Die vier Phasen von JinShin ================================================================================ Kapitel 14: Beschmutzt ---------------------- Es bereitet Toshio Mühe, sich auf Pascal zu konzentrieren. Noch immer kreisen seine Gedanken um das merkwürdige Gespräch, das er mit Ricardo geführt hat. Noch immer wiederholt er im Geiste die Telefonnummer, die Ricardo ihn hat auswendig lernen lassen. Eine Nummer in Tokyo. Und noch immer fragt er sich verzweifelt, ob das ein echtes Hilfsangebot von dem fremden Mann ist oder ein mit Pascal abgesprochenes Spielchen. Wird er bestraft werden, wenn Pascal erfährt, dass er sich die Telefonnummer gemerkt hat? Wird er bestraft werden, wenn er sie vergisst? Oder anders: Glaubt Ricardo ernsthaft, er wird im Notfall einen anderen Sklavenhalter um Hilfe bitten? Wird er damit nicht vom Regen in die Traufe kommen? Oder an Pascal verraten werden? Dennoch. Er gibt sein Bestes, sich diese Folge von Zahlen einzuprägen. Man weiß ja nie. Außerdem hat er zu gehorchen, um nichts anderes geht es hier doch. Und dann kommt Pascal, zwingt seine Aufmerksamkeit auf diesen Haufen gestreiften Stoff, der aussieht wie eine Faschingsverkleidung, und faselt etwas von Belohnung. Was soll daran eine Belohnung sein? Das sieht doch aus wie ein Tierkostüm. Wie paralysiert starrt er auf die scharzgrau getigerte Verkleidung und die steifen herzförmigen Ohren, die an einem Haarreif befestigt sind. Noch weigert sich sein Verstand, zu begreifen, was das bedeuten soll. Noch geistern die Zahlen der Telefonnummer durch seinen Kopf. Um sich diese zusammenhangslose Abfolge von Ziffern merken zu können, hat er sich einen Trick ausgedacht: Er macht einfach eine Choreographie daraus. Drei: Die Füße stehen in der dritten Position des klassischen Balletts, die Ferse des einen Fußes seitlich am Fußgewölbe des anderen. Neun: Die Arme formen einen Kreis über dem Kopf, ein Bein hebt nach hinten ab. Acht: Die Hände malen eine Acht in die Luft. Eins: Die Füße gehen in die erste Position, Fersen an einander, Fußspitzen weisen nach außen. Zwei: zweite Position, eine Fußbreite weiter auseinander. Vier: vierte Position, Schrittstellung. Zwei: zurück in die zweite Position. Neun: Arme wieder über den Kopf. Acht: Arme malen eine Acht. Japan, Tokyo, die Vorwahlnummern kennt er; also wieder von vorne: Die Füße stehen in der dritten Position; Kreis über Kopf, Bein hebt ab; Hände ziehen durch die Luft; erste Position ... „Zieh das an“, drängt ihn Pascal, der wohl merkt, dass Toshio mit den Gedanken woanders ist. „Du darfst dir aussuchen, wie du den Schwanz an dir befestigen möchtest.“ Zögernd nimmt er die Ohren in die Hand, blickt auf gestreifte Stulpen, deren eines Ende geschlossen und wie Pfötchen geformt ist. Da ist ein Plug mit einem langen Schwanz aus plüschigem Fell daran. Tatsächlich: ein Tierkostüm. Yottsu! Sein Magen krampft sich schmerzhaft zusammen. Einen Moment ist ihm schwindelig vor Entsetzen. Nein! Das will er nicht anziehen! Seine Hände zittern. Sein Denken ist blockiert, sein Körper ganz taub. „Nein ... bitte nicht ...“ Ohne sein Zutun formt sein Mund diese Worte, kraftlos und mit bebender Stimme. In seinem Geist steigen Erinnerungen auf, als sei es erst gestern gewesen: diese hochnäsigen Jungen auf dem Pausenhof, die ihn nie in Ruhe lassen konnten. Die ihm sein Essen aus der Hand schlugen und dann auf den Boden deuteten: „Du bist ein Tier, also iss wie ein Tier!“ Die um ihn herumstanden und ihn im Chor verhöhnten. „Yottsu! Yottsu! Yottsu!“ Während ihm vor hilflosem Zorn Tränen die Sicht verschleierten und er in ohnmächtiger Wut die Hände zu Fäusten ballte. Aber er hielt den Kopf erhoben und den Rücken gerade, so wie Nanao-sensei ihm das beigebracht hat. Und er hat das Essen natürlich nicht vom Boden gegessen, niemals! Lieber hat er den ganzen Tag gehungert. Damals hat er noch die Kraft gehabt, standhaft zu bleiben. Pascals Antwort holt ihn in die Gegenwart zurück: „Wenn du dich nicht selbst anziehst, dann tu ich es. Und dann hast du nicht die Wahl, welchen der Katzenschwänze du lieber haben willst.“ Die Drohung, die in den Worten mitschwingt, hilft Toshio, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Keiner der damaligen Kontrahenten ist anwesend, niemand, der um seine Herkunft weiß, nicht einmal ein Japaner. Nur die drei gaijin, die keine Ahnung haben, was es für ihn bedeutet, sich als Tier zu verkleiden. Und, soweit es Pascal betrifft, soll das auch besser so bleiben! Manchmal muss man nachgeben, um standzuhalten, wiederholt er im Stillen einen seiner Leitsätze und vermeint schon wieder die tröstliche Anwesenheit der Hirschgestalt neben sich zu spüren. Er zwingt sich, das Kostüm genauer anzuschauen. Wenn dort eine Belohnung versteckt ist, dann ist es ratsam, sie auch zu finden. Mit fest aufeinander gepressten Kiefern und noch immer zittrigen Händen setzt er sich widerwillig den Haarreif mit den spitz zulaufenden Ohren auf den Kopf. Die Armstulpen mit den Handpfötchen legt er zunächst beiseite. Darunter liegen große, tatzenförmige Füßlinge, wie diese lustigen Hausschuhe, die es in allen möglichen Varianten gibt. Toshio hat die noch nie gemocht. Yottsu! Pascal steht die ganze Zeit dicht bei ihm, er kann seine Blicke fast auf seiner Haut spüren und riecht seinen herben, männlichen Duft, der dezent sein Aftershave durchdringt. Auch die Füßlinge lässt Toshio noch liegen und hebt nun mit klopfendem Herzen den Katzenschwanz in die Höhe. Unwillkürlich entweicht ihm ein gequältes Stöhnen bei der Aussicht, schon wieder den gerade erst hineingeschobenen Plug entfernen zu müssen, nur um einen neuen verpasst zu bekommen. Doch im selben Moment sieht er, was Pascal gemeint hat: Auf dem Bett liegt noch ein zweiter Schwanz, der über einen breiten Gürtel an der Taille befestigt wird. Darf er tatsächlich frei wählen? Pascal bestätigt seine unausgesprochene Frage mit einem gnädigen Nicken, und rasch, bevor es sich der Franzose wieder anders überlegen kann, schlingt sich Toshio das Teil um den Bauch. Er zieht die gestreiften Stulpen über die Unterschenkel, nötigt seinen Füßen die Tatzenhausschuhe auf und streift sich schließlich den ersten Armstulpen über. Bei dem zweiten muss Pascal ihm behilflich sein, denn seine Hände werden sofort nutzlos, sobald sie ihn den Pfötchen stecken. Blöd. Er kommt sich total blöd vor. Aber Pascal scheint zufrieden, hebt sein Kinn an, streicht mit dem Daumen über seine Wange, drückt ihm einen Kuss auf die Lippen. Sein Atem riecht etwas nach Rotwein, aber nicht unangenehm. „Niedlich siehst du aus“, sagt Pascal. „Seltsam, dass ich nicht eher die Idee hatte ... Jetzt noch schön auf den Boden, und perfekt ist der kleine Kater.