Das Lied im Automaten von pandine ================================================================================ Kapitel 22: Das Band -------------------- So langsam nervte es Alyne, dass sie jedes Mal einschlief, aufwachte und nicht mehr wusste, wo genau sie nun war. Sie fand sich auf dem Boden liegend wieder, ihre Arme und Beine zu ihrem Körper hin angewinkelt. Sie streckte ihre Arme, bewegte sich aber nicht wirklich. Von ihrer seitlich liegenden Position aus konnte sie weiche, braune Erde entdecken. Sie konnte den Geruch riechen, der dezent von ihr ausging. Erdig. Sie seufzte und erhob sich mit einem Stöhnen. Sie fühlte sich müde, aber nicht schwach. Als sie sich umblickte, ergänzte sich das Bild der braunen Erde mit dem, was sie schon kannte. Sie befand sich immer noch in dem Baum. Die warmen Lichte beruhigten sie, ebenso wie ein helles Strahlen. Guten Morgen. Sie hatte die Lichtgestalt auf den ersten Blick wiedererkannt. Während der letzten... Tage war ihr dieses Licht ein wenig ans Herz gewachsen. Das Misstrauen ihr gegenüber war größenteils sogar verschwunden. Und auch fühlte sie keine Ablehnung, wenn sie daran dachte, dass auch sie eine Rolle hatte. Doch warum dies so war, erschloss sich ihr nicht wirklich. Sie erinnerte sich an die Gedanken, die sie während des Lieds gehabt hatte. „Guten Morgen.“ Es waren Gedanken gewesen, die sie hatte, während sie zu dem selig schlafendem Mädchen sah und sich gefragt hatte, wie die Zukunft aussehen mochte. Ob sie sie wirklich beeinflussen konnte? Sie wusste es nicht. Doch hatte diese Ungewissheit sie jemals daran gehindert, ihren Weg zu gehen? Und nun schien es, als würde dieser Weg in eine andere Richtung gehen, als sie gedacht hatte. Was auch immer sie gedacht hatte. „Dürfte ich Ihnen eine Frage stellen?“, fragte sie schließlich, während sie nachdenklich die feinen Linien des Mädchens betrachtet hatte. So zart. So zerbrechlich erschien sie ihr, dass sie manchmal dachte, dass es unmöglich wäre, sie aus ihrer Frucht, ihrem Schutz, herauszunehmen. Aber natürlich, mein liebes Kind. Du darfst alles fragen, was du nicht verstehst. Sofort dachte sie an eine Frage, die ihr schon das ganze vergangene Leben Kopfschmerzen bereitet hatte, doch diese ließ sie nun außen vor. Sie schluckte, als ihr die Tränen wieder kamen, ebenso wie die Erinnerungen. Mit beruhigender Atmung versuchte sie, ihre Augen trocken zu halten, sich zu beherrschen. Das Lichtwesen rückte schweigend ein wenig näher an die Halbelfe heran. Ein klein wenig, aber es half ihr schon. Wärme hatte sie nur selten wirklich genießen dürfen. Meistens waren ihre Eltern und auch ihre Familie sehr beschäftigt gewesen, doch auch sie war es gewesen. Sie erinnerte sich an Tage zurück, an denen sie bis spät in die Nacht trainiert hatte. Szenen der Vergangenheit, die in ihr wieder aufblühten. Dann besann sie sich abrupt wieder in die Gegenwart zurück. Sie hatte die Lichtgestalt schon lange genug warten lassen, auch wenn diese immer noch mit einem freundlichem Gemüt neben ihr schwebte. „Wie heißt das Mädchen?“ Auch jetzt noch blieb das Gefühl eines warmen Lächelns bei Alyne erhalten. Das habe ich mir schon gedacht, dass du das fragen wirst. Ihr Name lautet Aura. Dir kommt der Name bekannt vor, nicht? In der Tat musste Alyne an ein gleichklingendes Wort denken. „Wie die Aura, die man haben kann und die man … ausstrahlt?