsprechend dunkel. Ich Wald werde ich nicht mal mich selbst finden, geschweige denn ihn. Und dann raste ich aus! Schnell folge ich ihm und sehe mich suchend auf der Lichtung um. Doch außer Zac, Robin und Salim kann ich niemanden entdecken. Plötzlich höre ich von links ein Platschen und sofort drehe ich mich zu dem kleinen See um, der von dem hellen Vollmond beschienen wird, und gehe näher. Und da ist er. Voll wilder, wütender Energie schwimmt Karnimani durchs Wasser, taucht unter und jagt irgendwelchen Wasser Pokémon hinterher, bevor er wieder von ihnen ablässt und auftaucht. „Ihr beide scheint eure Beziehung zueinander verbessert zu haben“, spricht auf einmal eine Stimme hinter mir und ich fahre erschrocken herum. Da steht Lady Diana und lächelt mich an, bevor sie sich langsam auf einen großen Felsen sinken lässt. Auffordernd tätschelt sie auf den Platz neben sich und ich setze mich neben sie. Stumm beobachten wir einige Momente meinen Starter. „Meinten Sie das eben ernst oder war das ironisch gemeint? Und wenn Sie es ernst meinten, wie kommen Sie dann darauf, dass sich unsere Beziehung verbessert hat?“, frage ich irgendwann in die Stille hinein. Inzwischen hat sich Karnimani wieder beruhigt und treibt ruhig auf dem Rücken liegend auf der Wasseroberfläche. Würde der Mond uns kein Licht spenden und sich auf der Seeoberfläche spiegeln, würde ich ihn gar nicht sehen, so dunkel ist es inzwischen. Es muss schon nach 22 Uhr sein. Kurz bleibt es ruhig, dann antwortet Lady Diana leise: „Natürlich meinte ich das ernst, Svenja. Zum einen akzeptiert uns Karnimani hier in seiner Nähe und scheint noch nicht einmal von uns genervt zu sein. Dass war beim ersten Mal definitiv anderes. Außerdem ist er nicht weggelaufen, wie er es beim letzten Mal gemacht hat. Er ist lediglich aus der Situation geflohen, als es ihm zu viel wurde. Karnimani war vorhin sehr wütend und wollte Lin-Fu angreifen. Gleichzeitig wollte er dich aber nicht verletzen, was schon ein gewaltiger Fortschritt zum letzten Mal ist. Und als er merkte, dass er die Kontrolle über sich und seine Wut zu verlieren drohte, ist er aus der Situation geflohen, weil er nicht riskieren wollte, dich zu verletzten. Stattdessen hat er sich einen ruhigen Ort gesucht, an dem er seine Wut loswerden kann, ohne dich zu gefährden. Also ich nenne das eine Verbesserung eurer Beziehung. Du nicht?“ Ich denke darüber nach. Doch, Lady Diana hat recht. So hab ich es noch gar nicht gesehen. Aber unsere Beziehung hat sich verbessert, sogar mehr als ich dachte. „Manchmal braucht man eben andere Menschen, die einem helfen, Dinge aus einer anderen Perspektive betrachten zu können, Svenja. Genauso ist es mit Pokémon. Ohne sie würden wir viele Dinge ganz anderes sehen oder gar nicht erkennen. Aber dazu müssen wir die Pokémon verstehen lernen. Wir müssen ihre Körper- und Lautsprache verstehen und unsere Pokémon kennenlernen. So schmieden wir ein unzerstörbares Freundschaftsband zwischen den Herzen unserer Pokémon und unserem. Und dieses Band leitet uns, damit wir die Gedanken und Gefühle unsere Pokémon verstehen können. Je stärker es ist, desto einfacher wird es. Wenn du tief genug in dich hineinspürst, wirst du es finden. Jenes Band, was dich mit deinen Pokémon verbindet. Merk dir, was ich dir gerade erklärt habe. Es wird wichtig werden. Du darfst es niemals vergessen, Svenja.“ Absolut verwirrt und sprachlos sehe ich Lady Diana an. Von was redet sie da bitte? Klar, ich liebe meine Pokémon und das verbindet mich mit ihnen, aber ein wirkliches Band, was mein Herz mit ihren verbindet? „Versprich es mir, Svenja! Versprich mir, dass du dich an meine Worte erinnern wirst, wenn die Zeit gekommen ist.