Das Lied im Automaten von pandine ================================================================================ Kapitel 14: Bleibend gehen -------------------------- Regungslos verharrte sie nun auf ihrer Position. Während sie weiter in die hasserfüllten Augen des Monsters sah, in welche sie auch Schmerz erkannte, fragte sie sich, wie sie eigentlich in diese Situation hineingeraten war. Der bestialische Gestank ihres Gegenübers nahm sie erst jetzt wahr, aber er war immer noch viel schwächer als sie es damals mit Feliff wahrgenommen hatte. Was war die Ursache? Alyne konnte immer noch nicht viel von dem struppigen Fell, geschweige denn von der Haltung des Biests sehen. Der Nebel war immer noch dicht und wob sich mit seinen weißen Fäden um die beiden herum, versperrte ihr auf fast alles die Sicht, nur in diese Augen nicht. Sie konnte sich nicht dazu überwinden, wegzusehen, auch wenn alles in ihr schrie, dass sie es nicht ertragen konnte. Wenn etwas sie so sehr hasste, wollte sie den Grund dafür wissen. Auch wenn es sich um ein Wesen handelte, welches wahrscheinlich aus purem Hass bestand. Wie sollte sie denn dann an so eine Information kommen? Sie wagte es nicht, zu seufzen. Die wachsamen, wenn auch von Schmerz getrübten Augen verfolgten jede einzelne ihrer Bewegungen. Es würde sie wahrscheinlich sogar, ungeacht der Tatsache, dass es eine vermutlich schwere Wunde mit sich herumschleppte, sich auf sie stürzen, um sie an der Flucht zu hindern. Im Moment hielt wahrscheinlich der Schmerz das Monster noch davon ab, nicht anzugreifen. Wie lange das gut ging, wusste sie nicht. Ihre Hand schloss sich kaum merklich fester um den Schwertknauf, doch er sah es. Ein Knurren ertönte, dicht gefolgt von einem lausen Aufjaulen. Es wäre die ideale Chance. Die vermutlich einzige Chance, dieses Monster zu vernichten. Aber irgendwie wollte ihr Arm nicht. Ihr ganzer Körper sträubte sich dagegen, sich zu bewegen. Sie versuchte nur halbherzig, die Schwertschneide in die Nähe der Bestie zu bringen. Sie bewegte sich nicht einmal einen Millimeter. Was war los? Sie atmete tief durch. In ihrem Kopf wirbelten Risiken und Chancen, Gedanken und mögliche Zukunftsvisionen durcheinander und verursachten starke Kopfschmerzen. Sie presste die Lippen aufeinander und zog die Augenbrauen zusammen. Es war wirklich nicht Ihres, lange und ausführlich über eine Sache nachzudenken. „Schätze das Leben, Alyne. Es ist das, was zählt.“ Ihre Augen hatten sich vor Schreck geweitet. Diese Stimme war ihr so schmerzlich vertraut. Diese Erinnerung war ihr noch klar im Gedächtnis. Damals war sie vielleicht zwanzig Jahre alt gewesen, ihr Vater schon ein älterer Mann. Doch in diesen Worten hatte alles gelegen, was er ihr sagen wollte. Immer und immer wieder sagen wollte, wenn sie nicht wieder und wieder das Weite gesucht hatte. Doch sie hatte es einfach nicht ertragen können. Diese Trauer in seiner Stimme, die tief in ihr etwas bewegte. Vielleicht war sie ein wenig erwachsener geworden, wenn sie nun nicht mehr vor dem weglief, was vor ihr stand. Vielleicht würde sie trotzdem Trauer nie ertragen können. „Ich tue dir nichts.