“ Toshio zögert nur kurz, kaut auf seiner Lippe, doch dann geht er gehorsam auf alle Viere. Manchmal muss man nachgeben ... Es macht ja eigentlich keinen Unterschied, ob er mit Katzenpfoten auf dem Boden kniet oder ohne. Und doch ist es ein gewaltiger Unterschied! Obwohl der Raum gut temperiert ist und die Stulpen ihn zusätzlich wärmen, wird ihm innerlich ganz kalt. „So ist brav, komm, miez-miez, na komm“, lockt ihn Pascal neckend, und widerstrebend rutscht Toshio ihm auf Händen und Knien hinterher. Dabei muss er acht geben, dass er die Tatzenschuhe nicht verliert. Der Schwanz baumelt an ihm herunter und streift weich seine nackten Oberschenkel. Durchhalten! Pascal redet irgendetwas mit Ricardo, wieder auf Französisch, sodass Toshio nichts verstehen kann. Ricardos Französisch klingt anders als Pascals, härter und nicht ganz so melodiös. Toshio wagt nicht aufzusehen, zu sehr schämt er sich in dieser lächerlichen Verkleidung. Er erhascht einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel auf Myro, der das gleiche Kostüm, nur in anderen Farben, trägt. Er scheint damit nicht solche Probleme zu haben, aber er hat ja schon vorher wie ein junger Hund neben seinem Herrn gesessen. Ob ihm diese Art Spiele Spaß machen? „Warte hier“, befiehlt Pascal und entfernt sich von ihm. Toshio starrt auf die Pfoten, zu denen seine Hände geworden sind. Dies ist ein Alptraum in einem Alptraum. Ein Gefühl von Unwirklichkeit ergreift von ihm Besitz. Kurz darauf ist Pascal wieder zurück und stellt einen kleinen silbernen Fressnapf in etwa einem Meter Abstand vor ihm auf den Boden. Du bist ein Tier, also iss auch wie ein Tier ... Pascal krault ihm den Nacken, eine Geste trügerischer Zärtlichkeit. Die nächste Grausamkeit lässt bestimmt nicht auf sich warten. „Was macht ein Kater vor einem leeren Futternapf, Toshio?“ „Ich weiß nicht, Herr“, würgt Toshio hervor. „Er maunzt.“ Toshios Arme beginnen zu zittern. „Ich bin aber kein Kater, Herr“, wispert er kläglich. Wenn er doch nur entkommen könnte! Durchhalten ... Die Finger in seinem Nacken hören mit den Liebkosungen auf und greifen in die Muskulatur. „Im Moment schon. Komm schon, Toshio, spiel das Spielchen mit. Dann bekommst du auch deine Belohnung. Sag: Miau.“ „Nein, bitte ... Au!“ Der Druck auf seine Nackenmuskeln verstärkt sich. „Fast“, sagt Pascal ungerührt. „Fehlt nur noch ein „M“ davor.“ Unbarmherzig drückt er zu. „Aah! Hnnmm ... au ...“ „Na also, geht doch. Jetzt noch einmal, aber diesmal schöner.“ „... miau ...“ Nachgeben ... Endlich löst sich der feste Griff um seinem Hals, und Toshio muss der Versuchung widerstehen, sich mit der Hand – mit der Pfote! – darüber zu reiben, um den Nachhall des Schmerzes zu vertreiben. „Braver Kater“, lobt Pascal und wechselt erneut einige französische Worte mit Ricardo. Dann füllt er eine rote Flüssigkeit in den Futternapf. „Deine Belohnung“, sagt er zu Toshio. „Ich erinnere mich noch gut, was für ein kleiner Schluckspecht du früher gewesen bist. Also lass dir den Wein schmecken, mon chère.“ Toshio wird abwechselnd kalt und heiß, während ihm das fruchtig säuerliche Aroma des Weins in die Nase steigt. Iss wie ein Tier. Yottsu! Yottsu! „Komm, miez-miez, komm fein trinken, na komm ...“ Pascal spricht zu ihm wie zu einem Haustier. Er muss wissen, wie demütigend das für Toshio ist. Da dieser sich nicht überwinden kann und wie angefroren ist, fügt der Franzose, immer noch mit freundlicher, lockender Stimme hinzu: „Oder muss ich mein kleines Katerchen etwa zu seiner Belohnung zwingen?“ Irgendwie kommt plötzlich eine kurze Gerte in seine Hand, mit der er leicht auf den Boden schlägt. „Du hast die Wahl“, flötet er unschuldig. Das Klopfen der Gerte löst Toshios Erstarrung. Er hat keine Lust auf Schläge, die er vermeiden kann. Die Freiheit des Menschen, kommt ihm wieder in den Sinn. Warum eine Strafe wählen, wenn er eine Belohnung haben kann? Und Pascal hat recht, er hat früher wirklich ganz gern mal ein Gläschen getrunken – das hat manches erträglicher gemacht, wenigstens kurzfristig. Das letzte Mal hat er Alkohol getrunken in dieser verhängnisvollen ersten Nacht mit Pascal. Ihn schaudert bei der Erinnerung an den teuren Champagner und wie der ihn geblendet hat, zusammen mit Pascals unübersehbarem Wohlstand und seinem zur Schau gestellten Charme. “Für fünfzig blas ich dir einen. Für zweihundert mach ich alles“, hat er ihm damals gesagt. Wie bescheuert! Für zweihundert mach ich alles ... Wie unglaublich naiv kommen ihm diese Worte vor, jetzt, wo er weiß, was „alles“ bedeuten kann. Ach, Scheiß drauf! Er will seine Belohnung. Gehorsam kriecht er auf Pascal zu, schluckt seinen Stolz hinunter, beugt seinen Kopf über den Napf und trinkt. Köstlich rinnt der Wein durch seine Kehle und breitet sich warm in seinem Bauch aus. Er hat das Gefühl, schon der erste Schluck steigt ihm zu Kopf. Kein Wunder, er ist ja nichts mehr gewohnt, und dann auch noch auf nüchternen Magen! „Hey, hey, nicht so hastig, mon petit!“ Mit der Gerte schiebt Pascal ihn ein Stückchen zurück. Anscheinend hat er nicht vor, die Belohnung in ein hemmungsloses Besäufnis ausarten zu lassen. Schade eigentlich. Toshio hat Lust, sich zu besaufen, aber so richtig! Am besten bis zur Besinnungslosigkeit. Er leckt sich einen Tropfen von der Lippe. Das Bild von seinem besoffenen Vater, der auf dem Sofa rumhängt, kommt ihm in den Sinn. Zum ersten Mal fragt er sich, was sein Vater wohl damit vergessen wollte. Hat er auch einst Stolz besessen, den er hinunter schlucken musste? Rotwein eignet sich gut dafür ... Nach und nach darf er den Napf leeren. Bis auf den letzten Tropfen leckt er ihn aus. Dabei konzentriert er sich einzig auf die schreckliche Futterschüssel mit dem herrlichen Wein und Pascals machtvolle Präsenz, die sein Leben so maßgeblich prägt. Dass noch zwei weitere Personen im Raum sind, sucht er tunlichst zu verdrängen. Nur am Rande seines Bewusstseins streift ihn Ricardos tiefe Stimme, er kann nicht einmal sagen, mit wem er spricht oder in welcher Sprache. Von Myro bekommt er gar nichts mit. Am Ende ist er schon so beschwipst, dass er seinen katzenbeohrten Kopf Pascals streichelnder Hand entgegen schiebt, mit einem erwartungsvollen „Mau!