“ Zum ersten Mal wendet Lady Diana sich zu mir und sieht mir ins Gesicht. Ich fahre erschrocken zusammen. Ihre Augen! Sie sind strahlend weiß! Alles ist weiß, sie hat noch nicht mal eine Iris oder Pupille! Reflexartig nicke ich und stottere: „Ich verspreche es!“ Lady Diana nickt langsam, dann starrt sie auf den See, in die Reflexion des Mondes und schüttelt lange und langsam den Kopf. Schließlich seufzt sie, rutscht langsam von dem Felsen und steht auf. Ich sitze immer noch wie angewurzelt da und starre sie entsetzt an. Noch einmal sieht Lady Diana nach oben zum Mond, dann sieht sie mich an und lächelt. Da! Ihre Augen sind wieder ganz normal! Dunkelbraun, große Pupillen und mit diesem sanften Ausdruck darin. „Ich werde nun schlafen gehen, Svenja. Und das solltest du auch tun. Du bist ziemlich blass, meine Liebe. Verlässt dich der Energieschub? Nun, das beste Mittel ist eben immer noch Schlaf. Du und deine Freunde können heute bei mir in der Hütte schlafen. Zac und Oxana haben schon alles vorbereitet.“ Freundlich lächelnd sieht Lady Diana mich an, doch ich bringe kein Wort heraus. Der Schock sitzt noch zu tief. „Na, dann bleib noch ein bisschen hier sitzen. Aber nicht mehr zu lang. Du siehst wirklich aus, als könntest du etwas Schlaf gut gebrauchen. Gute Nacht, Svenja.“ Ein letztes Mal lächelt Lady Diana mich an, bevor sie langsam und vor sich hin summend zur Hütte geht. Ich sehe ihr nach, bis die Tür hinter ihr ins Schloss fällt, dann sehe ich zu Karnimani, der auf dem Rücken schwimmt, gleichmäßig mit dem Schweif schlägt und den Mond betrachtet. Was bei Arceus war das eben? Am nächsten Morgen wache ich schweißgebadet in meinen Schlafsack auf. Hektisch atmend fahre ich hoch und stelle fest, dass alle anderen wohl schon wach sind und atme tief ein und aus. Darkrai, der Traum war seltsam. Ich habe mich, Karnimani und Lin-Fu gesehen. Meine Pokémon waren mit mir durch ein Lichtband verbunden, was von meinem Herz zu ihrem geführt hat. Genau wie Lady Diana es gestern beschrieben hat. Lin-Fus Band war braun, Karnimanis blau. Ich selbst habe in allen Regenbogenfarben geglüht. Und ich habe Gefühle gespürt, die nicht meine eigenen waren. Aber dann haben sich die beiden Bänder ineinander verknotet und dann war da plötzlich nur noch Dunkelheit. In mir und um mich herum. Die Bänder waren zwar noch da, aber Lin-Fu und Karnimani waren in der Dunkelheit verschwunden. Und plötzlich haben die Bänder versucht mich einzuwickeln, zu fesseln und mir die Luft abzuschnüren. Kurz davor bin ich aufgewacht. Arceus sei Dank, denn das war wirklich beängstigend. Erst Lady Diana und dann mein Unterbewusstsein. Was läuft hier gerade ab? Langsam stehe ich auf und ziehe mir meinen weißen Rock und mein fliederfarbenes Top an, was ein Glück irgendwer geflickt hat. Lady Diana vermutlich. Nachdem ich in meine schwarzen Turnschuhe geschlüpft bin und mir meinen Gürtel umgelegt habe, packe ich meine Schlafsachen wieder in meinen Rucksack, denn auch Zac und Oxana haben ihre Sachen schon zusammengepackt. Sie sind also schon Aufbruch bereit. Den Rucksack von Robin kann ihr gar nicht sehen. Ist sie etwa schon gegangen? Ohne sich zu verabschieden? Ohne, dass ich mich bedanken konnte? Als ich von draußen Stimmen höre, beeile ich mich nach draußen zu kommen. Sobald ich die Tür öffne, werde ich von hellem Sonnenlicht geblendet. Wie viel Uhr ist es eigentlich? Blinzelnd versuche ich meine müden Augen an das Licht zu gewönnen und zucke etwas zusammen, als mich auf einmal jemand an der Hand nimmt. „Morgen, du Schlafmütze. Wir dachten schon, du stehst heute gar nicht mehr auf.