“ Sie hatte die Worte voller Ernst gesagt, doch es war leise und kaum hörbar gewesen. Das Monster sah sie irritiert an, es verstand vermutlich ihre Worte nicht. Wie konnte sie auch glauben, dass ein Wesen, welches den Lebewesen an sich so entfernt war, sie verstehen würde? „Ich werde dir nichts tuen“, wiederholte sie noch einmal, dieses Mal lauter. Sie versuchte, ihre Stimme beruhigend klingen zu lassen, was sie noch nie in ihren Jahrzehnten von Jahren versucht hatte. Es war auch nie nötig gewesen, ein Biest, welches nur Hass für einen empfindet, dazu zu bringen, einen nicht direkt bei der ersten Annäherung anzugreifen. „Ich möchte dir helfen.“ Als sie mit dem kleinen Finger ihrer rechten Hand zuckte, fletschte das Monster mit seinen Zähnen und ließ ein bedrohlich klingendes Brummen in die Welt. „Ich helfe dir, okay?“ Sie atmete tief durch, ehe sie sich auf die Knie sinken ließ, da sie vermutete, dass er an einem der Vorderbeine verletzt war. Er schnaubte, wobei heißer Atem über sie hinwegfegte. Sie drohte, in Folge mangelnder Energie auf den Boden zu fallen, doch sie fasste sich in allerletzter Sekunde, ehe sie zudem ihr Bewusstsein verlieren konnte. „Du hast einen wirklich... unvergesslichen Geruch“, versuchte sie, das ganze irgendwie heiter zu sehen, obwohl feine Stiche ihr durch den Körper zuckten. Die Bestie sah verwirrt auf die Halbelfe hinab. In seinen Adern pochte Hass, doch da war auch noch etwas Anderes. Verwirrtheit? Was tat sie da? Wollte sie etwa... Er riss alarmiert den Kopf in die Höhe, Alyne wich überrascht zurück. Er bäumte sich durch den plötzlich stärker werden Schmerz auf, sein durchdringendes Brüllen wurde teilweise vom Nebel geschluckt. Er rollte mit den Augen, ehe er zur Seite kippte, seinen Schmerz nicht mehr ertragend. Es verlor beinahe die Selbstkontrolle und das Bewusstsein, als es mit der vollen Wucht seines Gewichtes auf dem Boden aufprallte, in eigentlich weiches Farnwerk, doch fiel sein Körper mit viel zu großer Wucht. Schockiert hatte Alyne die ganze Prozedur beobachtet, in ihren Ohren dröhnte noch der Schrei und sie spürte immer noch das Beben. Doch das war immer noch die Realität. Das Monster wand sich in seinen Schmerzen hin und her, nicht ahnend, dass es die Wunde, auf die Alyne nun, da es mit seinen hastigen Bewegungen den Nebel teilweise vertrieb, freie Sicht auf die große, klaffende Wunde. Diese begann an einem vorderen Bein, zog sich bis nach oben hin zu seinem Bauch und ab dessen Mitte weiter den Rücken hoch. Es sah fürchterlich aus. Dunkles Blut sickerte dickflüssig durch das Fell an der Wunde, schwere Tropfen davon wurden durch die Gegend geschleudert. Die Wunde, sie konnte kaum hinsehen, war tief. Und er riss sie unwillkürlich immer weiter auf, seine Muskeln verzerrten sich zu den unnatürlichsten Gebilden. Wenn er nicht aufhörte, dessen war sie sich sicher, würde es sterben. Doch sie konnte es doch nicht sterben lassen. „Hör auf.“ Ihre Stimme war leise, viel zu leise, um im Brüllen des Verletzten wahrgenommen zu werden. Doch der Schock saß tief. „Hör auf. Hör auf.“ Sie schluckte, um die Tränen nicht herauszulassen. „Hör auf!“ Tatsächlich hielt es inne, während es dem Nachklang ihrer Stimme lauschte, am Rand der Bewusstlosigkeit. Seine Augen drehten sich zu ihr, angstvoll geweitet und, so stellte sie mit Entsetzen fest, des Lebens müde. Sie konnte wahrscheinlich nicht einmal ahnen, welche Schmerzen durch seinen Körper gepocht waren, welche Schmerzen er selbst durch seinen Körper getrieben hatte. Es war so dumm. „Bleib still.