Broken Genius von caladriuss ================================================================================ Kapitel 7: Fernsehabend I ------------------------- Mokubas Zimmer fand ich relativ problemlos. Zu seinem Geburtstag war ich ja schon öfter hier gewesen. Der Kleine hatte fast schon seine eigene Videothek. Genau das Richtige, um Kaiba mal zu zeigen, was für tolle Filme es gab und gegen diese wirklich riesige Bildungslücke vorzugehen. Ich suchte mir eine erlesene Handvoll aus und ging zu ihm zurück. Er saß noch genauso da, wie ich ihn zurückgelassen hatte, quittierte meine Rückkehr mit einem genervten Blick. Grinsend umrundete ich den Tisch. „Jetzt kümmern wir uns mal ein bisschen um deine Allgemeinbildung.“ Ich hielt ihm die DVDs hin. Während er sie argwöhnisch musterte, umfasste ich seinen Gips und bettete seinen Fuß ganz vorsichtig auf dem Kissen. Er sah nicht mal auf. „Was soll ich damit?“, fragte er genervt. „Such dir aus, was du zuerst schauen willst.“ „Zuerst? Du willst die alle sehen?“ Ich nickte. „Ist unterhaltsam und beinschonend.“ Seufzend fuhr er sich durchs Haar. „Da wäre Lesen wirklich sinnvoller.“ „Hör auf zu motzen!“ Ich griff mir einfach irgendeine DVD und schob sie in den Player. Auf dem riesigen Fernseher kam garantiert jeder Film gut. Aber bevor der Film startete, brauchten wir noch etwas. „Hast du Popcorn?“ Er sah mich schief an. „Keine Ahnung. Frag Mokuba.“ „Ist der überhaupt da? In seinem Zimmer war er nicht.“ „Doch…“, Kaiba dachte kurz nach. „Er ist wahrscheinlich in der Küche. Wollte Kuchen backen oder so.“ „Trifft sich prima. Bin gleich wieder da.“, ich eilte in die Küche. Den Weg kannte ich noch von Mokubas Geburtstag. Da hatte er auch Kuchen gebacken. Als ich eintrat, machte er sich gerade am Herd zu schaffen. „Hey, Mokuba.“ Überrascht sah er zu mir auf. „Joey.“ Er lächelte. „Besuchst du meinen Bruder jetzt doch regelmäßig?“ „Einer muss sich ja um den Sturkopf kümmern. Ich weiß zwar nicht, wieso er mich überhaupt duldet, aber solange er es tut, werde ich kommen.“ Der Kleine nickte andächtig, während er die Ofentür schloss. „Ist doch klar, warum er dich und nur dich duldet.“ „Tatsächlich?“ Mir war es nicht klar. „Na weil du beim Unfall dabei warst. Du weißt Bescheid.“ „So ziemlich jeder in der Schule weiß Bescheid.“, murmelte ich bitter. Und sie alle gaben mir die Schuld. „Schon möglich, aber die anderen waren nicht dabei, als es passiert ist und auch nicht als er den Gips bekommen hat.“ „Und?“ „Er duldet dich, weil du der einzige bist, dem er nichts über die Schwere der Verletzung vormachen kann. Und der einzige, der ihn mit Gips gesehen hat.“, Mokuba lächelte. „Seto ist eitel. Er will nicht, dass die Leute ihn mit Gips und Krücken sehen.“ Ich nickte. „Haben ja die letzten Wochen gezeigt. Ich habe ihn gesehen, stimmt. Aber an seiner Stelle würde ich mich gar nicht ins Haus lassen. Ich bin ja indirekt Schuld.“ „Er ist einsam, Joey.“ „Bitte?“ Der Kleine rollte mit den Augen, als fände er mich besonders schwer von Begriff. „Normalerweise ist er immer inmitten des Trubels. In der Firma, in der Schule, er ist ständig Mittelpunkt.“ „Aber in der Schule redet er nicht mal mit den Leuten.