“ Xanny. „Willst du etwas frühstücken? Ich habe dir zwei Brötchen aufgehoben und Magostbeerenmarmelade. Die magst du doch so gerne, nicht wahr?“ Stumm nicke ich und lasse mich von Xanny, die heute Morgen sehr energiegeladen zu sein scheint, zu einem gedeckten Tisch in der Nähe des Sees ziehen. Dort sitzt auch Zac, der gerade in ein Nutella Brötchen beißt, sowie Karnimani und Lin-Fu, die vor ihren Fressnäpfen sitzen und ebenfalls schon frühstücken. „Guten Morgen, Svenja“, begrüßt Zac mich, sobald er herunter geschluckt hat. „Morgen, Zac“, erwidere ich langsam. Mein Kopf ist immer noch überfordert von dem, was gestern Abend und heute Nacht alles passiert ist. „Morgen, Karnimani, morgen, Lin-Fu.“ Die zwei schmatzen mir eine Begrüßung zu, machen sich dann aber wieder über ihr Essen her. „Jetzt setzt dich erstmal“, bestimmt Xanny und drückt mich energisch auf einen Stuhl. „Und dann iss etwas, du scheinst immer noch nicht richtig fit zu sein.“ Mechanisch nicke ich, greife nach Brötchen und Messer und beginne mir Frühstück zu machen. Während meine Gedanken nur um das Erlebte kreisen, höre ich auf halbem Ohr Xanny und Zac zu. „Du … hast da was“, höre ich Xanny leise sagen. „Wo, hier?“, will Zac sofort alarmiert wissen. „Nein, da.“ „Hier?“ „Nein.“ Leise lacht Xanny. „Da.“ Und damit beugt sie sich über den Tisch und scheint das, was auch immer in Zacs Gesicht war, wegzuwischen. Ich verbeiße mir das Grinsen. Diese zwei sind niedlich, wie sie so um einander herumschleichen. „Da-danke“, höre ich Zac verlegen stottern. Xanny kichert, während sie sich auf ihren Sitz zurück plumpsen lässt und fasziniert auf ihre Finger in ihrem Schoß starrt, sodass ihr ihre langen blauen Haare vors Gesicht fallen. Ohne hinzusehen könnte ich schwören, dass die beiden gerade genau denselben Rotton angenommen haben. Lächelnd sehe ich weiterhin auf mein Brötchen, ich will mich da nicht einmischen, doch ich hebe den Blick, als ich Robins Stimme höre. „Sie stimmen also zu? Sie kämpfen mit ihrem Mega Schlapor gegen mich und Salim?!“ „Wenn du das möchtest, Robin.“ „Oh, vielen Dank. Das ist Wahnsinn! Ich werde sicher so unglaublich viel aus dem Kampf lernen, das wird uns unglaublich helfen!“ „Davon bin ich überzeugt.“ Dann spüre ich eine kleine Hand an meiner Schulter und fahre erschrocken herum. Da steht Lady Diana und lächelt auf mich herunter. Und sie sieht ganz normal aus. „Guten Morgen, Svenja. Wie geht es dir heute? Hat der Schlaf dir geholfen?“ „Gut, danke, ja, das hat er“, bringe ich stotternd hervor. Stirnrunzelnd sieht Lady Diana mich an. „Du wirkst aber immer noch nicht ganz fit. Ist alles in Ordnung? Oder ist etwas passiert? Seit gestern Abend benimmst du dich anders als sonst.“ Verdammt, sie hat mich durchschaut! Aber ich kann sie doch unmöglich auf gestern Abend ansprechen. Auf ihre Augen! Lady Diana würde mich für verrückt halten und Xanny, Zac und Robin auch. Ich kann ja selbst kaum glauben was da passiert ist, wie also sollen es andere tun? Darum lächle ich nur unsicher und schiebe mir eine blonde Strähne hinters Ohr. „Nein, es ist alles okay. Ich bin nur einfach noch müde.“ „Und dass, wo du den halben Tag verschlafen hast“, lacht Zac laut auf und gluckst vor sich hin. Ich werfe ihm einen bösen Blick zu, doch bevor der wirkt, fällt meine beste Freundin mir in den Rücken. „Das ist noch gar nichts. Sweety ist der absolute Langschläfer, wenn sie von nichts geweckt wird, würde sie wohl solange schlafen, bis sie von ihrem eigenen Magenknurren wach wird.