“ Sie sprach mit klarer Stimme, die ein wenig wiederhallte. Es blieb still. Sie wagte es, erleichtert aufzuatmen. Doch als sie einen Schritt darauf zu machte, knurrte es wieder abwehrend und mit gefletschten Zähnen. Es hatte sie nicht akzeptiert. Sie ließ sich an der Ort und Stelle nieder, wo sie gerade stand, und verschränkte die Arme. Ihr Kinn war in einer hochnäsigen Art und Weise nach oben gereckt, ihr Blick herausfordernd. Sie saß im Schneidersitz, während das Monster vor ihr immer noch auf seiner vermutlich unverletzteren Seite still liegen blieb. Sein Blick war auf sie fixiert, das, was sie vorher in seinen Augen gesehen hatte, war verschwunden. Es schien sich wieder an seinen Lebensinhalt erinnert zu haben. Und das war, in Betracht dessen, was es war, traurig. Sie sah es mit undefinierbaren Blick an, in andächtigem Schweigen versunken. Doch so, wie es ihr nunmal nicht lag, schweigend darzusitzen, erfasste sie bald eine Unruhe, die sie durch nervös anmutendes Blickwandern ausdrückte. Das Monster war davon irritiert, als sie schließlich seufzte. Sie fand, das tat sie in letzter Zeit viel zu viel zu oft. In ihrer Langeweile, da das Monster sie wahrscheinlich nicht in naher Zukunft an sich heranlassen wurde, fing sie an, ein Lied zu summen. Gleichzeitig spielte sie, ohne diese ernsthaft zu betätigen, an den Hebeln des Automatens herum, den sie mittlerweile von ihrem Rücken geschnallt hatte. Es waren Griffe und Formen aller Art und in allen Größen. Mal war es auch edles Holz, mal etwas, was mehr Ähnlichkeit mit Schrott zu tun hatte. Sie entdeckte viele Hebel, die ihr auf irgendeine Art und Weise vertraut vorkamen. Sie versank vollkommen in dieses Spiel, dieses Tasten mit dem Automaten, dass sie bald die Anwesenheit des Monsters vergaß. Dieses hielt seinen Blick immer noch auf sie fixiert, doch während sie so da saß, mit den Hebeln spielend, erinnerte sie ihn an irgendetwas, was er doch vergessen hatte. Abends, wenige Stunden nach seiner Ankunft im Dorf des Westens, wie er es auch gerne nannte, ließ Inkalak den Tag vor seinem inneren Auge noch einmal durchlaufen. In seinen Gedanken tauchten die freundlichen Bewohner des Dorfes auf, altbekannte und neue Gesichter waren dort zu sehen. Doch seinen einen Freund, den er eigentlich gesucht hatte, schien nicht da gewesen zu sein. Er runzelte leicht die Stirn, während er die Decke über ihm betrachtete. Er lag auf dem Bett eines der Zimmer im Haus des Dorfältesten, demselben Ort, wo auch Alyne und Feliff vor wenigen Tagen ihr Quartier bezogen hatten. Den Elfen beunruhigte etwas. Es war weniger die Abwesenheit seines Freundes, er war öfters ein paar Tage weg, sondern vielmehr das, was die Dorfbewohner ihm erzählt hatten, was in keinerlei Verbindung zu seinem Freund stand. Es war die Nachricht von dem plötzlichen Verschwinden zweier Personen aus dem Dorf. Man machte sich Sorgen um die beiden. Denn als sie ihm beschrieben wurden, glaubte er, sie zu kennen. Ein Mädchen, welches leuchtend rotes Haar hatte, und ein Junge, der seine glatten, schwarzen Haare zu einem Zopf gebunden trug. Es erinnerte ihn sehr an die zwei Elfengestalten, denen er vor nicht sehr vielen Tagen, vielleicht einer Woche, begegnet war. Doch wie groß konnte der Zufall sein? Da von Menschen die Rede war, konnte er natürlich nicht ausschließen, dass es tatsächlich Menschen waren. Doch er wusste auch um die Fähigkeit der Elfen, ihre spitzen Ohren zu verdecken. Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Er richtete sich wieder auf und stand auf, rief: „Ich komme!“, und öffnete die Tür. Der Dorfvorsteher, den auch er witzelnd Paterini nannte, stand vor der Tür. „Sed gegreßt!“, begrüßte dieser ihn mit einem fröhlichen Lächeln. „Re gegreßt!“, erwiderte Inkalak ebenfalls mit einem Lächeln. „Wie ich sehe hast du es nicht vergessen.“ „Natürlich nicht! Komm doch rein, stehen ist doch anstrengend. Lass dich doch mal ansehen!“, polterte der stämmige Elf mit seiner lauten Stimme. „Wie lange ist es schon her? Fünf Jahre? Wie die Zeit vergeht!“ Ein wehmütiger Ausdruck trat auf sein Gesicht. „Eigentlich sind es nur vier.“ Ein schiefes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Dorfvorstehers aus. „Wie ich hörte, bist du Dorfvorsteher geworden? Glückwunsch!“ „Danke“, sagte der Andere verlegen, während sie sich beide zu dem Tisch begaben, der am anderen Ende des Raumes stand und um den zwei Stühle standen. Sie ließen sich lachend und plaudernd nieder, doch als Inkalak zu den zwei Fremden kam, die plötzlich verschwunden waren, verdüsterte sich Zuans Miene kurzzeitig. „Über die beiden weiß ich auch nichts wirklich“, antwortete er achselzuckend, doch es wirkte auf den Elfen, als ob er etwas verheimlichte. Er ließ es jedoch dabei und erkundigte sich lieber nach seinem alten Freund Trivian. „Wo treibt sich denn der gute alte Trivian herum?“, fragte er den jungen Dorfvorsteher. Erleichtert über den Themenwechsel gab dieser bereitwillig Auskunft: „Genau weiß ich es auch nicht, aber ich glaube, dass er ein benachbartes Dorf besuchen geht.“ „Wie lange meinst du wird er wegbleiben?“ „Puh... Schwer zu sagen.“ Zuan lehnte sich ein wenig zurück, seine Miene war nachdenklich. „Vielleicht vier Tage?“ Inkalak nickte. Das war lange. „Aber ich denke, dass ich auf jeden Fall mit ihm reden muss. Ich warte hier so lange, wenn es in Ordnung ist? Ich mache mich auch nützlich“, fügte er mit einem verschmitzen Grinsen hinzu. Dieser Ausdruck spiegelte sich auch auf dem Gesicht des Dorfvorstehers, als er antowrtete: „Na, dann kannst du dich ja gleich an die Arbeit machen! Ich habe einige schrecklich tolle Aufgaben für dich...“ „Das freut einen doch zu hören!“ In gespielter Freude knackste der Gast mit seinen Fingerknöcheln. „Wo sind die harten Brocken?“ Alyne lehnte sich an den Baum, welcher ihr am nächsten war. Sie hatte noch nicht die Lust an den vielfältigen Hebeln verloren, eine unsichtbare Neugier zog ihre Aufmerksamkeit auf die Griffe, welche mit irgendeinem Mechanismus im Inneren des Würfels verbunden waren. Seit einiger Zeit bemerkte sie das Monster, welches keine Laute mehr von sich gab, nicht mehr. Auch die Blicke, die immer noch auf ihr ruhten, ignorierte sie mit der Gekonntheit von jemandem, die es gewohnt war, angesehen zu werden. Nur das Flüstern blieb aus, das Tratschen und Schlechtreden. Ihre Blicke ihrerseits waren auf eine bestimmte, kleine, runde Kugel fixiert. Sie befand sich an einer Ecke und, so hatte sie durch leichtes Hin- und Herdrehen herausgefunden, war beweglich. Sie war in einer perlmuttfarbenen