“ „Sie beachten ihn aber und reden über ihn. Auch wenn Seto sie ignoriert, genießt er die Aufmerksamkeit. Seto meinte mal zu mir, das wären kleine Streicheleinheiten fürs Ego.“ Mokuba verdrehte die Augen. „Genau wie in der Firma. Er ist der Mittelpunkt, alles dreht sich um ihn.“ Arroganter Geldsack! Das hatte ich mir schon immer gedacht. „Aber hier ist keiner und er weiß auch nichts so recht mit sich anzufangen. Mein Bruder braucht Beschäftigung.“ „Du meinst also, ihm fehlen Aufmerksamkeit und Unterhaltung?“ Der Kleine nickte. „Aber ich denke, er duldet dich auch, gerade weil er weiß, dass du Schuld bist. Er erwartet wohl irgendeine Gegenleistung.“ „Was denn?“ „Für den Anfang wohl deine Gesellschaft.“ Oh. Er wollte also sogar, dass ich da war. Warum sagte er das nicht einfach? Ach, ich vergaß, sein Stolz war im Weg. Aber das Wissen, dass er sogar wollte, dass ich bei ihm war, ließ mein Herz einen kleinen Hüpfer machen. Irgendwo mochte ich meinen kleinen Sturkopf ja schon. Mokuba seufzte schwer. „Mein Bruder will normalerweise immer etwas zu tun haben, er kann nie lange stillhalten. Aber jetzt muss er genau das. Ihm ist unfassbar langweilig.“ Oh, das konnte ich mir gut vorstellen. Der Workaholic wusste einfach nichts mit sich anzufangen. Normalerweise investierte er ja all seine Zeit in die Firma. Aber da konnte ich Abhilfe schaffen. Als Wiedergutmachung konnte ich ihm zumindest etwas Unterhaltung bieten. „Habt ihr Popcorn?“ „Klar.“ Er ging zu einem der Küchenschränke und holte eine Tüte hervor. Den Inhalt kippte er in eine Schüssel und reichte sie mir. „Danke.“ Ich lächelte zufrieden. Damit konnte man einen DVD-Abend machen. „Ich verschwinde dann wieder.“ „Hm, viel Spaß.“ Würden wir schon haben. Ich ging wieder zu Kaiba und stellte die Schüssel auf den Tisch. Ohne ein weiteres Wort ging ich zur Minibar. Mal schauen, was er so schönes hatte. Aber der Anblick war eher enttäuschend. Nur Wasser. Ich schnaubte verächtlich. „Du hast eine Minibar, nur um Wasser kaltzustellen?“ „Was denn sonst?“, fragte er genervt. „Bier? Oder wenigstens Cola?“ „Trunk des Pöbels!“ „Was soll das bedeuten?“ Er schüttelte resigniert den Kopf. „Ich mag einfach kein Bier und ich bin auch kein Freund davon, mich sinnlos zu betrinken.“ Na klang ja richtig spaßig. Seufzend holte ich zwei Wasserflaschen raus. Für den Anfang würden die es auch tun – hoffte ich. Schwerfällig ließ ich mich neben ihm auf die Couch fallen und startete den Film. Die Simpsons, guter Film. „Zeichentrick?“, fragte Kaiba skeptisch. „Wie alt bist du?“ „Das sind die Simpsons! Das ist Zeichentrick für Erwachsene.“ „Du meinst Zeichentrickpornographie?“ Er sah alles andere als begeistert aus. Ich verdrehte die Augen. „Schau es dir einfach an.