“ Laut lacht Zac los und verschluckt sich fast an seinem Brötchen. „Einmal haben wir eine Pyjamaparty bei mir zuhause gemacht und sind erst frühmorgens schlafen gegangen. Ich konnte sie den ganzen restlichen Tag nicht dazu bewegen, aufzustehen. Erst als ihre Eltern um 6 Uhr abends vor der Tür standen, ist sie murrend aufgewacht und im Schlafanzug zu sich nach Hause gelaufen. Ich wette, sie hat sich einfach in ihr Bett geschmissen und hat direkt weiter geschlafen.“ Diesmal lacht Zac so heftig, dass ihm die Tränen kommen und auch Robin lacht mit. Selbst Lady Diana höre ich hinter mir leise glucksen. „Dankeschön, Xanny“, knurre ich leise in ihre Richtung und funkle sie an. Es ist noch früh am Morgen, ich habe schlecht geschlafen und noch nichts richtig gegessen, aber Hauptsache ich bin schon die Lachnummer des Tages! „Stimmt es denn?“, fragt Zac mit einem fetten Grinsen im Gesicht und noch immer leise am Lachen, was meine Stimmung jetzt nicht unbedingt hebt, weshalb meine Gegenfrage auch ziemlich patzig ausfällt. „Stimmt was? Drück dich mal klar aus, Zac.“ Zac räuspert sich und wird wieder ernst. Scheint als würde ihn mein finsterer Blick einschüchtern, denn diesmal fragt er ohne mich auszulachen: „Ob es stimmt, dass du, sobald du zuhause warst, weiter geschlafen hast?“ „Natürlich nicht!“, gebe ich hoheitsvoll zurück und beiße in mein Brötchen, um diese Diskussion jetzt als beendet zu erklären. Zac scheint meine Antwort aber nicht zu glauben, der lacht schon wieder Tränen. Wenn er so weiter macht, dann fließen bei ihm gleich aus einem anderen Grund die Tränen, verdammt! Langsam reicht es echt! Außerdem habe ich die Wahrheit gesagt. Ich bin nicht direkt schlafen gegangen. Ich habe zuvor etwas gegessen und war auf dem Klo. Erst danach habe ich mich in mein Bett gekuschelt und bin sofort wieder eingeschlafen. Wütend schnaube ich auf. „Habe ich nicht eben etwas von einem Pokémon Kampf gehört?“, wende ich mich an Robin, um jetzt endgültig auf ein anderes Thema zu kommen. Robin springt zum Glück direkt darauf an. „Richtig! Lady Diana, könnten wir dann? Ich möchte nach dem Kampf nämlich direkt weiter ziehen.“ „Nun, wenn du es so eilig hast, dann sollten wir wohl anfangen.“ Robin und Lady Diana stellen sich auf einer großen Grasfläche in der Mitte der Lichtung in Positur, während Zac, Xanny, Lin-Fu, Karnimani und ich es uns mit unserem Frühstück in einiger Entfernung im Gras gemütlich machen. „Bist du bereit für einen Übungskampf, Schlapor? Denk daran, die beiden nicht zu überfordern“, erklärt Lady Diana ihrem Pokémon, was in seiner normalen Gestalt schräg vor ihr steht. „Schla Schlapor!“ „Was ist mit euch beiden, Robin, Salim?“ Kampflustig spuckt das Glutexo eine Flamme aus seinem Maul und die Flamme an seiner Schwanzspitze glüht bläulich auf, was Lady Diana zum Schmunzeln bringt. „Salim und ich sind immer bereit für einen Kampf“, ruft Robin der älteren Frau zu. „Das sehe ich. Nun gut, dann dürft ihr beide sehr gerne anfangen.“ Zögernd sieht die Brünette zu der anderen Trainerin. Lady Diana merkt das und fragt: „Ist etwas nicht in Ordnung, meine Liebe?“ „Ich dachte nur, … ich dachte, dass sollte eine Kampf werden, bei dem Sie die Mega Entwicklung einsetzen“, kommt es unerwartet schüchtern von Robin. Lady Diana lächelt. „Oh, keine Sorge. Wenn die Mega Entwicklung wirklich das ist, was ihr wollt, dann werdet ihr uns sicherlich von eurem Wunsch überzeugen können. Und dann werden Schlapor und ich auch nicht zögern, die Mega Entwicklung zu nutzen.