“ demonstrativ in den leeren Futternapf stiert und ihn mit der Pfote anschubst. Dabei muss er ein irres Kichern unterdrücken, dass sich in seiner Kehle sammelt und aus seinem Mund zu sprudeln droht. Die ganze Szene ist so lächerlich absurd! Und das Albernste daran ist noch, wie willig er jetzt mitspielen kann! Leider spielt Pascal nicht weiter mit. „Nein, mon petit matou, das ist genug für dich“, bestimmt er und hakt eine dünne Leine in das Halsband ein. „Wir haben noch eine kleine Verabredung.“ Auffordernd zieht er an der Leine und setzt sich in Bewegung. Toshio ist so benebelt, dass er einen Moment braucht, bis er merkt, was Pascal vorhat. Zu den ganzen Japanern? In diesem Aufzug? Unmöglich! Ohne nachzudenken, bleibt er stehen, stemmt sich mit den Pfoten gegen den Leinenzug. „Ich geh da nicht raus, niema- au! Ah!“ Die Gerte klatscht ohne Vorwarnung auf seinen Po, mehrmals hintereinander. Der dünne Lackstoff des Rockes ist nicht in der Lage, die harten Schläge zu mildern. Da Toshio nicht nach hinten ausweichen kann, weil Pascal die Leine noch immer auf Zug hält, wählt er, ohne groß nachzudenken, die Flucht nach vorn. Er krabbelt zu Pascal hin, umschlingt seine Beine mit beiden Armen und legt die Stirn auf seine Schuhe. „Bitte, verlang das nicht von mir, Pascal ... Herr! Ich tue alles, nur nicht das, bitte, ich kann das nicht, bitte, Herr, bitte nicht ...“ Pascal hält mit Schlagen inne, als Toshio sich an ihn klammert, und blickt unwirsch auf das wimmernde Häuflein Elend zu seinen Füßen. Was, bitte schön, ist jetzt das? Gerade eben war sein Sklave noch ein – relativ – williges Spielzeug, und nun zeigt er schon wieder totale Verweigerung. Ist der Rotwein doch keine gute Idee gewesen? Dabei hat es so gut angefangen, und Toshio hat die Belohnung sogar annehmen können. Es ist ja eigentlich auch ganz nett, wie er sich an seine Beine schmiegt, so unterwürfig ist Toshio selten. Aber warum gerade jetzt, wo Pascal das gar nicht richtig genießen kann? Wo er ganz im Gegenteil seine Wut über die Verweigerung zügeln muss, um Toshio nicht grün und blau zu schlagen und damit alles noch viel schlimmer zu machen. Unmöglich kann er mit einem heulenden, unwilligen Sklaven in den Gemeinschaftsbereich zurück gehen. Selbst wenn echte Sklavenhalter unter sich sind, führt so etwas nicht selten zu leidigen Diskussionen, wie man sein Eigentum zu behandeln hat. Nicht auszudenken, was auf einer offenen Party wie dieser hier dann los wäre! Sicherheitshalber legt er also die Gerte beiseite und zieht den aufgelösten Jungen hoch in eine feste Umarmung. „Beruhige dich, Toshio“, sagt er streng und streicht dabei über den bebenden Rücken. Über Toshios Kopf hinweg wechselt er einen vielsagenden Blick mit Ricardo – das wird noch einen Moment brauchen, es ist besser, wenn der Südamerikaner mit seinem Kleinen schon einmal vorgeht. Schade, wirklich schade, dass sie die Jungen nicht gemeinsam vorführen können. Myro sieht herzallerliebst aus in dem Katzenkostüm. Ricardo nickt ihm zu und führt sein Kätzchen hinaus, nicht ohne Toshio noch einen langen Blick zugeworfen zu haben. Pascal wartet, bis die Tür hinter ihnen geschlossen ist, dann fasst er Toshio rechts und links an den Schultern und schiebt ihn ein Stück von sich. „Du reißt dich jetzt zusammen und gehst gleich mit mir da raus, auf allen Vieren als mein Kater, so wie ich es wünsche. Hast du das verstanden?“ „Bitte nicht ...“ Pascal schüttelt ihn, so heftig, dass seine Zähne aufeinander schlagen. Er packt ihn knapp unterhalb des Kiefers und zieht ihn hoch, bis seine Fußspitzen in den großen Tatzenschuhen kaum noch den Boden berühren, und bringt das Gesicht nah an seines heran. „Jetzt hör mir gut zu, meine kleine Wildkatze. Wie du schon bemerkt haben solltest, ist mir scheißegal, was du möchtest oder nicht möchtest. Mein Wille geschehe, Amen. Und ich will gleich mit dir dieses Zimmer verlassen und zwar ohne, dass ich dich hinter mir her schleifen muss. Ist das klar?“ Seine Worte bleiben nicht ohne Wirkung. „Ja, Herr“, würgt der Junge nach kurzem Zaudern hervor. Pascal lässt los, und Toshio sinkt vor ihm auf dem Boden zusammen, fasst sich mit einer Pfote an den Hals und ringt nach Luft. Noch immer flennt er, aber nicht mehr so hysterisch wie vorher. Gut. „Ich komme gern ein andermal auf dein Angebot zurück, dass du alles für mich tust“, spottet er. „Nicht, dass du das nicht sowieso machen müsstest, aber so eine nette Einladung von dir lasse ich mir doch nicht entgehen ... Bien, aber jetzt sorgen wir dafür, dass du da draußen eine einigermaßen gute Figur machst, nicht wahr, chéri? Die anderen müssen ja nicht unbedingt sehen, was für eine Heulsuse du bist, oder?“ Noch während er spricht, lässt er Toshio kurz allein, um in dem Schrank mit den Utensilien nach passenden Hilfsmitteln zu suchen. Er denkt an die Katzenmasken und bedauert einen kleinen Moment, keine von ihnen mitgenommen zu haben. Aber er ist kein Mann, der sich lange mit solch nutzlosen Gefühlen aufhält. So wählt er eben eine schlichte schwarze Augenbinde, welche die verheulten Augen verbergen und weitere Tränen auffangen wird, und einen Trensenknebel, der ihm eine leichtere Führung des Sklaven ermöglicht und nebenher das Sprechen bis fast zur Unverständlichkeit erschwert. Als er zu Toshio zurückkehrt, stellt er zufrieden fest, dass dieser sich – trotz oder gerade wegen seiner Schmährede - wieder einigermaßen gefasst hat. Hasserfüllt blitzen die dunklen Augen ihn an, bevor der Kopf wieder gesenkt wird. Sehr gut. Noch immer lodert die Wut in Toshio stark genug, um Verzweiflung und Hysterie zu vertreiben, wenn es Pascal gelingt, sie zu entfachen. Der Japaner scheint eine ganze Menge davon zu besitzen, und sie stellt einen schier unerschöpflichen Vorrat an Kraft für ihn dar. Sollte die Wut als solche ihn nicht in den Wahnsinn treiben, ist sie ein guter Schutz vor demselben. Die Wut und das Tanzen, diese beiden Dinge halten Toshios Seele am Leben, machen ihn zu dem besonderen Sklaven, der er ist. Pascal wird den Teufel tun, ihm diese zwei lebensnotwendigen Stützen zu nehmen. Er baut sich vor dem am Boden kauernden Jungen auf. „Wirst du jetzt wieder gehorsam sein?“ „Ja, Herr.“ Pascal seufzt hörbar und schüttelt den Kopf dabei. „Du hättest es leichter haben können. Jetzt muss ich dir einen Knebel verpassen.“ „Ja, Herr. Verzeihung, Herr.