Das Lied im Automaten von pandine ================================================================================ Kapitel 26: Anfang vom Ende --------------------------- Es dauerte nicht mehr lange, bis der Marsch beginnen würde. Die Vorbereitungen hielten das Dorf in Atem und keines der Argumente, die Futave vergeblich auflistete, wollte seine Wirkung entfalten. Er erntete viele milde Lächeln, mehr nicht. Der Kampf würde ausgetragen werden. Man hatte sich auch schon auf einen Ort geeinigt – konnte man das Überbringen des Ortplatzes und das Losmarschieren ohne Warten auf Zustimmung so nennen. Es würde sich in der westlichen Wüste ereignen. Es mag vielleicht nicht der ideale Ort für einen Kampf sein, doch hatte man einen gewissen Heimvorteil auf der eigenen Seite. Schließlich hatten sie eine Art Geheimwaffe bei sich. Chael wurde unter Anderem damit beauftragt, die wüstenähnliche Gegend um das Dorf des Westens zu begutachten, Fallen aufzustellen und Erkundungen zu betreiben. Dieser Kampf war schon entschieden, bevor er überhaupt angefangen hatte. Und der Kampf wurde schon vor Jahrzehnten begonnen. Es war alles perfide eingefädelt von einem Elf, der schon seit mehreren Jahrzehnten dieses Land regierte. Begleitet von den Wahnvorstellungen eines Herrschers machten sich die Elfen am Hof für den Kampf bereit. Proviant wurde eingepackt, Lebensmittel haltbar gemacht und Soldaten ausgebildet. Natürlich lief das nicht gerade erst in den letzten Tagen an, die öffentliche Demonstration des Trainings der Hunderten, wenn nicht gar Tausenden war das einzige Neue an dem Bild, welches sich im Dorf zeigte. Sie waren auf diesen Kampf vorbereitet. Nein. Sie inszenierten den Kampf, der den Untergang der Rebellion bedeuten sollte. Und inmitten diesem ein fanatischer Mensch, der ein Elf sein wollte. Die Bedingungen hätten für die Elfen nicht günstiger sein können. Er tat alles bereitwillig, was sie wollten. Es war schon fast ein Wunder, dass sie ihn nicht direkt schamlos ausnutzten, sondern auch so taten, als würden sie ihn in ihre Reihen aufnehmen. Es hätte letzten Endes keinen Unterschied gemacht, doch irgendwo schien doch ein Gewissen zu schlummern. Der Bote, den sie zu den Rebellen oder deren Ablegern geschickt hatten, war gerade zurückgekommen, als der Marsch bereit zum Aufbruch war. Ein Heer von knapp vierhundert Mann würde die Vorhut bilden, der Rest kam nach. Mit welcher Schlagkraft wohl die Rebellen aufkommen würden? Gewiss würde sie geringer sein. So jedenfalls waren die Gedanken der auf den Kampf eingestimmten Elfen. Es war eine Gelegenheit, sich aus dem Trott des Alltages zu befreien und endlich wieder etwas Spannendes zu erleben. Es drehte Futave den Magen um, doch er konnte hier nichts mehr erreichen. Allein die Stimme des Königs hatte es ihm mehr als deutlich vermittelt: Ich bestimme hier. Die einzige Aussage, die es gab, und das, was er bestimmte, war Krieg. Absolute Vernichtung. Wieder wurde dem Elf schlecht, doch gleichzeitig war ein Feuer in ihm entfacht, das er nicht gedachte, zu löschen. Er würde sie noch auf dem Weg überreden können, irgendwann. An diese Hoffnung klammerte er sich, während er sich aufgrund seiner Herkunft an der Front zusammenfinden durfte. Dieser Kampf war nicht vorbei. Es gab auch noch einen anderen Boten, der von den Elfen gesandt wurde. Dieser lief dem Heer mehr oder minder voraus, war aber kein Wegsicherer des Heeres. Es war vielmehr ein Vorbote des Krieges, der das unbehelligte Dorf im Westen noch einmal inspizieren sollte. War jeder gegangen? Obwohl sie es in der Wüste halten wollten, so war es doch ungewiss, wie weit die Magie reichen würde, die sicher nicht in geringen Maßen fließen würde. Trivian hatte direkt nach Erhalt der Nachricht angeordnet, dass jeder zu evakuieren war. Fenster wurden zugezimmert, die Vorratskammern