“, versuchte sie den Begriff in Worte zu fassen. Ja, genau. Ein schöner Name, nicht? Alyne wusste es nicht so recht. Es war ein vor allem ungewöhnlicher Name, wie sie fand. Im Elfendorf gab es niemanden, der zwei aufeinander folgende Vokale im Namen trug. Sie wunderte sich nun ein wenig, warum sie die Namen im Dorf nie verwundert hatten. Chael. Zuan. Doch nun... „Sie fängt ja mit demselben Buchstaben an wie ich.“ Ein kleines Lächelns stahl sich auf ihr Gesicht. Im Grunde war es ja auch egal, ob der Name diese Besonderheit nun hatte oder nicht. „Aura“, wiederholte Alyne den Namen. Er war wirklich schön. Ja, genau. Aura. Sie hat sich den Namen übrigens selbst ausgesucht, weißt du? Alyne sah sie schief an. War das eben ein Scherz gewesen? Sie dachte, das Mädchen schlief gerade? Oder konnte es doch Gedanken nach außen tragen? Nirom Eruaf kicherte leise. Naja, das nicht direkt, aber ich kann ihre Gedanken hören. Aber momentan schläft sie ganz ruhig und tief. „Hört sie unsere Stimmen?“, fragte die Halbelfe halb erstaunt, halb nicht wirklich überrascht. Das Lichtwesen konnte auch ihre Gedanken lesen, warum also nicht auch die des Mädchens? Manchmal. Aber sie schläft oft mehrere Tage lang. Sie spürte aufflammende Sorge von dem Lichtwesen ausgehen. Manchmal mache ich mir Sorgen um sie. Aber sie meint immer, dass es ihr gut ginge. Die Gedanken der Lichtgestalt schienen ein wenig abzuschweifen, jedenfalls schien sie nachdenklicher geworden zu sein. Du hast ihr vorgesungen?, fragte sie dann abrupt. Ertappt blickte Alyne an die Decke, die nicht ersichtlich war. Woher wusste sie das? Sie hatte es niemanden erzählt. War sie doch hier gewesen und sie hatte sie nur nicht bemerkt? Gut möglich. Sie haderte ein wenig mit sich selbst. Sie hatte ja kein Verbrechen oder so begonnen. Oder gehörte Singen nun zu den Straftaten? Keine Sorge, lachte das Licht dann amüsiert auf, du musst dich nicht rechtfertigen. Ich bin nur neugierig. Was für ein Lied war es? Weißt du, ich interessiere mich sehr für Musik. Findest du nicht auch, dass Lieder eine besondere Wirkung haben?, plapperte das Licht fröhlich und beinahe wie ein normaler Mensch oder eine normale Elfe. Alyne war mit der Situation ein wenig überfordert, doch antworten tat sie dann doch: „Ich weiß nicht, ob das Lied einen Namen hat. Meine Eltern haben es gerne gemocht und Feliff meinte, dass er es auch kannte. Er hat gesagt, dass er es vom Wald beigebracht bekommen hätte.“ Dann schwieg sie, um die Reaktion des überirdischen Wesens abzuwarten. Diese ließ nicht lange auf sich warten. Es schien Alyne so, als würde Nirom Eruaf langsam nicken und sich in irgendetwas bestätigt sehen. Ich habe mir das schon gedacht... „Was haben Sie sich gedacht?“, fragte die Halbelfe prompt nach, wobei sie im selben Moment sich über ihr loses Mundwerk ärgerte. Dennoch war es eine Frage, die sie interessierte, denn jeder schien mehr zu wissen als sie. War es da falsch, wenn sie selbst auch etwas wissen wollte? Du bist wirklich etwas ganz Besonderes, mein liebes Kind. Ich bitte dich noch einmal um deine Hilfe, wich das Wesen ihrer Frage aus, ohne dass sie etwas wirklich davon bemerkte. Denn Alyne schluckte, als sie mal wieder diese Worte hörte. Etwas Besonderes. In ihr rebellierte es wieder, obwohl sie es doch akzeptiert hatte, oder nicht? Die vorige Frage war vergessen. Sie atmete tief durch. Es war in Ordnung. Sie durfte das glauben. Ohne dich schaffe ich es nicht. Und auch mit Feliffs Hilfe ist es nur schwer möglich. Du bist die Einzige, der Aura wirklich vertraut. Alynes Atmung setzte einen Schlag aus. Was hatte sie eben gerade gesagt? Sie sei die