“ Ohne weitere Gegenwehr kann Pascal ihm den Knebel und die Augenbinde anlegen. Er löst die Leine von dem Halsband und befestigt statt dessen einen schmalen Zügel an den beiden Metallringen, die seitlich an der dicken Gummistange, die nun Toshios Kiefer spreizt, angebracht sind. Mühelos kann er so den Kopf des Jungen in alle gewünschten Richtungen dirigieren. Eine Trense passt zwar nicht wirklich zu dem Catboy-Kostüm, aber sie erfüllt ihren Zweck. Was hat Toshio nur schon wieder zu diesem Ausbruch von Widerspenstigkeit veranlasst? Er hatte sich doch in das Katzenspiel schon einigermaßen gefügt gehabt. Warum benimmt er sich nur so merkwürdig auf dieser Party? Pascal erinnert sich an seine Vermutung, dass Toshio auf irgendeine unerklärliche Art mit seinen Landsleuten nicht zurecht kommt. Das kann die Erklärung sein. Vor Ricardo und Myro hat er sich noch überwinden können, als Kater aufzutreten, vor japanischem Publikum scheint es ihm ungleich schwerer zu fallen. “Ich lasse mir von denen hier nichts mehr gefallen“, hat Toshio vorhin gesagt nach dem Spiel mit Takamura. Pascal kann sich gut vorstellen, dass sein kleiner sturer Wildfang mit dem streng hierarchischen Gesellschaftssystem seines Heimatlandes nicht gut zurecht gekommen ist. Anscheinend hat er sich genug von seinem Hochmut bewahrt, um sich vor anderen Japanern noch weniger devot zeigen zu wollen als er das ohnehin tat. Japan ist ein stolzes Volk. Pascal wundert sich, dass er nicht eher daran gedacht hat, welche besondere Schmach es für Toshio bedeuten kann, als Sklave in seine Heimat zurückzukehren. Was weiß Pascal als Europäer schon wirklich von der japanischen Mentalität? Noch im zweiten Weltkrieg haben sich Japaner lieber das Leben genommen, als in Gefangenschaft zu gehen. Auf ausländische Kriegsgefangene haben sie verachtend herabgeblickt. Nicht, dass solche Überlegungen, früher vorgenommen, irgendetwas an Pascals Vorgehensweise geändert hätten. Der Aufenthalt in Japan und die Teilnahme an einer öffentlichen SM-Party sind lediglich eine weitere, besondere Lektion in Demut für seinen Lustknaben. Dennoch beschließt er, dass Toshio ein wenig Aufmunterung gut tun wird. Er dirigiert ihn zurück auf Hände und Knie und legt ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. Deutlich spürt er die Anspannung, unter der sein Junge steht. Der Kiefermuskel arbeitet und zeigt, wie sehr Toshio die Zähne zusammenbeißt, wie viel Überwindung dieses kleine Spiel ihn kostet. „Das Schlimmste hast du für heute doch schon überstanden“, sagt Pascal sanft, obwohl er da selbst gar nicht so sicher ist. Toshio leidet sehr unter den Schmerzen, die ihm zugefügt werden. Allerdings scheint die Unterwürfigkeit, die ihm abverlangt wird, ihm noch wesentlich mehr zuzusetzen. Hakujiro steht nicht auf die harte Tour, er ist ein eher gutmütiger Herr, kein Sadist. Aber er ist Japaner, und es kann sein, dass es für Toshio schlimmer ist, ihm (mehr oder weniger) willig zu Diensten zu sein, als einfach nur den Hintern versohlt zu bekommen. Vielleicht soll Pascal seinen Freund bitten, lediglich eine kleine Bondage-Session vorzunehmen. „Wenn wir jetzt gleich diesen Raum verlassen, dann denk daran, dass Katzen edle Tiere sind, die sich keinem Herrn unterwerfen. Das müsste dir doch eigentlich gefallen.“ Er kann nicht erkennen, ob seine Worte für Toshio ein Trost sind, jedenfalls reagiert er nicht sichtbar darauf. Als Pascal sich in Bewegung setzt, folgt er ihm ohne Widerstand. Pascal hält die Zügel kurz, sodass Toshio den Kopf aufrecht halten muss. Die schwarzen, herzförmigen Ohren ragen hübsch nach oben. Der lange Schwanz pendelt grazil an den Beinen entlang, wenn das Becken bei jedem Schritt seitlich vor und zurück schwingt. Pascal geht langsam, denn er weiß um die natürliche Anmut von Toshios Bewegungen, wenn man ihm den Raum dafür lässt. Der Junge setzt die Pfoten bedächtig, aber nicht zögernd und ängstlich. So viel Vertrauen hat er inzwischen, zu wissen, dass sein Herr ihn nicht einfach blind irgendwo gegen stoßen lässt, wenn er ihn führt. Pascals Quälereien sehen anders aus. Im Gemeinschaftsbereich angekommen genießt er die bewundernden Blicke, die sich seinem Sklaven zuwenden. Und dann vibriert auf einmal der Boden unter seinen Füßen. Im ersten Moment glaubt er, dass es sich um eine persönliche Missempfindung handelt, doch dann bemerkt er das Klirren der Gläser an der Bar, und auch die Deckenlampen wackeln in ihren Halterungen. Er erstarrt. Ein Erdbeben! Das ganze Gebäude gerät ins Schwanken, und Pascal muss seine aufsteigende Panik unterdrücken, die in ihm den unwiderstehlichen Drang auslöst, sich entweder auf den Boden zu werfen oder das Hochhaus fluchtartig zu verlassen, am besten beides zugleich. Er kann sich gerade noch vor einer Blamage bewahren, weil ihm zum Glück rechtzeitig auffällt, dass die Japaner nicht einmal ihre Gespräche unterbrechen. Auch Toshio bleibt ganz ruhig neben ihm stehen. Pascal zwingt seine Gedanken auf eine rationale Ebene, damit sich sein Herzschlag wieder beruhigen kann. Erdstöße gehören in diesem Land zum Alltag. Kleinere Beben wie dieses bringen hier niemanden aus der Fassung. Unter Japan treffen vier Erdplatten aufeinander, von daher sind tektonische Plattenbewegungen keine Seltenheit. Erdbeben formen das Land seit Jahrmillionen und gleichzeitig prägen sie die Menschen, die es bewohnen. Einmal mehr denkt er, wie fremd ihm die hiesige Mentalität ist und immer sein wird. Was weiß er schon wirklich von seinem jungen Sklaven und wie es in ihm aussieht? Hakujiro nickt ihm zu und leert noch schnell mit einem Zug sein Weinglas, bevor er sich von seinen Freunden verabschiedet und an Pascal herantritt. „Niemand beherrscht es wie du, sich einen dramatischen Auftritt zu verschaffen, mein Freund“, sagt er lachend. „Wenn du den Saal betrittst, erzittert das ganze Gebäude.“ „Kannst du mal sehen“, lächelt Pascal. „Das muss mir erst mal jemand nachmachen.“ „Und auch die Wahl deines Haustieres ... wirklich süß!“ Hakujiro krault das schwarze Haar zwischen den Katzenohren. „Er schnurrt sogar!“ Pascal lässt diese Aussage unkommentiert, obwohl er sicher ist, dass Toshio gerade eher ein leises Knurren von sich gibt. Er registriert auch, wie sein getigerter Kater wieder vor wachsender Anspannung zu zittern beginnt. Sicherheitshalber nimmt er die Zügel etwas fester. „Spielen wir öffentlich?“ fragt Hakujiro. Pascal schüttelt den Kopf. „Besser nicht.“ „Na gut.