“ Schweigend sahen wir uns den Film an. Ich musste immer wieder lachen, obwohl ich den Film in- und auswendig kannte. Aber Kaiba zog höchstens mal ein bisschen die Augenbraue hoch. Er schien das nicht sonderlich spannend oder lustig zu finden. Stimmt, ich hatte vergessen, dass der Typ keinen Humor besaß. Egal, ich genoss einfach den Film. Aber es kamen doch ein paar Szenen, die zumindest seine Mundwinkel nach oben zucken ließen. Einmal die Szene mit dem Walross, das den Pinguin abknallte und dann noch die mit den Schlittenhunden. Dann war ja bei ihm doch nicht alles verloren. Während des Films schaufelte ich mir genüsslich das Popcorn rein. Kaiba ließ die Finger davon. Er warf immer wieder einen kurzen Blick darauf, als hätte er zu gerne mal probiert. Aber meine Ansage, er würde als dicker Hefekloß enden, hielt ihn wohl davon ab. So eine dumme Nuss! Trotzdem sprachen wir nicht, bis der Film zu Ende war. „Und?“, fragte ich gespannt. „War es so schlimm?“ Er sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. „Ganz… nett.“ „Nett?“ Ich schnaufte beleidigt. Der Kerl hatte doch keine Ahnung! „Du fandest es lustig, hab ich genau gesehen!“ „Der Humor war ziemlich stupide, aber ein paar Szenen waren… nett.“ „Jaja, du bist auch… nett!“ „Ich weiß.“ Blödmann! Kopfschüttelnd stand ich auf und schob den nächsten Film ein. Vielleicht sprach ihn Transformers mehr an, da ging es ja mehr um Technik. Zumindest schien er schon mal den Anblick der Darstellerin ansprechend zu finden. „Findest du Megan Fox heiß?“, fragte ich lauernd. Sein Blick hing aufmerksam am Bildschirm. „Wen?“ Mein Fehler. Wie konnte ich denn auch erwarten, dass er den Namen irgendeines Schauspielers kannte? „Die Schwarzhaarige.“ „Optisch ganz ansprechend, aber nicht mein Typ.“ Bei ihm klang das wie eine sachliche Feststellung. Aber immerhin aufschlussreich. Er war also schon mal interessiert an Frauen. Merkwürdig, dass ich das vorher nie hinterfragt hatte, aber Kaiba war diesbezüglich eine äußerst rätselhafte Person, denn er hielt sich da verdammt bedeckt. Ernsthaft, bei ihm hatte man einfach keine Ahnung, ob er auf Männer, Frauen, beides oder gar nichts stand. Jetzt wusste ich zumindest schon mal, dass er Frauen zugewandt war, allerdings keinen wie Megan Fox. Nur was fand er an ihr nicht ansprechend? Schwarze Haare, blaue Augen? Oder war sie ihm einfach zu aufgetakelt? Je länger wir schauten, desto kritischer wurde sein Blick. „Scheint mir ein wenig unrealistisch, dass sich ein Auto so schnell in einen Roboter verwandeln kann.“, merkte er irgendwann an. „Ich meine, so weit ist unsere Technik doch noch lange nicht.“ Ich verdrehte die Augen. Dass er immer alles logisch betrachten musste. „Das sind Roboter aus dem All!“ „…die so riesig sind und trotzdem unbemerkt in die Atmosphäre eintauchen konnten, ohne dass es von irgendjemandem bemerkt wurde? Wohl kaum!“ Seufzend massierte ich mir die Nasenwurzel. „Deswegen nennt man es Science Fiction!“ „Fiktive Wissenschaft?“ „Ja!“ Er schnaufte. „Was für ein Blödsinn!“ Resigniert stoppte ich den Film. Mit Kaiba Filme schauen war ja wirklich wahnsinnig lustig! „Schauen wir was anderes.“ Scary Movie. Eine gute Zusammenfassung vieler anderer Filme in lustig. Aber Kaiba hatte wirklich keinen Humor. Er sah eher gelangweilt aus. Und er hielt sich mit seiner Kritik auch nicht zurück. „Das ist einfach nur dämlich!“ „Kannst du nicht wenigstens versuchen, darüber zu lachen?“, fragte ich unwirsch. „Man muss schon hirntot sein, um das lustig zu finden. Obwohl…“, er schielte zu mir rüber. „Officer Doofi erinnert mich irgendwie an jemanden.“ „Wen denn?