Öffnung eingebettet, die Kugel an sich war jedoch gläsern und von dunkelblauer Farbe. Das wenige Sonnenlicht, welches durch den Nebel noch hierherdrang, schien es in sich zu sammeln. Doch was sie an dieser Kugel so faszinierte, wusste sie nicht. Ihre Finger ruhten immerzu auf der glatten Oberfläche, strichen vorsichtig über sie. Sie war kaum so groß wie ihr Daumennagel, vielleicht war es in etwa so groß wie der Nagel ihres kleinen Fingers. Gedankenverloren richtete sie ihren Blick, während ihr Finger noch auf der Kugel ruhte, auf einen anderen Hebel. Auf einmal spürte sie etwas Nasses unter ihrem Finger, reflexartig strich sie mit sanftem Druck über die Kugel. Es war nicht so, dass sie zerbarst. Durch den verstärkten Druck, den sie durch das Wegwischen der Flüssigkeit auf die Kugel ausgeübt hatte, hatte sie sie unabsichtlich eingedrückt. Doch was danach passierte, merkte sie eigentlich gar nicht wirklich. Ein kaum hörbares Zischen war erklungen, nur den Bruchteil einer Sekunde lang, und dann wieder verschwunden. Als Alyne ihre Aufmerksamkeit wieder auf die kleine Perle richtete, erschrak sie. War sie nicht eben noch von tiefdunkler Farbe gewesen? Wenn ja, so war sie nun weiß. Nur ein schwacher Schimmer noch Blau war zu erkennen, doch die Kugel war vielmehr von einem Weiß. Sie zuckte mit ihrer Hand zurück, hastig untersuchte sie ihren Finger. Nichts. Auch in ihrer näheren Umgebung schien nichts zu sein, was anders schien. Das wenige Farn, welches sie durch den Nebel ausmachen konnte, war grün, der Boden unter ihr, sofern sie ihn sehen konnte, war dunkelbraun und mit losen Ästen versehen. Das Monster war struppig schwarz, die Augen von ihm dunkelrot wie Hass und Wut. Doch woher konnte sie das wissen, wenn diese doch geschlossen waren? Sie blickte verwundert zu dem Monster hin. Tatsächlich konnte sie seine Augen nicht sehen. Mit getrockener Erde verkrustete Lider waren an deren Stelle zu sehen, es schien so, als würde es schlafen. Vorsichtig erhob sie sich, doch das Monster regte sich nicht. Nachdem sie sich ganz erhoben hatte und aufrecht stand, konnte sie ein Heben und Senken seines Bauches sehen, sie hielt inne. Danach war lange Zeit Stille und, wie sie noch sehen würde, atmete es nur sehr selten in einer Minute. Sie tastete sich vorsichtig vor, achtete darauf, auf nichts zu treten und kein Geräusch zu machen. Als sie neben dem Monster stand und in seine klaffende Wunde schauen konnte, spürte sie Ekel, den sie zu unterdrücken versuchte, und tiefes Bedauern. Es würde schwer werden, das ohne die richtigen Materialien und noch viel mehr ohne das richtige Vertrauen zu richten. Wie lange es wohl schlafen würde? Ob es aufwachen würde, wenn sie sich an die Wunde machte? Und wo konnte sie Wasser finden, um die Wunde zu reinigen? Sie atmete leise tief durch. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden. Sie krempelte sich die Ärmel ihres Hemdes hoch, welches sie von den Dorfbewohnern bekommen hatte, und schaute sich genauer in der Umgebung um. Wie spät war es eigentlich? Sie sah nach oben. Was sie sah, war weißer Nebel. Besonders viel brachte ihr das nicht. Sie fuchtelte ein wenig mit ihren Armen herum, um vielleicht ein wenig blauen Himmel sehen zu können, aber es blieb weiß. Entweder es war bewölkt oder der Nebel sehr, sehr, sehr