Einzige, der Aura vertraut? Sie kannten einander doch noch nicht einmal! Wie konnte da etwas wie Vertrauen bestehen? „Aber-“ Ich weiß, was du gerade denkst. Ich gebe zu, es ist ein wenig kompliziert, aber nun musst du mir ein wenig vertrauen. Die Wahrheit ist, dass sie von sich aus so lange schläft. Sie hätte die ganze Zeit aus dem Konkon herauskommen können, doch sie wollte das nicht. Sie ist scheu und misstrauisch, weißt du? Nur einer ganz bestimmten Person möchte sie trauen und das bist du. Die Lichtgestalt hatte sich von dem Platz neben Alyne entfernt und schwebte nun vor ihr, ein unwirklich heller Schemen, dessen Gedanken sie in ihrem Kopf laut vernahm. Allein diese Tatsache war skurril. Genau wie der ganze Wald hier, Efarnia war ein Rätsel für sich. Da erschien ihr die Komplexheit des Automatens so einfach wie ein Fingerschnippen. „Aber woher weiß sie, dass man mir vertrauen kann?“ Sie weiß es einfach. Es ist ein Gefühl in ihr. Sie mag dich. Sie zwang sich, das aufwallende Gefühl von Wärme zu unterdrücken. Nein, das konnte doch nicht sein, oder? Der ganze Aufenthalt in diesem Wald erschien ihr unwirklich und surreal. All die Wärme und Fürsorge. Das Gefühl, welches sie momentan erfüllte. Das Gefühl, akzeptiert und gemocht zu werden. Sie schluckte. Sie konnte all die Geschenke, mit denen sie seit ihrer Ankunft regelrecht beworfen wurde, nicht annehmen. Oder doch? In ihr wütete ein unbestimmtes Gefühl, welches ihr Herz zerriss und sie kaum noch atmen ließ. Sie wollte weinen und gleichzeitig stark sein. Sie wusste nicht, warum all das über sie schwappte, einer Flutwelle nicht unähnlich. Es ist alles in Ordnung, mein liebes, liebes Kind, hörte sie wieder die Stimme der Lichtgestalt, welche sie warm umhüllte. Im Zustand ihrer Verwirrtheit ließ sie es zu, dass die Wärme sie umfloss. Du darfst es annehmen. Auch, wenn es dir unwirklich erscheint. Auch, wenn du es nicht glauben kannst. Die Welt besteht eben nicht nur aus den möglichen Dingen, das weißt du doch. Alles ist in gewisser Weise möglich und unmöglich, oder nicht? Ein verschmitztes Lächeln zierte ihre Wärme. Alyne blieb lange Zeit still, dachte aber auch nicht wirklich über etwas nach. Der reinblütige Elf fand sich langsam etwas besser in der Dunkelheit zurecht, doch das war vielleicht etwas spät, denn er befand sich auf dem Rückweg. Ihm war immer noch das Gespräch mit Faure Morin klar im Gedächtnis. Sie hatte ihm von den Plänen ihrer Schwester erzählt und der Behauptung, sie würde einen Krieg anfangen! Er hatte nur geschwiegen und zugehört, eine Bestätigung für sein Gefühl bekommen. Nachdem seine Fragen geklärt waren – so viele waren es nicht – durfte er sich aus diesem Wald endlich rausbewegen. Ihm war es schleierhaft, wieso sie ihm dann alles freimütig erzählt hatte und warum sie es nicht schon eher getan hatte. Denn er vermutete, dass sie schon geahnt hatte, welche Fragen ihn quälten, da sie ihm schon mit beinahe schlafwandlerischer Sicherheit exakt die Informationen gab, die er benötigte. Vielleicht hatte der Besuch sich doch nicht so gelohnt, schlussfolgerte er im Anblick der absoluten Dunkelheit um ihn herum. Er musste aufpassen, sich nicht allzu geblendet vom Licht zu fühlen, wenn er den Rand Ainrafes erreichte. Vielleicht gab es auch noch ein weiteres Licht, vor dem er sich hüten sollte... Doch da war noch etwas Anderes, das ihn während seinem erstaunlich ruhigen Weg beschäftigte. Während er sich durch den schemenhaft vor ihm zeichnenden Wald ging, hingen seine Gedanken