“ Wieso fragte ich überhaupt? Sein freches Grinsen war doch Antwort genug. „Haha, lustig!“, verärgert warf ich Popcorn nach ihm. Er klaubte ein einzelnes Stück von seinem T-Shirt und schob es sich in den Mund. „Kein bisschen kritikfähig, der Knabe.“ „Keine Angst, dass von dem einen Popcorn dein Arsch zu fett wird?“, fragte ich patzig. Er zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Solange er nicht so fett wie deiner wird, ist doch alles in Ordnung.“ „Na und? Ich kann laufen gehen. Und was machst du?“ Er hob nur eine Augenbraue. „Sich auf Kosten eines Verletzten lustig zu machen, ist wirklich wahnsinnig niveauvoll.“ Stimmt, das war gemein. „Entschuldige.“ Schweigend sahen wir weiter den Film an. Das restliche Popcorn wischte er einfach von sich runter, aber er probierte kein einziges Stück mehr. Irgendwie tat es mir schon leid. „Komm schon. Dein Körper ist wahnsinnig gut definiert. Nur wegen ein bisschen Popcorn wirst du schon nicht fett werden.“, ich hielt ihm auffordernd die Schüssel entgegen, „Und wenn du ein paar Kilo zunimmst, ist das auch egal. Du bist so superschlank, dass dich das bestimmt nicht entstellt. Außerdem kannst du es auch wieder abtrainieren, wenn dein Knöchel heile ist.“ Misstrauisch sah er mich an, als versuchte er abzuschätzen, was ich damit bezweckte. Dabei wollte ich nur, dass er nicht so streng zu sich war. Er hatte wirklich einen tollen Körper. Allein diese endlos langen Beine waren der Wahnsinn! Vor allem, weil man bei den kurzen Hosen erkennen konnte, dass es keine dürren Stelzen waren, wie ich fast befürchtet hatte, sondern doch recht gut trainierte schöne Beine. „Was weißt du schon!“, murrte er. Ich grinste ihn dreckig an. „Ich weiß abgesehen von deiner Körpermitte ziemlich genau, wie dein Körper aussieht.“ Das schien ihn ein wenig zu irritieren. Er sah mich lange Zeit nur fragend an. Aber ich schwieg und genoss lieber seinen Blick auf mir. Nach einer Weile gab er nur ein tiefes Murren von sich. „Schwul oder was?“ Trotzig schnappte er sich eine Handvoll Popcorn. „Man muss nicht schwul sein, um zu erkennen, dass du ein hübsches Kerlchen bist. Aber du bist so arrogant, dass du das selber am besten weißt.“ Jetzt starrte er mich doch wieder an. „Ich bin also arrogant?“ „Ganz genau!“ Ich schob mir das letzte bisschen Popcorn in den Mund. „Du bist so selbstverliebt!“ Zeigte doch schon die Aktion mit dem Gips. Er runzelte die Stirn. „Basiert deine infame Behauptung auf irgendeinem Beweis oder versprühst du nur heiße Luft?“ „Du willst Beweise?“ Ich deutete auf seine Hände. „Deine Fingernägel sind immer perfekt. Wahrscheinlich gehst du alle zwei Tage zur Maniküre.“ Er betrachtete seine Finger, die so wunderbar lang und schlank waren. Damit konnte er bestimmt gut Klavier spielen, sie waren ja geradezu dafür gemacht. „Ja… eigentlich erreicht man diesen Effekt mit einer normalen Nagelfeile.“ Er warf einen schrägen Blick auf meine Hände. „Aber für jemanden, der sowas nicht kennt, muss das wirklich wie ein Wunder wirken.“ „Wie lustig!“, murrte ich. „Nein, eigentlich ist das ziemlich traurig.“ „Du bist traurig!“, beleidigt verschränkte ich die Arme. „Und du bist doch selbstverliebt! Du zupfst dir die Augenbrauen.