Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 1: 1. Login ------------------- Regen... Mal wieder Regen und ich dumme Nuss hatte meinen Schirm zuhause vergessen. Na Bravo. Warum spielt eigentlich nur mein Leben so verrückt? Reicht es nicht das ich mir Mühe gab und versuchte mein Leben in den Griff zu bekommen? Offenbar nicht. Morgens war noch das schönste Sommerwetter. Aber immer wenn ich mich auf den Weg zu IHM machte, war der Strauß Blumen, den ich mal wieder in der Hand hielt, schon fast völlig zermatscht von dem vielen Wasser, das von Oben auf mich runter prasselte. Einen Vorteil hatte es ja schon, dass so ein Sauwetter herrschte. So musste ich IHNEN nicht begegnen. Ständig diese vorwurfsvollen Blicke. Als wäre es meine Schuld gewesen, dass der Stapler ins Regal gefahren und dieses auf ihn gestoßen hatte. Aber gut wenn es nach meiner werten Ex-Schwiegermutter ging, war jeder sowieso an allem Schuld außer sie selbst. Ich drückte den Strauß bei dem Gedanken noch fester. Ich wusste zwar, dass er keine Blumen mochte, war mir im Prinzip aber auch egal. Er konnte sich ja so gesehen gar nicht mehr bei mir darüber beschweren. Das würde er nie wieder. Der Gedanke zog sich in meiner Brust zu einem festen Knoten zusammen. Zwei Jahre waren es jetzt. Zwei verdammte Jahre und das Einzige, was mir von Ihm noch geblieben war, waren seine Kleidung, sein PC und eigentlich aller Krimskrams, den wir im Laufe unserer Beziehung zusammen getragen hatten. Sachen für unser gemeinsames Mittelalter Cosplay, darunter ein Showkampfschwert, diverse Dolche und zwei Bögen mit zehn Pfeilen. Unser einziges wirkliches Hobby außerhalb unserer vier Wände, mal abgesehen von unseren Ratten, wovon auch schon alle eingeschläfert worden waren, da sie ein gewisses Alter erreicht hatten. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht mir vorerst neue zu holen. Zu tief steckte bei mir die Trauer über das alles. Gott verdammt, wie ich es verfluchte. Endlich, da war das Friedhofstor. Es quietschte wie immer. Sollte wirklich mal geölt werden das Ding, ging es mir durch den Kopf. Sein Grab war nicht sehr weit von Eingang entfernt. Neben einer alten Eiche und einigen Tannen. Er hatte nie so etwas haben wollen. Anonym wollte er beerdigt werden, aber natürlich wie jedes mal, hatte sich seine Mutter über seinen Wunsch hinweg gesetzt. Es hatte eine Grabrede gegeben. Eine Trauerpredigt in der kleinen Friedhofskapelle. Natürlich alles auf katholische Art und Weise. Der stinkende Weihrauch brannte mir immer noch in der Nase, wenn ich daran dachte. Ich legte den Strauß ab und lächelte sanft das vertraute Foto an, was in dem mehr als pompösen Grabstein angebracht worden war. Darunter stand in goldenen Lettern eingraviert sein Name, sein Geburts- und sein Todesdatum. Aber dieser Sagenhaft hässliche Grabstein ließ mein Lächeln schon etwas versteifen. Im ernst Schwiegermütterchen? Ein Marmorengel? Er hat die Kirche und alles was mit Glauben zu tun hatte gehasst wie die Pest. Aber man hatte mich als seine Frau dazu nicht gefragt. "Wir übernehmen die Kosten schon. Mach dir keinen Kopf. Konzentriere dich darauf, dass du mit deiner Umschulung weiter kommst", hatten sie gesagt. Hätte ich mich besser darum gekümmert, als um die Umschulung, wäre es vermutlich nicht zu dieser lächerlichen Farce gekommen. Ich machte meinem Schwiegervater da keinen Vorwurf. Mit ihm hatte ich mich sowieso besser verstanden. Wie zu erwarten war niemand auf dem Friedhof, sonst wäre ich mir sehr albern dabei vorgekommen, wie ich dort stand und mit einem Foto redete. "Hey... Ich bins. Ich weiß ich war schon ne Woche oder so nicht da. Aber hör mal. Ich hab meine Prüfung endlich geschafft. Zwar nicht die Bestnoten, aber du weißt ja... Das erwarten wir ja sowieso nie. Jetzt muss ich sehen, wo ich nen Job bekomme. Wird nicht einfach. Die Zeiten werden einfach immer mieser. Hrm... was gibts noch Neues... Ach ja... Richi und Chu kommen immer noch jeden Dienstag Abend zu Besuch. Wir wollen demnächst wieder zur Zeltstadt mit dem Fahrrad. Ich weiß du hast die Zeltstadt nie gemocht. Aber zumindest bin ich dann auch mal draußen. Ich hoffe du schaffst es hier mal zwei Wochen ohne mich. Achso... demnächst muss ich aus unserer Wohnung raus. Die wird mir jetzt nach der Umschulung zu teuer. Ich weiß nur noch nicht, wie ich den Umzug bezahlen und das ganze Zeug weg schaffen soll." Mir brannten die Augen, während ich ihm so von meiner letzten Woche erzählte. Als der Regen dann noch stärker wurde, beschloss ich doch endlich nach hause zu gehen. "... Ich vermisse dich", drang noch über meine zitternden Lippen. Ich beeilte mich ein wenig mehr, auch wenn es eigentlich zwecklos war, da ich eh schon nass bis auf die Haut war. Endlich zuhause, kämpfte ich mich das Treppenhaus nach oben in den dritten Stock. Schloss die Tür auf und betrat den viel zu engen Flur meiner Wohnung. Sie war Leer, wie immer in den letzten zwei Jahren. Nun ja Möbel gab es schon aber ich hatte bereits einen Großteil an Sachen, die zum Einem Ihm und zum anderen mir gehörten in Umzugskartons gepackt. Ich hatte zwar noch zwei Monate zeit, bis ich in mein neues Apartment konnte, aber schon Sachen weg zu räumen, war ja nicht verkehrt. Nun das Wichtigste: Nasse Sachen aufhängen, Duschen gehen, Essen warm machen, DVD aussuchen, Fernseher an und auf dem Sofa in eine warme Decke kuscheln. So verliefen die Abende während der letzten Monate immer, wenn ich tagsüber frei hatte. Die ersten Dinge auf meiner Checkliste waren ja schnell erledigt. Aber welche DVD sollte ich anmachen? Über die ganzen Jahre hatte sich so viel angesammelt, da war die Auswahl sehr schwer. Irgendwas von Disney? Nee.. zu schnulzig im Moment. Vielleicht ein Horror Film? Ach nein... das Einzige was inzwischen Horror an diesen Filmen war, waren die unverschämt hohen Preise, für nicht mal einen Blutstropfen auf dem Boden. Oder vielleicht... Ja warum nicht. Am nächsten Tag war eh Sonntag, warum nicht einfach mal ne Doppel Trilogie Reihe starten. Der Hobbit und danach der Herr der Ringe, alles in den extendet Versionen. Perfekt. Die Filme hatte ich zwar auch schon viel zu oft gesehen, sodass die ein oder andere DVD davon schon ihre Macken hatte, aber vielleicht konnte mich das Lied der Nebenberge etwas auf andere Gedanken bringen. Also, Player auf, "Eine unerwartete Reise" eingelegt und los. Die Texte und die ganzen Szenen kannte ich schon auswendig. Mir gefiel der Erebor, den sie fast als erstes zeigten, von Anfang an sehr. Die erste Sequenz in der der junge Thorin sein Heim an Smaug verlor und wie sehr er in seinem Leben dafür kämpfte es wieder zurück zu bekommen. Die Zwergparty in Bilbos Hobbithöhle, wo bestimmt jeder gerne auch zu Gast gewesen wäre. Einfach nur um sich über das bunte Treiben der ungebetenen Gäste zu amüsieren. Irgendwie wurden mir ab den Trollhöhen die Augen immer schwerer und ich musste wohl eingenickt sein. Das Nächste was ich hörte, war die Fernsehwerbung, da mein DVD Player die leidige Angewohnheit hatte, sich gerne einmal auszuschalten, wenn ein Film zu ende war oder einfach weil er gerade keine Lust hatte, noch mehr von dem Film zu zeigen. Entnervt wollte ich die DVD Fernbedienung nehmen und wieder einschalten. Als eine Computer-Spiele Werbung eingeblendet wurde. Kurz und Bündig. "Spiele Jetzt Herr der Ringe Online und teste das neue Zwergen-update!", drang es aus den Lautsprechern. Bilder wurden gezeigt, das man nun auch weibliche Zwerge spielen könne und man die Gesichter besser anpassen konnte. Das machte mich schon etwas neugierig. Ich hatte mir einmal vor Jahren einen sogenannten Free to Play Account gemacht und dort noch den ein oder anderen Charakter verstaubt herum liegen. Ob ich vielleicht doch lieber mal wieder etwas zocken sollte? Naja warum eigentlich nicht. Ich konnte ja nebenher die DVDs laufen lassen. Hatte ich ja Früher auch so gemacht. Dann mal hoch vom Sofa, neue DVD eingelegt und PC gestartet. Es dauerte natürlich eine Weile. Ich hatte immer noch Vista auf dem Ding drauf und daher war er sehr sehr langsam. Endlich, da war noch das ICON auf dem Desktop. Wahrscheinlich würde das Update etwas Zeit brauchen. Dann vorerst noch den ersten Film zu ende schauen. Kurz nach der Szene in Bruchtal kam ein "DING-DONG" von meinem PC. Das Update war jetzt schon durch?, fragte ich mich und blickte erstaunt auf den Bildschirm. Tatsächlich! Es war fertig. Dann mal schauen welcher Server wäre denn am geeignetsten? Also bloß kein Rollenspielserver. Ich liebte zwar das RP, aber für Charaktere aus dem Herrn der Ringe hatte ich einfach viel zu wenig Story-Wissen. Erst recht was Zwerge anging, denn ich wollte unbedingt einen weiblichen Zwerg ausprobieren. Die sahen ja schon recht passabel aus, bis auf den Bart, aber gut damit musste ich hierbei leben. Den Charakter zu gestalten war nicht weiter schwer, das kannte ich ja aus anderen Spielen dieser Art. Braune lange Haare und einen kurzen Bart mit einem geflochtenen Zopf am Kinn. Nur noch ein Name... Das war schwierig. Zwergenfrauen waren etwas Problematisch aber Internet macht ja alles möglich. So fand ich auch eine nette Seite auf dessen Namensgenerator ich zurück greifen konnte. Sie führten zu meinem eigenen Glück auch die Kategorie Zwerge. Dort gab ich meinen Vornamen und Nachnamen in die Leiste ein, klickte auf Bestätigen und da stand es. "Cuna, Queen under the Mountain" Ich musste spöttisch schmunzeln und mir entfuhr nur ein Kurzes: "Nee oder...?" Kopfschüttelnd gab ich den Namen Cuna in die Namensleiste des Spieles ein. Tippte kurz auf Enter und schon war ich im Spiel. Natürlich nicht allein. Um mich herum wimmelte es nur so von Leuten, die sich ebenfalls neue Zwerge gemacht hatten. Wobei ich mich ehrlich fragte, ob die wirklich den Sinn hinter dem Namen eines Zwerges verstanden hatten. "Wurzelgnom" und "Gartenzwerg" waren ja da schon die Normalsten. Aber wie zu erwarten fanden sich dort auch acht "Balins" natürlich alle mit unterschiedlichen Satzzeichen. Dann noch etliche "Bomburs" und für meine Begriffe einfach zu viele "Thorins" am Platz. Seufzend begann ich die ersten Quests abzuarbeiten. Immer wieder nervten mich diese lästigen anderen Spieler mit ihren Spontaneinladungen in eine Gruppe, die ich konsequent weg klickte, weil ich einfach nur meine Ruhe haben wollte. Wie viel Zeit ich durch das Startgebiet gebraucht hatte wusste ich nicht so ganz. Vielleicht drei Stunden, da ich zwischendrin die DVD gewechselt hatte und nun im Hintergrund ein gewaltiger Drache Feuer spieh. Müde rieb ich mir die Augen, als ich endlich mit meiner kleinen Zwergin Bree erreicht hatte. Da es schon eine Weile her war, suchte ich mich erst mal zurecht und dachte mir das Gasthaus zum Tänzelnden Pony hätte bestimmt einige Sachen, die ich gebrauchen könnte, um die Berufe meiner Zwergin, die ich mir zuvor ausgesucht hatte, auf Vordermann zu bringen. "Hallo Ihr da." Tauchte da plötzlich in meinem Chatfenster auf. Absender war, wie konnte es anders sein, einer der vielen Hunderttausend 'Thorins' ,die sich dort herum trieben. "Ja bitte?", fragte ich nur knapp. Ich erwartete mal wieder eine dieser komischen Anfragen von wegen, gründen wir eine Gruppe, kommst du in meine Sippschaft oder haste mal ein bisschen Kleingeld übrig. Was dann kam, war aber anders als erwartet. "Was führt Euch hier her?", erschien in dem kleinen Fenster. Meine Antwort war schlicht: "Sachen Kaufen und Verkaufen. Warum fragst du mich das?" "Seid Ihr allein hier?", schrieb dieser Thorin. Ich hob verwirrt die Augenbrauen und suchte den Bildschirm nach dem Absender der Nachrichten ab. Wo zum Henker stand dieser Kerl? Ich drehte meinen Charakter in alle Richtungen um, damit ich in einer anderen Kameraperspektive den Kerl zu gesicht bekam. Aber bei dem Auflauf, der im Tänzelnden Pony herrschte, war es schwer auszumachen, welcher Thorin mich da gerade anschrieb. "Wo bist du?", fragte ich ihn. "Ich stehe hier hinten in der Ecke", schrieb er. Ja tatsächlich. Da stand einer der Thorins unbehelligt herum und tat nichts. Ich holte also Cuna aus der Masse von Spielern heraus und stellte sie vor diesen Thorin. Durch dieses Charakter-Update sahen aber wirklich alle davon aus, wie der den man aus dem Film kannte. Lange schwarze Haare, kurzer Bart, Blaue Augen, mit dem einzigen unterschied, dass er die Rüstung, die man im Startgebiet für Quest bekommen konnte trug. "Also, seid Ihr allein hier?", fragte er noch einmal. Ich musterte seinen Charakter eingehend. Ich konnte mir selbst nicht wirklich helfen, aber an dem war irgendetwas komisch. Trotzdem ich antwortete besser. "Ja, bin ich." "...Wie ist euer Name?", fragte er. Ich konnte nur verwundert die Augenbrauen darüber heben. Mein Name stand doch groß und breit bei meinem Charakter, warum fragte er noch? Und meinen richtigen Namen würde ich einem so wild fremden Spieler eh nicht anvertrauen. Seufzend schrieb ich also:"Cuna... " Natürlich in der Hoffnung, dass ihm das reichen würde. "Ihr solltet um diese Zeit nicht allein hier sein ... Cuna...", schrieb er zurück. Ich weitete irritiert die Augen. Was ging ihn denn das an, wo ich allein unterwegs war? Und warum hatte ich das leidige Gefühl, dass er den Name meines Charakters gerade so abwertend gesagt hatte? "Was geht dich das an?", fragte ich verärgert über den Typen, der da immer noch stand wie eine salzläule erstarrt. "... Gar nichts. Verzeiht", gab er als Antwort zurück. Die Situation wurde langsam irgendwie lächerlich. Ich rieb mir die Augen und dachte ernsthaft drüber, nach ob ich nicht lieber Questen oder Off gehen sollte. "Wollt Ihr mir vielleicht etwas Gesellschaft leisten und etwas trinken?", fragte er plötzlich. Langsam kam ich mir vor, wie in einem schlechten Film. Hatte er sich auf dem Server geirrt? Er verhielt sich ganz so, wie es ein Rollenspieler täte. Aber Rollenspiel war auf diesem Server hier eigentlich nicht vorgesehen. Davon abgesehen, dass es bei mir schmerzlichst die Erinnerung daran weckte, wie mein Mann und ich uns kennen gelernt hatten. Anderes Spiel und andere Tages sowie Jahreszeit, aber es versetzte mir einen unheimlichen Stich im Herzen daran zu denk. "Nein. Tut mir leid. Ich muss weg", schrieb ich nur. Ich entschloss mich dann doch dazu, dass es besser wäre auszuloggen. Bevor er noch auf die Idee kam mich ständig noch weiter anzuschreiben. "Das ist schade. Ich hoffe ich kann Euch Morgen wiedersehen", meinte er schlicht und es klang bei Lesen tatsächlich so, als wäre er enttäuscht. "Mal sehen", schrieb ich nur. Ich ging schon auf den Button zum Ausloggen. "Ich werde hier auf euch warten", kam noch als Letztes. Dann hatte ich wieder meinen Desktop Bildschirm vor mir. Im Hintergrund konnte ich Bilbo reden hören: "Was haben wir nur getan?" Und das fragte ich mich in diesem Moment auch. -1.Login / ENDE- Kapitel 2: 2. Questen mit unerwarteten Gästen --------------------------------------------- Sonntag Mittag. Die Uhr auf meinem Wecker zeigte schon halb zwei an. Verdammt! Dabei wollte ich doch am Vormittag noch ein Fuhre Wäsche gemacht haben. Ich hätte doch nicht die ganze Nacht über DVD schauen sollen. Aber gut, eigentlich hatte ich ja noch die ganze Woche zeit, um mich darum zu kümmern. Wobei wenn ich es wieder schleifen lassen würde, sähe die Wohnung vor dem Umzug auch wieder Katastrophal aus. Also aufgestanden und den Korb fertig gemacht. Manchmal verfluchte ich diese Wohnung, da meine Waschmaschine im Keller stand und es keinen Aufzug in diesem Altbau gab. Zum Glück würde sich zumindest das in meinem neuen Apartment ändern. Im Keller traf ich auf Susi, meine Nachbarin, die in der Wohnung schräg unter meiner lebte. Wir kannten uns schon seit ein paar Jahren. Waren mein Verblichener und ich doch vor ihr ins Haus gezogen. Eigentlich freute ich mich sie zu sehen, auch wenn sie manchmal ziemlich verpeilt war. Wobei manchmal verpeilt noch recht nett ausgedrückt war. So auch an diesem Tag wieder, als ich meine Sachen in die Maschine räumte. "Hast du dir schon mal die Liste der Umzugsunternehmen angesehen, die ich für dich raus gesucht habe? Da ist bestimmt eine dabei, die dir beim Umzug helfen kann", meinte sie mit einem freundlichen Lächeln. Ich konnte dieses leider nur gezwungen freundlich erwidern, da wir dieses Thema in den letzten Wochen schon hundertfach besprochen hatten und ich es nun langsam nicht mehr hören konnte."Susi. Du warst letztens dabei, als ich die alle ab telefoniert habe. Natürlich hab ich sie mir angesehen. Nur bedauerlicherweise sind alle viel zu teuer", seufzte ich und warf die Waschmaschinentür zu. "Ja, aber du könntest doch trotzdem nach Rabatt fragen und dir steht doch auch Umzugshilfe zu", meinte sie im Hinblick auf meine derzeitig eher bescheidene soziale Situation. Innerlich war ich kurz davor den Kopf an die Wand zu hauen. "Ja. Susi. Ich weiß. Aber ich bekomme nur die Hälfte davon bezahlt, weil ich so viel nicht in meine neue Wohnung rein quetschen kann. Hab mich demnächst für den Trödelmarkt angemeldet. Da werd ich einige Sachen verkaufen. Zumindest hoffe ich, dass ich die verkauft bekomme." "Ich könnte dir ja helfen. Vielleicht kriegst du dann nen Transporter oder so?" "Susi, der Trödelmarkt ist doch direkt hier um die Ecke, da brauche ich keinen Transporter." Ich grummelte kurz und wollte mich gerade auf dem Weg die Treppe rauf machen, um der ermüdenden Diskusion mit ihr zu entgehen, als sie mir noch kurz etwas nach rief. "Ach so. Okay dann sehen wir uns Dienstag Abend, ja?", fragte sie noch. Mehr als ein "Ja bis Dienstag",konnte ich ihr nicht mehr entgegnen. Dann war ich auch schon wieder halb oben und hörte überaschender Weise mein Telefon klingeln. Merkwürdig, wo ich doch keinen Anruf erwartet hatte. Ich kam gerade zur Tür rein und erreichte das Gerät noch bevor der Anrufer auflegen konnte. "Hallo?", fragte ich. "Hi hier is Chu! Wie gehts dir?", kam aus dem Hörer. "Oh. Hi Chu. Ja passt schon. Gibts was bestimmtes?" "Naja, Richi und ich dachten du hättest heute bestimmt noch nichts vor und da wollten wir fragen ob du mit uns und Meinem Vater und Seiner Mutter Essen gehen möchtest." Hrm, eine Einladung zum essen. Naja warum nicht. Dann käme ich sicherlich auch auf andere Gedanken. "Klar, wann denn?" "Also wir wollen mit den Fahrrädern da hin. Am besten treffen wir uns beim Chinesen wie immer um Halb Vier." "Gute Idee. Ich muss nur noch Geld holen" "Musst du nicht. Du bist eingeladen. Spar dir das Geld lieber für den Umzug ja?" "Okay. Vielen Dank. Dann bis Nachher." "Bis nachher!" Schon klickte es und das Freizeichen kam. Ich legte ebenfalls auf. Also gut. Der Chinese war wirklich lecker. So gut hatte ich sonst bisher nirgendwo gegessen. Aber leisten konnte ich es mir selten. Wenn ich nicht so gute Freunde hätte wüsste ich an manchen Tagen gar nicht, wohin mit meinen Gedanken. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken wäre es sicherlich nicht schlecht sich vorher noch etwas abzulenken. Ich setzte mich an meinen Rechner und wollte wieder irgendein Spiel spielen. Vielleicht versuchte ich es doch nochmal mit dem Herr der Ringe Online. Sicherlich standen die Zeichen gut, dass besagter Thorin-Spieler bestimmt nicht um diese Zeit "on" war, um mich wieder mit sonderbaren Fragen und Floskeln zu zutexten. Und ich hatte tatsächlich Glück. Als ich mich im "Gasthaus zum Tänzelnden Pony" einloggte, war es fast Leer. Auch die Ecke wo er gestanden hatte war verlassen. Also konnte ich mich getrost ans Questen machen. Mein Weg führte mich in Richtung Auenland und den Alten Wald. Ein schön gestalteter Ort, aber dort konnte man sich, wie auch schon in den Büchern zum Herrn der Ringe beschrieben, tatsächlich gut verlaufen, wenn man die Karte nicht im Auge behielt. Und selbst dann wurde es hier und da noch knifflig. Aber ich wusste mir ja schon immer alleine zu helfen und die Quests, die dort am Randgebiet verteilt wurden, waren auch nicht gerade schwer. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass mir jemand anderes die Sache umso schwerer machen würde. Gerade hatte ich nämlich die Hobbits angesprochen und die Aufgaben in meinem Questlog eingehend studiert, als wieder unten im Bildschirmrand etwas auf ploppte. "Cuna. Wartet!", stand da und erneut der Name Thorin dabei. Mir entfuhr ein Seufzen. Nicht der schon wieder. "Was ist denn?", kam es genervt von mir. "Ihr wollt doch da nicht allein rein gehen oder?", fragte er umgehend und ich drehte meinen Charakter zu ihm um, von dem ich hätte schwören können, dass er tatsächlich auf den versteckten Eingang in der Hecke gezeigt hatte. Wie ich ihn allerdings weiter musterte stellte ich fest wie eigenartig sein eigener Charakter aus sah. Hatte er die ganze Nacht durch gequestet? Seine Rüstung war auf jeden Fall anders. Ähnelte tatsächlich mehr der, die der Thorin im Film getragen hatte. Dunkelblau, mit einem langen Mantel und an der Seite ein Schwert. Naja, vielleicht konnte man diese Sachen ja im Game Shop des Spieles kaufen um seinen Charakter so auszustaffieren. Aber das interessierte mich eigentlich zunächst weniger. Mich störte vielmehr, dass er mich, wie auch immer, aufgestöbert hatte und versuchte davon abzuhalten meinen Quests nachzugehen. Deswegen sah ich auch trotzig auf das Chatfenster. "Natürlich will ich da alleine rein", schrieb ich zur Antwort. "Wir begleiten euch.", kam es wie selbstverständlich zurück. "Wir?", fragte ich verdutzt und schaute mich um. Tatsächlich sah ich hinter ihm eine kleine Gruppe Zwerge auftauchen, mit den Namen Kili, Fili und Dwalin, in der Anzeige über ihren Köpfen. "Ah Onkel. Da bist du ja. Ist das die Frau von der du gesprochen hast?", kam es von dem Fili Charakter, nachdem sie bei uns angekommen waren. Ungläubig klappte mir der Mund auf, als ich das Wort 'Onkel' las und in mir zusätzlich das Bedürfnis geweckt wurde meinen Kopf auf die Schreibtischplatte zu hauen. Bitte nicht noch mehr Rollenspieler, die sich auf dem falschen Server angemeldet haben, flehte ich zum Himmel. "Ähm schön. Aber ich möchte trotzdem gerne alleine Questen gehen.", schrieb ich hastig in einem privaten Chat, den man auch als Whisper bezeichnete, an Thorin. Nur war er es nicht, der darauf etwas erwiderte. "Als wenn eine schwache Frau wie Ihr es alleine lebend durch diesen Wald schaffen würde", kam es unerwartet von Dwalin. Meine Augen wurden immer größer vor meinem Flimmerkasten. Sonderbar. Wie hatte er den Whisperchat lesen können? Ach vielleicht saßen die alle beieinander und machten eine LAN-Party oder sowas, grübelte ich kopfschüttelnd, womit ich versuchte, das Ganze halbwegs logisch für mich zu erklären. Aber trotz allem, hatte ich immer noch reichlich wenig Lust mit diesen durchgeknallten Spielern auf Tour zu gehen. "Ich hab wirklich keinen Bedarf daran mich Eurer Gruppe anzuschließen. Und was heißt hier schwache Frau? Mein Char ist drei level über dir", gab ich daher leicht gereizt zurück. "Dein wie ist was über wem?", schrieb Kili. Oh Herr was hab ich da wieder angezogen? Das mussten echt Hardcore Rollenspieler sein, die nur versuchten mich zu ärgern. Gut, dann musste ich was anderes versuchen, wenn sie auf allgemeine "Ingame" Umgangssprache nicht reagierten. Am besten über die Vorsilben "Out of Charakter" oder auch "ooc." als Kürzel, womit ich ihnen hoffentlich klar machen konnte, dass mich ihre Gruppe nicht im gerinsten interessiert. "Ooc. Leute ernsthaft jetzt. Ich komm da drin alleine klar. Ich brauche keine Hilfe beim Questen. Bis Bruchtal krieg ich das locker alleine hin", schrieb ich. Kurz herrschte im Chat schweigen. Dann kam endlich etwas von Thorin, doch es war wenig Aufschlussreich und erst recht sehr frustrierend zu lesen. "Ich weis ja nicht wen oder was ihr gerade meint. Trotzdem werden wir euch begleiten", stand da und es klang so als sei damit das letzte Wort gesprochen. "Herr je schwätz ich denn Suaheli?!", brüllte ich natürlich dementsprechend am ende mit meinem Latein meinen unschuldigen Bildschirm an. Ich hatte aber auch noch nie so hartneckige Spieler gesehen. Erst recht nicht so begriffsstutzige. Entnervt und mit etwas Zeitdruck im Rücken schrieb ich dann: "Also gut, okay, okay. Ihr dürft mich begleiten. Dann ladet mich mal in eure Gruppe ein, damit wir zusammen arbeiten können." "Ähm? In eine Gruppe einladen?", fragte Fili. Ich unterdrückte den drang ihm zu schreiben, was das war oder wie man dies tat und sendete einfach selbst jedem eine Einladung. Zumindest das Annehmen bekamen alle hin. Nun aber endlich ab in den Wald. Natürlich herrschte dort, wie zu erwarten, eine vernebelte und unbehagliche Stimmung. Die ersten Gegner kamen bereits nach wenigen Spielmetern in Sicht. Dann mal los, dachte ich und rannte zielstrebig drauf los. Ich drückte eine Taste, ließ meinen Charakter das Schwert ziehen und wollte gerade darauf einschlagen, doch hatte Kili schon den ersten Pfeil abgeschossen und ihn von mir abgelenkt. "Hey! Das war meiner!", schrieb ich. Ich hetzte dem abgelenkten Pixeltier hinterher, um doch noch einen Schlag landen zu konnen, aber schon hatten meine ach so freundlichen Zwergenbegleiter das Vieh erledigt. Mit immer größer werdendem Ärger hielt ich bei den Männern an und betrachtete unser Opfer. Zumindest, und das war die hauptsache, konnte ich es ausplündern. "Ihr solltet euch nicht zu weit vor wagen. Wer weis was euch diese Bestie angetan hätte", kam es von Thorin, nachdem sich mein Charakter wieder erhoben hatte. "Ähm. Hallo? Das ist Sinn der Sache. Ich muss ne bestimmte Anzahl von denen töten und das was die bei sich tragen zu meinem Questgeber bringen.", meinte ich nur und seufzte. "Wer ist dieser 'Questgeber'? Irgend so ein Informant?", fragte Dwalin. Also langsam reichte es mir. Ich hatte nie besonders viel Geduld aber nun wurde mir die Sache echt zu Blöde. Gut. Sie wollten Rp. also bekamen sie RP. "Werter Herr Dwalin, ich bitte vielmals um Vergebung, für meine undeutliche Ausdrucksweise. Mir war nicht bewusst, dass ihr des modernen Sprachgebrauches nicht bewandert seid. Also hört zu. Mein Auftraggeber ist ein kleiner Hobbit, der möchte das ich ihm die Felle dieser Kreaturen hier aushändige. Dafür bezahlt er mich. Habt ihr das jetzt verstanden?" "Irgend so ein Halbling schickt eine Frau einfach so in einen gefährlichen, dunklen Wald, nur damit er seine Felle bekommt? Das ist Männerarbeit!", gab dieser zurück. Nun erkannte ich endlich, mit was für einer Sorte Spielern ich mich gerade abgab und es machte sie nicht sympathischer. Ach ja wie sehr ich doch solche Proleten immer geliebt habe. Die waren noch schlimmer, als Fußpilz mit ihrem Gerede davon, dass Frau an den Herd und nicht in einen Job gehört. "Am besten Ihr wartet hier und wir erledigen das für Euch. Die Felle bringen wir Euch mit", kam es von Fili, der mich aus meiner kurzen grübelei riss. "Nein so funktioniert das nicht! Das muss ich selbst erledigen. Ihr wisst doch gar nicht, was für eine Art Fell ich brauche", schrieb ich genervt. "Dann bleibt aber in unserer Nähe. Es ist nicht sicher hier.", schrieb Thorin, was ungewöhnlich wachsam klang. "Außerdem wird es schon bald dunkel.", meinte Kili, wohl im hinblick auf die "Ingame" Uhr, wonach es auf den servern tatsächlich weit früher Nacht wurde als in der realen Welt. "Im dunklen will ich hier drin nicht umher irren. Wir gehen zurück und warten bis zum Sonnenaufgang.", erklärte Thorin daraufhin und schon machten sich die Herren auf den Rückweg. "Hey. So lange kann ich nicht warten. Ich muss gleich noch woanders hin. Ich habe eine Verabredung", schrieb ich völlig überrumpelt. "Durch den Wald dauert es mindestens vier Tage. Also solltet Ihr besser mit uns zurück kommen und Euch erst einmal besser ausrüsten.", schrieb Thorin und damit war wohl wieder einmal für ihn das letzte Wort gesprochen. Gefrustet und enttäuscht konnte ich gar nichts anderes tun, als den vieren hinterher zu trotten. Nachdem wir wieder aus dem Wald heraus waren, löste ich die Gruppe schließlich auf. "Also gut. Dann gehe ich jetzt mal. Meine Freunde warten schon auf mich.", schrieb ich und fühlte mich am hellen Nachmittag schon so müde, als hätte ich eine Valium Tablette geschluckt. "Sollen wir Euch bis dahin begleiten?", fragte Kili und ich schüttelte seufzend den Kopf vor meinem Bildschirm. "Wie denn begleiten? Ich logge mich jetzt aus und dann fahre ich mit meinem Rad zum Treffpunkt. Ich glaube kaum das einer von Euch hier in der Nähe wohnt, um mich zu begleiten", erwiderte ich nur. "Warum? Wo wohnt Ihr denn?", fragte Dwalin neugierig. "Das binde ich euch auch gerade auf die Nase, wo ich Wohne. Also dann. Auf bald die Herren", war das Letzte was ich ihnen schrieb, bevor ich sie an Ort und Stelle stehen ließ. Ich setzte meinen Charakter in einer ruhigen, verlassenen Ecke ab und loggte mich aus. Entrüstet über diese fatale Questgruppe schaltete ich wenig später den PC aus und zog mich an. Wenn das Richi und Chu hörten, würden die sich sicherlich darüber kaputt lachen. Und wie ich Richi kannte hatte er sicherlich wieder ein paar coole Sprüche dafür in der Hinterhand. Ich schnappte mir, nach dem langen Abstieg aus meiner Wohnung, mein Fahrrad aus dem Keller und machte mich dann auf den Weg zum Restaurant. Dass diese Situation aber nicht die Einzige war, die mich in den kommenden Tagen verfolgen würde, war mir zu jenem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst. -2.Questen mit unerwarteten Gästen / ENDE- Kapitel 3: 3. Hinterhalt im Stadtwald ------------------------------------- Seit ich mein Auto nicht mehr hatte, waren die Wege zum Einkaufen und Freizeitbeschäftigungen sehr begrenzt. Nur mein Fahrrad war mir geblieben, mit dem ich zumindest einige wenige Kilometer fahren konnte. Ansonsten musste ich auf Bus und Bahnverbindungen zurück greifen. In der Nähe einer Großstadt ging das schon wesentlich einfacher, als dort wo ich aufgewachsen war. Als Kind in einem kleinen Dorf groß zu werden, wo nur alle dreihundert Jahre ein Bus fuhr und es ein absolutes Highlight war, wenn man mal einen Krankenwagen durch den Ort fahren sah, war schon wesentlich anders, als in einer Kleinstadt vor einer Großstadt zu leben. Eigentlich konnte ich mich nie besonders damit anfreunden. Die Luft stank an manchen Tagen von dem stehenden Flusswasser in dem sumpfigen Stadtwald, dass man hätte meinen können, dort befände sich eine Klärgrube. Noch dazu sorgten diese Umstände dafür, dass ich häufiger Krank wurde. Ich war saubere frische Bergluft gewohnt. Oder sagen wir vielmehr Landluft ohne stehenden Moorastgestank. So richtig Berge konnte man das ja auch nicht nennen. Es waren ja mehr sanfte Hügel, die mit gemischtem Baumwerk überwachsen waren. Hätte mich nicht die Liebe von diesem Ort weggeführt, so hätten gewiss die Menschen die dort lebten, es irgendwann getan. Ich habe dort nie hin gehört. Ich war eine Träumerin oder vielmehr Visionärin und lebte im Stillen für mich in meiner eigenen Welt. Stets auf der Suche nach dem Übernatürlichen. Doch wenn man die Liebe gefunden hat, sollte man Prioritäten setzen. Sicher es war nicht nötig alle Fantasie aufzugeben, doch zu einem Großteil nötig um ein Leben in der Gesellschaft zu führen. So war es dann auch bei mir, als ich vor knapp zehn Jahren aufgebrochen war, um ein Leben an der Seite meines Mannes zu verbringen. Höhen und Tiefen hatten wir überstanden. Jeden Sturm der sich uns in den Weg stellte überwunden und so manche Träne gemeinsam vergossen, wenn es um unser gemeinsames Glück nicht gut stand. Doch nun da er weg war, fragte ich mich jeden Tag im Geheimen, warum ich noch hier war und was mich an diesem schaurigen Platz hielt, den die älteren Stadtbewohner hinter vorgehaltener Hand Horrorheim nannten. Sicherlich gehörte zu diesem einen Punkt meine innige Freundschaft zu Chu und Richi. Ich hatte nie bessere Freunde gefunden, auf die ich mich so gut verlassen konnte. Sie waren immer da, wenn sie Zeit erübrigen konnten. Und auch als mein Mann gerade erst von mir gegangen war, hatten sie es geschafft mir nach einigen Wochen doch wieder zumindest ein Lächeln abzuringen. Freunde auf die ich mich verlassen konnte. Zweifellos das Beste, was mir je passiert war. Doch fragte ich mich, wie jedes mal wenn ich an dem brackigen Flussufer mit dem Rad entlang fuhr, ob ich nicht doch etwas mehr im Leben brauche, als nur meine beiden guten Freunde. Aber war ich wirklich schon bereit dafür eine neue Bindung einzugehen? Ich wusste, dass es ja bereits zwei Jahre her war. Aber für mich kam es ernsthaft nicht in frage freiwillig auf Partnersuche zu gehen. Für mich persönlich stand immer fest, dass es nur einen Mann für mich geben würde, der mich so lieben könnte wie ich bin. Und das bedeutete, dass ihm mein Aussehen und mein zum Teil sonderbares Verhalten keineswegs stören sollte. Aber das war schwierig. Besonders wenn man sich in der Nähe einer Gegend aufhielt, die sich selbst als "Trendy", "Modern" und "Schön" bezeichnet. Ich war zwar mit knapp dreißig Jahren auch noch relativ Jung. Dennoch schätze ich eher althergebrachtes. Make-up, stylische Klamotten oder Putzlappen, wie ich diese sonderbaren Fetzen auch gerne nannte, kamen mir persönlich nicht gerne unter die Finger. Außer man verlangte so etwas am Arbeitsplatz zu tragen. Ich fand das Meiste davon, sah eher viel zu Nuttig aus. Und im Ernst, ich wollte mich selbst nie so auf dem Strich sehen. Ich mochte auch mehr den Schlabberlook. Einfache Jeans, T-shirt, Haarband beziehungsweise Haartuch und Turnschuhe. Häufig kam es dabei vor, wenn mich jemand ansprach, dass man mich als "Jungen Herren" bezeichnete. Und das trotz meiner recht langen Haare. Für diesen Umstand musste ich wohl meinem Vater danken, denn ich sah ihm zum verwechseln ähnlich, wenn ich mir einen Bart ins Gesicht geklebt hätte. Wobei das manchmal gar nicht nötig war. Was wenige wissen ist, dass sich eigentlich jede Frau bestimmte Stellen im Gesicht rasiert oder mit Kaltwachstreifen behandelt, um zu verbergen, dass gerade in den Mundwinkeln Barthaare wuchsen. So nun mal auch bei mir. Mich störte dieser leichte Flaum dort nicht und wenn man nicht genau drauf starrte, war es auch nicht zu sehen. Mein Körperbau war doch eher stämmig und wirkte schon bedrohlich trotz meiner geringen Größe, wenn ich die Schultern etwas hob und nach vorne zog. Ja man hätte wirklich gut sagen können, dass ich ein echter Zwerg hätte werden sollen. Das zumindest sah mein Bruder so, der mich gerne damit aufzog. Im Gegensatz zu mir hatte er Glück gehabt mit seinen Erbanlagen. Er hatte nur das Beste von meinen Eltern bekommen. Aber gut es musste ja bestimmt auch jemanden in jeder Familie geben, der das besondere Glück hatte die schlechten Eigenschaften zu erben. Die müssen ja auch irgendwo hin. Solche Gedanken kamen mir immer wenn ich Unterwegs war. Wie ich so durch den Stadtpark radelte und mir mit einer Hand die Nase zu hielt, um den Gestank besser zu ertragen, kam ich an einer Gruppe grölender halbstarker Jugendlicher vorbei. So was kannte man ja. Helllichter Sonntag Nachmittag und bereits den dritten Kasten Bier angebrochen. Das war hier nichts neues. Einfach nicht beachten, dachte ich mir. So tat ich es auch und hoffte nur, dass diese auf meinem Rückweg dann endlich gegangen sein dürften. Natürlich hörte ich die Rufe der Einzelnen, die offenbar mir galten, denn es war sonst niemand auf dem Rad hier unterwegs. "Hey Breitarsch der Rahmen biegt sich durch", kam es von einem der Jungs. Ich schüttelte nur den Kopf und dachte bei mir: "Keine Haare am Sack, aber dicke Lippe riskieren." So fuhr ich den ganzen Uferpfad entlang, unter einer Autobahnunterführung durch, bis ich irgendwann auf einer gut befahrenen Hauptstraße landete. Endlich kam dann, nachdem ich gut eine viertel Stunde der Straße gefolgt war, der Kaufpark in sicht, wo sich das chinesische Restaurant befand. Ich radelte über den ganzen Parkplatz und sah schon, als ich um eine Ecke bog, Chu und Richi am Eingang mit ihren jeweiligen Elternteilen stehen. Sie winkten mir auch umgehend zu, als sie mich sahen. Ich bremste knapp vor ihnen und machte dabei das Geräusch eines Motorrad Motors nach, bevor ich abstieg und das Rad in einem Ständer befestigte. "Hey, schön dich zu sehen", kam es von Richi. Wir drückten uns alle zur Begrüßung. "Hi Leute. Man hab ich einen Hunger. Ist der mongolische Grill schon offen?", fragte ich. "Na sicher doch. Lass mal rein gehen, damit wir schnell zum Nachtisch kommen können", sagte Chus Vater, der sich mir damals als "Otto der Unbestechliche" vorgestellt hatte und laut seiner Aussage auch Bargeld nehmen würde. Er war richtig Cool drauf, konnte man sagen. Ein richtiger Rock-Opa vom Aussehen her und wurde auch gerne für den Vater von Richi gehalten, da beide sich tatsächlich ein bisschen ähnelten, aufgrund der langen, hellen Haare und des eher schlanken Körperbaus. Lisbeth seine Lebensgefährten und Richis Mutter lächelte schüchtern und ging mit ihm voran in den Laden. Zu fünft nahmen wir an einem der großen, runden Tische platz. Die Kellner dort kannten uns schon. Daher war es ihnen sofort klar was jeder zu trinken bekam. Buffet war für uns auch schon selbstverständlich. Die verschiedenen Sorten Fleisch, die roh auf den Tellern lagen, sahen mal wieder äußerst appetitlich aus. Ich mochte das gebratene Känguru mit Süß-Sauersoße und etwas Gemüse wirklich sehr. Auch Gemüsereis mit Hähnchen-Curry zählten seit meinem ersten Besuch eines chinesischen Restaurants zu meinen absoluten Lieblings Gerichten. Chu, meine beste Freundin und passionierte Dreadlock-Trägerin, war seit einigen Jahren Pescetarierin, sprich sie aß kein Fleisch aber gelegentlich mal Fisch. Daher vergriff sie sich sofort an dem frischen Lachs und ein paar Gemüse-Sushi-Rollen. Richi nahm mal wieder von allem etwas, genauso wie der gute "Otto der Unbestechliche" und Lisbeth. Da Chu und ich noch auf das Essen warten mussten, weil es noch gebraten werden musste, erzählte ich einfach breit heraus, was die letzten beiden Tage so alles passiert war. Richi der zuhörte lachte. "Also entweder sind es totale Boons oder es sind schlichtweg einfach nur Trolle die gerne andern Spieler auf den Senkel gehen", meinte er. "Ja, daran hab ich auch schon gedacht. Ich werde es nachher noch mal versuchen und dann hoffen, dass ich endlich mal alleine Questen gehen kann. Solche Leute halten auf. Außerdem ertrag ich es nicht auf ihre Art Rollenspiel einzugehen. Ihr wisst ja warum", sagte ich und nippte an meinem Glas Cola. "Ja, wegen deinem Mann ist schon klar. Aber hör mal das kann doch auch nicht so weiter gehen oder? Willst du echt für den letzten Rest deines Lebens alleine da stehen?", kam es von Chu. "Nein will ich natürlich nicht. Aber. Ach Leute ich hab einfach zu viel Angst davor, dass es in die Hose geht. Ihr wisst dass zwischen mir und ihm war etwas besonderes. Und das wird es für mich nie wieder in dieser Art geben", meinte ich und drehte das kalte Glas in den Händen. "Ich weiß. Ihr beide wart einfach das Perfekte Paar. Und ich hab niemanden kennen gelernt, der so gut zusammen gepasst hat, wie ihr beiden. Im ernst. Das sagt auch jeder der euch einmal gesehen hat. Aber du musst nach vorne sehen. Dir tut das allein sein nicht gut", sagte Richi und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich seufzte und war in dem Moment dankbar, dass mein Känguru heran gehoppelt kam, damit ich es Essen konnte. Sie hatten ja beide recht. Ich war Unglücklich so allein. Deshalb hatten sie mich auch dazu überredet, einige der Sachen meines Mannes auf dem Trödelmarkt zu verkaufen. Nicht nur um Platz in der neuen Wohnung zu schaffen, sondern auch um endlich loszulassen. Es war ja so, das ich manches nicht mehr brauchen konnte ,was ihm gehört hatte. Doch an einigen Sachen hing ich schon sehr. "Liebe kommt und liebe geht. Sieh uns an. Wir haben uns erst Lieben gelernt, als wir schon recht alt waren. Du findest auch noch mal einen, der in dein Leben passt. Wirst schon sehen", meinte Chus Vater und lächelte aufmunternd zwischen mir und Richis Mutter hin und her. Lisbeth grinste ebenso. Sie war meist sehr still. Sie kannte ja meinen Mann auch, seit er ein Junge gewesen war. Schon in der Jugend waren Richi, Chu und er die besten Freunde gewesen. Umso glücklicher machte es mich eigentlich, dass sie mich in ihren Kreis aufgenommen hatten. Was ich nicht als selbstverständlich empfand. Wenn ich konnte war ich auch immer für sie da. Nur in dieser Zeit, war es häufig umgekehrt, was mich auch schon sehr störte, da ich mich als Last wahrnahm. Aber dafür hatte ich meine Freunde. Sie waren nie genervt wenn ich etwas Aufmunterung brauchte. So auch an diesem Tag nicht. "Hey, wie wäre es, wenn du nicht versuchst dich mit dieser Gruppe da doch mal gut zu Stellen. Vielleicht kommt ja was Gutes dabei raus", kam es dann beim Nachtisch von Chu. "Du meinst mit diesen Boon Zwergen Rollenspielern? Ob das so ne gute Idee ist", meinte ich und schaute sie skeptisch über mein Softeis mit Schokosoße an. "Na komm. Mehr als schief gehen kanns doch nicht oder?", meinte Richi. "Ist ja gut. Ist ja gut. Ihr habt gewonnen. Ich. Werde einfach mal sehen, was die Jungs da so drauf haben. Sofern sich dahinter Jungs verbergen. Ich werde ja sowieso irgendwann eine Gemeinschaft brauchen müssen, sobald ich die ersten Gruppenquests bekomme", sagte ich und unterdrückte es zu seufzen. Das ganze Essen dauerte etwa Zwei Stunden, aber danach konnten wir auch gut sagen, dass wir kugelrund und satt waren. Ich verabschiedete mich dann draußen mit dem üblichen Ritual von Chu und Richi. Wir bildeten einen Kreis und machten das Huen von Eulen nach. Das mochte für Außenstehende sehr albern aussehen, hatte sich aber über die Zeit zu einem festen Bestandteil unserer Gruppe gebildet. Ich schnappte daraufhin mein Rad und winkte nach hinten bevor ich dann die Hauptstraße zurück in Richtung des Radweges zum Stadtwald einbog. Es waren trotz des schönen Wetters wenig Leute an diesem Sonntag Abend unterwegs. Die untergehende Sonne blendete gelegentlich, wenn sie durch das Blätterdach des Wäldchens brach. Ich hing wieder einmal meinen Gedanken nach und achtete gar nicht so wirklich darauf, was sich am Wegrand alles aufhielt. Gerade als ich durch die Autobahnunterführung fuhr, fühlte ich einen kräftigen Stoß von der Seite und einen Schlag auf meinen Fahrradhelm. Der hatte mir wohl in dem Moment schon etwas den Hintern gerettet. Auch wenn ich etwas benommen war. Ich stürzte seitlich vom Rad und rollte erst einmal den betonierten Abhang zum Fluss hinunter. Ich fühlte mein Gesicht, Hände, Arme und Beine brennen, durch die Reibung auf dem harten Boden. Ich wollte mich aber schon wieder aufrappelt, doch da bekam ich einen Tritt ins Gesicht. Dann noch einen und nach dem Dritten, hörte der Schläger endlich auf. Mein Gesicht schmerzte so. Ich wimmerte. Blut lief mir aus der Nase und ich hatte wohl auch eine Platzwunde am Kopf. Mit halb zugekniffenen Augen, konnte ich nur noch den Räuber in der Ferne mit meinem Rad davon rasen sehen. Mühsam zog ich mich auf den Radweg. Passanten, die den Vorfall in der Ferne beobachtet hatten, kamen heran um mir auf die Beine zu helfen. Einer rief die Polizei und einen Krankenwagen. Mir taten sämtliche Glieder weh und ich musste mich auf den Boden setzen. Die Sanitäter, die kamen taten ihr bestes, um mich zu versorgen. Noch während man mich verarztete, vernahmen mich die Beamten und wollten eine Täterbeschreibung. Doch weder ich noch die anderen Passanten konnten zu dem Täter genaue Angaben machen. Das Einzige was alle wussten war, dass er komplett in Schwarz gekleidet war. Und so sahen bestimmt dutzende Leute aus. Ich selbst konnte fast überhaupt nichts dazu sagen, da ich den Schlag seitlich auf den Kopf bekommen hatte. Zur Sicherheit hatte man mich danach in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses gebracht. Ich musste sicherlich nicht erwähnen, dass ich dort geschlagene drei Stunden warten musste, bis ich überhaupt einmal aufgerufen wurde, um für eine erste Begutachtung dann in den Keller geschickt zu werden, wo ich weitere zwei Stunden saß, um auf einen Raum zum Röntgen zu warten. Ja, Krankenhäuser sind der letzte Rotz, wenn man in die Notaufnahme muss und Kassenpatient ist. Es war also kurz vor Zehn, als ich endlich dieses verfluchte Krankenhaus mit der Diagnose Nasenbeinbruch und leichte Gehirnerschütterung verlassen durfte. Zumindest hatte ich meine Busfahrkarte für solche Notfälle dabei, um endlich nach hause zu kommen. War ja mal wieder ein typischer Tag. Immer passierte so ein Mist, wenn ich einen unbesorgten glücklichen Tag verbrachte. Ich schleppte mich die Treppe nach oben in die Wohnung und pflantze mich vor den PC. An schlafen dachte ich noch gar nicht. Dafür war ich zu aufgekratzt und entrüstet über diesen ganzen Vorfall. Ich klickte auf meine Zwergin und loggte mich ins Spiel ein. Questen. Einfach nur in ruhe Questen und nicht daran denken, wie scheiße der Abend geendet hatte. Diesmal konnte ich in ruhe in den alten Wald, um dort Felle und anderes Zeug zu erspielen. Danach führte mich mein Weg wieder ins "Gasthaus zum Tänzelnden Pony", wo ich Sachen verkaufen wollte. Der Raum war fast leer. Klar am nächsten Tag war Montag und sicher waren viele schon im Bett. "Cuna! Hier! Hier drüben sind wir! Hallo!", blinkte in meinem Chatfenster auf. Daneben der Name von Kili. "Na Bravo. Hätte ich mir ja denken können, dass ihr Burschen hier rum springt", stammelte ich den Bildschirm an. Ich entdeckte die Vier nach einigem Drehen der Kamera an einem Tisch in der Ecke sitzen. Sie hatten einen ganzen packen Felle auf dem Tisch liegen. Ich stutzte kurz. War das von der Spielmechanik so vorgesehen oder hatten die das wirklich dort hingelegt? Normalerweise sollten auf den Gasthaustischen keine Waren liegen. Vielleicht spielte mir mein schmerzender Kopf auch einige Streiche. "Was ist mit Euch? Wollt Ihr nicht her kommen um uns Gesellschaft zu leisten?", kam eine Nachricht von Fili ins Chatfenster. Geknickt schrieb ich zurück: "Ich bin gerade nicht in der geeigneten Stimmung für Gesellschaft." "Ach für ein bisschen Plausch und ein Bierchen in später Abendrunde ist doch immer etwas Zeit", schrieb Dwalin und man sah wie sein Charakter sich gleich einen Krug an die Lippen hob um zu trinken. "Wir haben etwas für Euch. Nun kommt schon heran", schrieb Kili. "Also gut", sagte ich zu mir und wollte zumindest einmal sehen, was sie denn ach so schönes für mich hätten. Thorin war aufgestanden, als ich mich dem Tisch genähert hatte. Das Bündel Felle, was auf dem Tisch gelegen hatte war plötzlich verschwunden. Doch eine geistige Täuschung? "Hier das ist für Euch. Das könnt Ihr dem Halbling übergeben.", schrieb er und da ploppte meine Inventartasche auf und die Felle, die eben noch auf den Tisch gelegen hatten erschienen darin. Fast entsetzt blickte ich auf den Bildschirm. "Wie zur Hölle habt ihr das gemacht?", schrieb ich verwirrt und panisch zu gleich. "Wir waren im alten Wald und haben die Tiere gejagt dessen Felle Ihr brauchtet. Ich hoffe es sind auch die richtigen", schrieb Fili. "Das hab ich gar nicht gemeint. Was ich wissen wollte war. Wie könnt ihr mir das einfach so ins Inventar legen? Das ist doch nicht möglich", kam es hektisch von mir. