Das Lied im Automaten von pandine ================================================================================ Kapitel 5: Missmut tragen (Faure Morin) --------------------------------------- Missmutig starrte Erfline aus dem Fenster auf die Landschaft hinaus. Sie saß in ihrem Zimmer vor dem Schreibtisch und stützte ihren Kopf auf ihre Hände, als würde allein ihren Kopf hochzuhalten sie zu viel Kraft kosten. „Was verdirbt dir denn so die Laune?“ Sie bewegte sich nicht. Drehte sich nicht zu dem Neuankömmling um, den sie an dem Klang seiner Schritte schon entlarvt hatte, bevor er sie erreichte oder nur ein Wort erhob. Sie antwortete auch nicht. Selbst, als diese Person sich neben sie hockte, rührte sie sich nicht. Ihr Gesichtsausdruck blieb schlecht gelaunt gleich. „Na komm, was hat meiner kleinen Prinzessin denn die Laune verdorben?“ Sie spürte, wie ihr jemand mit dem Finger in die Wange pikste. Es gab nur eine Person, die sich das traute. „Lass das!“, gab sie endlich einen Laut von sich und schob die Hand gespielt genervt weg. „Dann“, das Gesicht der Person versperrte ihr den weiteren trübseligen Ausblick aus dem Fenster, „verratet mir doch, Teuerste, was Euch so bedrückt?“ Seine blauen Augen funkelten amüsiert, auch wenn sie hinter ihnen eine Spur Besorgnis wahrnehmen konnte. Sein Gesicht war perfekt geschnitten, wie sie fand, und seine elfentypischen Ohren lugten aus seinem verwuscheltem Haarschnitt hervor. Ein schmaler, lächelnder Mund zierte ihn, ebenso eine kleine, unauffällige Nase. Sie seufzte laut auf und ließ sich noch tiefer in ihren Stuhl fallen. Dann begann sie, während er sie auf seinen Schoß zog und den Stuhl für sich beanspruchte, von dem Vorfall wenige Minuten vorher im Dorf zu erzählen. Man hörte deutlich ihren Ärger und ihre Empörung heraus. Er verzog keine Miene und hörte einfach nur stillschweigend zu. „Wer weiß... Vielleicht sind Halbelfen nicht so schlecht“, wandte er zögernd ein, nachdem sie geendet hatte. Im Gegensatz zu ihr verspürte er keinen Groll gegen das Halbelfenmädchen, manchmal hatte er sie eher bewundernd beobachtet. Ihre Kampfkünste überstiegen seine um Längen, auch wenn Erfline das nicht glauben wollte. Sie schnaubte bei seinem Einwand nur entrüstet und drehte sich von ihm weg. „Halbelfen sind Abschaum.“ „Jetzt sag das doch nicht so.“ Er wog sie sanft hin und her, um sie wieder ein wenig zu beruhigen. „Du weißt doch genau, dass...“ Schnell gab sie ihm einen kleinen Kuss, damit er nicht weiter redete. „Ich weiß ja schon, aber trotzdem. Mein Vater ist der oberste Berater des Königs!“, klagte sie. „Was soll ich ihm nur sagen? Es würde seinen Ruf zerstören, wenn alle erführen, dass Feliff ihn wegen einer Halbelfe liegen gelassen hat.“ „Aber das halbe Dorf weiß doch schon davon, und außerdem ist dann doch eher Feliff von der Sache betroffen, oder?“ „Trotzdem! Wie soll ich ihm nur unter die Augen treten?“ Sie schien einem Nervenzusammenbruch nicht weit zu sein. „Ich habe versagt.“ „Das hast du nicht.“ Er wippte sie beruhigend hin und her, wie er es immer tat, wenn sie mit den Anforderungen ihres Vaters überfordert war. „Ich denke, er wird es verstehen.“ „Du kennst ihn nicht!“ „Doch. Und wenn nicht, dann nehme ich die Verantwortung auf mich.“ „Aber-“ „Nichts aber. Und jetzt ruhe dich erst einmal aus, okay?