immer noch an dem Ort, an dem er zuvor war. Der Junge... Wer war er bloß? Er hatte ihn nicht gespürt, er musste ein Werk von ihr sein. Doch zu welchem Zweck? Im Umkehrschluss musste das heißen, dass auch ihre Schwester etwas in der Art besaß, oder? Jemanden, der die Wesen des Waldes an ihrer Stelle kontrollieren konnte. Das war die einzige, logische Schlussfolgerung, die er schließen konnte. Obgleich er nicht ihre Art der Magie spüren konnte, so war ihm doch bewusst, dass Nirom Eruafs stetig schwindete. Und das musste auch bei ihr der Fall sein. Er seufzte. Die Beiden waren wirklich kurz vor einer Auseinandersetzung unvorstellbaren Maßes. Er wollte sich nicht vorstellen, was sie in die Köpfe der Rebellen und Elfen eingepflanzt hatten und wie die Welt aussehen würde, würde er endlich aus diesem wahrlich verfluchten Wald herauskommen. Wenige Tage nach der Ankündigung eines Monsters fügte Inkalak, der immer noch im Dorf rumstreunte und nicht so recht mit seiner Lage umzugehen wusste, Puzzleteile grob zusammen. Er vermutete, dass dieses Monster unter anderem ein Anlass dazu gewesen war, dass die beiden Hals über Kopf geflohen waren. Er erinnerte sich nun auch ganz schwach an diesen zischenden Geruch, der aber relativ schwach gewesen war. Er erzählte dieses Detail einem der Rebellen, die ihm ranghoch erscheinen und mit denen er sich – wenn auch auf misstrauisch-vertrauender Basis – angefreundet hatte. Daraufhin nahm die ganze Sache noch mehr Fahrt auf. Es wurden Sachen gepackt, Kämpfer ausgebildet und auch die beiden Elfen, die scheinbar vom Hof kamen, bewegten sich nun ebenso wie er frei herum. Und man hatte auch ihn, den erfahrenen Kämpfer um Unterstützung gebeten. Er hätte dem vollen Herzens zugesagt, wäre da nicht noch die eine Sache, die immer noch ein wenig an seinem Herzen nagte. Der Verbleib seiner zwei neuen Freunde. Er wusste weder, wo sie sich befanden, noch, wo sie geblieben waren und was ihnen passiert ist. Er war ahnungslos und wusste nicht, was das beste wäre, um ihnen zu helfen. Wahrscheinlich die Jagd aufnehmen, doch er würde nur von Sorgen zerfressen den anderen im Weg stehen. Das könnte er ihnen doch nicht anmuten. Inmitten der zweiflerischen Gedanken seinerseits entdeckte er ein Mädchen, welches wie er am Rand des Dorfes spazieren ging, wo sich sonst nur wenige aufhielten. Sie hatte kurzes, schwarzrotes Haar, das mit sanften Wellen ihren Kopf zierte, und ihm den Rücken zugewandt. Sie schien nach vorne zu schauen, nachdenklich war sie stehen geblieben. Er zögerte nicht lange, sie anzusprechen. „Guten Tag, junges Mädchen! Was führt dich hierher?“ Die kleine Rebellin zuckte schuldbewusst zusammen und drehte ihren Kopf kleinlaut. Nun hatte er eine bessere Sicht auf ihr hellblaues, fluffiges und dennoch einfaches Stoffkleid, welches ihr zu den Knien reichte. Es hatte kleine Puffärmel und sie trug weiße Sandalen dazu. Es stand im Kontrast zu ihrer dunklen Haut, die die Farbe von Vollmilchschokolade hatte. „Ich wollte dich nicht anklagen oder so!“, beschwichtigte er die Kleine sofort. Ihm waren sofort ihre ungewöhnlichen Augen aufgefallen. Dunkelblau mit silbernen Sprenkeln, so etwas hatte er zuvor noch nicht gesehen. „Was machst du denn hier draußen so ganz allein?“ Er lächelte sein gutmütiges Lächeln und auch das Mädchen schien sich etwas zu öffnen. „Ich warte auf jemanden.“ Ihre Antwort erfolgte mit ihrer hohen Kinderstimme, die sich angenehm in das Ohr fügte. „Aber dieser Jemand ist noch nicht gekommen“, fügte sie noch hinzu, weil sie dachte, dass es nötig wäre, es noch einmal zu erläutern, „Deswegen warte ich hier.