Das Lied im Automaten von pandine ================================================================================ Kapitel 15: Bangen ------------------ Seine Gedanken wanderten stetig, ebenso wie er selbst über den Boden. Sie waren voller Sorge, ebenso wie Feliffs Gesicht, welches dem Horizont und dem Ungewissen zugewendet waren. Es waren ein paar Tage, vielleicht auch eine Woche vergangen, er hatte zwischen seinen Gedanken vergessen zu zählen. Wie lange würde es wohl noch dauern? Er wusste nicht, was sie planten, doch er hatte deutlich das Zusammentreffen gespürt, auch wenn es nicht einmal eine einzige Sekunde gedauert hatte. Wie lange würde das noch gut gehen? Er ahnte, dass etwas in der Luft lag, doch er wagte es nicht zu beschreiben, was genau. Doch er musste so schnell wie möglich dahin kommen. Um jeden Preis. Er wusste noch nicht, wie lange er gehen würde. Auch hatte er, genau genommen, sich noch nicht entschieden, was das Beste war. Die Rebellen aufsuchen und herausfinden, warum Erfline, die eine sichtliche Abneigung gegen alles hatte, was nicht Elfe oder Elf war, bei den Rebellen suchte. War es der Einfluss von einer dritten Person? Oder, so lautete die andere Variante, er würde Efarnia aufsuchen gehen und dort eine andere Person zur Rede stellen. Doch seine Informationen waren rar und nicht vielfältig genug, um eine gute Entscheidung treffen zu können. Schätze, er musste abwägen. Und das tat er ungerne, wenn er nicht alle Daten zur Verfügung hatte. Er seufzte sowohl innerlich als auch als klar erkennbaren Klang. Er fragte sich nicht, wie er in die Sache hineingeraten war, es war ihm seit seiner Geburt quasi im Blut gegeben, immer an den vordersten Fronten zu stehen. Doch, so fragte er sich nur kurz, wann war er geboren wurden? Er verscheuchte diesen Gedanken schnell wieder. Das war in diesem Augenblick, während dieser Tage nicht wichtig. Er ging in einem zügigen Tempo durch den Wald, in dem er sich befand, und dachte nach. Er dachte und dachte, doch so recht wollte sich keine Lösung finden lassen. Auch wenn er versuchen würde, herauszufinden, worin der Beweggrund für die Elfe bestand, würde ihm das etwas bringen? Ja. Und würde das Wissen, was die Wesen Efarnias vorhatten, ihm auch etwas bringen? Ja. Vielleicht sollte er eine Möglichkeit in Betracht ziehen, die er sein ganzes Leben nicht gewagt hatte. Ainrafe. Mit den Worten, dass Erfline und Futave bitte dort warten sollten, hatte er sich entfernt und sie alleine gelassen. Dort war der Ort, wo Neuankömmlinge oder Besucher warten mussten, bis sie sich weiter fortbewegen durften. Es war ein kleines Haus, welches vermutlich weit oder weiter weg von dem eigentlichen Kern des Dorfes war, denn auf dem kurzen Weg dahin hatte Erfline keine weiteren Behausungen außer diese Holzhütte gesehen. Es gab nur an einer Seite ein großes Fenster, gegenüber war die Tür. Sie war mit einem Tisch und Stühlen ausgestattet, die Kombination von diversen Stilen war für Erflines Augen, die Harmonie oder wenigstens Geschmack gewohnt waren, ein Graus. Sie saß mit geschlossenen Augen auf einem gepolsterten Stuhl, ihre Hand ruhte in Futaves, der sich neben sie gesetzt hatte. Zuerst hatte Stille geherrscht. Doch dann erhoben sich flüsternde Stimmen, die sich scheinbar um die Hütte herum bewegten. Futaves wachsame Augen blickten durch die Fenster der einfach gehaltenen Hütte. Er wusste weder, um wen es sich bei den Stimmen handelte, noch konnte er sie sehen. Es schien sich aber um dieselben Stimmen zu handeln, die auch schon auf ihrem Weg hierher gewispert hatten. Sollten sie den Besuchern Angst machen? Oder konnten sie einfach ihren Mund nicht geschlossen halten? Es war ihm im Grunde auch egal. Er blickte zu ihr hinüber, ihre Stirn war in kaum erkennbare Falten gelegt. Sie versuchte zwar, ihren Unmut zu verbergen, doch er erkannte ihn, selbst wenn er sich nur minimal