“ Robin nickt verstehend, jetzt schon wieder viel selbstsicher. „Na, wenn das so ist. … Salim, beginn mit Heuler!“ Sofort stößt das Feuer Pokémon ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, wodurch wir uns alle die Ohren zuhalten. Schlapor selbst zuckt heftig zusammen. Klar, durch ihre guten, großen Ohren hört sie alles ja noch viel besser. „Glut, Salim!“, fügt Robin hinzu, ohne dem Gegner eine Chance zu geben, anzugreifen. Der scheint ja ohnehin gerade etwas entrückt vom Kampfgeschehen zu sein. Das dachte ich aber auch nur. Denn sobald mehrere Feuerbälle auf Schlapor zufliegen, rennt sie los und zischt so zwischen dem Feuer durch. Das Normal Pokémon ist so schnell, dass ich sie kaum verfolgen kann. „Ruckzuckhieb!“, ruft Lady Diana da. Eine Sekunde später rammt Schlapor Salim und rennt dann wieder an seinen Anfangsstandpunkt zurück. Salim selbst scheint der Angriff nicht allzu viel ausgemacht zu haben. Allerdings hält sich Schlapor wohl auch zurück, da dies hier ja immerhin nur ein Training für Robin und Salim sein soll. Trotzdem nickt Lady Diana lobend. Sie hatte also mit einer größeren Wirkung gerechnet. „Drachenwut, Salim!“ Salim sammelt sich kurz, dann schießt aus seinem Maul ein blau- lilafarbener Strahl hervor, der Schlapor ohne Umwege trifft. Wieder nickt Lady Diana anerkennend. Ich frage mich wirklich, wann sie ernster kämpfen, denn noch lassen sie ihren Gegnern ja viel durchgehen. Ich zweifle nicht daran, dass Schlapor der Drachenwut hätte ausweichen können. „Schlapor, was meinst du? Sie haben dein gutes Gehör für sich genutzt und dich für einige Momente aus dem Konzept gebracht. Sie haben zwar deine Schnelligkeit unterschätzt, aber ein gutes Durchhaltevermögen bewiesen und eine Attacke genutzt, die deine gute Verteidigung ignoriert. Haben sie sich bewiesen?“, will Lady Diana von ihrem Pokémon wissen. Das dreht sich zu ihrem Trainer um und nickt. „Schlaha!“ „Nun denn, meine Schöne, wollen wir?“ Auf einmal zückt Lady Diana ein herzförmiges Amulett, öffnet es und wir alle können den funkelnden Schlüsselstein sehen, der darin eingefasst ist. Sanft streicht Lady Diana über den Stein, während sie ihr Schlapor mit einem liebevollen Blick ansieht. „Lass uns dafür sorgen, dass unsere Herzen im selben Takt schlagen, Schlapor. Mega Entwicklung!“ Mit großen Augen sehe ich wie von Lady Dianas Schlüsselstein auf einmal mehrere graue Lichtstrahlen ausgehen, während aus dem Megastein von Schlapor, den es um sein Ohr trägt, ebenso viele brauen Lichtstrahlen austreten. Jeder einzelne der grauen verbindet sich mit einem der brauen und sobald sie alle miteinander verbunden sind, leuchten alle Strahlen hell auf, sodass man einen Moment weder Lady Diana noch Schlapor ansehen kann, weil sie einfach zu hell strahlen. Geblendet wende ich den Blick ab und sehe erst wieder hin, als ich Schlapor laut „SCHLAPOR!“ rufen höre. Und tatsächlich, da steht Schlapor wieder in ihrer unglaublichen Mega Form. Vor Staunen bekomme ich fast den Mund nicht zu und merke kaum, wie die Marmelade von meinem Brötchen auf das Gras tröpfelt. Das war das erste Mal, dass ich gesehen habe, wie eine Mega Entwicklung abläuft und ich bin überwältigt. Robin scheint es nicht viel anders zu gehen. Mit verzücktem Blick sieht sie das megaentwickelte Schlapor an und scheint sich nicht zu erinnern, dass sie sich gerade in einem Kampf befindet. Aus diesem Grund ist es wohl auch kein Wunder, dass sie und ihr Pokémon viel zu spät reagieren, als Lady Diana einen Turmkick befiehlt. Schlapor springt in die Luft, macht eine elegante Drehung um sich selbst, bevor sie mit vollem Schwung, den sie durch die Drehung maximiert hat, auf Salim landet. Keuchend geht das Feuer Pokémon zu Boden. „Salim!