“ Nach einer kurzen Schweigepause rang sie sich noch einen Satz ab: „Warum bist du hier?“ Man hörte deutlich ihre Neugier heraus. „Ich? Ich gehe nur spazieren. Die Umstände im Dorf waren ein wenig erdrückend, weißt du? Auf wen wartest du denn, Kleines?“ Das Mädchen errötete leicht bei der Anrede. „Ich bin nicht klein!“ Eine in Relation mit dem Hünen gesetzte etwas kraftlose Aussage. „Aber warum ist sie denn so erdrückend?“ Ihre Neugier schien, einmal losgetreten, nicht zu bremsen zu sein. Er lachte leise auf. „Ich weiß nicht, ob du das schon verstehst, Kleines. Die Sachen der Erwachsenen sind sehr kompliziert und nicht sehr einfach zu verstehen. Aber wenn du willst, erklär ich sie dir gerne.“ Er lächelte ihr aufmunternd zu. Sie nickte freudig, dabei leuchteten die silbernen Sternchen in ihren Augen ein wenig heller, oder bildetete er es sich ein? „Also schön.“ Er atmete tief durch, ehe er zu einer Erklärung ansetzte, als er auch schon durch jemand anderen unterbrochen wurde. „Du warst das also!“ Er erkannte die Stimme nicht sofort, doch als er sich zu dem Quell der Stimme umdrehte, so erkannte er sofort an dem feinen Äußeren der Dame, dass es sich um die eine Hofelfe handeln musste. Verstärkt wurde dieser Eindruck noch durch den jungen Elfen, der sie begleitete und im Hintergrund alles mit undurchschaubarer Miene musterte. Das Mädchen zuckte wieder zusammen und fand reichlich Schutz hinter dem Riesen Inkalak. Dieser gebot ihr den gerne, sah er doch, wie veränstigt sie aufgrund dieser Anklage wurde. Doch auch an der Elfe schien diese Reaktion nicht spurlos vorbeizugehen. Sie schlug sich beschämt die Hände vor das Gesicht und sah verlegen zur Seite. Ihre Haare wippten bei dieser Bewegung mit, ebenso wie ihr luftiges Kleid, welches sie trug. Erstaunt beobachte der Elf die Wandlung bei der Elfe, als ihr Begleiter ihr beschwichtigend eine Hand auf die Schulter legte. Sie schien wieder Mut zu gewinnen. Sie holte noch einmal tief Luft und wandte sich dann immer noch etwas beschämt den beiden zu. „Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken oder anklagen“, haderte sie mit den Worten und versuchte, die richtigen zu finden. Das Mädchen kroch vorsichtig hinter ihrem Schutzwall hervor, ihre Augen irritierten die Elfe, denn sie sah kurzer Hand wieder in eine andere Richtung. Wieder zuckte das Mädchen zurück. Frustriert seufzte die Elfe und verabschiedete sich prompt. Sie verschwand mit ihrem Begleiter ebenso schnell wie sie gekommen waren. „H-habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte das Mädchen zögerlich, nachdem die beiden verschwunden waren. „Nein, nein“, beschwichtigte Inkalak die Kleine. „Es ist alles in Ordnung, du hast nichts falsch gemacht.“ Jedenfalls glaubte er das, wissen tat er es natürlich nicht. „Ich bin mir sicher, dass sich das irgendwann aufklären wird. Mal so nebenbei“, fügte er noch hinzu, „auf wen wartest du eigentlich?“ Und da grinste das Mädchen wieder unbeschwert. Sie hüpfte hinter seinem Rücken hervor und erwiderte mit einem verschmitzten Lächeln: „Das darf ich dir nicht verraten. Aber ich kann dir das Dorf zeigen!“ Mit einem Mal war sie voller Elan dabei. „Dann lernst du ganz viele nette Leute kennen!“ Sie sah ihn mit glitzernden Augen ab, sodass er gar nicht anders konnte, als anzunehmen. „Na, dann stell sie mir doch mal vor.