“ Er lächelte sanft. Sie versuchte, es zu erwidern, scheiterte jedoch. Dann hob er sie mit Leichtigkeit hoch in ihr Bett, deckte sie zu und scheuchte das Sonnenlicht aus dem Raum. Leise schloss er die Tür hinter sich. Im Flur begegnete er Erflines Vater, Relfus. „Ah, guten Tag Futave. Hat meine Tochter dir erzählt, wann Feliff hier sein wird?“, fragte dieser mit einem noch freundlichem Tonfall. „Entschuldigen Sie, aber Feliff war anderweitig beschäftigt und kann sie noch nicht empfangen“, erwiderte der Angesprochene höflich. „Wir wissen nicht, wann er zurückkommen wird.“ „Also stimmten die Gerüchte doch.“ Relfus' Gesicht hatte einen zornigen Audruck bekommen. „Ich möchte unverzüglich mit meiner Tochter reden.“ Er machte einen Schritt auf die Tür zu, die der Jüngere eben erst geschlossen hatte. „Verzeiht“, der Elfenjüngling stellte sich vor die Tür, „aber eure Tochter ruht sich gerade aus und es wäre mir sehr willkommen, wenn ihr sie vielleicht noch eine Weile ruhen lassen könnt.“ Missmutig sah der Berater des Königs den Jungen an, seufzte dann aber und warf andeutungsweise seine Arme in die Luft. „Meinetwegen, aber heute Abend muss sie mir Rede und Antwort stehen.“ „Ja, wir werden all eure Fragen beim Abendessen beantworten“, sagte Futave erleichtert und versuchte aber auch eben diese Erleichterung zu verbergen. „Wenn du mich dann entschuldigen würdest, ich habe eine Nachricht an den König.“ Der Berater ging mit einem nicht sehr glücklichem Gesicht fort, während Futave sich vor dem Gemach seiner Liebsten postierte und wachte. Noch bevor der Abend dämmerte wollten unsere beiden Helden noch ein Stück vorankommen. „Warum so eilig?“, fragte Inkalak nach. Er würde die beiden ein wenig missen. „Wir wollen so gut wie möglich weiterkommen“, erwiderte Alyne, während sie ihre Sachen packte. Es war nun Mittag, aber die Tage wurden rasch kürzer. Man sollte das Sonnenlicht nutzen, solange es im Überfluss vorhanden war. „Ja, auf Wiedersehen, Inkalak!“, rief Feliff ihm beim Abschied zu, als sie den älteren Elf auf der Lichtung alleine ließen. Dieser winkte ihnen seufzend zu. Eine Weile trotteten die beiden schweigend nebeneinander den Weg entlang. Es war Stille eingekehrt, seit sie den Unerschrockenen verlassen hatten. Sie hatten die Themen zum Reden verloren, aber Alyne war auch zu sehr in ihre Übungen vertieft, um sich darum zu kümmern. Dennoch war es unnatürlich ruhig. Feliff sprach diese seltsam nicht klingende Stille nicht an. Dennoch war es anders gewesen, als er noch vor wenigen Tagen hier hindurch gekommen war. Alles war voll geschäftiger Vorbereitung für die ruhende Jahreszeit gewesen, aber nun? Nun war es still und ruhig. Kein Wind wehte, kein Tier verlief sich zu ihnen, ja, nicht einmal das leiseste Rascheln. Kein Anzeichen von Leben. „Es ist ungewöhnlich ruhig, oder?“, sagte er letzten Endes dann doch seine Bedenken ins Freie. „Findest du?“ Sie konzentrierte sich auf ihre Bewegungen, registrierte es dann aber auch. „Ja, schon. Was wohl los ist?“ „Ich weiß es nicht...“ Nachdenklich betrachtete Feliff die Bäume um sich herum. Bildete er es sich nur ein, oder wirkten sie irgendwie... fad? „DUCKT EUCH!“, erschall auf einmal eine Stimme hinter ihnen. Irritiert wandten sie sich dieser zu, als sie von einer wuchtigen Gestalt zu Boden geworfen wurden. „Aua...“, beklagte Alyne sich, als sie dem Umwerfer das Gesicht zuwandte. Ihr stand das Erstaunen ins Gesicht geschrieben. „Inkalak? Du?“ „Psst!