“ Hakujiro ist nicht enttäuscht. „Dann lass uns mal sehen, welcher Raum frei ist.“ Jetzt folgt Toshio schon nicht mehr ganz so willig. Pascal muss ihn energisch hinter sich her ziehen. Das ist zwar der Eleganz seiner Bewegungen abträglich, aber wenigstens ist der Widerstand noch nicht so groß, dass der Junge über den Boden geschleift werden muss. Obwohl es schon so spät ist, sind die meisten Separees noch belegt. Pascal hat keine Lust, in denselben Raum zu gehen, aus dem er gerade gekommen ist, und so landen sie in einem relativ kleinem Spielzimmer, in dessen Mittelpunkt ein prachtvoller Thron aus schwarz und golden lackiertem Holz steht. Als einziges sonstiges Spielgerät dienen ein paar Ösen an der Wand, an denen ein paar silberne Ketten einladend befestigt sind. Zum Glück hat das Beben der Erde schon wieder aufgehört, die Fesseln hängen ganz ruhig. „Sitz!“ Pascal drückt Toshio in den Fersensitz, die Hände bleiben vor ihm auf dem Boden, und nimmt ihm Knebel und Augenbinde ab, während Hakujiro die zwei Stufen zu dem Thron hinaufsteigt und dort Platz nimmt. Toshios Augen sind wider Erwarten trocken, sein Gesicht ist bleich und starr wie eine Maske. „Du wirst Herrn Hakujiro zu Diensten sein und tun, was er dir sagt“, befiehlt Pascal. „Ja, Herr.“ Trotz dieser Zusage muss Pascal ihn ein wenig anschubsen, nachdem Hakujiro Toshio zu sich zitiert. Langsam kriecht der Junge auf den Thron zu; jeder zögernde kleine Schritt vorwärts zeigt sichtbar seinen Widerwillen. Pascal ist auf der Hut und bereit, jederzeit einzugreifen, falls Toshios Unwille sich zu massivem Widerstand steigert. Auf das, was dann allerdings geschieht, ist er nicht vorbereitet. Selbstgefällig lehnt Hakujiro in dem Herrschersitz. Toshio krabbelt bis kurz vor ihn hin und verharrt schließlich unsicher in angespannter Haltung. „Komm näher, Sklave“, sagt Hakujiro. „Komm und leck mir die Schuhe. Wenn du brav bist, wird dir nichts geschehen, Junge.“ Toshio zögert und wendet den Blick Pascal zu. Sein Gesicht ist jetzt nicht mehr ausdruckslos; Verzweiflung liegt in seinen Augen, hilfesuchend und flehend sieht er Pascal an. Ich will das nicht, spricht jede Faser seines Körpers. Gehorche, formen Pascals Lippen tonlos. Drohend hebt er die Hand – wenn es sein muss, wird er den Jungen windelweich prügeln, damit er tut, wie ihm geheißen. Toshio sieht die Unerbittlichkeit und senkt die Lider. Unendlich langsam dreht er sich zurück zu Hakujiro und kriecht die zwei Stufen zum Thron hinauf. Er neigt den Kopf und leckt über das schwarze glänzende Leder der Schuhe. Ein würgender Laut entweicht seiner Kehle, aber er macht trotzdem weiter. Pascal und Hakujiro wechseln einen zufriedenen Blick. Pascal sucht sich einen Platz auf einem der kleinen Sessel am Rand, von wo aus er die Szene gut im Auge hat, und Hakujiro lässt Toshio noch eine ganze Weile weiter an seinen Schuhen schlecken, bevor er ihm erlaubt, wieder damit aufzuhören. Toshio zittert inzwischen deutlich sichtbar, und ein dünner Schweißfilm bedeckt seine Haut. Zeichen genug für den japanischen Herrn, ihm eine Pause zu gönnen, auch wenn er nicht versteht, was genau dem jungen Sklaven so zusetzt. Die Furcht vor dem Kommenden, mutmaßt er und redet beruhigend auf Toshio ein. „Das hast du gut gemacht, kleiner Kater“, lobt er. „Komm her, leg deine Pfötchen hier auf meine Beine. Ich tu dir nicht weh, hab keine Angst. Braves Kätzchen.“ Toshio richtet sich auf und legt seine bepfoteten Hände auf Hakujiros Oberschenkel und lässt sich den Nacken kraulen. Seine Lippen sind fest zusammengepresst, sein Blick geht ins Leere. Er weiß, von Pascal ist keine Unterstützung zu erwarten. Und genauso weiß er, dass er das, was Hakujiro als nächstes verlangt, unmöglich tun kann. Der nämlich nestelt an seiner Hose herum, öffnet den Reißverschluss und holt sein Geschlecht hervor. „Und nun leck mich“, fordert er heiser. „Leck mich bis ich komme, kleiner Kater.“ Gebannt beugt sich Pascal in seinem Sessel ein wenig vor. Damit hat er, ehrlich gesagt, nicht gerechnet. Es ist ihm zwar bekannt, dass Hakujiro bisexuell ist, allerdings mit deutlich ausgeprägterer Neigung zum weiblichen Geschlecht hin. Pascal kann sich nicht erinnern, ihn jemals in sexueller Aktion mit einem männlichen Sklaven gesehen zu haben. Liegt es am Alkohol? Vielleicht. Wahrscheinlich in Kombination mit Toshios androgynem Aussehen, verstärkt noch durch den Minirock, den er heute trägt. Selbst aus der Entfernung sieht er, wie Toshio sich versteift. Hakujiro muss seinen Befehl mit Nachdruck wiederholen. Pascal ist nicht überrascht, dass sein Sklave sich weigert. Aber Toshio scheint nicht nur ein einfaches Nein formuliert zu haben. Hakujiro wird mit einem Mal kreidebleich und zieht vor Überraschung die Augenbrauen hoch. „Nani?“ fragt er ungläubig. „Sag das noch einmal!“ Toshio wiederholt seinen Satz mit zittriger Stimme, aber laut und deutlich. Nur leider in japanischer Sprache, sodass Pascal kein Wort versteht. Hakujiro versteht ihn dafür umso besser, und sein Gesicht verzerrt sich zu einer Fratze aus Wut und Abscheu. Bei allen Heiligen, was hat Toshio zu ihm gesagt? Pascal springt auf, aber es ist zu spät. Hakujiro brüllt irgendetwas auf Japanisch und tritt Toshio so fest mit dem Fuß von sich, dass der Junge die zwei Stufen hinunter fliegt und sich auf dem Boden einmal überschlägt. Die Katzenohren und eine der Fußtatzen gehen ihm dabei verloren. Toshio schreit auf, vor Schreck und vor Schmerz, und dann ist Pascal auch schon bei ihm, und Toshio kriecht auf allen Vieren zu ihm und bringt sich hinter seinen Beinen in Sicherheit. Und das nicht ohne Grund, denn Hakujiro, der vor Wut tobt, streift angeekelt seine Schuhe ab und wirft sie ihm hinterher. Einer fliegt zu weit nach rechts, der andere trifft Pascal, der ja inzwischen vor Toshio steht, am Bein. „Spinnst du? Was soll das?“ Auch Pascal wird jetzt wütend, so geht man nicht mit seinem Eigentum um. Ganz davon abgesehen, dass der Schuh ihn empfindlich am Schienbein getroffen hat! „Bring dieses ...“ Hakujiro ringt nach dem richtigen Wort und fuchtelt mit dem Arm in Toshios Richtung. „... dieses Vieh hier weg, sofort!“ Er sieht reichlich lächerlich aus, wie er da vor dem Thron steht: ohne Schuhe und mit offenem Hosenstall, aus dem sein schlaffer Penis hängt. Aber Pascal ist gerade überhaupt nicht nach Lachen zumute. „Was?“ fragt er irritiert. „Warum denn? Was ist denn los?“ „Das verstehst du als gaijin sowieso nicht!