“, schreit Robin entsetzt auf. Also dieser Angriff war wirklich nicht von schlechten Eltern. Scheint als würden Lady Diana und Schlapor jetzt ernst machen. Schlapor ist mit einem Sprung wieder in ihrer Position schräg vor Lady Diana und Salim rappelt sich langsam wieder auf. Den erleichterten Seufzer von Robin erkennt man bis hier. „Kannst du weiter kämpfen?“ Ihr Pokémon schnaubt wie am Anfang des Kampfes eine Flamme aus, doch diesmal ist sie längst nicht so groß und hell. Salim muss wirklich erschöpft sein. „Dann setz noch einmal Heuler ein“, befiehlt Robin und streicht sich die kurzen Haare aus den Augen, bevor sie sich, wie wir alle, die Ohren zuhält, als ihr Pokémon losbrüllt. Doch diesmal ist es nicht so laut, weshalb Schlapor sich auch diesmal nicht aus dem Konzept bringen lässt. Sobald der Lärm verklingt, ruft Lady Diana: „Rückkehr.“ „Schla!“ So schnell kann man nicht gucken, wie Schlapor losgerannt ist und seinen Gegner umgerannt hat. Salim hat keine Chance. Von Schlapor getroffen, taumelt er ein, zwei Schritte nach hinten, bevor er leise „Gluuuteeexooo“ seufzt und besiegt umkippt. „Glutexo!“, schreit Robin erschrocken auf und rennt schnell auf ihr besiegtes Pokémon zu. Schlapor, was daneben steht und gerade wieder seine normale Gestalt annimmt, beachtet sie gar nicht. Die Trainerin kniet sich neben ihren Starter und legt vorsichtig seinen Kopf auf ihren Schoß, da sich das Pokémon gerade noch im besiegten Zustand befindet. Vorsichtig streicht sie ihm über die Stirn und ich sehe, wie sich ihr Mund bewegt und sie wohl irgendetwas zu ihrem Pokémon sagt, kann aber nicht verstehen, was. Dann ruft sie ihr Pokémon in seinen Ball zurück und geht auf Lady Diana zu. Diese lächelt, doch weil sie jetzt in normaler Laustärke sprechen und nicht mehr schreien, kann ich nicht verstehen, was sie miteinander bereden. Schließlich konzentriere ich mich wieder mehr auf mein Frühstück und stelle entsetzt, dass meine Marmelade fast komplett von meinem Brötchen verschwunden ist und stattdessen den Boden ziert. „Verdammt!“ Einige Zeit später, ich bin schließlich auch mal fertig mit Frühstücken und unterhalte mich gerade mit Zac und Xanny, stößt Robin zu uns. Sie hat ihr schwarzes Top, die weiße Weste und die Jeans von gestern an, ihren Rucksack auf dem Rücken und Salim läuft wieder gesund und munter neben ihr her. „Hey, ihr drei. Ich wollte mich nur kurz von euch verabschieden. Salim und ich werden jetzt mal weiter ziehen. Wir waren lange genug an einem Ort.“ „Oh, wirklich, jetzt schon?“, frage ich enttäuscht. Ich hatte gehofft, mich irgendwie noch bei ihr erkenntlich zeigen zu können. Immerhin hat sie mich und meine Pokémon gestern gerettet. „Ja, na klar. Es ist schon fast Mittag und uns hält ihr nichts mehr.“ Mit einem Satz bin ich auf den Beinen und fasse mit beiden Händen nach ihrer rechten Hand. Verwirrt sieht Robin mich an, versucht aber nicht, ihre Hand weg zu ziehen. „Danke für deine Hilfe. Ohne dich und Salim… ich weiß nicht, was passiert wäre. Wir wären auf jeden Fall nicht so glimpflich davon gekommen. Dass es meinen Pokémon und mir jetzt so gut geht, verdanken wir nur euch zwei. Also danke dafür, Robin.“ Das Mädchen lächelt leicht und legt ihre linke Hand auf meine beiden. „Das war selbstverständlich, Svenja. Dass hätte jeder, der ein wenig Mitgefühl und Verstand besitzt, getan.