“, wies er sie an, still zu sein. Wieder kehrte unheimliche Stille ein, diesmal hatte sie einen bedrohlichen Charakter bekommen. Dann zog ein schwarzer Schatten an ihnen vorbei. Unheilvoll wand er sich um die Bäume, ohne sie zu berühren. Streifte knapp über dem Boden und war doch in den Baumkronen. Feliff hatte sie schon einmal gesehen. Ein kalter Schauer fuhr über seinen Rücken, voller Ehrfurcht und mit Angst gespickt. Faure Morin. Eine Schattengestalt, die durch die Welt streifte. Sie war ein gefährliches Wesen. Sie raubte einem Ort die Geräusche und, wenn sie es wollte, auch gerne für immer. Sie stammt ursprünglich aus Ainrafe, der gegensätzlichen Schwester von Efarnia. Dem Ursprung der dämonischen Gestalten. Nicht gerade der Quell des Bösen, aber etwas, welches sich von eben diesem ernährte und am Leben erhielt. Das war die Schwester der guten Seele der Natur. „Wieso bist du hier?“, wisperte Feliff entgegen aller Vernunft. Er war zu überrascht, zu erstaunt, zu verwirrt, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Faure Morins vermeintlicher Kopf drehte sich zu der leisen Stimme herum, deren Besitzer sie direkt ansah. Sie kannte diese Person. Schleichend kam sie näher, es wurde schleichend kälter. Ihre wabernden Arme streckten sich nach Feliff aus. Ich kenne dich... Die Stimme war ohne einen Körper, ohne Klang und doch so verständlich wie ein dunkler, volltönender Schrei. „Ich muss leider verneinen“, entgegnete Feliff und robbte ein wenig unter Inkalaks Körper hervor. Alyne tat es ihm nach, womit sie die Aufmerksamkeit des Schattenweses auf sich zog. Aber diese beiden kenne ich nicht... Auch bei ihnen machte sie Anstalten, ihre Hand an ihnen anzulegen. Inkalak hatte sich mit einem Ruck aus seiner Starre gelöst. Er wich einige Schritte nach hinten aus und nahm Alyne dabei mit. Er spürte, dass diese Gestalt Feliff nichts tun würde, aber mit ihm und ihr sah es anders aus. Eine gewisse Distanz würde nicht schaden. „Ich würde es begrüßen, wenn du meine Reisegefährten in Ruhe lassen würdest“, bat Feliff höflich, nachdem er sich aufgerappelt hatte. Er sprach mit der Schreckensgestalt wie mit einem normalem Menschen oder Elfen, oder auch Halbelfen. Wieso sollte ich das tun? Die Gestalt wandte sich ein wenig um Feliff herum, aber berührte ihn nicht. Der reinblütige Elf zeigte keinerlei Anzeichen von Angst. Nicht ein Zucken ging von ihm aus, nicht die kleinste Regung. „Es würde deine Schwester nur erzürnen, Faure Morin.“ Ein bitteres Lachen schwang in seiner Stimme mit. Nirom Eruaf? Ihr Name ist nicht einmal annähernd so schön wie meiner, nicht? Sie ignorierte seine Erklärung. „Ihr tut Ihr Unrecht.“ Ach, und was macht sie die ganzen Jahre lang? „Ich verstehe nicht, worauf ihr hinauswollt, Mylady.“ Mylady? Du schmeichelst mir. Wohin führt dein Weg dich? Sie schien zu lächeln, aber es wirkte gleichzeitig kalt. „Ich weiß es nicht.“ Aber ich! Ein körperloses Lachen erklang. Dann verflüchtige sich die Erscheinung, als wäre sie nur ein böser Traum gewesen, ein Alptraum, aus dem man langsam erwachen durfte. Feliff sank in sich zusammen. Seine Ruhe hatte ihn viel Kraft gekostet und in dem Moment, wo all seine Anspannung abfiel, wusste sein Körper ihn nicht mehr zu halten. Alyne und Inkalak hingegen blieben versteinert in ihrer Position, sie konnten nicht fassen, was eben passiert war. „Ich... dachte...“, wollte Inkalak sagen, doch er brach unverrichteter Dinge wieder ab. „Wer bist du?