“ Hakujiro richtet seine Hose und strafft seine Gestalt. Er wirkt mit einem Mal völlig ernüchtert. Aber noch immer bebt seine Stimme, auch wenn er jetzt bemüht ruhig weiter spricht: „Du bist weiterhin mein Gast, Pascal-san. Aber sorge dafür, dass dieses Individuum mir nicht mehr unter die Augen kommt! Und jetzt schaff ihn hier fort, auf der Stelle!“ Und damit rauscht er davon und knallt die Tür hinter sich zu. Einen langen Augenblick herrscht Stille. Nur Toshios unregelmäßige Atemzüge sind zu hören. Pascal holt tief Luft und lässt sie langsam wieder entweichen. Er wendet sich seinem Sklaven zu, der unverändert auf dem Boden kauert, die Arme mit den Pfotenstulpen ängstlich über den Kopf gelegt. Hilflos. Schutzbedürftig. Es stimmt Pascal milde, dass er sich hinter ihm verkrochen hat. Außerdem richtet sich im Moment sein Ärger gegen Hakujiro, der ihn herumkommandiert und dann stehen gelassen hat wie einen seiner Untergebenen. Nie wieder, schwört sich Pascal, wird er einen angetrunken Meister mit seinem Sklaven spielen lassen. Egal, womit der Sklave einen Herrn provoziert, niemals darf der Herr während des Spiels die Kontrolle dermaßen über sich verlieren, dass der Sklave zu Schaden kommen kann – zumindest, wenn der Sklave einem nicht selbst gehört und keine Erlaubnis vorliegt. „Was hast du ihm gesagt?“ fragt Pascal das zittrige Bündel zu seinen Füßen. Er muss die Frage wiederholen, bevor er eine Antwort bekommt. Toshio wirkt wie unter Schock. „Nichts ...“ antwortet er verzagt. „Toshio, verkauf mich nicht für dumm. Und nimm die Arme runter, ich tu dir ja nichts. Also?“ „Ich habe ihm gesagt, dass ich Eta bin.“ Toshios Stimme ist so leise, dass er kaum zu verstehen ist, und er hält die Pfötchen jetzt vor die Brust gezogen. „Dass du was bist?“ „Eta, Herr.“ „Eta?“ „Ja, Herr.“ „Und was ist das?“ „Das sind Beschmutzte, Herr.“ „Beschmutzte? Erklär mir das.“ „Wir sind Burakumin, Leute aus speziellen Dörfern. Verfemte, Rechtlose. Meine Vorfahren wurden verachtet, weil sie in religiös unreinen Berufen tätig waren. Weil sie Kontakt zu Fleisch, Blut und Tod hatten. Damit sich die feinen Herren ihre Hände nicht schmutzig machen mussten. Und als Dank dafür wurden wir aus der Gesellschaft ausgestoßen.“ Er spricht ohne Modulation, ohne erkennbare Emotion, wie auswendig gelernt. „Davon habe ich noch nie gehört. Das muss doch schon ewig her sein.“ „Seit Ende des neunzehnten Jahrhunderts sind eigentlich alle Japaner gleichgestellt. Aber wie bei George Orwell sind manche Japaner eben gleicher als andere ... Viele Unternehmen stellen keine Buraku ein, es gibt geheime Listen ... Viele Menschen wollen mit uns nichts zu tun haben ... So wie er gerade eben ...“ Mit einer fahrigen Geste wischt Toshio sich über die Augen. Er zittert noch immer am ganzen Körper. „Hast du deswegen dein Glück in Europa versucht?“ fragt Pascal neugierig. „Ja. Ich wollte das alles hinter mir lassen.“ „Und dann kam ich.“ „Ja. Dann kamst du.“ Sie schweigen einen Moment. Schließlich hebt Pascal ihn hoch und schlingt die muskulösen Arme um den schmalen Körper. „Und ich bin froh, dass ich dich habe“, sagt er und spürt, wie ein Schaudern durch Toshios Körper geht, obgleich der junge Mann sich an ihn schmiegt. Pascal schmunzelt. „Ja, ich weiß, dass wir unterschiedlicher Meinung darüber sind.“ Er führt Toshio zu dem Sessel an der Wand und setzt ihn hinein. Er streicht ihm durch das bleiche Gesicht. „Bist du verletzt?“ fragt er besorgt. Hakujiro hat ganz schön fest zugetreten, und nicht vergessen ist auch der Sturz die zwei Stufen hinunter. Erneut lodert Zorn in Pascal auf, erstaunlicherweise immer noch nur gegen Hakujiro. Toshio hat getan, was in seiner Lage nur logisch ist: Er wollte nicht tun, was verlangt wurde und wusste sich nicht anders zu helfen. Pascal hätte besser acht geben müssen, und er hätte nicht gestatten dürfen, dass ein Betrunkener mit Toshio spielt – er weiß schließlich besser als jeder sonst, wie unberechenbar sein Sklave ist und wie nervenaufreibend provozierend er sein kann! Aber dass jemand anders als er selbst ihm unkontrolliert weh tut, erregt nicht nur seine Empörung, sondern weckt auch eine Art Beschützerinstinkt in ihm, der ihm neu ist. Toshio schüttelt den Kopf, Pascal untersucht ihn trotzdem. Nur um sicher zu gehen. Er findet eine Beule am Hinterkopf, eine Hautabschürfung am Ellenbogen, und die Rippen sind wohl leicht geprellt, dort, wo Hakujiro ihn getroffen hat. Fast apathisch lässt Toshio alles über sich ergehen. Die seelische Verletzung scheint gravierender zu sein als die äußerlichen Blessuren. Pascal kann nur eine Ahnung davon haben, wie alt und tief die Wunde sein muss, die jetzt wieder aufgebrochen ist – und in der auch er mit seiner Sklavenerziehung immer wieder herum gebohrt haben muss. Er erinnert sich noch gut daran, wie vehement sich Toshio anfangs geweigert hat, zu knien, und dass er fast gestorben wäre, nur um sich nicht für seine erste Lektion zu bedanken. Wie viel Diskriminierung mag Toshio in seiner Jugend erfahren haben? Immerhin kann Pascal seine Allüren jetzt besser verstehen, wo er ein wenig mehr von seiner Herkunft weiß. Also hat Toshios Verhalten an diesem Abend tatsächlich mit der Sprache und den Menschen hier zu tun – das muss eine Menge unliebsamer Erinnerungen wach gerufen haben. Das Thema mit der verachteten Gesellschaftsschicht in Japan ist Pascal vollkommen unbekannt, und er nimmt sich vor, sich demnächst noch eingehender darüber zu informieren. Doch zunächst ist erst einmal Toshio wichtig, und dass er ihn möglichst schonend hier heraus und in sein Apartment zurück bringt. Der Junge hat eindeutig genug für heute. Mit hängenden Schultern sitzt er da, alle Kraft scheint ihn verlassen zu haben. Er braucht dringend eine Pause. Pascal hebt den Tatzenschuh und den Haarreif mit den Ohren vom Boden auf. Reglos lässt Toshio zu, dass ihm beides wieder angezogen wird. Pascal befestigt die Zügel an dem Halsband. „Ich möchte, dass du hoch erhobenen Hauptes mit mir hinaus gehst“, sagt Pascal mit fester Stimme. „Du wirst Hakujiro nicht den Gefallen tun und gebrochen an ihm vorbei schleichen, hast du verstanden?“ Toshio schaut ihn mit großen Augen an. „Ja, Herr.