“ Weil ich nicht weiß, was ich darauf erwidern soll, bleibe ich stumm, doch das macht nichts, weil Robin einfach weiter redet. „Außerdem ist es ja nicht so, als hätte das Ganze nicht auch etwas Gutes für mich gehabt.“ Grinsend fährt sie sich durch die braunen, kurzen Haare, während ich sie verwirrt ansehe. Ich weiß wirklich nicht was sie meint. Ich konnte ihr nichts gegeben bis auf meinen Dank gerade. Mit funkelnden Augen dreht Robin sich um, während sie hinzufügt: „Lady Diana hat mir gerade eben nach unserem Kampf ein Pokémon Ei geschenkt.“ Und tatsächlich, jetzt, wo sie mir den Rücken zuwendet, sehe ich, dass ihr Rucksack oben geöffnet ist und dort eine Glasbehälter herausschaut, in dessen Mitte auf einem weißen Kissen ein braungepunktetes Pokémon Ei liegt. „Und das hat dir wirklich Lady Diana geschenkt?“, fragt Xanny leise und tritt vorsichtig neben mich, um das Pokémon Ei auch sehen zu können. „Also, genaugenommen war es Schlapor, die mir das Ei gegeben hat“, erzählt Robin und dreht sich wieder zu uns herum. „Und Lady Diana hat mich dann eben gebeten, mich liebevoll um das Pokémon zu kümmern und es gut zu trainieren. Sie meinte, es würde mir bei meinem Traum helfen.“ Nun tritt auch Zac näher zu uns. „Deinem Traum? Was meint sie damit? Und weißt du denn, was für ein Pokémon sich in dem Ei befindet?“, fragt der 16 jährige neugierig wie immer. In Robins grüne Augen tritt ein schwärmerischer Glanz, als sie zu erzählen beginnt. „Ich bin ein großer Fan und Bewunderer der Mega Entwicklung. Ist euch noch gar nicht aufgefallen, was? Jedenfalls möchte ich später auch mit meinen Pokémon die Mega Entwicklung einsetzen können. Für Salim wäre dies eigentlich schon möglich, den Schlüsselstein und den passenden Gluraknit habe ich schon von meinem Vater . Salim muss sich nur noch zu einem Glurak entwickeln. Aber nein, ich habe keine Ahnung, was da für ein Pokémon schlüpfen wird. Auch wenn ich natürlich hoffe, dass es ein Pokémon ist, das die Mega Entwicklung beherrscht.“ „Du solltest das Ei von deinem Glutexo warm halten lassen“, meint Xanny auf einmal neben mir leise. „Sein inneres Feuer wird dafür sorgen, dass das Pokémon in dem Ei schneller schlüpfen wird.“ Einen Moment sehen wir alle Xanny sprachlos an, sodass die rot wird und ihr ganzes Gesicht komplett hinter ihren blauen Haaren versteckt. „Eine verdammt gute Idee, Oxana“, meint Robin schließlich und Xanny hebt den Kopf etwas hoch. „Kannst du das Ei rausholen und es Salim geben?“, fragt Robin Xanny, die sie verblüfft ansieht, dann aber hektisch nickt und nach dem Glasbehälter greift. Vorsichtig zieht sie ihn aus dem Rucksack und reicht ihn dann sanft an Salim weiter, der den Behälter gleich an seine Brust zieht, dort, wo bei einem Feuer Pokémon die innere Flamme lodert. Sanft atmet Salim aus und wir sehen, wie durch seinen heißen Atem das Glas anläuft. Gleichzeitig flammt das Feuer an seiner Schwanzspitze etwas höher auf. Zufrieden nickend wendet Robin sich wieder uns zu. „So, nun müssen wir aber echt los. Wir sehen uns bestimmt irgendwo mal wieder.“ Und ohne dass wir noch etwas sagen können, haben Trainer und Pokémon sich umgedreht und verschwinden zwischen den Bäumen im Wald. Einige Zeit kann ich noch Salims Schweifflamme durch die Dunkelheit flackern sehen, doch sobald ich sie nicht mehr sehe, wende ich mich an meine Freunde und meine Pokémon. „Ich denke, wir sollten uns auch auf den Rückweg machen, meint ihr nicht?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)