äußerte. Er strich ihr einmal sanft über den Kopf, eine saloppe Geste, die mit einem Zauber versehen war. Sie öffnete überrascht sie Augen, als sie nichts mehr hörte, lächelte ihn aber dankbar an. Er wusste um ihr Trauma und verstand es. Generell war sie in seinen Augen ein sehr zartes Wesen, das man einerseits beschützen musste und keines Schutzes bedurfte. Sie war ein Rätsel für sich. Kurze Zeit später hatte sie ihre Augen wieder geschlossen, nun entspannter lehnte sie sich zurück, doch Sorgen bahnten sich schnell ihren Weg in ihre Gedanken. Sie wusste nicht, was auf sie zukommen würde, es war ein leeres Blatt Papier voll von unendlichen Möglichkeiten. Doch welche würde eintreffen? Sie würde es nie sagen können. Das einzige, was es nun zu tun galt, war warten. Das Rauschen im Hintergrund nahm nun nur Futave wahr, er schnappte hier und da vereinzelt Wörter auf. Fremd. Feind. Elfen. Hofstaat. Raub. Man sprach hier eindeutig nicht sehr positiv von ihren Besuchern, das war ihm auch schon am Tonfall klar gewesen. Flüsternd, geheimnisvoll und mit einer Spur Misstrauen, die unüberhörbar war. Wann würde wohl der Rebell wiederkommen, um sie entweder zurückzubringen oder zu den Anführern zu führen? Seit einiger Zeit schon spürte Futave einen stechenden Blick in seinem Rücken. Er drehte sich langsam um, nicht zu hastig aber so, dass er im Notfall noch eingreifen konnte. Er musste sich zusammenreißen, nicht zusammenzuzucken, als ein bohrender Blick aus einem katzenartigen Gesicht den seinen streifte. Das Fenster, durch das das Wesen ihn anschaute, war das, welches von ihm am meisten entfernt war. Gelbe Augen mit einer mandelförmigen Pupille sahen ihn mit offener Feindseligkeit an. Er erschauerte ein wenig, denn eine Erinnerung war hochgekommen. Man musste nicht nur aus Hass bestehen, um in etwa gleich viel zu hassen, das wurde ihm mit großer Offenheit vorgelegt. Denn diese Augen in dem leicht mit Fell bedecktem Gesicht, welches ihn stark an schlanke und geschickte Raubkatzen erinnerte, waren hasserfüllt und stechend. Sie waren in jeder Hinsicht unangenehm und passten auch nicht zu dem jungen Gesicht. Unwillkürlich fragte er sich, ob die Rebellen nur aus Elfen und Mischwesen bestanden, die so jung waren. Er wusste zwar, dass jedes Wesen magischer Art langsam alterte, doch warum waren alle Rebellen, denen er bisher begegnet war, so jung? Langsam zweifelte er an der Möglichkeit zur Einschätzung des Alters. Oder waren es wirklich vor allem die Jüngeren, die rebellierten? „Hallo“, sagte er dann aus einem Impuls heraus, der ihn plötzlich ergriffen hatte. Er lächelte den Rebell oder die Rebellin, er erkannte es nicht so genau, da er oder sie scheinbar kopfüber vom Dach hing und nur der Kopf sichtbar war, freundlich an. Insgeheim verstärkte er den Zauber, der Erfline wortwörtlich auf den Ohren lag, ein wenig, sie hatte schon genug andere Sorgen. Und solche Augen waren ihre schlimmsten Alpträume, das wusste er. Wie erwartet antwortete sein Gegenüber nicht. Er jedoch behielt sein Lächeln auf den Lippen, darauf bedacht, keinen feindseligen Eindruck zu machen. Es blieb eine Weile so, er hörte auch immer noch die Stimmen aus dem Hintergrund. Sie hatten sich nicht großartig verändert, aber er glaubte, dass sie noch eine Spur mehr tuschelten, wenn es denn möglich war. Ob es wohl das erste Mal war, dass dieser Rebell oder diese Rebellin dort hing und die Feinde ausspionierte? Er wandte seinen Blick nicht ab, ebenso wenig wie das Gesicht. Sie blickten einander an, inmitten des Gemurmels und der sonstigen, beinahe eisig wirkenden Stille. Dann fing ein Klang sich alle Aufmerksamkeit ein, die im Raum bisher auf einer Linie ausgetauscht wurden. Es war ein glockenheller Ton, der Futave nach links, seiner Quelle, blicken ließ. Als er seinen Blick wieder auf das Fenster richtete, war der Rebell oder die Rebellin fort. „Ob man sich wiedersieht?