“ Und tatsächlich stellte sie ihm beinahe das komplette Rebellendorf vor. Aus namenslosen Gesichtern wurden Personen mit individuellen Charaktern und Berufen, Stärken und Schwächen. Sie wurden zu Persönlichkeiten, die er allesamt in sein Herz schloss. Es war schon beinahe magisch, wie er auf Vorstellungen von Personen reagierte. Es war, als würde er diese Informationen förmlich aufsogen, sie für immer in sich behalten. Binnen eines Tages war er mit den Rebellen vertraut, hatte sie kennen und lieben gelernt. Es grenzte schon an ein Wunder, wie schnell er Vertrauen fasste und wie – man konnte es schon als leichtfertig bezeichnen – schnell er dieses Vertrauen an andere Wesen verteilte. „Danke, dass du mir all diese Elfen vorgestellt hast.“ Es war nun später Abend geworden und sie befanden sich an jenem Ort, an dem sie sich zuerst getroffen hatten. „Der Tag hat mir heute wirklich Spaß gemacht.“ Er lächelte. „Danke dir auch! Das war ein lustiger Tag!“ Sie lachte. „Wir müssen das unbedingt wiederholen.“ „Ich fürchte, das geht schlecht. Schließlich hast du mir ja heute schon das ganze Dorf vorgestellt, oder?“ Kreidebleich sah sie ihn schockiert an. „Kein Grund zur Sorge!“, beschwichtigte er sie umgehend. „Wir können ja auch etwas Anderes zusammen unternehmen.“ Nun strahlte sie wieder und nickte heftig. „Versprochen?“ „Versprochen.“ Er und sie machten den Schwur mit dem kleinen, überkreuzten Finger, lächelten einander aufmunternd und zufrieden zu. Da fiel ihm noch etwas auf. „Wo wohnst du denn? Soll ich dich dahin bringen?“ Sie schüttelte den Kopf. „Es kommt mich gleich jemand abholen, also bis dann!“ Sie winkte ihm zu, während er selbst wieder auf das Zentrum steuerte, wo hingegen sie an Ort und Stelle stehen blieb. Er fragte sich nur kurz, wo sie wohl wohnen würde und wer sie abholen würde, doch lange hielt er sich an diesen Gedanken nicht auf. Schließlich war er optimistisch, dass schon jemand kommen würde. So also ging er mit einem glücklichen Gefühl im Bauch auf sein eigenes, zeitweiliges Quartier zu. Bei Alyne ging es weniger behaglich zu, wenn auch nicht unbedingt so unbequem. Sie hatte sich eingeengt gefühlt, woraufhin die Lichtgestalt sie verlassen hatte. Mit den Worten 'Denk in Ruhe nach, mein liebes Kind. Ich werde später noch einmal wiederkommen und dir dieselbe Frage stellen. Wie du mir antwortest, ist deine Sache, und ich möchte dir auch nicht reinreden, doch du musst wissen...' „... dass Aura sich sehr freuen würde, dich richtig kennenzulernen...“, murmelte sie gedankenverloren vor sich hin, immer wieder diese Sätze wiederholend. Sie fühlte sich nicht so, als wäre es tatsächlich ihre Wahl. Doch mit Optimismus schaffte man doch alles, so versuchte sie, sich davon zu überzeugen, dass sie es zu ihrer Wahl machen konnte. Sie wollte wirklich daran glauben, denn dieses Mädchen hatte es ihr wirklich angetan. Sie konnte es schon beinahe nicht mehr ertragen, sie so leblos schlafend zu sehen, auch wenn sie lächelte. Und lächelte. Alyne blickte in eine andere Richtung, denn ihr Herz tat ihr auf einmal unersäglich weh. Dann seufzte sie, ihre Miene wankte noch, doch mit entschlossener Stimme rief sie in den hohlen Stamm des Urbaumes hinein: „Nirom Eruaf, bist du noch da?“ Ich bin immer da, mein Kind, ertönte ihre beinahe augenblickliche Antwort, als hätte sie nur darauf gewartet. Hast du dich entschieden? Alyne wurde das Gefühl nicht los, dass sie ganz genau wusste, was sie antworten würde. Sie schluckte noch einmal, ehe sie sagte: „Ich werde dir helfen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)