geplündert und für eine Reise in das nächste Dorf gepackt, um dort die Zeit des Kampfes zu überdauern. Keiner der Menschen wagte es, an diesem Kampfschauplatz zu sein. Viele betrauerten ihr Heim, verfluchten die Elfen und den Krieg, den sie anzettelten, obwohl sie von freundlichem Gemüt waren. Tränen flossen auf die Erde, die immer kälter geworden war. Wieso fand der Kampf bloß im Winter statt, wo doch bald schon die ersten Flocken fallen würden? Trivian und keiner im Dorf konnte es sich erklären, doch sie konnten auch nichts dagegen ausrichten. Die Elfen waren eine höhere Macht, sie besaßen Magie. Als der Vorbote im einst blühenden Dorf des Westens ankam, fand er niemanden. Die Wege waren leergefegt, Papiere mit Verwünschungen verliehen dem Dorf einen fluchbelasteten Eindruck. Die Fensterläden waren allesamt zugezimmert, die Türen abgeschlossen. Allen Räumen war das Nötigste entnommen worden, Essen, Kleidung, Decken. Doch Sachen wie Schmuck und größenteils auch Bücher verweilten in der Dunkelheit. Auch das Vieh war nicht mehr da. Alles und jeder war weg. Die Welt, das Land schien sich mehr und mehr auf einen Kampf einzustellen, bei dem am Ende nur noch die Ungewissheit war. Wie weit würde der Kampf gehen? Wie viele Verwundete würde es geben? Man wusste es nicht. Der Vorbote zügelte das Pferd, auf dem er hergeritten war, und wendete. In vollem Galopp ging es zurück zum Elfendorf, auf Konfrontation mit dem Heer. Es war alles bereit, doch wie rot die Erde werden würde, auf denen sie lebten, vermochte keiner zu sagen. Und ob Schnee fallen würde erst recht nicht. Wieso zettelte man einen Krieg auch zu einer Zeit an, zu der jedes andere vernunftbegabte Wesen Nein gesagt hätte? Man wusste es nicht. Der Aufbruch aus dem Dorf des Westens war schnell und schmerzvoll vergangen. Das Ruckeln der Wagen, die sie auftreiben konnten, um ihr wenigstes Hab und Gut zu transportieren, mischte sich mit dem Schnauben von Ochsen, Pferden. Schafe blökten und irgendwo bellte ein Hund inmitten des Marsches, der die Hälfte der Strecke zum nächstgelegenen Dorf zurückgelegt hatte. Wachsame Augen beobachteten das Treiben, Trivian stand am Rand und sah zu, dass jeder mitkam und keiner zurückblieb. Mit Sorge betrachtete er den Weg, den sie zurückgelegt hatten. Würde das reichen? Er wusste nicht, in welcher Heftigkeit die Kämpfe stattfinden würden. Und auch der Dorfberater fehlte ihm in dieser Situation voll von Chaos ein wenig. Die ruhige Aura des Mannes, die Zielstrebigkeit hatte bisher immer selbstsicher zu Ruhe und Ordnung geführt. Ob es ihm gut ging? Er hatte nichts mehr von Chael gehört, seit er aufgebrochen war, um Besuche zu machen. Er hoffte, dass der Mensch sich in genügender Entfernung vom Kampf aufhielt, er würde den magischen Impulsen und Wellen nicht lange standhalten können, lief es nun wirklich auf das hinaus, was der Dorfälteste befürchtete. Menschen waren solch zerbrechliche Wesen. Er liebte es, sich um sie zu kümmern und schätzte diese im Allgemeinen mehr als die hochnäsigen Elfen zu Hofe. Sie waren um Einiges ehrlicher als jeder Elf, der dort jemals gewesen war. Er konnte sich keinen Reim draus machen, schob es aber nach langem Nachdenken immer wieder auf den Hof. Die Umgebung. Der ständige Druck. Er hatte selbst einmal bei diesen Leuten gelebt, doch dies ist schon sehr lange her. Ob es sich verändert hatte? Er bezweifelte es nach dem, was er so hörte. Es gab wohl Elfen, die sich niemals verändern würden, egal, wie viel Zeit vergehen mochte. „Dorfältester?“, fragte ihn jemand von der Seite. Es war eine der Frauen im Frauenhaus, der Name fiel ihm nicht sofort wieder ein. „Ihr seht so nachdenklich aus, da wollte ich mich nur erkundigen, ob es euch gut geht?“ Sie hatte einen Stapel Wäsche auf dem Arm, ihr Gesicht war von Sorge zerfurcht. „Es ist alles in bester Ordnung, danke sehr.