“ „Eigentlich nicht.“ „Und warum sind sie dann immer so perfekt?“ Er verdreht die Augen „Weil sie einfach so sind. Und bevor du fragst, ich glätte mir auch nicht die Haare, die sind ebenfalls einfach so! Und ich färbe mir auch nicht die Augen oder was auch immer du dir sonst in deinem kranken Hirn ausmalst, okay?“ Na toll! Der Typ war also von Natur aus perfekt. Er konnte wirklich jedes meiner Argumente ausschlagen. Als ich es nur noch unmotiviert mit seiner reinen Haut probierte, murrte er nur was von gesunder Ernährung und Creme. Er sah zwar so aus, aber anscheinend machte er doch weder Maniküren noch irgendein Peeling. Der Typ hatte einfach unverschämtes Glück mit seinen Genen gehabt. Wie meine Mutter immer so schön gesagt hatte, wahre Schönheit kam von Natur aus – oder von innen? Ach, wie auch immer. Als ich mich aus meinen Gedanken wieder befreite und aufsah, merkte ich, dass Kaiba mich immer noch durchdringend anstarrte. „Was ist?“, fragte ich lahm. „Wie bist du auf dieses Thema gekommen?“ „Welches?“ Er runzelte die Stirn. Ob er wusste, dass er dabei jedes Mal die Nase ein wenig kraus zog, was irgendwie niedlich aussah? „Wieso interessiert es dich, ob und inwiefern ich Körperpflege begehe? Geht dich doch eigentlich nichts an, oder?“ Ich blinzelte verwirrt. Das… stimmte wohl. Es hatte mich wirklich nicht zu interessieren. „Ich wollte dir nur vor Augen führen, dass du arrogant bist.“, murrte ich verlegen. „…und bist daran gescheitert!“ Stimmte wohl. Mist! Mein Blick glitt über seinen Körper, auf der Suche nach anderen Hinweisen. Da kam mir ein Gedanke. Ich machte den Mund auf, schloss ihn aber ganz schnell wieder, bevor mir etwas wirklich Unbedachtes herausrutschte. Ich hätte fast eine Frage ausgesprochen, die doch eine Antwort hätte herbeiführen können, aber das wäre wirklich zu tief unter der Gürtellinie gewesen. Wortwörtlich. Es ging mich nichts an, ob und wie und wo er sich rasierte, das wäre wirklich ein bisschen sehr dreist gewesen. Außerdem, was interessierte mich das überhaupt? Ich meine, es ging mich doch gar nichts an, wie er unten herum aussah, also konnten meine Gedanken mal aufhören darum zu kreisen? Ob er ein Babyschwänzen oder einen Elefantenrüssel hatte, konnte mir doch völlig egal sein. Obwohl… wenn man von den Fingern wirklich auf die tieferen Regionen schließen konnte, dann MIAU! Innerlich verpasste ich mir eine Backpfeife. Böse Gedanken! Als ich merkte, dass er mich immer noch anstarrte, wurde ich rot. Hoffentlich konnte er keine Gedanken lesen. Bei seinem bohrenden Blick war ich mir da nicht so sicher. „I-ich geh noch etwas Popcorn holen.“, ich schnappte mir schnell die Schüssel und floh nach draußen. Auf einmal war es da drin nämlich furchtbar heiß gewesen. Der Kerl musste irgendetwas ausstoßen, das meine Gedanken durcheinander brachte. Während ich in die Küche ging, versuchte ich mir diese blöden Gedanken aus dem Kopf zu schlagen. Ich wollte nicht ständig darüber nachdenken, wie er bestückt war oder wie seine Augen wohl aussehen mochten, wenn er erregt war. Das war doch total daneben! Durchatmen! Das war nur ein mentaler Ausrutscher, mehr nicht. Die Küche war leer, als ich eintrat. Dann