“ Er braucht noch eine Weile, bis er sich soweit gefangen hat, dass sie gehen können. Pascal zieht ihn in den Stand, lässt ihn den Rücken aufrichten und massiert ihm die verspannten Schultern. Als sie den Raum endlich verlassen, führt er Toshio zwar an der Leine, aber er geht aufrecht neben ihm her, und in seiner Miene zeigt sich der alte hochnäsige Ausdruck, der Pascal schon damals im Spotlight an ihm aufgefallen ist. „So ist`s gut, Toshio. Hervorragend machst du das“, raunt Pascal ihm zu. Er verabschiedet sich noch schnell von seinen guten Bekannten, viele findet er sowieso nicht mehr in der Lounge. Die meisten sind schon gegangen oder noch in den Separees verschwunden. Von Hakujiro ist nichts zu sehen, er sei auf der Terrasse, wird Pascal informiert. Anscheinend möchte er ihm jetzt nicht mehr begegnen. Pascal ist das nur recht. Toshio bewahrt Haltung, bis sie beim Auto angekommen sind. Während Pascal ihm die Hände zusammenbindet, sackt er wieder in sich zusammen. Pascal erlaubt ihm, sich auf den Rücksitz zu legen und holt eine Decke aus dem Kofferraum, die er sorgsam über dem Jungen ausbreitet. Da hat Toshio die Augen schon geschlossen. Es ist nicht weit bis zu Kondo Hakujiros Anwesen. So streng Pascal seinen Sklaven am ersten Abend behandelt hat, so liebevoll umsorgt er ihn nun. Er löst alle seine Fesseln und entkleidet erst ihn und danach sich. Gemeinsam duscht er mit ihm und entfernt behutsam den Plug. Toshio lässt alles stumm geschehen, nur ab und zu stöhnt er leise, wenn Pascal ihm trotz aller Vorsicht weh tut. Nachdem er ihn abgetrocknet hat, versorgt Pascal noch seinen wunden Schließmuskel mit kühlender Heilsalbe. Diese Nacht darf Toshio mit ihm im Bett schlafen. Pascal hält ihn fest im Arm und streichelt über seine samtweiche Haut, bis er merkt, wie Toshio sich langsam entspannt. Erst dann lässt er sich in den Schlaf gleiten. Am nächsten Morgen ist die Betthälfte neben ihm leer. Ein kurzer Blick zur Seite zeigt ihm, dass Toshio friedlich zusammengerollt in dem Körbchen neben dem Bett liegt. „Habe ich dir etwa erlaubt, aufzustehen?“ fragt Pascal noch schläfrig und wischt sich eine lange blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. „Komm her hier, ich will kuscheln.“ Sofort springt Toshio auf, bleibt allerdings zögernd vor dem Bett stehen. Was für ein herrlicher Anblick direkt nach dem Aufwachen, denkt Pascal. Von Anfang an hat ihm gefallen, dass Toshio nie schamhaft seine Nacktheit zu verdecken sucht – er bewegt sich nackt mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie angezogen. Und warum auch nicht. Sein Körper ist schön von Kopf bis Fuß. An dem jungen Mann ist kein Gramm Fett zu erkennen, statt dessen zeichnen sich die schlanken Muskeln unter der Haut ab. Es ist ihm unverständlich, wie Hakujiro den gleichen Mann mit soviel Abscheu im Gesicht ansehen konnte. „Was ist, worauf wartest du?“ drängt er ungeduldig. „Ich ... Bitte, Herr, ich muss pinkeln. Darf ich, bitte ...?“ „Na gut“, brummt Pascal. „Aber beeil dich.“ „Ja, Herr. Danke, Herr.“ Artig lässt Toshio die Tür zum Bad offen und ist auch sogleich wieder da, um zu seinem Herrn unter die Decke zu kriechen. Verkrampft liegt er in Pascals Arm, bis er merkt, dass dieser tatsächlich nur vor dem Aufstehen noch ein wenig schmusen will. Pascal weiß, wie anstrengend die letzte Nacht für seinen Sklaven gewesen und wie wichtig jetzt eine Pause ist. Deswegen gestattet er ihm später auch, den Hausanzug anzuziehen: eine weite Hose, die oberhalb der Knöchel endet und ein enges kurzärmeliges Oberteil, das den Bauchnabel frei lässt, beides aus schwarzem Satin. Auch darin ist Toshio ein wahrer Augenschmaus, und gleichzeitig ist es für ihn ein Zeichen, dass Pascal nicht zu spielen beabsichtigt und kann sich von daher ein wenig entspannen. Pascal wirft sich den Yukata über, der für ihn bereit liegt und beordert per Haustelefon das Frühstück, welches Paolo kurz darauf bringt. Der junge Spanier schiebt einen Servierwagen in das Zimmer und deckt den Tisch mit einem japanischen Frühstück, bestehend aus mehreren Schüsseln mit eingelegtem Gemüse, geröstetem Fleisch, Reis und Misosuppe. Dabei wagt er kaum den Blick zu heben. Toshio kniet auf den Tatami-Matten neben Pascal, und am Ende nimmt Paolo zwei Näpfe unter einem rund gewölbten Deckel hervor und stellt sie zu dem jungen Sklaven auf den Fußboden. Ein unangenehmer, aber merkwürdig bekannter Geruch steigt Pascal in die Nase, und ein kurzer Blick nach unten zeigt ihm die Herkunft desselben. In einem von Toshios Näpfen sind kleine runde bräunliche Kügelchen, und das andere, aus dem auch der Gestank aufsteigt, enthält eine Art matschiges Gulasch. Toshio sitzt wie versteinert und starrt auf das, was er offenbar essen soll. „Hey, Paolo! Was ist das da?“ Pascal erwischt mit seinem Zuruf den Spanier gerade noch, bevor der aus der Tür huschen kann. Er deutet auf die zwei Näpfe. Sichtlich verlegen bleibt Paolo stehen und knetet seine Finger. „Das ist Katzenfutter, Herr“, antwortet er nervös. „Das soll ein schlechter Witz sein, oder?“ fragt Pascal ohne jeden Humor. „Nein, äh ... tut mir leid, Herr, aber Master Kondo hat das angeordnet.“ Paolo zieht den Kopf zwischen die Schultern, als würde er Schläge erwarten. „Er sagt, das sei das richtige Essen für den Eta.“ „Das kann doch wohl nicht wahr sein!“ explodiert Pascal und haut mit der Faust auf den Tisch, dass die Suppe überschwappt und beide Sklaven zusammenzucken. „Jetzt hat er komplett den Verstand verloren! Na, warte ... Ich werde das klären! Du wirst das nicht essen, Toshio.“ Er steht auf und schiebt mit dem Fuß die Näpfe zur Seite. „Und du, Paolo, nimm diesen Fraß wieder mit! Wo finde ich Kondo-san?“ „In seinem Arbeitszimmer, Herr. Aber ...“ Aber da ist Pascal schon an ihm vorbei. Das folgende Gespräch zwischen Hakujiro und ihm verläuft unerfreulich und stellt ihre langjährige Freundschaft auf eine harte Probe. Der Japaner bleibt uneinsichtig und beharrt auf seinem Standpunkt, dass ein Eta (und er spricht das Wort aus, als hätte er einen vergammelten Fisch im Mund) ein Tier sei und von daher in seinem Hause die einem Eta angemessene Nahrung erhalte. Das Katzenfutter sei von erstklassiger Qualität, und wenn Pascal der Geruch störe, so könne er sich ja auf das Trockenfutter beschränken. „Toshio ist ein Sklave, aber er ist immer noch ein Mensch, und Katzenfutter ist keinesfalls angemessene Nahrung für ihn!