“ Ihm fiel der Name einfach nicht mehr ein. War er schon so alt geworden? „Und bei dir? Das muss doch schwer sein.“ Er tippte auf den schweren Stoff, der ihr über den Armen hing. „Ist auf keinem der Wagen mehr Platz?“ Sie sah auf den Stoff, der aus schweren Leinen gefertigt wurde. „Nein, es geht schon. Ich möchte die armen Tiere nicht noch mehr belasten.“ Sie lächelte aufmunternd. „Jeder tut hier, was er kann, nicht wahr?“ Er schenkte ihr ein freundliches Lächeln, als sie wieder ging, um sich den anderen Frauen anzuschließen. Sein letzter Satz verweilte noch etwas länger in seinem Kopf, nachdenklich strich er sich über seinen Bart. Ja, jeder tat das, was er tun konnte. Gab es denn niemanden, der es schaffte, diese Katastrophe abzuwenden? Natürlich war die Wüste ein Ort, der nicht bewohnt war, doch immer noch würde alles in der Umgebung zweifelsohne vernichtet werden, zügelten sie ihre Kräfte nicht. Doch wer daran dachte, hatte im Krieg schon verloren. Man musste jede Karte ausspielen, um das zu erreichen, was man erreichen wollte. Man konnte nicht einmal darauf hoffen, dass sie den Kampf in die Wüste ziehen würden. Unwirtlich und voller unbekannter Gefahren, Treibsand, Tieren, die man noch nicht kannte, deren Gift man nicht würde behandeln können. Trivian schaute kurz von dem Treiben weg, von dem er ohnehin nicht viel mitbekam, weil sein inneres Auge ihm die Sicht auf die äußere Wirklichkeit verschleierte, um einen Blick in den Himmel zu werfen. Er war klar und strahlte in einem Hellblau, welches nicht zur Szene passen wollte, welche sich vor ihm abspielte. Menschen wurden gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen, und nun? Er konnte nur hoffen, dass die Nachricht, die er gesandt hatte, die Rebellen frühzeitig erreichten. Sie mussten versuchen, den diplomatischen Weg zu gehen! Es brachte doch nicht, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Doch, so fühlte er sich jedenfalls, mit dieser Meinung fand sich der Dorfälteste allein auf weiter Flur. Das Dorf der Rebellen machte sich ebenso bereit für einen Aufbruch wie das Dorf im Westen und die Elfen bei der Winterresidenz des Königs. Es wurde langsam Zeit, die Sachen zu packen und loszuziehen. Sie trommelten alle verfügbaren Kräfte zusammen, um irgendwie gegen die vermutliche Übermacht der Elfen standzuhalten. Die Anführerin war in diesen Tagen noch präsenter als sonst, doch ihre Miene zeigte keine Verunsicherung. Sie strahlte Zuversicht aus, die sie nicht besaß. Ihre Augen wanderten über die Reihen derjenigen, die im Dorf alt genug und kräftig waren, um zu kämpfen. Ihr drehte sich bei dem Gedanken der Magen um, doch sie hielt dem Gefühl der Ohnmacht stand. Es war doch irrsinnig, diese Elfen in den Kampf zu schicken, diese Personen. Sie schätzte jeden Einzelnen von ihnen, der auf dem Trainingsplatz aus Sand neben dem Dorf angetreten war. Doch als sie in die Augen derjenigen blickte, die vor ihr angeführt durch einen Trainer verschiedene Übungen machten, schöpfte sie wieder Kraft. Sie hatten noch eine Geheimwaffe, die vielleicht das Blatt zu ihren Gunsten lenken würde. Es widerstrebte ihr zwar, davon Gebrauch zu machen, doch man ließ ihr scheinbar keine andere Wahl mehr. Man musste nutzen, was man hatte, einer der Grundsätze ihres Vaters. Vater... Sie blickte zum Himmel. In einem unwirklichen Blau strahlte er über ihr. Um ihr Kraft zu geben, oder um sie auszulachen? Es würde sich alles noch zeigen. Da vernahm sie hastige Schritte zu ihrer Linken. Die Boten rannnten in letzter Zeit immer, ein Zeichen für die Eile, die sie eigentlich treiben sollte. Doch sie stand hier, tat nichts und dachte nur über Dinge nach, die sie nicht würde beeinflussen können. Niemals würde sie es wohl schaffen... Sie war so eine schlechte Anführeirn. „Was gibt es?