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass mich die Vier genauso verwirrt ansahen, wie ich meinen Bildschirm. Thorin äußerte sich als erstes. "Ich verstehe eigentlich immer noch nicht genau, was Ihr meint. Aber ein Dankeschön wäre meine ich doch schon von Eurer Seite her angebracht." "Ja, Ja. Schon gut Danke. Danke. Vielleicht bin ich auch einfach nur gerade kurz weggenickt und hab nicht bemerkt, was ich gemacht habe. Es war ein furchtbarer Tag", schrieb ich nur und wollte gerade meinen Charakter wieder von den Vieren wegbewegen. "Was ist denn passiert?", schrieb Kili und sein Charakter war mit den anderen dreien aufgestanden. In meinem Kopf versuchte es zu rattern. Sollte ich mich diesen völlig Fremden wirklich anvertrauen? Andererseits hatte ich wirklich das Bedürfnis, mir mein Leid von der Seele zu reden. Zumindest das was vorhin vorgefallen war. "Ich wollte eigentlich schon viel früher wieder da sein aber ich wurde unerwartet aufgehalten", schrieb ich dann. "Aufgehalten? Inwiefern?", schriebt Thorin fragend und machte mit seinem Charakter einen Schritt auf meinen zu. "... Ich bin auf dem Rückweg von meiner Verabredung überfallen worden", erklärte ich kurz und bündig. "Ihr wurdet was?! Seid ihr Verletzt?!", schrieb Fili und meinte wohl meinen Charakter mit seinem umrunden zu müssen, um nach Wunden zu suchen. "Leute im ernst. Hört auf mit diesem lächerlichen Rollenspiel Mist ich meine es ernst! Aber gut hätte ich mir ja denken können, dass ihr euch über mich lustig macht", schrieb ich entnervt von dem Verhalten, da es mir extrem auf den Sack ging, dass sie immer noch meinten ich würde die Sache nur "Spielen". Zumindest kam es mir so vor. Bis Thorin endlich einige Zeilen schrieb: "Ihr seid nicht hier angegriffen worden, sondern bei Euch zuhause. Ihr seid aus Terra-Gaia." "Hä? Bitte was willst du von mir?", fragte ich verwirrt. Terra-Gaia? Nannte man denn in diesem "Mittelerde-Rollenspiel" die Reale Welt? Wenn ja, dann hörte ich das zum ersten Mal. "Terra-Gaia. Die reine Menschenwelt", erklärte er schlicht. "Ja gut. Dann. Von mir aus bin ich aus Terra-Gaia und ja ich wurde hier angegriffen. Man hat mich Überfallen. Mir mein Rad gestohlen und mir mehrfach ins Gesicht getreten. Leider hat keiner sehen können, wer es war. Jetzt muss ich sehen, wie ich ein neues Rad bekomme", schrieb ich nur und wirkte dabei innerlich total abgehetzt. "War niemand da, der Euch hätte helfen können?", fragte Dwalin. Die Gruppe stand nun ganz still vor mir. "Doch, doch. Es waren ein paar Leute da. Die haben die Polizei gerufen und ich bin eigentlich gerade erst aus dem Krankenhaus wieder da. Aber der Typ ist entkommen." "Das ist schlimm. Und Ihr habt niemanden sonst, der Euch beschützen konnte? Keine Freunde? Keine Brüder? Keinen Mann?", fragte Thorin. Ich musste schlucken. Mir brannten etwas die Augen, und das nicht nur von dem kleinen Mann, der permanent in meinem Kopf herum hämmerte. Ich musste lange an mich halten, bis ich eine Antwort schrieb: "Meine Freunde waren in einer anderen Richtung unterwegs, als ich mich vorhin von ihnen verabschiedet habe. Mein Bruder lebt weit weg von mir. Und mein Mann ist tot..." "Das tut mir leid für Euch. Hat dieser Räuber ihn umgebracht?", fragte Kili. "Nein. Er Starb vor zwei Jahren bei einem Unfall. Entschuldigt aber ich möchte ungern mit Wildfremden über diese Sache reden", gab ich zur Antwort. "Verzeiht meinem Neffen. Er ist in mancherlei Hinsicht sehr Taktlos. Ich verstehe natürlich, wenn Ihr darüber nicht sprechen wollt. Wir werden Euch diesbezüglich auch nicht weiter behelligen, außer Ihr wäret bereit dazu von Euch aus zu erzählen", schrieb Thorin. Ich seufzte bedröppelt und dachte mir, es sei nun doch langsam besser mich für Heute zu verabschieden. Zumindest gab mir das mein Hirn deutlich zu verstehen. Außerdem sollte ich mich am nächsten Tag von meinem Hausarzt besser Krank schreiben lassen, um zu vermeiden, dass ich in diesem Zustand und mit diesem sonderbaren Gestell im Gesicht bei einem Vorstellungsgespräch auftauchen musste. "Entschuldigt mich jetzt bitte. Mir brummt der Schädel ich sollte schlafen gehen", schrieb ich um mich wenigstens von den Herren zu verabschieden. "Das wäre im Augenblick wohl für Euch das Beste. Aber eins noch. Solltet Ihr Hilfe brauchen. Egal was es auch sei. Könnt Ihr euch gerne an uns wenden", gab Thorin zu meiner kleinen Überraschung zurück. "Das ist sehr freundlich. Vielen Dank. Und gute Nacht ", schrieb ich schnell, loggte mich aus und schleppte mich mit schwammigem Hirn ins Schlafzimmer. Ob es wirklich so klug gewesen war, Ihnen zu vertrauen? Und was waren diese seltsamen Vorkommnisse im Spiel? Wieso konnten diese vier Spieler nicht genauso Normal reden wie andere auch, wenn man über das Real life sprach? Mir war noch nicht bewusst, in was für eine Sache ich mich schon an diesem Abend verstrickt hatte. Doch eine Antwort auf meine Fragen würde ich sicher bald bekommen. -3. Hinterhalt im Stadtwald / ENDE - Kapitel 4: 4. Ausflugsanspannung -------------------------------- Drei Wochen krankgeschrieben und wahrscheinlich sollten es noch mehr werden. Unmutig brachte ich den gelben Schein zu meinem Sachbearbeiter auf dem Amt, der mich mit einem schälen und ungläubigen Blick betrachtete. Doch was sollte er machen? Er konnte ja sehen, dass ich mit einer Nasenbeinschiene unmöglich ansehnlich für Vorstellungsgespräche war. Geschweige denn, dass ich mich lange draußen aufhalten konnte. Denn mir war unterwegs mehrfach schlecht geworden. Was zusätzlich an den unmöglichen Fahrkünsten der Busfahrer lag. Ich hatte auf dem Weg zum Amt nicht mal Zeit schnell eine Toilette aufzusuchen und musste mich direkt an der Haltestelle in einen der Büsche übergeben. Mein armes Frühstück tat mir schon sehr leid. Als ich dann die Tatsache über den Diebstahl meines Fahrrads erklärte, verzog der Sachbearbeiter genervt den Mundwinkel und druckte mir trotzig den Gutschein für ein weiteres Billigrad aus, was ich gratis bei einer Werkstatt in der Nähe abholen konnte. Ich wusste dass dort die Leute den ganzen Tag für ein Euro fünfzig die Stunde standen, um Räder zu reparieren, die sie vom Schrotthändler billig einkauften. Mein Mann hatte vor zig Jahren auch einmal in einer solchen Werkstatt gearbeitet. Das war lange bevor er seine Ausbildung zum Lageristen angefangen hatte. Wer hätte gedacht dass ihm ausgerechnet das, wofür wir in unserer Beziehung am meisten gekämpft hatten, einmal das Leben kosten würde? Wahrscheinlich niemand. Also machte ich mich nach verrichteten Taten mit einigen kühlen "Gute Besserungs" Wünschen des werten Herren auf den Weg zum Fahrradlager, um mir ein neues Rad auszusuchen. Mich überraschte es etwas, dass der dortige Leiter ein alter Arbeitskollege meines Mannes war. Aber gut, so konnte ich zumindest eines der besseren Räder erhaschen. Wobei besser nicht hieß, dass es außerordentlich schön aussah. Aber es fuhr, hatte gute Bremsen, mehrere Gänge und einen Gepäckträger. Allerdings war dieses widerliche Neongrün schon etwas unerträglich für meine Augen und der Hello-Kitty-Aufkleber am Lenker war wirklich die Krönung des Ganzen. Aber naja einem geschenktem Drahtesel schaut man nicht zwischen die Pedale. So konnte ich den Heimweg wenigstens mit dem Rad zurück legen. Diesmal allerdings an einer sicheren Hauptstraße. Bloß nicht noch einmal in ein solches Wäldchen hinein geraten. Wäldchen... da klingelte etwas bei mir. Ja sicher, ich hatte total vergessen, dass ich nur noch ein paar Tage zum Packen meiner Sachen für die Zeltstadt hatte. Das wollte ich unter keinen Umständen verpassen. Sicher ich war nicht besonders Fit dafür, aber ich war ja nicht allein und zur Not waren dort genug Betreuer die Erste Hilfe leisten konnten, sollte ich zusammenbrechen. Zuhause angekommen stellte ich mein "Neues" Rad in den Keller und machte mich auf den Weg nach oben. Es dauerte nach dem Aufstieg eine Weile, bis ich etwas tun konnte. Ich musste mir erst einmal eine Migränetablette rein ziehen, um meine Kopfschmerzen wieder zu zähmen, die seit dem Vortag schlimmer geworden waren. Aber was sollte ich sonst tun. Ich hatte ja niemanden mehr den ich bitten konnte für mich Besorgungen zu machen, wenn es mir so schlecht ging. Dabei war es auch lange her, dass es mir mal so schlecht gegangen war. Nach einer guten Stunde auf dem Sofa liegend wurde mein Hirn dann auch wieder etwas klarer durch die Medikamente und so begann ich zu packen. Schlafsack, Kissen, Wolldecke für den Notfall, Klamotten, Schuhe, Ein paar Bücher zum Lesen, Taschenlampe und das wichtigste, mein Plüschschäfchen. Ohne das konnte ich seit Jahren nicht einschlafen. Es war das erste Geschenk meines Mannes gewesen, nachdem ich zu ihm in die Wohnung seiner Eltern gezogen war. Er dachte eigentlich, es wäre ein Hund. Doch stellte es sich später tatsächlich als Schaf heraus. Woraus sich nach unserem ersten gemeinsamen Urlaub eine regelrechte Manie entwickelte. Ich besaß einen riesen Berg an Schafen jeder Größe, Form, und Art. Doch seit zwei Jahren war keines mehr hinzu gekommen. So stopfte ich alles in einen großen Rucksack. Einen den mir mein Bruder geschenkt hatte. Es war ein ausrangierter Bundeswehr Rucksack, in den man gut was verstauen konnte. Er meinte im Gelände würde man darin gut vierzig Kilo mit sich rum schleppen können. Naja so viel wollte ich nicht mit mir rum tragen. Wären zu diesem Zeitpunkt auch sehr ungünstige Bedingungen gewesen. Ich stellte den Rucksack schon mal in die Küche, damit ich am Tag der Abreise mir ein paar Brote schmieren konnte bevor ich mich dann mit Chu und Richi zusammen am Bahnhof treffen würde. Eigentlich hatten wir ja geplant mit den Rädern zu fahren, doch hatte ich ihnen noch während meinem 'kurzen' Besuch im Krankenhaus eine Nachricht geschickt, dass wir es wegen meines unglücklichen Überfalles doch lieber bleiben lassen sollten, da der Weg bis dort hin in meinem gegenwertigen Zustand viel zu weit war. Ein wenig erschöpft vom einpacken, ließ ich mich wenig später vor meinen PC fallen. Nach dem Einschalten und Hochfahren, war es mir klar, dass ich mal wieder meine Zwergin aufsuchte. Es zog mich einfach dorthin. Auch wenn ich wusste, dass es nicht lange dauern würde und ich wieder von einer Gruppe Rollenspieler heimgesucht würde. Ach seis einfach mal drum. Wenn sie sich schon anboten mir freiwillig bei Aufgaben zu helfen dann wars mir nur recht. Merkwürdig nur, dass ich mit einem mal so dachte. Aber gut. Musste wohl auch daran liegen, dass ich mit meinem Kopf nicht wirklich beisammen war. Allerdings wunderte es mich weniger, dass ich beim Einloggen mal wieder alleine war. So war es immer. Ich betrachtete meinen Questlog. Da waren noch ein paar Aufgaben im Alten Wald zu erledigen. Also nichts wie auf ins Abenteuer. Sicherlich konnte ich danach die Hügelgräberhöhen unsicher machen. Gott, wie ich diese Bargest da hasste. Die konnten einen nie in ruhe lassen und tauchten immer dann auf wenn man sich gerade mit einen Untoten oder anderem Tier im Kampf befand. Dabei kam es nicht selten vor, dass man dadurch das Zeitliche segnete. Blöde Geisterhunde. Aber zuerst mal der Wald. Frohen mutes und unbehelligt verließ ich das allseits beliebte Gasthaus bis... "Cuna!", blinkte es in meinem Chat auf. Nanu? Da war Dwalin, der allein auf mich zu gerannt kam. Merkwürdig... Aber vielleicht war ja der Rest der Bande auch nicht weit. "Ah ja. Der Herr Dwalin. Was gibts denn?" schrieb ich etwas spöttisch. "Rennt Ihr schon wieder auf und davon ohne Begleitung?", fragte er ohne zu zögern. "Hat Thorin dich zu meinem Babysitter abkommandiert oder warum fragst du so dämlich?", erwiderte ich sarkastisch. Also langsam ging mir dieses sonderbare, bemutternde Verhalten der Zwerge schon auf den Keks. Im ernst. Ich hatte das notwendige Equip und die Gemeinschaftsquests würde ich eh nie allein machen. Aber zumindest bei den Einzelquest wollte ich meine Ruhe haben. "Werd nicht frech Mädchen. Mir ist nur aufgefallen, das du einfach blindlinks durch die Gegend rennst, obwohl du Verletzt bist und eigentlich ruhen solltest.", kam von ihm mit barschen Worten zurück. "Ich schone mich gerade. Aber vor allem, was wollt ihr denn eigentlich die ganze Zeit von mir? Was ich mache, wo ich hingehe und vor allem, wie ich mich schone, ist MEINE Angelegenheit und nicht die von Vier völlig Fremden Spieler, die meinen mir Vorhaltungen machen zu müssen, obwohl sie mich überhaupt nicht kennen", gab ich zurück und wurde langsam richtig sauer. "Es ist so, weil. Nun ja Thorin denkt, dass du anders bist als Die da", meinte er und drehte sich zu ein paar herum hüpfenden Magiern um, die allesamt einen mehr oder weniger starken Abklatsch von Gandalfs und Sarumans darstellten. "Und was bringt ihn zu der Annahme, dass ich anders bin als die Bekloppten da?", fragte ich. "Woher soll ich das wissen? Das musst du ihn schon selbst fragen.", meinte er und wirkte immer beleidigter. Konnte mir auch egal sein, wie er sich gerade fühlte. Ich drehte meinen Charakter um und wollte schon durch das Stadttor von Bree raus marschieren, als sich von der Landstraße her ein paar Ponys näherten. Ich rollte mit den Augen. Nicht auch noch das. Es war ein ganzes Bataillon von Zwergen und wie sollte es anders sein. Thorin an der Spitze. Dahinter Kili und Fili, dann ein Balin und ein Bofur. Gut Bataillon war da vielleicht doch übertrieben. Dennoch sah es schon beeindruckend aus, wie die Gruppe auf uns zugeritten kam und die Ponys vor uns halt machten. "Ach, hast du sie doch beim Weglaufen erwischt was?", meinte Fili spöttisch als er abgestiegen war. "Boah Leute ihr nervt mich langsam wirklich", brüllte ich meinen Bildschirm an. Ich hatte weder Zeit, noch Lust oder Nerven mich weiter mit diesen Klötzen am Bein abzugeben. Trotzig wollte ich alle ignorierend durch das Stadttor raus stapfen. Dummerweise war es unmöglich durch die Ponys hindurch zu laufen. Diese neue realistischere Spielmechanik kotzte mich gerade in diesem Moment sehr an. "Was denkt Ihr denn, wo Ihr hin wollt, Cuna?", schrieb Thorin. Ich seufzte und versuchte mich wirklich zusammen zu reißen um nicht noch unhöflicher zu werden. "Ich wollte noch ein paar Aufgaben erledigen, bevor ich in ein paar Tagen zu meinem Zeltlager aufbreche", antwortete ich kurz angebunden. Wobei ich mich im nächsten Augenblick wirklich fragte, warum erzählte ich denen das denn nur? Ich musste wirklich nicht bei Verstand gewesen sein oder war es einfach nur die Art wie Thorin fragte, die mich so unglaublich ehrlich antworten ließ? "Ein Zeltlager? Ihr? Allein in der Wildnis?", kam die Frage von Balin, der mit seinem Pony immer noch meinen Weg versperrte. "Wer hat gesagt, dass ich allein bin? Ich bin mit einer Gruppe von Leuten dort. Und es ist auch kein Wald es ist ein Zeltplatz. Da sind jede Menge Leute, die aufpassen, dass nichts passiert.", schrieb ich. "Ihr könnt da unmöglich hin wollen. Wenn Ihr wirklich verletzt seid, wie Ihr sagtet, solltet Ihr zuhause bleiben und Euch schonen", meinte Thorin und war von seinem Pony abgestiegen. "Jajaja das hat dein Babysitter hinter mir eben auch schon von sich gegeben. Und ich sage es Dir auch nochmal HERR Thorin. Ihr habt MIR nichts zu sagen! Und jetzt steigt von den scheiß Gäulen ab und lasst mich durch ich will questen gehen!", fluchte ich in den Chat hinein. Denn mir reichte es sichtlich. "...Lasst sie durch.", schrieb Thorin und sie machten endlich platz. "Danke...", kam nur noch von mir und ich watschelte drauf los. Endlich hatte ich mal drei Stunden ruhe vor diesen Rollenspielern. Wobei es mir innerlich schon etwas im Herzen zwickte, dass ich so gemein zu ihnen geworden war. Manchmal war mein Gewissen einfach nur nervtötend. Genauso, wie die Geister der Hügelgräber in denen ich inzwischen herum lief und die Monster kaputt schlug, die mir den Weg versperrten. Als ich aus einem der kleineren Gräber wieder heraus kam tauchte mal wieder ein Zwerg auf. Trotz des Nebels dort war er auf der Anhöhe gut zu erkennen. Natürlich Thorin. Wer auch sonst? Himmel. Was für ein unglaublich anhänglicher kleiner Mann. Sofern er wirklich ein Mann war. Das wusste man bei Spielcharaktären nie so genau. Ich wollte schon etwas genervt so tun, als hätte ich ihn nicht gesehen doch da ploppte seit langen wieder mein Chatfenster auf. "Reden wir", schrieb er schlicht. "Ich wüsste nicht worüber wir reden sollten", antwortete ich. "Seit nicht immer so abweisend wenn man versucht freundlich zu Euch zu sein", meinte er und es klang schon sehr barsch und bestimmend. Ich seufzte leise ehe ich weiter schrieb. "...Tut mir leid. Also. Was gibt es denn?" "Ihr habt Dwalin gefragt, warum ich denke das Ihr anders seit, als die Anderen die hier herum rennen." "Ja, habe ich. Und? Was ist deine Antwort?" "Ihr wart als Einzige leise." "Ich war leise?" "Ja. Die Anderen um Euch herum, machten einen unglaublichen Lärm. Nur Ihr nicht." "Das verstehe ich nicht. Meinst du vielleicht, weil ich nicht irgendwelche Leute wahllos angesprochen habe?" "Auch. Und Ihr wart allein." "Ja, aber ich bestimmt nicht als Einzige..." Was für ein merkwürdiges Gespräch war das denn nun bitte? Ich war leise und allein? Deshalb hat er mich angesprochen? War, dass eine neue Masche um zu Flirten oder hatte ich was nicht ganz mitbekommen? "Erlaubt mir euch bei Euren Aufgaben zu helfen solange Ihr noch nicht zu Eurem Zeltlager aufbrechen müsst", kam es plötzlich von ihm, worauf ich stutzig auf den Text starrte. Es war weder eine Bitte noch ein Aufdrängen. Es war ein schlichtes Angebot. Ich zögerte. Es war mir natürlich unangenehm, da es mich an vieles erinnerte. Doch er schien zu warten. Ich schluckte und rieb mir die Schläfen. Meine Entscheidung in dieser Sache musste eigentlich schon etwas deutlicher sein. Ich riss mich zusammen und schaute in den Questlog, während ich ihm noch eine Antwort schuldig blieb. Da waren die Gefährten aufgaben. Ich seufzte. "Also gut. Du darfst mir helfen.", war meine Antwort. In dem Augenblick dachte ich wirklich, dass seinem Charakter ein kurzes Lächeln über die Lippen huschte. Vielleicht war es auch nur eine optische Täuschung oder ein Fehler in der Grafik. Aber das überging ich einmal. Ich lud ihn wenig später in eine Gruppe ein und so stellten wir uns in den nächsten Stunden zu Zweit den Aufgaben in den Hügelgräbern. Zugegeben so schlecht war es gar nicht ihn als Hilfe dabei zu haben. Zwischendurch unterhielten wir uns noch gelegentlich über einige belanglose Dinge. Wie zum Beispiel, warum ich als Frau eine diebische Freude dafür empfand, wenn ich einen wertvollen Gegenstand erhielt. Sei es ein Rüstungsteil oder eine Waffe. Er hingegen wirkte trotz allem immer noch geheimnisvoll auf mich. Er war irgendwie aus mir unerfindlichen Gründen genauso, wie er immer als Thorin Eichenschild dargestellt wurde. Vielleicht wollte er auch einfach nicht durchblicken lassen, was für ein Mensch er eigentlich war. Doch er konnte es für meinen Geschmack wirklich sehr gut überspielen. Endlich waren nach vielen Bemühungen, die kleinen Hügelgräber überstanden und ich merkte, dass mich ein gewisser Hunger plagte. Wir beeilten uns, gemeinsam nach Bree zu kommen, damit ich mich dort in ruhe ausloggen konnte. Im Gasthaus zum Tänzelnden Pony warteten bereits seine anderen Zwergenfreunde an einem Tisch versammelt. "Wollt ihr uns noch Gesellschaft leisten Cuna?", fragte Thorin und setzte sich schon mal. "Ähm nein. Ich habe leider keine Zeit. Ich muss mir selbst etwas zu Essen machen", schrieb ich. "Ihr könnt euch doch auch einfach hier was bestellen? Wir zahlen auch", meinte Bofur. "Das ist. Sehr freundlich, aber das muss ich leider ablehnen", schrieb ich und seufzte. Nicht schon wieder so eine Flachzange, die nicht verstand, dass ich "Reales" Essen meinte. "Sagt mal. Dieses Zeltlager was Ihr vorhin erwähnt habt... Ist dies nur für besondere Gäste oder ist dort jeder willkommen?", fragte Balin. "Also, eigentlich schon. Das Motto ist stets: Komm wann du willst. Bleib so lange du Lust hast. Jeder ist dort Willkommen. Hauptsache man hält sich an die Regeln", antwortete ich. "Verstehe, nun denn. Dann wollen wir Euch nicht weiter aufhalten. Ich denke man sieht sich noch einmal die nächsten Tage vor Eurer Abreise?", fragte der alte Zwerg. "Davon ist auszugehen. Aber alles weitere, werde ich mit euch besprechen", gab Thorin von sich noch ehe ich etwas schreiben konnte. Mit einigen Abschiedsfloskeln machte ich mich dann daran, aus dem Spiel zu gehen und meine Küche aufzusuchen. Die Zeit die ich mit Thorin bei questen verbracht hatte, hatte mir tatsächlich irgendwie gut getan. Ich erinnere mich noch gut, als ich die Dose mit Suppe öffnete und in den Topf schüttete. Dass ich zum ersten Mal seit langem in Gedanken versunken lächelte. -4. Ausflugsanspannung / ENDE - Kapitel 5: 5. Begegnung der bärtigen Art ---------------------------------------- In wenigen Stunden war es soweit. Dann würde ich mit Chu und Richi unterwegs zum Zeltplatz sein. Die letzten Tage allerdings hatte ich damit verbracht mich endlich mal an diese sonderbaren Zwerge zu gewöhnen, die mir im Spiel einfach überall hin folgten. Egal wohin ich mich auch hin verzog, sie waren schon da. Dabei wurden es nicht weniger sondern mehr. Wo Kili, Fili, Dwalin, Balin und Bofur hinzu gekommen waren, gesellten sich im laufe der Tage noch die restlichen Zwerge der gesamten Thorin Sippschaft hinzu. Fehlte nur noch, dass sich einer der zigmillionen Gandalfs und Bilbos dazu kamen, um mit mir und den Zwergen zu versuchen gemeinsam den Erebor zurück zu erobern. Ich hoffe inständig, dass keiner von denen auf diese glorreiche Idee kam. Denn das ganze Rollenspiel getue ging mir zeitweilig wirklich gehörig auf den Sack. Zumindest schien Thorin mit der Zeit etwas mehr zu begreifen, wann es zu viel wurde. Meistens dann, wenn ich einmal mehr entnervt meinen Unmut an meiner Tastatur ausließ, um dem ein oder anderen Zwerg ordentlich die Meinung zu sagen. Aber ich musste definitiv zugeben, dass man sie gut für Gefährtenaufgaben brauchen konnte. Sie waren ausgezeichnet aufeinander eingespielt. Doch kratzte ich mich mehrfach am Kopf, wenn Situationen auftraten, die für diese Spielmechanik eigentlich untypisch waren. Ich kannte ja Duell-Funktionen aus anderen Onlinerollenspielen, aber von der Funktion Massenduell hatte ich noch nie gehört. Sobald nämlich eine Unstimmigkeit in der Gruppe ausbrach, gingen alle gleichzeitig aufeinander los. Thorin stand dann meistens neben meinem Charakter und schrieb dann immer:"Beachtet das gar nicht. Die beruhigen sich schon wieder." Meine Antwort darauf war jedes mal:"Wie soll man so was nicht beachten? Die machen einen Lärm, wie eine Horde Trolle. Stinken nur weniger." Und ein paar mal hätte ich schwören können, dass ich seinen Charakter habe lachen sehen. "Sagt mal. Wo war dieses Zeltlager doch gleich wo Ihr hin gehen werdet?", fragte er, nachdem wir ein Gasthaus in den leeren Landen betreten hatten, um uns, wie sie sagten, auszuruhen. "Ich hab dir die Adresse schon fünf mal genannt. Die steht doch auf der Internetseite, von der ich dir erzählt habe. Aber warum fragst du?", entgegnete ich. "Nun ja. Ich überlegte ob es nicht vielleicht eine gute Sache wäre, sich dies einmal anzusehen. Natürlich nur, wenn es Euch keine Umstände macht", meinte er schlicht "Mir macht so etwas keine Umstände. Ich gehöre nicht zum Team der Veranstalter dort. Ich bin dort so gesehen auch nur Gast. Und da ist eigentlich jeder willkommen, wie du ja weißt. Vorausgesetzt er hat nicht vor dort zu randalieren. Dann wird man vom Platz geworfen. Man darf auch keinen Alkohol mitbringen. Erst recht keinen Starken und auch Drogen sind nicht erlaubt", erklärte ich nun zum gefühlt dritten Mal. Aber bei der Begriffsstutzigkeit der Gruppe konnte man dies gar nicht oft genug wiederholen. "Kein Alkohol?!", rief Kili entsetzt, der bei seinem 'Bruder' Fili im Schwitzkasten hing. "Ja, kein Alkohol. Es geht nicht darum, sich die Nase zu zu saufen sondern um in einer gemütlichen Runde mit anderen Menschen Spaß zu haben. Außerdem kann man vor Ort das ein oder andere Bier bekommen. Nur mitbringen ist nicht. Gab zu viel ärger damit in der Vergangenheit." "Dann bleib ich lieber zu Hause", schrieb er und boxte Fili von sich weg. Ich seufzte meinen PC an. Sollte mir recht sein. Eigentlich wäre es mir sehr unangenehm gewesen, wenn diese Chaostruppe plötzlich auf dem Zeltplatz aufgetaucht wäre. Die Vorstellung von diesen verrückten Rollenspielern dort heimgesucht zu werden, war mir ein Graus. Ich schüttelte mich kurz bei dem Gedanken, was denn da für Typen auftauchen würden. Vielleicht leichenblasse, spindeldürre Nerds nach Sheldon Cooper Art wie aus "The Big Bang Theorie". Oh nein, bitte nicht so was, schoss mir durch den Kopf. Wobei die Zwergentruppe hier alles andere war, als eine Versammlung Sheldon Cooper Klone. Besonders Helle war so wirklich keiner davon. Naja von Thorin und Balin mal abgesehen, die doch vielmehr den Überblick über die Männer behalten konnten. Als ich mich dann endlich am Abend verabschiedete, um in meinen wohlverdienten, notwendigen Urlaub zu verschwinden, meinte Thorin noch so beiläufig:"Vielleicht bis demnächst." Zumindest klang es für mich Beiläufig. So loggte ich mich aus und ging danach unbehelligt schlafen. Am nächsten Tag, auf dem Weg zum Bahnhof kamen mir schon Chu und Richi entgegen. Und sie waren nicht allein. Auch ein paar Andere, die ich bereits vor ein paar Jahren auf der Zeltstadt kennen gelernt hatte, warteten vor dem Gebäude auf mich. Rainbow und Ani-Chan. Auf der Zeltstadt war es unter anderem üblich, dass man sich nicht zwingend mit seinem richtigen Namen vorstellte. Pseudonyme erfreuten sich dort größter Beliebtheit. So war es auch bei Rainbow und Ani-Chan. Sie kannten mich dort alle nur unter dem Namen Jacky, da ich seinerzeit auf meinem ersten Zeltstadtbesuch eine Comedy Nummer als Jackeline Kolanzski oder auch Jacky-Kola aufgeführt hatte. Rainbow war noch etwas kleiner, als ich und Ani-Chan war etwa genauso groß wie sie. Beide waren dunkelhaarig und trugen Brille. Sie sahen aber alles andere als glücklich darüber, wie sie mich so zugerichtet musterten und dann erfuhren was passiert war. Aber sie wussten mich zumindest sehr gut aufzuheitern. "Jacky, du musst das so sehen. Mit ner so großen Nase, kannst du besser riechen wann das Essen fertig ist", meinte Rainbow breit grinsend. "Will ich gar nicht. Vor allem dann nicht wenn Moe gekocht hat", meinte ich nur schulterzuckend. "Wie letztes Jahr als ihm der Fisch angebrannt ist. Ich sagte mir da nur..", ich holte tief Luft und meine Freunde wussten was jetzt kam. "Jacky.... Näääääää!", gaben alle gleichzeitig von sich und wir grinsten uns an. Anschließend brachen wir dann endlich auf. Mit der Bahn waren es nur vier Stationen, bis zu dem Ort wo wir hin wollten. Den Rest mussten wir zu Fuß gehen. Ich fühlte mich in dieser ausgelassenen Stimmung richtig wohl. Sie war die willkommene Ablenkung von meinem tristen Alltag. Unser Weg führte über grüne Feldwege mit einzelnen Baum bewachsenen Flecken an den Rändern. Wir unterhielten uns ausgiebig darüber, welche Überraschungen dieses Jahr auf uns warten würden. Vor allem auf das Nachtgeländespiel waren wir gespannt. Ich hatte mir vor einiger Zeit selbst eines ausgedacht und dieses als Idee an die Teamleiter weitergegeben. Sie sagten mir daraufhin, dass sie es sich einmal untereinander durchsprechen wollten. Im Jahr davor war das Geländespiel wegen zu starker Regenfälle in der Nacht ausgefallen. Wir hofften daher sehr, dass es in diesem Jahr trocken blieb. Als endlich der Zeltplatz erreicht war, sog ich die Luft von dort tief in meine Lungen und musterte den Platz ausgiebig. Alles war da wie immer. Die Einzel und Gruppenzelte in der sogenannten Ryan-House-Straße, die Hängematten, die an den Bäumen in "Klein Mordor" hingen, "Der Einsame Sandberg" oder "Sandybor", wie ich ihn einmal Spaßeshalber genannt hatte, Das Häuschen mit dem Zeltplatz Radio, oder auch schlicht als "ROZ" in großer Leuchtschrift gekennzeichnet und zu guter letzt die Anmeldung und das Fisse ma "Tent" chen, die Zeltplatzbar, in der jeden Abend etwas los war. Sei es dass man sich zum Quatschen traf, zum Tischkicker spielen oder es um den Karaoke Abend und die Talent Show ging. Chu und Richi machten sich nach ihrer Anmeldung schon daran ihr Zelt zu errichten. Sie hatten einen Stammplatz in der Nähe von "Klein Mordor", da es bei Regen unter den Bäumen nicht ganz so schlimm nass wurde. Ich selbst hatte mir dieses mal eine der begehrten Hängematten sichern können. Diese waren mit Regenplanen überspannt damit man auch Nachts ruhig liegen konnte, ohne eine unfreiwillige Dusche von oben zu kassieren. Wobei Ruhig relativ war, wenn die Nachtwache vorbei kam oder sich der ein oder andere einen Scherz erlauben wollte und einem Sahne ins Gesicht schmierte. Was zum Glück eigentlich nur sehr selten vorkam. So stellte ich meinen Rucksack ab und zog zunächst ein von mir besorgtes Moskito-Netz heraus, welches ich unter der Regenplane anbrachte. Schließlich wollte ich weder von Wespen noch von Mücken begrüßt werden. Als nächstes kam eine kleine LARP-Laterne an einen Ast, die ich vor ein paar Jahren mal gekauft hatte und eigentlich immer in meinem Rucksack mitführte. Sie hatte eine elektronische Wachskerze im Gehäuse, die bei Nacht gemütliches Licht ausstrahlte. Meinen Schlafsack nutzte ich in dem Fall als Decke und der Rest der Sachen, die ich so nicht brauchte verschwand gut abgesichert neben meiner Hängematte. Diebstahl gab es hier nicht, also war es kein Ding die Sachen so offen stehen zu lassen. Nachdem ich fertig warund das Wäldchen über einen kleinen Trampelpfad verließ, konnte ich Richi und Chu dabei beobachten, wie sie fast ein wenig entnervt die Zeltstangen hin und her schoben, die Spannseile zurecht zogen und dann wieder alles in sich zusammen fiel. Ich musste lachen und dachte mir, es wäre doch eine gute Idee ihnen zu helfen, sonst ständen sie am Abend noch ohne Zelt da. Eigentlich war es ein Auftakt wie immer. Alle die man kannte. Ob sie jetzt nun Rang und Namen hatten, zogen nach und nach auf dem Platz ein. Gegen Nachmittag wurden dann die Buttons an all diejenigen verteilt, die langfristig auf dem Platz blieben. Jeder konnte seinen Namen eintragen und musste diesen Button dann sehr gut verstauen. Wer ihn verlor oder irgendwo hin verlegt hatte, musste am Karaoke Abend noch einmal zur Strafe ein paar Lieder schmettern. Bei manchen war es mehr, bei anderen weniger schlimm. Wenn ein Duett an der Reihe war konnte es sogar doppelt so schlimm werden. Aber dieser Abend war zum Glück noch ein paar Tage entfernt. Zunächst einmal rückte der Abend näher und damit das Große Begrüßungsfeuer und das "Werwolfen", ein Rollenspiel in dem man gerade Neulinge besser kennenlernen und willkommen heißen konnte. Ich wollte gerade sorglos mit Chu und Richi zum Fisse ma "Tent" chen um einen Schluck zu trinken, nachdem dieses widerspenstige Zelt endlich aufgebaut war, da fiel mein Blick mehr zufällig zum Eingang des Zeltplatzes, wo sich eine Kleine Gruppe sonderbarer Gestalten angesammelt hatte. Ungefähr fünf an der Zahl. Der Kleidung nach zu Urteilen waren es alles Mittelalter-Fans. Zumindest konnte ich vorerst nur die langen, schwarzen Umhänge erkennen, da sie ihre Kapuzen tief über die Gesichter gezogen hatten und man auf die Entfernung hin eh nicht viel von ihnen ausmachen konnte. Aber was man sagen konnte war, dass sie alle nicht sehr groß waren. Manche so schätzte ich waren mehr meine Größe, andere kleiner. Ich schüttelte nur den Kopf. Vielleicht waren sie ja unterwegs zu einem Mittelaltermarkt in der Nähe und hatten sich verlaufen. Sicher wollten sie nach dem Weg fragen. Doch sie blieben einfach stur am Eingang stehen und sahen sich offenbar nach allen Richtungen um. "Wer kommt denn da?", fragte Chu und war somit meinem Blick gefolgt. "Sieht aus, als wären das noch ein paar Leute, die hier auf den Zeltplatz wollen", meinte Richi. "Hab ich nicht so den Eindruck. Die sehen so aus als hätten sie sich eher verlaufen. Ist derzeit ein Mittalaltermarkt hier in der nähe?", fragte ich in der Hoffnung das die Antwort Ja wäre, denn ein Ungutes Gefühl machte sich in meinem Hirn breit, welches nicht von den neu aufkommenden Kopfschmerzen her rührte. "Also so viel ich weiß nicht. Sind ja komische Gesellen. Was wollen die denn Darstellen? Die Zwerge aus der Hobbit? Oder irgendeinen Wanderzirkus?", fragte Chu und aus meiner Kehle kam ein ungewohnt hohles Lachen. Nein, das konnte unmöglich sein. Hatten es diese Rollenspieler wirklich bis hier her geschafft? Und hatten sie sich noch dazu wie ihre eigenen Charaktere verkleidet? Oh Herr im Himmel, bitte lass es nicht so sein, flehte ich innerlich. Ich wollte lieber schnell in das Barzelt verschwinden, da hielt Chu mich kurz an. "Schau mal, da redet grade einer mit Moe. Offenbar wollen die doch hier her", meinte sie und ich sah, wie gerade der kleinste der Gruppe hervor getreten war um mit Moe, einem recht großen Mann um die Vierzig mit Glatze und recht langem roten Bart, zu sprechen. Fast entsetzt nahm ich wahr, dass dieser kleiner Kerl dort einen Bauchlangen, weißen Bart unter der Kapuze hervorlugen hatte. Ich schluckte schwer und schüttelte wieder den Kopf. "Leute. Ich hab grade richtig angst", jammerte ich und versuchte mich etwas hinter Chu zu verstecken. "Wovor? Kennst du die?", fragte Richi neugierig. "Ich habe da eine ganz ganz... gaaaanz böse Vorahnung", meinte ich und in dem Moment deutete Moe in unsere Richtung. Die Köpfe der Fünfergruppe am Eingang wandte sich zu uns, dann wieder zu Moe und schließlich verabschiedeten sie sich von ihm mit einer Verbeugung. "Lasst uns schnell in die Bar gehen. Ich muss mich verstecken", meinte ich und zog meine beiden verwirrt drein blickenden Freunde hinter mir her. "Was ist denn los?", fragte Chu und musterte mich besorgt. "Ich fürchte das sind die Rollenspieler von denen ich euch mal erzählt habe. Ich hatte ihnen ja gesagt, dass ich zelten bin, aber ich hätte doch nie gedacht, dass die hier schon am ersten Tag aufschlagen. Noch dazu in solchen albernen Verkleidungen", seufzte ich und verzog mich so schnell ich konnte auf einen freinen Platz in der Sofa Ecke, der mit dem Rücken zum Eingang war. Hauptsache man sah mich vom Eingang aus nicht. Von Draußen her dröhnte gerade aus dem "ROZ" Häuschen "Sommer, Sonne, Kaktus" ein Lied von Helge Schneider. Wer hatte sich das nun wieder ausgesucht? Noch dazu in meiner Situation? Doch das war eigentlich nicht ganz so wichtig. Mich beschäftigte mehr, was diese Rollenspieler wohl hier her zu mir trieb. Was war, wenn sie sofort wussten wer ich war? Immerhin war Ihnen ja bekannt das ich verletzt war und eine Maske tragen musste, damit meine gebrochene Nase heilte. Der knirschende Kies kündigte bereits die Ankunft der Fünfergruppe an. Die Gespräche, die im Barzelt geführt wurden verstummten jäh, als aller Augen zum Zelteingang huschten. Ich machte mich extrem klein und ich hoffte, dass man mich hinter der Rückenlehne nicht mehr sah. Ich hörte die Holzbohlen des Bodenbelages knarzen, als einer nach dem anderen herein kam. "Verzeiht die Störung", drang eine sehr tiefe, dunkle Männerstimme an mein Ohr, bei der einem abwechselnd Heiß und Kalt werden konnte. Ich lugte ganz vorsichtig seitlich am Sofa vorbei und sah, dass die Gruppe ihre Kaputzen gelüftet hatten. Das konnte doch nicht Wahr sein! Nein! Das war ein dummer Scherz! Ein Traum, oder Alptraum?! Ich musste mich mehr als einmal Zwicken, um festzustellen das ich nicht träumte. Und trotzdem glaubte ich es nicht. Alle Fünf, wie sie da standen, waren das exakte Ebenbild ihrer Charaktere aus dem Hobbit Film. Vorne Weg, Thorin, Dunkelhaarig mit wachsamen, kühlen Blick und erhabener Haltung. Flankiert neben ihm links Kili, braunhaarig mit einem feixenden Grinsen auf dem wenig bebarteten Gesicht und rechts Fili, blond und sich nach allen Seiten zu den Damen des Zeltplatzes freundlich verneigend. Hinter diesen Balin mit seinem Bauchlangen, weißen Bart und einem freundlich warmen Großvaterlächeln. Direkt am Eingang, mit verschränkten Armen vor der Brust und wesentlich grimmiger drein blickend als seine Begleiter stand Dwalin. Alle schwer bewaffnet und ausgerüstet für einen langen Gewaltmarsch. Ich wurde auf meinem Sofaplatz immer kleiner und kleiner. Ich hoffte so sehr, das ich zu einer Ameise mutieren würde, um diese mehr als unangenehme Spannung los zu werden. Endlich rang sich einer dazu durch die Ankömmlinge anzusprechen, da alle anderen wohl in eine Art Schockstarre gefallen waren. "Ähm... Können wir Euch helfen?", meinte dieser Junge eingeschüchtert. "Das hoffen wir doch einmal. Wir suchen eine Frau. Cuna. Sie soll hier sein", meinte Thorin mit seiner, für seine Größe, ungewöhnlich tiefen Stimme. Einige sahen sich verwirrt an. "Also, ne Cuna gibts hier nicht", meinte eine aus den Reihen der Teamleiter. "Seid Ihr sicher? Sie sagte sie wäre hier", kam es von Kili, dessen Stimme nur unwesentlich höher war, als die von Thorin. Mir brach langsam der kalte Schweiß aus. Sollte ich mich wirklich hier zu erkennen geben? Was wäre wenn ichs täte? Was wenn ichs NICHT täte?! Würden sie das ganze Zelt zerlegen? Die Waffen, die sie an den Gürteln und am Rücken trugen, sahen gefährlich echt aus. "Hab doch gesagt, es is nur Zeitverschwendung. Die hat uns gelinkt. Wenn ich die erwische, kann die was erleben", maulte Dwalin von der Tür mit seiner rauchig, kratzigen Stimme. Man konnte einen Zeltplatzbesucher nach dem anderen zusammen zucken sehen, als man ihn sprechen hörte. Er machte wirklich den bedrohlichsten Eindruck. "Nun aber mal ganz ruhig. Wir wollen den lieben Leuten hier ja keinen ärger machen", kam es von Balin in Richtung des Herren, der so freundlich den Eingang wie ein Türsteher blockierte. "Ähm... also, also... wisst ihr vielleicht wie sie aussieht? Oder ob sie besondere Merkmale besitzt, an denen man sie erkennt?", fragte die Frau aus der Teamleitung und schien deutlich zu erwägen in ihre Tasche zu greifen um die Polizei zu rufen. "Wir wissen nicht wie sie hier aussieht. Aber sie ist vor einiger Zeit versetzt worden. Also müsste sie irgendeinen Verband oder so etwas tragen", meinte Fili ganz beiläufig. Mich überkam das ungute Gefühl, dass sich plötzlich alle Augen im Zelt mir zugewand hatten. Ich betete inzwischen, ich möge nur eines der alten Sofakissen sein und nicht weiter beachtet werden. Aber es hatte ja wohl keinen Zweck. Denn alles Verstecken half nichts mehr, da ich umgehend nach der kurzen Beschreibung schon verraten wurde. "Dann sucht ihr bestimmt Jacky", kam es von Rainbow, die an einem anderen Tisch gesessen hatte und mit Ani-Chan am Kartenspielen gewesen war. Unwillkürlich und mehr reflexartig entfuhr mir bei Erwähnung des Namens ein ziemlich hohes "Näää". Damit hatte ich den Salat. Nun hatte ich die Aufmerksamkeit der fünf Männer auf mich gezogen. Zögerlich und zitternd kam ich auf die Beine und auf meinem Gesicht bildete sich ein sehr unnatürliches, künstliches Grinsen. Thorin legte den Kopf schief, Kili und Fili stießen sich gegenseitig an und grinsten breit, Balin lächelte weiterhin mit diesem großväterlichen Lächeln und Dwalin, nun ja, blockierte weiterhin mürrisch den Eingang. Das Schweigen zwischen uns wurde langsam zu einer peinlichen Qual. Inzwischen hatten sich aber die anderen wieder Schulterzuckend ihren vorherigen Gesprächen und Tätigkeiten gewidmet. Thorin hob skeptisch die Augenbrauen und machte ein paar Schritte auf mich zu. Er war wirklich genauso groß, wie ich und seine Augen genauso Blau, wie die von Richard Armitage, der ja seinen Charakter einst gespielt hatte. Ich konnte es drehen und wenden wie ich wollte. Dieses Cosplay war der Gruppe wirklich gelungen. Alles sah zum Verwechseln echt aus. Auch die Körperhaltungen und die Gebärden. Als hätten sie dies über Wochen und Monate nur für diesen einen Tag einstudiert. Thorins Blick, der auf mir ruhte wurde allerdings langsam unangenehm. Auch der Kloß, der sich plötzlich in meinem Hals bildete begann schmerzhaft zu pochen. Ich musste etwas sagen. Irgendwas. "Ha-ha-ha-ha-ha...", stotterte ich. "Was lacht Ihr so komisch?", kam es von Dwalin, der sich langsam bequemte ins Zelt hinein zu treten. "Ha-ha-hallo", presste ich schließlich hervor und mir rann der kalte Schweiß von der Stirn. "Cuna? Seid Ihr das?", fragte Thorin und war nun sehr nah heran gekommen. Ich konnte nur zitternd mit dem Kopf nicken. Nun umspielte unerwartet ein freundliches, warmes Lächeln seine bisher kühlen Gesichtszüge. "Schön das wir uns endlich begegnen. Mein Name ist Thorin Eichenschild", sprach er in ruhigem Ton und machte kurz die Andeutung einer Verbeugung. Und erneut flehte ich in diesem Moment den Himmel an. Bitte! Bitte lass das ganze nur ein Traum sein! -5. Begegnung der bärtigen Art / ENDE- Kapitel 6: 6. Camping Chaos --------------------------- Ich fühlte deutlich Chus und Richis fragende Blicke an meiner Seite. Doch konnte ich in diesem Augenblick nichts anderes tun, als die fünf Männer vor mir zu betrachten. Kili und Fili schienen hoch erfreut zu sein und beide klopften mir freudig auf die Schulter zur Begrüßung, was mir ein kurzes Keuchen abgewann. "Nicht... so... doll...", gab ich mit knirschenden Zähnen von mir. "Oh Verzeihung. Schön dich mal kennen zu lernen Cuna. Schön hast dus hier. Ist das dein zuhause?", fragte Kili unverhohlen und sah sich amüsiert im Zelt bei den Leuten um. "Nein... nein das ist ähm... wie gesagt nur ein Zeltlager. Ich wohne in einer ganz normalen Wohnung... ähm", bekam ich etwas zögerlich heraus und sah dabei zu, wie die beiden Jungs die Bar ausfindig machten und erst einmal auf die Theke hauten. "Wirt! Bring uns fünf große Krüge Bier", grölte Fili gut gelaunt und ich konnte dem Mann hinter der Bar ansehen, dass er aufgrund dieses Auftretens ziemlich verwirrt grinste. "Wir haben hier keine Krüge. Wir bieten nur in Flaschen an", meinte dieser freundlich. "Dann gebt uns eben fünf Flaschen", meinte Kili und lachte freudig. Der Mann lächelte und holte die Flaschen aus der Kühltruhe. "Macht zehn Euro mit Pfand", sagte er und stellte die Flaschen vorerst ungeöffnet auf den Tresen. "Zehn... was bitte?", fragte Fili und schaute Kili verwirrt an. Ich vermied es, aufgrund meiner wieder ansteigenden Kopfschmerzen, mir mit der Hand an den Schädel zu hauen. Die konnten doch nicht ernsthaft immer noch in ihrem Rollenspiel verweilen wenn es ums bezahlen ging? "Oh weh, daran hätten wir denken müssen, als wir her kamen. Wir hätten zuvor einen Geldwechsler aufsuchen sollen. So etwas dummes", meinte Balin etwas verlegen und durchstöberte seinen Beutel am Gürtel, der freudig voller Münzen zu klimpern schien. "Geld...Wechsler?", entfuhr es mir und ich hob eine Augenbraue in seine Richtung. "Soll das heißen, ihr habt kein Geld dabei?", fragte der Barkeeper und machte schon Anstalten die Flaschen wieder weg zu packen. "Die lasst mal schön draußen Freundchen", kam es von Dwalin, der sich zu den beiden anderen gesellt hatte. "Ich kann niemandem was zu trinken auf Rechnung geben. Das muss sofort bezahlt werden. Sonst kann ja jeder kommen", meinte er an den Muskelprotz gerichtet, der sich eine der Flaschen schnappen wollte. "Willst du ärger mit mir Bürschchen?", kam es von Dwalin und ich konnte sehen, wie er schon eine Hand in Richtung seines waffenbesetzten Gürtels schob. Ich musste schnell etwas tun. Wenn sie ärger machen würden, dann käme das sicherlich auf mich zurück. Und das wollte ich umgehend vermeiden. "Halt. Halt halt. Schon gut. Nicht Eskalieren. Ich mach das schon", meinte ich hastig. Von Richi kam aus dem Hintergrund:"Oh Ha! Jugendmaßnahme! Eskalation! Oh Ha! Wir müssen Deeskalieren!" Was er natürlich im Spaß ausrief, worauf in seine "Oh Ha" Rufe einige mit einstimmten und lachten. Ich zog hastig meinen Geldbeutel und legte dem Barkeeper den Schein auf den Tresen. Dieser nickte und reichte die Pfandmarken an mich, bevor er eine Flasche nach der anderen öffnete. Die fünf Herren bedienten sich, wobei sie doch alle ein wenig verdutzt waren, dass Bier hier nicht in Krügen serviert wurde. Trotzdem nahm jeder von ihnen nach und nach einen Schluck aus der Glasflasche und keuchte vergnügt, nachdem sie gekostet hatten. "Unglaublich! Das ist ja kalt! Schmeckt wundervoll!", grölte Kili und nahm mit Fili an einem der runden Holztische platz, die im Raum verteilt standen. Dwalin setzte sich mit weiterhin grimmiger Miene dazu. "Bisschen gewöhnungsbedürftig das Zeug", brummte er. Ich musste tief durchatmen und rieb mir die Stirn. Dabei schaute ich auch kurz auf meine Armbanduhr. Verdammt es war schon sechs Uhr. Ich musste meine Medikamente nehmen. "Gib mir mal eben ne Flasche Wasser", sagte ich zum Barkeeper und reichte ihm noch mal einen Euro rüber. Als ich sie erhielt und mich umdrehte, fand ich die fünf ungewöhnlichen Gäste alle um einen Tisch versammelt. Einige aus dem Zelt musterten sie ebenfalls neugierig. Fili und Kili prosteten sich mit Dwalin zu und Balin war mit Thorin in ein Gespräch vertieft wo es offenbar um das Geld ging, was sie in den kleinen Säckchen an ihren Gürteln hatten. "Sag mal. Sind das wirklich die Typen bei dir aus dem Onlinegame?", fragte Chu, die an mich herangetreten war und ein Gesicht machte, als wäre gerade der Blitz irgendwo in einen Baum eingeschlagen. "Ich fürchte ja Chu... Cuna ist der Name meiner Zwergin da im Spiel. Also. Denke ich schon, dass die das sind", meinte ich und wühlte mit einer Hand in meiner Hosentasche nach dem Tablettendöschen, ohne die Gruppe aus den Augen zu lassen. "Dann hoffe ich mal, dass die sich benehmen können. Dieser Typ mit der Glatze. Also ich weiß nicht, wen er spielt. Aber ich finde der sollte sich etwas am Riemen reißen. Sonst werden die alle vom Platz geworfen. Und das will bestimmt wirklich keiner von denen", sagte Chu und ich nickte. "Ja Chu. Ich weiß. Aber ich habe keine Ahnung, was ich mit denen machen soll. Ich hab sie ja.... quasi... eingeladen. Also bin ich für sie verantwortlich", brummte ich verlegen. Meine Freundin seufzte und legte mir kurz den Arm um die Schulter. "Du machst das schon. Erklär denen einfach, was sie hier machen dürfen und was nicht. Hast doch sicherlich noch die Hausordnung irgendwo in deinem Rucksack oder?", meinte Richi, der auch näher gekommen war. "ja die hab ich. Muss aber zu meiner Hängematte dafür. Aber erst mal muss ich mir die Tabletten rein ziehen", sagte ich und schaute den Männern weiterhin bei ihrem Treiben zu. Schließlich konnte sich Balin von Thorin lösen und er kam direkt auf uns zu. "Verzeiht bitte diese Unannehmlichkeit", meinte der kleine alte Mann mit einem freundlichen lächeln und fuhr nach einer kurzen Verbeugung fort, "hätten wir gewusst, dass wir hier auf eine andere Art von Geld angewiesen wären, so hätten wir Euch keines falls gestattet für uns das Bier zu bezahlen." Sein Lächeln war so warm und freundlich, dass ich erst einmal tief durchatmete und dann versuchte es zu erwidern. Auch wenn sich mein Gesicht dabei sehr, sehr Steif anfühlte. "Ist... schon in Ordnung", presste ich hervor. "Wir wollen Euch das Geld natürlich wieder zurück geben. Allerdings wäre ich Euch sehr verbunden, wenn Ihr mir den Weg zu einem Geldwechsler weisen könntet", meinte er mit einer weiteren leichten Verbeugung. Innerlich rollte ich mit den Augen. Es war unglaublich, wie sehr alle an ihrer Rolle festhielten und nicht einmal sagen konnten, dass sie zur Bank müssten. Zum Glück standen mir meine Freunde zur Seite. "Bei welcher Bank bist du denn?", fragte Chu, wohl in der Hoffnung, so eine klare Antwort zu bekommen. Aber selbst ich hätte ihr vorher sagen können, dass sie nicht die Antwort bekommen würde, die sie sich von dem kleinen Mann erhofft hatte. "Vergebt mir aber. Ich bin nicht ganz mit dem Sprachgebrauch Eurer Welt vertraut. Ich nehme an mit Bank meint Ihr wohl keine Sitzgelegenheit?", fragte er und bei dem dummen Gesicht, was sie daraufhin machte, hätte ich am liebsten laut losgelacht, wenn mir in diesem Moment danach gewesen wäre. Wenigstens Richi hatte die passende Idee, sich dem Slang des mittelalterlichen Sprachgebrauches zu bemächtigen und nahm Balin beiseite, um ihm zu erklären, dass es für diesen Tag bereits zu spät sei und die Geldwechsler Stuben bereits alle geschlossen hatten. Doch er sich bereit erklären wollte ihn Morgen dort hin zu führen, damit sie wüssten wo sie einen finden konnten. Ich war wie immer froh mich auf meine Freunde verlassen zu können. Vor allem auf Chu, die mich kurz festhalten musste, da mir schon ziemlich schummrig geworden war und ich mich endlich mal setzen musste. Mein Arzt hatte mir zwar Stress strengstens untersagt, aber dass auf mich eine derartige Mammutaufgabe zukommen würde, hatte selbst dieser wohl nicht mit einkalkuliert. Und ich erst recht nicht. Schnell zog ich die Pillendose heraus, während ich mich auf einem Stuhl nieder ließ, verteilte die Tabletten nacheinander vor mir auf dem kleinen Tisch und nahm eine nach der anderen mit einem Schluck Wasser zu mir. Ich verzog angewidert das Gesicht. Wie sehr ich Tabletten doch hasste. Ständig hatte ich mit dem Schlucken Probleme. Zum Glück ging es diesmal gut ohne das ich würgen musste. "Bleib erst mal sitzen und warte bis die wirken. Nicht das du um kippst", meinte Chu ruhig und strich mir über den Rücken. "Was ist passiert?", drang eine fragende, dunkle Stimme an mein Ohr. Thorin hatte sich vom Tisch seiner Gruppe erhoben und war herbei geeilt. "Ihr gehts grade nicht so gut. Sie hat Ihre Medikamente nicht gleich genommen", meinte Chu ruhig. Ich sah zu Thorin auf und sein Blick auf Chu wirkte besorgt aber dennoch recht kühl. Dann senkte er den Blick auf mich und es schien mir als würden sich seine Augen in meine hinein brennen. Dieses unangenehme Gefühl hatte ich schon lange nicht mehr gespürt. Es war etwas zwischen Hitze und Kälte. Sicher ich kannte den Gesichtsausdruck von Bildern, die ich von Thorin gesammelt hatte. Meine Bildergalerie auf dem PC betrug inzwischen rund Fünftausend. Von einfachen Fanarts bis Promo Bildern zu jedem einzelnen Film. Man konnte auch sagen, was man wollte. Richard Armitage sah aber auch unglaublich scharf aus in dieser Rolle. Nun aber hatte ich tatsächlich das Gefühl, als stünde da vor mir genau der selbe Mann, den ich aus den Filmen kannte. Aber der konnte es nicht sein. Der sprach bestimmt nicht so perfekt meine Sprache. Noch dazu war dieser auch im echten Leben einen Kopf größer als ich. Und ich konnte mir nicht vorstellen, dass er plötzlich deutsch lernen, sich die Beine verkürzen lassen und in ein Onlinegame kommen würde um dann einfach so mir nichts, dir nichts vor meinen Augen aufzutauchen, als wollte er sagen: "Hurra! Da bin ich! Dein Liebenszwergencharakter!" Ich musste irgendwann den Blickkontakt abbrechen, da mir schon etwas die Schamröte ins Gesicht gestiegen war und nahm vorsichtshalber einen weiteren Schluck aus der Wasserflasche. Das Nächste was ich fühlte, nachdem ich abgesetzt hatte, war eine flache, recht warme, aber grobe Hand auf meiner Stirn. Etwas erschrocken wich ich mit dem Kopf davor zurück. "Was sollte denn das jetzt?", fragte ich und blickte empört wieder zu ihm auf. "Ihr habt rote Wangen, aber fiebrig seid ihr nicht", meinte Thorin trocken und zog seine Hand schon wieder zurück. "Ich hab ja auch nur Kopfschmerzen. Und wenn ich ehrlich bin seid ihr da nicht ganz unschuldig dran", brummte ich beleidigt. Ich erntete nur ein kurzes nicken von ihm bevor er erneut zu mir sprach: "Es wäre für Euch wohl besser Euch woanders auszuruhen. Ein so voller Schankraum ist wirklich nicht der geeignete Ort dafür." "Mir gehts gleich wieder gut. Nur keine Sorge Herr Eichenschild. In einer halben Stunde bin ich wieder ganz oben auf", erwiderte ich mit gespieltem Optimismus in der Stimme. Chu blickte unterdessen zwischen uns hin und her. Sie wusste wohl wirklich nicht, was sie von dieser sonderbaren Unterhaltung denn nun halten sollte. Doch sie wich auch schon bald von meiner Seite, als sie eine Bekannte sah, die eben zum Zelteingang hinein gekommen war und ließ mich mit diesem Mann allein, der mich nun doch unverhohlen musterte. Ich versuchte unterdessen die Anderen im Auge zu behalten. Balin hatte offensichtlich viel gefallen daran gefunden sich von Richi einiges erklären zu lassen. Kili und Fili mischten sich unterdessen in die Menge und fingen tatsächlich an die Frauen an zu baggern, welche zum Teil nur ein ungeduldiges Grinsen auf dem Gesicht hatten. Dwalin kam von seinem Platz und legte Thorin eine Hand auf die Schulter, worauf dieser endlich aufhörte mich anzustarren. "Wir müssen noch unser Lager herrichten", meinte er knapp und versah mich mit einem sehr unfreundlichen Blick. "Ist gut. Hol die anderen Drei. Wir kampieren hier an diesem Ort", meinte Thorin ruhig. "Hier?", fragte ich und beide starrten mich an, als hätte ich etwas unhöfliches gesagt. "Natürlich hier. Wo sonst?", fragte Dwalin und musterte mich abschätzig. "Ihr müsst aber bezahlen, wenn ihr hier heute Nacht auf dem Platz bleiben wollt. Und Ihr könnt erst Morgen früh Geld holen", erklärte ich in der Hoffnung, dass es nicht allzu unverschämt klang, denn dieser Dwalinverschnitt machte mir schon ein wenig angst. "Wenn das so ist, errichten wir unser Lager eben außerhalb des Platzes und werden dann Morgen hier her ziehen", meinte Thorin und versah seinen Freund mit einem strengen Blick, da dieser empört den Mund geöffnet hatte. "Jetzt hol die Anderen, damit wir vor Einbruch der Dunkelheit ein Lager haben", setzte er noch nach. Dwalin klappte den Mund zu, nickte Thorin entgegen und Pfiff die anderen drei heran. Gemeinsam verließen sie das Fisse Ma "Tent" chen. "Fühlt Ihr Euch in der Lage mir vielleicht einmal Eure Lagerstadt zu zeigen?", kam es ruhig von Thorin, der zurück geblieben war und deutlich entspannter wirkte, nachdem er seine Freunde los geschickt hatte. "Nun ja, es kann ja nicht schaden", meinte ich und erhob mich langsam von meinem Stuhl. Auch wenn mir gerade sehr flau im Magen war mit einem Wildfremden, als Zwerg kostümierten Mann über den Lagerplatz zu gehen. Die Sonne stand noch hoch am Himmel und die Mitglieder der Zeltstadtleitung machten das große Lagerfeuer fertig. Es lag ganz nah am Barzelt, dass wir verließen und war umgeben von einem Halbkreis aus aufgeschütteter Erde und einigen alten Betonröhren in denen sich das Holz stapelte. Wenn diese leer waren, saßen dort sehr häufig auch Teilnehmer drin um eine zu rauchen, wenn es regnete. "Kein besonders schöner Ort um ein Lager aufzuschlagen. Viel zu offen und noch dazu ungeschützt", meinte er und blickte sich um. "Wozu sollten wir ihn schützen? Wir haben Nachtwachen die rum gehen um nach dem rechten zu sehen. Wenn irgendwas vorfällt, dann rufen die die Polizei und dann hat sich die Sache", gab ich über die Schulter zurück. Er hob langsam eine Augenbraue in Richtung Stirn. "Sind Eure Wachen den gut genug ausgerüstet? Ich habe bisher niemanden hier mit irgendeiner Art von Bewaffnung gesehen", sagte er mit Blick auf die Männer die das Feuerholz aufschichteten. Der Mann konnte mich wirklich zur Weißglut treiben. Was erwartete er denn? Das wir von Orcs mitten in der Nacht zerfleischt wurden? Lebten diese komischen bunten Vögel denn so sehr in ihrer Rollenspielwelt? "Wir brauchen keine Bewaffnung. Niemand wird uns angreifen ", sagte ich gezwungen ruhig. Als ich ihn musterte schien er erst einmal tief durchzuatmen. Kurz drauf schüttelte er langsam den Kopf und sah mich dann mit einem sehr ungläubigen Lächeln an. In meiner Brust begann langsam Wut auf dieses Lächeln aufzuflammen. Und offenbar bemerkte er das auch, denn es war schnell wieder von seinem Gesicht verschwunden und dem kühlen Ernst gewichen, den er schon seit seiner Ankunft gezeigt hatte. Nun ja bis auf wenige Momente."Also gut. Wie Ihr meint, Cuna. Könnt Ihr mir zumindest einmal Euren Schlafplatz zeigen?", fragte er offensichtlich um das Thema zu wechseln. "Ähm... mein... Schlafplatz", erwiderte ich verwirrt. Was war denn nun in den Mann gefahren? Mich nach meinem Schlafplatz zu fragen? Wie unverschämt war das denn? Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte meine Miene mal wieder mit diesem extrem unangenehmen Blick. "Darf ich fragen, warum der Herr Eichenschild das wissen will?", fragte ich um die unangenehme Stille zu durchbrechen, die über uns hereingebrochen war. Hinzu kam, dass ich mich ebenfalls mit verschränkten Armen vor ihn hingestellt hatte. Doch mit seinem Blick konnte ich wahrlich nicht konkurieren. Der war für mich einfach zu übermächtig. "Ich muss wissen, wo ich Euch antreffen kann, sollten sich Fragen ergeben oder irgendetwas vorfallen", sagte er nach einer gefühlten Ewigkeit des Anstarrens. Ich schnaubte kurz und nickte: "Also gut. Dann folge mir mal nach Klein Mordor." Noch bevor er weitere Fragen zum Namen dieses Ortes stellen konnte, hatte ich mich umgedreht und war voran geschritten. Ich hörte wie seine Stiefel auf dem Kies hinter mir her knirschten, als wir die Baumgruppe betraten. Ich zeigte ihm meine Hängematte in dem kleinen Unterstand am Rande von klein Mordor. Dabei sah ich, wie in seinem Gesicht ein spöttisches Grinsen auftrat. Doch weiter äußerte er sich nicht dazu. "Hey, Jacky? Kommst du gleich ins Fisse ma "Tent"chen? Wir wollen mit der Begrüßungsfeier anfangen", rief plötzlich ein recht großer Junge mit dunklem kurzen Haar durch einige Bäume hindurch zu mir herüber. "Komme gleich Sauron! Ich zeig nur dem Neuen das Lager", rief ich zurück, nachdem ich mich zu diesem umgedreht und ihn erkannt hatte. So ruckartig wie Thorin herum fuhr und die Hand am Schwertgriff hatte konnte ich gar nicht schauen. "Was habt Ihr da gerade gesagt?", fragte er und sah zuerst mich und dann hinter dem Jungen hinterher, der über den Trampelpfad davon spazierte. Erschrocken wich ich zurück und hob die Hände. "Hey... Hey hey. Ganz ruhig. Was drehst du denn jetzt durch?", fragte ich und machte vorsichtig einen Schritt zurück, für den Fall dass er blank ziehen wollte. Also das Schwert an seinem Gürtel. Nicht er sich selbst. "Sagtet Ihr nicht gerade Sauron?", fragte er und hielt weiter den Blick wachsam auf den Pfad gerichtet wo "Sauron" verschwunden war. "Ähm... ja... Also.. Eigentlich heißt er Aaron. Aber da er immer Schwarz trägt und seit jeher hier in diesem Wäldchen sein Zelt aufschlägt nennen ihn alle nur Sauron. Ist nur ein Spitzname. Hier heißt niemand wirklich so, wie er angesprochen wird", meinte ich etwas beklommen und hob weiterhin beschwichtigend die Hände. Langsam ließ Thorin den Griff seines Schwertes wieder los. "Ihr Menschen von Terra-Gaia habt wirklich einen eigentümlichen Humor", sagte er nur etwas bitter und fügte hinzu, " vielleicht könnt Ihr mich dann aufklären wieso Ihr diesen Ort hier klein Mordor nennt. Es wirkt auf mich dafür viel zu freundlich." "Nun ja, ich denke es liegt daran, dass es hier eigentlich immer schön dunkel ist auch wenn die Sonne noch so vom Himmel knallt. Aber durch die hohe Luftfeuchtigkeit unter dem Blätterdach wird es manchmal sehr unangenehm warm", erklärte ich und es Stimmte ja auch. Im Vergleich zum Rest des Lagers war es hier schön dunkel aber doch ein wenig drückend. "Verstehe. Also dann. Wenn die Begrüßungsfeier gleich beginnt, wäre es wohl ratsamer zum Schankzelt zurück zu gehen. Meint Ihr nicht?", sprach er tief durchatmend, ging einfach an mir vorbei und ließ mich an meinem Schlafplatz stehen. Das war der Moment indem ich mich wirklich zu fragen begann, ob ich vielleicht stärkere Schmerztabletten nehmen sollte, denn ich ahnte das DAS nicht das Ende des Chaos war. Sondern erst der Anfang einer Reihe von schwerwiegenden Zwischenfällen. - 6. Camping Chaos / ENDE - Kapitel 7: 7. Wolfsgeheul und Katzenjammer ------------------------------------------ Erst einige Zeit nach Thorin betrat ich wieder das Fisse Ma "Tent" chen. Da ich wusste dass die Begrüßungsfeier bis zur Dunkelheit andauern würde, hatte ich mir meine Taschenlampe aus dem Rucksack genommen und eine Jacke für den Fall, dass es kühl werden sollte. Auch wenn es Sommer war, konnte es auf diesem Zeltplatz schon mal recht kalt bei Nacht sein. Am Eingang hielt mich ein recht großer stämmiger Junge mit langem, lockigem Haar und Brille auf. Er trug einen knall Pinken Anzug mit weißem Hemd und eine ebensolche Pinke Krawatte die noch ungebunden um seinen Hals baumelte. "Hey Jacky. Kannst du mir eben helfen Krawatte binden? Irgendwie schafft das keiner hier", fragte er etwas wehmütig und auch verzweifelt, da er mit den anderen die Begrüßungsrede halten würde und sie, eigentlich wie immer, spät dran waren. Ich lächelte matt und nickte ihm zu. "Klar mach ich, Frodo. Komm am Empfang ist ein Spiegel, dann kannst du die noch etwas richten." Frodo nickte und folgte mir sogleich flux zurück über den Platz hinter das Anmeldehäuschen. Er war einer derer, die schon als Kind an dieser Zeltstadt teilgenommen hatten. Sein Name kam nicht von ungefähr. Als er noch ein kleiner Junge, war sah er tatsächlich aus wie ein Hobbit. Davon war ihm aber bis dato nur noch der Name geblieben. Er war eigentlich sehr nett, auch wenn er eine schwäche für Frauen mit sehr großen Brüsten hatte. Es gab eigentlich keine Frau auf dem Platz, die nicht schon einmal seine Hände auf der Oberweite hatte. Allerdings machte er dies stets ohne sexuellen Hintergedanken. Ich hatte ihn bisher auch noch nicht ran gelassen. Wozu auch? An die Ware durften bei mir eigentlich nur Männer, die es ja ernst mit mir meinten. Trotzdem versuchte er es immer wieder mich zu überreden. "Hab deine neuen Freunde hier schon auf dem Platz gesehen. Sind ja echt harte Burschen", meinte er, als ich gerade dabei war die Schlaufe zurecht zu ziehen. "Ja. Meinst du? Ich hatte eigentlich nicht erwartet, dass sie hier aufschlagen. Ich hoffe nur die benehmen sich", sagte ich und zog einen einfachen Winzerknoten fest. "Also ich find die sind schon sehr krass drauf. Mit dem ganzen Make-up und den Kostümen. Wo hast du die auf gegabelt?", hakte er freundlich lächelnd nach. "In einem Onlinerollenspiel. Unfassbar oder?", erwiderte ich spöttisch schnaubend. "Also die zwei jüngeren find ich ganz cool. Der alte mit dem weißen Bart scheint ja auch ganz nett zu sein. Aber die anderen beiden solltest du besser im Auge behalten. Die machen einen sehr unfreundlichen Eindruck", sagte er und richtete seine Brille und die Kravatte noch mal im Spiegel. "Ja, werde ich machen. Aber hör mal, ich will wirklich keinen ärger machen. Nicht das einer falsch von mir denkt, das ich diese kostümierten Verrückten hergebracht habe", meinte ich und strich mir verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Mach dir doch darüber keinen Kopf. Jeder wird hier so genommen wie er ist. Solltest du eigentlich nach fünf Jahren wissen", sagte er lächelnd. "Ja, Frodo. Ich weiß", gab ich nickend zurück. "Ach, wo du gerade da bist. Wir brauchen noch Leute für den Nachtwachenstreich. Hast du Lust das Feuer mit zu Klauen?" Ach ja, der Nachtwachenstreich. Jedes Jahr war es die selbe Prozedur. Wenn jemand neu als Nachtwache eingeteilt wurde präparierte man am ersten Abend das Lagerfeuer mit einer Schale die man in den Boden einließ. Die Schale war mit Henkeln versehen an denen man Haken befestigen konnte und das Feuer so locker davon schleppen konnte. Die Wachneulinge standen dann jedes mal wie vom Donner gerührt vor dem leeren Loch, indem einst das Feuer gebrannt hatte. Natürlich musste der oder diejenige das Feuer suchen und für das erledigen einer Aufgabe im Zeltlager freikaufen. So musste ich vier Jahre zuvor die ganze Mannschaft bekochen. Aber es hatte allen geschmeckt. "Ich weiß nicht ob ich das dieses Jahr schaffe Frodo. Du weißt ja von meinem Unfall. Aber ich werds versuchen", sagte ich und wollte schon wieder zurück zum Barzelt. "Warte bitte noch kurz. Ich weiß, ich komme jedes Jahr damit an aber. Bitte. Nur einmal anfassen", sagte er und setzte dabei einen entsetzlich süßen Hundeblick auf, der ihn in seinem pinken Anzug noch lächerlicher aussehen ließ, als eh schon. "Wie oft hab ich dir das schon gesagt. Finger weg von der Ware. Die ist nicht für jeden bestimmt. Außerdem hab ich sorge, dass das jemand sieht", brummte ich ihn an und rollte genervt mit den Augen. "Bitte. Bitte. Bitte. Wir sind hier allein hinter dem Häuschen. Keiner sieht etwas. Nur mal drauflegen", säuselte er so zuckersüß, dass man davon Karies hätte bekommen können. Da meine Geduld an diesem Tag eh schon am Limit war, schaute ich mich kurz um und erwiderte dann etwas barsch: "Wenn ich dich anfassen lasse. Lässt du mich dann endlich damit in ruhe?" "Hoch und heilig versprochen." "Und schwörn?" "Ja doch und schwörn. Ich schwöre feierlich, dass ich deine hochwohlgeborene Oberweite nur dieses einmal berühren und danach nie wieder beachten werde", sagte er und hob dabei eine Hand in die Luft. Ich schüttelte nur müde den Kopf und stellte mich dann vor ihn. "Denk dran. Nur berühren. Nicht Kneten oder sonst was", meinte ich genervt. Verspielt wie ein Schuljunge hob er beide Hände und legte sie sacht ohne zu pressen auf meinen Busen. Ich kam mir reichlich bescheuert vor. Und als ich gerade noch dachte, dass diese peinliche Situation, Gott sei Dank, eh niemand gesehen hatte, hörte ich schon einen wütenden Aufschrei hinter mir. "Nimm deine Pfoten von der Frau, Schurke!", brüllte die tiefe, dunkle Stimme von Thorin und ehe ich es mich versah, wurde ich am Arm nach hinten gerissen und der kleine Mann hatte die Klinge seines Schwertes mit der Spitze knapp unter dem Hals von Frodo platziert. Ach du heilige Maccaroni! Er musste gesehen haben, dass ich mit Frodo allein verschwunden war und war wohl aus Neugierde hinterher gestapft. Frodo stolperte verblüfft und erschrocken gegen das Häuschen. Ich schrie entsetzt auf: "Thorin! Nicht!" Ich packte ihn am Arm, mit dem er das Schwert hielt und wollte es von Frodo wegziehen. Thorin blickte mich mit einer Mischung aus Verwirrung, Wut und Ernsthaftigkeit an. Frodo japste und blickte panisch auf die Schwertspitze. "Er hat euch angelangt", protestierte Thorin in meine Richtung gewandt, der immer noch nicht verstanden zu haben schien, warum ich ihm am Arm herum zog. "Nein, hat er nicht. Nimm verdammt noch mal das Schwert runter", meinte ich flehend und fast keuchend, da es wirklich anstrengend war diesem kräftigen Kerlchen am Arm rum zu ziehen. "Ich habe doch gesehen, wie er Euch an die Brust gelangt hat. Dieser schmierige Sohn eines...",knurrte er, doch daraufhin fiel ich ihm schon ins Wort. "Es war ganz anders. Ich hab es ihm erlaubt!", unterbrach ich ihn und brüllte ihm dabei ins Gesicht. Mein Eigenes war indessen nicht nur vor Wut knall rot, sondern auch vor Scham, da diese dumme Sache nun doch jemand gesehen hatte. Warum hatte ich dem nur nachgegeben? Ich dumme Kuh. "Hey.... nimmt er das Ding bald mal weg... bitte", jammerte Frodo, der immer noch mit dem Rücken zur Wand stand. Thorins Blick hatte sich gewandelt. Aus Verwirrung und Wut war eine kühle Fassungslosigkeit geworden. Langsam ließ er das Schwert sinken. Zumindest darüber war ich halbwegs erleichtert. Und Frodo auch der seinen Anzug neu richtete. So was war ihm auch noch nicht passiert. Der kleine Mann, den ich immer noch am Arm hielt, wenn auch nur noch locker da ich kaum noch Kraft hatte um fester zu zupacken, bewegte immer wieder den Mund auf und zu als suche er nach Worten. "Ihr... Habt ihm das... Erlaubt? Wie... Wieso?", presste er schließlich hervor. Ich rang nach Luft und sah ihm gezwungen ruhig ins Gesicht. Es war mir unangenehm, peinlich. Ja ich hätte am liebsten los geheult. Langsam und mit sachlichem Tonfall erklärte ich dann dem kleinen Mann neben mir, dass es sich dabei um eine rein freundschaftliche Geste gehandelt habe. Seine Miene wurde dabei mit jedem Wort unergründlicher für mich. Als ich geendet hatte, spürte ich deutlich wie meine Beine zitterten, denn ich erwartete einen gehörigen Wutausbruch. Ich mochte es nie angebrüllt zu werden, egal von wem und egal weswegen. Noch dazu kroch mir eine Angst ins Herz, dass der Schwertschwinger neben mir womöglich doch erwägen würde sein Spielzeug zu benutzen, um mich zu filetieren. Er schnaubte dann einmal kurz und neigte mit einem unerwartet ruhigem Ton den Kopf:"Nicht nur Eure Redensarten, auch Eure fremdartigen Gepflogenheiten sind sehr gewöhnungsbedürftig, Cuna. Wärt Ihr nun so gut meinen Arm loszulassen damit ich das Schwert wegstecken kann?" Ich zuckte kurz mit den Händen von ihm weg und er ließ das Schwert wieder an seinem Gürtel verschwinden. Der arme Frodo, war immer noch wie von Schlag getroffen und strich sich den Schweiß von der Stirn. Als Thorin auf ihn zu trat und ihm die Hand reichen wollte zuckte er kurz zusammen. "Verzeiht mir mein forsches auftreten. Es wird nie wieder vorkommen", meinte er und hielt die Hand weiter offen. Frodo atmete tief durch. "Schon, schon gut Kumpel. Aber... wenns dir nichts ausmacht... sag auch deinen Freunden, dass sie diese Waffen bitte im Zelt lassen sollen. Hier laufen auch kleiner Kinder herum und ihr könntet sie damit verletzten", meinte er mit um einiges höherer Stimme als sonst. Doch er schlug dann bereitwillig in die Hand des kleinen Mannes vor ihm ein. Ich hingegen senkte den Blick eher auf meine Füße und versuchte meine zitternden Beine wieder zur Ruhe zu zwingen. Ein kurzes Schulterklopfen ließ mich wieder aufblicken, doch ich sah nur Thorins Rücken und einen Wink von Frodo, dass ich folgen sollte. Ich hastete den beiden mit gemischten Gefühlen nach. Im Zelt angekommen waren bereits alle Tische beiseite geräumt und Stuhlreihen aufgestellt worden. Ich konnte nur noch Hinten einen Platz erwischen. Bei Chu und Richi war leider kein Platz mehr frei. Dabei hätte ich zu gerne weiter Vorne gesessen. Denn hinten hatte es sich nur noch die Zwergengruppe gemütlich gemacht. Ich ließ ein paar Plätze zwischen mir und ihnen frei. Wollte ja nicht direkt bei denen sitzen. Thorin war hinter ihnen stehen geblieben und hatte den Kopf für ein Gespräch zu Balin und Dwalin herabgesenkt. Sie sprachen recht leise, sodass ich kein Wort verstehen konnte. Kili und Fili johlten vergnügt und amüsierten sich wohl sehr prächtig. Allgemein war es im Zelt sehr laut und gesprächig. Für mich war das natürlich perfekt. So konnte ich mit meinen Gedanken einfach mal etwas abgleiten und brauchte mich nicht auf irgendeine andere Sache zu konzentrieren. Als Moe endlich ans Mikro trat wurde es langsam ruhig. "So ihr lieben. Herzlich Willkommen zur fünfunddreißigsten offenen Zeltstadt", sagte er und Applaus brandete auf. Erst als es ruhig wurde fuhr er fort, "Wir haben wieder viel im Programm dieses Jahr und hoffen, dass es euch allen gefallen wird. Flyer mit der Programmvorschau bekommt ihr gleich hier Vorne oder eben an der Anmeldung, solltet ihr eine verlieren." Von da an hörte ich auch nicht mehr zu. Es waren ja jedes Jahr die selben Worte. Auch wenn hier und da, der ein oder andere Scherz dabei war über den sich die Menge dann amüsierte. Ich schaute nur auf meine Hände auf den Knien, die von der Aufregung immer noch leicht zitterten. Ich musterte eine davon genauer und bemerkte, dass ich dort einen kleinen Kratzer hatte. Offenbar hatte ich mich an der Plattenpanzerung von Thorin aufgerissen. Es blutete nicht mehr aber es war schon etwas verkrustet und verschmiert. Mehr nachdenklich nahm ich die Wunde in den Mund. Das war wirklich knapp gewesen. Wer weiß wie es geendet hätte? Armer Frodo, dachte ich nur. Aber auch Selbstvorwürfe überkamen mich in dem Moment. Hätte ich nicht dieser Sache nachgegeben, wäre es nie dazu gekommen, dass ein Unschuldiger fast verletzt worden wäre. Innerlich wollte ich mir gleich noch einmal die Nase dafür brechen, dass ich diese Irren überhaupt hier her eingeladen hatte. Es war einfach zum Mäuse melken. Wieso hatte ich mich nur auf die eingelassen? "... Und an die Herren Zwerge da hinten in der letzten Bank! Die Waffen kommen in eure Zelte oder bleiben Zuhause. Habt ihr das verstanden?!", rief Moe plötzlich durch das Mikro und riss mich damit aus den Gedanken. Thorin hatte den Kopf von Balin und Dwalin gehoben und sah Moe kühl entgegen, bevor er antwortete:"Wir werden sie umgehend zu unserer Lagerstadt bringen." Wie als hätte er einen Befehl ausgesprochen, erhoben sich die anderen Vier und folgten ihm aus dem Barzelt hinaus. Mit leicht irritierten Blicken folgte der Rest des Zeltes den kleinen Männern, als sie dieses verließen. "Gut, dann.. ähm... würde ich sagen. Auf eine friedliche Zeit hier. Gleich beginnt das Werwolfen. Also findet euch bitte am Lagerfeuer draußen ein", endete Moe. Es gab noch kurz Applaus und dann wurden Stühle hin und her gerückt. Ich hatte mich als erste nach draußen begeben um wenigstens am Feuer einen guten Platz zu bekommen. Chu und Richi gesellten sich nun auch endlich zu mir und musterten mich besorgt. "Du siehst unglücklich aus. Ist etwas passiert?", fragte Chu und nahm neben mir auf der Betonröhre platz. Ich atmete tief durch und versuchte den beiden den unangenehmen Vorfall zu schildern. Richi klopfte mir ruhig auf den Rücken und meinte gut gelaunt: "Frodo steckt das weg. Dem ist schon schlimmeres passiert, das glaub mal. Und solange sich die Fünf ab jetzt nichts mehr zu schulden kommen lassen, wird das auch keine weiteren Konsequenzen nach sich ziehen." "Ach, ich hätte bei meinen Prinzipien bleiben sollen. Dann wäre es nie dazu gekommen. Ich hätte fast ein Leben zu verantworten gehabt", seufzte ich und legte den Kopf in die Hände. "Was kannst du denn dafür, dass der Knilch gleich einen Zwergenaufstand macht wegen nichts? Frodo hat mich da auch schon angefasst. Ist ja nun wirklich kein Grund auszurasten. Jetzt aber mal wieder Kopf hoch. Gleich wird gespielt. Dann kommst du auf andere Gedanken", sagte Chu und drückte mich einmal fest. Ich verzog das Gesicht zu einem müden Lächeln. Das konnte ja noch heiter werden, schoss mir durch den Kopf. Während sich der Halbkreis langsam füllte und zu einem richtigen Kreis wurde da man Bänke ans andere Ende der Feuerstelle trug, kamen auch die kleinen Herren wieder hinzu. Dwalin deutlich schlechter gelaunt den je. Ihm schien es am wenigsten zu passen die Waffen nicht mehr bei sich zu haben. Und seinem Blick nach zu urteilen mit dem er mich bei seiner Rückkehr versah, schien er mir die Schuld daran zu geben. Balin unterdessen suchte das Gespräch mit Frodo, der den kleinen Mann freundlich ansah. Fili und Kili suchten in der nähe von mir und meinen Freunden einen geeigneten platz. "Oh, ich bin schon gespannt was jetzt kommt. Hab von den Damen schon gehört, dass wir jetzt hier was spielen", meinte Kili gut gelaunt. "Ja, wir spielen gleich Werwolfen. Wird euch Jungs bestimmt gefallen", sagte Richi über meine Schulter hinweg. "Wie spielt man das denn?", fragte Fili und beugte sich vor, um uns besser zu sehen. Bereitwillig erkläre Richi das Prinzip von "Werwolfen". Es war eigentlich gar nicht so schwer. Es gab verschiedene Charakterrollen die auf Karten geschrieben standen Werwölfe, Dorfbewohner, Jäger und eine Seherin. War man Werwolf oder Dorfbewohner durfte man das niemandem in der Runde sagen. Die Einzige die eine Karte pro Runde sehen durfte war, wie sollte es auch anders sein, die Seherin. Und nur die Jäger durften auf ihren Geheiß hin einen Auserwählten "töten". War es ein Werwolf, war alles in Ordnung. Erwischte man einen Dorfbewohner, war es schon schlechter. Die beiden Jungs sahen sich einen Augenblick etwas entsetzt an. "Ihr... Ihr tötet doch nicht wirklich die Leute hier oder?", fragte Fili vorsichtig nach. "Nein natürlich nicht. Derjenige zeigt nur seine Karte. Das wars dann auch", beendete Richi seinen Vortrag über das Spiel. "Das klingt unheimlich langweilig", brummte Dwalin von der anderen Seite. "Musst ja nicht mitspielen, wenn du nicht willst", gab ich in einem ruhigem wenn auch reichlich unfreundlichem Ton von mir. Ich erntete nur ein scharfes Schnauben. "Und ich muss mir von einer Dirne nicht sagen lassen, was ich zu tun und zu lassen habe", fügte er noch anschließend Barsch hinzu. "Wie hast du mich genannt du Glatzenaugust?!", rief ich aus und war auf die Beine gesprungen. Offenbar hatte Thorin ihnen von der unangenhemn Situation erzählt und jetzt dachte wohl dieser grobe Klotz, dass ich mich jedem Kerl wie ein billiges Ding an den Hals warf. Na großartig! Tausend Dank Herr Eichenschild! Dwalin war indessen auch auf den Beinen und noch dazu erschreckender Weise nur wenige Zentimeter größer als ich. Hinzu kam, dass er auch noch recht massig gebaut war. Doch das war mir in diesem Augenblick egal. Er hatte mich schwer beleidigt und das wollte ich mir unter keinen Umständen bieten lassen. Er aber allerdings auch nicht. "Wie war das?!", brüllte er zurück. "Glatzenaugust!", presste ich wütend hervor. Ich fühlte Chus Hand an meinem Arm die versuchte mich zurück zu ziehen. Kili und Fili waren hinter mir aufgestanden. Die Hand meiner besten Freundin ließ mich plötzlich inne halten, was dafür sorgte, dass ich auf einmal darüber nachdachte, wie ich mich gerade aufführte. Ja was zum Henker tat ich da eigentlich? Ich musste den Verstand verloren haben, mich diesem Muskelprotz entgegen zu stellen. Noch dazu glaubte ich nicht, dass die beiden Jungs hinter mir große Anstalten machen würden mir zu helfen. Sie würden doch wohl eher ihrem Freund beistehen. Der bärtige, glatzköpfige Mann kam mir gefährlich nahe, als er einen schweren Schritt auf mich zu machte. Ich würde aber nicht weichen wollen. Konnte ich auch nicht. Meine Beine versagten mir den Willen davon zu laufen. Sie waren wie festgewachsen. Drohend hob Dwalin einen seiner Wurstfinger ganz nah an meine Nase und knurrte:" Weißt du, wie viele es schon gewagt haben mich zu beleidigen?" "Bestimmt genug um einen ganzen Friedhof damit zu füllen", gab ich bissig zurück. Er senkte langsam die Hand wieder. Damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet. Er machte sogleich auch wieder einen Schritt von mir weg, aber nicht ohne noch kurz ein paar Worte an mich zu richten. "Ich behalte dich im Auge. Verstanden", murrte er ruhig und nahm dann etwas weiter weg von uns einen neuen Platz ein. Mit dem würde ich wohl auch noch viel vergnügen hier haben. Soviel war sicher. "Boah, Wahnsinn", rief Kili aus und klopfte mir immer wieder kräftig auf den Rücken, sodass ich husten musste. Als ich wieder zu Atem gekommen war drehte ich mich um und sah die Jungs an die bis über beide Ohren grinsten. "Bisher hat es noch keiner geschafft Dwalin zu beleidigen und danach noch aufrecht zu stehen", lachte Fili. "Er hat ja auch angefangen...", gab ich murrend von mir und setzte mich wieder zwischen Chu und Richi. "Nein wirklich, das war beeindruckend. Für gewöhnlich fahren seine Gegenüber immer zusammen, wenn er sich mal erhoben hat. Er scheint dich zu mögen", sagte Kili und setzte sich zusammen mit seinem "Bruder" hin. "Wenn wir das Thorin erzählen, er würde es uns niemals glauben. Er hält dich nämlich für ein viel zu schwaches Frauenzimmer", lachte Fili doch es erstarb ihm bald, als ich sah dass sich eine kräftige Hand mit fein verzierter, lederner Armschiene auf seine Schulter gesenkt hatte. Mir stieg ein Geruch von verbranntem Tabak in die Nase. Natürlich hatte sich der Herr Eichenschild auch wieder in der Runde eingefunden und er beäugte Fili kritisch und ernst. Er hatte eine lange Pfeife im Mundwinkel und blies den Rauch in die Luft. "Ich hatte vorhin gesagt. Alle Waffen Fili", meinte er ernst. "Ja. natürlich wir haben doch alle Waffen abgelegt", meinte dieser mit einem verschmitzten Lächeln nach oben. Thorin machte eine schnelle Handbewegung in seinen Nacken und zog unter seinem wustigen Haarschopf einen Dolch hervor. Diesen legte er ihn mit eiskaltem Blick in seine Hand. Alle die wir in der Nähe saßen mussten schlucken. Fili versagte das Lächeln auf den Gesichtszügen und ohne das Thorin ein weiteres Wort von sich geben musste, hatte sich der Junge erhoben und war wieder verschwunden. Man bekam wirklich den Eindruck, dass der Zwergenkönigverschnitt ein reichlich strenges Regiment unter seinen Rollenspielern führte. Gut, nachdem was alles passiert war auch nicht verwunderlich. Er nahm in aller Ruhe platz und rauchte genüsslich seine Pfeife weiter. Nachdem Fili wieder da war konnten wir endlich mit dem Werwolfen beginnen. Runde um Runde spielten wir und die Stimmung war nach einer Weile nicht mehr so trüb und kühl, wie noch zu Anfang des Tages. Selbst Dwalin schien irgendwann Spaß zu haben, nachdem er einige der "Werwölfe" als "Jäger" hatte zur strecke bringen dürfen. Es war kurz nach Mitternacht als die Zeltplatzleitung verkündete, dass sich nun all diejenigen, die nicht diese Nacht auf dem Platz schliefen verabschieden mussten. Ich war unterdessen auch schon extrem geschlaucht von dem Tag. Mir war innerlich so klar, dass ich noch so einen bestimmt nicht überleben würde. "Gute Nacht, Cuna. Bis morgen Früh!", riefen Kili und Fili, die als erstes vom Platz in die Dunkelheit verschwanden. "Ich wünsche Euch eine angenehme Nachtruhe", sagte Balin und zwinkerte mir freundlich zu bevor er den Jungs nachging. Dwalin brummte nur ein kurzes "Nacht" und war dann auch gegangen. Thorin war der Letzte, der sich verabschiedete. "Ich hoffe Ihr habt eine ruhige Nacht, Cuna. Gebt auf euch acht", meinte er ruhig und verneigte sich einmal kurz. Ich nickte nur. "Nacht Thorin. Schlaft gut da drüben", sagte ich und schon war er davon gegangen. Einfach so ohne weiter zurück zu blicken. Ein Seufzen entrann meiner Kehle und so machte auch ich mich auf zu meiner Hängematte. Mir war ganz flau im Magen und ich wusste partout nicht wieso. Ich musste mich diesen Männern gegenüber weder schuldig fühlen noch innerlich versuchen mir zu erklären, warum dies alles so seinen Lauf genommen hatte. Trotzdem brannten in meinem Herzen immer wieder Schuldgefühle auf. Frodo gegenüber, der den Schock seines Lebens bekommen haben musste und vor allem auch vor mir selbst. Und doch bildete sich mit einem mal ein zaghaftes Lächeln auf meinen Lippen, als ich die Situation noch einmal vor meinem inneren Auge ablaufen ließ. Ich war noch nie auf diese Art und Weise von einem Mann beschützt worden. Und warum auch immer. Es machte mich... Glücklich. Trotzdem gab es noch eine Sache zu tun bevor ich schlafen ging. Das Feuer musste gestohlen werden. Und diese Aufgabe würde ich ohne zwergischen Zwischenfall hinter mich bringen. Dem war ich mir sicher. -7.Wolfsgeheul und Katzenjammer / ENDE - Kapitel 8: 8. Waidmannsheil! ---------------------------- Der Feuerklau war ein voller Erfolg. Zu siebt schafften wir es im Schutz der Nacht das Lagerfeuer zu heben und hinter einem der Zelte zu verstecken. Die neue Nachtwache musste sich daraufhin bereit erklären, eine Woche lang das Fisse Ma "Tent" chen aufzuräumen. Damit war der Abend für mich zumindest nicht ganz so schlecht zu ende gegangen. Zusammengerollt in meiner Hängematte hoffte ich bis zum nächsten Morgen durchschlafen zu können. Ich hielt mein Schäfchen im Arm und schloss ruhig die Augen. Doch wenig später fühlte ich ein unsanftes Schubsen an meiner Schulter. Schlaftrunken gab ich einige mehr als gereizte Geräusche von mir. Was zum Henker war denn nun wieder los? Welcher hirnverbrannte Idiot riss mich denn da aus dem Tiefschlaf? "Aufstehen Weibstück!", blaffte mir eine raue Stimme von oben herab ins Ohr. Oh bitte nicht. Verdammt noch mal, was wollte denn der jetzt von mir? Ich öffnete grollend die Augen und musste feststellen, dass es gerade mal ganz kurz vor Tagesanbruch war. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber an dem bisschen Himmel was ich erkennen konnte sah ich schon die ersten Vorboten eines neuen Tages. Allerdings sorgte die Anwesenheit des Muskelbepackten Mannes, der sich zu so Unmenschlicher Stunde in meinen Unterstand geschlichen und mich aus meiner Ruhe gerissen hatte, keines Wegs für die selbe aufhellende Stimmung. "Alter... Wasn los? Biste von deiner Pritsche gefallen?", nuschelte ich und suchte mit einer Hand am Boden nach meinem Handy, um wenigstens die Uhrzeit zu wissen. "Wir haben hunger", meinte er schlicht. "Hunger?... Jetzt um... Moment...", grummelte ich und schaltete das Display von meinem Handy an. Die Uhr zeigte halb fünf morgens an. Ich weitete die Augen. War ich doch erst vor gut zwei Stunden eingeschlafen. Sofort sah ich auf zu Dwalin, den ich im Zwielicht nur schwach erkennen konnte. "Sach mal... Hat dir einer ins Hirn geschissen?! Es is halb fünf! Frühstück gibts um acht!", polterte ich drauf los. So eine Unverschämtheit. Jetzt hatten diese Zwerge. Ja ich betrachtete sie nun definitiv als Zwerge. Ein anderes Wort dafür kam mir gar nicht mehr in den Sinn! Jetzt hatten also diese Zwerge wirklich die Frechheit besessen, mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf zu reißen, weil sie Hunger hatten? Ernsthaft?! Selbst Hardcore Rollenspieler waren nicht so impertinent frech, wie diese Bande, die ich mir da ans Bein gebunden hatte. "Wir haben aber jetzt hunger und du sollst zu Thorin kommen", blaffte er und versuchte der Stimmlage nach auch offenkundlich ruhig zu bleiben. "Man! Geht wieder schlafen! Dann braucht ihr auch nichts Essen! Gute Nacht!", fauchte ich ihm zu und drehte mich mit dem Rücken zu ihm, um weiter zu schlafen. In der Hoffnung, dass meine Worte allein ausreichen würden, um ihn zu verjagen schloss ich die Augen und gähnte nochmal ausgiebig. Nur da hatte ich die Rechnung ohne den Grobian gemacht. Mit den Worten: "So jetzt reichts mir!" fühlte ich wie sich zwei kräftige Arme unter meine Matte schoben, auf der anderen Seite zugriffen und mich dann mit einem kleinen Überschlag auf den Erdboden beförderten. Keuchend und japsend landete ich auf dem Bauch mitten im staubigen Dreck. Nun hatte es wirklich keinen Zweck mehr weiter zu schlafen, denn ich war jetzt hell wach. Und wütend obendrein. "Hast du den Arsch offen?!", brüllte ich so leise es ging, da ich nicht unbedingt die Aufmerksamkeit der restlichen Zeltstadt auf mich ziehen wollte. Wenn noch andere geweckt wurden gäbe es nur dumme Fragen. "Steh auf und beweg dich gefälligst", meinte er mit einem amüsierten Glucksen in der Stimme. Das war dann wohl seine Rache für den vorherigen Abend, als ich ihn als Glatzenaugust bezeichnete. Im Nachhinein auf diese Situation betrachtet, war das sogar noch ein Kompliment gewesen. Diese Weckaktion würde ich ihm noch heimzahlen, auch wenn ich noch nicht wusste wie. Vielleicht Ameisen in den Schlafsack schütten? Wäre zumindest eine gute Option, dachte ich grollend bei mir. "Machst du jetzt mal hin oder muss ich dich noch tragen?", fragte er dann abfällig von oben herab. "Du liebst es doch wenn dir Frauen zu Füßen liegen oder?", maulte ich und kam langsam schwankend auf die Beine. Auf meine Aussage hin erntete ich nur ein kurzes Schnauben. Es half ja nun alles nichts. Ich musste wohl oder übel mit. Mit der Taschenlampe im Anschlag gingen wir über den dunklen Platz. Nur die Asche des Lagerfeuers erglomm noch Orange-Rot zu dieser Stunde. Aus den Zelten waren Schnarchgeräusche zu hören. Diese glücklichen Menschen. Konnten ihre Träume von Schokoladeneis mit doppelt Schlagsahne genießen oder sie waren gerade dabei die Weltherrschaft an sich zu reißen und ich musste mich mal wieder mit meinem Anhängsel rum schlagen. "Ich hoffe für dich, dass mindestens Jemand vor Hunger im Sterben liegt, sonst bin ich den Rest des Tages für euch nicht mehr zu sprechen",sagte ich und gähnte nun zum x-ten Mal. Schweinerei so was. Als ich mit Dwalin über den fast verlassenen Parkplatz ging, brauchte ich gar nicht lange nach dem Zelt der Zwerge suchen. Also Zelt war auch das falsche Word dafür. Es war eine große Leinenplane, die sie hinter dem Parkplatz unter einer Baumgruppe aufgespannt hatten. Sie hatten ein Feuer auf dem Boden davor gemacht, sodass ich sie zumindest halbwegs sehen konnte. Dahinter waren die restlichen vier bereits sehr geschäftig am Werkeln. Ich hörte wie Waffen geschliffen wurden und konnte Kili ausmachen, der seinen Bogen spannte und die Pfeile begutachtete. Er war einer der Ersten, der mich sah. "Guten Morgen Cuna!", rief er putzmunter aus. Ich hob nur kurz die Taschenlampe und beleuchtete ihn einen Moment. Die waren schon in voller Montur und offenbar Aufbruch bereit. Wie machten die das nur? Ich hatte gelesen, dass allein dieses Profimake-up rund fünf Stunden brauchte bis es fertig war. Oder hatten die gar nichts davon abgelegt? Ausgeschlafen sahen sie zumindest aus. "Hrm... ja... Morgen zusammen", nuschelte ich. "Schön dich zu sehen. Bist du bereit zum Aufbruch?", fragte Fili und lächelte mich freundlich an. Ich weitete die Augen und mir klappte der Mund auf. Wie? Was? Aufbruch? Was lief den jetzt für ein Film ab? Wollten die mich entführen? "Die weiß noch nichts davon. Habs noch nicht gesagt", sagte Dwalin und machte schwere Schritte in Richtung seines ledernen Rucksackes, wo er drin herum wühlte. "Nicht? Dann sollten wir es ihr schnell sagen, oder?", fragte Kili und blickte über seine Schulter nach hinten von wo natürlich Herr Eichenschild langsam auftauchte. Er trug ebenfalls einen Bogen und Pfeile bei sich. Das war nun alles andere als schön, was sich gerade in meinem Kopf abspielte. Erst schmiss mich dieser Grobian aus meiner Hängematte, dann sollte ich für irgendeinen Aufbruch bereit sein und nun sah ich zwei von diesen Kerlen mit Bögen über der Schulter. Mein Gott! Das würden doch wohl nicht Kannibalen mit Jagdfetisch sein oder? Himmel das war ja noch schlimmer, als alles was ich erwartet hatte! Vorsorglich packte ich die Taschenlampe fester, sollte mich einer von denen angreifen, dass ich wenigstens zuschlagen konnte. Außer es war einer dieser entsetzlichen Alpträume, die immer dann auftraten, wenn man extrem unter Stress gesetzt wurde. Wenn dem so war, musste ich mich irgendwie dazu bringen aufzuwachen. Nur wie? "Balin, du bleibst hier und achtest auf das Zelt. Cuna, Ihr werdet uns auf die Jagd begleiten", sagte Thorin schlicht und es schien für alle beschlossene Sache zu sein. "Auf die Jagd?", entfuhr es mir mit hoher Stimme, die nicht nur vor Entsetzen sondern auch Angst auf das, was sie wohl jagen würden so sehr quietschte. "Natürlich auf die Jagd. Wenn wir essen wollen, dann müssen wir die Tiere früh morgens auf den Feldern ausmachen und erlegen. Wir brauchen Euch als Ortskundige Führerin", fügte Thorin gut gelaunt hinzu. Hätte ich mein eigenes Gesicht in diesem Moment gesehen, würde ich es als völlig entgeistert und leblos bezeichnen. Sie hatten mich aus dem Bett geschmissen, damit ich denen beim Jagen helfe? Jagen? Hier? Wo es vor freilaufenden Mc. Doof Restaurants nur so wimmelte? Waren die jetzt völlig übergeschnappt? Schemenhaft konnte ich nur wahrnehmen, dass Fili mir einen Dolch in die noch freie Hand drückte. "Hier damit du geschützt bist, sollten uns Orks auflauern", sagte er mit einem freundlichen Lächeln und Schulterklopfen. Der Dolch an sich war sehr schön und gut gearbeitet. Auch offensichtlich scharf. Allerdings interessierte mich dies gerade weniger als Fußpilz. Es brauchte schon einiges, um mich sprachlos zu machen und DAS hatten die Fünf damit endgültig erreicht. Zu mehr als sonderbaren Stöhn, Keuch und Quietschgeräuschen war ich nicht mehr fähig. "Meine Liebe, ist euch nicht wohl?", fragte Balin besorgt und musterte mich eindringlich. "Ob mir nicht.... Das ist... Ihr... Ich... Was zum Teufel?", stammelte ich. Die Zwerge sahen sich unterdessen ein wenig genervt an. "Ihr braucht wegen der Orks keine angst zu haben. Bei uns seid Ihr sicher. Jetzt kommt schon. Wenn die Sonne aufgeht sind die besten Tiere weg. Und macht diese eigenartige Fackel aus. Die ist viel zu hell", gab Thorin im ersten Ton von sich und wollte schon mal vor gehen. "Ja einen Moment ma", brachte ich endlich hervor. "Was ist denn jetzt noch?", knurrte Dwalin gereizt. "Ihr. Also Ihr. Schmeißt mich aus dem Bett. Um halb fünf Uhr morgens. Damit ich euch die Gegend zeige und ihr wahllos Tiere jagen könnt? Und das nur, weil ihr angeblich Hunger habt?!", presste ich hervor. "Aber nein. Wir jagen nicht wahllos Tiere. Wir suchen wenn schon ein paar Gute. Am besten wären natürlich schon Wildschweine. Da ist mehr dran", sagte Kili und lachte dabei. "Wildschweine... Ich brech zusammen... Ich hab vorhin schon zu 'Prinz Karneval' da drüben gesagt, dass es um acht Uhr Frühstück im Lager gibt. Wieso um alles in der Welt wollt ihr jagen gehen?", jammerte ich und fing mir von Dwalin sofort einen wütenden Blick ein. "Weil wir bis dahin nicht warten wollen", kam es inzwischen mit barschem Ton von Thorin, der sichtlich immer ungeduldiger wurde. "Wir hätten dich ja schlafen lassen, aber wir brauchen hier jemanden, der die Gegend kennt, damit wir uns nicht verlaufen", sagte Fili ganz sachlich. Ich rollte genervt mit den Augen. Um Himmels willen! Die brachten mich noch irgendwann ins Grab, wenn diese Aktionen weiter gingen. "Los jetzt. Wir verlieren kostbare Zeit", schnaubte Thorin und ging weiter. Nun folgten auch die Anderen. Außer Balin, der mich wohlwollen anlächelte. "Geht ihnen schon nach. Es ist besser das ihr auf sie acht gebt", meinte er mit beflissener Stimme. Damit hatte er wohl nicht ganz unrecht. Was wäre wenn sie kein Wildschwein erschossen sondern einen Frühmorgens Jogger der zufällig auf einem der Waldwege vorbei kam? Nicht auszudenken! "CUNA!", brüllte Dwalin und ich trabte nun doch schleppend und fast heulend hinterher. Den Dolch fest in der einen und die Taschenlampe in der anderen. Ich erreichte die Vier kleinen Männer kurz hinter dem Waldsaum und wurde abermals dazu ermahnt die Taschenlampe aus zu machen. Ich tat es einfach, damit ich meinen Frieden hatte. Je schneller wir da wieder raus waren, umso besser. Von nun an sprach niemand mehr. Es wurde nur noch ab und an geflüstert, wenn man ein Geräusch ausgemacht hatte. Das morgendliche Zwielicht war in dem Wäldchen kaum noch auszumachen. Diese elendige Dunkelheit in der ich herum stolperte zu dieser Zeit des Tages ließ mich erschaudern. Ich mochte Wälder bei Nacht nicht, in denen ich mich selbst fühlte, wie ein gejagtes Tier. Immer wieder trat ich auf einen Ast und zuckte verschreckt zusammen. Wenn niedrige Blätter mein Haar streiften, hob ich zuckend den Dolch nach oben. Plötzlich vernahm ich von Kili einen "Psst" laut. Laub knisterte am Boden und ließ andeuten, dass er sich hingekniet hatte. "Habt ihr das gesehen?", fragte er so leise, dass man es kaum hörte. "Was meinst du?", fragte ich zurück und mir wurde bang ums Herz. "Da hinten ist ein riesiges Tier hinter den Büschen mit großen leuchtenden Augen. Und es knurrt ununterbrochen vor sich hin", sagte er. "Ein riesiges Tier das ununterbrochen knurrt?", fragte ich nun etwas lauter, worauf mir jemand den Mund zu hielt. "Seid leise sonst verscheucht Ihr es", murmelte mir Thorins tiefe Stimme mahnend ins Ohr. Mir lief dabei ein Schauer über den Rücken, den ich mir so gar nicht erklären konnte. "Ja jetzt seh ichs auch. Das ist gewaltig. Da müssen wir alle ran, um das zu erlegen", brummte Dwalin der offenbar vor mir hockte, denn ich konnte immer noch nicht sehen welches Tier sie denn genau meinten. Doch mir stieg das Geräusch eines Motors in die Ohren. Waren wir gerade an einer Straße angekommen? Ich musste mich mühsam aus Thorins Griff befreien um etwas zu sehen. Tatsächlich! Wir waren an einer Landstraße angekommen und da stand an einer Kreuzung im Nirgendwo ein einsamer LKW, der unterwegs zum nahen Industriegebiet sein musste. Ich konnte mir ein Kichern nicht verkneifen. In dem selben Moment fuhr das Gefährt an und bog nach links ab. Er würde genau an der gleichen Seite an uns vorbei kommen. "Bereit machen", gab Thorin von sich und ich hörte, wie sich die beiden Bögen spannten. "Mo... moment ihr... ihr wollt doch jetzt nicht etwa...?", jammerte ich entsetzt. "Ruhe! Es kommt!", fauchte Dwalin und hielt seinen schweren Kriegshammer fest. "Aber Leute das ist kein...", sagte ich lauter und der LKW kam immer näher und näher. Das Fahrer gab auf der Strecke ordentlich Gas. "Fertig?", flüsterte Fili. "Hört mir doch zu das ist kein...", jammerte ich weiterhin doch niemand hörte mir zu. "LOS!", unterbrach mich Kili mit einem Brüllen und stürzte mit diesem Schrei aus dem Gebüsch. Den Bogen hoch erhoben und Schuss bereit, wurde er langsam von den Scheinwerfern erhellt. Die Hupe des LKW dröhnte. Nur noch wenige hundert Meter, war er von einer knappen Katastrophe entfernt. Ich wusste nicht, was mich so schnell auf die Beine getrieben hatte. Ich hatte nur kurz einen Satz über Dwalin und Fili gemacht. Hörte die drei versteckten Zwerge hinter mir wütend aufbrüllen, da ich ihnen wohl in der Schusslinie war, doch das war mir dementsprechend egal. Ich musste gerade das Leben eines unschuldigen Jungen retten. "Kili! WEG DA!", schrie ich verängstigt und tollkühn zugleich. Ich packte den Jungen hinter den Schultern und riss ihn im rechten Moment noch von der Straße. Der Fahrer des Wagens brüllte aus seinem Fenster irgendwas in Russisch oder Polnisch. So gut konnte ich nun diese Sprachen nicht auseinander halten. Und fuhr ohne anzuhalten weiter. Ich war mit Kili zusammen in den Graben auf der anderen Straßenseite gerollt und lag keuchend auf seinem Rücken. Die restlichen Zwerge bequemten sich nun auch aus dem Versteck heraus, um nach uns Ausschau zu halten. "Was... war das?", schnaufte Kili und schob mich von sich runter. "Tut das... nie... NIE WIEDER!", blökte ich auf der Seite liegend. "Verdammt jetzt ist es uns durch die Lappen gegangen. Gut gemacht Cuna...", sagte Dwalin gereizt und zog mich ruckartig auf die Beine. "IHR HIRNVERBRANNTEN TROTTEL! DAS WAR KEIN TIER! DAS WAR EIN LKW!", schrie ich so laut das einige Vögel, die in den Bäumen gesessen hatten aufgescheucht davon flogen. "Ein ... was?", fragte Fili und musterte seinen "Bruder" ob dieser irgendwie verletzt war. "Ein LKW! Lastkraftwagen! Damit werden Waren transportiert! Das ist ein Fahrzeug!", keuchte ich nur noch entgeistert. "Dann kann man das wohl nicht essen oder?", fragte Kili und ich musste mir unweigerlich mit der flachen Hand an den Kopf schlagen, was ich lieber sein gelassen hätte, da mich ein unglaubliches Schwindelgefühl überkam. "Ihr macht mich Wahnsinnig...", grollte ich und schwankte aus dem Graben nach oben auf die Straße. Der Himmel war schon wieder heller geworden und ich konnte die Männern an dieser Stelle des Waldes besser unterscheiden als im Gebüsch. Thorin packte mich unvermittelt am Arm und musterte mich. "Ist mit Euch alles in Ordnung?", fragte er und zupfte mir tatsächlich ein paar Blätter aus den Haaren. "Mir is schlecht... was soll schon sein?", schnaufte ich und schüttelte kurz den Kopf um etwas klarer zu werden. "Wartet kurz...", murmelte er ruhig. Er griff an seinen Gürtel und zog einen langen ledernen Wasserschlauch hervor, den er öffnete und mir vor die Nase hielt. "Nehmt einen Schluck, dann geht es Euch gleich besser", sagte er und wartete, dass ich ihm das Ding abnahm. Wenigstens hatten sie an so was gedacht. Vorsichtig nahm ich das Teil entgegen und trank ein paar Züge daraus. Es war sehr erfrischend und sorgte unerwartet schnell dafür, dass mein Schwindel etwas nachließ. "Was machen wir jetzt? Weiter suchen?", fragte Dwalin mit verschränkten Armen vor der Brust. "Ja. Wir suchen weiter. Aber diesmal. Sollten wir besser erst einmal Cuna fragen, bevor wir irgendetwas angreifen", meinte Thorin und befestigte den Schlauch wieder an seinem Gürtel nachdem ich ihn zurück gereicht hatte. "Na endlich hört mal jemand freiwillig auf mich", gab ich fast spottend von mir. Bis die Sonne aufging durchlief ich mit den Zwergen das Wäldchen und den nahen Ackerohne jeden Erfolg. Sie hatten dann aber doch großes Glück, auf eine Gruppe Rehe zu treffen, die auf einer schmalen Wiese grasten. "Schieß du eins. Hast es dir verdient", meinte Kili und hielt mir seinen Bogen hin. "Ich? Soll ein Tier töten?", fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. "Natürlich du. Ist doch nichts dabei. Leg an, ziel und schieß", sagte Fili und klang dabei ganz locker. "Ich.... Ich hab noch nie irgendetwas oder jemanden getötet....", japste ich. "Jetzt rede mal keinen Unsinn. Wir haben alle gesehen wie du im Alleingang fünf Orks in den Leeren Landen geköpft hast", murrte Dwalin der mal wieder äußerst genervt schien. "Ja... aber.. Das war doch...", begann ich zu stammeln. "Na los. Nur keine falsche Bescheidenheit. Du schaffst das schon", feuerte mich Kili an und drückte mir den Bogen samt einiger Pfeile in die Hand. Ich atmete tief durch. Konnte ich das wirklich tun? Sollte ich das wirklich tun? Ich meine, eine Begleitung zu sein war ja eine Sache. Ein unschuldiges Tier zu töten schon eine andere. Aber vielleicht konnte ich ja absichtlich daneben schießen, ohne dass es den Herren auffiel? Ja das ginge bestimmt! Ich war im Bogenschießen schon immer schlecht gewesen. Deshalb konnte ich mir sicher sein nichts zu treffen. "Also gut...", meinte ich dann gespielt entschlossen, hob den Bogen und legte einen Pfeil an. Für den Fall, dass ich doch etwas treffen sollte zielte ich lieber auf den ältesten Rehbock der Herde. Oder vielmehr zielte ich daneben. Ich atmete tief durch. Konnte fühlen, wie mir das Blut in den Ohren rauschte. Mein Herzschlag beschleunigte sich und das Adrenalin pulsierte durch meine Adern. Mein Atem ging gleichmäßig, als ich die Sehne spannte und den Arm hob. Dann ließ ich auch schon los. Ein Zischen ging durch die Luft. Ich hielt den Atem an. Und dann... "BLATTSCHUSS!", jubelte Fili, als der große alte Rehbock von meinem Pfeil getroffen, tot auf der Wiese zusammen brach. Die restlichen Rehe flüchteten. Thorin versuchte noch eines zu treffen, aber die waren schon verschwunden. Entsetzt ließ ich den Bogen mit aufgerissenem Mund sinken. WAS hatte ich nur getan?! Herr im Himmel! Ich hatte ein Tier erlegt! Einfach so! "Guter Treffer! Den nehmen wir mit!", rief Kili und war schon dabei den Bock zu begutachten. "Da kann man dich doch für etwas brauchen, Weibstück..", meinte Dwalin mit anerkennendem Unterton. Den Schulterklopfer von ihm bemerkte ich kaum. Auf dem Rückweg zu Lager sprach ich kein Wort. Ich wollte nur noch weg. Mich in meiner Hängematte zusammen rollen und vergessen. Schlafen. Nicht Träumen. Und erst recht nichts mehr essen an diesem Tag. Was ich getan hatte... Es war unverzeihlich. Weder für mich noch für irgendjemanden. Keiner durfte das erfahren. Niemand! Nicht ein Sterbenswörtchen würde ich auf der Zeltstadt davon erzählen! Während ich allerdings so ging, kamen mir schattenhafte Worte aus der Vergangenheit in den Sinn. Worte die mein Mann einst mal zu mir gesagt hatte. "Egal wie viele du auch in deinem Leben töten magst. Deinen Ersten. Vergisst du nie" -8. Waidmannsheil / ENDE- Kapitel 9: 9. Rehgulasch und Zeltgespräche ------------------------------------------ "GOOOOOOD MORNING, ZEEELTSTAAAAAAADT!" Das war das Erste, was ich zu hören bekam, nachdem ich mich gerade wieder in meine Hängematte gelegt hatte. Das deutlichste Zeichen dafür, dass es eigentlich Zeit war aufzustehen. Aber nach diesem Morgen? Für mich keine Chance. Ich war um kurz nach Sieben erst mit den Zwergen vom Jagdausflug zurück gekommen. Während die munter plaudernd ihren Unterstand aufgesucht hatten, war ich heimlich durch den Eingang wieder auf den Zeltplatz getreten. Ich wollte so schnell wie möglich weg von denen. Oder um einen allseits bekannten und beliebten Zauberer zu zitieren: Das waren genug Zwerge für einen Tag! Dabei hatte der gerade erst angefangen. Mir dröhnte der Schädel und ich wusste, ich müsste eigentlich eine kleinigkeit Essen und dann meine Medikamente nehmen. Aber ernsthaft. Ich hatte weder den Nerv noch die Kraft dazu mich aufzuraffen. Ein paar Stunden Schlaf. Mehr wollte ich jetzt nicht. Ich hatte meine Regenplane so zugezogen, dass mir die Sonne nicht ins Gesicht klatschen konnte, wenn sie früher oder später durch das Blätterdach brach und meine Hängematte wieder auf links gedreht, aus der mich Dwalin so unfreundlich rausgeworfen hatte. Ich zog mich unter meinen Schlafsack zurück und drückte mein Plüschschaf fest an mein Herz. Mein Körper musste jetzt unbedingt zur Ruhe kommen. Und mein Kopf auch, in dem wieder ein winziger Mann zu sitzen schien, der ununterbrochen auf mein Hirn mit einem kleinen Hammer einschlug. Nachdem der laute Ausruf über den Platz gehallt war, schaltete sich das "ROZ" wieder ein und versah den frühen Tag mit allerhand lauter Musik. Meistens Heavy Metal. Nicht das ich da etwas gegen einzuwenden hätte, wo ich selbst gerne und leidenschaftlich Metal hörte, aber mit brummschädel war selbst meine lieblings Musik unerträglich. Dementsprechend war ich unter dem Schlafsack am Wehklagen und versuchte trotz des Lärms noch ein Auge zu zubekommen. Um mich herum erwachte langsam das Leben in den Zelten. Ich konnte Schritte an meinem Unterstand vorbei gehen hören. Private Gespräche, darunter "Guten-Morgen-Grüße", Fragen wie die Nacht gewesen war und das ein oder andere Gelächter zogen vorbei. Keiner hatte bemerkt das ich schon vor Sonnenaufgang weg gewesen war. Es war einfach nur zum Heulen und ich konnte den Leuten hier nicht mal böse darüber sein, dass sie so gute Laune hatten. Zumindest waren bald alle aus klein Mordor aufgestanden, sodass ich dann doch endlich mal in ruhe schlafen konnte. Oder wenigstens etwas dösen. Mich beschäftigte die Jagd immer noch. Wieso zum Henker hatte ich mich nur dazu hinreissen lassen, wie eine Geistesgestörte mit Pfeilen herum zu ballern? Nun gut. Wer hätte denn auch gedacht, dass ich dann noch was treffe? Für gewöhlich sagte ich selbst von mir immer: "Legt das Schlachtfeld drei Kilometer weiter nach rechts, dann treffe ich bestimmt schon was." Verdammt! Vielleicht hätte ich genau drauf zielen sollen! Aber jetzt war es viel zu spät dafür. Die Herren Zwerge ließen es sich bestimmt gut schmecken. Aber nochmal würde ich mich nicht dazu breit schlagen lassen, für die so früh aufzustehen um denen das Essen zu fangen. Nein, nicht mit mir! "Jacky?", hörte ich eine Stimme vor meiner Plane. Ich gab nur ein grummelndes Grunzen von mir, in der Hoffnung es würde wie ein Schnarchen klingen. Dabei ähnelte es doch mehr einen Wildschwein mit Keuchhusten. Ich wollte nur mein ruhe. Nicht mal meine Freunde wollte ich jetzt sehen. Und das kam in letzter Zeit eigentlich nie vor. "Jacky, du musst aufstehen. Es gibt Frühstück", ermahnte mich die Stimme, die von keiner anderen stammte, als von meiner besten Freundin Chu. "Mag nisch frühstücken...", nuschelte ich. Ich hörte das Rascheln von Plastik und es wurde heller in meinem Unterstand. "Du musst aber was essen. Hast mir noch extra gesagt, ich soll dich dazu anhalten wegen deinen Medikamenten", sagte Chu deutlich aber ruhig. "Ich will schlafen Chu. Bitte... Nur schlafen. Später okay?", maulte ich vor mich hin. "Hast du so schlecht geschlafen?", fragte sie besorgt und ich spürte, dass sie neben der Matte stand. Nun richtete ich mich doch seufzend auf. Es hatte einfach keinen Zweck liegen zu bleiben, wenn man ständig gestört wurde. Ich rieb mir die Augen und starrte Chu von unten her bedröppelt an. Ihr Gesicht war eine Mischung aus Besorgnis und Entsetzen. "Heilige Scheiße. Jacky. Du siehst ja richtig beschissen aus", gab sie von sich und hockte sich neben mich. "Danke Chu, du bist auch sehr sexy", schnaubte ich. "Was zur Hölle ist passiert? Du bist ganz dreckig und dein T-shirt ist stellenweise gerissen. Bist du letzte Nacht auf dem Weg zum Klowagen hingefallen?" "Auf dem Weg zum Klowagen? Nee. Diese wahnsinnigen Rollenspieler haben mich mitten in der Nacht im wahrsten Sinne des Wortes aus der Matte geschmissen, weil sie hunger hatten." Chu riss die Augen auf und schluckte. "Wieso zur Hölle denn das?", fragte sie vorsichtig nach. Ich atmete tief durch. Es musste nun doch raus. Vielleicht würden es diese Zwerge eh bald rum erzählen. Besser ich käme ihnen zumindest bei meinen Freunden zuvor. Ich berichtete Chu ausführlich über meinen unfreiwilligen Jagdausflug und den beinahe zusammenstoß mit dem LKW. "Krass!", war das Einzige was ich zunächst von Chu zu hören bekam. "Und dann musste ich dieses verdammte Reh auch noch treffen. Ehrlich Chu. Ich war schon lange nicht mehr so fertig", jammerte ich und strich mir einzelne Tränen aus dem Gesicht, die nicht nur davon rührten, dass mir der Rehbock leid getan hatte. Sie drückte mich einmal ganz kurz und seufzte. "Weißt du was. Bleib erst mal liegen. Gib mir aber vorher dein Campinggeschirr. Dann bring ich dir was vom Frühstück her. Muss ja nicht sein, dass du hier völlig entkräftet liegst. Und was diese Rollenspieler angeht. Ich werd versuchen mit denen zu reden. Das geht ja mal gar nicht. Die tauchen hier mir nichts dir nichts auf und machen dich so fertig. Ich kann solche Leute nicht leiden", sagte sie mit deutlich angespannter Miene. Ich schnaufte einmal kurz. Auf Chu konnte ich mich da für gewöhnlich verlassen. Noch nie hatte ich eine so gute Freundin gefunden, wie sie es in all den Jahren für mich gewesen war. Bereitwillig durchwühlte ich meinen Rucksack, kramte mein Campinggeschirr heraus und reichte es ihr. Als sie gegangen war machte ich mich auf die Suche nach meiner Pillendose. Die musste ja auch irgendwo sein. Als ich sie gefunden hatte, legte ich mich erst mal wieder auf den Rücken und drehte die kleine Dose in den Fingern. Meine Gedanken drifteten etwas ab. Wobei ich nicht ganz wusste, weshalb sie geradewegs bei den kostümierten Spinnern hängen blieben und ich zu einem sehr ungewöhnlichen Schluss kam. Eigentlich waren diese Zwerge ja doch nicht so schlimm, dachte ich nach einiger Zeit. Zumindest Thorin nicht. Oder wie auch immer er wirklich heißen mochte. Unweigerlich erinnerte ich mich an die Situation, wo er ganz nah an mich heran gerückt war, um mir den Mund zu zu halten. Das Flüstern seine dunklen Stimme in meinem Ohr. Der Schauer der mir über den Rücken gelaufen war. Und bei dem Gedanken daran, überkam mich dieser erneut. Wie er mich am Arm gefasst hatte. Nicht grob sondern eher mit sanfter Gewalt. Die Blätter, die er mir behutsam aus dem Haar gezupft hatte. Auch die Tatsache, dass er mir sofort seinen Wasserschlauch angeboten hatte. Ohne das ich es wollte drang ein leises, wohliges Seufzen aus meiner Kehle. Aber in meiner Brust zog sich etwas zusammen. Eine Mischung aus Schmerz, Hitze und Kälte zugleich. Was war nur los mit mir? Der Kerl war kostümiert! Der war nicht echt! Wer weiß wie er in Wirklichkeit war und aussah? Auch wenn er in manchen Punkten sehr nett war, so hatte er doch seinem Freund am frühen Morgen befohlen mich so unsanft aus dem Bett zu werfen. Noch ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, hörte ich Stimmen näher kommen. "... haben wir auch wirklich nicht gewollt. Aber sie hat meinem Bruder das Leben gerettet. Sie ist eine unglaublich mutige Frau", sagte eine Männerstimme, die ich als Filis identifizieren konnte. "Trotzdem war das unter aller Sau. Ihr wusstet doch, dass sie verletzt ist und baut so eine Scheiße", gab Chu bissig von sich. "Wie ich schon sagte. Das tut uns unheimlich Leid", meinte er beflissen. Ich setzte mich schnaubend auf, als ich die beiden unter die Plane kommen sah. Chu hatte die Arme vor der Brust verschränkt und Fili trug mein Campinggeschirr in den Händen. In der Schale dampfte es und es roch verdammt lecker. "Was will er denn hier?", meinte ich ein wenig barsch. Aber wen wunderte es. Eigentlich wollte ich ja keinen von denen an diesem Tag mehr sehen. "Er wollte mitkommen, um sich nach dir zu erkundigen. Sie haben für dich Essen gemacht", sagte Chu und musterte Fili argwöhnisch. Dieser lächelte etwas steif aufgrund meiner unfreundlichen Begrüßung. Und vermutlich auch wegen der Tatsache, dass Chu ihn wohl zusammen gefaltet haben musste. "Also, ähm... darf ich mich kurz setzen?", fragte er freundlich und reichte mir die Schale mit dem dampfenden Inhalt. Ich schnupperte kurz daran. Es roch wirklich extrem lecker. "Was ist das?", fragte ich, obwohl ich die Antwort eigentlich schon hätte kennen müssen. "Das ist ein Reheintopf nach Zwergenart", sagte er grinsend und wartete immer noch darauf, dass er sich setzen durfte. Ich sah kurz Chu an, dann Fili. "Gut. Setz dich", entschied ich nach einer Weile. Elegant nahm der blonde Junge neben meiner Matte auf dem Boden platz. Chu setzte sich daneben. Ich nahm mir meinen Löffel und begann vorsichtig zu pusten. Nachdem ich den ersten Bissen im Mund hatte gingen mir buchstäblich die Augen über. "Scheiße! Schmeckt das Geil!", keuchte ich und legte sofort los mir das Zeug rein zu schaufeln. Nun ja, zunächst nicht ganz so schnell. Ich wollte mir ja nicht den Mund zu sehr verbrennen. Aber es war schon äußerst erstaunlich, was ich da vorgesetzt bekam. Ich kannte ja Reh nur zu Weihnachten mit extra viel Bratensoße, Knödeln und Gemüse. Und da war es meist sehr sehr trocken. Doch das Gericht, was ich in meiner Schale hatte übertraf, bisher alles was ich bisher gegessen hatte. Fili kicherte amüsiert als er mich musterte. Chu konnte ja Fleisch nie etwas abgewinnen, also schwieg sie beharrlich und beobachtete nur, wie ich die Schale ausleckte. Auch wenn es mich immer noch bedrückte daran zu denken, dass ich es quasi ermordert hatte. Musste ich neidlos anerkennen, dass es mir verdammt gut schmeckte. Ich war schon manchmal ein ziemlich kranker Mensch und warf gerne einige Ansichten über den haufen. Besonders wenns da ums Essen ging. Typisches Landmädchen eben. "Schön dass es dir schmeckt. Wir waren in Sorge du würdest es nicht mögen", meinte Fili ruhig und strich sich am Bart herum. Ich schnaubte und Chu nahm mir die leere Schale ab. "Ich bring das eben zur Zeltküche und spühl das ab. Bin gleich wieder da. Seid anständig", mahnte sie und verließ den Unterstand. Nun war ich mit dem blonden Zwerg allein, welcher mich immer noch musterte. Ich nahm meine Wasserflasche von der anderen Hängemattenseite auf, öffnete die Pillendose und schluckte eine nach der anderen. "Du siehst wirklich schlecht aus", meinte er irgendwann. "So fühle ich mich auch. Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht? Ihr könnt doch hier nicht herum rennen und alles angreifen, was bei drei nicht auf den Bäumen ist", gab ich zurück und Fili senkte mit einem beschämten Lächeln den Blick. "Das ist uns inzwischen dank deiner verehrten Freundin auch bewusst geworden. Darüber hinaus hätte ich die Gefahr erahnen müssen in der mein kleiner Bruder geschwebt hat. Wärst du nicht dabei gewesen, hätte ich unserer Mutter vermutlich rede und antwort stehen müssen. Das heißt wenn ich sie irgendwann wieder gesehen hätte", sagte er mit bedrückter Stimme. "Du hängst sehr an ihm. Kann das sein?", fragte ich um das zumindest nicht einfach so im Raum stehen zu lassen. "Natürlich. Er ist mein kleiner Bruder", sagte er und klang dabei so, als wäre es selbstverständlich. "Seit dem Tod unseres Vaters bin ich dafür verantwortlich meine Mutter und ihn zu beschützen wo es nur geht. Es war nicht immer leicht seit damals. Aber wir haben uns stets zusammengerauft und sind voran gekommen", seufzte er, atmete tief durch und zog eine Pfeife aus seiner Umhängetasche, während er sprach. Stopfte diese dann mit Tabak aus einem anderen Beutel und zündete sie an. Es musste das selbe Zeug gewesen sein, was Thorin am Abend vorher geraucht hatte. Es roch ja nicht unangenehm aber Rauch war Rauch. Und den konnte ich zur Zeit nicht haben. Ich wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum und musste husten. "Oh. Verzeihung", meinte er hastig und öffnete die Regenplane etwas weiter damit das Zeug herausziehen konnte. "Also... also bist du der Herr im Haus bei euch?", fragte ich nachdem ich wieder Luft bekommen konnte. "Nicht ganz. Das ist Onkel Thorin", sagte er und zog schmatzend an der Pfeife. Innerlich rollte ich mit den Augen. Wollte er mir jetzt tatsächlich die Geschichte erzählen, wie sein Vater zusammen mit Thorin an den Toren Morias gekämpft hatte und dort gefallen war? Ging deren Selbsttäuschung denn schon so weit, dass sie eine erfundene Geschichte und die Realität so durcheinander brachten? Oder war es einfach wieder nur eine Art mich ärgern zu wollen? Wobei, als ich ihn genauer betrachtete, konnte ich nicht wirklich erkennen, ob er mir etwas vor spielte oder nicht. Er wirkte auf jedenfall gar nicht so, als wäre er der Typ dafür andere derartig zu verarschen. Aber man konnte ja nie wissen. Schließlich hatte man das Gedankenlesen ja noch nicht erfunden. Wir schwiegen uns einige Zeit an während er immer wieder an seiner Pfeife zog. "Wie siehts bei dir aus? Hast du Geschwister?", fragte er plötzlich um das Thema auf mich zu lenken. "Ja, also. Ich habe einen älteren Bruder", meinte ich und wollte es eher beiläufig klingen lassen. "Ach wirklich? Wie ist er denn so?" "Wie meinst du das? 'Wie ist er denn so?' " "Naja, ist er ein guter älterer Bruder oder ein nicht so guter." "Achso, das meinst du. Nunja... Er ist... ähm... ein bisschen wie die Schweiz." Fili sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an und fragte: " Er ist wie was bitte?" "Naja, wie die Schweiz. Hält sich ziemlich Neutral. Auch mir gegenüber ", meinte ich schulterzuckend. "Und was bedeutet das jetzt?", hakte er noch einmal nach. "Also... zunächst. Ist er gut sieben Jahre älter als ich. Wollte eigentlich immer nen kleinen Bruder. Aber dann kam ich. Und von meiner Geburt an konnte er mich eigentlich nie wirklich leiden. Ich hab ihm buchstäblich fast alle schönen Ereignisse in seiner Kindheit versaut. Den ersten Schultag, Ausflüge in Zoos und Vergnügungsparks und die Tatsache, dass ich schon als Baby den drang dazu hatte alle möglichen Sachen kaputt zu machen. Meistens seine." Fili brach in heiteres Gelächter aus. Ich schaute ihn verwirrt an. Er brauchte eine Weile um sich zu beruhigen. Den Bauch haltend und die Lachtränen aus den Augen wischend sprach er: "Meine Güte und ich dachte immer einen Kleinen Bruder zu haben wäre schlimm. Das es mit einer Schwester auch schwierig sein könnte, hätte ich nie gedacht." "Hättest du denn gerne eine Schwester gehabt?", fragte ich und war doch etwas neugierig auf seine Antwort. "Also. Hätte ich schon gerne gehabt. Aber was nicht ist kann man nicht ändern", sagte er und spielte mit der langen Pfeife herum. "Was denkst du, wäre bei einer Schwester denn anders gelaufen, wie bei deinem Bruder?", hakte ich kurz lächelnd nach. Fili wandte den Kopf in meine Richtung und musterte mich kurz bevor er antwortete. "Weißt du, Frauen sind einfach das Wertvollste was geboren werden kann. Ohne diese würden wir bald alle aussterben verstehst du? Sie sind unsere Schwestern, Ehefrauen und vor allem unsere Mütter. Sie geben uns Wärme, Trost und Kraft in schweren Zeiten." Ich legte den Kopf schief. Obwohl Fili und auch Kili eine eher matchohafte Art seit ihrem Eintreffen hier an den Tag gelegt hatten, hätte ich nicht erwartet, dass er so über Frauen denken würde. Nun gut es hätte auch irgendeine Masche sein können, um mich um den kleinen Finger zu wickeln. Aber in diesem Moment wollte ich ihm einfach mal glauben. "Schade, dass nicht jeder so denkt", meinte ich schlicht nach einer kurzen Pause. Fili nickte und gab ein Schnauben von sich. Ich rutschte etwas auf der Hängematte nach unten um mich wieder in eine liegende Position zu bringen. "Willst du noch etwas schlafen? Dann werde ich zurück zu den Anderen gehen", sagte er und stand auf. "Also ein bisschen Schlaf kann mir nicht schaden. Aber tu mir bitte einen Gefallen und sag deinen Freunden, sie mögen mich heute bitte bis auf Weiteres nicht mit ihrer Anwesenheit behelligen. Ich brauch wirklich mal eine Auszeit von dem Stress", meinte ich und zog den Schlafsack bis ans Kinn. Er beugte sich kurz runter und legte seine Hand auf meinen Kopf. "Werd ich ausrichten. Schlaf gut, Cuna", meinte er und machte dabei mit einem Mal ein ungewöhnlich ernstes Gesicht. Wie ich ihn von unten so ansah, hatte er mit Ausnahme der blonden Haare und dem Bart tatsächlich ein wenig ähnlichkeit mit Thorin, wenn er ein solches Gesicht machte. Und wieder musste ich anerkennend zugeben, dass die Kostümierung einwandfrei geglückt war. Er strubbelte mir kurz durch das Stirnhaar und zog dann von außen die Plane zu, sodass es wieder etwas dunkler wurde. Ich grunzte kurz belustigt. Ein komischer Bursche. Wirklich. Ich drehte mich auf die Seite und schloss die Augen. Hoffentlich konnte ich nun ein wenig Ruhe finden, auch wenn die Musik aus dem "ROZ" immer noch über den Platz donnerte, wie tausend Düsenjäger. Doch wer wirklich müde war, der konnte ja überall schlafen. Das Einzige was mich aber ein wenig ins Nachdenken brachte war, welche Aktivitäten ich verpassen würde. Aber Vormittags war nie wirklich viel los. Am zweiten Tag schon gar nicht. Gegen Abend würde sich bestimmt wieder etwas interessantes auftun. Mit dem Gedanken bei den kommenden, hoffentlich schönen Stunden schlief ich endlich ein. -9. Rehgulasch und Zeltgespräche / ENDE - Kapitel 10: 10. Zwerge waschen leicht gemacht --------------------------------------------- Schnaufend und stöhnend erwachte ich in meinem stickigen kleinen Unterstand. Die Mittagshitze drückte nun langsam unter das Blätterdach von klein Mordor. Mein Mund fühlte sich an, als hätte ich gerade einen sehr, sehr samtigen Pfirsich gegessen. Noch dazu schwitzte ich, wie eine Kartoffel im Backofen. Ich streckte mich und gähnte ausgiebig. Ein Griff zum Boden und schon hatte ich meine Wasserflasche in der Hand um einen Schluck zu trinken. Bah! Das Zeug war nun auch Pisswarm. Widerlich. Ein Nachteil wenn man im Sommer am Campen war und keine Kühlbox oder einen ganzen Kühlschrank zur Verfügung hatte. Vom Platz her wehte natürlich wieder ordentlich Krach und ziemlich viel freudiges Gejohle. Wahrscheinlich war gerade irgendein Spiel oder so im Gange. Ich erhob mich nun gänzlich und griff nach meinem Rucksack um meinen Kulturbeutel heraus zu ziehen. Eine Dusche war jetzt genau das, was ich brauchte. Hoffentlich war "Marilyn" frei. Die wäre jetzt wirklich das richtige um auch meine leicht benebelten Gedanken wieder in Schwung zu bringen. Es gab insgesamt vier Duschen auf dem Platz. Zwei Freiluftduschen mit kaltem Wasser und zwei Warmwasser Duschen von der eine einen Extra großen Duschkopf hatte. Und die nannte man Marilyn. Allerdings erschloss sich mir nie warum ausgerechnet dieser Name genommen wurde. Interessierte mich auch so gesehen nicht. Bestimmt waren mal wieder die Herren der Schöpfung auf diesen gloreichen Einfall gekommen. Für mich war dahingehend nur wichtig, dass man sich dort gut entspannen konnte. Also nur noch das Handtuch und die Wechselklamotten über die Schulter geworfen und raus aus dem stickigen Wäldchen. "Ihr seid ja auf den Beinen", hörte ich eine ältere Stimme mir zu rufen. Ich blinzelte dem grellen Mittagslicht entgegen um denjenigen ausfindig zu machen, der mich angesprochen hatte. Vor mir stand ein kleiner Mann mit weißem Bart und freundlichen großväterlichen Gesichtszügen. Ach verdammt, die hatte ich ja total vergessen! Plötzlich fiel es mir wieder ein. Ich hatte ja den ganzen frühen Morgen mit diesen verrückten Zwergenrollenspielern zugebracht. Eigentlich dachte ich das meine Aufforderung, mich in ruhe zu lassen zumindest von Balin eingehalten werden würde. Wie immer lag ich mit meinen Mutmaßungen falsch. "Fühlt ihr euch wohler? Wir waren in größter Sorge", meinte er und musterte mich von unten her. "Ähm... also... nun ja. Schon. Es ist nur etwas heiß geworden an meinem Schlafplatz", sagte ich leicht irritiert und auch ein wenig seufzend. Er schenkte mir ein tröstendes Lächeln. "Die Jungs haben von eurer Heldentat erzählt. Unglaublich das Ihr euch diesem Monster gestellt habt, um einen von uns zu retten. Und den Bock den Ihr geschossen habt. Alle Achtung. Ein Prachtstück. Gutes Fleisch und schönes Leder", sagte er und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter während wir unter dem Blätterdach nebeneinander hervor traten. Ja, zweifellos hatte ich da wirklich einen Bock geschossen. Wie konnte ich nur so naiv sein und glauben, wenn ich geschlafen hätte, würden sich die Zwerge in wohl gefallen aufgelöst haben. Zu allem Überfluss bemerkte ich, dass sie es wohl doch geschafft hatten auf den Platz zu ziehen. Zum Einen sah ich es an dem Button den Balin sich an den Gürtel gepinnt hatte. Zum anderen daran, dass sich gegenüber des Pfades nach Klein Mordor nun deren Zelt befand. Oder vielmehr gesagt die große Leinenplane, die zu beiden Seiten offen war. Wenn man direkt von meinem Schlafplatz, kam konnte man direkt hindurch auf den Platz blicken. Erst jetzt erkannte ich, dass es wie ein Feldlager aussah. So eines was man sonst nur auf Mittelaltermärkten zu Gesicht bekam. Auf dem Boden links und rechts, Wo die Plane den Boden berührte, waren die einzelnen Schlafplätze der Zwerge zu erkennen. Im mittleren Teil stand ein Waffenständer aus Holz mit wunderschönen Hand geschnitzten Maserungen. Daran befestigt waren die Schwerter, Dolche und Äxte. Auch Dwalins Kriegshammer und Kilis Bogen mit dem Pfeilköcher lagen dabei. Auf der anderen Seite des "Zeltes" konnte man ein paar Schemel sehen und Jemanden, der nach Vorne gebeugt an etwas am Boden liegendem herum hantierte. Hin und wieder stoben feine weiße Wölkchen über seinen Rücken aus dem Zelt hinaus. Der Geruch von Pfeifenkraut stieg mir in die Nase, als ich mich mit Balin näherte. Alles in allem beeindruckte mich dieser Aufbau bei Tag schon sehr. Ich liebte diese Stil sicher Umsetzung von solchen zeitgenössischen Lagerplätzen. Wie aus einer anderen Welt, in die man gerne eintauchte, um dem modernen Alltag zu entfliehen. "Eigentlich wollte ich Euch gar nicht lange belästigen. Ich wollte Euch nur das geliehene Geld zurück geben, für das Bier", sagte der kleine alte Mann und riss mich aus meiner Faszination über den Lagerplatz heraus. "Ach. Ähm. Tatsächlich?", fragte ich mit leicht verwirrtem Blick. Er nickte lächelnd und zog einen Zehn Euroschein aus seinem Beutel, den er mir in die Hand drückte. Ich nickte dankend und verstaute diesen in meiner Trainingshose. "Balin. Hilf mir mal.", erhob sich die Stimme von Thorin in unsere Richtung. Er hatte sich aufgerichtet und hielt seine Pfeife in der einen Hand. Der alte Zwerg nickte mir noch einmal zwinkernd zu und verschwand dann hinter Thorin in den Unterstand. Ich musterte ihn und stellte fest, das er seine Schwere Rüstung von heute Morgen ausgezogen hatte und stattdessen nur noch in einem dunklen Leinenhemd und schwarzer Hose herum lief. Seine Stiefel standen neben seinem Schlafplatz. Als er meinen musternden Blick bemerkte, versah mich mit einem kurzen ernsten Gesichtsausdruck. Dann neigte er sanft den Kopf und verschwand ohne ein Wort an mich zu richten hinter Balin her. Ein bisschen erstaunte mich sein plötzliches gebaren schon. Ich wusste nicht woher, aber mich überkam das Gefühl, ich hätte irgendwas falsches getan oder gesagt. Doch diesen Gedanken musste ich schnell wieder abschütteln. Die Dusche wartete. Ich stapfte am Zwergenzelt vorbei und machte mich auf den Weg über den Platz. Hinter mir hörte ich plötzlich jemanden brüllen: "Platz da! Hier kommt der größte Zwerg der Welt!" Gerade noch rechzeitig machte ich einen großen Schritt auf die Seite, als Kili an mir vorbei rannte. Aber nicht wie man es erwarten würde. Nein. Frodo hatte wohl mal wieder seine "Skyrunner", oder auch Sieben-Meilen-Stiefel genannt, mitgebracht und Kili flitzte nun damit, wie ein geölter Blitz herum. Ihm folgte fast außer Atem sein "Bruder" Fili. "KILI VERDAMMT! ICH WILL AUCH MAL!", rief dieser aus und flitzte an mir vorbei hinter dem "Größten Zwerg der Welt" her. Ich schüttelte kichernd den Kopf. Zumindest die hatten Spaß. Ich beobachtete die Beiden eine Weile bei ihrem ungewöhnlichen Fangenspiel, bis ich meinen Weg zu den Duschen fortsetzte. Vorbei am "Sandybor" und dann war ich auch schon da. "Marilyn" befand sich in der hintersten Ecke. Dummerweise sah ich bereits schon von weitem das "Besetzt" Schild und seufzte. Die Einzigen die frei waren, waren die Freiluftduschen. Mir blieb einfach nichts erspart im Moment. Also gut, es war sowieso viel zu heiß. Da konnte ich auch mal kalt duschen. Ich zog mich in eine der Kabinen zurück, hängte das Schild heraus, schloss ab und entledigte mich dann meiner verschwitzten Kleidung. Langsam nahm ich den Duschkopf zur Hand und drehte den Hahn auf. Brr! Wie ätzend! Aber da musste ich jetzt eben mal durch. Vorsichtig begann ich mich von unten nach oben abzubrausen. Mich an die Temperatur zu gewöhnen war nicht grade angenehm. Ich zitterte regelrecht, aber so wurde ich auch langsam mal etwas wacher. "Cuna! Schau mal wie groß ich.... BEI DURINS BART!", keuchte es plötzlich hinter mir. Erschrocken fuhr ich zusammen und drehte ruckartig meinen Kopf über die Schulter. Kili konnte auf den "Skyrunnern" über die Kabine glotzen und hatte die Augen genauso weit aufgerissen wie den Mund. Kreischend packte ich mein Handtuch und den Brausekopf mit dem Kalten Wasserstrahl. "KILI! DU FERKEL!", brüllte ich und hielt ihm den Wasserstrahl mitten ins Gesicht. "Wah! Nein! Nein! NICHT! AAAHH!", rief er aus und mit einem dumpfen Scheppern landete er im Staub vor meiner Duschkabine. Kurz drauf vernahm ich das schallende Gelächter von Fili. Wütend und frustriert warf ich mir so schnell ich konnte meine Klamotten über. Im nächsten Moment zog sich auch schon jemand anderes über die Wand der Kabine hoch und gaffte drüber. "Cuna, gehts dir gut?", fragte Fili, der immer noch amüsiert lachte. "Na wartet Freunde. Euch werd ichs geben! Mich beim Duschen zu begaffen!", rief ich aufgebracht. Ich griff mir den Duschkopf erneut, drehte den Hahn voll auf und spritzte nun auch Fili mit dem kalten Wasser ab. Auch dieser landete mit einem erschrecktem Schrei auf dem Boden und nun lachte Kili. "Wofür war das denn?!", hörte ich Fili keuchend fragen. Entrüstet stieß ich die Tür der Dusche auf. Zu meinem Vorteil war, das der Schlauch der Dusche verlängerbar war, weil er aus einem gewöhnlichen Gartenschlauch bestand. Niemand durfte meinen Astralkörper einfach so ungestraf begutachten. Erst recht nicht solche penetranten Flegen wie die beiden. "Jetzt seid ihr fällig ihr kleinen Spanner!" Mit diesen Worten begann ich die beiden Jungs zu beschießen. "Nein! AH! Ist das Kalt!", kam es von Kili, der sich verzweifelt aus den Skyrunnern befreien wollte, da er nicht mehr von alleine hoch kam. Fili unterdessen war schon wieder in der Senkrechten und hechtete auf mich los, um mir den Schlauch zu entreißen. "Das bekommst du zurück du Miststück!", rief er aus. Er packte mein Handgelenk mit dem ich den Schlauch hielt und versuchte ihn in meine Richtung zu drehen. Zu dem Handgemenge kam nun auch Kili hinzu, den wir bei dem Zweikampf eigentlich permanent nass gemacht hatten. Nun waren wir zu dritt am Schlauch und spritzten uns gegenseitig Nass. Es gab ein Gekreische und Gebrüll, wenn auch nur einer von uns getroffen wurde. Am Ende fielen wir alle übereinander in den aufgeweichten schlammigen Boden. Die eben noch dagewesene Wut und Entrüstung war bei mir in einen freudigen Spaß umgeschlagen. Dummerweise war unser Gezanke von den Anderen vom Zeltplatz bemerkt worden, sodass sich bald einige Schaulustige eingefunden hatten. "KILI! FILI! AUFHÖRN! SOFORT!", kam ein vor Zorn erfüllter Schrei von oben auf uns herab. Gerade als ich den Schlauch in die selbe Richtung hielt aus der der Schrei gekommen war, stellte ich mit einigem Entsetzen fest, dass ich den Wasserstrahl genau in Thorins Gesicht gehalten hatte. Wir drei hielten in unserer Körperhaltung inne. Kili lag unter mir, ich mit dem Rücken auf ihm drauf und Fili war etwa auf Bauchhöhe über mir. Ich senkte den Schlauch ganz langsam zu Boden und spürte, wie sich auf meinem Gesicht ein angsterfülltes Lächeln ausbreitete. Da stand nun der Zwergenkönig mit sehr angespanntem, zornigen Blick über uns. Tropf nass gespritzt von oben bis unten. Ich konnte Kili und Fili schlucken hören. "Aufstehn", fauchte er. Fili ging langsam von mir runter und stammelte: "Th-Thorin wir..." "Aufstehn. Alle drei.", wiederholte er und gab ein immer ungeduldigeres Schnauben von sich. Langsam kamen wir auf die Beine. Wie uns schien, hatten wir alle die Angst in den Knochen sitzen, würden wir uns zu schnell bewegen, wären wir sofort tot. Ich hielt immer noch den laufenden Schlauch gepackt und zitterte ein wenig vor Anspannung. Noch nie hatte ich mich so in Gefahr gefühlt, wie in diesem Augenblick. Thorins wütende Aura erfüllte all meine Sinne und mir wäre nach Flucht zumute gewesen wäre ich nicht starr vor Angst gewesen. So mussten sich wohl seine Feinde fühlen, wenn sie ihm gegenüber standen. Er machte einen langgezogenen Schritt auf mich zu, riss mir Blitzartig den Schlauch aus der Hand und hielt ihn nun selbst hoch. "Das wird übel", murmelte mir Fili zu. Ich stand zwischen den Beiden und obwohl ich vielleicht einen Zentimeter größer war als sie kam ich mir plötzlich viel kleiner vor. Zu allem übel tauchte hinter Thorin auch noch Dwalin auf. Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte uns. "Was hast du mit den Dreckvögeln vor?", fragte er den kleinen Mann mit dem wütenden Gesicht ruhig. "Das was man eben mit Dreckvögeln macht. Waschen", gab er trocken zurück und ehe wir uns versahen, begann er uns einem nach dem anderen abzubrausen. Ich quietschte und kreischte. Versuchte mich hinter den beiden Jungs zu verstecken, welche dies auch bei mir versuchten. "Ich hab doch erst letzten Monat gebadet", jammerte Kili und schob Fili vor. Dieser prustete, als er das Wasser ins Gesicht bekam. Wir waren recht schnell von dem ganzen Schlamm befreit, aber unsere Kleidung war nun durchtränkt bis auf die Haut. Mit einer genugtuenden Miene drückte mir Thorin den Schlauch wieder in die Hand und zog mit einem lachenden Dwalin über den Platz davon. Ich seufzte und sah Kili und Fili an, die ebenfalls wie begossene Pudel da standen. "...Ich glaube das haben wir verdient", meinte ich ruhig und machte mich auf den Weg zur Dusche um diese wieder in Ordnung zu bringen. Ich zog den Schlauch richtig in das Häuschen und befestigte den Duschkopf wieder, der sich im Eifer des Gefechtes abgeschraubt hatte. "Hör mal Cuna... " murmelte Kili kleinlaut hinter mir, als ich gerade meine Kulturtasche einsammelte. Ich gab ein kurzes Brummgeräusch von mir, um zu zeigen das ich ihm zuhörte. "..Also... ich... Ich hab dich wirklich nur von Hinten gesehen. Ich wusste ja nicht, dass du hier.. also...", begann er zu stammeln. Ich holte einmal tief Luft bevor ich antwortete. "Ist schon vergessen Kili. Mach das nur nicht noch mal", sagte ich und drehte mich um. Bedröppelt trat er auf der Stelle und rieb sich mit einer Hand den Hinterkopf. "Du bist mir also nicht böse deswegen?", murmelte er und wirkte dabei irgendwie fast wie ein Kind. Ich musterte ihn lange und schüttelte dann den Kopf. "Alles gut. Wir sollten aus den nassen Sachen raus. Sonst erkälten wir uns", meinte ich und ging an ihm vorbei. Dabei warf ich ihm mein Handtuch über den Schädel. Er gluckste und rubbelte sich die braunen Haare. Fili war schon Wortlos davon gegangen und kam kurz drauf mit trockenen Sachen wieder. Er drückte sogar mir ein Bündel in die Hände. Es waren einfache Leinensachen, wie sie auch schon Thorin getragen hatte. "Das müsste dir passen, Cuna", meinte er ruhig. Er selbst hatte sich bereits am Lagerplatz umgezogen. Nur auch bei ihm waren die Haare und der Bart noch tropfnass. "Du hättest mir nichts mitbringen müssen. Ich hab genug Kleidung im Rucksack", sagte ich ohne dabei unhöflich zu klingen. Er aber hob beschwichtigend die Hand und ließ sie auf meinen Kopf klatschen. "Nichts da! Ich muss mich doch genauso gut um meine kleine Schwester kümmern, wie um meinen Bruder", sagte er mit einen feixenden Grinsen auf dem Gesicht. "Klein? Ich bin einen Zentimeter größer als du", begann ich zu klagen, doch er strubbelte mir durch die nassen Haare. Ich schüttelte mich kurz und sah dann zu Kili, der sich doch tatsächlich ungeniert in aller Öffentlichkeit seiner nassen Sachen entledigte. "Herr je Kili! Geh doch in die Kabine wenn du dich umziehst!", kreischte ich empört und die Schamröte schoss mir ins Gesicht. Mit unschuldigem Blick musterte er mich. "Wozu? Was ist so schlimm daran?", fragte er verwirrt. Ich wand mich entsetzt mit den Worten "Einfach alles!" ab. Fili lachte und hielt sich den Bauch. "Ihr seid wirklich schlimm...", schnaubte ich und stapfte selbst in die Kabine, um mich umzuziehen. Die Leinenklamotten passten wie angegossen. Sie waren schön kuschelig und trotz der Sommerhitze weder zu warm noch zu kalt. Rein aus Neugierde roch ich einmal kurz an dem Stoff. Natürlich rochen die Sachen reichlich Männlich. Aber angenehm männlich. Schon fast betörend für meine Sinne. Unweigerlich erschien vor meinem inneren Auge Thorins ernstes Gesicht, als ich den Duft so ausführlich genoss. Durch das Klopfen an die Tür der Dusche, wurde ich aber schnell wieder aus meinen Gedanken gerissen und das Bild verblasste. "Bist du fertig?", hörte ich Kili sagen. "Ähm äh... Ja. Ja ich komme schon", stotterte ich hastig vor mich hin, griff meine nassen Sachen und die Kulturtasche und trat wieder nach draußen. Sie musterten mich grinsend bis über beide Ohren. "Gut siehst du aus. Fehlt nur noch der Bart dann wärst du ein vollkommener Zwerg", meinte Kili und umrundete mich. "Ich hab einen Bart", stieß ich unbedacht hervor. "Du hast einen?", fragte Fili und musterte mein Gesicht mit spöttischer Miene. "Also,, naja... Man sieht ihn nicht wirklich. Und Bart kann man so nicht sagen. Ist ein bisschen Gesichtsflaum", nuschelte ich und schabte mit dem linken Fuß Muster in den noch schlammigen Boden. Wieso erzählte ich den beiden davon? So gut kannten wir uns nicht, dass ich gleich auf diesen Makel in meinem Äußeren aufmerksam machen musste, wo ich eh schon so viele hatte. "Ja, da seh ich was", meinte Kili und war ganz nah an mich heran gekommen. Doch anstatt angewidert wegzuschauen, begann er zu lächeln und zu kichern. Er tippte mit einem Finger auf meinen oberen Mundwinkel und wirkte sichtlich amüsiert darüber. "Ist ja niedlich. So einen hatte ich auch, als ich fünf war", meinte er glucksend und entfernte sich wieder von mir, worüber ich ihm dankbar war, denn so sehr mochte ich die Nähe von fremden Männern auch nicht. Schon gar nicht in meinem Gesicht. Ich lächelte verschmitzt und zuckte mit den Schultern. "Kommt schon ihr Zwei. Wir müssen die Kleider zum Trocknen in die Sonne legen", sagte Fili und machte schon ein paar Schritte in Richtung Platz. "Trocknen wir sie doch auf dem Sandybor. Der liegt jetzt mitten in der Sonne", meinte ich und ging neben den Jungs her. "Sandybor?", fragten beide gleichzeitig. Ich deutete auf den Sandberg, der ja geradewegs um die Ecke aufgeschüttet war und auf dem bereits wieder das, für das Zeltlager extra angefertigte Ortsschild thronte. "Der Einsame Sandberg", ergänzte ich nachdem sie mich immer noch verwirrt anblickten. "Warum heißt er so?", fragte Kili verständnislos. "Sagen wirs mal so. Es ist einfach eine Anspielung auf den Erebor. War meine Idee ihn so zu nennen, weil er inmitten all der flachen Landschaft liegt. Zwischen dem Wäldchen und der Zeltstadt drum herum", grinste ich ihnen entgegen. Langsam zeichnete sich auf ihren Gesichtern ein gewissen Maß an Erleuchtung wieder. "Und du bist dann also hier die Königin unter dem Berg", stellte Kili selbstsicher fest, doch ich schüttelte kichernd den Kopf. "Falsch", sagte ich und tapste den weichen Sand nach oben. Er war warm und körnig unter meinen Füßen, was mir sehr gefiel. Ich stellte mich bis fast an die Spitze neben das Ortsschild und schaute auf die beiden Jungs hinunter. "Ich bin die Königin auf dem Berg", rief ich ihnen zu und nahm eine erhabene Erobererhaltung ein, mit einer Hand an der Schildstange und seitlich in den Himmel gerecktem Kopf. Beide brachen in Gelächter aus und krabbelten ebenfalls nach oben und knieten sich spaßeshalber vor mir in den Sand. "Heil dir. Cuna. Königin auf dem Berg!", riefen sie und sorgten dafür, das einige Zeltstadtbewohner, die daran vorbei gingen in den Ruf mit einstimmten. Nur das mich eben die meisten Jacky und nicht Cuna nannten. Richi den ich in der Nähe mit ein paar Freunden ausmachen konnte, machte eine spöttische Verbeugung und hob seine Kolaflasche. Natürlich gab er dann wieder seine üblichen "Oh Ha!" rufe von sich in die ebenso viele mit einstimmten. Endlich fühlte ich mich hier wieder angekommen. Die vergangenen Stunden waren schon fast vergessen. Allein aufgrund dessen, dass ich nun richtig Spaß gehabt hatte. "Nu ist aber genug. Lasst uns endlich das Zeug trocknen", meinte ich nach einer Weile und nahm etwas weiter unten vom Sandhügel Platz. Kili und Fili setzten sich links und rechts neben mich. Die Sachen hatten wir hinter uns ausgebreitet. "Im übrigen stehen dir Thorins Kleider ausgezeichnet", sagte Fili mit beiläufigem Unterton. Er ließ sich auf den Rücken fallen und schloss die Augen gegen die pralle Sonne. Vor Schreck verschluckte ich mich fast an meiner eigenen Spucke. Ich trug tatsächlich Thorins Kleider am Leib? Herrje und ich hatte auch noch so sehnsüchtig daran gerochen, und zu allem Überfluss von ihm herum fantasiert! Schreck lass nach. Was war nur in mich gefahren? Aber Moment! Wieso dachte ich an "Thorin"s Klamotten? Es waren die Sachen des Rollenspielers, der sich Thorin nannte. Nicht der... also nun wirklich nicht DER "Thorin"! Ich schluckte kurz. Mir wurde trotz der Sommersonne abwechseln heiß und kalt. Ich fühlte auch wieder die Schamröte auf meine Wangen steigen und mein Herz pulsierte unangenehm schmerzhaft. Je mehr Zeit ich mit diesen sonderbaren Zwergen verbrachte, umso mehr schienen sich meine Gedanken zu verwirren und irgendwo damit abzufinden, dass sie wirklich die Echten waren. Aber das war schier unmöglich. Es war alles nur Fassade. Nur eine Illusion für meine Sinne und würden sie eines Tages die Masken fallen lassen, wäre ich sicher wie aus einem Traum gerissen und am Boden zerstört. "Cuna? Gehts dir nicht gut?", fragte Kili und legte mir mit besorgtem Blick eine Hand aufs Knie. Ich schüttelte mich kurz. "Ach nein. Alles gut", meinte ich mit belegter Stimme. "Sicher? Als Fili Thorins Namen erwähnt hat, bist du erst blass und dann knall rot im Gesicht geworden", stellte er prüfend fest. "Ach es ist nur. Er scheint seit heute Morgen irgendwie sauer auf mich zu sein. Zumindest habe ich den Eindruck. Als ich vorhin von meiner Hängematte kam, hat er nicht ein Wort zu mir gesagt. Er hat mich nur angesehen. Kurz den Kopf geneigt und ist dann wieder in euer Zelt. Hab ich irgendwas getan, was ihn verstimmt haben könnte?", fragte ich seufzend. Kili lächelte mich beruhigend an und streichelte mir kurz das Knie. "Mach dir keine Sorgen darum. Er ist eben manchmal so, wenn er sich um jemanden Gedanken macht. Könnte aber auch sein, dass es ihm ein wenig aufgestoßen hat, dass Fili zu ihm meinte, wir hätten dich gerne als unsere kleine Schwester." "Wie kommt ihr eigentlich auf das schmale Brett von wegen, dass ich eure kleine Schwester sein soll? Ich meine ihr seid beide kürzer als ich", erwiderte ich schulterzuckend. "Wir mögen dich ganz einfach. Du bist mutig, unerschrocken und noch dazu siehst du auch gut aus", gab Fili im liegen von sich und legte einen Arm über die Augen damit er in dessen Schatten kurz zu mir schauen konnte. "Jajaja. Nu mach aber mal nen Punkt. Ich? Und gut aussehen? Habt ihr bei den anderen Frauen hier die Augen zu oder seid ihr von meinem ersten Anblick schon erblindet?", gab ich spottend zurück. Da war es plötzlich wieder. Mein mangelndes Selbstvertrauen, weswegen mich meine Freunde auch gerne als "Ego-Shooter" bezeichneten. Ich konnte und wollte mir aber auch nicht einreden lassen, dass ich in irgendeiner Art und Weise gut aussehen sollte. Ich meine, ich war für die heutigen Maßstäbe nun wirklich nicht das, was man als Sexy bezeichnen würde. Keineswegs! Nie und nimmer! "Rede dich nicht kleiner als du bist. Schlimm genug, wenn das schon Andere tun", sagte Fili knapp und schloss wieder die Augen. "Wohl gesprochen Bruder", sagte Kili und legte sich nun auch in den warmen Sand zurück. Seufzend tat ich es ihnen gleich. Eine ganze Zeit lang lagen wir so nebeneinander und genossen die Sonne. "Cuna?", fragte Fili plötzlich nach ein paar Minuten. Ich grummelte kurz und drehte den Kopf in seine Richtung. "Du hast doch nichts dagegen, oder? Ich meine das wir dich Schwesterchen nennen, oder?", fragte er vorsichtig. "Wenn es euch Spaß macht. Von mir aus ", gab ich nuschelnd von mir. Auf meiner anderen Seite hörte ich Kili kurz aufgrunzen. Er war in der Sonne eingeratzt und schnarchte jetzt ausgiebig. Fili und ich kicherten einen Moment und versanken dann wieder in Schweigen. So kam es, dass an einem heißen Sommertag eine Menschenfrau zur Schwester der jungen Zwerge wurde. - 10. Zwerge waschen leicht gemacht / ENDE - Kapitel 11: 11. Thorin Erdbeerschild ------------------------------------ Die Sonne brannte an diesem Nachmittag unerträglich vom Himmel und keine Wolke war auszumachen, die einem zumindest so ein bisschen Schatten bot. Es hatte zwar den Vorteil, dass die Klamotten von der Wasserschlacht schneller trockneten, aber dafür mussten wir uns spätestens nach zwei Stunden in irgendein Zelt verkriechen, um der extremen Bestrahlung zu entgehen. Kili und Fili waren mit mir zum Fisse ma "Tent" chen gegangen, wo wir zusammen jeweils eine Cola tranken. Ich bekam immer mehr und mehr den Eindruck, dass sie wohl in einer Höhle aufgewachsen sein mussten. Nichtmal so was kannten sie. "Dieses schwarze Prickelwasser ist unglaublich lecker. Warum gibt es so was nur nicht bei uns zuhause?", fragte Fili und nahm noch einen Schluck. Ich zuckte seufzend mit den Schultern. Im Zelt war einiges los. Es war Spielnachmittag und um die Tische verteilt saßen die Leute in Gruppen zusammen und zockten allerhand verschiedene Sachen. Manche spielten nochmal eine runde Werwolfen andere beschäftigten sich mit Brettspielen oder ließen die Würfelbecher erklingen. Für Aktivitäten draußen war es definitiv zu heiß. Ich sah mich gelangweilt im Raum um. Ob ich vielleicht auch irgendwas spielen sollte? Oder ob ich lieber weiter faul vor mich hin liegen mochte? Schwierige Entscheidung. Doch die traf nicht ich, sondern die beiden Jungs, die sich heiter plaudernd zu meinen Flanken postiert hatten. "Wie wäre es, wenn wir eine runde Karten spielen?", schlug Kili vor. "Was denn für Spiele?", fragte ich ruhig und musterte ihn. "Spielen wir doch 'Schwarzes Schaf'", meinte Fili und grinste. "Schwarzes Schaf? Wie geht das denn?", fragte ich und war ausnahmsweise ernsthaft neugierig, wie das Spiel funktionierte. "Ist ganz einfach. Es werden alle Karten ausgeteilt. Darunter befindet sich eine, die aussieht wie ein Schwarzes Schaf. Nach und nach zieht man im Uhrzeigersinn eine Karte nach der anderen von den Mitspielern. Immer wenn man ein Paar zusammen hat, darf man dies raus legen. Wer am Ende das Schwarze Schaf hat, hat verloren", erklärte Kili. "Das ist ja wie 'Schwarzer Peter' oder der 'Diddle auf dem Kaktus'", meinte ich und grinste. Das Spiel kannte ich ja zumindest. "Nennt man das so bei euch? Naja, also wenn du Lust hast, dann hol ich eben die Karten aus dem Zelt. Vielleicht hat Onkel Thorin ja auch Lust mitzuspielen. Und Balin und Dwalin sicher auch", sagte Kili und stand auf. "Ich weiß ja nicht, ob gerade Thorin, nach seiner unfreiwilligen Dusche, große Lust dazu hat, mit mir Karten zu spielen", sagte ich und drehte bedröppelt meine Colaflasche in den Händen. Mit einem Finger zog ich kleine feuchte Linien durch das Kondenswasser, welches sich an dem Glas gebildet hatte. Ein sehr deutliches Zeichen, dass es sehr schwül war. "Der wird sich schon wieder beruhigt haben. Das dauert bei ihm nicht lange. Und zu einer Runde Karten hat er bisher nie nein gesagt", antwortete Fili und grinste. "Dann frag ich aber zumindest auch Richi und Chu ob die mitspielen. Muss ja nicht sein, dass ich immer nur mit euch was mache", gab ich zurück. "Klar frag sie ruhig. Je mehr umso lustiger", rief Kili, der durch die Öffnung des Barzeltes eilte. Langsam erhob ich mich von dem Sofa und hielt nach meinen Freunden im Zelt ausschau. Richi erspähte ich am Tischkicker und Chu saß mit Rainbow und Ani-chan zusammen an einem der Tische und sie quatschten. Natürlich, wie es Frauen immer tun, wenn sie zusammen sitzen. Ich schlängelte mich durch die Tischreihen an den anderen Spielern vorbei und grinste die Mädels an. "Hey ihr. Was macht ihr so?", fragte ich eigentlich unnötigerweise, da ich die Antwort ja kannte, aber sie erwiderten wenigstens das Grinsen. "Ach nur quatschen. Und du? Hängst fröhlich mit den Zwergen ab, ja?", fragte Rainbow und linste Richtung Fili, der allein auf dem Sofa sitzen geblieben war. Ich seufzte leicht und nickte ihr zu. "Wir wollen was zusammen Spielen. Habt ihr vielleicht Lust? Dann muss ich nicht die ganze Zeit allein mit denen sein", sagte ich ruhig, aber innerlich war ich schon ein wenig angespannt. Sicher, ich wurde langsam warm mit diesen eigenartigen Spießgesellen. Doch waren mir meine langjährigen Freunde schon ein wenig lieber. "Klar! Was wollt ihr denn Spielen?", fragte Chu und musterte mich neugierig. "So ein Kartenspiel. 'Schwarzes Schaf' oder so. Is so was ähnliches wie 'Schwarzer Peter'. Also. Macht ihr mit?" Die Mädels sahen sich einen Augenblick an und sagten dann nickend zu. Richi hatte gerade seine Runde am Kicker zu ende gespielt und war auch hinzu getreten. "Oh Ha. Kartenspielen", sagte er zur Begrüßung. "Dir auch einen schönen Tag. Willst du mitmachen?", fragte ich und drehte mich rum. "Ja klar. Kein Ding. Wo spielen wir?", fragte er und ich deutete auf die Sofa Ecke auf der immer noch Fili alleine saß und nun neugierig zu uns herüber sah. Nachdem ich Richi knapp nicken sah erhoben sich die drei Damen fast gleichzeitig. Geschlossen kam ich mit den Vieren zu Fili zurück, der freundlich lächelnd alle bat platz zu nehmen. Ich setzte mich nun zwischen Rainbow und Chu. Lange dauerte es auch nicht bis Kili mit dem Kartenspiel und den restlichen Zwergen zurück war. Thorin nahm mir gegenüber platz. Balin setzte sich freundlich lächelnd neben Richi, Dwalin nahm neben Fili platz und Kili mischte unterdessen im stehen die Karten bevor er sich neben Thorin setzte und austeilte. Es war das Merkwürdigste und zugleich schönste Kartenblatt, was ich je zu Gesicht bekommen hatte. Nicht nur, dass die Karten offenbar aus feinstem Leinenpapierfasern bestanden. Auch die Bilder darauf schienen handgemalt zu sein und waren an den Rändern mit wunderbar feiner Runeninschrift verziert. Die Farben erstrahlten in einer schlichten aber doch ausreichenden Vielfalt. Die verschiedenen Zahlen konnte man an der unterschiedlichen Färbung der Runen erkennen, die sowohl oben links als auch unten rechts etwas Dicker ausgeprägt waren. Die Bilderkarten, die bei uns ja Bube, Dame und König waren, waren hier völlig anders. König und Dame gab es nicht. Stattdessen grinste einen dann irgendein Zwerg an, der einem bestimmten Handwerk nachging. Sei es schmieden, drechslern oder schneidern. Der Bube hingegen war ein pechschwarzes Schaf das fröhlich auf einer Wiese graste. Ich konnte meine Freunde neben mir vor Erstaunen keuchen hören. Etwas schöneres hatte noch keiner von ihnen gesehen. Und ich auch nicht. Vorsichtig fuhr ich mit einem Finger über die Farbe. Man konnte alle Erhebungen und Vertiefungen der Pinselstriche fühlen. Eigentlich viel zu schade zum Spielen, dachte ich mir. "So. Welchen Einsatz machen wir?", fragte Dwalin und sortierte sein Blatt. "Äh... Einsatz?", fragte Ani-chan verwirrt, die auf der anderen Seite von Rainbow saß. "Ich würde sagen, jeder hat fünf dieser kleinen Silber-goldenen Münzen", meinte Balin und zog aus seinem Beutel einige Zwei-Euro Stücke heraus. "Ihr wollt um Geld spielen?", fragte Rainbow und wir sahen, wie die Zwerge alle an ihre Beutel gingen um das Geld abzuzählen. "Natürlich. Alles andere wäre Zeitverschwendung", sagte Fili. "Spiele um Geld sind hier aber nicht erlaubt", warf Richi fachmännisch ein und nach und nach blickten sich die Herren mehr oder minder verwirrt, wenn nicht sogar entsetzt an. "Wie? Das ist nicht erlaubt?", fragte Kili, der ein Gesicht machte, als hätte er sich verhört. "Wir sind hier in keinem Spielcasino. Das ist eine Zeltstadt für Kinder, Jugendliche, Junge Erwachsene und Leute die sich sonst keinen Urlaub leisten können. Davon abgesehen, darf man sowieso in der Öffentlichkeit nur in ausgewiesenen Spiellokalen um Geld zocken und da auch nicht alles", erklärte Chu ruhig. Dwalin machte ein Gesicht, als hätte man ihm gerade seinen Hammer auf den Kopf geschlagen. Thorin hatte eine Augenbraue in Richtung Stirn gezogen und versah ausgerechnet mich mit diesem extrem abwertenden Blick, weil ich genau vor ihm saß. Am Tisch breitete sich eine ungemütliche Stimmung aus. Nur Balin fasste sich ein Herz und fragte noch einmal kurz nach: "Warum ist es denn nur da erlaubt und nirgendwo sonst?" "Ist ganz einfach. Weil Glücksspiel zu einer Sucht werden kann, die einen gegebenenfalls Krank macht. Gerade Kinder und Jugendliche sollen davor bewahrt werden, all ihr Geld auf irgendwelche Sachen zu setzen. Und Leute die sowieso kein Einkommen haben bekommen hohe Strafen, wenn sie erwischt werden", vermittelte Richi ihm ruhig. "Ich sehe hier keine Kinder am Tisch sitzen. Und arm ist hier auch keiner. Also, wo ist das Problem?", fragte der breite glatzköpfige Zwerg barsch und musterte uns argwöhnisch. "Ani-chan und ich sind noch keine Einundzwanzig. Jacky ist Arbeitslos und bekommt auch nur staatliche Unterstützung. Außerdem, wozu sollte man hier um Geld spielen? Es geht um den Spaß. Jemanden auszuschließen nur, weil er kein Geld hat, um zu zocken, ist ganz schön erbärmlich", sagte Rainbow und warf Dwalin damit einen missbilligenden Blick zu. "Bah. Ist ja grauenhaft. Es macht doch gar keinen Sinn zu spielen wenn es um nichts geht", polterte der Zwerg und wollte sich gerade erhaben, als Thorin ihm entgegen sah. "Ich hab dir schon mal gesagt. So lange wir hier sind, halten wir uns an die Gesetze des Landes und die Gepflogenheiten der Leute. Also steck das Geld weg und setz dich", mahnte er mit einem harschen Befehlston in der Stimme. Der große hielt kurz inne, versah die Runde mit einem finsteren Blick und setzte sich dann wieder richtig hin. Thorin nickte ruhig und packte mit den anderen zusammen die Münzen wieder in die Beutel. Aber nicht ohne mir einen eigenartigen, unergründlichen Blick zu schenken, den ich vorläufig einfach mal ignorierte. Währendessen flüsterte ich Chu ins Ohr: "Sag mal. Wie wars mit denen und Richi auf der Bank?" "Stressig. Stell dir vor. Die hatten alle echte Goldmünzen dabei. Die Frau am Schalter hat geguckt, wie ein Auto in der Waschstraße. Selbst der Filialleiter wurde dazu geholt, um die Münzen zu prüfen. Alles in allem hat jeder von denen jetzt nach dem Eintauschen tausend Euro in der Tasche", murmelte sie mir zu und vor Staunen klappte mir der Mund auf. Mit so viel Kohle in der Tasche liefen die einfach so in der Gegend rum? Wirklich? Die ganze Gruppe hatte fünftausend Euro einfach so mit dabei? Und wollten es auch noch hier verspielen als wäre es nichts? Meine fresse! Waren das Millionäre oder waren sie einfach nur doof? Das tat man doch nicht. Jeder Taschendieb wäre begeistert gewesen, wenn er sich auch nur einen von denen geschnappt hätte. Ich schüttelte nur den Kopf und grinste verständnislos in meine Karten. Das letzte Mal, dass ich so viel Geld besessen hatte, war damals, als ich meinen ersten richtigen Job hatte. Und selbst da war es nur auf meinem Konto. Wie konnten die hier nur so leichtsinnig mit dem Geld sein? Einfach nur verrückt! "Ich fang dann mal an", meinte Kili gut gelaunt und zog eine Karte von Thorins Hand. So begannen wir also Reihe rum mit dem Spiel. Eigentlich recht simpel. Obwohl Dwalin zunächst der gewesen war, der sich am Meisten darüber aufgeregt hatte, dass man ohne Geld spielte, so war selbst der nach einigen Minuten hoch zufrieden. Zwischen drin stand einer von ihnen auf um Nachschub an Bier zu holen. Als wir uns in der vierten oder fünften Runde befanden, hörte ich draußen auf dem Platz ein Motorengeräusch und Reifen, die auf dem staubigen Platz knarzten. Kurz drauf war ein permanentes Klingeln zu hören und die Zwerge standen alle wie von der Tarantel gestochen auf. "Was ist das? Eine Alarmglocke?", fragte Balin verwirrt und sah Richi fragend an. Ich schüttelte nur mal wieder den Kopf. "Das ist der Eismann", meinte ich trocken. "Der was?", fragte Thorin und hatte mich zum ersten Mal seit den frühen Morgenstunden wieder direkt angesprochen. "Der Eismann. Der bringt was zu Essen", sagte ich seufzend und blickte auf die Uhr. Wir waren schon einige Zeit am Spielen und ich wusste, dass der Eismann immer genau kurz vor dem Abendessen mit seinem Wagen hier her kam, wenn ich auf der Zeltstadt war. Gut es war vier Uhr nachmittags und ein wenig Lust auf Eis hatte ich bei der Hitze schon. Warum also nicht. Dwalin gab ein spöttisches Schnauben von sich und meinte: "Eis kann man doch nicht Essen. Das ist viel zu sandig und muss doch erst gesiebt werden, damit man es trinken kann. Davon abgesehen wage ich zu bezweifeln, dass bei dieser Hitze auch nur eine flocke Schnee fallen würde." "Mir egal. Ich hol mir was. Kommt jemand mit?", sagte ich und stand auf. Richi winkte ab: "Für mich nicht danke." "Später vielleicht", sagte Chu. Ani-chan schaute in ihren Geldbeutel und suchte nach Münzen. Rainbow schüttelte den Kopf. Von den Zwergen schienen auch nur Fili und Kili interessiert zu sein. Dwalin verschränkte die Arme vor der Brust, Balin wirkte reichlich ungläubig und Thorins Miene war wie immer ein großes Fragezeichen für mich. "Kann man das Zeug wirklich Essen?", fragte Fili und war auch aufgestanden. "Klar. Schaut nur", meinte ich und deutete auf einige Leute die schon mit Waffelhörnchen oder Bechern wieder zurück ins Fisse Ma "Tent" chen kamen. "Wahnsinn. Das sieht lecker aus", jubelte Kili. "Dann kommt. Eine Erfrischung kann nicht schaden", sagte ich bestimmend und ging mit Ani-chan und den Jungs nach draußen zu dem quietschbunten Wagen, vor dem sich schon eine kleine Schlange gebildet hatte. Die Auswahl war zwar ein wenig eingeschränkt, aber ich konnte zumindest mein Lieblings Eisdessert bekommen. Eisschokolade mit Sahne, Kakao und Schokosoße. Oh mein Gott dafür könnte ich jedes mal sterben! Oder nur einmal, aber Hauptsache ich bekam so etwas. Ani-chan nahm sich ein Waffelhörnchen mit Straciatella und Haselnuss. Was die Jungs anging, so hatten die einige Probleme sich zu entscheiden. Ihnen kam aber auch gar nichts bekannt vor. Weder Schokolade, noch Vanille oder Banane. Mal wieder musste ich ihnen aus der Patsche helfen. Schließlich nahmen beide jeweils einen Becher mit einer Mischung aus Haselnuss, Schokolade, Vanille und Erdbeere. An die Waffelhörnchen trauten sie sich nicht so wirklich heran. Was verständlich war, musste man diese die ganze Zeit in der Hand halten. Das störte beim Kartenspielen. Mit dem Eis bewaffnet kehrten wir zu der Gruppe zurück, die eifrig damit beschäftigt war vorerst ohne uns weiter zu spielen. Kili und Fili ließen sich auf ihre Plätze fallen und nahmen fast gleichzeitig ihre Eislöffel in den Mund. Ich nippte an meiner Eisschokolade und beobachtete die Beiden dabei gründlich. Sie rissen mit einem Mal die Augen auf, starrten sich kurz mit vielsagenden Blicken an und... schaufelten das Zeug in sich rein als wäre eine Bande Orcs auf Red Bull hinter ihnen her. "Jungs, Jungs! Nicht so gierig. Ihr bekommt...", setzte ich an, doch da war es schon zu spät. Beide fassten sich stöhnend und keuchen an die Schädel und jammerten. "Ah. Verdammt, was ist denn jetzt?! Das tut weh!", jammerte Kili und Thorin riss beiden entsetzt die Becher aus der Hand. "Was habt ihr? Hat man euch vergiftet?", keuchte er panisch und musterte beide besorgt. Ich konnte mir ausnahmsweise mal ein Lachen nicht verkneifen. Doch das blieb mir im Halse stecken, als mich Thorin unvermittelt und brutal am Krangen packte, um mich quer über den flachen Sofatisch auf seine Augenhöhe zu ziehen. Scheiße war der plötzlich wütend! "Was hast du meinen Neffen angetan, du Hexe?!", fauchte er aufgebracht. Ich konnte in seinen blauen Augen deutlich sehen, das all seine Gefühle auf "töten" eingestellt waren, würde ich ihm keine zufriedenstellende Antwort geben. Ich musste schlucken und erstmal tief durchatmen. Chu, Richi und Rainbow hinter mir gaben ein verängstigtes Keuchen von sich. Beschwichtigend hob ich langsam die Hände. "Ganz... Langsam... Ich hab denen gar nichts... angetan...", begann ich mit zitternder Stimme. "Du hast ihnen dieses Teufelszeug angepriesen und jetzt winden sie sich vor Schmerzen!", brüllte er und ich fühlte, wie sich in meinem Hals ein Klos bildete. Ich versuchte die Tränen runter zu schlucken, die sich langsam einen Weg in meine Augen zu bahnen versuchten. Ich musste ruhe bewahren, auch wenn ich langsam zur Schnappatmung neigte. Sein Griff war sehr fest und stramm an dem Leinenhemd, dass ich befürchtete er würde mich mit seinen kräftigen Händen erwürgen wollen ohne meinen Hals direkt zu berühren. "Das... passiert... jedem wenn... wenn man das Eis zu schnell ißt... denen gehts gleich wieder gut.. Ich.. ich versprechs dir", wimmerte ich und starrte immer nur unentwegt auf seine vor wutverzwerrten Gesichtszüge. "Onkel, lass Cuna los. Es ist schon wieder vorbei", sagte Fili und nahm sich seinen Becher wieder. Thorin wandte sein Gesicht zu ihm und musterte ihn verwirrt. Auch Kilis Kopf schien es wieder gut zu gehen und er grinste Thorin keck an. "Probier doch einfach mal. Das Zeug ist echt spitze", sagte er und hielt ihm seinen Becher hin. Langsam lockerte sich sein Griff an meinem Hemd und sein Blick wurde von wütend zu ernst. "Seid ihr sicher, dass es euch gut geht?", fragte er um sich zu vergewissern. "Ja doch. Los versuch doch mal. Ist wirklich nichts gefährliches dran", sagte Kili lächelnd. Er warf mir einen kurzen unergründlichen aber mahnenden Blick zu und löste dann vollkommen seine Hand von mir. Ich zitterte am ganzen Leib. Meine Beine waren so weich wie Knetgummi. Und vermutlich war ich gerade um rund zwanzig Jahre gealtert. Vorsichtig zogen mich Chu und Rainbow wieder auf meinen Platz. Gemeinsam beobachtete wir, wie Thorin langsam den Eislöffel aus Kilis Hand nahm und sich etwas von der Erdbeereiskugel klaute. Nachdem er es zögerlich über seine Lippen gebracht hatte und den Mund schloss, machte er genauso große Augen wie die Jungs zuvor. "..Das Zeug gibts draußen?", fragte er beide noch mal nachforschen und sie nickten. Er reichte seinem "Neffen" den Löffel zurück und erhob sich. "Bin gleich zurück", sagte er und mit eiligen Schritten marschierte er nach draußen. Kurz drauf sah man ihn ebenfalls mit einem Becher herein treten. Er war randvoll mit Kugeln voller Erdbeereis. Schon auf dem Weg zurück zu unserer Runde, war er geschäftig am Essen. Offenbar hatte er auch noch nie etwas so leckeres gegessen. Es schien ihm so gut zu schmecken, dass er sich sogar den halben Bart mit dem Zeug voll schmierte und es nicht einmal bemerkte. Für gewöhnlich hätte dieser Anblick bei mir für Gelächter gesorgt, was es zweifellos bei den anderen tat. Doch seine vorherige Reaktion auf mich, hatte mich in meinen Grundfesten unglaublich erschüttert. Mir war schlecht und extrem unwohl. Ich kämpfte immer noch mit dem Empfinden los zu heulen und davon zu laufen. Ich konnte nicht mal mehr meine Eisschokolade anfassen ohne das meine Finger bebten wie Espenlaub. ":.. Jacky... willst du nach draußen an die frische Luft?", flüsterte mir Chu ins Ohr, die mich die ganze Zeit über besorgt beobachtet hatte. Ich schluckte kurz einen erneuten Tränenstrom runter und nickte ihr dann zu. "Soll ich mitkommen?", fragte sie, doch ich hob meine Hand in ihre Richtung. "Ich.... komme gleich wieder", sagte ich und meine Stimme klang unglaublich belegt und heiser. Ohne abzuwarten, was einer der Anderen von meinem plötzlichen Aufbruch hielt, drängte ich mich zügig durch die Tischreihen aus dem Zelt. Draußen erst gab ich ordentlich Fersengeld und verkroch mich an meinem Schlafplatz. Ich zog die Plane so weit ich konnte zu und suchte Schutz unter meinem Schlafsack. Hier konnte ich meinem Nervenzusammenbruch freien lauf lassen. Niemand sollte mich hören oder sehen wenn ich weinte. Meine Gefühlswelt war so durcheinander, wie schon lange nicht mehr. Hatte ich mich doch so in Thorin getäuscht? War ich tatsächlich auf dieses charismatische Äußere herein gefallen, welches mir Respekt, Freundlichkeit und Schutz vermittelt hatte? Warum beschäftigte mich dies auch so? Er war nur ein Fremder. Ein Unbekannter, den ich rein durch Zufall irgendwo in einem Spiel getroffen hatte. Wie konnte ich denn erwarten, dass mich so jemand wirklich mochte? Und warum beschäftigte es mich eigentlich, ob er mich mochte? Er hatte nicht die gerinsten Ambitionen dazu dies zu tun. Aber dennoch machte es mich abgrundtief fertig. Die ganzen liebevollen Gesten, die in meinem Gedächtnis aufstiegen, brachten mich nur noch mehr aus der Fassung. Die Erinnerungen an seine kurzen Berührungen. Noch dazu der betörende Duft seiner Kleider, die ich immer noch am Leib trug. Seine dunkle Stimme an meinem Ohr, die mich schier um den Verstand brachte. Erst recht wenn er mich mit dem Namen ansprach, den er von meiner Zwergin kannte. "Cuna", hallte es dumpf in meinem Kopf wieder. "Cuna." Es schien sich eine Weile zu wiederholen. Ich schüttelte mich und krallte meine Finger in die Haare meines Hinterkopfes. Warum hörte diese Stimme nur nicht auf? Warum quälte mich dies so? Ein unerwarteter Druck auf dem Schlafsack nahe meiner Schulter ließ mich zusammenfahren. Ich hatte nicht bemerkt, dass jemand zu mir in den Unterstand getreten war. Erst recht nicht, dass derjenige die ganze Zeit mit mir gesprochen hatte. "Geh weg...", wimmerte ich und schluchzte dabei weiter. "Cuna", drang seine dunkle Stimme mit besorgtem Unterton an mein Ohr. "Geh weg!", begann ich etwas hysterisch zu kreischen. Was fiel diesem Grobian ein, sich nachdem, was er zu mir gesagt und wie er mich behandelt hatte, noch in meiner Nähe blicken zu lassen? Wollte er mich noch mehr verletzten? Noch mehr um den Verstand bringen? Mir Beleidigungen an den Kopf werfen wegen gar nichts? Langsam aber sicher drehte ich völlig am Rad. "Ich weiche nicht eher von Eurer Seite, bis ihr mich angehört habt", sagte er und ich hörte die Plane rascheln. Er musste neben meinem Kopfende platz genommen haben. "Ich will aber nicht hören, was du zu sagen hast! Verschwinde!", brüllte ich unter meinem Schlafsack. "Ich bleibe", erwiderte er stur. Wir schwiegen uns an. Wie lange, das wusste ich nicht. Doch machte mich seine Anwesenheit nur noch verzweifelter. Ich wollte nicht weinen während jemand in der Nähe war. Schon gar nicht vor diesem aufgeblasenen Kerl! ".... ich bitte Euch um Vergebung", hörte ich ihn leise und ruhig sagen. Vergebung? Wirklich? Nach der Angst, die er mir eingejagt hatte, erwartete er wirklich, dass ich ihm seine überzogene Reaktion verzieh? Ich fühlte mich unglaublich in Rage. Ich wandte mich auf meiner Hängematte in seine Richtung, riss mir den Schlafsack von Kopf und schrie Thorin mitten ins Gesicht: "STECK DIR DEINE VERGEBUNG IN DEINEN KÖNIGLICHEN ARSCH!" Ich hatte mit einigem gerechnet. Dass er mich erneut anbrüllte, dass er mich erschrocken anstarrte oder Wortlos aufstand und davon ging. Doch hatte ich nicht damit gerechnet, dass er Ruhig sitzen blieb und eine Hand an meine Wange hob. "Nach allem was Ihr getan habt, hätte ich Euch vertrauen sollen. Ich hab Euch unglaublich verletzt und Euren Verdienst meinem Hause gegenüber damit mit Füßen getreten", sprach er mit Worten, die reuevoller nicht sein konnten. Den Gesichtsausdruck den ich nun bei ihm sah. Den hatte ich nur ein einziges mal gesehen. Nicht so! Nicht hier! Nein es war einer aus dem ersten Film. Als er sich zu seiner Gemeinschaft umgewandt hatte, nachdem Balin Bilbo von der großen Zwergenschlacht erzählt hatte. Dieser unverwechselbare, schmerzdurchzogene Trauerblick. Warum? Wie war das möglich? Er war sich nun seiner Rolle ähnlicher als jemals zuvor! Es war genau der gleiche Blick! Mein Gott! Wie konnte es sein, dass zwei unterschiedliche Menschen genau die selben Verhaltensweisen an den Tag legen konnten und sich noch dazu dermaßen ähnlich sahen wie Zwillinge? Das war schier unmöglich. Nichtmal der beste Schauspieler brachte es fertig, den selben Ausdruck in den Augen wieder zu geben, wie ein anderer in der selben Rolle. Während ich innerlich versuchte um Fassung zu ringen und zu begreifen, was hier gerade für ein merkwürdiger "Film" abging, wischte er mir mit seinem großen Daumen eine Träne aus den Augenwinkeln. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich immer noch heulte. Stattdessen hatte ich ihn immer nur weiter angestarrt. Die Wärme seiner Handfläche wirkte unvermittelt tröstend auf mich. Auch wenn es immer noch in mir brodelte. "Wenn es eine Möglichkeit gäbe dies wieder gut zu machen. Dann will ich alles tun, was Ihr von mir verlangt. Nur um meine Undankbarkeit ungeschehen werden zu lassen", sagte er ruhig und streichelte mich weiter. "Schrei mich nie wieder so an", brachte ich leicht zitternd und heiser hervor. Seine Augen erhellten sich einen Moment kurz. Dann schloss er sie und neigte den Kopf nach unten. "So will ichs tun", sagte er knapp und ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen, an denen noch immer einige Reste des Erdbeereises zu kleben schienen. Auch in seinen Bart war etwas davon getropft. Zugegeben. Es sah wirklich reichlich albern aus, weshalb ich mich doch zu einem Kichern ringen konnte. "Wieso lacht Ihr auf einmal?", fragte er und hob irritiert den Kopf. "Du hast den halben Eisbecher im Bart kleben", meinte ich amüsiert und sah zu, wie er seine Hand von meiner Wange löste um sich den Mund abzurubbeln. "Das Zeug geht nicht raus", schnaubte er etwas grantig. "Musst dir im Klowagen das Gesicht waschen gehen", gab ich kichernd von mir. "Mir scheint so. Nun. Wenn Ihr Euch wieder besser fühlt... vielleicht wollt Ihr Euch dann wieder zu uns gesellen. Auf ein weiteres Spielchen?", fragte er und stand auf. Ich atmete tief durch und richtete mich in eine sitzende Position auf. "Ich denke ich werde mich auch erstmal frisch machen. Mit verweintem Gesicht sieht man immer so furchtbar aus", sagte ich. Er reichte mir die Hand und zog mich so aus der Hängematte. Einen kurzen Moment standen wir uns noch stumm gegenüber und starrten uns gegenseitig in die Augen. Dann drehte er sich um und ging mir voraus aus dem Unterstand. Ich folgte ihm knapp auf dem Fuß. Wie wir so nebeneinander her liefen konnte ich mir allerdings eine Bemerkung dann doch nicht verkneifen. "Du Thorin?" "Hrm?" "Wenn du das Eis nicht mehr aus deinem Bart bekommst..." "Was dann?" "Dann benennen wir dich um in... Thorin Erdbeerschild." "... Jetzt werdet mal nicht albern, Cuna." Mit den letzten Worten begann er allerdings zu lachen. Und es war das Erste und nicht das letzte Mal, dass ich dieses wundervolle tiefstimmige Lachen von ihm hörte. - 11. Thorin Erdbeerschild / ENDE - Kapitel 12: 12. Wo rohe Kräfte sinnlos walten --------------------------------------------- Thorin hatte einiges an Mühe die Eispampe aus seinem Bart zu bekommen. Fluchend hing er über dem viel zu kleinen Waschbecken im Klowagen. Ständig fielen ihm die Haare mit ins Becken, sodass ich mich irgendwann erbarmte ihm diese zurück zu halten, damit er sehen konnte was er da arbeitete. Ich hatte ja schon erwartet, dass sein langes Haupthaar ein wenig strohig sein würde. Aber was ich da in Händen hielt, war schon fast ein ganzer Dornenbusch. Fehlte nur noch, dass ich Überreste eines Vogelnestes darin finden würde. Oder vielleicht sogar noch einige der Vögel, die verzweifelt darin genistet hatten und elendig verstorben waren, da sie nicht mehr aus dem Gestrüpp herausgefunden hatten. Aber auf den ersten Blick konnte ich dort nichts außergewöhnliches finden. Zumindest war ich mir aber sicher, dass seine Haarpracht keine billige Perücke waren. Wobei die Zöpfe, die er sich links und rechts an den Wangen geflochten hatte, womöglich auch irgendwo unter seinem Schopf angeheftet sein konnten. Doch darüber konnte ich mich genauso wenig informieren wie über das nicht vorhandene Vogelnest. Schließlich war er doch endlich fertig geworden und hatte den Kampf gegen das Zuckerzeug gewonnen. Jetzt konnte ich mich auch kurz Waschen, um meine vertränten Augen etwas klarer werden zu lassen. Davor nahm ich natürlich den Schutz ab, den ich ja nach wie vor noch über meiner gebrochenen Nase trug. "Ach so seht Ihr aus", kam es von dem Kleinen Mann, der mich neugierig musterte. "Was meinst du?", fragte ich und wischte mir vorsichtig mit einem Papiertuch das Gesicht ab. "Ich sah Euch bisher nur mit diesem sonderbaren Gestell. Tragt Ihr das, damit man nicht sieht, das ihr eine so große Nase habt?" Ich musste kurz belustigt kichern. "Nein. Für gewöhnlich habe ich auch keine so große Nase. Die ist nur eben noch gebrochen und dadurch geschwollen. Das Ding da brauch ich, damit sie besser verheilt. Ich weiß es ist nicht grade ansehnlich. Aber was muss, das muss", meinte ich nur und setzte mir das Teil wieder auf. "Ihr habt recht. Damit seht Ihr wirklich schlimm aus. Zunächst hatte ich die Befürchtung, Ihr würdet es tragen um böse Geister zu vertreiben", sagte er trocken und schritt die Gitterstufen nach unten. "Wenn dem so wäre, dann würde es mich doch sehr wundern, dass Dwalin noch hier ist", gab ich ebenso trocken zurück, worauf er ein kurzes kühles Lachen von sich gab. "Er ist gar nicht so böse, wie er immer tut. Wenn Ihr ihn mal näher kennen lernt, dann ist er der treueste und beste Kamerad, den man sich nur wünschen kann", sagte er und schenkte mir eines seiner doch recht kargen Lächeln. Ich musste schmunzeln. Abrupt musste ich mir doch tatsächlich diesen glatzköpfigen Grobian in seinem Haus vorstellen, dass Rosa angestrichen, mit Hello-Kitty-Tapete und selbstgehäkelten Tischdeckchen versehen war. Dwalin selbst stand bei dem Gedanken mit einer weißen Rüschenschürze in der Küche und war Muffins am backen. Dabei sang er mit seiner groben, rauen Stimme: "I'm a Barbie-Girl! In a Barbie-World!" Die Vorstellung war so erschreckend real, dass ich plötzlich schallend loslachen musste und Thorin neben mir ein verdutztes und fragendes Gesicht machte. "Erlaubt Ihr mir die frage, warum Ihr gerade lacht?", hakte er vorsichtig nach. "Ich glaube es ist besser, wenn ich es für mich behalte", sagte ich wohlweislich auch aus dem Grund, dass der an den ich gerade dachte, auf uns zu gehastet kam. Musste ja nicht sein, dass ich die Herren Zwerge gleich wieder auf die Palme brachte mit irgendwelchen sonderbaren Sachen, die mir im Kopf herum geisterten. "Was ist jetzt? Spielen wir weiter oder können wir erst mal was Essen?", fragte Dwalin und deutete hinter sich auf die Schlange, die sich an der Zeltplatzküche gebildet hatte. "Zunächst essen wir. Dann können wir weiterspielen", gab Thorin wieder in seinen üblichen Befehlston verfallend an seinen Freund weiter, welcher nickte und mich mal wieder nur kurz mit einem seiner strengen Blicke versah. Ich musste mich unterdessen von Thorin verabschieden, um mein Essgeschirr aus meinem Unterstand zu holen. Nebenher schaute ich noch bei der Anmeldung vorbei und untersuchte die weiteren Wochenaktivitäten. An diesem Abend stand ein Gitarren Konzert im Fisse Ma "Tent" chen an. Ich wusste natürlich, dass dann wieder unser allseits beliebter "Johnny Crash" aufspielte. Gesanglich fand ich den Knaben zwar nicht so prall, aber Gitarre spielen konnte er. Außerdem suchte ich mir die Abende heraus an denen unter anderem das Geländespiel stattfinden sollte. Auch den Karaoke und den Talentwettbewerb. Die waren aber mehr zum Ende der Veranstaltung vorgesehen. Dennoch wollte ich mir früh genug überlegen, was ich genau an diesen Tagen aufführte Beziehungsweise sang. Eigentlich war es aber auch ziemlich egal, was man so machte, denn es ging nie wirklich um etwas und die Punktevergabe war lediglich reine Willkür. Also konnte man noch so schlecht singen und trotzdem den ersten Platz erreichen. Aber ich wollte eigentlich wie jedes mal mein bestes geben. Mit einem Programm in der Tasche marschierte ich zunächst an meinen Rucksack und dann zur Essensausgabe. Man konnte zwischen verschiedenen Gerichten wählen. Es gab sowohl Vegetarisch, als auch ganz normale Sachen. Richi bediente sich gerade am Laktosefreien Aufschnitt. Chu hatte sich einen Teller Tofubratwürstchen geholt. Ich begnügte mich mit einem leckeren Chili con Carne, das noch vom Mittag übrig geblieben sein musste. Und natürlich als Nachtisch ein Stückchen süßen Grieskuchen. Den aß ich immer, wenn ich dort war. Ich suchte mir irgendwo ein Plätzchen und genoss den hereinbrechenden Abend. Nach dem recht ruhigen Essen verteilten sich einige Leute auf dem Platz. Andere, darunter auch die Herren Zwerge und ich suchten wieder einen Platz im Barzelt um dort weiter zu Spielen. Richi und Chu setzten sich auch dabei. Nur Rainbow und Ani-chan wollten sich lieber "Johnny Crash" anhören, der wenige Minuten später von Frodo auf der kleinen Showbühne angekündigt wurde. Johnny trug seinen üblichen schwarzen Country Hut, eine dunkelblaue Jeans und ein schwarzes T-shirt. Er nahm auf einem kleinen Barhocker platz, den man ihm ans Mikro gestellt hatte und begann nach einer kurzen Begrüßungsrede schon zu spielen. Ich erhoffte mir eigentlich einen genauso ruhigen Abend, wie den vom Vortag. Die Musik war gut und die Stimmung an unserem Tisch angeheitert. Was wohl unter anderem daran lag, dass die Rollenspielgruppe schon so manches Bier an diesem Abend hatte. "Sag mal Cuna. Warum trinkst du nicht auch mal einen mit?", fragte Kili mit einem mal und sortierte seine Karten neu. "Ich trinke für gewöhnlich keinen Alkohol. Und Bier mag ich gar nicht. Das Zeug is mir viel zu bitter", gab ich zurück und wurde prompt mit fragenden Blicken der Herren bombardiert. "Wie kann man Bier nicht mögen? Das ist das Beste auf der Welt, was man sich vorstellen kann", meinte Dwalin, der beide Augenbrauen in die kahle Stirn gezogen hatte. "Nicht unbedingt. Ich mag ja so nen schönen Apfelmet lieber", antwortete ich und schaute unschuldig in die Runde. "Was ist den Apfelmet?", fragte Fili und wirkte sehr interessiert. "Honigwein mit Äpfeln", meinte Chu und fügte noch an, "...Aber "Wikingerblut" ist besser." "Ihr trinkt von irgendwelchen Leuten das Blut?", fragte Balin haltlos entsetzt. "Nein. Das ist ein Honigwein mit Kirschsaft", meinte ich lachend. "Also wenn das so gut ist, wie dieses Eiszeug, dann würde ich das auch gerne mal versuchen", sagte Kili aufrichtig interessiert. "Ich glaub die haben sogar zur Zeit welchen an der Bar", meinte Chu und zog von Fili eine Karte. "Ich geh mal nachfragen. Will sonst noch wer was, wenn ich schon mal da bin?", fragte ich und stand auf. Thorin drückte mir nur Wortlos eine Bierflasche in die Hand. Der Rest hatte entweder noch etwas oder, wie es im Fall von Kili war, wollte er unbedingt mal den Met versuchen. Ich ging schnurstracks in Richtung Theke um also die Sachen zu holen. Wie es bei solchen Veranstaltungen eigentlich immer war, zogen diese nicht nur freundlich gesinnte Menschen an, die einfach mal einen ruhigen Abend verbringen wollten, sondern auch allerlei Gesocks das buchstäblich danach schrie ärger anzurichten. Normalerweise traf man diese nicht schon am zweiten Abend an. Aber diesmal musste sich eines dieser besonderen Exemplare hier hin verlaufen haben. Groß und breit ragte er mit dem Rücken zu mir gewandt vor mir auf. Fette Bomberjacke, Springerstiefel und den Schädel noch kahler rasiert als Dwalin. Der Mann musste schon einiges gebechert haben, was man deutlich daran erkannte, dass er mehr gebeugt als gerade da stand. Obwohl der Abend eigentlich noch jung war. Vermutlich hatte er schon zuhause vorgeglüht, wie man so schön sagte. Ich mochte solche Kerle gar nicht. Diese Stiernacken waren meistens dumm wie Bohnenstroh und sehr leicht reizbar. Wer hatte den nur hier rein gelassen? Und wie der schon stank. Hatte der in Moschus gebadet? Mir wurde schon allein schlecht davon, als ich noch hinter ihm stand. Aber ich musste mich irgendwie zur Theke drängen, um die Getränke zu holen. Ich schaute den Thekenbereich hoch und runter. Überall standen Leute. Verdammt! Neben ihm war leider der einzige freie Platz an den ich mich stellen konnte. Gut es sollte ja nicht für lange sein. Eben nur bestellen und dann schnell wieder zurück zu den anderen. Während ich wartete, vermied ich es tunlichst zu viel durch die Nase zu atmen oder nach rechts zu schauen. Der Barkeeper suchte den Met und ein paar Gläser raus. Zu meiner linken schubsten sich zwei weitere Gäste freundschaftlich hin und her. Dabei grölten sie angeheitert und schief zur Musik von Johnny. Ich spielte nervös mit meinen Fingerkuppen und fragte mich, wann ich denn endlich mal die Getränke bekommen würde. Gerade als der Typ rechts neben mir wohl sein hundertstes Bier am Mund hatte, stießen die beiden links neben mir einander so fest, dass ich den viel zu geringen Abstand, den ich eh schon zu dem Stiernacken auf der anderen Seite von mir hatte, nicht mehr einhalten konnte und am Ellenbogen traf. Sein Ellenbogen rutschte vom Tresen und er schüttete sich die halbe Flasche Bier über die Jacke. Ein grummelndes Knurren drang aus seiner dicken Kehle, als er auf mich hinab starrte. Ich erwiderte den Blick ruhig. "Entschuldigung. Tut mir leid", meinte ich nur schlicht. Er wischte sich mit einer fleischigen tätowierten Hand einen Teil des Bieres von der Jacke und beugte sich zu mir hinunter. "Sag mal du hässlicher Zwerg. Hast du noch nerven meine Jacke zu versauen?", knurrte er mich an und sein fleischiges verschwitztes Gesicht kam meinem ziemlich nahe. Ich schluckte und versuchte es Diplomatisch zu lösen. "Tut mir wirklich leid Mann. Soll ich dir vielleicht ein Bier ausgeben?", fragte ich und wurde noch nervöser, als ich sah, dass er an seiner linken Hand einen stählernen Schlagring trug. "Mit nem Bier is das nicht getan Freundchen", fauchte er und blies mir seinen ekelerregenden Atem mitten ins Gesicht. Oh Schreck! Der Typ war so dicht, dass er nicht mal mehr wusste ob ich Männlein oder Weiblein war. Warum hatte ausgerechnet ich nur die letzten Stunden das leidige Vergnügen, so ein Pech mit Männern zu haben? Und das noch nicht mal unbedingt, weil ich gerade dieses abscheuliche Exemplar auch nur in meiner Nähe haben wollte. Die Jungs zu meiner linken hatten nicht mal bemerkt, dass gerade hinter ihnen etwas passiert war, beziehungsweise gleich passieren würde. Denn die andere Hand, mit der Mann die Flasche hielt, knallte auf den Tresen, sodass ihr Glas zersprang. Splitter stoben in alle Richtungen. Der Mann blutete an der Hand und schien es nicht mal zu bemerken. Mir rutschte nun ein richtig dicker Kloß in die Magengegend. Ganz langsam und mit gehobenen Händen machte ich einen Schritt zur Seite. "Ruhig, mein lieber Freund. Ganz ruhig. Das können wir sicher...", setzte ich an doch da sah ich ihn schon mit den Fingerknöcheln knacken. Hilfe! Was nun?! Nervös blickte ich zu dem Tisch, an dem die Anderen noch nicht einmal mitbekommen hatten, dass an der Bar gleich eine Schlägerei losbrechen würde. Ich musste mir schnell was einfallen lassen. Nur was?! Der Proll rückte immer näher an mich ran und mir schlotterten die Knie. "Aus deiner Fresse mache ich Hackfleisch!", brüllte der Kerl und ich konnte mich gerade noch vor seinem Faustschlag weg ducken. Die Linke wischte an mir vorbei, dass ich sogar meinte ein Pfeifen in der Luft zu vernehmen und hinterließ mit einem unüberhörbaren Krachen ein tiefes Dellenmuster in der Holzplatte. Ich machte einen weiteren Schritt zur Seite. Mein Vorteil war, dass ich nüchtern war und mich aufgrund dessen doch schneller bewegen konnte. Half aber in dem Gedränge dort auch nicht sehr viel. Wenigstens hatte das Gepolter des Schlages einige Gäste und Zeltplatzbewohner in der Nähe aufgeschreckt. Die, die standen wichen zur Seite, als der große Kerl sich erneut versuchte auf mich zu stürzen. Ich machte einen Schritt nach hinten und stolperte über ein Stuhlbein. Unsanft landete ich auf dem Hintern. Ich keuchte verängstigt. Unfähig mich zu bewegen oder in der Situation auch nur zu flüchten. Triumphierend starrte der Stiernacken auf mich hinunter und hob seinen gestiefelten Fuß. Meine gebrochene Nase pochte jetzt schon durch die Vorahnung des eintreffenden Trittes. Ich kniff die Augen zu. Das war das Ende. Danach würde ich gewiss wochenlang im Koma liegen. Und ich hatte zuvor noch gedacht, diese Rollenspieler würden mich ins Grab bringen. "Jetzt biste fällig", rief er. Ich zuckte in mich zusammen und jammerte: "Bitte nicht!" "FASS UNSERE SCHWESTER NICHT AN DU HÄSSLICHER TROLL!", riefen zwei Stimmen gleichzeitig aus und ich hörte, wie irgendwer vor mir zu Boden gerissen wurde. Keuchend öffnete ich die Augen und sah, wie Kili und Fili auf dem Stiernacken saßen und diesen mit ihrem gesamten Gewicht am Boden hielten. Der eine fasste die Arme der andere die Beine. Sie taten sich zu Zweit unglaublich schwer den Mann gepackt zu halten. Aus der Menge stürzte auch Dwalin heran und versuchte den Kerl, der wütend aufbrüllend am Boden lag ebenfalls zu sichern. Ich rutschte etwas am Boden zurück bis mich zwei starke Arme wieder in die Aufrechte zogen. Ernste und besorgte blaue Augen kreuzten meinen Blick. Sie ließen mich einen Moment in sich versinken, bis mir plötzlich bewusst wurde, wessen Augen ich da gerade anstarrte. "Hattet Ihr nicht gesagt, man wird hier nicht angegriffen?", meinte Thorin beiläufig. Löste den Blickkontakt und betrachtete mich absichernd. Chu und Richi waren hinter ihm herbei geeilt und schauten besorgt. "Jacky, gehts dir gut?", fragte Chu und drückte mich einmal kurz. Thorin hatte sich von mir gelöst und versuchte nun auch zusammen mit Balin seinen Freunden bei diesem Stiernacken zu helfen. Der betrunkene Mann wehrte sich gegen die Gruppe von kleinen Männern beharrlich und schlug blind um sich. Nur traf er keinen davon. Sie griffen wieder nach Armen und Beinen. Jeder einen Teil. "Verdammt ist der schwer!", ächzte Fili. "Los raus mit dem Müll!", knurrte Dwalin und riss an dem gestiefelten Fuß. "Oh Ha! Eskalation! Sofort Deeskalieren!", rief Richi aus und schon bildete sich eine Gasse in Richtung Ausgang. Einige weitere Jungs aus der Zeltstadt kamen zu dem Schauspiel hinzu und halfen beim Tragen, sodass der Schläger seinen Weg aus der Bar fand. " Auf Drei!", rief Balin. Sie schwangen ihn lässig, wie eine Schaukel hin und her. "Eins! Zwei! Drei! UND TSCHÜSS!", rief die Gruppe und ließ los. Gelächter brandete auf, als der Raufbold dumpf auf dem Boden vor dem Barzelt aufschlug. Alle klopften sich aufmunternd gegenseitig auf die Schultern und taten so, als sei nichts weiter gewesen. Die Musik, die für diesen Moment kurz ausgesetzt hatte, spielte nun auch wieder. Nur von draußen gellte der rastende Schrei des Mannes: "IHR HUNDE! ICH KOMME WIEDER! DANN NEHM ICH EUCH ALLE AUSEINANDER!" Einige kicherten und machten abwertende Bewegungen mit den Händen. Ich ließ mich von Chu erst mal wieder zu meinem Platz bringen. Zitternd von oben bis unten. Aber eigentlich erleichtert, dass nichts weiter passiert war. "Tze, na endlich gab es mal was richtiges zu tun", meinte Dwalin gut gelaunt und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. "Ich habe wirklich das Gefühl, dass es hier einige Probleme mit der Sicherheit der Leute gibt", sagte Balin beflissen und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche. "Das kommt eigentlich selten bis gar nicht vor", meinte ich und strich mir die Haare aus dem Gesicht. "Wie ist das denn passiert?", fragte Chu und drückte mich noch mal. "Ich bin geschubst worden, als ich bestellt hab. Freiwillig leg ich mich doch nicht mit so jemandem an." Ich schüttelte mich kurz und sah dann ein Glas mit goldener Flüssigkeit vor mir auftauchen. "Das hätte leicht ins Auge gehen können. Ihr wärt fast getötet worden", sagte Thorin etwas beiläufig und stellte meinen Apfelmet vor mich hin. Er selbst begnügte sich mit seinem Bier. "Meint ihr der kommt wieder?", fragte Fili der mit seinem "Bruder" zusammen sich an einem Glas mit Kirschmet versuchte. "Für gewöhnlich nicht. Solche Leute vergessen meist was so passiert, wenn sie besoffen sind. Und wenn er wieder kommt, dann bestimmt eh wieder allein", sagte Richi schulterzuckend. "Trotzdem ist es hier nicht gerade um das Wohl der Leute bestellt, wenn solche Kerle einfach hier wehrlose Frauen angreifen können. Ich spreche Morgen früh mit eurem Lagerleiter, dass wir Wachen aufstellen", meinte Thorin und schaute in seinen Kartenstapel. "Kannst du vergessen. Das wird nicht passieren. Das würde einen nur noch mehr beunruhigen", erwiderte Richi. "Sollen wir etwa warten, bis jemand schwer verletzt wird?", fragte ihn Thorin mit einem kurzen Seitenblick auf mich. "Darum gehts ja nicht. Das soll hier friedlich ablaufen. Und Sicherheitspersonal ist viel zu teuer", meinte Chu. "Das lasst mal meine Sorge sein", schnaubte er und legte ein Paar auf den Tisch. Ich nippte sacht von meinem Apfelmet. Der süße Alkohol brannte ein wenig in meiner Kehle, die von meinem vorhergegangenen Heulanfall noch leicht rau und wund war. Das würde für mich auch das einzige Glas an diesem Abend bleiben. Ich vertrug ja nun wirklich nicht viel. Und ich wollte das Zeug nicht schlucken, um mich von dem Schrecken zu erholen. Aber es sorgte zumindest dafür, das ich mich etwas mehr entspannen konnte. Wir spielten unterdessen genauso weiter wie vor dem Zwischenfall. Meine Laune war nach ungefähr der Hälfte meines Getränks schon wieder richtig gut. Auch Kili und Fili hatten Geschmack am Met gefunden und ich ließ sie auch mal von meinem kosten. "Das Gesöff is auch nicht schlecht", lallte Kili und lag kichernd auf dem Tisch. "Ich glaub du solltest aufhörn mit trinken, Kili. Du fällst noch vom Stuhl", meinte ich und lehnte mich nach hinten. "Ich bin nich betrunken. Nur was benebelt." "Wenn du jetzt an die frische Luft gehst fällst du um wie eine Bahnschranke. Ich sags dir", mahnte ich kichernd mit erhobendem Finger. "Ich glaub du solltest auf Cuna hörn", meinte Fili, der nicht minder vor sich hin lallte und schlug seinem "Bruder" kräftig auf die Schulter. Dieser maulte und wollte zurück schlagen. Da rutschte er auch schon vom Stuhl und landete krachend auf dem Hintern. Wir konnten uns kaum noch halten vor lachen, als er sich abmühte wieder nach oben zu kommen. "Ich glaub der Kleine muss in die Heia. Der is ja schon so müde", zog ich ihn zusätzlich noch auf und nahm ausnahmsweise mal einen tiefen Schluck aus meinem Glas, dass es endlich leer war. Mein Gesicht zog sich zusammen und ich schüttelte den Kopf. Bah! So viel wollte ich gar nicht trinken. Es stieg mir dadurch noch schneller zu Kopf als eh schon. Ich stöhnte kurz auf und gab dann einen viel zu lauten Rülpser von mir. Stille kehrte mit einem mal in der Runde ein. Herrje! Auch das noch! Jetzt hatte ich meine Selbstbeherrschung verloren. Ich klatschte mir die Hände vor den Mund und sank langsam mit knall rotem Kopf in mich zusammen, da alle Augen am Tisch sich auf mich richtete. Gott wie peinlich! So was vor fremden Männern zu tun! Richi schaute nur gleichgültig zu mir rüber und rief:" Schulz!" Wobei er sich mit dem Daumen an die Stirn fasste. Den kleinen Finger nach Oben abgespreizt. Chu tat es ihm gleich. "Was war denn das jetzt?", fragte Thorin, der mich mit einem belustigten Grinsen ansah. Dwalin gackerte im Hintergrund und prostete dem alten Balin zu. Ich schluckte verlegen und versuchte wieder Fassung zu gewinnen indem ich antwortete: "Das Wort zum Sonntag. Sie hörten den Landfunk. Es sprach die Wildsau." "Was? Wildsau? Gibts noch was zu Essen?", fragte Kili irritiert, der wieder auf seinem Stuhl angekommen war. "Das war ja wirklich niedlich", kicherte Fili und setzte prompt einen drauf. Kili legte nach und dann setzte selbst Dwalin ein. Jetzt begann ein regelrechter Rülpswettbewerb an unserem Tisch der einige missbilligende Blicke von benachbarten Tischen auf sich zog. Ich vermied es da noch einmal mit zu machen. Auch Thorin hielt sich da eher raus. Doch konnte ich einfach nicht anders, als mir die ganze Zeit sein amüsiertes Grinsen anzusehen. "Da habt Ihr ja was angerichtet", meinte er gegen Ende des Abends, als wir zu den Zelten marschierten. Kili wurde von seinem "Bruder" gehalten, damit dieser nicht über die Halteseile der Zelte stolperte. "Ich hab gar nichts angerichtet. Das war ein Unfall", sagte ich verlegen und zupfte an meinem T-shirt. Die noch leicht warme Nachtluft sorgte auch bei meinem Kopf für noch etwas mehr Trunkenheit. Höchste Eisenbahn, dass ich mich in meine Hängematte verzog. Nachdem ich mich von den Zwergen verabschiedet hatte, verschwand ich müde nach klein Mordor zurück. Morgen würde ich ziemlich verkatert sein, dachte ich. Soviel war sicher. Doch nach allem was an diesem Tag vorgefallen war, konnte es nur noch besser werden. Oder etwa doch nicht? -12. Wo rohe Kräfte sinnlos walten / ENDE - Kapitel 13: 13. Vom Erdboden verschluckt ---------------------------------------- Die Welt war ganz schön verschwommen an diesem Morgen. Der Met hatte seinen Dienst ordentlich vollbracht und mich mit einem leichten Schwindelgefühl aufstehen lassen, nachdem der Weckruf aus dem "ROZ" über den Campingplatz gehallt war. Noch fühlte ich mich leicht benebelt und musste meine Gedanken sortieren. Doch ein gutes Frühstück würde dem mit Sicherheit eher helfen als in der Matte zu bleiben. Als ich klein Mordor verließ fiel mir erst auf, dass mich die kleinen Herren diesen Morgen gar nicht mit ihrer Anwesenheit behelligt hatten. Offenbar hatten sie den einmaligen Jagdausflug als kleine Warnung verstanden und waren an Ort und Stelle geblieben. Dennoch fand ich die Gruppe bereits Putz munter an ihrem Lager am werkeln. Selbst Kili, der ja noch am Vorabend von seinem "Bruder" gestützt werden musste, um sein Bett zu finden. Seitlich an deren Zelt gelehnt bemerkte ich das Rehfell, dass sie zum Trocknen an einen Spannrahmen gebunden hatten. Es sah schon gewaschen aus und schimmerte rot golden in der Morgensonne. "Morgen Cuna!", rief Fili als ich näher kam. "Morgen", nuschelte ich noch halb schlafend. "Wohin des Wegs?", kam es von Kili der seine Stiefel putzte. "Ähm. Zum Frühstück? Ist doch gleich Zeit", sagte ich und schaute auf meine Armbanduhr. Ja, tatsächlich kurz vor Acht. "Ist dem so? Dann kommen wir mit", meinte Balin, der genüsslich ein Morgenpfeifchen rauchte und die Sonne genoss, solange sie nicht zu heiß war. Sie ließen daraufhin ihre Arbeit oder was sie gerade taten stehen und folgten mir zum Küchenzelt. Allerdings bemerkte ich das zwei fehlten. War auch nicht schwer zu erraten wer. "Wo sind Thorin und Dwalin?", fragte ich nachdem wir einen Platz gefunden hatten. "Reden mit Herr Moe. Geht ja immerhin darum, dass hier nicht nochmal so etwas vorfällt wie gestern Abend", meinte Fili beiläufig und biss ein Stück von einer trockenen Scheibe Brot ab. Ich schmierte mir unterdessen ein Brötchen mit Nutella. Zucker konnte am Morgen ja nicht schaden, um Kraft zu tanken. "Das wird nicht nochmal vorkommen. Solche Idioten kommen nur selten her. Ihr braucht euch da keinen Kopf drum zu machen", meinte ich ruhig. "Thorin macht sich darum aber große Gedanken. Wenn es schon Menschen schaffen so einfach hier Leute angreifen zu können. Wie sieht es dann aus, wenn wir über Nacht von Orks überfallen werden", sagte Balin und musterte mich ernst. "Balin. Es gibt hier keine Orks. Hat es nie und wird es nie. Das sind Hirngespinste. Fabelwesen. Dinge mit denen man hier kleinen Kindern angst macht", gab ich seufzend zurück. Die Augen der drei weiteten sich in einer Mischung aus Spott und Unglaube. Was war nur mit diesen Leuten hier los? Orks... Also mal ehrlich... Man konnte sein Rollenspiel auch echt übertreiben. Und diese Herren hier reizten es bis zum letzten Nerv aus. Hauptsächlich bis zu meinem."Mal was anderes. Was habt ihr heute so vor?", fragte ich um das Thema zu wechseln. "Das werden wir sehen wenn Thorin von Herr Moe zurück ist. Aber wenn ich Zeit habe dann werde ich wohl mal wieder etwas schnitzen. Hab ich lange nicht gemacht", meinte Fili. "Gibt es hier eigentlich noch etwas anderes was man so tun kann Cuna?", fragte Kili. "Also. Soviel ich weiß ist ab Heute der T-shirt Workshop offen. Da könnt ihr Bilder auf Eure Shirts malen. Wenn du Lust hast gehen wir da mal hin", antwortete ich und stopfte den letzten Rest des Brötchens in meinen Mund. "Was ist denn bitte ein... T-shirt?", fragte er und ich verschluckte mich fast an meinem letzten Bissen. Nun schlugs aber echt mal wieder Dreizehn. So beschränkt konnte doch nun wirklich kein Mensch sein. "Das Oberteil was ich gerade trage", meinte ich ein wenig gereizt. "So was besitzen wir nicht", sagte Balin mit beschwichtigendem Ton. "Ihr nehmt mich schon am frühen Morgen auf den Arm, kann das sein?", hakte ich entrüstet nach doch alle drei schüttelten den Kopf. "Soll das heißen ihr rennt nur in diesen Mittelalterfummeln herum?" "Ist was gegen unsere Kleidung einzuwenden? Sie hält warm, ist bequem. Was will man mehr?", sagte Kili und nahm einen Schluck Wasser aus einem Becher. "Nein, es ist natürlich nichts dagegen einzuwenden. Ich find es nur sehr außergewöhnlich nicht auch was Normales zu tragen. Ist doch viel zu auffällig im Alltag." "Das ist doch ganz normale Kleidung. Weiß ja nicht was du da für Probleme hast. Aber wenn du uns zeigst, wo wir so etwas bekommen, dann könnten wir ja mal versuchen sie zu tragen", sagte Fili und grinste breit. Ich musste schlucken. Mit diesen Chaoten einkaufen gehen? Um Himmels willen! Nicht auszudenken, wie die Verkäufer glotzen würden, wenn da einige zu klein geratene Männer mit Axt und Schwert in der Herrenabteilung eines Kaufhauses antraben würden und nach maßgeschneiderten Anzügen fragten. Wobei es vermutlich sowieso eine riesen Herausforderung wäre etwas zu finden, was diese hier tragen könnten. Ich ertappte mich ja schon in diesem Moment dabei, wie ich Kili und Fili in richtig schicke Klamotten packen könnte. Dann sähen sie zumindest einmal im Leben aus wie richtige Menschen. Bei Balin war ich mir nicht ganz so sicher, da immer wenn ich zu dem kleinen alten Mann hinunter sah mir nur ein Nikolauskostüm in den Kopf stieg. "Was ist jetzt? Zeigst du uns so was?", drängte Kili auf eine Entscheidung von mir. Ich atmete tief durch und musterte alle nochmal bevor ich mich dazu durchrang zu sprechen:"Also gut. Ich kann euch mit zum Einkaufszentrum nehmen." Kili und Fili grinsten breit und warfen sich gegenseitig freudige Blicke zu. "Allerdings...", fügte ich an. "Nur unter der Bedingung, dass eure Waffen hier bleiben, ihr nichts ohne meine Erlaubnis anfasst, und erst recht nicht irgendwo hin verschwindet ohne mir Bescheid zu geben, wo ihr hin gehen wollt." "Wird gemacht Schwesterchen. Müssen aber vorher noch Thorin fragen, ob wir mit gehen dürfen", meinte Fili und aß eine weitere Scheibe Brot ohne alles. "Ich denke ich werde hier bleiben. Eure Welt da draußen ist mir doch noch etwas zu ungewöhnlich. Ich hole mir hier vorher lieber noch einige Auskünfte ein. Euer Freund Richi ist wirklich ein guter Junge. Ich werde mich nachher nochmal mit ihm zusammen setzen", meinte Balin lächelnd. Ja, Richi schaffte es wirklich einem die Welt zu erklären. Wobei ich spätestens dann aufhörte ihm zu zuhören, wenn er über Matheformeln oder Computertechnik anfing zu reden. Da konnte er sich zum teil so sehr rein steigern, dass er sogar vergaß zu Essen. Nicht umsonst hieß er deswegen auch gerne in unserem Bekanntenkreis Richi-Pedia. "Also gut. Dann fahren wir Morgen zum Einkaufszentrum, wenn alles gut geht", meinte ich entschlossen und nahm einen Schluck Kakao aus meinem Becher. Ich hatte gerade angesetzt, da ging ein heftiges Rucken durch die Sitzbank und der Halbe Tasseninhalt klatschte mir ins Gesicht und auf das T-shirt. "Hey! Kannst du Trampel dich nicht langsamer hinsetzen?", maulte ich Dwalin an der, sich so rüpelhaft neben Balin hatte fallen lassen. Er versah mich nur mit einem abwertenden Blick und machte sich dann über sein Frühstück her. Thorin nahm mit einer ebenso schlechten Laune neben Kili und Fili platz. Fluchend stellte ich meinen Becher ab und wischte mir das Gesicht und den Kragen mit einer Serviette sauber. Aber wer Kakao kennt, weiß dass es nicht sehr viel hilft. "Was ist los ,Thorin?", fragte Balin diplomatisch über den Tisch. "Es werden keine Wachleute aufgestellt. Die sagen es wäre Zeitverschwendung. Noch dazu würde das für alle hier auf dem Platz zusätzliche Kosten bedeuten", sagte er in einem ernsten aber doch beleidigten Ton. Er zog seine Pfeife vom Gürtel, stopfte diese mit dem Kraut, was sie alle rauchten und zündete sie mit einem Streichholz an. "Hab ich doch gesagt. Warum hört eigentlich niemand auf mich", gab ich motzend von mir und war immer noch damit beschäftigt mich einigermaßen sauber zu bekommen. "Noch gebe ich die Sache nicht auf. Es gibt bestimmt eine Möglichkeit die Leute hier zu schützen", meinte er mit verschwörerischem Unterton und blies kleine Rauchringe in die Luft. Ich seufzte. Unglaublich, dass er immer noch daran fest hielt, obwohl Moe ihm wohl das Passende gesagt hatte. Was wollte er denn nun machen? Selbst eine Sicherheitsfirma engagieren und das auf seine Kosten laufen lassen? Oder kam ihm die glorreiche Idee ein Heer aus den Eisenbergen anzuheuern? Ja, sicher. Ein ganzes Heer von Zwergen. Was auch sonst? Ich musste nur den Kopf schütteln bei dem Gedanken, Thorin würde einen ganzen LKW voller Gartenzwerge in mehreren Reihen hintereinander aufstellen und behaupten, das wäre das große Zwergenheer, das uns verteidigen sollte. "Thorin. Cuna wollte uns Morgen einmal mitnehmen zu so einem Ding namens Einkaufszentrum. Hast du was dagegen, wenn wir hin gehen?", fragte Kili und riss mich dabei aus meinen Tagträumen von axtschwingenden Gartenzwergen. Er schaute kurz zu seinem "Neffen" und dann zu mir. "Was wollt Ihr da mit meinen Jungs?", fragte er mit ernstem abschätzigen Blick. "Nur ein bisschen Kleidung kaufen. Mehr nicht", gab ich zur Antwort und zuckte mit den Schultern. "Reicht euch nicht das, was ihr am Leib tragt?", fragte Dwalin grummelnd. "Wir wollen nur mal diese fremdländische Kleidung hier anprobieren. Gibt ja sicherlich einen Grund, weshalb das alle hier tragen", meinte Fili ruhig. "Außerdem müssen sie es ja nicht unbedingt gleich kaufen. Ich meine, viele gehen in Geschäfte, probieren das einfach nur an, und wenn es denen nicht gefällt, dann gehen sie wieder", fügte ich hinzu. "Also ich weiß nicht...", sagte Thorin und zog nochmal an seiner Pfeife. "Och bitte. Sei doch nicht so. Wenn du willst dann bringen wir dir von da auch was mit", sagte Fili und bedrängte seinen "Onkel" regelrecht. Dieser blickte kurz ernst vor sich hin. Dann wandte er sich an mich. "Ich vertraue meine Neffen nicht einfach irgendwelchen Leuten an. Aber wenn Ihr mir versichern könnt, dass den Jungs kein Leid geschieht. Übergebe ich sie Euch in die Obhut", sagte er und sein Blick bohrte sich dabei wieder so stark in meine Augen dass mir erneut heiß und kalt zugleich wurde. "Ich verspreche es dir. Ich pass auf die Zwei schon auf. Da kann nichts schlimmes passieren", erwiderte ich und er nickte mir ruhig zu. "Im übrigen seid Ihr komplett eingesaut", ergänzte er nach einem kurzen mustern meiner Erscheinung. "Ja, ich weiß. Am besten geh ich mal Duschen. Bis später." Ich stand auf und holte mein Duschzeug. Heute war ausnahmsweise einmal doch "Marilyn" frei. Eine entspannende warme Dusche konnte ich nach diesen Tagen echt brauchen. Und dieses Mal konnten auch keine unbeteiligten Zuschauer hinein glotzen. Ich blieb etwas länger drunter als gewöhnlich. Denn ich wollte es einfach mal genießen allein zu sein. Ohne nervige Zwerge, die von irgendwelchen Orkangriffen fantasierten. Sicher, wegen dem vorherigen Abend war ich ihnen mehr als Dankbar. Aber noch mochte ich die Vorstellung nicht ganz, sie hier auf dem Platz zu wissen. Und wer wusste schon, was Thorin vor hatte. Vielleicht ersann er sich ja doch noch eines Besseren und ließ den Vorfall auf sich beruhen. Doch schien meine Wahrnehmung von Mutmaßungen in den letzten Tagen erheblich gelitten zu haben. Ich konnte mich eines flauen Gefühles im Magen nicht erwehren, als ich aus der Dusche kam. Das Gefühl wurde auch wenig später bestätigt, als ich mehr zufällig meinen Kopf Richtung Zeitplatzeingang wand und ich sah, dass Thorin in voller Montur, Kili und Fili umarmte und dann irgendetwas zu Balin und Dwalin sagte bevor er sich die Kapuze überzog und hinter dem Busch um die Ecke verschwand. Wo wollte denn der jetzt hin? Gefiel es ihm hier nicht mehr, weil es nicht sicher genug war? Wenn ja, warum blieben die anderen hier? Ich schüttelte nur fragend den Kopf. Wenn er ging. Warum verabschiedete er sich nicht auch anstandsweise von mir? Das hätte ich ihm zumindest doch zugetraut. Neugierig wie ich war schritt ich auf die Gruppe kleiner Männer zu, die mir schon wieder entgegen kam. "Wo will den Thorin auf einmal hin?", fragte ich prompt ohne auch nur eine kurze Begrüßung abzuwarten. "Er ist unterwegs nach Hause", meine Kili seufzend. "Unterwegs nach hause? Warum? Ist irgendwas passiert?", versuchte ich nachzuhaken. "Er will dort Unterstützung holen. Für den Fall eines Angriffes wollen wir gewappnet und vorbereitet sein", sagte Dwalin und ging einfach an mir vorbei. "Wie?... Unterstützung? Gewappnet für einen Angriff?!" Mir stiegt sofort das Bild der Gartenzwergarmee wieder in den Kopf und ich schluckte. Vielleicht waren es ja keine Gartenzwerge, aber wenn er noch mehr Rollenspieler von seiner Sorte her holte. Nein! Nein, das konnte ich doch nicht zulassen! "Ist er zu Fuß unterwegs?", fragte ich hastig und schaute panisch zwischen allen hin und her. "Ja, natürlich. Ponys haben wir nicht mitgenommen. Aber er wird eh schon weg sein also... Cuna? Cuna?!", hörte ich Fili rufen doch ich hatte mich mit einem knappen "Danke" schon in Bewegung gesetzt. Ich musste diesen verrückten Kerl aufhalten! Er konnte doch nicht mit noch mehr schwerbewaffneten Leuten hier aufschlagen! Das ging nicht gut! Ich hoffte ihn noch zu erwischen. Weit konnte er ja nicht gekommen sein, so gemächlich, wie er davon geschritten war. Ich erreichte den Parkplatz, doch da war nichts und niemand mehr zu sehen. Wie vom Erdboden verschluckt. "Thorin? Thorin, wo bist du? Verdammt wo ist er hin... Herr Eichenschild sofort bei Fuß!", brüllte ich über den Parkplatz, doch es kam keine Antwort. Ich rannte zur Zufahrtsstraße. Schaute links, schaute rechts. Nichts! Dann dachte ich an das Wäldchen. Vielleicht war er da hinein gelaufen. Ja das musste es sein. Ich machte auf dem Absatz kehrt und rannte in Richtung Wald. "Cuna bleib stehen! Du kriegst ihn nicht mehr! Er ist schon weg!", hörte ich Fili rufen, der mit Kili aus dem Eingang herausgekommen war. Aber ich ignorierte sie schlichtweg. Das war doch nicht wahr? So klein war der doch auch nicht, dass ich ihn übersehen konnte. Schon gar nicht, da er bei weitem nicht so unauffällig gekleidet war, um ihn bei den nicht vorherrschenden Menschenmassen, nicht zu erkennen wäre. Ich stürzte mich in den Wald. Weiter nach ihm rufend. Wollte er mir nicht Antworten oder hörte er mich vielleicht gar nicht? Ich konnte am Waldboden auch keine Spuren von Stiefeln ausmachen, die darauf hingedeutet hätten, dass er hier durchgekommen sein konnte. Schnaufend und erschöpft lehnte ich mich irgendwann an eine Fichte. Der konnte doch wohl nicht in einem Kaninchenloch verschwunden sein? Unmöglich! Was zum Teufel ging hier nur vor? Wo war dieser kleine Mann nur hin? Er konnte auch nicht irgendwie geplatzt sein. Das hätte einerseits einen riesen Knall getan und zum Anderen wäre ein frischer Krater im Boden aufgetaucht. Ich wischte mir die vom duschen und inzwischen auch wieder vom Schweiß nassen Haare aus dem Gesicht. Hinter mir hörte ich mehrere schwere Schritte heran keuchen. "Hier bist du. Meine Güte, Cuna. Was rennst du so schnell?", hechelte Kili, der sich an einem anderen Baum festhielt, als sie mich erreichten. "Wo ist Thorin hin verschwunden? Er muss doch noch hier irgendwo sein", meinte ich und wollte schon wieder weiter suchen, aber Fili hielt mich atemlos fest. "Du kannst ihn nicht mehr erreichen. Er ist schon längst unterwegs nach hause. In ein paar Stunden ist er sicher wieder zurück. Mach dir keine Sorgen um ihn", meinte er und legte mir zur Beruhigung einen Arm um die Schulter. "Ich mache mir weniger Sorgen um ihn, als darum was er gerade vor hat. Und wo ist er überhaupt hin?", fragte ich und ließ mich von Fili mit ziehen. "Nach hause. Sag ich doch. Und er ist bald wieder zurück. Also Kopf hoch", meinte er mit knappen ernsten Ton. Das Beantwortete meine Frage natürlich nicht. Aber große Lust zu streiten hatte ich in dem Moment auch nicht. "Lasst uns zum Platz zurück gehen. Ich brauch was zu trinken", schnaufte Kili und drückte sich wieder etwas aufrecht. Ich schüttelte nur betrübt den Kopf auf dem Rückweg. Dieser Mann gab mir mehr Fragen auf, als ich mir selbst logisch beantworten konnte. Wie kann sich eine Person einfach in Luft auflösen? Ich hatte ja nicht mal ein Auto gehört, dass weggefahren sein könnte. Es wollte mir nicht ins Hirn. Noch dazu die beängstigende Frage, was oder wen er da anschleppen würde, wenn er tatsächlich wieder kam? Den Rest des Tages war mir so schlecht bei diesen Gedanken, dass ich nicht mal wirklich viel zu Mittag essen konnte. Kili und Fili schienen natürlich der Annahme zu sein, dass ich einfach nur Thorin vermisste, weil wir uns wohl aus deren Sicht schon etwas näher standen. Na von wegen! Nicht dass ich ihn nicht attraktiv gefunden hätte. Denn zweifellos würde ich ihn nicht von der Bettkante stoßen wollen, wenn er da mal platz genommen hätte. Aber ich wusste auch, wie unerreichbar und unnahbar diese Art von Mann war. Als ich über meinen leeren T-shirt saß, so in Gedanken versunken, wusste ich wirklich nicht, was ich darauf malen sollte. Auswahl gab es genug. Bilder von Wölfen, Drachen und allerhand Schriftzeichen. Aber mir kam im Augenblick keines wirklich in den Sinn, was ich auswählen sollte. "Mal doch etwas von Hand", schlug Kili vor und beobachtete mich, wie ich über den Bildern hing und weder vor und noch zurück wusste. "So gut bin auch nicht im malen Kili", seufzte ich und legte die Vorlagen auf die Seite. "Dir fällt schon was ein. Wenn nicht heute. Dann Morgen. Vielleicht lässt du es erst mal und ich zeige dir, wie man ein paar nette Holzfiguren schnitzt?", sagte Fili und klopfte mir auf den Arm. "Na gut. Dann gehen wir eben was schnitzen. Ich komm ja nicht weiter." Ich atmete tief durch und stand auf. Das T-shirt ließ ich zusammen mit einem Namensschild erst mal im Workshop-Zelt liegen. Schnitzen war sicherlich auch eine gute Ablenkung. Musste ja nicht irgendwas Großes sein. Und Holz hatten wir genug herum liegen. Also nahmen wir ein paar Klötze vom Brennholzstapel und gingen zum Lagerplatz der Gruppe. Balin saß wie schon am Morgen draußen und rauchte Pfeife. Dwalin saß drinnen und schliff gut hörbar die Waffen, die auf dem Ständer standen. Auch wieder so eine Sache, die ich nicht verstehen konnte. Nur hatte ich es langsam leid mich darüber zu wundern und aufzuregen, was diese Rollenspieler für einen Unsinn machten. Stattdessen bekam ich von Fili ein Messer in die Hand gedrückt und wir begannen etwas an dem Holz herum zu Arbeiten. Handwerklich war ich nie wirklich talentiert gewesen, aber ein wenig abstrakte Kunst würde ich sicherlich zustande bringen. Der Abend brach bald herein und noch immer war kein "Zwergenkönig" in Sicht. "Meint ihr wirklich, dass der noch mal auftaucht?", fragte ich vorsichtig und hantierte ungelenk mit dem Holzklotz herum, den ich schon extrem mit dem Messer misshandelt hatte. "Vielleicht ist ihm was dazwischen gekommen. Vielleicht schafft er es auch erst Morgen früh wieder zurück. Hängt ja auch ganz davon ab, wie viele er mitbringen wird", meinte Dwalin trocken und zündete vor dem Lagerplatz ein eigenes Feuerchen an. Ich schluckte nur kurz und drehte das Holz in Händen. Mehrfach hatte ich über Tag versucht herauszufinden, wie denn Thorin jetzt verschwunden war. Doch ich bekam nie eine klare Antwort. Dann musste ich wohl oder übel warten, bis er selbst zurück war. Gähnend und streckend erhob ich mich schließlich von dem Schemel auf dem ich gesessen hatte und reichte Fili sein Messer zurück. "Ich geh schlafen. Heute ist nichts mehr los hier", meinte ich ruhig und wurde mit allseitigem Nicken verabschiedet. Meine "Figur" nahm ich natürlich mit. Ich wollte zwar noch nicht gleich schlafen, sondern vorher noch etwas Lesen. Bücher hatte ich ja zu genüge mitgenommen. Vielleicht sollte ich nochmal "Das Silmarillion" lesen. Das würde mich ein wenig beschäftigen bevor ich einschlief. War zwar nicht mein Lieblings Buch der Tolkien-Reihe. Aber es war zumindest nicht zu schnell durchgelesen. Gerade als ich bei den Passagen von Feanor angelangt war, in denen er die Silmarill erschaffen hatte, fielen mir die Augen zu und ich nickte weg. Ich sah im Traum ein Leuchten. Einen faustgroßen Edelstein. Er leuchtete blau-weiß und ein wenig rötlich im Innern. Drum herum schlagen sich kleinere Wellen aus Licht. Jemand hielt ihn in der Hand. Im Schein des Edelsteins sah ich ein vertrautes ernstes Gesicht, auf dem bald ein Lächeln hinter dem schwarzen Bart auftauchte. Und zwei blaue Augen, in denen sich die Pracht des Steines spiegelte. Ich wollte danach greifen, doch es schien einfach unerreichbar fern für mich. Je näher ich kam. Umso weiter weg glitt die Person mit dem Edelstein. "Thorin komm zurück! Komm zurück!", stieß ich