war Mokuba wohl mit seinem Kuchen fertig. Seufzend holte ich das Popcorn raus und machte mich auf die Suche nach etwas Trinkbarem. Immerhin fand ich eine Flasche Cola, das war aber auch schon das höchste der Gefühle. Für mich sollte das fürs erste genügen, doch Kaiba mochte das Zeug nicht. Aber weit hinten im Schrank entdeckte ich noch einen Entsafter. Er war ein wenig eingestaubt, wurde scheinbar nicht oft genutzt. Das ließ sich ändern. Wenn Kaiba so ein Gesundheitsfreak war, sollte er das eben bekommen. Ich suchte Obst und Gemüse zusammen und ließ es durch die kleine Maschine laufen. Äpfel, Orangen, Möhren, rote Beeren… Das sollte doch einen netten Multivitaminmix ergeben, oder nicht? Das Resultat war ein trüber orange-gelber Saft, der nicht sonderlich appetitlich aussah, aber egal. Mit Cola, Saft und Popcorn kehrte ich zu ihm zurück. Inzwischen war der Film zu Ende, aber Kaiba hatte sich nicht die Mühe gemacht, einen neuen einzulegen. Naja gut, mit seinem Fuß wäre das vermutlich auch nicht so sinnvoll gewesen. Wortlos stellte ich meine Mitbringsel auf den Tisch und schob eine neue DVD ein. Wurde Zeit, dass er Herr der Ringe kennenlernte, und zwar die extra lange Fassung aller drei Teile. Als ich mich setzte, betrachtete er misstrauisch das Glas vor sich. „Was ist das?“ „Saft, frisch gepresst.“ Er hob das Glas an und besah sich den Inhalt von allen Seiten. „Es ist trinkbar!“, knurrte ich genervt. „Also könntest du dich anstatt auf das Glas auch auf den Film konzentrieren.“ Er sah zum Fernseher. Seinem Blick zufolge war er allerdings nicht begeistert – mal wieder. „Ein Film über Kleinwüchsige?“ „Das sind Hobbits!“ Bevor mir noch eine böse Beleidigung über die Lippen kam, stürzte ich lieber die Cola runter. „Und jetzt sei ruhig und schau den Film!“ Er gab noch ein unwilliges Murren von sich, aber schließlich ergab er sich seinem Schicksal. Und ich war wirklich beeindruckt. Schon eine halbe Stunde und er hatte noch kein Wort gesagt. Nein, er folgte sogar fast aufmerksam dem Film. Ich warf einen flüchtigen Blick auf sein Glas. Er hatte es nicht mal angerührt. „Schmeckt der Saft?“, fragte ich argwöhnisch. „Hm, super.“, sein Blick richtete sich stur auf den Fernseher. „Willst du nicht erst probieren, bevor du ein Urteil fällst?“ Wahnsinn. Schon allein mit einer einfachen Geste, wie dem Greifen nach dem Saftglas konnte er demonstrieren, dass er genervt war. Aber das war mir egal, er sollte das Gesöff doch einfach trinken, ohne sich so anzustellen! Immerhin hatte ich das mit Liebe ausgepresst. Er setzte das Glas an die Lippen und nahm einen winzigen Schluck – und spuckte ihn sofort zurück ins Glas. Erschrocken hielt er sich die Hand vor den Mund. Was war denn? Schmeckte es nicht? Ich griff nach dem Glas und kostete selbst. Es schmeckte wie es aussah: gesund, aber annehmbar. Was hatte er sich dann so? Feindselig starrte er das Glas an. „Du hast da Möhren mit reingetan.“ Ich nickte. „Na und?“ Schwer ausatmend ließ er sich gegen die Sofalehne sinken und presste weiter den Handrücken gegen den Mund. „Ich bin dagegen allergisch!“, murmelte er. Krampfhaft schloss er die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)