“, fragte er mehr sich selbst als seine Umgebung. Den Zauber nahm er nun auch von Erfline, die ihn inmitten der nun eingekehrten Stille fragend ansah. „Es gab einen hellen Ton.“ Sie nickte, aber er ahnte, dass sie nicht ganz verstand. Er selbst wusste nicht, was es heißen sollte. „Vielleicht werden wir jetzt empfangen.“ Sie schwieg, aber er konnte ihre Gedanken erraten. Oder weggeschickt. Er drückte ihre Hand, während sie warteten, was in dieser Stille und nach dem Klang nun passieren würde. Tatsächlich geschah eine Weile lang gar nichts, sodass sie beinahe einen schlechten Scherz dahinter vermutete, doch dann öffnete sich knarrend die Tür und der Rebell, der sie hierher geführt hatte, trat ein. „Ihr dürft rein.“ Sein Gesicht verriet Ernst, die Kindlichkeit war nur noch ein Rahmen, in dem sich die Sorge der Erwachsenen befand. „Bleibt hinter mir und versucht, möglichst keinen direkt anzusehen.“ Sie nickten. Vermutlich würden die Rebellen dann vermuten, dass man sie manipulieren wollte, was nicht der Fall war. „In Ordnung“, sagte Erfline mit einem unwohlen Gefühl im Magen. Diese ganze Sache behagte ihr nicht so recht. Sie folgten ihm aus der Hütte raus, den Blick vornehmlich auf den Boden gerichtet. Das Stimmengemurmel setzte nicht wieder erneut ein, doch im Gegenzug dafür spürten sie bohrende Blicke wie Dolche, die sich tief in sie hineinbohrten und versuchten, sie zu schwächen. „Beachtet, dass man euch als Fremde und Feinde behandelt“, führte Adrains die Belehrung fort ohne mit der Wimper zu zucken. War er es gewohnt oder ließ er sich seine Anspannung nicht anmerken? Sie wussten es nicht. Aber einerseits war es nicht etwas, das so interessant und wissenswert wäre, um unbedingt erfragt zu werden. „Erwartet also am besten keinen großen Respekt. Als geduldete Elfen des Hofstaates seid ihr, wie schon gesagt, geduldet, aber nicht erwünscht. Mischt euch in keine inneren Angelegenheiten der Rebellen ein und redet nur, wenn sie euch ansprechen. Ihr seid nicht dazu verpflichtet, auf Fragen zu antworten, also wägt selbst ab, auf was ihr eine Antwort geben wollt und was nicht. Ihr seid nicht in der Lage, selbst Fragen zu stellen, außer man fordert euch dazu auf.“ Er holte kurz Luft zwischen all den Verboten, die man ihnen erteilte und die sie hinnehmen mussten, wenn sie hier bleiben wollten. „Und zu guter Letzt: Ich bin als derjenige, der euch hierher gebracht hat, euer Ansprechpartner und der einzige, dem ihr unaufgefordert Fragen stellen dürft.“ Sie nickten. „Irgendwelche momentan?“ Sie schüttelten den Kopf. Der Marsch zum Rebellendorf wurde schweigend fortgesetzt, doch langsam wurde die erdrückende Stille mit dem fernen Klang von Betriebsamkeit gefüllt. Sie waren vielleicht zweihundert Meter gegangen, als ihnen die ersten anderen Elfen begegneten. Elfen, die Erfline und Futave in solcher Form noch nie gesehen hatten. Sie kannten nur die eine Norm, die üblich war. Doch Elfen mit einem Schwanz oder flammenförmigen Ohren waren ihnen noch nie untergekommen. Deutlich spürten sie jedoch, dass dies hier auch Elfen waren. Sie waren nicht sehr viel anders als die, mit denen sie im Dorf ihre Zeit verbrachten. Auch das Magiepotenzial unterschied sich nicht großartig, doch es gab auch welche, die sogar noch weniger Magie als Alyne zeigten. Erfline zwnag sich, den Blick von den Elfen um sie herum abzuwenden und dem Boden zu widmen, als sie immer mehr Rebellen begegneten. Sie ahnte, dass ihr Blick hochnäsig werden könnte und wollte dies so gut es ging vermeiden. Sich noch mehr Feindschaft einzuhandeln als sie ohnehin schon hatten war unnötig. Futave tat es ihr gleich, auch wenn er immer wieder unauffällig zu seinen Seiten lugte. Er blickte eigentlich ausnahmslos in Gesichter, die entweder interessiert und neugierig oder verächtlich und hasserfüllt waren. Es schien auch bei den Rebellen zwei Lager zu