plötzlich hervor. Doch er verschwand mit dem Stein und seinem dunklen Lachen und ließ mich in der Finsternis allein zurück. Etwas krampfte sich in mir zusammen. "Lass mich nicht allein! Bitte lass mich nicht allein!", rief ich ihm sonderbarerweise hinterher. Doch da war nichts. Nur Dunkelheit. "Cuna! Cuna wach auf! Komm Steh auf!", brüllte mir jemand regelrecht ins Ohr und erneut innerhalb von drei Tagen landete ich unsanft neben meiner Hängematte. "Ah.... verdammt... Kili hast du sie noch alle?!", maulte ich und suchte erst einmal nach Oben und Unten. "Entschuldige. Bist du verletzt?", fragte er und hob mich an den Schultern auf die Füße. "Nur mein Stolz. Was ist denn los? Ist jemand gestorben oder warum bist du so durch den Wind?", fragte ich entrüstet und klopfte mir den Staub von den Kleidern. "Nein. Thorin ist wieder da. Und er hat Freunde mitgebracht, die dich unbedingt kennenlernen wollen", sagte er und zog an meinem Arm herum. "Freunde?", fragte ich und war unmittelbar mit einem Schlag wacher, als vor einigen Minuten. Ich ließ mich wiederstandlos von ihm mitschleifen, bis ich von selbst meine Füße bewegte. Er war in Hochstimmung und spurtete schon mal vor. Lange brauchte ich nicht zu warten, denn ich hörte es schon. Lautes Gelächter und Gegröle aus Richtung Zwergenlager. Nein! Das konnte doch nicht sein! Hatte er wirklich...?! "Da ist sie ja!", hörte ich Fili rufen der inmitten einer Traube vieler kleiner bärtiger Männer stand und einen nach dem andern Begrüßend umarmte. Ich erstarrte mit weit aufgerissenem Mund. Das musste noch zu meinem Traum der vergangenen Nacht gehören. Das war doch jetzt nicht Wahr?! Der ganze Rest der Zwergenmannschaft stand mir gegenüber und sie grölten, lachten und jubelten vor sich hin. Als Fili auf mich aufmerksam gemacht hatte, drehten sich einige, die mit dem Rücken zu mir gestanden hatten um und musterten mich neugierig. "Das ist Cuna?", fragte ein kleiner Mann mit Tophaarschnitt, der unzweifelhaft Ori sein musste. Diese Stimme und das Aussehen. Zweifellos. Er war das Ebenbild von Ori. Einer der mir am nächsten stand, schlug mir so kräftig mit der Hand auf den Rücken, dass ich husten musste. Er lächelte mich gut gelaunt an sagte: "Schön dich kennen zu lernen. Ich bin Bofur." Nach Luft ringend hob ich den Kopf und mein Blick fiel auf den Eingang des Zeltes, wo sich Thorin gerade seines Umhangs entledigte. Na warts nur ab, dachte ich. Mit dir hab ich ein ordentliches Hühnchen zu Rupfen. -13. Vom Erdboden verschluckt / ENDE - Kapitel 14: 14. Germany's next Top Zwerge ----------------------------------------- Da stand ich nun. Halb verschlafen vor einer kleinen Legion mehr oder weniger behaarter Männer. Doch den, den ich deswegen eigentlich sprechen wollte, stand ganz hinten außerhalb meiner Reichweite. Zum Einen war es sein Vorteil, da es mir wirklich in den Fingern juckte ihm den Hals umzudrehen. Was fiel ihm bitteschön ein, hier diese Heilsarmee aufmarschieren zu lassen?! Jeder einzelne von denen trug eine Ansammlung Waffen bei sich, die vermutlich jedem Museumsbesitzer die Tränen in die Augen getrieben hätte. Derzeit stiegen aber nur mir die Tränen in die Augen, nachdem mir Bofur einen ordentlichen Klaps auf den Rücken versetzt hatte. Unangenehm war es auch, dass mich dreizehn Augenpaare auf einmal ansahen. Manche freundlich, andere wiederum abschätzig bis misstrauisch. "Das soll Cuna sein? Das ist ein verdammtes Menschenweib!", polterte einer der Kleineren mit rotem Haar drauf los und schnaubte mir entgegen. "Sie ist es. Glaubt es uns", meinte Fili und grinste mich an. Ich mochte es ihm nicht erwidern. Zurecht wie man definitiv sagen konnte. Zuerst wieder so ein unsanfter Weckwurf aus meiner Matte und dann eine Ansammlung Zwerge vor dem Wäldchen, in dem ich eben noch geschlafen hatte. So musste sich Bilbo gefühlt haben, als über ihm sein friedliches Leben zusammen gebrochen war, während genau die selbe Bande bei ihm auftauchte. Nur mit dem Unterschied das Thorin diesmal einer der Ersten hier war. Dieser blickte sich gleichmütig um und nahm erst einmal sein Schwert vom Gürtel bevor er einfach ins Zelt marschierte. "Hey, einen Moment mal Herr Eichenschild!", rief ich ihm nach und wollte mich durch die Menge an kleinen Männern kämpfen. "Was willst du Menschenweib?", blaffte mich der rothaarige Mann schief von der Seite an. "Mit Thorin redest du gefälligst nur, wenn du gefragt wirst klar?" "Ich rede mit ihm wann ich will und wo ich will. Das hat mir so ein Bartgesicht, wie du nicht zu sagen. Schon gar nicht hier!", schnauzte ich ihn gereizt an. "Du freches Gör. Lern erstmal Respekt vor Erwachsenen!", rief er aus und ich konnte schon sehen, dass er ans Heft seiner Axt packte. "Halt die klappe Gloin, sie ist eine Freundin der Familie", kam es mit leicht erschöpftem Ton aus dem Zeltinnern. "Aber Thorin...", setzte er an. "Lass sie durch. Ich habe sowieso mit ihr zu reden", meinte Thorin nun wesentlich gereizter und ungeduldiger. Damit war deutlich das letzte Wort gesprochen und Gloin ließ mich widerwillig passieren. Die anderen kleinen Männer waren deutlich zurückhaltender, als dieser schroffe Kerl. Meine Güte, der hätte auch gut Dwalin heiraten können. Das wäre wohl eine absolut harmonische Ehe geworden, dachte ich bissig bei mir. Als ich den Unterstand betrat, war Thorin gerade dabei etwas in seinem Rucksack verschwinden zu lassen und sich seiner Rüstung zu entledigen. Noch ehe ich etwas sagen konnte, ergriff er sofort das Wort:"Ich hab gehört Ihr habt Euch Sorgen um mich gemacht." Es klang mehr feststellend als fragen. Aber dennoch war eine Spur Überraschung in seiner Stimme. "Also.... ich... ähm... Ein bisschen vielleicht. Wo zum Henker bist du denn ab geblieben?", fragte ich und machte ein paar Schritte auf ihn zu. "Ich war zuhause und habe Unterstützung geholt, wie Ihr unschwer erkennen könnt", antwortete er schlicht. Gerade so, als wäre er eben nur beim Bäcker gewesen um Brot zu kaufen. "Wie? Zuhause? Wie bist du denn nach hause gekommen?", fragte ich und das hatte ich auch dutzende Male die Anderen gefragt. "Zu Fuß", gab er knapp zurück und drehte sich dann zu mir um. Er wirkte mitgenommen. So als habe er fast Vierundzwanzig Stunden kein Auge zu gemacht. Man konnte durchaus sagen, dass ihm die Augenringe fast bis zu den Kniekehlen reichten. Nun gut vielleicht wirkte es auch im Dunkeln des Unterstandes nur so. "Ja... wie zu Fuß...? Ich hab versucht dir nach zu laufen und konnte dich nicht mehr finden. Oder willst du mir sagen du hättest plötzlich einen Turbolader an den Stiefeln gehabt?", meinte ich und war inzwischen noch ungehaltener, da ich immer wieder nur die selbe dumme Antwort bekam. Herr im Hemd! Konnten die nicht einmal Klartext reden?! "Es ist nicht wichtig, wie ich nach hause gekommen bin. Ich bin jetzt zurück. Und das sollte Euch als Antwort genügen", gab er ein wenig barsch zurück. Ich fühlte das dies wohl das Zeichen war, ihn nicht weiter damit zu belästigen. Auch wenn ich mir fest auf die Zunge beißen musste, um die Worte runter zu schlucken die mir auf dem Herzen brannten. Vielleicht würde er es mir ja auch erzählen, wenn er etwas geschlafen hatte. Das täte ihm bestimmt gut, so wie er aussah. "Also... du wolltest etwas mit mir bereden?", fragte ich nachdem ich ein paar Minuten angespanntes, schweigendes Anstarren mit ihm gespielt hatte. "Ja. Ihr wolltet mit meinen Neffen einen Ausflug machen. War doch so, oder?", fragte er und ich bestätigte dies mit einem Nicken. "Wann brecht ihr auf?" Ich kratzte mich eben am Kopf und dann am Kinn. Darüber hatte ich mit den Beiden noch gar nicht gesprochen. War doch das plötzliche verschwinden des "Zwergenkönigs" am Vortag Aufregung genug für mich gewesen. "Ja. Weißt du. Das wollten wir wohl Heute besprechen. Da war gestern nicht wirklich die Zeit zu. Wird aber mit großer Wahrscheinlichkeit noch am Vormittag sein", antwortete ich schließlich. "Gut. Mir wäre es ein Anliegen wenn Ihr mit ihnen vor dem Abendessen zurück seid", meinte er nickend und griff kurz nach seinem Geldbeutel am Gürtel. Er fasste hinein, zog drei grüne Scheine heraus und drückte mir diese dann in die Hände. Mit großen Augen blickte ich auf die Dreihundert Euro die mir da entgegen lachten. "Wofür ist das?", fragte ich und war deutlich überrascht. "Für den Kutscher, mit dem ihr Fahren werdet. Oder was hattet Ihr gedacht?", schnaubte er mit einem spöttischen Grinsen auf dem Gesicht. Kutscher... Oh Mann. Ich konnte mir allein schon bei der Aussage wieder hundertmal innerlich an den Kopf schlagen, warum er einfach nicht Taxi sagte. "Taschengeld für deine Neffen", antwortete ich schließlich schulterzuckend. Auf meine Antwort hin brach er kurz in ungläubiges Gelächter aus. Ich spürte, wie meine Wangen sich röteten. Klar die zwei hatten ja Geld. Weshalb fragte ich auch so blöd? Ich war wohl wirklich noch nicht ganz wach. "Fili und Kili sind nicht mehr so klein, dass ich deren Geld verwalten muss. Aber nett das Ihr ausgerechnet an so was denkt. Im übrigen solltet Ihr euch bei Balin abmelden, sobald ihr euch auf den Weg macht. Ich werde mich etwas ausruhen. Das wäre dann alles", sagte er und setzte sich auf seinen Schlafplatz, wo er zunächst die Stiefel auszog und sich dann lang machte. Ich hätte ihn gerne noch mehr gefragt oder irgendetwas gesagt, doch da war er schon offensichtlich eingeschlafen. So leise es ging machte ich auf dem Absatz kehrt und ging nach draußen, wo die andere Hälfte der Zwergenbande nun ein weiteres Zelt errichtete. Sie machten dabei so einen Heiden Lärm, dass einige andere Zeltstadt Bewohner wütend ihre zerzausten Köpfe aus ihren Schlafsäcken hoben um nachzusehen, wer sie da so früh aus den träumen riss. Für gewöhnlich machte dies ja das "ROZ". Aber es war noch gut eine Stunde zu früh für laute Musik. "Schläft er?", fragte mich Fili sofort nachdem ich den Kopf nach draußen gestreckt hatte und das Geld in meiner Trainingshose verschwunden war. "Ja. Grade eingeschlafen. Ich muss gleich noch mit euch beiden reden, wegen dem Ausflug heute", meinte ich knapp. "Kein Problem. Ich wäre dafür, dass wir direkt nach dem Frühstück aufbrechen. Dann haben wir den ganzen Tag für uns", meinte er und sah belustigt dabei zu, wie zum zweiten Mal die rechte Zeltstange in sich zusammen brach und die Zwerge, die unter der Plane waren, laut fluchend versuchten darunter hervor zu kommen. "Dori! Halt doch endlich mal die Stange da fest!", brüllte einer doch konnte ich nicht ausmachen wer es war. Ein wenig abstrus war deren Darbietung ja schon. Ein gelegentliches Kichern konnte ich mir nicht verkneifen. Stand die eine Zeltstange wieder, fiel eine andere um. Und die Herren waren so Geistreich, dass sie nur einen dazu abkommandiert hatten die Außenstangen zu halten. Dori flitzte inzwischen schon genervt schnaufend von einer Ecke zur anderen. "Sollen wir uns nicht erbarmen denen zu helfen?", fragte ich Fili, der neben mir schon um diese Zeit eine Pfeife am Mund hatte. "Ach nein. Lass die mal machen. Die werden das früher oder später schon merken", antwortete er grinsend. Ich seufzte und gab ein kurzes Gähnen von mir. Gut geschlafen hatte ich ja nun nicht. Dieser Traum war einfach zu unheimlich gewesen. Am besten war es wohl, wenn ich noch vor dem Frühstück duschen ging. Danach würde ja keine Zeit sein. So machte ich mich zunächst wortlos zu meinem Schlafplatz und dann wieder in Richtung Duschen auf. Dabei begegnete ich auch meinen Freunden Richi und Chu, die mich planlos ansahen und auf den neuen Pulk von Zwergen deutete. "Was ist denn hier kaputt?", rief Chu mir entgegen und wirkte mehr als entsetzt. "Meine nerven, Chu. Meine nerven", sagte ich knapp. "Wo kommen die denn her?", fragte Richi und strich sich über die Stirn. "Keine Ahnung. Thorin hat die letzte Nacht an geschleppt. Sagt mir aber nicht wie und woher. Wegen dem bekomme ich noch mit mitte Dreißig graue Haare, ich sags euch", antwortete ich und hörte, wie erneut das zweite Zwergenzelt scheppernd in sich zusammen fiel. "Brauchen die vielleicht Hilfe?", fragte Chu doch ich schüttelte den Kopf. "Die brauchen mehr als nur Hilfe. Die brauchen alle nen Wagen zur "Lala- Burg". Und wenn das so weiter geht ich auch", sagte ich seufzend und wieder krachte es im Hintergrund. "Oh man Jacky. Was hast du jetzt vor? Und warum sind so viele da?", kam es von Richi. "ICH gehe erst mal duschen, danach Frühstücken. Und dann werde ich mit Kili und Fili mal in ein Einkaufszentrum gehen und die wieder wie normale Menschen anziehen. Vielleicht kommen sie dann wieder zu sich und erinnern sich, dass sie keine Wild gewordenen Film-Zwerge, sondern ganz normale Menschen sind. Zumindest bleibt das zu hoffen. Und so viele sind da, weil Herr Eichenschild immer noch der Meinung ist, wir bräuchten hier massig Leibwachen. Wird ja sehen, was er davon hat, wenn die nix zu tun bekommen", sagte ich seufzend und meine Freunde drückten mich beide einmal kurz. "Pass auf jeden Fall auf dich auf. Ruf an wenn es Probleme mit denen geben sollte. Damit wir Bescheid wissen ja?", murmelte Chu mir ins Ohr. "Mach ich. Keine sorge. So... Jetzt aber duschen", antwortete ich und lenkte meine Schritte zu den Duschkabinen. Nach einer Runde mit "Marilyn" hatten sich zumindest meine schmerzenden Muskeln entspannt. Bis zum Frühstück dauerte es da noch eine halbe Stunde, weshalb ich kurz das Gespräch mit Balin suchte. Das zweite Zwergenzelt stand nun auch und die Herren machten es sich gerade darin heimisch. "Balin? Hast du kurz ein paar Minuten für mich Zeit?", fragte ich den kleinen Mann freundlich und er lächelte nickend. "Was kann ich für Euch tun, Kind?", fragte er und trat näher an mich heran. "Also. Du weißt ja, dass ich mit den Jungs gleich unterwegs bin. Ähm... würde es dir was ausmachen deinen Freunden zu sagen, sie mögen sich mit ihren Waffen und dem ganzen Kram doch etwas zurück halten. Ich habe keine Lust bei unserer Rückkehr das halbe Lager in Schutt und Asche gelegt vor zu finden", sagte ich sachlich aber höflich. "Nur die Ruhe, meine Liebe. Hier wird niemandem ein Leid geschehen. Das verspreche ich Euch. Ihr solltet nachher den Tag mit den Jungs genießen und sie dann heil wieder zurück bringen", meinte er und klopfte mir, als einziger dieser Herren, vorsichtig auf den Rücken. "Was hab ich da gehört? Du willst mit Kili und Fili weg?", fragte Bofur, der nach draußen gekommen war, um die Rucksäcke rein zu tragen. Seine Mütze saß schief auf seinem Kopf und er musterte mich neugierig. "Ja, das ist richtig", meinte ich nur knapp. "Können wir anderen da auch mitkommen?", erwiderte er erneut fragend und war offenbar fest in der Annahme, ich wäre so blöd und würde die gesamte Chaoten Truppe hinter mir her schleifen. "Ihr bleibt erst mal hier und ruht euch aus. Ihr seid ja gerade erst angekommen. Richtet euch ein und macht euch mit dem Regelwerk vertraut ja?", erklärte ich ruhig und auf meinem Gesicht breitete sich ein sehr steifes Lächeln aus. "Naja... hast du auch wieder recht. Aber ein andermal könntest du uns doch dann mitnehmen, oder?" "Das wird sich zeigen, wenn wir wieder da sind, okay?" "Na gut. Dann bis später Cuna", rief er noch und schon verschwand er mit vier Rucksäcken in der Hand bei den Anderen. Na das konnte ja heiter werden. Wenn die wirklich alle mit auf so einen Ausflug wollten, dann müsste ich ja einen ganzen Bus mieten. Und selbst wenn die den Bezahlten würden, so zweifelte ich langsam dran, dass einer von denen einen Personenbeförderungsschein besaß oder überhaupt einer fahren konnte. Seins drum. Ich hatte mich ordentlich in die Scheiße geritten mit denen. All das und nicht einmal eine Woche hatte ich mich erholen können. Mir blieb nur die wage Hoffnung, das es später beim Einkaufen nicht ganz so schlimm wurde. Nach dem Frühstück machte ich mich mit Fili und Kili unter allseitigem verabschieden und auch argwöhnischem Geflüster, das Einzig und allein mir galt, auf den Weg zur Hauptstraße des Ortes. Unterwegs zückte ich mein Handy um ein Taxi zu bestellen. Wenn Thorin das schon bezahlte, dann sollte ich es auch nutzen. "Was ist das für ein komischer Plapperkasten, in den du da gerade rein gesprochen hast?", fragte Kili und streckte sich. "Meinst du mein Handy?", entgegnete ich und er nickte. "Sagt mir jetzt nicht, dass ihr das auch nicht kennt." Allseitiges Kopfschütteln war ihre Antwort darauf. Ich seufzte und begann ihnen gezwungen ruhig zu erklären, dass es sich dabei um ein Gerät handelte, mit dem man über weite Strecken mit anderen reden oder Briefe schreiben konnte. Wobei ich mit Briefe natürlich Emails und sms meinte. Aber ich dachte mir, wenn ich denen das auch noch erklären müsste, säßen wir wahrscheinlich noch am Sankt Nimmerleisntag da. Das Taxi war die nächste Herausforderung. Nicht unbedingt das Einsteigen, aber das Anschnalle und die Fahrt waren das bisher Schlimmste was ich je miterleben musste. "Wo sind denn die Pferde dieser Kutsche?", fragte Fili. "Im Motor", grummelte der schlechtgelaunte Fahrer, als die Jungs zum dritten Mal den Wagen umrundet hatten, bevor sie endlich einstiegen. Mir stieg die Schamröte ins Gesicht. Als wir dann los fuhren, klammerten sich die Beiden verängstigt aneinander. "Hilfe! Die Welt bewegt sich da draußen so schnell", jammerte Kili. "Können wir nicht irgendwelche Pony nehmen oder so was?", gab Fili von sich. "Schnallt euch erst mal an", rief der Fahrer barsch nach hinten. "Anschnallen? Was denn?", fragte Kili und sah sich verwirrt um. "Die Sicherheitsgurte Jungs... Links und rechts von euch...", meinte ich genervt, nachdem ich dem Fahrer schon mal die Adresse genannt hatte. Im Innenspiegel sah ich, wie sie endlich die Gurte entdeckten und fragend musterten. "Wohin damit Cuna?", kam es von Kili. "An euren Sitzen ist eine Halterung da müsst ihr sie einklinken. Ganz einfach", sagte ich und der Fahrer musterte mich fragend. "Wo haben Sie die denn aufgegriffen? Das sind mir vielleicht zwei Dödel", sagte er leise, während ich zu meiner Erleichterung hinten zwei Schnappgeräusche hörte. "Ja. Aber es sind meine Dödel", schnaubte ich und öffnete das Beifahrer Fenster einen Spalt, damit frische Luft rein kam. Taxen waren zwar hier noch das einfachste Verkehrsmittel, aber die Fahrer konnten genauso ruppig mit den Karren umgehen, wie die Rennfahrer der DTM auf dem Nürburgring. Dieser, war zu unser aller Glück noch einer von denen, die langsamer fuhren, wenn man es ihnen sagte. Das war auch gut so. Denn Fili und Kili verhielten sich auf der Rückbank, wie die kleinen Kinder. Sie hielten sich die Augen zu, wenn es ihnen zu schnell wurde und beschwerten sich fast minütlich darüber, dass ihnen in jeder Kurve schlecht wurde. Langsam fragte ich mich wirklich, ob die schon alt genug waren, um ohne ihre Mutti allein irgendwo hin zu dürfen. Als der Kaufpark erreicht war und wir ausstiegen, war ich sichtlich erleichtert. Die Jungs allerdings noch mehr. Sie krochen regelrecht aus dem Fahrzeug und wankten auf den Bürgersteig. Ich schüttelte nur den Kopf und gab dem Taxifahrer noch ein ordentlichen Trinkgeld für diese Strapazen. "Vielen Dank. Und buchen Sie uns nie wieder", antwortete er grimmig erleichtert und fuhr davon. Ich schnaubte und ging dann zu den beiden Jungs, um ihnen auf zu helfen. "Na gehts wieder ihr beiden starken Männer?", gab ich sarkastisch von mir. "Das war ein Höllenritt. Zurück nehmen wir bitte Ponys", jammerte Fili und war noch blass um die Nase. "Es gibt hier keine Ponys. Davon abgesehen, würden wir mit denen erst Morgen früh im Lager sein und dann würde mich Thorin erschlagen. Oder Gloin, dem traue ich das eher zu. Jetzt kommt. Folgt mir", befahl ich und schritt in die Passage. Ich kannte den Kaufpark schon, seit ich mit meinem Ersten Mann zusammen gewesen war. Hier fand man alles mögliche. Friseure, Fressbuden, Einfache Supermärkte, Eisdielen, Elektronikfachgeschäfte, Ein Euro Shops und natürlich Bekleidungsgeschäfte. Auf diese hatten wir es ja abgesehen. Am leichtesten hätten wir es wohl, beim den allseits bekannten C&A gehabt. Doch mit meinem Anhängsel, war es extrem schwer auch nur irgendwo Schnur gerade aus zu laufen. Alles. Ja wirklich ALLES war neu für sie. Ich musste sie regelrecht an den Haaren hinter mir her ziehen, damit sie nicht zu sehr herum trödelten. Wir hatten vielleicht den ganzen Tag Zeit, was aber für mich nicht hieß, dass wir stundenlang den Fernseher im Kinoschaufenster begutachten sollten, an dem wir zwangsläufig vorbei kamen. "Was machen die Menschen denn in dem Fenster da? Und warum laufen die vor dem Wasser weg?", fragte Fili, als ich ihn von der Scheibe weg zog. "Das ist ein Film, der hier im Kino lauft. Es geht um eine Umweltkatastrophe, die die ganze Welt vernichtet", meinte ich genervt. "Die vernichtet die ganze Welt? Dann müssen wir sie aufhalten!", rief Kili und ich packte ihn gerade noch am Arm bevor er die Scheibe einschlug. "Das sind bewegte Bilder! Das ist nicht echt, Kili!", brüllte ich ihn an und er ließ verwirrt den Arm sinken. "Aber... wir sehen es doch gerade da... wieso.. ich meine...", stammelte er bedrückt. "Das sind eben nur zusammen gesetzte Bilder, die gemacht wurden und jetzt nacheinander ablaufen. Das hat nie stattgefunden. Das ist einfach nur ein Beispiel, was passieren kann, wenn man nicht darauf achtet, wie wir Menschen mit der Natur unseres Planeten umgehen", entgegnete ich und zerrte sie weiter. Als nächstes stoppten sie beim Wurstwagen. Dort gab es wirklich die beste Brat und Currywurst der ganzen Gegend. Fast mit nichts anderem vergleichbar. Und daher immer gut von Kaufparkgästen umringt. "Das duftet so köstlich. Können wir da was essen?", fragte Fili und starre zum Wagen. "Ihr hattet gerade erst Frühstück. Wenn wir mit dem Klamotten kauf fertig sind. Dann dürft ihr", sagte ich und zog sie weiter. "Du bist ja fast genauso schlimm wie Mutter, weißt du das Cuna", maulte Kili. "Jetzt ja", antwortete ich barsch. Im C&A angekommen bemerkte ich, das Plakat an den Schaufenstern "Heute große Modenschau. Vorstellung der Sommer Herbst Kollektion". Ich musste mit den Augen rollen. Dann würde es da drin sehr eng werden. All diese Modeverrückten, viel zu breiten, älteren, aber innerlich junggebliebenen Tussen, die meinten sich in ein Kleid Größe XS zwängen zu können obwohl sie eigentlich nur XL tragen konnten. Oder die Jungen Weiber, die sich für eine Kopie von Paris Hilton hielten. Am besten mit "Teppichferrari" als Zugabe in der Handtasche. Noch dazu die abgemagerten Skelette auf dem Laufsteg, die sich für so Sexy hielten, dass sie bei jedem Schritt sogar den nicht mehr vorhandenen Bauch einzogen um noch schlanker zu wirken. Moppelmodels waren auch seit den Kampagnen der letzten Jahre nicht in Mode gekommen. Stattdessen bevorzugte man immer noch die Magersüchtigen wegwerf Modelle. Die eigentlich eher Hilfe anstatt einen solchen herabwürdigenden Job brauchten. Mancher hatte schon zu mir gesagt, ich wäre auf so was einfach nur neidisch. Pah von wegen! Übergewicht war vielleicht auch nicht gerade gesund, aber immerhin konnte ich nicht von mir behaupten, ich würde einen langen kalten Winter nicht überleben. Im Geschäft war natürlich viel los. Wir hatten einiges an Probleme in die Herrenabteilung zu kommen. Doch schließlich waren wir dort ganz alleine, da sich das kreischende und jubelnde Volk lieber um den Catwalk versammelte, der einmal mitten durch den Laden ging. "Was sind das denn für unheimliche Kreaturen da auf den Podesten?", fragte Fili und zupfte mir am T-shirt Ärmel. "Du meinst sicher die Frauen auf dem Laufsteg. Die zeigen die neueste Mode des kommenden Sommer / Herbst Kataloges", meinte ich belustigt und schaute für die Zwei erst mal nach Hosen. Kurz war sicherlich angebracht. Nur die Größe, war mir noch nicht ganz schlüssig. Ich versuchte es erst mal bei denen mit L. Wechseln konnte man ja immer. "Das sind Frauen bei euch? Ich hatte sie für Bilwissinzuchten gehalten", platzte es laut aus Kili heraus und ich musste lachen. Fili schüttelte sich mit angewidertem Gesicht. "An denen ist gar nichts dran. Mich wundert, dass deren Haut an Ort und stelle bleibt. Eine Frau muss man anpacken können, ohne dass sie einem in der Hand zersplittert", meinte er nur und nahm die ersten Kleidungsstücke von mir entgegen. "Das sieht man hier anders. Man gibt den Frauen hier vor, dass es schön ist sich zu Tode zu hungern, damit man für die Männer attraktiv ist. So und bevor ihr euch mitten im Laden umzieht. Kommt mit zu den Kabinen", meinte ich trocken und brachte sie zu den Umkleiden. Ich wartete draußen, während sie sich hinter dem Vorhang umzogen. Beide kamen fast gleichzeitig heraus und... Sie sahen fantastisch aus! Wären die Bärte und die Haare nicht gewesen, hätte ich fast behauptet es wären zwei andere Männer erschienen. Fili hatte ich ein Komplett Weißes Outfit gegeben. Muskelshirt, weiße Stoffhose mit schwarzem Gürtel und ein lockeres Weißes Hemd zum Drüberziehen. Für Kili hatte ich eine Jeans und T-shirt Kombi gewählt. Dunkelblaue Jeans, schwarzes T-shirt mit Aufdruck und eine nette Weste. Aufgrund ihrer kleinen aber breiten Statur wirkten sie darin, wie die absoluten Sonnyboys, die an jeder Promenade für Ohnmachtsanfälle sorgten. "Ihr seht unglaublich aus Jungs!", rief ich begeistert und richtete ihnen noch etwas die Krägen und zog die Shirts gerade. "Meinst du echt? Ich finds etwas. Nun ja Ungewöhnlich", meinte Kili und musterte sich im Spiegel. "Passt zumindest alles? Ist euch nichts zu eng?", hakte ich nach. Kili nickte und drehte sich einmal um sich selbst. "Also. Ja ist wunderbar bequem. Wobei ich eigentlich meine normalen Sachen lieber habe", sagte Fili und setzte sich. "Wartet hier. Ich hol euch eben noch ein paar coole Sonnenbrillen und vielleicht noch ein Paar Sachen", sagte ich und eilte los. Einmal zu den Accessoires und nochmal zu den Hosen, Shirts und Hemden. Wenn ich schon mal zwei lebendige Anziehpuppen hatte. Warum also nicht auskosten? Als ich jedoch gut gelaunt zurück zu den Kabinen marschierte, standen mehrere Menschen in Anzügen bei den beiden Jungs und bedrängten sie mit verschiedenen Fragen und Äußerungen. Mir schwante dabei etwas ganz ganz übles... -14. Germany's next Top Zwerge / ENDE - Kapitel 15: 15. Die harten Seiten des Model-Business ---------------------------------------------------- Ich wollte meinen Augen nicht trauen, als ich die ganzen Modefritzen und Anzugträger da um Kili und Fili versammelt vorfand und sie offensichtlich zu bequatschen versuchten. Als ich näher kam hörte ich dann auch worum es ging. "Das ist ganz einfach. Sie beide müssen einfach nur unsere Kleidung anziehen und über den Steg da hinten laufen. Bis ganz zum Ende, dann bleiben Sie einen Moment lang stehen und kommen wieder zurück. Mehr ist wirklich nicht zu tun", meinte eine Dame mit weißer Bluse und eng gestecktem Haarknoten. Wahrscheinlich die Geschäftsführerin, denn sie trug eines der ladentypischen Namensschilder an der Brust. "Also wenn das alles ist dann. Nun ja, warum nicht", sagte Kili und schaute Fili dabei noch einmal kurz bestätigend an, ob er auch damit einverstanden war. Als ich diesen nicken sah, klappte mir die Kinnlage runter. Nein das konnte ich auf keinen Fall zulassen! Wer weiß wo das enden würde? Nicht das die noch irgendwelche Knebelverträge unterschrieben und am Ende in drittklassigen Amateur-Pornovideos landeten. Auch wenn diese gerade mit den beiden Burschen wohl einen gehörigen Umsatz erzielen würden. Ich war mir zwar sicher, dass die beiden bestimmt Erwachsen genug waren, um das selbst zu entscheiden. Aber ich kannte zumindest einen Herren, der mir dafür den Hals umdrehen würde, wenn er meine Unachtsamkeit heraus fände. Der Gedanke von Thorins langem, schwarfen Schwert, dessen Spitze gezielt auf meine Kehle deutete, ließ mich zusammen zucken. Ich musste schnell was unternehmen! Ich legte die Kleidung, die ich rausgesucht hatte auf einen Grabbeltisch und schritt zügig zu der Traube von Leuten, die die Beiden umringten. "Was geht denn hier vor?", fragte ich laut und zog sofort alle Blicke auf mich. "Ähm. Können wir Ihnen behilflich sein?", erwiderte die Geschäftsführerin mit einer recht pikierten Tonlage, als sie mich offenkundig abwertend musterte. "Ja. Ich will wissen was sie mit den beiden Jungs da vor haben?" "Ich schätze das geht Sie doch am allerwenigsten etwas an, meine Liebe. Wenn Sie allerdings ruhe beim Umziehen brauchen, werden wir uns mit den Herren sofort entfernen", gab sie kühl von sich. "Sie werden sich überhaupt nicht mit den Herren entfernen. Und es geht mich sehr wohl etwas an. Denn ich trage die Verantwortung für die Zwei", erwiderte ich ebenso kühl, wenn auch leicht gereizt. "Dann sind Sie wohl die Managerin der beiden Herren da?", fragte einer der Männer mit einer Stimme, die selbst bei minus dreißig Grad, eine Außentemperatur wie im Frühling schaffen konnte. Nicht dass ich Homophob wäre, denn auch da hatte ich einige unter meinen entfernteren Bekannten, die der gleichgeschlechtlichen Liebe zugetan waren. Aber die tuffige Stimmlage, war zumindest bei diesem Herren ein Zeichen für Arroganz. "Nein, das ist unsere Schwester Cuna", meinte Kili, welcher sich aus dem Knäuel löste und mir einen Arm um die Schulter legte. "Schwester?", fragte der Tuffige beflissen und strich sich die gegelten dunklen Haare noch viel glatter. "Offenbar verteilt sich das gute Aussehen nur auf den Männlichen Teil der Familie", murmelte der Modeheini vor sich hin, als wäre ich gar nicht da. Ich überhörte einfach mal den Satz den dieser schmierige Kerl noch angehängt hatte und verschränkte die Arme vor der Brust. "Wie dem auch sein mag. Ihre werten Brüder wären wie geschaffen für unseren Laufsteg. Uns sind heute zwei männliche Models abgesprungen. Und wir brauchen ganz ganz dringend Ersatz. Da haben wir die beiden gesehen und empfanden sie als Perfekt", erklärte die Geschäftsführerin gezwungen höflich, aber immer noch mit kühlem Unterton. "Kommt nicht in frage", antwortete ich knapp. "Warum denn nicht Cuna?", fragte Fili und hob eine Augenbraue nach oben. "Weil ich Thorin versprochen habe, dass ich auf euch Beide aufpasse. Und wenn ihr da in irgendeine Sache reingezogen werdet, bin ich die Erste, die sein Schwert am Hals fühlen darf", erwiderte ich und sah ihn ernst an. "Thorin würde dir nie etwas antun. Schon gar nicht wegen so einer Kleinigkeit. Ist doch nichts dabei. Kleidung anziehen und etwas auf diesem sonderbaren Steg herum laufen", sagte Kili und lächelte mich an. "Ja genau. Sei doch nicht die ganze Zeit so streng mit uns. Wir wollten doch heute Spaß haben. Und das sieht doch ziemlich lustig aus", meinte Fili und blickte an mir vorbei, um den weiblichen Models beim Laufen zuzusehen. "Außerdem...", meldete sich einer der anderen Anzugträger zu Wort, "Außerdem ist es nur für Heute. Ein wenig laufen. Ein paar Fotos. Dann können Sie sie wieder mitnehmen." Ich seufzte und sah Beide ein wenig entrüstet an. Vorhin hatten sie die Frauen noch als "Bilwissinzuchten" bezeichnet. Und nun wollten sie tatsächlich dazu gehören? Wieso mussten sie mir das Leben nur so schwer machen? Oder machte ich es mir gerade selbst nur schwer, aus Furcht was ihr werter "Onkel" sagen würde, wenn ich sie einfach machen lasse? "Bitte bitte! Cuna... Schwesterherzchen", säuselte mir Kili zuckersüß ins Ohr und ruckelte mit großen braunen Rehaugen an mir herum. "Wie lange wird die Show hier denn dauern?", fragte ich schließlich mit Blick auf die Anzugträger. "Also die Herren sind in einer halben Stunde dran. Aber sie müssen ja noch vorbereitet werden. Daher sollten wir uns schon beeilen", sagte der Tuffige mit geschäftigen Blick auf die Uhr. Ich gab nochmal kurz ein Seufzen von mir und nickte dann. Beide Jungs lachten triumphierend, doch ich konnte nicht umhin sie daran zu erinnern, dass wir vor dem Abendessen zurück sein sollten. So schloss ich mich der Gruppe von Anzugträgern und den beiden Jungs an. Sie wurden zunächst zum Schminken weggebracht. Schließlich durften ihre Gesichter ja nicht im Licht der Lampen glänzen, wenn Fotos gemacht werden sollten. In einem separaten Raum waren die Stylisten untergebracht, die die Models schminkten und frisierten. Ich schüttelte nur den Kopf, bei diesen ganzen unmöglichen Frisuren, die man den viel zu dünnen Mädchen auf den Kopf tackerte. Und das war in manchen fällen sogar Wörtlich zu nehmen. Als Kili und Fili bei ihren Stylistinnen platz nahmen, setzte ich mich auf einen Hocker in der Nähe und beobachtete das Spektakel. "Hey! Gebt auf meine Bartzöpfe acht! Die bekomme ich sonst nicht mehr hinein", raunte Fili die Frau an, die gerade dabei war einige der überstehenden Barthaare glatt zu Kämmen. Die Dame bei Kili mühte sich unterdessen ab, die Haarbürste aus den widerspenstigen und verknoteten dunklen Haaren frei zu bekommen. "Aua! Nicht so Doll!", plärrte er und krallte sich an den Armlehnen seines Stuhles fest. Die Frau zog und zog, doch schaffte sie es nicht die Bürste aus den Haaren zu befreien.Sie mühte sich so lange ab, bis der Stiel abbrach und ich über ihr dummes Gesicht anfangen musste zu lachen. Nun musste sie den Bürstenkopf mit den Fingern aus den Haarwust entfernen. Und mir kam der selbe Gedanke wie schon bei Thorin, ob sich darin nicht auch irgendein Vogelnest befinden würde. Doch offensichtlich war dem nicht so. Die beiden Frauen gaben es schließlich auf, deren unbeugsame Haarpracht bändigen zu wollen und machten sich ans Make-up. "Jetzt bitte Augen schließen", meinte eine der Damen höflich aber abgehetzt, als sie die Puderdose hob. Beide lehnten sich auf dem Stuhl zurück und schlossen die Augen. Gerade als die Dame bei Kili seine Nase erreicht hatte, stieß er einen so heftigen Nieser aus, dass der halbe Doseninhalt durch die Luft gewirbelt wurde und eine dicke Staubwolke, sich über das Gesicht und die Haare der Frau legten. Gerade so als sei sie in einen Schneesturm geraten. Ich musste mich an einem der Stylingtischen festhalten damit ich vor Lachen nicht von Stuhl fiel. Das war einfach viel besser als jedes Comedy-Kino. Und bei Fili passierte genau das selbe noch einmal. Selbst die Jungs mussten nun lachen. Damit zogen wir natürlich ordentlich den Missmut und viele abwertende Blicke der anderen Models und Stylisten auf uns. Aber für diesen Augenblick war es uns doch herzlich egal. Schließlich waren sie zumindest mit dem Styling fertig und man begann sie in die Klamotten zu stecken. Die Damen die dafür zuständig waren versuchten natürlich Professionell und seriös zu wirken. Dennoch konnte ich hören, wie die ein oder andere ein sehnsüchtiges Seufzen von sich gab, als sie Beide Umzogen. Ich mochte es den Ladys ja nicht verübeln. Gut gebaut waren beide ja. Ich vermutete schon, dass sie für ihre Rollen als Zwerge oft im Fitness Studio waren. Ich stellte mich nach dem ersten Umziehen an die Tür zum Catwalk und schaute beide ruhig an. "Dann mal viel Spaß beim Laufen ihr Zwei", sagte ich und klopfte jedem aufmunternd auf die Schulter. Beide wirkten nun doch etwas nervös und auch ein wenig beleidigt, nachdem sie so geschminkt und aufgetakelt herum laufen mussten. Noch dazu fand ich, das ihnen genau diese Kleidungsstücke, die man ihnen verpasst hatte überhaupt nicht standen. Kili trug eine viel zu enge knall bunt gestreifte Hose und nur eine schwarze Weste auf der halbwegs blanken Brust. Um den Hals einen Kragen mit einer extrem hässlichen Rotz gelben Krawatte. Als Schuhe hatte er Slipper bekommen, wie sie die meisten Leute in Mafiafilmen trugen. Fili hatten sie einen Hut in die zerzausten Haare geheftet. Er trug außerdem ein türkisblaues Hemd und eine weinrote Lacklederhose. Dazu ein Paar knallige neonfarbene Turnschuhe. Eigentlich hätte ich mich gerne kaputt gelacht über ihr cloweniges Outfit, aber eigentlich taten sie mir in dem Moment einfach nur leid. Wie zwei begossene Pudel drein blickend, wurden sie auf den Laufsteg geschoben und die Menge an Frauen kreischte ihnen entgegen. Ich sah, das massig Fotos aus der Menge gemacht wurden. Die Damen dort waren regelrecht außer sich. Ich bemerkte, wie die Beiden regelrecht auf der Stelle erstarrten, als das Blitzgewitter der vielen Kameras los ging. Hilflos blieben sie auf der Position stehen wo man sie hin buchsiert hatte und hielten sich die Hände vor die Augen. Die Geschäftsführerin und der tuffige Kerl riefen ihnen ständig zu, sie sollten sich doch endlich bewegen, aber sie waren wie Festgefroren. Ich musste ihnen irgendwie helfen, schließlich hing ich da sogesehen ja auch mit drin. Also machte ich mich auf den Weg ins Publikum. Unter den Protesten einiger der Frauen drängte ich mich bis ganz nach Vorne an den Rand des Laufsteges und rief ihnen zu: "Alles in Ordnung Jungs?!" "Ich... ich will hier runter, Cuna. Ich... ich kann nicht!", jammerte Kili und zog den Kopf ein. "Ich... ich auch nicht", gab Fili verängstig von sich. "Ganz ruhig. Das schafft ihr. Achtet nicht auf die Blitze. Schaut bis ganz hinten in den Laden. Ich werde mich da hin stellen und dann seht ihr nur zu mir. Beachtet die Leute und das Blitzlicht gar nicht. Seht nur mich an, okay?", erklärte ich. "Ich weiß nicht ob ich das kann..", wimmerte Fili. "Ihr könnt und ihr werdet. Jetzt zieht die Sache hier durch, die ihr angefangen habt!", rief ich ihnen zu und machte mich auf den Weg nach ganz hinten in den Laden, wo sie mich gut sehen konnten. Sie hoben beide die Arme von den Gesichtern und wandten ihre Köpfe in meine Richtung. Ich winkte, dass sie laufen sollten. Langsam und vorsichtig setzten sie einen Schritt vor den anderen. Es bereitete ihnen einiges an Mühe und sie brauchten viel Überwindung. Doch schließlich wurden ihre Schritte sicherer und sie nahmen nur noch mich am Ende des Ladens war. Ich gab ihnen mit den Armen Zeichen, wann sie stehen zu bleiben hatten, sich umdrehen sollten um wieder zurück zu laufen. Nach einer Weile klappte das Theater so gut, dass sie sogar von sich aus anfingen zu posieren und sich den Damen in ihrer ganzen Pracht zu präsentieren. Das Gekreische der Frauen wurde nur noch schlimmer, als sie damit anfingen. Fehlte nur noch das Schlüpfer und Liebestöter auf den Steg flogen. Die ein oder andere hatte tatsächlich einen Ohnmachtsanfall bekommen und musste raus getragen werden. Dabei wurden die Kleidungsstücke, die sie tragen mussten von mal zu mal schlimmer in Farbgebung und Ausstattung. Die ganze Sache zog sich über Stunden hinweg und Mittag war überschritten, als die Modenschau beendet war. Danach ging es nur noch um einzelne Shootings mit den Models ohne Publikum. Als ich mich wieder zu ihnen gesellte, waren beide fix und fertig und schon fast den Tränen nahe. "Das war das Schlimmste, was ich je erlebt habe. Diese Frauen... sie haben geschrien, wie Meerhexen. Und ständig dieses Gewitter ohne Donner", wimmerte Kili und drückte sich an die Schulter seines "Bruders" der ihn fest im Arm hielt. "Schon gut Kili. Ist ja jetzt vorbei", murmelte er tröstend. Ich kicherte amüsiert und hockte mich vor die Beiden. "Na hat euch der Ausflug ins Model-Business gefallen?", fragte ich nicht ohne ein wenig Schadenfreude in der Stimme. "Es war so grausam. Wärst du nicht da gewesen. Ich hätte den Verstand verloren", meinte Fili und musterte mich mit einem betrübten Blick. "Tja, ich wusste was auf euch zu kommt. Aber gut jetzt wisst ihr ja, was für ein 'Spaß' das doch ist." "Warum hast du uns nicht vor diesem Wahnsinn gewarnt?", schniefte Kili und sah mich unter seinem gestylten Haarschopf traurig an. "Hätte es was gebracht euch das auszureden? Dann hättet ihr mich nur wieder daran erinnern, wie ähnlich ich eurer Mutter bin und das ich jedem seinem Spaß nicht gönnen würde. Zumindest habt ihr jetzt eingesehen, dass der Mist kein Spaß, sondern harte Arbeit ist", sagte ich beim Aufstehen. "Können wir jetzt was Essen? Ich hab Hunger", maulte Fili und zog Kili mit sich auf die Beine. "Sie können sich dort drüben an unserem Buffet bedienen", drang die kühle aber begeisterte Stimme der Geschäftsführerin an mein Ohr. "Was ist ein Buffet?", fragte Kili und die Frau lachte. Mit einer kurzen Handbewegung deutete sie auf den Tisch mit den Köstlichkeiten für die Models. Natürlich hauptsächlich Obst und mageres Zeug, wovon sicherlich neunzig Prozent im Müll oder in der Kloschüssel landen würden. Die Jungs waren so ausgehungert, wie mir schien, dass sie sich sofort darauf stürzten und sich reichlich bedienten. "Aber stopfen Sie sich nicht zu voll. Sie sollen ja noch Fotos machen. Da dürfen sie kein Gramm zu viel drauf haben. Das sieht hässlich aus", ergänzte sie, als Kili sich gerade eine ganze Banane, ohne sie zu schälen, quer in den Mund schob. Dies hatte bei ihm nicht nur eine Art Grinsegesicht zur Folge, sondern auch Gelächter der weiblichen Models. "Kili, was machst du denn da? Das musst du schälen", meinte ich empört und nahm ihm die Banane wieder aus dem Mund. Ich zog die Schale ab und drückte sie ihm dann in die Hand. Er musterte das Fruchtfleisch kurz, biss rein und spuckte es dann wieder aus. "Bah! Das ist ja widerlich!", rief er aus. Er nahm das Fruchtfleisch aus der Schale, warf dieses weg und begann auf der Schale selbst herum zu kauen. Ich schlug mir nur die Hand an den Kopf. Wie konnte man nur so etwas Unmögliches in der Öffentlichkeit machen? "Man isst doch nicht die Schale. Spuck das Zeug aus sonst bekommst du noch Bauchweh. Und Fili man frisst auch keine ganze ungeschälte Ananas!", seufzte ich genervt und riss ihm die gerade noch mal vor dem Mund weg, bevor er rein beißen konnte. Die Mädels lachten unterdessen nur noch lauter und die Beiden begannen schmollen vor sich hin zu brummen, wie unglaublich schlecht doch die Bewirtung sei und man nicht einmal Fleisch anbot. Ich schüttelte nur den Kopf und legte beiden eine Hand auf die Schulter. "Passt auf. Ihr bleibt hier und lasst eben schnell die Fotos machen. Und ich hol euch beiden ein Würstchen vom Wagen, ja?", sagte ich und lächelte sie aufmunternd an. "Oh ja. Bitte. Wir beeilen uns auch", meinte Kili und erwiderte das Lächeln. Eigentlich wollte ich die Zwei ja nun nicht unbeobachtet lassen. Doch auch ich hatte inzwischen ordentlich Hunger, und ein Würstchen ging nun mal immer. So verließ ich den Laden und machte mich auf zu den Würstchen. Natürlich dauerte es. Und zunächst aß ich etwas. Currywurst ohne Currypulver, da sie dort keinen einfachen Ketchup hatten. Brot lag immer umsonst aus. Nachdem ich mein karges Mahl zu mir genommen hatte, ging ich mit zwei extragroßen Bratwürsten mit Senf zurück zu den Jungs. Diese saßen inzwischen umringt von den viel zu dünnen Models in einer Sofa Lounge und ließen sich begrabbeln. War ja klar, dass es sich diese feinen Ladys nicht nehmen ließen an denen herum zu fummeln, wenn ich außer Sichtweite war. Nur gefiel das den jungen Herren sichtlich so gut, dass sie sich sogar von denen mit Trauben füttern ließen. Mein Gott, was für zwei Paschas sie doch sein konnten. Und die Mädels säuselten ihnen verlogene Komplimente ins Ohr. Wobei so verlogen konnten die Komplimente auch nicht sein. Denn die Beiden hatten schon ein gewisses Charisma. Ich stellte mich mit den beiden Würstchenschalen daneben und lauschte nur belustigt. "Ich steh total auf deinen Bart und die süßen Zöpfe darin. Ob du mir zeigen könntest, wie man so was flechtet?", hauchte eine mit besonders langen Fingernägeln Fili zu und hatte schon einen Schlafzimmerblick aufgesetzt. Er musterte sie verwirrt und antwortete:" Aber du hast doch gar keinen Bart. Wie soll ich dir das denn zeigen?" Darauf kicherte sie nur dümmlich und flüsterte ihm irgendwas anderes zu, worauf er nur noch verwirrter drein blickte. Kili bekam unterdessen von einer anderen eine Schultermassage. "Deine Muskeln sind ja so unglaublich hart. Trainierst du viel?", fragte sie. "Oh ja. Ich schieße gerne mit dem Bogen oder übe mit meinem Schwert", meinte er mit einem unschuldigem Lächeln über die Schulter zu ihr hin blickend. "Mh... Also ich würde dein Schwert schon gerne einmal sehen", meinte sie mit vielsagendem Blick in seine Augen und er grinste: "Klar. Warum kommst du nicht mit uns zum Lager? Dann zeig ich es dir." "Nein, sie kommt nicht mit zum Lager, Kili", sagte ich laut und alle zuckten zusammen. Ich stellte den Jungs ihre Würstchen auf den kleinen gläsernen Loungetisch. "Ey was bist du denn für eine?", blökte mich die mit den langen Fingernägeln an. Die Jungs fielen unterdessen unter den empörten Blicken der Ladys über die Würstchen her. "Das geht dich nen feuchten an, Mädel", sagte ich ruhig und setzte mich auf einen Hocker. "Das... is Cuna. Unsere Schwester", schmatzte Fili vergnügt vor sich hin. "Ist nicht euer ernst, oder?", fragte die, die Kili massiert hatte. "Nun ja. Nicht unsere leibliche Schwester", sagte Kili und riss ein Stück Brot ab. "Wollte ich auch gesagt haben. Mit so was hässlichem will doch kein Mensch verwand sein. Das stellt man auf den Sperrmüll", sagte die mit den langen Fingernägeln und warf mir einen selbstgefälligen Blick zu. "Zumindest fliege ich nicht durch die Gegend, sobald ein leichtes Lüftchen weht", murmelte ich gut hörbar. "Nein. Das bestimmt nicht. Dafür müssen wir mehr Steuern zahlen, um die Schlaglöcher auszubessern, die du in den Asphalt getreten hast Schätzchen", lachte die hinter Kili. "Soll mir recht sein. Wenn ihr so dumm seid, um dafür zu bezahlen. Ich würde ja an eurer Stelle andere dafür bezahlen lassen. Aber ihr habt euch ja das Hirn weg gehungert", meinte ich trocken und wartete bis die Jungs fertig waren mit essen. "Sag mal, merkst du nicht, dass du störst, fettes Walross? Wir wollten mit den Jungs abhängen. Zieh endlich Leine!"; rief eine dritte aus die auf der Lehne gesessen hatte. "Lieber ein Walross, als ein zerfallener Kleiderständer bei dem die Brüste nach innen wachsen", sagte ich und grinste dem Mädchen frech ins Gesicht. Die konnten mich nicht verletzten. Nicht so. Ihre Worte waren nur das leere Geschwafel, was man ihnen wohl von klein an eingetrichtert hatte. Außerdem war ich solchen Kummer eh schon gewöhnt. Worauf ich aber nicht gefasst war, war das die Dame auf der Sofalehne ihre schwere Handtasche griff und mir wütend in Richtung Gesicht schwang. Ich konnte einen Teil davon gerade so mit der Hand abwehren, doch der Rest stieß ausgerechnet gegen meine ohnehin schon gebrochene Nase. Ich keuchte. Fühlte ein leichtes Knacken und mir wurde einen Moment schwarz vor Augen, als ich vom Hocker kippte. "Ihr dreckigen Dirnen! Wie könnt ihr es wagen unsere Schwester anzugreifen!", hörte ich Fili rufen und die Mädels kreischten, als wäre der Teufel hinter ihnen her. Ich konnte Blut in meinem Rachen schmecken. Scheiße! Bitte nicht das! Ich rollte mich auf die Knie und hielt mir die Hand unters Kinn. Meine Nase fühlte sich so kurz nach dem Schlag noch etwas Taub an. Aber das Blut lief mir über die Lippen in die Handfläche. Mir wurde ein wenig schlecht und mir tränten die Augen. "Oh Cuna. Bei Durins Bart. Das sieht schlimm aus", hörte ich Kili sagen und fühlte, wie er versuchte meinen Kopf etwas anzuheben. "Wo ist Fili hin", nuschelte ich und klang dementsprechend verschnupft. "Ich bin hier. Hab dir ein Tuch geholt", hörte ich ihn sagen und fühlte im nächsten Augenblick etwas weiches in der Hand und am Gesicht. "Diese schrecklichen Bilwissinzuchten. Kannst du aufstehen? Dann gehen wir", meinte Kili gezwungen ruhig. "Wartet. Ich muss mich langsam orientieren", gab ich benommen von mir und hob mich zitternd am Hocker stützend auf die Beine. Mein Schädel brummte und meine Nase wollte nicht aufhören zu Bluten. "Ich kann dich auch tragen, wenn es nicht geht", meinte Fili und begann mich zu stützen. Zusammen marschierten wir aus dem Hinterzimmer raus. "Ihr müsst euch noch umziehen Jungs", meinte ich und versuchte wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Alles wirkte ein wenig verschwommen und manchmal sah ich auch Sachen doppelt. Deshalb hielt ich mein Gesicht meistens zum Boden gerichtet und ließ mich von den Jungs führen. "Ach ja. Das auch noch. Am besten machen wir es so. Einer von uns bleibt mit dir draußen sitzen, während der andere sich umzieht. Du kannst ja mit deinem Plapperkasten versuchen, eine dieser Kutschen zu rufen. Dann fahren wir zurück. Es wird glaube ich Zeit", sagte Kili mit blick auf die Sonne die durchs Schaufenster schien. Ich versuchte auf die Uhr zu schauen. Halb Sechs. Verdammt! Das würden wir nicht rechtzeitig schaffen. Wahrscheinlich würde mir Thorin nun auch nochmal die Nase brechen. Andererseits, war es ja nun wirklich nicht meine Schuld, dass wir so spät dran waren. Und gekauft hatten wir auch nichts. Ersteinmal brachten mich beide aber an die frische Luft und setzten mich auf eine der Bänke, die dort herum standen. Zunächst passte Kili auf mich auf. Er stützte mich im Sitzen etwas, als ich das Handy zog um ein Taxi zu rufen. Danach war Fili bei mir. Doch unerwartet stellte ich fest das er zwei Plastiktüten in der Hand hielt. "Hast du dir doch was gekauft?", fragte ich ihn als er sich setzte und Kili verschwand. "Ja. Ich hab die Sachen geholt, die du für uns ausgesucht hast. Die fand ich wesentlich schöner, als diese albernen Anzüge, in die man uns gesteckt hat", sagte er ruhig und streichelte mir den Hinterkopf. Kili kam auch kurze Zeit später wieder. "So wir können aufbrechen. Gehts dir besser, Cuna?", fragte er und musterte mich besorgt. "Es muss gehen. Beeilen wir uns. Das Taxi müsste gleich da sein", meinte ich und erhob mich schwankend. Diesmal hatte ich ein anderes Unternehmen angerufen. Aber der Fahrer war ganz und gar nicht begeistert davon, das jemand mit solchem Nasenbluten in sein Auto einstieg. "Fahren Sie einfach. Wenn Sie sicher und trotzdem schnell fahren, ist doppelt so viel Trinkgeld für Sie drin, okay?", maulte ich, während die beiden Jungs mich hinten zu sich in die Mitte nahmen um besser auf mich acht geben zu können. Der Fahrer brummte und fuhr dann Wortlos zu der Adresse, die ich ihm nannte. Das war ja ein gelungener Ausflug, dachte ich unterwegs sarkastisch. Zwei völlig erschöpfte und schockierte junge Männer und eine Frau mit blutender und wohl erneut gebrochener Nase. Ich war so Dankbar, als der Wagen an der Straße zum Zeltplatz anhielt und uns hinaus ließ. Ich zahlte noch schnell den Fahrpreis und das zusätzliche Trinkgeld bevor ich mich an einem nahen Gartenzaun abstützte. Diesmal war mir genauso schlecht, wie den Jungs zuvor bei der Hinfahrt. Dieses verdammte Modelweib und ihre fette Handtasche. Wenn ich auf dem Platz war. Sollte ich wohl zunächst den Klowagen aufsuchen und mein Gesicht waschen. Danach wollte ich mich einfach nur in die Hängematte legen und schlafen. Am liebsten bis die ganze Zeltstadt vorbei war. Ja, das wäre wohl das Beste gewesen. Ich löste mich vom Zaun und wollte ein paar Schritte machen. "Du glaubst doch wohl nicht, dass du in deinem Zustand läuft", rief Fili aus und ich sah, wie er sich mit dem Rücken zu mir hockte. "Was machst du denn da?", fragte ich verwirrt. "Ich trag dich. Steig auf", sagte er und schaute mich über seine Schulter entschlossen an. "Ich bin dir doch viel zu schwer. Und das Stückchen schaff ich schon noch", sagte ich und wollte an ihm vorbei. Aber Kili faste mich an der Hüfte und ließ mich dann auf den Rücken seines "Bruders" fallen. Dieser packte meine Beine fest und stand mit mir zusammen auf. "Hey. Ich kann Laufen. Lass mich runter Fili!", maulte ich. "Du machst keinen Schritt, bis wir wieder im Lager sind. Kili lauf du voraus und gib den anderen Bescheid. Oin muss sich ihre Verletzung ansehen", meinte er mit strengem Ton, den ich so bisher nur von Thorin kannte. Kili nickte entschlossen und spurtete sofort drauf los. Fili machte sich mit mir Huckepack ganz langsam auf den Weg. "Wir sind viel zu langsam, wenn du mich trägst. Thorin wird ausrasten, wenn wir noch später kommen", nuschelte ich und hielt mir mit einer Hand das Tuch unter die Nase. "Das geht schon. Und wenn er sauer ist, dann nehmen wir das auf unsere Kappe. Ist doch selbstverständlich", sagte er ruhig und schnaufte ein wenig. Hin und wieder machte er einen kurzen Ruck mit dem Armen, um mich wieder richtig auf seinem Rücken zu positionieren. Gerade als wir um die Ecke auf den Parkplatz bogen, hörte ich schon aufgeregtes Geschrei auf uns zu kommen. "Fili!" Es dauerte nur Sekunden und wir waren umringt von einer Traube bärtiger Männer. Die