dicht. Sie hoffte auf Letzteres, da Wolken immer ein gutes Indiz für kommenden Regen waren, den sie gut gebrauchen konnte. Dann fing sie an, in der Nähe, damit sie ihren momentanen Standort nicht verlor und sich nicht noch einmal verlaufen würde, Farnwedel zu sammeln. Sie war verblüfft, wie viele Arten von Farnen es eigentlich gab. Während sie die Wedel pflückte, achtete sie darauf, möglichst keine Geräusche zu machen. Doch das Monster war so still, hätte es nicht in langen Abständen geatmet, sie hätte es für tot gehalten. Sie seufzte. Konnte sie mit dem Tauwasser auf den Farnen die Wunde säubern? Neben dem Monster hatte sie die Wedel hingestellt, alle in verschiedenen Größen. Mal ganz große, dann kleinere und welche, die eine mittlere Größe besaßen. Sie alle waren mit feinem Tauwasser versehen, doch das reichte wahrscheinlich nicht, um die Wunde ausreichend zu säubern. Sie hatte während ihres Lebens viele Wunden gepflegt, vornehmlich ihre eigenen, weil sie sich, ob sie nun wollte oder nicht, andauernd verletzt hatte. Ob sie so eine große Wunde überhaupt würde behandeln können? Es hatte sich bisher bei ihr nur um Kratzer gehandelt. Da fiel ihr eine Erinnerung ein, die sie schnell wieder wegscheuchte. Sie würde es versuchen. Sie sammelte sich innerlich und näherte sich wieder dem Monster. Den Automaten hatte sie in etwas weiterer Entfernung in Sicherheit gebracht, ihr Schwert lag zu ihrer Rechten, bereit, alles Mögliche durchzutrennen. Sie atmete langsam die Luft aus, die sie eingeatmet hatte. Als sie ihre Augen wieder öffnete, näherte sie sich mit ihrer Hand zögerlich den äußeren Ränden der Wunde am eigentlich kräftig wirkenden Bein, wäre da nicht der große Schnitt an ihm entlang. Das Monster rührte sich nicht, als Alyne probeweise ein Blatt aus der Wunde zupfte, dann mit beiden Händen zuerst vorsichtig, dann beherzter Schmutz barg. Sie zitterte nicht, als ihre Hände vor rotem Blut kaum noch ihre normale Farbe besaßen. Der Geruch, welcher sich ausbreitete, machte ihr Sorgen. Der Geruch von Aas und Blut. Ob in der Nähe Aasfresser waren? Und wieso roch es so? Begann die Wunde zu faulen? Sie würde sich beeilen müssen. In den nächsten Stunden arbeitete sie wachsam und achtete darauf, das Monster aus seinem tiefen Schlaf nicht zu wecken. Sie schnitt große Teile des Fleisches raus, welches einen unangenehmen Geruch besaß. Es raubte ihr beinahe die Sinne, diesen Geruch einzuatmen. Es erstaunte sie, wann immer sie das frische Fleisch sah, welches unter der Verletzung zum Vorschein kam. Es war ebenso rosa wie ihres. Sie hatte nicht vermutet, dass es schwarz wie die Nacht sein würde, doch das hatte sie ebenso wenig erwartet. Und selbst bei Regen wachte das Monster nicht auf. Energisch musste Alyne immer wieder eine ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht streichen, ihre Hände wurden vom Regen gewaschen, ebenso wie die Wunde selbst. Die Wunde umwickelte sie mit Farnwedeln, welche sie mit den Lianen, welche an den Bäumen hingen, umband. Sie konnte keine Salbe zusammenmischen, weil ihr die Zutaten fehlten, also hoffte sie, dass es so genügen würde. Im Takt mit dem stetigen Regen verrichtete sie die Arbeit ohne das es ein einziges Mal aufwachte. Was es wohl in diesem Zustand hielt? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)