“ Er sah Feliff, der sich mittlerweile wieder gefangen hatte, argwöhnisch an. „Nur einer der wenigen 'Reinblüter' unter den Elfen, nichts weiter.“ Sein Gesicht lächelte nicht. Er wirkte ernst, aber auch hilflos wie ein Neugeborenes, das nicht wusste, wohin mit sich und der Welt. Alyne schwieg. Da hörten sie wieder. Das Plätschern eines nahen Baches, trippelnde Schritte. Raschelndes Laub. Es schien alles wieder beim Alten zu sein. Jedenfalls äußerlich. „Was seid ihr 'Reinblüter'“, der Unerschrockene sprach das Wort mit einem misstrauisch angehauchten Unterton aus, „eigentlich für Wesen?“ Feliff schwieg. „Das...“ „Okay, okay!“, warf der Fragensteller doch ein, „Ich glaube, ich will es nicht wissen. Geht es euch allen denn soweit gut?“ Alyne nickte nur, sie sah Feliff verwirrt und zugleich auch fragend an. Als dieser ihren Blick bemerkte, lächelte er entschuldigend. „Ist es für euch in Ordnung, wenn ich euch begleite?“, fragte Inkalak auf einmal. „Wieso?“ Alyne wirkte überrascht. „Ich weiß nicht, wie gut dieser Kerl“, er zeigte auf Feliff, „auf dich aufpassen kann und mache mir Sorgen.“ Skeptisch zog sie eine Augenbraue hoch. „Ich kann gut auf mich selbst aufpassen, weißt du...“ „Nur zur Sicherheit und nur kurz“, beeilte er sich hinzuzufügen, „Ich muss sowieso in die Richtung.“ „Das wäre mir, ehrlich gesagt, lieber“, meldete Feliff sich zu Wort. Achselzuckend warf Alyne ihre Hände in die Luft. „Macht was ihr wollt!“ Sie ließ sich nach hinten ins Laub fallen. Der älteste Elf erhob sich und meinte: „Dann hole ich mal meine Sachen, wartet hier, okay?“ Beide nickten beinahe synchron. Als er losgegangen war, herrschte wieder eine erdrückende Stille, jedoch von anderer Natur als zuvor. „Sag mal...“, fing Alyne dann an, während sie in den Himmel starrte. Feliff blickte vom Boden, der unheimlich interessant gewesen war, zu ihr auf. „Ja?“ „Wieso warst du heute morgen eigentlich so verdammt schüchtern? Im Dorf und eben ging es ja. Warst du da nicht sogar eher sehr wortgewandt?“ Sie blickte ihn an. Ob Absicht oder nicht, er wandte schnell seinen Blick wieder ab. Ein Hauch von Rot zierte sein Gesicht nun und sie sah noch verwirrter weg. „Ähm... Ich habe keine Ahnung wieso. Es liegt wahrscheinlich daran, dass mein Blut es nicht zulässt, dass ich mich bei einer breiten Öffentlichkeit blamiere. Es hat mich auch sehr erstaunt, um ehrlich zu sein. Es lässt mich immer noch fragen“, antwortete er, während er in die Ferne sah. „Aha...“ Alyne verstand es immer noch nicht wirklich, begnügte sich aber mit dieser Erklärung. Dennoch kam es ihr auch so vor, als würde er ihr etwas verheimlichen. Es war aber vermutlich nur ein Gefühl, das nicht weiter wichtig war. „So!“ Inkalak war wieder zu den beiden gestoßen. Energisch stand Alyne auf und auch Feliff, der sich auf das Laub niedergelassen hatte, erhob sich und ordnete seine Sachen. Erst jetzt überprüfte sie ihr Hab und Gut auf Beschädigungen, konnte aber nichts sehen. „Das ist mir schon vorher aufgefallen, aber wieso hast du eigentlich so viele Schwerter?“, fragte Inkalak mit einem Grinsen auf dem Gesicht. „Das frage ich mich auch immer wieder“, seufzte Feliff, seine Augen blitzten neckend. „Jedes Schwert ist für einen anderen Anlass!“, verteidigte sie sich. „Lasst uns schnell weitergehen, die Sonne geht schon unter!“, erinnerte er, als er sich vor einem gezieltem Schlag in Sicherheit brachte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)