Meisten natürlich nur um Fili besorgt. Alle stellten durcheinander Fragen, sodass ich kaum heraushören konnte, wer nun was gerade sagte. "Lasst mich durch! Macht platz verdammt!" Das war das Erste was ich wirklich klar und deutlich unter dem geplapper heraus hören konnte. Ich blickte verstohlen über Filis Schulter hinweg und sah einen abgehetzten und offenbar noch leicht verschlafenen Thorin vor mir, der seinen "Neffen" mit besorgtem Blick musterte. "Was ist geschehen? Bist du unverletzt?", fragte er hastig und Fili nickte. "Mir geht es gut. Aber Cuna gehts schlecht. Die hat eine Tasche in Gesicht bekommen und blutet wie verrückt", sagte er ernst. Dabei drehte er sich seitlich zu Thorin hin, um mich zu zeigen. Ein nie dagewesenes Entsetzen trat auf sein Gesicht. Er riss mir buchstäblich das Tuch runter, hob mein Kinn ein Stück an und betrachtete mich ausgiebig. "Sagt Oin er soll eine Schale Wasser heiß machen. Das muss gerichtet werden", befahl er mit strengem Ton der restlichen Gruppe, die sich auflöste und davon stolperte. "Gerichtet?", wimmerte ich panisch. Doch auf die Frage hin antwortete der "Zwergenkönig" nicht. Er griff sich den Arm den ich noch um Filis Schulter gelegt hatte, schlang diesen um seinen Kopf herum und trug mich dann Wortlos auf den Armen vor sich her in Richtung der Zelte. Mir war nun wieder unglaublich schlecht. Aber nicht nur wegen dem Blutverlust, sondern auch wegen dem, was mich erwarten würde, sobald mich Thorin absetzte. - 15. Die harten Seiten des Model-Business / ENDE - Kapitel 16: 16. Rätsel bei Feuerschein -------------------------------------- Mehr oder weniger sanft setzte mich Thorin auf einem der Schemel in seinem Unterstand ab und nahm mein Gesicht musternd in die Hände. Langsam entfernte er dann meine Schiene vom Gesicht und tastete mit den Zeigefingern um meine Nasenwurzel herum. Ich zuckte jedes mal zusammen, wenn er zu fest drückte. "Aua! Du tust mir weh! Hör auf daran rum zu spielen", raunte ich und wollte seine Hände von meinem Gesicht weg schieben. "Da seid Ihr selbst dran Schuld. Was legt ihr euch auch mit einem Bilwiss an? Noch dazu unbewaffnet", antwortete er ruhig und tastete weiter, drehte meinen Kopf von links nach rechts. Von Oben nach Unten. "Was hat Kili denn jetzt schon wieder für einen Mist erzählt?", fragte ich und schaute über Thorins Schulter, wo besagter dunkelhaariger Junge stand und Ori und Bofur von der angeblichen Bilwissfrau erzählte, die mich mit ihrer gewaltigen Streitkolbenhandtasche erschlagen wollte. Ich schnaubte gereizt oder zumindest versuchte ich es, doch davon lief nur wieder unnötig viel Blut aus meiner Nase. "Können Ihr dieses verächtliche Schnauben mal sein lassen, bis wir die hier gerichtet haben?", fragte Thorin und tippte mir unangebrachter Weise auf den Nasenrücken. "Ah. Ja, ist ja gut. Aber zu deiner richtigen Information. Das war keine Bilwissfrau. Das war ein eingeschnapptes Model mit Handtasche, die diese zum Streitkolben umfunktioniert hat", erwiderte ich. "Mir ist verdammt noch mal egal, wie Ihr diese Monster hier nennt. Ihr wart offensichtlich dumm genug sie soweit zu reizten, dass sie euch angegriffen hat", sagte er und stand auf. Er sah zum anderen Unterstand hinüber, aus dem ein älterer kleiner Mann mit langem, grauen, geschwungenen Bart heraus kam. Er trug einen dampfenden Kessel vor sich her und hatte einige helle Tücher über den Kesselrand gelegt. Vorsichtig setzte er das Ding neben mir ab und hockte sich zu mir runter. "So, so. Dann wollen wir doch mal sehen. Wo liegt denn das Problemchen, junge Dame", fragte er freundlich und sachlich. Thorin trat beiseite und ließ den Mann schauen. Dieser tat das Selbe mit meinem Gesicht, wie er zuvor, doch drückte er weit fester. "Ah Verdammt! Hört auf in meinem Gesicht so brutal herum zu kneten! Ich bin doch kein Playdoo-Männchen!", rief ich und zog meinen Kopf aus dem Griff. Oin lachte:"Ja, das ist richtig. Für so was hab ich ein gutes Händchen." Ich hob meine Augenbrauen verwirrt in die Stirn. War der jetzt echt schwerhörig oder versuchte er mich nur zu veräppeln? Wenn ja, fand ich das alles andere als lustig. Ich beobachtete ihn, wie er eines der Leinentücher vom Kesselrand nahm und das Wasser, welches sich kochend heiß da hinein gesogen hatte, aus zu ringen. Vorsichtig wischte er mir damit das Blut vom Gesicht und um meine schmerzhaft pochende Nase herum. "Wie sieht es aus, Oin?", fragte Thorin ungeduldig und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Auf einmal schien er besser zu hören, wie zuvor bei mir. Er wischte sich mit einem anderen Tuch das Blut von den Händen und stand auf. "Schwierig, Thorin. Das wird nicht ohne große Schmerzen von statten gehen. Die ist ordentlich aus den Fugen geraten. Und selbst dann ist fraglich, ob die wieder so zusammen wächst, wie sie mal war. Am besten fixieren wir sie auf einem der Schlaflager. Da ist es nicht ganz so schlimm, wenn sie dabei das Bewusstsein verlieren sollte", sagte er sachlich und ich fühlte, wie mir ein panischer Schauer über den Rücken lief. "Wie? Fixieren? Was für große Schmerzen? Was habt ihr vor?", japste ich mit viel zu hoher Stimme. Doch ich ahnte schon, was gleich auf mich zu kam und alles verkrampfte sich innerlich schlagartig. Die hatten doch jetzt nicht wirklich vor eigenmächtig meine Nase wieder neu zu richten?! Noch dazu ohne Betäubung?! Waren die jetzt vollkommen übergeschnappt?! Nein. Nein. Nein. Alles, nur das nicht! Von denen sah keiner aus, als hätte auch nur einer Ahnung von Erster Hilfe. Oder erst recht von Nase gerade rücken. Vielmehr war da wohl das Gegenteil der Fall, wenn man sich allein Dwalin betrachtete. Ich sprang umgehend auf die Beine, weil ich flüchten wollte, was wohl etwas schnell war, denn in meinem Kopf drehte sich mit einem mal die Welt ein wenig. Kurz drauf fühlte ich, dass mehrere Arme und Hände mich packten und vom Boden hievten. "Hey! HEY! Nein! Nicht! Ich will nicht! Lasst mich los!", brüllte ich und versuchte mich zappelnd zu befreien. "Hör auf rum zu hampeln, dummes Ding", hörte ich die barsche Stimme von Dwalin, der meinen rechten Arm fest hielt. Unter den Zwergen die mich trugen, erkannte ich Nori, Gloin, Bifur und Thorin. Der Rest folgte meinen Trägern mit mehr oder minder besorgten Gesichtern. Gerade Bofur wirkte indes eher belustigt darüber, wie ich verzweifelt versuchte mich Hoffnungslos zu befreien. Thorin gab schließlich das Zeichen mich auf einem Schlaflager abzusetzen. Sie setzten mich halb aufrecht hin und jeder von ihnen presste einen Teil meines Körpers fest auf die Matte. Sie waren so schwer und kräftig, als sie mich gewaltsam fixierten, dass mir irgendwann sämtliche Knochen in den Armen und Beinen weh taten. "Wann hört dieses verfluchte Menschenweib endlich auf sich so zu sträuben?!", brüllte Gloin, der mein linkes Bein fest hielt. "Niemals!", antwortete ich wütend und verzweifelt zugleich. Thorin war einen Augenblick verschwunden und hatte Nori seine Position überlassen. Als er wieder kam, trug er einen Dolch in den Händen. Ich erblickte das Teil und schrie nur noch lauter:" SEID IHR JETZT TOTAL ÜBERGESCHNAPPT?! HILFE!" Wortlos schob er Nori beiseite, drückte mein Kinn gewaltsam nach oben und starrte mir fest und ernst ins Gesicht. Ich erwiderte seinen Blick und fühlte, dass mir wieder die Tränen aus den Augen rannen. Diesmal aber mehr wegen den Schmerzen, als aus Angst. "Mund auf", befahl er mit ruhigem Ton. "Was?", keuchte ich entsetzt. Er drückte mir streng das Heft des Dolches an die Lippen. "Ihr müsst da drauf beißen. Los jetzt. Mund auf", wiederholte er. "Thorin... bitte... tut das nicht...", begann ich zu jammern. "Wollt Ihr euer Leben lang mit einer entstellten Nase herum laufen, wie eine Hexe?", fragte er ernst und zwang mir das Heft nun endgültig zwischen die Zähne. Ich biss schniefend darauf. Gott, was würde das nur für eine Hölle werden in die sie mich da rein gebracht hatten? Mir wurde noch viel banger, als ich im Augenwinkel sah, mit was Oin da herum hantierte. Offenbar eine Art Zange. Thorin umschlang mit seinem rechten Arm meinen Kopf. Die Hand ruhte auf meiner Stirn und mein linkes Ohr ruhte an seiner kräftigen Brust. Ich konnte seinen Herzschlag vernehmen. Er ging für die Aufregung drum herum doch relativ ruhig. Meine Augen huschten unterdessen von einem Zwerg zum anderen. Sie mühten sich wirklich ab mich festzuhalten, bis Oin endlich um die Ecke kam und sich über meinem Gesicht mit einigen Werkzeugen positionierte. "Also schön. Haltet sie jetzt gut fest. Das wird sehr unangenehm zwicken", sagte er und setzte die Zange an. Panisch versuchte ich meinen Kopf aus Thorins Klammergriff zu befreien doch dieser hielt unerbittlich dagegen. "Ihr müsst still halten, sonst macht Ihr es noch schlimmer, als es eh schon ist", ermahnte er mich eindringlich. Ich kniff die Augen zu und wimmerte nur noch verzweifelter. Meine Zähne packten das Dolchheft noch fester in meinem Mund, sodass ich das Gefühl hatte, sie würden mir gleich raus brechen. Das war doch alles nur ein Alptraum. Nur ein entsetzlich, schmerzhafter Alptraum! Vermutlich war ich ja noch gar nicht auf der Zeltstadt, sondern einfach nur bei mir zuhause aus dem Bett gefallen. Ja, das musste es sein. Ich war bestimmt mit dem Gesicht auf den Boden geschlagen, weshalb mir meine Nase so weh tat. Das hier war alles einfach nicht Real. Das konnte nicht wahr sein. Alles der letzten Tage, war nur erträumt. So musste es sein. Nicht anders. "Ich fange jetzt an. Achtung!", rief Oin aus. Ich fühlte ein kräftiges Reißen, ein Rucken und einen schmerzhaften Knall mitten im Gesicht. Ich riss meine Augen weit auf und starrte schreiend an die Zeltdecke. Nun ja, schreiend war nicht wirklich richtig. Es war wohl mehr ein Gurgeln aufgrund des Speichels, der sich in meinem Rachen gesammelt hatte, durch den Dolch. Ich zog keuchend die Luft zwischen Zähnen und Heft durch. Und die Tortur war noch lange nicht zu ende. "So nur noch einmal. Dann bin ich fertig", hörte ich Oin über das entnervte brummen der anderen Männer sagen. Meine Augen suchten verzweifelt nach irgendeinem Punkt, den ich anvisieren konnte um mich darauf zu konzentrieren. Den einzigen den ich finden konnte war nur leider in Thorins Gesicht, der aber lieber zu den anderen in der Runde sah und mich lediglich fest hielt. Dann fühlte ich ein erneutes Rucken, Reißen und Knacken, dass mich aufgurgeln ließ und meinen Körper unter enorme Spannung setzte. In dem Moment wandte der "Zwergenkönig" seinen Blick zu mir herab. Diese unglaublichen, eisblauen Augen. Sie gaben mir plötzlich so viel Ruhe und Sicherheit. Warum nur? Mein Körper erschlaffte mit einem Mal. Ich fühlte mich kraftlos, benommen und extrem schläfrig. "Ihr habts überstanden, Cuna", sagte er und seine Stimme klang merkwürdig dumpf in meinen Ohren. All meine Sinne schienen wie betäubt. Mir war, als würde sich mein ganzer Körper in Watte hüllen. Ich konnte nichtmal mehr fühlen, dass mich irgendwer fest hielt, obwohl ich es gerade noch so mit den Augen ausmachen konnte. Jemand zog mir den Dolch aus dem Mund und ich spürte, wie mir ein letztes, erschöpftes Stöhnen aus der Kehle drang. Meine Augen wurden immer schwerer und die Stimmen der Männer um mich herum änderten sich sekündlich von laut zu leise. Von klar zu verzerrt. Wie bei einem kaputten Radio. "Cuna?... Cuna?!", hörte ich noch am deutlichsten von Thorin, der offenbar begann mich zu rütteln, was ich nur noch am Ende mitbekam. "Sie dämmert uns weg... Cuna... bleibt wach." Dann war da nur noch Dunkelheit und Stille um mich herum. Ich fühlte mich hinab gleiten in eine undurchdringliche Schwärze. Sie war so dicht, dass ich vermutete, dass niemals ein Licht sie erhellen könnte. Sehr lange glitt ich durch dieses undurchdringliche Nichts. Doch da sah ich plötzlich etwas. Über mir, ganz undeutlich zunächst. Einen Punkt aus wogendem Licht, der immer näher und näher zu kommen schien. Die Dunkelheit wich allmählich. Das Licht wurde getragen. Ein Wesen mit schwarzen Flügeln hielt es fest in den Händen. Ein Engel? War ich Tot? Ich versuchte dem Engel ins Gesicht zu schauen. Diese hellen, eisblauen Augen. Die langen dunklen Haare. Und erst seine Stimme. So vertraut. So warm. So liebevoll. "Cuna", sagte er sanft. Thorins Arme schlossen sich binnen Sekunden kräftig, schützend und liebevoll um mich. Seine dunklen Flügel bildeten einen Schild um uns beide herum. Mein Kopf ruhte auf seiner nackten, warmen Brust und ich fühlte seinen ruhigen Herzschlag an meiner Wange. Ich hatte schon lange nicht mehr diese Gefühl von Geborgenheit empfunden, wie mir in diesem Augenblick gegeben wurde. Es war so wunderschön warm und erfüllte mein Herz mit einem fast nicht mehr gekannten Frieden. "Thorin...", seufzte ich und sah nach oben in sein Gesicht. Er blickte lächelnd auf mich herab. "Ja, Cuna?", fragte er ruhig und seine Stimme klang fast wie ein Flüstern in meinen Ohren. "Ich fühle mich so wohl bei dir. Lass mich nie wieder allein", sagte ich und schmiegte meinen Kopf gegen sein Brustbein. Warum auch immer ich diesen absurden Traum hatte. Er tat mir unglaublich gut. "Nur keine sorge. Ich bin bei dir. Ich lass dich nicht fallen", hörte ich ihn murmeln. "Das ist schön", erwiderte ich und auf meinem Gesicht breitete sich ein sanftes Lächeln aus. Ich schloss meine Augen und genoss einfach nur die Wärme, die er mir in diesem Augenblick bot. Die Zeit schien unendlich lange zu gehen. Wir schwebten gemeinsam im Licht. Weit entfernt von aller Dunkelheit. Doch dann verschwamm mit einem Mal das Bild vor meinen Augen. Die Wärme war noch da. Auch das weiche Gefühl. Aber die Umarmung und das schützende verschwanden immer mehr. Schließlich glitt ich langsam wieder in die Gegenwart. Ich fühlte ein benommenes Stöhnen aus meiner Kehle aufsteigen. Meine Finger zuckten und tastete sich langsam umher. Unter mir war eine Leinendecke. Mein Kopf ruhte auf etwas, dass man zusammen gerollt hatte. Meine Decke wirkte, wie das dichte Fell eines Tieres. Es kitzelte ein wenig mein Gesicht bei jedem Atemzug. Meine rechte Hand glitt vorsichtig unter der Felldecke heraus. Tastete sich weiter über den Boden. Da war Gras unter meinen Fingern. Ich zupfte etwas daran. Es fühlte sich angenehm an. Mit geschlossenen Augen ließ ich meine Hand weiter ihre Wanderung vollziehen. Ich stieß gegen etwas härteres. Mein Kopf fühlte sich so Matschig an, dass ich nicht wirklich realisierte, was es denn genau war. Eine fremde Hand nahm meine vorsichtig und unvermittelt auf. Sie war rau und wirkte ein wenig grob und schwer. Doch sie hielt meine ganz sanft und ruhig fest. Neugierig erkundete ich mit den Fingerspitzen die Handinnenfläche. Sie war ziemlich zerfurcht. Wie von Jahre langer harter Arbeit. Die Hand griff einen Moment kurz zu und drückte meine ganz sacht. Ich erwiderte den Druck ebenso. Meine Ohren wurden auch von mal zu mal wieder etwas besser. Ich konnte Schnarchen um mich herum hören. Das Rascheln von Gras und das Atmen einer Person, die sehr nah bei mir saß. Irgendwo in der Nähe knisterte auch ein Feuer und jemand unterhielt sich leise und undeutlich. Ganz so als würden sie eine andere Sprache sprechen. Die Hand, die meine immer noch leicht drückte, strich mit dem Daumen über deren Rücken. Ich atmete kurz seufzend auf. Die Berührung entspannte ungemein. "Cuna?", hörte ich eine tiefe Stimme leise flüstern. Ich gab nur ein undeutliches Brummen von mir. Eigentlich wollte ich nicht antworten. Aber es rutschte mir dann doch auf diese Art und Weise heraus. "Cuna seid Ihr wach? Könnt Ihr mich hören?", fragte die Stimme etwas deutlicher. Ich hörte die Stimmen, die etwas entfernter waren verstummen. Nur das Schnarchen blieb weiterhin aufrecht und gleichmäßig. Ich brummte erneut. Ich fühlte mich einfach nur unglaublich hohl innerlich. Noch dazu glaubte ich, dass die Erde unter mir einfach nicht stillstehen wollte. Sie schien noch ein wenig zu wackeln. Vermutlich war es aber nur reine Einbildung. "Wenn Ihr mich hören könnt, sagt irgendwas...", bettelte die Person zu meiner Rechten eindringlich und legte eine zweite Hand auf meine. "Thorin, was ist denn?", kam eine zweite Stimme von irgendwo unterhalb bei meinen Füßen. "Ich glaub sie kommt wieder zu sich", sagte er und ich fühlte ein etwas festeres Drücken an meiner Hand. "Was? Wirklich?", sagte eine dritte Stimme, die ich als die von Fili ausmachen konnte. Er klang aufgeregt und gleichzeitig erschöpft. Thorin versuchte mich weiterhin dazu zu bringen mit ihm zu reden und bettelte weiter:" Cuna. Cuna bitte. Wenn Ihr mich hören könnt. Sagt was." Ich zwang meinen Mund dazu sich zu bewegen und sagte einfach das Erste, was mir in diesem Augenblick in den Sinn kam: "Du hast doofe Ohren." Mein Hals fühlte sich ziemlich rau beim Sprechen an und so klang es, wie von einer zerkratzten Schallplatte abgespielt. "Cuna!", rief Fili aus und ich hörte ihn zu meiner linken Platz nehmen. "Ich hab was?", fragte Thorin verwirrt. Mühsam zwang ich meine Augen auf und starrte ihn von unten her an. Das Zelt war nur schwach beleuchtet. Die einzige Lichtquelle war das Feuer in seinem Rücken, wo nun noch mehr Personen aufstanden und zu meinem Liegeplatz eilten. "Du hast doofe Ohren", wiederholte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Aufgeregtes Geplapper kam von meinem Fußende her. Darunter auch offensichtlich erleichterte Stimmen. Fili streichelte mir von der linken Seite her kurz über den Kopf. Er lachte erleichtert auf. Im Schein des Feuers konnte ich auf seinem Gesicht Spuren von Freudentränen erkennen. Sie mussten sich große Sorgen gemacht haben. Draußen war es wohl schon weit nach Mitternacht. Das "ROZ" war nicht zu hören und auch sonst herrschte drum herum friedliche Stille. "Mahal sei dank. Ihr weilt wieder unter den Lebenden", sagte Balin und rieb sich ein wenig die Hände. "Wie lange lieg ich denn schon hier?", fragte ich und strich mir mit meiner freien Hand benommen über die Stirn. Die andere ließ Thorin immer noch nicht los. "Ein paar Stunden. Du sahst ziemlich schlecht aus die ganze Zeit. Wir hatten schon befürchtet, du hättest zu viel Blut verloren", sagte Kili, der sich mit einem Mal neben Fili hin gepflanzt hatte. Ich schaute beide ruhig lächelnd an und wollte mich dann in eine sitzende Position verfrachten, doch da legte sich eine Hand auf meine rechte Schulter. "Ihr werdet jetzt bestimmt noch nicht aufstehen", mahnte mich Thorin an, der seine üblich ernste Stimme wieder gefunden hatte. Er zwang mich mit sanftem Druck zurück auf die Rolle, die als Kissen diente. "Ich will aber. Ich muss doch zu meiner Hängematte", maulte ich erschöpft. "Die wird heute Nacht ohne Euch auskommen können. Ihr bleibt hier und erholt Euch", sagte er und blickte mich von oben herab bestimmend an. Ich seufzte leise. "Du hast wirklich doofe Ohren, Thorin", sagte ich und zog eine Schnute. "Ist mir egal. Ihr bleibt liegen und ruht Euch aus. Morgen sehen wir weiter, ob Ihr aufstehen könnt. Ihr anderen. Geht jetzt schlafen", sagte er in seinem üblichen Befehlston und die Gruppe an meinem Fußende löste sich langsam auf. "Kili. Fili. Ihr beide auch." "Aber... Onkel. Wir...", setzte Kili an doch ein einziger Blick genügte und beide nickten mit bedröppelten Gesichtern, bevor sie mir eine Gute Nacht wünschten und zu ihren Schlafplätzen verschwanden. Es vergingen nur ein paar Minuten, in denen Thorin und ich uns an schwiegen, während die anderen sich hinlegten. Einer nach dem anderen brach binnen kürzester Zeit in ein sonores Schnarchen aus. "Braucht ihr irgendwas?", fragte Thorin unvermittelt, als es relativ ruhiger geworden war. Aufgrund meines kratzigen Halses dachte ich nun schon daran ihn um etwas zu trinken zu bitten. "Hast du zufällig eine Flasche Wasser da?", fragte ich ihn freundlich. "Nein. Nicht direkt. Wartet kurz", sagte er. Er wandte sich um und Griff nach dem Rucksack, der an meinem Kopfende Stand. Er zog den Wasserschlauch hervor, den er mir schon bei der Jagd vor ein paar Tagen gereicht hatte. Das alles schien für mich schon so lange her zu sein. Er schob seinen Arm unter meinen Nacken und hob mich ein Stück an. Den Korken des Schlauches zog er mit den Zähnen, bevor er ihn mir an die Lippen setzte. "Nicht so hastig. Sonst verschluckt Ihr Euch", sagte er und ich nahm vorsichtig Schluck um Schluck daraus. Eine wahre Wohltat für meine Kehle und auch den Rest meines Körpers. Als ich genug hatte schob ich den Schlauch mit einer Hand behutsam weg. "Besser?", hakte er nach und legte mich sanft ab. "Ja. Viel besser. Danke", sagte ich leise. Er korkte das Ding wieder zu und verstaute es erneut in seinem Rucksack. "Wenn Ihr noch etwas benötigen solltet, sagt es mir jetzt. Ansonsten versucht zu schlafen. Ich setze mich ans Feuer", meinte er und wartete kurz auf meine Antwort. Ich schaute ihn von Unten her an und schüttelte langsam den Kopf. Er nickte und erhob sich gemächlich. Ich schaute ihm nach. Als er gerade mein Fußende erreicht hatte, bekam ich dann doch noch eine Eingebung. "Thorin?", fragte ich vorsichtig. "Was ist denn?" Er war stehen geblieben und sah zu mir hinunter. "... Warum?" "Warum was?" "Warum.... seid ihr alle so... kompliziert?" "Kompliziert? Wie meint Ihr das denn?" Er legte fragend den Kopf schief und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich biss mir kurz auf die Lippen. Wie sollte ich ihm das nur erklären? Ich hielt sie eigentlich alle für die größten Spinner überhaupt. Aber irgendwie zog es mich immer mehr zu ihnen hin. Und je länger sie hier blieben, umso näher zogen mich auch meine Gedanken zu ihm. Gerade das war eigentlich sogar noch das Schlimmste daran. Ich fühlte mich so sehr zu ihm hingezogen das selbst meine Träume nach seiner Nähe verlangten. Ich schluckte kurz bevor ich weiter sprach:"Ihr... nun ja. Ihr seid ganz anders, als ich... erwartet hatte. Einerseits kommt es mir so vor, als würdet ihr in eurer eigenen Welt leben, wo ihr niemand anderen hinein lassen wollt außer euch selbst. Und... zum Anderen seid ihr doch irgendwie... hier und legt zum Teil ganz normale Verhaltensweisen an den Tag. Ich versuche euch zu begreifen seit ihr angekommen seid. Doch je mehr ich sehe um so mehr beginne ich an meinem eigenen Verstand zu zweifeln. Ich würde zu gerne wissen, was hier passiert. Was mit euch ist. Wer ihr wirklich seid. Und wieso das alles hier mit mir passiert." "Ihr seid Jung. Und Ihr seid neugierig. Das ist nicht immer ratsam", meinte er schlicht. "Aber ich will euch doch einfach nur verstehen. Ihr kommt hier her, bringt eigentlich mein halbes Leben durcheinander und tut so, als wäre es eine Selbstverständlichkeit", sagte ich nicht ohne ein wenig empört über seine Antwort zu klingen. "Es war von uns nie beabsichtigt Euer Leben auf den Kopf zu stellen. Doch diese Welt ist uns noch fremd und fern von allem was wir kennen. Wir versuchen zu lernen, aber Ihr macht es uns wirklich nicht besonders leicht, Cuna", sagte er ruhig aber er klang schon ein wenig bitter dabei. "Was soll das heißen? 'Diese Welt ist euch fremd und fern'? Erklär es mir", drängte ich und richtete mich nun doch zum Sitzen auf. Er gab ein Seufzen von sich, kam wieder näher, hockte sich zu mir runter und drückte mich wieder sanft auf den Rücken. "Liegen bleiben", maulte er und schob mir die seltsame Felldecke etwas höher. Ich legte einen Arm darauf und bemerkte dann erst, dass es keine Decke sondern sein bekannter Pelzmantel war, den er, also sein Charakter, immer auf Reisen trug. Er erhob sich nach dem Zurechtrücken wieder und sah mich von oben herab ruhig an. "Cuna. Wir haben alle unsere Geheimnisse. Sowohl wir als auch Ihr. Und ich kann Euch zu diesem Zeitpunkt einfach nicht die Antworten geben, die ihr hören wollt. Aber irgendwann werde ich es Euch vielleicht anvertrauen können. Bis dahin, hört auf Fragen zu stellen. Ihr werdet begreifen, wenn es soweit ist. Aber das ist nicht Heute und nicht Jetzt. Macht die Augen zu und schlaft", sagte er eindringlich und schritt wieder von meiner Seite weg. Ich rollte innerlich mit den Augen. Das diese Männer es mir nur so schwierig machen mussten. Das war genauso, wie nach dem Weg fragen wenn man sich verfahren hatte. Aus dem Grund waren auch Moses und sein Volk vierzig Jahre durch die Wüste geirrt, dachte ich ein wenig genervt bei mir. "Thorin?", setzte ich nochmal kurz an. "Was ist denn jetzt noch?", fragte er nun ein wenig barscher. "...Danke", sagte ich nur. "Wofür?", entgegnete er etwas verdutzt und misstrauisch. "Das du bei mir warst und meine Hand gehalten hast", flüsterte ich und spürte schon irgendwie, dass es eigentlich sehr lächerlich klang. Kurz trat ein peinliches Schweigen zwischen uns ein. Ich sah, wie er eine Hand an den Hinterkopf hob und das Gesicht von mir abwandte. Schämte er sich gerade? Ausgerechnet er? Kurz drauf räusperte er sich: "Ähm.... Gern geschehen. Jetzt schlaf aber endlich." "Gute Nacht", gab ich nuschelnd von mir. "Gute Nacht....", sagte er mit etwas gefasster Stimme. Ich schloss die Augen und kuschelte mich in seinen Fellmantel. Er war wunderschön weich und warm. Noch dazu duftete er angenehm nach ihm. Genauso wie schon die Leinenklamotten. Eigentlich war es mir ein wenig peinlich an dem Mantel zu schnuppern, während sein Besitzer keine zehn Meter weit von mir entfernt am Feuer saß. Doch ausnahmsweise genoss ich es einfach mal. Es erfüllte mich mit so viel Frieden und Ruhe, dass ich gar nicht lange brauchte, um wieder in das Reich der Träume abzugleiten. - 16. Rätsel bei Feuerschein / ENDE - Kapitel 17: 17. Das Geheimnis aus Stein --------------------------------------- Der Morgenhimmel war bereits blass blau, als ich auf meinem vorläufigen Lager erwachte, aber die Sonne war noch nicht am Horizont aufgegangen. Zunächst war ich vollkommen orientierungslos und fragte mich, wie ich denn eigentlich an diesen sonderbaren Platz voller schnarchender Männer geraten war. Dann erinnerte ich mich und stöhnte leise, während ich mich im Liegen streckte. Rauchschwaden des kleinen Lagerfeuers zogen an der Decke des Unterstandes ihre Kreise. Es war wohl über Nacht ausgegangen. Ich wand den Kopf von einer Seite zur anderen. Zu meiner linken lag, mit dem Rücken zu mir und extrem laut schnarchend Dwalin. Der schlief den Schlaf der Gerechten. Verwunderlich, dass ich überhaupt bei seiner Lautstärke hatte einschlafen können. Ich sah zu meiner rechten und erkannte durch einige Löcher im Waffenständer eine zusammengesunkene Gestalt über dem erloschenen Lagerfeuer sitzen. Thorin war bei seiner Nachtwache auf einem Schemel eingepennt. Ich musste innerlich schon ein wenig sarkastisch grinsen. Er würde nach dem Aufwachen sicher massive Nackenschmerzen haben. Vorsichtig richtete ich mich auf und.... Gott, verdammt tat mir der Rücken weh! Auf der harten Erde zu schlafen war wirklich keine wohltat. Das würde ich sicherlich noch den ganzen Tag merken. Ich sah mich weiter um. Der Rest der Bande hatte sich auf die andere Zeltseite gelegt. Kili und Fili lagen halb übereinander und verdreht, wie zwei Ägyptische Fragezeichen. Balin schlief auf dem Rücken. Ein wirklich interessanter Anblick. Wann bekam man schon so friedlich schlafende Zwerge zu sehen? Vermutlich nicht all zu oft. Ich lauschte ein wenig. Vom anderen Zwergenzelt her waren ebenfalls laute Schnarchgeräusche zu hören. Ansonsten war es soweit ruhig. Keine Schritte waren zu hören. Auch keine Stimmen von Gesprächen. Es war wirklich noch sehr früh. Ich seufzte kurz und legte Thorins Fellmantel auf die Seite. Meine Kehle fühlte sich wieder so unglaublich trocken an. Doch sollte ich mich heimlich aus dem Zelt schleichen, um zu meiner Hängematte zu kommen oder mich lieber an dem Wasserschlauch bedienen, den Thorin in seinem Rucksack hatte? Normalerweise ging ich ja nicht ungefragt an die Sachen von anderen. So was gehört sich ja auch einfach nicht. Und wenn er mich erwischen würde, wäre er bestimmt sauer. Aber würde er noch viel verärgerter sein, wenn ich einfach so ohne ein Wort aufstand und mich davon stahl? Ich seufzte wieder und tastete meine Hosentaschen nach meinem Button ab. Lieber riskierte ich doch, dass er wegen meinem Aufstehen wütend war, als dass ich seine privaten Sachen durchwühlte. Doch wo war mein Button? Verdammt! Nicht links, nicht rechts? Vielleicht neben meinem Schlafplatz? Ich tastete um mich herum und suchte das Gras ab. Vergeblich. Da war nichts. Hatte mir einer dieser Kerle den Button vielleicht abgenommen, damit ich mir die Anstecknadel nicht irgendwo rein rammte? Oder hatte ich ihn eventuell bei dem Gerangel verloren? Wenn ja, dann hatte ich ein Problem. Würde ich vor Sonnenaufgang von einer der Nachtwachen erwischt werden, müsste ich die Singstrafe am Karaoke Abend erdulden müssen. Gut, ein Lied wollte ich ja schon singen. Aber bei einer Singstrafe konnte ich mir ja leider das Lied nicht aussuchen. Das nervte mich nun doch. Und ich wusste nicht mal, wer von den feinen Herren ihn wohl hatte. Dafür müsste ich jeden einzeln wecken und bei manchen war ich mir sicher, sie würden es mir extrem übel nehmen. Nach dem vorherigen Tag war mir eine Konfrontation mit diesen Raufbolden am frühen Morgen alles andere als lieb. Nun half doch nichts anderes. Ich musste an Thorins Rucksack. Vorsichtig drehte ich mich auf die Knie und kroch zu meinem Kopfende. Ich sah mich einen Moment lang um, ob er immer noch so zusammen gesunken auf seinem Schemel saß. Ja! Zum Glück. Vorsichtig pfriemelte ich die Lederbänder auf und schaute in das lederne Gepäckstück. Wie fast alles was diese Herren dabei hatten, war auch der Rucksack reich verziert mit Runen und groben Mustern, die dem Keltischen sehr ähnlich waren. Der Wasserschlauch lag genau oben auf einem Berg von Kleidungsstücken und allerhand möglichem und unmöglichen Krimskrams. Werkzeuge, Bündel von Brot, Trockenfleisch und.... Was war das?! Als ich den Schlauch heraus nahm sah ich inmitten all diesem Durcheinander ein schwaches, weißes leuchten. Hatte ich zufällig eine Taschenlampe eingeschaltet? Das wäre natürlich schlecht. Aber zunächst nahm ich doch einen Schluck aus dem Schlauch damit mein brennender Hals ruhe gab. Auch etwas, was mir schon bei der Jagd aufgefallen war. Dieses Wasser war ungewöhnlich rein und sauber. Es war nicht wie Mineralwasser. Und ich kannte auch kein Quellwasser, das so gut schmeckte. Noch dazu schien es binnen Sekunden eine Art heilende Wirkung zu haben. Es verschaffte mir einen wesentlich klareren Kopf und meine Schmerzen verringerten sich auch recht schnell. Vielleicht war es aber auch nur Einbildung, weil ich wollte das es half, ganz so wie bei einem Placebo. Ich korkte den Schlauch nach ein paar Schluck wieder zu und musterte das seltsame weiße Licht im Rucksack. Mir war klar, würde Thorin sehen, dass seine Taschenlampe an war, wüsste er sicher, dass jemand an seinen Sachen gewesen war. Besser wäre es wenn ich sie schnell aus schaltete, damit auch die Batterie nicht leer wurde. Vorsichtig sah ich mich noch einmal um. Gut, alle schliefen noch, auch wenn Dwalin hin und wieder ein ungewöhnliches Grunzen und Murmeln von sich gab. Der würde wohl neben Thorin mein größtes Problem sein, wenn er mich an der Tasche erwischte. Vorsichtig ließ ich meine Hand in Richtung des Lichtes gleiten. Es war unter einem Leinenhemd verborgen. Gut eingewickelt, als sollte es unter keinen Umständen frei in dem Behälter herum fliegen. Ich suchte nach dem Schaft einer Lampe, doch da war nichts. Egal wo ich hinter dem Licht hin griff, da waren entweder Kleidungsstücke oder andere undefinierbare Sachen, von denen ich lieber nicht wissen wollte, was sie waren. Oder war es vielleicht sogar das Licht von seinem Handy? Ja, wenn man genauer hin sah schien es fast so, als wäre es das Display Licht eines Handys. Trotzdem war es ungewöhnlich, dass es nicht von selbst aus ging. Wie dem auch sein mochte. Ich hatte das Bedürfnis dieses Licht so schnell es ging aus zu machen, bevor auch nur einer von den Herren sich bequemte aus seinen Träumen zu erwachen. Also griff ich direkt nach dieser komischen Funzel. Als ich es berührte stutzte ich kurz. Das war kein Handy. Es war rund. Nun ja Oval. Durch das Tuch konnte ich fühlen, das es in mehreren Facetten geschliffen sein musste. Was zur Hölle war das? Ich tastete nach einem Schalter. So einen musste man ja sicherlich auch durch Stoff spüren können, ohne dass man es unnötig heraus zog. Doch wie ich auch daran herum tastete. Ich fand weder einen Knopf noch einen Kippschalter an dem Teil. Ich seufzte leise und etwas frustriert. Kurz musste ich zusammen zucken, als ich von Thorin im Schlaf ein räuspern hörte. Oh hoffentlich schlief er noch weiter. Ich musterte ihn schnell von Ferne. Gut, er war immer noch so in sich zusammen gesunken. Mein Herz sprang mir fast aus der Brust vor Aufregung und Panik. Aber ich konnte nicht aufhören an dem leuchtenden Ding herum zu fummeln. Schließlich half es doch nichts. Ich musste es raus holen um den Schalter finden zu können. Langsam wickelte ich das Leinentuch ab und ließ den Gegenstand in meine Hand gleiten. Es war nicht schwer und es fühlte sich irgendwie Kalt an. Fast wie... ein Edelstein. Ein Diamant oder ähnliches. Neugierig zog ich es hervor. Mein Herz schien für einen Moment auszusetzen. Es war ein Edelstein. Aber, um alles in der Welt, so was hatte ich noch nie gesehen! Es war kein Kristall. Kein Diamant oder ähnliches, was mir da ins Gesicht leuchtete. Der Stein selbst war kalt doch das Licht welches in wogenden Wellen von ihm ausging, fühlte sich warm und angenehm auf der Haut an. Unglaublich! Diese unsagbare Schönheit! Die Farben im Innern. Eine Mischung aus Feuer, Eis und Sonnenlicht. Es floss wie das klare Wasser eines Bergbaches durch jede Facette des Edelsteins. Ich musste ein Keuchen unterdrücken. So baff war ich noch nie in meinem Leben zuvor gewesen. Sicher, ich mochte Sachen die glitzern, aber auf Edelsteine war ich sonst nie besonders scharf. Doch dieser, der gerade in meiner Hand ruhte. Er war unvergleichlich. Ich hob ihn näher ans Gesicht um nachzusehen, woher denn genau das Licht jetzt kam. Da war nichts Elektrisches zu erkennen. Keine billigen LED Blinklichter, wie man sie in ähnlichen Objekten aus dem Ein Euro Shop kannte. Er hatte auch keinen Aufdruck wie "Made in China" auf der Oberfläche. Er war bis auf die Schliffkanten spiegelglatt. Ohne jede Macke oder Kratzer. Ich strich mit dem Finger der anderen Hand darüber. Untersuchte ihn so genau wie möglich. Hielt ihn mir ans Ohr. Schüttelte ihn. Klopfte dagegen. Kein klappern war zu hören. Nichts was irgendwie lose zu sein schien. War ich immer noch am Träumen? Das konnte doch unmöglich wahr sein? Das war doch nicht wirklich DIESER Stein? So etwas konnte gar nicht existieren! Das war unmöglich! Einen letzten Test wollte ich ihm noch unterziehen. So ließ ich den letzten Rest Vorsicht fahren und biss einfach mal hinein. Autsch, das tat höllisch an den Zähnen weh. Doch als ich ihn wieder in meine Hand fallen ließ, waren nicht mal Spuren meiner Zähne darin zu sehen. Er war unversehrt wie eh und je. Scheiße! Verdammte Scheiße! Der war ECHT! Das war wirklich der ECHTE! Nein! Wie um alles in der Welt?! Ich fühlte wie mein Atem schneller ging und mir das Herz in den Ohren hämmerte vor Entsetzen, Panik und sogar freudiger Erregung. Nur konnte ich mir ausgerechnet diese nicht wirklich erklären. Ein erneutes Räuspern von Thorin ließ mich zusammen fahren und ich wand mich um. Verdammt er war kurz davor zu erwachen. Ich stopfte den Stein schnell wieder zurück. Legte den Trinkschlauch so darüber wie er gewesen war. Naja oder so ähnlich und schlüpfte so schnell ich konnte unter den Fellmantel. Ich betete, dass er noch nicht mitbekommen hatte, dass ich wach war. Ich drehte ihm den Rücken zu und legte meine Hände auf den Mund. Ich zitterte am ganzen Leib. Erst recht als der Rucksack umkippte und hinter mich fiel. Himmel, ich hatte ihn nicht ordentlich hingestellt. Ich konnte Thorin kurz brummen hören und vernahm, dann Schritte auf dem Gras die näher kamen. Ich konnte nicht aufhören zu zittern. Gleich würde er sehen, dass ich wach war. Da war ich mir sicher. Ich kniff verängstigt die Augen zu. Er stellte den Rucksack hinter mir auf und schien dann inne zu halten. Warum hörte ich nur nicht auf zu zittern? Ich verriet mich ja total. Ein Druck an meiner Schulter ließ mich plötzlich zusammen zucken. Das erschrockene aufkeuchen konnte ich nun auch nicht mehr zurück halten. "Cuna? Ist alles in Ordnung mit Euch?", fragte er leise mit besorgtem Unterton. Ich drehte mich ruckartig um und begann wirr vor mich hin zu plappern:" Ich hab.. hab.. hab nichts kaputt gemacht. Ich schwörs." Er hob irritiert eine Augenbraue und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. " Beruhigt Euch. Ihr habt wohl schlecht geträumt", meinte er ruhig und lächelte dann etwas belustigt. Ich musste ihn wohl mit einem unglaublich entsetzten Gesicht angesehen haben. "Wie? Geträumt? Äh...", stammelte ich kurz nachdenklich. Ich ließ die Augen hin und her wandern. Ich hatte das Gähnen der anderen vernommen. Nun erwachten hier alle zum Leben. "Man Fili... geh runter von mir...", nuschelte Kili und Fili gab nach einem dumpfen Geräusch ein genervtes Stöhnen von sich. Dwalin schnarchte nur kurz, dann schmatzte er einen Moment und richtete sich von mir abgewandt einfach so auf. Balin gähnte auf seinem Schlafplatz und wünschte allerseits einen freundlichen guten Morgen. "Fühlt ihr Euch etwas besser?", hörte ich Thorin fragen, womit er wieder meine Aufmerksamkeit hatte. "Ich.. ähm.... Besser... ja... Jaja.. alles.. alles bestens... bestens", plapperte ich ein wenig überzogen. Meine Wangen fühlten sich warm an. Sicherlich war ich vor Scham schon wieder rot wie eine Tomate. Eine Hand legte sich auf meine Stirn und verweilte dort einen Augenblick. "Ihr wirkt etwas erhitzt. Vielleicht solltet Ihr noch eine Weile liegen bleiben", meinte Thorin sachlich und erhob sich dann von meiner Seite. "Ähm... nein... nein nein... Schon gut... Ich.... Ich sollte wirklich aufstehen. Mir tut ordentlich der Rücken weh von dem harten Boden", sagte ich und richtete mich auf. "Ah. Morgen Cuna!", rief mir Kili zu und winkte freundlich lächelnd. Ich nickte ihm knapp zu und schob dann den Fellmantel von mir runter. "Seid Ihr wirklich sicher, dass Ihr Aufstehen könnt? Nicht dass Ihr Euch überschätzt", sagte Balin, der sich einen roten Leinenmantel umwarf. "Ach was... Das wird schon gehen. Ein bisschen frische Luft und ich bin wieder die Alte", sagte ich und kicherte ein wenig überdreht. "Lasst sie doch aufstehn. Is doch ihr Problem, wenn sie wieder umkippt", maulte Dwalin und machte sich daran das erloschene Lagerfeuer wieder in Gang zu bringen. Natürlich. Freundlich wie eh und je der Kerl. Seufzend stemmte ich mich auf die noch leicht zittrigen Beine. "Seid ihr wirklich sicher?", fragte Thorin, der sich neben mir erhoben hatte und mir wohl rein vorsorglich einen Arm hinter den Rücken hielt. "Jaja... das wird schon gehen. Nur keine Sorge. Aber sag mal. Hast du meinen Button gesehen?" "Euren was?" "Na das Ding da", meinte ich und deutete auf seinen, den er wie die anderen an den Gürtel geheftet hatte. "Ach dieses Ding. Wartet. Den habe ich für euch aufbewahrt", sagte er und griff in seine Hosentasche, wo er meinen Button heraus zog. Dankbar steckte ich ihn weg. "Willst du was mit uns essen, Cuna?", fragte Fili und wühlte in seinem Rucksack herum. "Ähm. nein... Ich warte bis es regulär Frühstück gibt. Aber ich nutze eben die Zeit und suche mal die Duschen auf. Wenn noch keiner wach ist habe ich bessere Chancen auf warmes Wasser", meinte ich etwas kurz angebunden und wollte schon aus dem Unterstand raus treten. "Wartet", kam es von Thorin und ich zuckte erschrocken zusammen. "Wie? Was.. Was ist denn noch?", fragte ich und fühlte mich nun doch ertappt. Er hatte sich hingesetzt und zog sich seine schweren Stiefel an. "Ich begleite euch", sagte er schlicht und stand dann wieder auf. Ich musterte ihn verwirrt und ein wenig entsetzt. Er wollte mich zu den Duschen begleiten? Was sollte denn das jetzt? Oder wollte er vielleicht sogar mit mir zusammen in die Dusche, um mich zu waschen? Hielt er mich für so Hilflos? Na also das konnte er mal schön vergessen. Nicht mit mir! Nein. Noch dazu wollte ich gerade, nachdem was ich entdeckt hatte, lieber Abstand von ihm gewinnen. Ich musste allein sein und über die Sache nachdenken, die ich entdeckt hatte. Das war unmöglich, wenn er mir auf schritt und tritt folgte. "Ach komm schon. Ich brauch keinen Babysitter. Das schaff ich schon noch alleine", sagte ich und lenkte dann meine Schritte zunächst zu meiner Hängematte. Doch ich hörte schon das Knirschen von Kies hinter mir und wusste dass er mir hinterher lief. Ich seufzte als ich ihn mit verschränkten Armen am Pfad stehen sah, nachdem ich mein Duschzeug geholt hatte. Wortlos schritt ich an ihm vorbei. Er mir hinterher. Folgsam wie ein Hund, oder eine Leibwache. Ja, ich glaube das Wort passte in diesem Augenblick viel eher. Es war schon sehr unangenehm ständig seine Blicke im Nacken zu fühlen, während wir über den noch leeren Platz schritten. Ahnte er vielleicht etwas? Oh hoffentlich nicht, dachte ich so bei mir und spürte schon kalten Schweiß auf meiner Stirn auftreten. Zum Glück waren wir gleich da. Bei den Duschen angekommen drehte ich mir kurz zu ihm um. "Aber damit du eins weißt. Mit rein kommst du gefälligst nicht", sagte ich ernst. Er gab ein belustigtes Schnauben von sich. "Was denkt Ihr von mir? Es würde mir nicht im Traum einfallen, einer Frau bei ihrer Waschung zuzusehen", meinte er trocken und lehnte sich seitlich an die Holzwand der Freiluftdusche. Ich drehte mich trotzdem mit einem leicht argwöhnischen Blick um und schloss die Tür zu "Marilyn"s Kabine ab. Drinnen konnte ich endlich durchatmen. Verdammt noch mal, was hatte ich mir nur dabei gedacht? Wieso hatte ich seinen Rucksack nur durchwühlt? Wieso musste ich nur so neugierig sein? Und warum fand ich ausgerechnet DAS? Mir drehte sich alles im Kopf und in der Magengegend, als ich dabei war mich auszuziehen und das Wasser anzustellen. Ich drehte und wendete es wie ich wollte. Doch schien mein rationaler Verstand nicht mit meinem Gefühl überein zu kommen. Das warme Wasser lief mir prassend auf meinen Schädel in dem sich einiges zu überschlagen schien. Mit einem mal war mir kotzübel. Nein, das konnte nicht sein! Ich hatte vielleicht wirklich nur geträumt. Dieses Ding konnte nicht wirklich der Arkenstein sein. Ich keuchte kurz auf und merkte dann, dass ich mir zitternd beide Hände gefaltet an die Brust gelegt hatte. Hatte ich wirklich gerade das Wort "Arkenstein" im Kopf gehabt? Der "Arkenstein"? Das Herz des Berges? Das uralte Vermächtnis König Thrors? Ich keuchte erneut. Mein Atem beschleunigte sich. Meine Hände, die eben noch gefaltet an meiner Brust gelegen hatten, krallten sich in meine Haare. Wenn dies wirklich kein Traum war. Dann... Dann waren das wirklich.... Ich hörte lautes Hämmern an der Tür der Dusche. "Cuna? Cuna ist mit Euch da drinnen alles in Ordnung?!", hörte ich Thorin besorgt rufen. "...J-ja... Was... was ist denn?", fragte ich stammelnd. "Ich dachte ich hätte Euch einen Moment lang schreien gehört... besser Ihr kommt da so bald es geht raus", meinte er ruhig, aber dennoch in seinem üblichen Befehlston. "Ist... ist schon alles gut... ich... Ich habe nur kurz den falschen Hahn zu weit aufgedreht. Da kam dann eiskaltes Wasser raus. Hier drin ist wirklich alles in Ordnung", meinte ich und wusste eigentlich, dass ich gar nicht danach klang. Meine Stimme überschlug sich fast vor Aufregung. Doch ich hörte am Knirschen des Kies vor der Tür, dass er sich wohl von der Tür wieder entfernt hatte. Was für ein Glück. Doch wie sollte es jetzt weiter gehen? Mir wurde es immer mehr und mehr bewusst, was oder vielmehr wen ich mir da vor wenigen Tagen ans Bein gebunden hatte. Ach du heiliger Dönerspieß... Ich wollte es mir einfach nicht eingestehen doch der Gedanke war nun unausweichlich. Es waren echte Zwerge. DIE echten Zwerge. Und sie waren in meiner Welt und nun ein Teil in meinem Leben. Und wenn ich jetzt dort raus ging zu Thorin. Dann würde ich wissen, das der Mann dort kein dahergelaufene Rollenspieler wer, der sich über mich lustig machte. Nein.... Es würde DER Thorin Eichenschild sein... Durins Erbe.... Der einzig wahre König unter dem Berg.... Das würde sicherlich noch einiges mehr an Problemen bringen. Und die würden mich aller Wahrscheinlichkeit nach, mehr kosten als nur das bisschen logischer Verstand, was mir nach dieser Erkenntnis noch geblieben war. -17. Das Geheimnis aus Stein / ENDE - Kapitel 18: 18. Piratentag -------------------------- "Cuna..... Cuna?... Cuna ich rede mit dir!" Erschrocken zuckte ich mit dem Kopf hoch, als ich aus meinen Gedanken gezogen wurde. Fili schnipste mir vor dem Gesicht herum und bettelte um meine Aufmerksamkeit. "Hä... Was? Wie? Was ist denn?", fragte ich irritiert. Er sah mich mit einem besorgten Seufzen an. "Warum stehst du denn hier allein herum? Du kannst dich beim Frühstücken auch hinsetzen. Bei uns ist noch Platz", sagte er schlicht und deutete auf die Bank voller Zwerge. Ich versuchte zu lächeln und schüttelte nur langsam den Kopf. "Ach, weißt du Fili. Ich habe euch mit meiner Anwesenheit schon letzte Nacht zu viel zugemutet. Ich muss mich euch nicht auch noch bei Tag aufzwingen", meinte ich und versuchte dabei ruhig zu klingen. "Wieso denn aufzwingen? Wir haben es gerne, wenn du bei uns sitzt. Außerdem wäre es nur vernünftig, so schlecht wie du immer noch aussiehst." Ja, das ich schlecht aussah, da hatte er nicht ganz unrecht. Mir ging es schließlich dementsprechend. Ich hatte mit Thorin auch kaum noch ein Wort gewechselt, seit wir von den Duschen zurück gekommen waren. Nur ein Danke und ein steifes Lächeln. Mehr hatte ich nicht zustande gebracht. Ich konnte einfach nicht. Ich fürchtete mit jeder Frage die aufkam, ich würde mich verraten. Mein Wissen preisgeben über das, was die Zwerge so verzweifelt zu verbergen versucht hatten. Und dennoch herrschte in mir diese Unsicherheit über die Wahrheit zu dem Thema. Es konnte zwar eigentlich gar nicht möglich sein, da alle von denen eigentlich bereits tot sein müssten. Aber sie saßen oder standen, wie in Filis Fall, quicklebendig vor mir. Lachten, schwatzten und ließen sich nach all ihrer Kunst aus. Wie es nun mal richtige Zwerge taten. Es war einfach wie verhext. Der leuchtende Stein, den ich gefunden hatte. So etwas gab es ja nicht einfach so. Und doch... Dieses Für und Wider machte mich schier verrückt. Und ich nagte schon seit fast einer halben Stunde an einer Scheibe Brot mit Wurst herum, ohne wirklich davon ab zu beißen. Ich wollte eigentlich mit Chu und Richi sprechen. Ihnen alles erklären. Aber würden sie mir glauben? Sicher sie waren meine besten Freunde, doch so eine an den Haaren herbeigezogene Sache würden sie mir niemals abnehmen. Allerdings drängte alles in mir danach jemandem zu erzählen, was ich herausgefunden hatte. Aber außer den Beiden fiel mir einfach niemand mehr ein. Es war zum Mäuse melken. "Hey, was macht ihr zwei denn da so lange?", fragte eine gutgelaunte Stimme hinter Fili. Bofur war aufgestanden und zu uns hin getrabt. "Nichts", sagte ich wahrheitsgemäß und knabberte weiter an dem Brot herum. Er lachte:"Hört mal ihr zwei, wenn ihr eure Hochzeit plant, ohne das es eine mitkriegen soll, dann macht das doch nicht hier. Aber ich kann euch ein schönes Gasthaus für die Feierlichkeiten Empfehlen." "HOCHZEIT?!", riefen wir beide empört aus. "Wie kommst du auf das schmale Brett?!", rief ich aus und machte einen Schritt auf ihn zu. "Hey... nana... Was für ein Brett denn? Außerdem. Ihr beide wirkt so vertraut... und da dachte ich also... nun ja...", stammelte er und hob verteidigend die Hände. "Da verstehst du was falsch. Sie ist inzwischen so was wie meine kleine Schwester, wegen der Sache die Kili fast passiert ist. Haben wir euch aber auch allen erklärt", meinte Fili und rollte genervt mit den Augen. "Is ja gut. Habs ja jetzt verstanden. Mein ja nur", sagte Bofur und scharrte mit den Stiefeln auf der Stelle. Ich schüttelte nur den Kopf und wandte mich ab. "Was ist denn jetzt, Cuna? Setzt du dich zu uns oder nicht?", fragte Fili erneut. "Ich hab doch schon gesagt, dass ich mich euch nicht die ganze Zeit aufzwingen möchte. Wie oft denn noch?", versuchte ich ruhig von mir zu geben, aber wie immer schaffte ich es dabei äußerst genervt zu klingen. Ich hörte den Jungen seufzen und spürte einen kurzen Schulterklopfer. Dann hörte ich beide hinter mir auf dem Kies davon knirschen. Für mich war es besser so. Ich musste langsam aber sicher auf Distanz zu ihnen gehen. Egal ob sie nun echt oder nur eine Einbildung waren. Ihre permanente Gegenwart schien mir nicht gut zu tun. Ständig passierte irgendwas komisches. Noch dazu dieses unangenehme flaue Gefühl in meiner Magengegend, wenn ich Thorin sah. Zum Einen dieses Schuldbewusstsein und zum Anderen dieser für mich unerklärliche Wunsch nach seiner Nähe. Es war zum aus der Haut fahren. Ich musste mich irgendwie ablenken. Aufhören daran zu denken. Da kam mir die plötzliche Durchsage von Moe über das "ROZ" gerade recht. "Guten Morgen, liebe Zeltstadtbewohner. Wie ihr sicherlich auf euren Programmzetteln gelesen habt ist heute Piraten Tag. Das bedeutet, alles was heute passiert dreht sich um die große Schatzsuche. Beziehungsweise um die Wasserschlacht für den Schatz. Daher brauche ich nachher ein paar starke Männer die helfen den Parcours aufzubauen. Der Rest kann sich freiwillig melden um die Wurfgeschosse vorzubereiten. Ach ja und Jacky. Keine Kondome dieses Jahr!", rief er und ich spürte mein Gesicht erröten und sämtliche belustigten Blicke der Leute auf mir ruhen. Ja, es stimmte. Ich hatte im Jahr davor einige alte Kondome zuhause gefunden, die abgelaufen waren und ich daher zu Wasserbomben umfunktioniert hatte. Passte ja auch jede menge an Wasser rein. Sorgte allerdings auch dafür, dass die Gruppe in der ich war, die Runde mit Leichtigkeit gewann, da eines ausreichte um mindestens drei nass zu machen. "Aber ich hab diesmal die Extra Großen mitgebracht!", rief ich gespielt empört zurück. "Ist ja schön, dass du an die Verhütung denkst, aber die lieferst du bei uns vor Spielbeginn ab. Danach bekommst du sie wieder. Wir wollen es ja Fair zugehen lassen. Also geh und hol die Sachen", meinte er und unter den Frühstückenden brach Gekicher aus. Ich seufzte und stellte mein angeknabbertes Brot weg. Schade aber auch um den Plan wieder mit Mega-Bomben alle nass zu machen. Ich stopfte mir gespielt genervt die Hände weit in die Hosentaschen und ging davon. Ich hörte noch wie Moe noch einmal dazu aufforderte das sich ein paar starke Männer zum Barrikadenbau bei ihm nach dem Frühstück melden konnten. Dann schaltete sich die Musik wieder ein. Heute würde es wohl den ganzen Tag nur "Santiano" geben. Aber das war auch ganz angenehm. Als ich mit der Packung Verhüterlies auf dem Rückweg war, sah ich bereits die ganze Zwergenmannschaft beim Aufbau der Barrikaden. Gut, damit waren sie sicher eine Weile beschäftigt und ich konnte den anderen mit den Bomben und den Wasserpistolen helfen. Zuvor reichte ich Moe allerdings die Dinger und wollte gerade gehen. "Hör mal Jacky. Wir müssen nochmal über das Nachtgelände Spiel reden, morgen Abend", sagte er und steckte die Schachtel weg. "Ja? Worum gehts denn dabei?", fragte ich. "Also wir haben uns überlegt, wo doch so viele in diesen Zwergenkostümen hier rum springen, wäre doch deine Idee mit der 'Quest of Middle-Earth' nicht die schlechteste. Aber da wir zu wenig Betreuer sind brauchen wir noch Orks, die sich in klein Mordor verschanzen und die ersten Suchhinweise bei sich tragen. Da dachte ich, ich frag dich, ob du dich gerne zu so was bereiterklären würdest, weil es ja von dir kam", meinte er und musterte mich fragend. Ich schluckte schwer. Verdammt doch nicht die "Quest of Middle-Earth"! Scheiße daran hatte ich ja gar nicht mehr gedacht! Und es kam mir jetzt sogar als äußerst schlechter Zeitpunkt vor, um dieses Spiel zu spielen. Vor allem... Wenn das da die echten Zwerge waren... Herr je! Die würden in ihrem Eifer die Menschen hier umbringen! Ich musste mir was einfallen lassen. Eigentlich musste ich ja Stillschweigen über das Geländespiel