“ stellt Pascal klar. „Wie du ihn behandelst, ist deine Sache“, gibt Hakujiro zurück. „In meinem Haus jedenfalls bleibt er Eta und wird auch so behandelt und damit Ende der Diskussion. Du bist Ausländer, du kannst das nicht verstehen. Du bist auf sein hübsches Aussehen hereingefallen, aber in seinem Inneren ist er Schmutz. Glaube mir, er wird dir noch viel Unglück bringen. Er ist unrein. Natürlich kannst du mit ihm bleiben, du bist mein Gast. Aber bringe ihn in Zukunft nicht wieder mit her, er beschmutzt mein Haus. Ich verzeihe dir deine Unkenntnis, denn du konntest das nicht wissen.“ „Nein“, entgegnet Pascal. „Das konnte ich nicht wissen. Und du hast vollkommen recht: Ich verstehe es auch nicht.“ Damit beendet er das Gespräch, denn er weiß, wann er mit rationalen Argumenten nicht weiter kommt. Er ist mit dem Phänomen Rassismus vertraut, immerhin ist er damit aufgewachsen. Ungewöhnlich ist nur, dass Toshio nicht einmal einer anderen Rasse angehört – er ist schließlich Japaner wie Hakujiro selbst auch. Nachdenklich geht er zurück zu seinem Quartier. Was soll er jetzt tun? Er kann natürlich Toshio tagsüber wie geplant unter Hakujiros Obhut lassen. Aber Pascal hat sich das anders vorgestellt, er ist davon ausgegangen, dass sein Sklave hier gut untergebracht sei. Das ist nun jedoch offensichtlich nicht der Fall. Und gerade nach der letzten Nacht hat er Toshio eigentlich ein wenig Erholung gönnen wollen, keine weiteren Schikanen. Es ist ja nicht so, dass Pascal seine Sklaven noch nie irgendetwas Ekliges, sei es Tiernahrung oder sogar Fäkalien, hat essen lassen. Aber wenn, dann war es stets gezielte Erniedrigung als Teil der Erziehung oder einer Strafe. Ansonsten achtet er auf eine zwar einfache, aber ausgewogene und gesunde Kost, schließlich müssen die Sklaven leistungsfähig bleiben. Und das gilt nicht nur für seine Lustsklaven, denen er immerhin körperlich einiges abverlangt, sondern genauso für die Laborsklaven - es sei denn, einseitiges oder ungesundes (oder gar kein) Essen ist Bestandteil des jeweiligen Versuches. Toshio hockt noch genauso am Boden, wie Pascal ihn zurück gelassen hat. Sein Körper zittert, und er zieht den Kopf ein, als Pascal den Raum betritt. Der geht zunächst scheinbar achtlos an ihm vorbei, setzt sich an den Tisch und beginnt ohne großen Appetit zu frühstücken. Dabei kreisen seine Gedanken weiterhin um die unvorhergesehene Komplikation. Selbst wenn sich Pascal in einem Land aufhalten würde, in dem er die Sprache beherrscht, wäre es schwierig, kurzfristig eine geeignete Unterkunft für seinen aufmüpfigen Sklaven zu finden. In Tokyo wahrscheinlich generell schwierig; und zu weit außerhalb darf es auch nicht sein, da sonst der Anfahrtsweg zu weit wird. Einmal angenommen, er fände ein Hotel oder Apartmenthaus im Stadtgebiet, in dem er absolute Diskretion erwarten darf, dann muss Toshio dennoch die meiste Zeit gut gesichert (gefesselt und geknebelt) allein verbringen. Die Wände in japanischen Häusern sind dünn und hellhörig. Da Pascal davon ausgegangen ist, dass er seinen Aufenthalt wie immer bei Hakujiro verbringen wird, hat er jetzt kein geeignetes Personal für die Betreuung seines unberechenbaren Leibsklaven dabei. Und je öffentlicher das Gebäude wäre, desto dichter muss der Knebel sein, was wiederum die Erstickungsgefahr um ein Vielfaches erhöht. Anfangs hat er zwar Toshio diesem Risiko ausgesetzt, aber da hat das mit zu seinem Erziehungsprogramm gehört. Im Moment jedoch möchte Pascal den Jungen auf keinen Fall verlieren. Ganz davon abgesehen, dass er ihn lebend haben will, wäre es für ihn in diesem fremden Land auch ungleich schwerer, wenn nicht gar unmöglich, eine Leiche unauffällig verschwinden zu lassen. Als ahne Toshio, worüber sein Herr gerade nachdenkt, stöhnt er verhalten und verlagert vorsichtig sein Gewicht, um seine Knie ein wenig zu entlasten. „Mon bijou, komm her.“ Pascal winkt ihn zu sich und dirigiert ihn auf seinen Schoß. Toshio gehorcht und schmiegt die Wange an seine muskulöse Brust. Ein warmes Gefühl macht sich in Pascal breit, und er streicht dem Jungen liebevoll über das schwarzglänzende Haar. Ah, dieses wunderbare Phänomen, dem die Psychologie den Namen „Stockholm-Syndrom“ gegeben hat und das die Seele des Opfers aushöhlt und dem Täter in die Hände arbeitet. Nein, Pascal möchte zum jetzigen Zeitpunkt nicht, dass sein Lieblingssklave undosierten Erniedrigungen ausgesetzt ist. Aber was soll er tun, wo soll er Toshio lassen? Morgen beginnen die Meetings, dann wird Pascal den ganzen Tag unterwegs sein. Und abends wäre es unhöflich die sicherlich kommenden Einladungen zu Essen und Vergnügungen auszuschlagen. Ganz zu schweigen von dem Wochenendtrip nach Kyoto, den der japanische Chemie-Konzern angekündigt hat. Langsam und ein wenig geistesabwesend beginnt er, Toshio mit den Resten seines Frühstücks zu füttern. Paolo hat reichlich aufgetragen, und Pascals Appetit leidet unter dem ungelösten Problem, sodass genug Essen für Toshio übrig ist. Es gibt in Tokyo natürlich einen Club, wie in vielen anderen Metropolen der Welt, wo Menschen wie Pascal ihre Gelüste ausleben können, auch ohne selbst einen Sklaven zu besitzen. Dort wäre es sicherlich möglich, Toshio unterzubringen. Aber nach der Erfahrung mit Hakujiro möchte Pascal nicht das Risiko eingehen, Toshio von Japanern betreuen zu lassen. Wäre ja möglich, dass auch dort Toshios Herkunft bekannt wird, und woher soll Pascal wissen, dass man dort nicht genauso darauf reagiert wie Hakujiro das getan hat. Erstaunt registriert Pascal, wie heftig das Bedürfnis mit einem Mal ist, Toshio beschützen zu wollen. Interessant, wie sich seine Gefühle verändern können, wenn jemand anders als er selbst seinem Jungen Schaden zufügen will. Eine bislang unbekannte, aber nicht unangenehme Emotion. „Danke, Herr“, sagt Toshio verschüchtert, als er den letzten Bissen hinunter geschluckt hat. Ausnahmsweise sagt er das so, als würde er tatsächlich Dankbarkeit empfinden und nicht erzwungen, monoton oder mit sarkastischem Unterton wie sonst. Wieder wird Pascal davon innerlich ganz weich und zieht ihn erneut in eine Umarmung, was Toshio willig geschehen lässt. Plötzlich erinnert sich Pascal an Myro, und wie er gestern noch gedacht hat, dass sanftmütige Fügsamkeit auch ihren Reiz hat. Und dann schlägt er sich gedanklich gegen die Stirn: Natürlich! Das ist die Lösung! Warum ist ihm das nicht eher eingefallen? Es kostet ihn ein paar Telefonate, um Ricardos Nummer herauszufinden (ohne zu ahnen, dass Toshio sie auswendig weiß), aber schließlich hat er sie. Und wie er erwartet hat, ist Ricardo hoch erfreut, Toshio ein paar Tage bei sich aufnehmen zu dürfen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)