geben. Die Häuser waren, soweit er erkennen konnte, schlichter Bauart. Da er seit einiger Zeit das Pulsieren von Magie wahrnehmen konnte, vermutete er, dass diese vor Wettererscheinungen wie Regen und Hagel durch einen Bannkreis geschützt worden waren. Dies erklärte auch, warum manche der Häuser aus Lehm bestanden, obwohl es in dieser Region auch öfters Regenschauer gab. Die Kleidung war einfach und schlicht und meist in natürlichen Farben gehalten. Man sah eigentlich gar kein leuchtendes Rot oder Orange, nur ab und zu als Blüte im Haar eines Elfenmädchens. Besonders viel bekamen die Besucher aber auch nicht viel von dem Rebellendorf mit, denn Adrains führte sie geradewegs in ein kleines Häuschen am Rand. Es war mehr eine halbierte Kugel als ein wirkliches Haus, mit einem Loch in der Mitte und mehreren Öffnungen auf halber Höhe, die mit straff gezogenen Stoff bedeckt waren. Man gelang durch eine ähnliche Öffnung in das Haus hinein, dieses Mal aber auf Bodenhöhe und ungefähr von der Größe eines Elfens, der noch am Wachsen war. Sprich: Die Tür war nicht besonders hoch, ebenso wie das ganze Häuschen wirklich ein Häuschen war. Es hatte einen Durchmesser von zweieinhalb Metern, die Höhe entsprach ungefähr anderthalb Metern. „Hier werdet ihr die nächsten Tage verbringen. Man kann euch nicht sofort empfangen. Ich bin auf direkt nebenan im Haus“, Adrains zeigte auf ein stabiler wirkendes Haus nebenan, „Ihr dürft nur aus dem Haus raus, wenn ihr mich etwas fragen wollt oder man euch dazu auffordert. Essen bekommt ihr zu festen Zeiten.“ Er überlegte, ob er irgendetwas vergessen hatte. „Ich muss los“, sagte er schließlich und ließ die beiden vor der Lehmhalbkugel allein. Feliff kam die Umgebung tagelang immer noch unbekannt vor. Erst nach und nach erschlossen sich ihm einzelne Landstriche, die er in der Karte in seinem Kopf lokalisierte und so seine Position bestimmte. Er war nun nicht mehr weit von dem Dorf entfernt, in welches er als erstes gegangen war, nachdem er den Wald verlassen hatte. Ob es Alyne wohl gut ging?, schoss es ihm auf einmal durch den Kopf. Er hoffte, dass er den Automaten bald würde finden können. An ihm nagten immer noch Gewissensbisse, weil er ihn verloren hatte. Andererseits stand bald wieder eine wichtige Weggabelung vor ihm. Würde er nach Ainrafe gehen oder die Rebellen suchen gehen? Er wusste es nicht. Er wusste zwar ungefähr, wo beides in etwa lag, doch diesen Informationen sollte man nicht so eine wichtige Entscheidung überlassen. Nein, er sollte das wählen, was am sinnvollsten war und nicht das, was in der Nähe liegen würde. Doch was würde es wohl sein? Er setzte einen Schritt vor den anderen, während er über diese Frage nachdachte. Und nachdachte. Er war ein sehr gründlicher Denker, der es hasste, auch nur einen winzigen Fakt zu übersehen. Doch auch war ihm bewusst, schon längst eine Entscheidung getroffen zu haben. Sie äußerte sich in seinem Wohlwollen gegenüber dieser Handlung, in seinen Füßen, die immerzu in eine bestimmte Richtung gingen. Er würde einen Ort betreten, den er nicht kannte, das war ihm bewusst. Er hatte keine klare Vorstellung von Ainrafe und die Legenden um diesen Ort reichten beinahe noch weiter als die um Efarnia. Man nannte sie die böse Schwester oder simpler auch Hort des Bösens. Es war kein freundlicher und warmer Ort wie der, in dem er aufgewachsen war. Es war ein folgenschwerer Entschluss, sollte er sich wirklich dahin wagen. Er hatte zwar schon Begegnung mit Faure Morin gemacht, doch wie es um die anderen Lebewesen dort stand. Sie waren ihm ohne Zweifel feindlich gesinnt. Und sie standen auch nicht unter seinem Einfluss. Den Grund kannte er bis heute nicht, aber es war ihm auch egal. Vielleicht würde er dort sogar ein klein wenig Normalität finden? Er wusste es nicht. Im Grunde wusste er doch nichts. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)