“, fragte sie den Boten, der etwas außer Atem vor ihr zur Ruhe kam. Sie hatte sich mittlerweile gefasst und achtete darauf, nur noch das zu machen, was sie machen musste. Die Anführerin sein, Zuversicht versprühen. Sie musste an ihre Kämpfer glauben, an die Waffe, die ihnen noch blieb. „Die Elfen marschieren.“ Sie nickte ernst und entließ den Elfen, als aus der anderen Richtung ebenfalls ein Bote sich zu ihr gesellte. Auch dieser schien etwas außer Atem. „Hast du auch noch eine Nachricht?“ „Ja. Sie ist von Trivian. Die Elfen marschieren zum Dorf im Westen, um den Kampf dort in der Wüste zu bestreiten.“ Sie unterdrückte ein trockenes Lachen. So wie sie den König kannte, hatte er nie vorgehabt, es nur auf dieses Fleckchen Land zu beschränken. „Der Dorfälteste bittet darum, dass der Kampf verhindert wird“, fuhr der Bote mit ernstem Blick fort. Sie nickte nachdenklich. „Ich werde es versuchen. Geht euch beide-“ „Anführerin!“, erklang eine weitere, aufgeregte Stimme. Mit schier unendlicher Geduld drehte sie sich zu dem dritten Boten, der auf sie zu eilte. „Die Elfen meinten, man solle sich zu einem Kampf in der Wüste im Westen zusammenfinden.“ Er holte tief Luft, schien er doch sehr außer Atem zu sein. „Und sie sind schon losgegangen, wir müssen jetzt aufbrechen!“ Die Stirn der Anführerin hatte sich während der Reden aller Boten in Falten gelegt. Einmal war es ein Späher gewesen, dann einer von Trivian, einem ihrer geheimen Unterstützer, und dann noch eine Nachricht von den Elfen. Gut. Die Nachricht hinter allen Nachrichten war dieselbe. „Wir brechen sofort auf.“ Es war eine hitzige Entscheidung, doch besser, wenn man die Elfen noch auf dem Weg abfangen könnte. Vielleicht konnte man diese Konfrontation in ihrem Keim ersticken. Optimistisch bleiben! Sie würde es irgendwie schaffen. Außerdem war sie schließlich nicht alleine. Die Boten waren inzwischen ausgeströmt, um ihrer Berufung, Botschaften zu übermitteln, nachzugehen. Und auch sie würde diese Trainingseinheit nun unterbrechen müssen. Sie sammelte ein wenig Magie, um ihre Stimme zu verstärken. „Rebellen!“, zog sie erst einmal die Aufmerksamket auf sich, und lenkte sie von dem Trainer weg, der die Bewegungen vorgab. Alle drehten sich zu der Frau, die nun wieder näher an den Sandplatz ging. Vor ihr reihten sich vielleicht an die hundert Rebellen. Mehr, als sie jemals würde in einen Kampf schicken wollen. „Die Zeit ist gekommen, um den Elfen endlich zu zeigen, dass wir genauso viel Wert sind wie sie!“ Ihre Stimme klang kämpferisch, sie hatte das Feuer in ihr wieder entfacht. All ihre Zweifel lagen nun hinter ihr, irgendwann später würde sie sich um diese kümmern, nicht jetzt. „Es ist Zeit! Die Elfen setzen sich in Bewegung und fordern uns heraus. Wir werden ihnen zuvorkommen, und ich will euch noch einmal daran erinnern: Wir sind keine Bestien.“ Sie hörte den willigen Widerhall der Stimmen, welche sich vor ihr erhoben. Zustimmung vermischte sich mit Selbstvertrauen, leichte Sorge überschattete ihr Gesicht, als sie auch Kampfeslust heraushören konnte. Konnte das gut gehen? Sie dachte nicht weiter darüber nach. Wieder erhob sie ihre Stimme. „Wir werden so schnell es geht aufbrechen. Packt eure Waffen und Schilder, Proviant und holt euch den Segen eurer Angehörigen. Möge die Welt uns gewogen sein.“ Die Welt war in diesem Zusammenhang der Glaube, den die Rebellen errichtet hatten. Die Welt war ein übernatürliches Wesen, vielmehr die Welt, wie wir sie kannten, als Ganzes. Denn nur die ganze Welt als Ganzes würde das Schicksal Einzelner bestimmen können, niemand sonst. Es gab niemanden, der über sie herrschte. Sie waren gemeinsam für alles, was in der Welt passierte, mitverantwortlich. So auch für die grausamen Taten der Hofelfen, schlussfolgerte aber nur die Anführerin allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)