bewahren, aber ich konnte auch nicht das Risiko eingehen und hilflos mitansehen, wie die mit echten Waffen auf die Leute los gingen. Denn das würde ohne Zweifel passieren. Da war guter Rat teuer. "Also... Moe.. ich weiß nicht. Es könnte sein, dass die Herren das Spiel vielleicht doch etwas zu ernst nehmen könnten... Sollte ich sie vielleicht vorher drüber aufklären. Ich meine. Nur das nichts unvorhergesehenes passiert?", hakte ich kurz nach. Moe strich sich durch seinen orange-roten Bart und nickte dann. "Also du kannst es ihnen soweit erklären, dass sie keine Angst davor haben müssen wenn irgendwas gerufen wird. Das es zu dem Spiel dazu gehört. Aber verdirb die Überraschung nicht." Ich atmete leise aber tief durch. "Gut. Dann Spiel ich auch so nen Ork. Wäre eh besser. Ich glaub nicht, dass ich die ganze Nacht durchhalten werde mit rumlaufen", sagte ich und verabschiedete mich dann zu den Wannen, in denen die kleinen Wasserbomben präpariert wurden. Das Spiel selbst war sehr simpel, aber vom Taktischen her sehr aufwendig. Es sollte drei Teams geben. Zum einen die Schatzwächter, die in der Mitte auf den Sack mit den Süßigkeiten aufpassten. Denn was anderes gab es da nicht. Und zum Anderen die zwei Piratenteams, die sowohl gegeneinander, als auch gegen die Schatzwächter antreten mussten. Jeder bekam ein dünnes Blatt Papier auf die Brust geklebt. Würde dieses durchschossen oder anderweitig zerstört, war der Spieler raus. Die Piratenteams konnten sich jeder einen Kapitän wählen, der die Mannschaft einteilte und die befehle gab. Wer es schaffte in die Mitte zu kommen, um den Sack in seinen Teambereich zu bringen, dessen Mannschaft hatte gewonnen und durfte sich die Beute schmecken lassen. Manchmal mussten mehrere Runden gespielt werde, wenn die ganzen Piratenteams keine Leute mehr hatten. Dann wurde aber auch neu gemischt. Ich freute mich schon sehr darauf. Es war genau die Ablenkung, die ich brauchte. Als die Wannen mit Wasserbomben und natürlich Wasser gefüllt waren, um die Flaschen für die Pistolen nachzufüllen, stellten wir alles auf beide Seiten, gerecht aufgeteilt an den Spielfeld Rand. Die Zwerge hatten ganze Arbeit geleistet. So gute Barrikaden aus Europaletten, Planen und Obstkisten hatten wir noch nie. Zum Mittagessen wurden die Teams eingeteilt. Jeder musste einen Zettel ziehen. Ich war in Team Blau. Und damit auch gleich zusammen mit einigen der miesgelaunten Zwerge. Damit meinte ich natürlich hauptsächlich Dwalin und Gloin, die sich aber diebisch darüber freuten. Des weiteren kamen noch Bifur, Nori, Ori, Bombur und Fili in meine Gruppe. Natürlich noch ein paar andere der Zeltstadt. Chu war in Team Rot. Richi war in meinem Team. Darüber war ich mehr als nur dankbar. Er war ein super Taktiker und würde sicherlich einen ordentlichen Kapitän abgeben, wenn er es denn überhaupt machen wollte. Doch fragte ich mich, ob wir überhaupt gegen Team Rot eine Chance hatten. Denn sicherlich würde Thorin dort die Führung übernehmen. Ein Anderer würde dafür sicher nicht in frage kommen. Noch dazu hatten sie Kili, den ich wohl als einen der besten Schützen einschätzte. Das könnte happig werden. Nach dem Mittagessen, setzten wir uns in den Teams zusammen um die Kapitäne zu wählen. Wie zu erwarten, waren die Zwerge alles andere als kooperativ. "Wieso sollte ein Jungspund diese Aufgabe übernehmen? Von euch hat noch keiner einen Krieg miterlebt", polterte Gloin. Bifur raunte etwas, doch wirklich verstehen konnte man den Zwerg nicht. "Also, ich hab nichts dagegen. Immerhin wissen wir ja nicht, wie diese Dinger funktionieren. Und die wissen das schon", meinte Ori und musterte eine der Wasserpistolen. "Mag ja alles richtig sein. Aber es ist wichtig, dass jeder von euch dem Kapitän voll und ganz vertraut. Er hat die Taktik und das Spielgeschehen im Auge. Wenn wir den Schatz haben wollen, darf uns kein Fehler unterlaufen. Und erst recht darf es kein 'Friendly Fire' geben", meinte ich trocken und erntete einige zustimmende Worte. "Es darf kein was geben?", fragte Nori und musterte mich. "Heißt, dass du niemandem aus deinem eigenen Team absichtlich mit Wasser bespritzt, damit er raus ist", erklärte Richi. Ich warf einen kurzen Blick über die Schulter und musterte das rote Team. Wie nicht anders zu erwarten, hatte sie Thorin zum Kapitän aufstellen lassen und besprachen wohl bereits die Taktik. Und bei uns herrschte immer noch Uneinigkeit. So was mochte ich gar nicht. Und das Spiel sollte ja auch bald los gehen. "Am besten ist immer noch einer von uns dazu geeignet. Wir haben Schlachterfahrung!", polterte Gloin los. "Hah. Ausgerechnet Du. Du hast doch Angst vor deinem eigenen Schatten, Herr Gloin", spottete Bifur, der wohl endlich mal von seinem Gegrummel weggekommen war. "Das sagt der richtige. Du mit deiner Axt im Schädel", spottete Dwalin. Die Sache war kurz davor in einem Handgemenge oder Zwergenschlägerei zu enden, da griff ich frustriert nach dem albernen Kapitänshut. "ICH MACHS!", brüllte ich über die Streitenden hinweg. Abrupt hielten alle in ihren Haltungen inne und starrten mich entsetzt an. "DU?", riefen die Zwerge gleichzeitig. "Ja ich. Und jetzt setzt euch hin. Wir müssen über die Taktik reden", sagte ich gereizt. "Das Weibsbild will uns anführen? Dann sind wir ja gleich verloren", polterte Gloin drauf los. "Wenns dir nicht passt Bartfratze. Dann Geh. Feiglinge kann ich in meinem Team nicht brauchen", fauchte ich ihn an. Offenbar zog das Wort Feigling bei ihm ganz gut, denn er nahm zusammen mit den anderen wieder Platz. "Hört mal, Jacky is gut. Die hat letztes Jahr mit ihrem Team auch gewonnen. Vertraut ihr einfach", meinte eines der Mädchen, die mit uns im Team war. "Naja... wenn sie letztes Mal gewonnen hat. Dann versuchen wirs doch einfach mal", meinte Ori und lächelte vorsichtig. Ein wenig unwohl war mir ja schon dabei, dass ich einfach so in die Entscheidung eingegriffen hatte. War mir aber doch irgendwie lieber, wie eine Schlägerei zu tolerieren. "Also. Dann sag, Cuna. Was ist dein Plan?", fragte Fili ruhig und musterte mich neugierig. Ich atmete tief durch. Sah alle der Reihe nach an und gab dann meinen Plan preis:" Also. Ich weiß nicht was Thorin vorhaben könnte. Aber ich werde auf jedenfall über die Außenflanken gehen. Von da aus arbeiten wir uns nach Innen. Jeder geht Paarweise zusammen. Ein Werfer, ein Schütze. Wer sich beides nicht zutraut, kann sich den dritten im Bunde. Den Versorgern anschließen. Die stehen an den Becken mit den Geschossen und laufen nur dann zu einem der Paare wenn deren Munition aufgebraucht ist. Nehmt also so viel mit wie geht. Aber nicht zu viel, damit es euch nicht blockiert. Wenn die Flanken besetzt sind, kann die Mitte nachrücken. Von Außen bekommen wir sie schneller klein, als wenn wir direkt in die Mitte stürmen. Soweit alles klar?" Die Menschen nickten alle zustimmend, während die Zwerge sich nochmal kurz einige ungläubige Blicke zuwarfen. "Und das funktioniert?", hakte Nori nochmal nach. "Solange niemand einen Alleingang wagt oder wir uns dabei gegenseitig im Weg stehen müsste es funktionieren", meinte ich. Angespannt schaute ich um den Tisch herum. Das andere Team war bereits fertig und machte sich daran ihre Position hinter der Linie einzunehmen. "Also, was ist? Seid ihr dabei?", fragte ich und hielt eine Faust in die Mitte. Richi war einer der ersten, die seine Hand auf meine legten. Fili, Ori und Bombur auch. Die Anderen zögerten noch etwas, doch dann rangen sie sich doch dazu durch. "Und wie gehts jetzt weiter?", fragte Bombur gutmütig und betrachtete alle zusammen gelegten Hände in der Mitte. "Ich würde sagen. Wir sagen jetzt einfach alle 'Go!' ", meinte Richi. "Und dann?", fragte Ori. "Dann nehmen wir unsere Plätze ein", sagte ein Junge der bereits aufgeregt grinste. "Gut auf drei", sagte ich und schüttelte mit den anderen zusammen den Händehaufen. "Eins! Zwei! Drei!...", kam es von mir und dann, wie ein Donnerhall brüllten alle gleichzeitig "GO!". Ich stellte mein Team hinter der Startlinie zusammen. Suchte jeweils einen guten Werfer und einen Schützen zusammen. Die die nicht so gut laufen konnten oder wie Bombur einfach ein zu großes Ziel her gaben, blieben hinten und sollten den Rest der Mannschaft versorgen. Zunächst aber musste geklärt sein, wie man die Wasserpistolen richtig verwendete. Denn wie ich bereits erwartet hatte, stellten sich die Zwerge dabei sehr ungeschickt an. "Wie schaff ich es denn jetzt, dass der Wasserstrahl da weit genug kommt um jemanden zu treffen?", fragte Ori und musterte das kleine Rinnsal, als er abdrückte. "Das ist ganz einfach. Du greifst dir hier den Pumphebel und bewegst ihn so lange vor und zurück, bis es immer schwerer wird. Dann hast du genug Druck drauf. Ist wie wenn du dir einen runter holst", erklärte Richi trocken und einige lachten. Nun ja er war immer schon sehr direkt was solche Aussagen anging. Aber Niveau suchte man an manchen Tagen eh vergebens auf der Zeltstadt. Ich nahm mir eine der größeren Pistolen da ich über die Mitte gehen wollte. Nachdem ich einmal vorgemacht hatte, wie man die Dinger aufpumpt, sahen mich die Zwerge ein wenig entrüstet an. "Was für eine unglaubliche Ferkelei. Hätte mir Thorin das vorher gesagt, wäre ich zuhause geblieben bei meiner Frau", beklagte sich Gloin, der sich mit Bifur zusammen getan hatte. Fili war mit einem Mädchen als Paar zusammen gegangen, welche darüber alles andere als abgeneigt war. Es war deutlich zu sehen, dass sie versuchte mit ihm zu flirten. Richi hatte ich an Ori weitergegeben. Die beiden würden sicherlich gut aufeinander aufpassen. Und obwohl ich es lieber anders gehabt hätte, nahm ich Dwalin als meinen Wurfpartner. Ich hoffte zumindest, dass er mir sicher Deckung geben konnte. "Tze, das ist so lächerlich Mädchen", schnaubte er. "Willst du den Schatz erobern oder nicht?", fragte ich ihn. "Wenn es dabei um keinen Schatz ginge, würde ich bei so einem Theater gar nicht mit machen", sagte er und ging neben mir in Position. In der Mitte des Feldes stellten sich schon die Schatzwächter auf. Moe, der am Mikro stand um das Ganze zu kommentieren wartete in der Mitte am Feldrand. "So meine lieben. Ich hoffe, dass alle ihre Taktik besprochen haben und soweit gut bestückt sind. Die Kapitäne bitte ich um ein Handzeichen, wenn die Teams bereit sind", sagte er und schaute zu beiden Seiten des Feldes. Ich musterte meine Leute. alle standen in Reih und Glied an der Startlinie. Angespannt und bereit um in die Schlacht zu ziehen. Ich hob die Hand. "Team Blau bereit", rief ich über den Platz. Ich sah wie auch Thorin seine Mannschaft musterte und dann lieber stumm den Arm hob. "Alles klar Freunde. Dann. Lasst die Schlacht beginnen!", rief Moe ins Mikro und Zündete einen Feuerwerkskörper. Mit dem Knall zogen wir los. Ich koordinierte die Flanken von der Mitte aus, so hatte ich das Meiste im Blick. Die ersten Wasserbomben kamen schon geflogen und klatschten uns um die Ohren. Noch waren wir aber nicht in Schussweite. Ich beobachtete durch eine Öffnung in der Palette, wie sich das andere Team verhielt. Sie liefen in Keilform durch die Mitte. Ich musste grinsen. Mit Handzeichen gab ich den Flanken das Zeichen zum weiter Vorrücken. Es ging von einer Deckung zur Nächsten. Endlich konnten auch die Pistolen zum Einsatz gebracht werden. Kili war, wie zu erwarten unglaublich Zielsicher. Er schaltete Fili und seine Begleiterin innerhalb von Sekunden aus. Gut war auch nicht so schwer gewesen, da das Mädchen offensichtlich versuchte ihn die ganze Zeit im Gespräch zu halten. Ich rollte genervt mit den Augen. Quatschende Weiber waren schon immer ein Hindernis bei solchen Aktionen gewesen. "Wir müssen rüber nach links. Lücke schließen", sagte ich zu Dwalin. "Ja...ja.. bin doch nicht bescheuert", meinte dieser genervt und warf fleißig mit den Wasserbomben. Gerade als wir rüber stürmen wollten zur nächsten Deckung, erwischte es sein Papierschild an der Brust und er war raus. Ich seufzte. Viele waren nicht mehr übrig. Selbst die Versorger mussten jetzt mit ins Spiel kommen. Ich war der Mitte schon sehr nahe gekommen, aber meine Mannschaft war ziemlich weit verstreut oder schon ausgeschieden. Als der letzte Schatzwächter ausgeschaltet war, witterte ich meine Chance. Ich kam hinter meiner Plane hervor und rannte in die Mitte. Thorin, der ebenfalls der Mitte sehr nahe gekommen war, stürzte gleichzeitig hervor. Wir erreichten den Sack und packten beide zu. Die Pistolen auf das Schild des jeweils anderen gerichtet. Wir drückten ab. Kein Wasser mehr... alle beide... Verdammt und ich hatte keine Versorger. Thorin hatte nicht mal welche eingeteilt. "Lasst los!", rief er und zerrte am Sack. "Ich denk ja nicht dran!", rief ich und zerrte ebenfalls. Wir zogen beide, wie die irren an dem Teil. Moe war immer mitten beim geschehen: "Im Zentrum kämpfen die beiden Kapitäne, um Ruhm, Ehre und den Schatzsack. Wer wird ihn wohl für sein Team nach hause tragen?" "Lasst los, sonst muss ich Euch weh tun!", rief er. "Da musst du mich schon tragen, wenn du den haben willst!", brüllte ich ihm entgegen. Und ich bereute es in dem Moment als ich es sagte. Er stürzte sich nach Vorne, sodass ich auf dem Hintern landete. Man muss erwähnen, dass der Boden inzwischen ziemlich nass und matschig war. Weshalb es ordentlich klatschte. Er griff mich mit einem Arm unter den Knien, den anderen nutzte er dazu um mich am Rücken zu packen. Verwirrt und erschrocken blickte ich ihm ins Gesicht. Dass der Mann doch so stark war um mich und einen Sack zu tragen, versetzte mich in enormes erstaunen und beeindruckte mich zu tiefst. Allerdings war es mir zu gegebenem Zeitpunkt alles andere als recht und so versuchte ich mich heftig zur wehr zu setzen. "Thorin, was tust du?! Lass mich runter! Das ist gegen die Spielregeln!", rief ich protestierend und Moe kommentierte kurz drauf: "Oh Ha. Da hat sich der Gute aber gleich alles unter den Nagel gerissen. Frau und Sack. Der Mann ist ja unersättlich. Welches wohl davon sein größter Schatz ist?" "HALT DIE KLAPPE MOE!", brüllte ich ihm entgegen und wollte mich aus dem Griff des Zwergenkönigs befreien. Doch der schritt zügig immer weiter in das Feld seines Teams. Unerschrocken und ehrfurchtgebietend. Selbst mit mir auf den Armen konnte er noch gerade laufen. Ich sah ihn aus meiner Position her unentwegt an. Fühlte wie erneut mein Herz schmerzhaft anfing zu pochen. Herr je, warum musste dieser Kerl nur so verdammt gut aussehen. Und dann trug er mich auch noch wie ein gut behütetes Stück oder einen verletzten Kameraden vom Schlachtfeld. Oder... und dieser Gedanke erschreckte mich noch mehr... Wie eine Geliebte durch einen Feuersturm. Ich schüttelte kurz den Kopf, um wieder klar zu werden. An sowas durfte ich nicht einmal in meinen kühnsten Träumen denken. Aber eines war definitiv sicher. Niemand konnte ihn bei seinem Lauf aufhalten. Hinter der Linie des roten Teams setzte er mich dann auf dem Boden ab. Ich ließ den Sack los und schnaubte beleidigt. Die Roten jubelten und klopften Thorin auf die Schulter. Als ich zu meinem Team rüber sah bemerkte ich, wie die vorhandenen Zwerge frustriert die Pistolen in die Kisten warfen und sich dann zurück zu ihren Zelten zogen. "Ey Jacky, das sah grade voll episch aus!", rief Chu und half mir hoch. Ich seufzte und rang meine nassen Haare aus. "So? Meinst du?", fragte ich mit etwas bitterem Unterton. "Ja, ich hab nen Foto davon gemacht. Schau mal", sie zeigte mir ihr Handy indem sie tatsächlich den Moment eingefangen hatte, wo Thorin mich auf den Armen vor sich her trug und stur gerade aus schaute. Ich musste schlucken. Scheiße sah das gut aus. Ich pfiff kurz aus und nickte ihr dann anerkennend zu. "Joa... also.. passt schon... so ein bisschen", meinte ich trocken. "Na und wie. Der Zeltstadtfotograph hat da auch mehrfach drauf gehalten, hab ich gesehen. Ich bin so gespannt drauf wenn diese Bilder auf die Homepage kommen", sagte sie begeistert. "Ja und ich bin gespannt, was ich gleich von einem Teil meines Teams zu hören bekomme. Die sind stinksauer, hab ich das Gefühl." "Oh meine Liebe. Nehmt Euch das nicht so zu Herzen. Natürlich sind sie enttäuscht. Aber ich muss schon zugeben die Formation, die Ihr gewählt habt, war wirklich einmalig. Ihr habt viele von uns und auch den Wächtern damit eiskalt erwischt", sagte Balin und lächelte mich warm an. "Ja, das ist wahr. Wo habt Ihr das gelernt?", kam es von Thorin, der sich von den Gratulanten los reißen konnte. "A...ach das... Diese Taktik verwende ich häufiger in ein paar Kriegsspielen, um meine Basis zu schützen. Funktioniert fast immer", sagte ich und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. "Ich habe zwar keine Ahnung, was Ihr damit meint. Aber für eine Frau habt ihr ausgezeichnet gehandelt. Ihr könntet auch gut eine Heerführerin sein", sagte er, lächelte dabei anerkennend und klopfte mir kurz auf die Schulter. Ich schluckte und fühlte, wie mir die Hitze in den Kopf stieg. "Jetzt erzähl mir doch keinen Mist. So gut bin ich nicht", maulte ich und scharrte verlegen mit den Füßen im schlammigen Boden. "Wenn Thorin so was schon sagt, hat das was zu bedeuten", sagte Oin und machte sich daran mit Kili den Sack zu öffnen. Vor allem die Zwerge schienen ganz heiß auf den Inhalt des Sackes zu sein. Ich beschloss in der Zwischenzeit lieber einmal zu meinem enttäuschten Team zurück zu kehren. "WAS IN DURINS NAMEN IST DAS DENN?!", hörte ich Bofur aufbrüllen, als ich gerade in der Mitte des Schlachtfeldes war. Ich drehte mich nochmal um. Ich sah, wie die Zwerge entsetzt vom Sack weg traten und lauthals fluchten. "Betrug! Das ist Betrug! Wo ist das Gold?!", rief Kili und ich musste lachen. "Nanu, was haben die denn?", hörte ich Fili fragen, der mit Ori von den Zwergen aus meinem Team zurück geblieben war. "Die haben gerade den Schatz gesehen", meinte ich, als er auf meiner Höhe angekommen war. "Wieso? Was ist damit?", fragte Ori der Fili nachgelaufen war. "Nun ja... Bei dem Schatz handelt es sich um Süßigkeiten", kicherte ich. "Was? Wir haben die ganze Zeit nur um Zuckerkram gekämpft?", fragte Fili und wirkte genauso entsetzt, wie die Herren die gerade das rote Team alleine an dem Sack ließen und lieber mit wutschnaubenden Schritten zu ihrem Lager zurück kehrten. "Was habt ihr denn gedacht? Das wir Gold haben?", fragte ich und die beiden bekamen fast gleichzeitig einen roten Kopf. "Ja natürlich. Es ging doch um einen Schatz", meinte Ori empört. "Ja. Aber von Gold war nie die rede", sagte ich und grinste belustigt über die beiden erstarrten Gesichter. "Aber Schätze sind doch meistens aus Gold... oder Edelsteinen...", sagte Fili und musterte mich fassungslos. "Unsere aber nicht. Woher sollen wir denn bitte Gold nehmen?", fragte ich und versuchte ein ernstes Gesicht aufzusetzen, was mir aufgrund der allgemeinen Entrüstung sehr schwer war. "Wieso um alles in der Welt hast du uns nur so betrogen, Cuna?", fragte Fili und mit einem mal fühlte ich, wie mein Herz mir eine Etage tiefer sank. Er schien tatsächlich mir die Schuld dafür zu geben, dass jetzt alle niedergeschlagen und wütend waren. "Ich hab euch nicht betrogen, Fili. Es war nur nie die Rede von Gold oder Edelsteinen. Das war ein Spiel und es sollte eigentlich allen Spaß machen", versuchte ich mich zu verteidigen. "Also unter Spaß verstehen wir was anderes, als sich gegenseitig nass zu spritzen, um an Zuckerkram heran zu kommen", schnaubte der blonde Zwerg und versah mich mit einem Blick den ich bis jetzt noch nie bei ihm gesehen hatte. Es war die blanke Enttäuschung, die mir da entgegen schlug. "Jetzt... aber... Fili schau mich doch nicht so an... Ich dachte.... Ich hab doch nicht....", stammelte ich und gestikulierte mit den Händen herum. "Komm Ori... wir gehn zu den anderen...", sagte er und mir wurde auf einmal trotz der Mittagshitze eiskalt. Dieser folgte Wortlos und sie ließen mich beide einfach stehen, ohne nochmal nach hinten zu schauen. In mir breitete sich von diesem Moment an nicht nur das Gefühl des Versagens aus, sondern auch der eines schweren Verlustes. Sicher, ich wollte zu ihnen ein wenig auf Distanz gehen. Doch nicht auf diese Art. Nicht in dem Bewusstsein, dass sie glaubten ich hätte sie betrogen. Noch dazu in einer Sache, für die ich nicht mal verantwortlich war. Während um mich herum die Abbauarbeiten am Spielfeld begonnen hatten, wandte ich meine Schritte nicht zurück zu meinem Unterschlupf. Ich wollte nicht an den Männern vorbei gehen und mir diese wütenden und enttäuschten Blicke einfangen. Nein. Stattdessen sagte ich kurz Chu Bescheid, die noch am Süßigkeitensack war, dass ich einen Moment spazieren gehen würde und verließ den Zeltplatz in Richtung des Wäldchens, wo ich noch vor ein paar Tagen früh morgens einem jungen Zwerg das Leben gerettet hatte. -18. Piratentag / ENDE - Kapitel 19: 19. Nachts unterm Sternenhimmel ------------------------------------------- Stundenlang war ich durch das Wäldchen gelaufen. Einfach durchatmen und den Kopf leeren. Zum ersten Mal seit Tagen war ich mal für mich allein. Und mir folgte auch niemand, der mir dann wieder komische Fragen stellte. Doch einfach war es nicht. Obwohl ich auch mal die Einsamkeit genoss, so war sie diesmal eher drückend und bei dem Gedanken daran, dass ich bald wieder zurück zum Lager müsste bekam ich Bauchschmerzen. In diesen Momenten vermisste ich die starke Schulter an meiner Seite mehr denn je. Ich nahm auf einem umgestürzten Baumstumpf platz und starrte auf meine Hände. Ich wollte solche dummen Fehler eigentlich nie wieder machen. Ich hatte da gerade eine ganze Menge Leute enttäuscht und noch dazu wütend auf mich gemacht. Auch wenn ich eigentlich nicht daran Schuld war, so fühlte ich mich trotzdem so. Aber wahrscheinlich hätte mein Mann dann auch wieder zu mir gesagt:"So was passiert. Lern einfach mal daraus." Oder aber, "Das hätte ich dir vorher sagen können, aber du willst ja nicht hören. Jetzt sitzt du wieder da und bemitleidest dich selbst." Ja, manchmal konnte er auch einfach gemein zu mir sein. Aber meistens nur, wenn er sehr genervt war. Aber ich hatte ihn unglaublich geliebt. Und er mich ja auch, sonst wären wir nicht fast ein ganzes Jahrzehnt zusammen geblieben. Es stach höllisch in meiner Brust, dass ich ausgerechnet jetzt daran dachte, wo ich eigentlich einen leeren Kopf bekommen wollte. Aber so wars ja immer bei mir. Immer dann, wenn ich an was Positives denken wollte, kamen Erinnerungen hoch, die das absolute Gegenteil waren. Einfach zum kotzen das Ganze. Ich nahm einen alten Stock vom Boden auf und schlug ihn einmal kräftig auf den alten Baumstamm. Das Schlag hallte krachend in dem Wäldchen wider. Aber der Stock blieb noch ganz. Wäre vielleicht keine schlechte Idee, einfach mal so auf diese Art etwas Frust los zu werden, dachte ich so bei mir und stand auf. Ich suchte mir einige Stöcke vom Boden und begann dann munter auf den toten Baum einzuschlagen, wo ich zuvor noch drauf gesessen hatte. Hätte mich dabei jemand beobachtet, hätte er mich sicher für nicht ganz richtig im Kopf gehalten. Aber das musste jetzt einfach mal raus. Nicht still sitzen und Nachdenken. Einfach mal was tun, ohne drauf zu achten, was in einem selbst sonst noch so vor sich ging. Ich machte so lange damit weiter, bis ich ein Vibrieren in meiner Hosentasche fühlte. Inzwischen war es schon recht spät und das Abendessen war bereits vorüber. Auch der Himmel färbte sich in einem satten Abendrot, welches durch die Bäume schimmerte. Ich zog mein Handy und schaute auf das Display. Eine SMS von Chu. "Komm bitte zurück zum Lager. Frodo muss mal mit dir reden." Ich wischte mir die Stirn und legte den Stock, den ich noch in der Hand hielt beiseite. Gut, wenn Frodo was wollte, war es meistens wichtig. Also machte ich mich auf den Weg zurück. Unterwegs schrieb ich Chu eine Antwort, dass er doch bitte zu meiner Hängematte kommen solle, dort würde ich dann auch hinkommen. Ich wollte nicht wirklich offen über den Platz laufen, um der Gefahr zu entgehen wieder auf einen der Zwerge zu treffen. So suchte ich mir einen kleinen Schleichweg hinter Klein Mordor, wo ich mit Leichtigkeit hinein schlüpfen konnte, ohne unnötig gesehen zu werden. Frodo wartete schon auf mich. Er trug eine Warnweste und eine größere Taschenlampe bei sich. "Ah, da bist du ja. Warum kommst du denn von da hinten?", fragte er und musterte mich neugierig. "Lange Geschichte. Chu hat mir geschrieben, dass du mich sprechen willst", sagte ich. "Ja, also es geht um Folgendes. Vorhin ist eine unserer Nachtwachen für heute ausgefallen. Mattis Sohn is zuhause die Treppe runter gefallen und hat jetzt den Kopf auf. Kannst du für ihn einspringen?", fragte er Hoffnungsvoll. "Ach du heilige... Na klar. Na hoffentlich gehts dem Kleinen bald besser. Wann hab ich Antritt?" "Also, wenn du um kurz vor Mitternacht anfängst, is früh genug." "Gut, dann hau ich mich noch was aufs Ohr vorher. Und bestell Mattis gute Besserung für seinen Sohn", sagte ich und nahm ihm die Sachen ab. Er lächelte mich an:"Werd ich ihm bestellen. Sorry, dass ich dich belästige, aber die Anderen wollen alle nicht, weil heute Abend Dartturnier ist." "Heute Abend ist das Dartturnier? Ach egal. Nehm ich da nächstes Jahr dran teil. Ich könnt im Augenblick eh nicht gut zielen", meinte ich noch und winkte ihm dann zum Abschied, als er ging. Ich kroch danach unter meine Plane und warf mir schon mal die Weste über. Dann hatte ich nicht so viel zu tun, wenn ich später erwachte. Ich stellte mir meinen Handy-Wecker ein und steckte mir dieses in die Hosentasche. Schließlich zog ich kurz noch die Plane zu und dann schlüpfte ich schnell unter den Schlafsack. Einschlafen war wirklich nicht schwer. Ich war höllisch erschöpft von der vergangenen Nacht, die ich auf dem Boden zugebracht hatte. Das wieder aufwachen war da bedeutend schwerer. Mein Handy rappelte mit einem sehr nerven zerreibenden Piepen in meiner Tasche und ich musste mich einen Moment lang neu orientieren. Als ich mir dann endlich bewusst wurde, wo ich mich befand, tastete ich nach der großen Taschenlampe und rieb mir erst mal den Schlaf aus den Augen. Noch etwas bedröppelt machte ich mich dann auf den Weg. Ich hörte aus dem Fisse Ma "Tent" chen lautes Gegröle. Das Dartturnier war wohl noch voll im Gange. Mich interessierte nicht wirklich, wer dort gerade gewann. Die letzten Jahre vor seinem tot, hatte mein Mann das Turnier gewonnen. War auch nicht schwer mit seinem Profi Dartset. Die anderen Pfeile waren meist schon abgegriffen und krumm. Er hatte sein Zeug immer gut gepflegt und in Schuss gehalten. Kurz schüttelte ich den Kopf. Nein, ich sollte aufhören hier an ihn zu denken. Ich musste jetzt drauf acht geben, dass nur Leute da waren, die auch da zu sein hatten. Zunächst durchkämmte ich einmal klein Mordor nach unbefugten Anwesenden oder gar Pärchen, die nicht zusammen gehörten. Das war das Wichtigste überhaupt. Auch wenn man den Spaßverderber spielen musste. Man hätte es immerhin dem Veranstalter angelastet, wäre eines von den minderjährigen Mädchen dort Schwanger vom Platz marschiert. Und ehrlich gesagt wollte das keiner. Die Zeltstadt war ja für viele einfach mal eine Art Zuflucht, wo man es sich gut gehen lassen konnte, ohne gleich wegen irgendwas verurteilt zu werden. Aber trotz der kleinen Freiheiten, die man hatte, mussten gewisse Regeln eingehalten werden. Auch um den Fortbestand dieser Veranstaltung zu gewehrleisten. Ich zog von Weg zu Weg, auf der Suche nach den kleinen und großen Regelsündern. Den ein oder anderen musste ich dann auch rüffeln und sogar einem eine Flasche starken Alkohol abnehmen. Ich sprach ihm eine Verwarnung aus und musste einfach mal hoffen, dass er sich dran hielt. Das musste ich natürlich alles an Moe oder Frodo weiter leiten. Je nachdem wer gerade Dienst hatte. Ich machte später einen kleinen Bogen um die Zwergenzelte. Zum Glück gab es noch einen winzigen Durchgang nahe der "Ryan-House- Straße". So wurde der Ort genannt an dem nur die Zelte standen die alle genau gleich aussahen. Naja abgesehen von der Planenfarbe, die gelegentlich variieren konnte. Es war gerade ein Uhr durch. Der Platz war nach dem Dartturnier wie Leergefegt. Ich schritt in Richtung des großen Lagerfeuers, wo schon eine der anderen Nachtwachen saß. Niemand anderes als der gute Rumpel. Ein schräger Vogel mit kurzem schwarzen Haar und kleinem Schnauzer, der seinen Namen nicht von ungefähr hatte. Man durfte niemals sein Zelt von innen sehen, denn es glich tatsächlich einer Rumpelkammer. Alles lag kreuz und quer durcheinander und so wie sein Zelt aussah war er meistens auch. "Ah Jacky. Auch bei den Nachtschwärmern?", fragte er freundlich, als er mich sah. "Jaja. Frodo hat mich überreden können. Wer hat denn heute von der Leitung mit Dienst? Ich hab da einem ne Flasche Wodka abgezogen", meinte ich und schwenkte die Flasche lässig herum. "Ja also soviel ich weiß, is heute Goldständer dran. Hab den vorhin beim Eingang gesehen", meinte er und grinste ruhig. "Kannst du mir den Gefallen tun und ihm die bringen, wenns geht? Ich will mich was hinsetzen", sagte ich. "Klar mach ich. Bist noch tierisch angeschlagen was?", meinte er mehr feststellend als fragend. Er stand auf und nahm mir die Flasche ab. Ich lächelte und setzte mich auf eine der Betonröhren. "Naja so ein bisschen. Hab ja Gestern wieder eins drüber bekommen. Von so ner Ollen mit ner Handtasche", meinte ich nur. "Ja, hab ich gehört. Da haben die kleinen Männer drüber geredet, als se vorhin beim Turnier an der Bar gestanden haben", erwiderte Rumpel mit eher beiläufigen Ton. "Ach? Haben sie?", meinte ich und Rumpel nickte mir nur knapp zu. Ich schluckte kurz. Eigentlich ging es mich ja nichts an worüber sie da gesprochen hatten. Aber ich hoffte sie hatten weiter nichts Schlechtes über mich gesagt. In der Hinsicht war ich sehr eigen. "Wie dem auch sei. Bleib mal hier sitzen und bewach den Nachtsafe. Ich brauch was Bewegung", meinte er und verschwand mit wackelnder Taschenlampe in der Dunkelheit. Ich seufzte und legte mich mit dem Rücken auf den abgerundeten Beton. Das Lagerfeuer prasselte vor mir und knallte gelegentlich. Dabei flogen orange-rote Funken in den klaren Nachthimmel. Es war so friedlich und still, mit der Ausnahme, das die Nacht von Schnarchgeräuschen und den sommerlichen Grillen erfüllt war. Ich seufzte wieder leise. Wie gerne hätte ich die Sterne gesehen. Doch auch hier war es so, dass die nahe gelegenen Dörfer und Kleinstädte den Himmel so bestrahlten, dass man allerhöchstes die Venus erkennen konnte. Vielleicht konnte ich ja etwas singen üben. Ich war ja immerhin allein und niemand sonst außer den anderen Nachtwachen könnte mich stören. Ich überlegte gar nicht lange, was ich singen könnte. Da fiel mir nur eines ein. Auch wenn es eigentlich ein Duett war, so war ich gerade in der Stimmung dafür das Lied "Vergiss mein nicht" von Oonagh. Ich hatte es zwar lange nicht mehr gehört, aber der Text hatte sich tief in mein Herz gebrannt. Es war das Lied, was ich damals bei der Beerdigung meines Mannes gesungen hatte. Die Geschichte zweier Seelen die zueinander fanden und dann doch aufgrund der Tatsache getrennt wurden, dass die eine sterblich und die andere unsterblich war. Das Letztere traf zwar auf mich nicht wirklich zu. Aber ich hatte es damals einfach für sinnvoll erachtet. "Vergiss mein nicht. Und Denk an mich. Im nächsten Leben, da wart ich auf dich. Elenion, hält deine Wacht. Ein Elbenlicht vor den Schatten der Naaaaacht", sag ich und schloss dabei die Augen. "Äh... Verzeihung?", nuschelte plötzlich jemand ganz in meiner Nähe und ich schreckte hoch. "Wa...was? Wie? Wo?", stammelte ich und sah mich um. Neben mir stand verschüchtert und mit dem Button in der Hand spielend der kleine Ori und lächelte verlegen. "Ori. Was gibts denn? Möchtest du irgendwas?", fragte ich und musterte ihn ruhig aber nicht ganz ohne mich ertapt und unwohl zu fühlen. "Also. Tut mir leid das ich dich unterbrochen habe. Aber ich wollte mir etwas zu trinken hier holen. Man sagte mir, ich könne mich dann hier an jemanden wenden.", sagte er und grinste etwas. "Ja natürlich. Was möchtest du denn haben?" "Wenn du etwas Wasser da hättest, wäre ich sehr erfreut", meinte er und ich stand nickend auf. "Wasser willst du, also sollst du Wasser kriegen", antwortete ich und ging an den Nachtsafe. Darin befanden sich so allerhand kleine Habseligkeiten. Für Leute die Nachts Hunger bekamen oder über ein Zeltseil gestolpert waren und Schürfwunden vom Kies erlitten hatten. Und natürlich auch Getränke. Ich zog eine Flasche aus dem Schrank und reichte sie ihm. Er gab mir dafür einen Euro in die Hand, welchen ich in die Spardose am Safe packte. Ja, auch Nachts musste für so was gezahlt werden. "Vielen Dank. Übrigens. Du kannst wirklich schön singen", meinte er und scharrte verlegen mit den Stiefeln im Kies. "Ja... Danke, Ori... Aber so gut bin ich gar nicht... Da gibt es weit bessere", sagte ich und nahm wieder auf der Betonröhre platz. "Also ich finde schon, dass du schön singst. Aber es klang irgendwie so traurig", meinte er und drehte die Flasche in seinen Händen. "Es ist auch ein sehr trauriges Lied", sagte ich mit einem Seufzen. "Bist du denn traurig oder warum singst du so etwas, zu dieser nächtlichen Stunde? Es ist doch ein schöner Sommerabend", meinte er und blickte sich kurz um. "Vielleicht. Ein bisschen. Nachts bin ich immer traurig", murmelte ich nachdenklich vor mich hin. Er musterte mich mit besorgtem Blick. "Warum bist du denn nachts immer traurig?", fragte er neugierig. Nun musterte ich ihn. Er war ja schon irgendwie ein drolliges kleines Kerlchen und noch so unschuldig, wenn gleich auch recht vertrauensseelig. Trotzdem wollte ich nicht gerade jedem den genauen Grund erzählen, weshalb ich traurig war. Doch er machte den Eindruck, als würde er sich deswegen nicht über mich lustig machen. So atmete ich doch einmal tief durch bevor ich ihm antwortete:"Ich fühl mich einsam. Das ist alles." "Du bist Einsam? Warum denn? Ich hab gehört, dass du hier doch so viele Freunde hast. Wie kann man denn da einsam sein?", fragte er mit bestürztem Gesichtsausdruck. Wieder musste ich seufzen und klopfte einfach neben mich auf die Betonröhre. "Komm setz dich und leiste mir Gesellschaft. Dann erkläre ich es dir", meinte ich nur. Er nickte und nahm dann zögerlich neben mir platz. Ich wartete bis ich seine volle Aufmerksamkeit hatte. Dann begann ich zu erzählen. "Weißt du, ich war bis vor zwei Jahren noch mit einem sehr lieben Mann verheiratet. Wir waren fast zehn Jahre zusammen und liebten uns fast Bedingungslos. Klar, die eine oder andere Meinungsverschiedenheit hatten wir immer. Aber soll mir einer eine Beziehung zeigen wo das nicht so ist", ich schnaubte kurz und fuchtelte dabei abwehrend mit den Händen. "Was ist mit dem Mann vor zwei Jahren passiert? Hat er dich verlassen und ist weit fort gegangen?", fragte er und öffnete seine Wasserflasche um einen Schluck zu trinken. Ich schüttelte nur den Kopf. "Er.... nun ja.... Er... starb", sagte ich, was dafür sorgte, dass sich der kleine dunkelblonde Zwerg verschluckte. Vorsichtig klopfte ich ihm auf die Schulter. Er rang nach Luft und röchelte dann kurz: "Dann... Dann bist du ja Witwe. Wie ist das denn passiert, wenn ich fragen darf?" Ich schaute ihn kurz ruhig an. Sollte ich ihm das wirklich erzählen? Einfach so? Diesem unschuldig drein blickenden Knirps? Wobei mich aber gerade dieser unschuldige Blick doch dazu bewog ihm die Geschichte zu erzählen. Nicht viele kannten sie. Und sie war auch nicht wirklich Lang. Aber sie tat immer noch verdammt weh. Ich schnaufte kurz und sah ins Feuer. Dabei rieb ich meine Hände nachdenklich aneinander, bevor ich loslegte. "... er hatte einen Unfall auf der Arbeit", begann ich dann leise zu erzählen. "Er hat in einem Betrieb im Lagerbereich, nicht weit von hier gearbeitet und war auf dem Weg gewesen, einen Auftrag weiter zu leiten. Einer der Staplerfahrer war unachtsam beim Fahren gewesen. Er fuhr viel zu schnell rückwärts an ein Regal. Das hinter dem mein Mann gerade her ging. Das ganze Regal samt der schweren Paletten mit Waren stürzte auf ihn. Er hatte keine Chance auszuweichen oder in Deckung zu gehen. Es hat ihn.... buchstäblich... zerquetscht." Ich begann zu zittern. Da waren sie wieder. Die Bilder, die ich eigentlich sonst immer zu verdrängen versuchte. Das halb umgestürzte Regal. Das Chaos am Boden. Und zwischen drin.... Nein! Nein, das Bild wollte ich nicht mehr sehen. Nicht dieser entsetzliche Anblick. Ich schüttelte mich und klammerte meine Hände in die Ellenbogen. Verdammt. Ich war immer noch nicht stark genug um das Erlebte selbst nach all den Jahren wieder zu geben. "Cuna? Cuna, was hast du? Cuna rede doch mit mir. Was ist denn weiter passiert?", bettelte Ori und rüttelte an mir. Ich versuchte nach Luft zu ringen, doch machten es mir der plötzlich aufgetretene und unaufhaltsame Tränenstrom nicht leicht weiter klare Worte von mir zu geben. "Ich... ich... Man... Hat mich angerufen. Hat mir von dem Unfall erzählt. Ich bin ins Auto gestiegen und... drauf los gerast... Wie eine irre. Ich... Ich hoffte, dass er sich nur was gebrochen hätte oder nur eingeklemmt war aber... Als ich... Als ich ankam.. wartet dort schon der Notarzt und die Sanitäter. Einer seiner... Kollegen hat mich dann.. zu dem... Unfallort gebracht... Und... und der Arzt.. er meinte... Ich... m...müsse ihn identifizieren." Ich bekam Schnappatmung. Mir wurde furchtbar schwindlig. Ich konnte die Stimmen wieder hören. Mich an alles erinnern, was an jenem Tag gesprochen wurde. Doch erinnerte ich mich an keines der Gesichter, die dort gewesen waren. Nur an seines. Nur an diesen letzten Anblick von ihm. Ich hatte geschrien. Unglaublich laut geschrien. "Cuna? Cuna?! Bei Durins Bart! Was hast du denn auf einmal?! CUNA?!", schrie mich Ori verzweifelt an. Ich war von der Betonröhre gerutscht und in den staubigen Boden vor dem Lagerfeuer gesunken. Meinen Kopf hatte ich auf dem halb zugeaschten Boden gedrückt und ich weinte und ich schrie wie damals. Ich schüttelte mich. Krallte meine Hände in die Seiten meiner Hüften und verkrampfte regelrecht. Ich hatte es nicht geschafft. Ich hatte doch die Fassung verloren. Und das Schlimmste. Mir stand nun wieder dieses Bild vor Augen. Dieses unglaublich, Übelkeit erregende Bild. Wie er da lag. Verdreht, blutüberströmt und von Kisten und Paletten umgeben. Er war völlig entstellt gewesen. Das hätte nie das Letzte sein dürfen, was ich von ihm sah. Nicht so. Nicht auf diese grausame Art. Ich verfluchte die Menschen, die mich vor geschickt hatten, um ihn zu identifizieren. Warum hatte man mir das als seiner geliebten Frau nicht ersparen können? Warum nur, um alles in der Welt? Jetzt lag ich da im Staub des Campingplatzes und heulte mir verzweifelt die Augen aus dem Kopf. Hätte ich doch besser den Mund gehalten. Die ganze Sache runter geschluckt, wie ich es sonst immer getan hatte. Ich war zu leichtfertig damit umgegangen. Dachte, ich wäre endlich in der Lage über dem Ganzen zu stehen. Aber ich hätte aufhören sollen zu denken. Nicht denken. Nur machen. Dann wäre es nie zu diesem Zusammenbruch gekommen. Obwohl ich mich nun fast Besinnungslos weinte, konnte ich doch noch schnelle, schwere Schritte über den Boden rennen hören. Auch Stimmen, die von etwas weiter her riefen. "Ori, was ist hier los?", fragte jemand aufgeregt von weiter her. Wer genau konnte ich bis dahin nicht ausmachen. "Bitte, bitte helft mir. Ich weiß nicht was genau. Sie ist plötzlich umgefallen und weint wie verrückt", stammelte Ori verzweifelt und mit bebender Stimme. Die schnellen Schritte kamen immer näher und hielten neben mir. "Hast du irgendwas gemacht? Ist irgendwas vorgefallen?", fragte eine andere Stimme. "Ich... Ich hab mich nur mit ihr unterhalten. Sie hat mir was erzählt... Und dabei ist sie plötzlich umgefallen und fing an zu schreien und zu weinen. Ich weiß nicht, was ich machen soll", sagte er fassungslos. Ich fühlte von beiden Seiten Hände auf meinem Rücken liegen und leise flüsternde Stimmen, die versuchten mich wohl zu beruhigen. "Cuna. Was hast du denn? Hast du Schmerzen? Brauchst du irgendwas?", fragte die eine mit schwer besorgtem Ton. Ich konnte nur den Kopf schüttelt und krampfte mich fester zusammen. Warum waren denn ausgerechnet die alle gekommen? Warum nicht meine Freunde? Oder waren sie vielleicht sogar schon unterwegs zu mir? Ich wusste es einfach nicht. Neben den leisen Stimmen die versuchten mich wieder zur ruhe zu bringen konnte ich ganz klar und deutlich den barschen, ernsten Ton von Thorin erkennen, der offenbar auf Ori einredete. "Was hat sie erzählt? Worüber habt ihr beide gesprochen?", fragte er und Ori gab nur klein laut Antwort. "Ich... hab sie bei singen gestört... Als ich das Wasser holen wollte... Und hab sie gefragt, warum sie denn so ein trauriges Lied singt... Darauf hin meinte sie, dass sie sich nachts einsam fühlt... und... und sie hat mir von ihrem Mann erzählt... und..." "Das genügt mir", hörte ich ihn sagen und spürte, wie die Hände, die auf meinem Rücken lagen und diesen streichelten, sich zurück zogen. Stattdessen griffen mich von vorne zwei kräftige Hände an den Oberarmen und zwangen mich dazu mich aufrecht hin zu setzen. Ich wollte ihn nicht ansehen. Ich hielt meinen Kopf daher weiter gesenkt und zitterte heftig. "Cuna... Seht mich an...", hörte ich ihn sagen. Er klang ruhig, aber dennoch bestimmend. Ich schüttelte den Kopf, worauf er aber an mir kräftig herum rüttelte. "Cuna, seht mich an!" Sein Tonfall wurde ruppiger. Doch das war mir egal. Die Gruppe um uns herum blieb still und starrte nur gebannt auf uns hinunter. Ich versuchte ihn weg zu stoßen und nuschelte: "Lass mich... Bitte lass mich in ruhe." Seine kräftigen Hände drückten meine Oberarme so fest, dass mir schon die Finger taub wurden. "SIEH MICH AN DUMMES DING!", brüllte er, fasste mich dann grob am Kinn und drücke meine Augen auf seine Sichthöhe. Ich keuchte erschrocken. Es war, als hätte er mir mit diesem kurzen Anbrüllen eine Ohrfeige verpasst, was mich für den Moment unter Schock setzte. Er starrte mir fest und ernst in das verweinte Gesicht. Es wirkte fast Emotionslos, so wie er mich musterte. Um uns herum herrschte Totenstille. Die Luft war so dick, man hätte sie schneiden können. Als er zu mir sprach waren seine Worte kalt und brennend, wie scharfer Stahl der sich mir versuchte ins Herz zu bohren. "Sieh dich nur an. Wie du hier sitzt. Zusammen gekrümmt. Schluchzend. Mit Asche beschmiert. Du willst eine starke Frau sein? Eine die dem Tod unerschrocken ins Gesicht spucken würde? Ein jämmerliches Würmchen bist du. Belügst und betrügst dich selbst und damit auch andere", fauchte er und versetzte der warmen Sommernacht einen eisigen Lufthauch. Seine Worte taten unglaublich weh. Ich hätte mich am liebsten von ihm abgewand. Doch ich konnte auf Grund seines Griffes nicht mehr weg sehen. Höchstens die Augen in eine andere Richtung lenken, aber das half auch nicht viel. Jedes mal, wenn ich es versuchte, drehte er meinen Kopf wieder so, dass ich ihn ansehen musste. Was machte er da nur mit mir? Wieso tat er das? War das jetzt alles wegen dem falschen Schatz vom Nachmittag? Wollte er sich dafür rächen, dass man seine Leute betrogen hatte und sie alle kein Gold bekommen hatten? "Beantworte mir eine Frage. Nur eine einzige Frage", sagte er schließlich streng und gefährlich langsam. Ich zitterte heftig. Hatte er jetzt vielleicht doch gemerkt das ich den Stein gefunden hatte? Mir drehte sich der Magen fast auf links. Ich konnte nicht mal irgendwas sagen, da stellte er mir schon die Frage:" Für wen kämpfst du?" Ich schluckte und war mit einem Mal total aus dem Konzept. Für wen ich kämpfte? Was sollte denn diese dumme Frage? Die ergab doch gar keinen Sinn in dieser Situation. "Ich... ich.... versteh... die... Frage nicht... ", drang es mir heiser aus meiner Kehle. "Ich wiederhole sie nochmal... Für WEN kämpfst du?", sagte er und betonte es nun umso deutlicher. "Thorin ich finde du solltest....", setzte Balin an. "Seid still. Alle!", blaffte er und sah sich in der Runde um. Ich schluckte kurz, als er mich forschend ansah. Er erwartete eine Antwort. Ich öffnete meinen Mund, schloss ihn wieder. Dann öffnete ich ihn wieder und schloss ihn erneut. Ich konnte ihm wahrlich nicht diese Frage beantworten. Aber er erwartete wohl recht bald eine Antwort. Dann sagte ich das Erstbeste, was mir einfiel. "Für... für mich?", sagte ich eher fragend als selbstsicher. Er starrte mich an und begann spöttisch zu lachen. "Für so Egoistisch hatte ich ausgerechnet dich niemals gehalten. Kämpfst für dich. Also wirklich. Das ist das Lächerlichste, was ich in all den Jahren je gehört habe", rief er aus. "Aber... aber was soll ich dann... was willst du dann hören?", fragte ich und fühlte, wie sich nach seiner Aussage ein neuer Schnitt durch mein ohnehin schon mitgenommenes Herz zog. "Dann helf ich dir mal auf die Sprünge. Hast du eine eigene Familie gegründet? Mit Kindern und allem drum und dran?", fragte er mit scharfem Ton. Ich schüttelte den Kopf. Kinder hatte ich wirklich keine. Dazu waren wir weder gekommen noch hatten wir große Lust darauf gehabt. "Hast du ein Volk zu führen? Oder bist die Meisterin von ein paar Lehrlingen deines Handwerkes?", waren die nächsten Fragen. Und wieder konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. Er schnaubte kurz und sein Gesichtsausdruck wurde noch viel spöttischer. "Und einen Mann, der dich liebt und den du liebst, hast du auch nicht mehr. Du hast Freunde. Ja. Aber für die brauchst du nicht zu kämpfen. Die fechten ihre eigenen Schlachten aus. Jetzt sag mir nochmal. Für wen kämpfst du? Du kannst deine Antwort jetzt nochmal ändern und überdenken. Antwortest du wieder falsch, bekommst du richtig ärger mit mir." Mit diesen Worten löster er sich von mir, stand er auf und stellte sich mit verschränkten Armen vor mich. Ich konnte endlich meinen Kopf wieder frei bewegen und schaute auf meine zitternden Hände. Für wen kämpfte ich? Ja, für wen? Es stimmte. Jetzt wo er es sagte. Ich hatte niemanden für den ich noch kämpfen musste. Niemanden für den ich stark sein musste. Den ich schützen musste. Man sagte zwar immer, man solle für sich selbst stark sein. Aber was hatte es denn für einen Sinn? Eigentlich keinen. Es machte nur einsam. Unendlich einsam. Einzelkämpfer war eigentlich das Schlimmste, was man sein konnte. Das war ich Jahre lang gewesen. Und nun war ich wieder in diese Position geraten. Ich hatte niemanden an mich ran gelassen. Nur so nah, wie ich es gewollt und zugelassen hatte. Hatte versucht mich selbst zu schützen und dabei andere aus meinem Herzen ausgeschlossen. Deshalb war ich zusammen gebrochen. Weil ich es zu lange in mich hinein gefressen hatte. Meinen Schmerz und Kummer nicht teilen wollte. Und jetzt brauchte es ausgerechnet diesen Zwerg dafür, um mir den Kopf zu waschen. Mich wieder zur Vernunft zu bringen. Es war unfassbar! "Ich warte noch auf deine Antwort, Cuna", sagte er von oben auf mich herab und tippte mit der Zehenspitze ungeduldig im Staub herum. "Es ist... Die... Antwort... ist...", stammelte ich und schluckte kurz. "Ja?", sagte er ziemlich gedehnt. Ich blickte auf und starrte ihn von unten her an: "Die Antwort ist.... Niemand..." Er ließ die verschränkten Arme sinken und nickte. "Genau. Ich wusste doch, dass du die richtige Antwort kennst. Jetzt steh auf." Da ich auf den Knien saß, wippte ich einmal kurz vor und zurück und drückte mich schwerfällig auf die Beine um seiner Aufforderung nach zu kommen. Mir war noch ein wenig schummrig im Kopf, doch ich konnte mich hinter mir an der Betonröhre abstützen. "Komm her", sagte er, nachdem ich etwas durchgeatmet hatte. Vorsichtig machte ich ein paar Schritte auf ihn zu. Das ging ihm offensichtlich viel zu langsam. Er griff nach meinem Handgelenk und zog mich dann überraschender weise ganz nah an sich ran. Ich stand nun direkt vor ihm. Das Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. Brust an Brust. Die ganze Strenge, der Ernst und der Spott, die zuvor noch auf diesen Zügen gelegen hatten, waren wie dahin geschmolzen. Er lächelte mich statdessen friedlich an und legte mir eine Hand an die Wange. Mit ruhigem Ton berührte er meine Stirn mit seiner: "Es ist in Ordnung, dass du weinst, wenn es dir schlecht geht. Du hast allen Grund zu trauern. Du solltest es tun. Niemand wird dich deswegen auslachen oder mit dem Finger auf dich zeigen. Alle die du hier siehst, haben schwere Verluste in ihrem Leben ertragen müssen. Doch sie haben zur rechten Zeit um diese Verluste getrauert. Das solltest du nachholen." Ich sah tief in seine blauen Augen und ertrank fast darin. Diese Wärme, die in mir aufstieg. Mein stärker werdender Herzschlag. Und das Keuchen, was sich in meiner Kehle ankündigte. Sein Duft, der mir in die Nase stieg, raubte mir dabei fast völlig den Verstand. Ich nahm auch die anderen drum herum nicht mehr wahr. Ich sah nur noch ihn. Diese Augen. Das Lächeln. Die warme, raue Hand an meiner Wange. Das alles versetzte mich in einen regen Rauschzustand, der mich fast zu einer sehr unangenehmen Sache verleitet hätte. Ich tat daher das Einzige, was mir einfiel um keinen allzu großen Fehler zu machen. Ich schlang meine Arme um seinen Rücken, löste widerwillig meine Stirn von seiner und versenkte mein Gesicht in seiner rechten Schulter. Ich konnte erleichtertes wie überraschtes Aufatmen im Umkreis hören. Doch dieser Moment schien nur mir allein zu gehören. Er legte seine Arme um mich und drückte mich sanft. Ich fühlte Schulterklopfer und Kopfstreicheln. Es war ungemein beruhigend. Vorsichtig hob ich meinen Kopf an sein Ohr und flüsterte: "Thorin?" Er brummte kurz leise um mir zu zeigen das er zuhörte. "Ich.... ich... ", stotterte ich und fühlte, wie mein Gesicht immer heißer wurde. "Ja?", flüsterte er mir mit seiner dunklen Stimme sanft zu. "Ich bin froh das du da bist. Das ich dich und... die anderen alle... kennen lernen durfte." Er begann leise zu kichern. Nicht belustigt. Nein einfach nur, weil er sich offenkundig über meine Aussage zu freuen schien. Doch an diesem Abend wusste ich, dass ich mehr zu fühlen begonnen hatte, als nur Freundschaft ihm gegenüber. -19. Nachts unterm Sternenhimmel / ENDE - Kapitel 20: 20. Was Sie alles über Zwerge NICHT wissen wollten -------------------------------------------------------------- Es war schon eigenartig. Vor wenigen Nächten hatte ich die Zwerge noch verflucht, die in mein Leben getreten waren. Und nun? Es schien plötzlich alles so anders zu sein. Obwohl mir immer noch nicht klar war, was genau ich von ihnen halten sollte. Vor allem Thorin warf mir immer mehr Rätsel auf. Erst war er so ernst, dann war er so fürsorglich. Und dann wiederum aufbrausend. Aus dem Mann sollte mal eine Frau schlau werden. Und das in der vergangenen Nacht war im Nachhinein betrachtet schon fast ein wenig gruselig von ihm. So liebevoll und zärtlich, wie er sich verhalten hatte. Das schien mir gar nicht seine Art zu sein. Oder hatte er eventuell beim Dartturnier zu tief ins Bierglas geschaut? Das wäre wohl eine Erklärung für diese sonderbare Anwandlung. Doch darüber konnte ich mir später Gedanken machen. Zumindest war ich mir halbwegs sicher, dass sie alle echte Zwerge waren. Aber sie wussten noch nichts von dem, was ich wusste. Vorerst wollte ich dieses Geheimnis erst mal für mich behalten. Zumindest ihnen gegenüber. Ich wusste auch nicht, wie sie reagiert hätten, hätte ich den Arkenstein erwähnt. Auch wenn durch diese unschöne Situation in der Nacht, sich unsere Beziehung wieder etwas eingerenkt hatte. Den ein oder anderen gab es dann doch, der immer noch mit zweifelnden argwöhnischem Blick zu mir hinüber sah. Oder hinter vorgehaltener Hand mit einem der anderen Skeptiker tuschelte. Aber das waren eben Zwerge. Damit hatte ich mich nun unlängst abgefunden. Auch wenn es meinem logischen Verstand immer noch sehr zusetzte. Beim Frühstück am nächsten Morgen suchte ich mal wieder einen Platz bei Chu und Richi. Es kam mir vor, als hätte ich seit Jahren nicht mehr bei ihnen gesessen. Und um ehrlich zu sein, tat dies auch mal wieder gut. "Hör mal, Jacky. Ich hab gestern Abend mitbekommen, dass es ärger gegeben hat, mit dir und den kleinen Kerlen da hinten. Was ist denn genau vorgefallen?", fragte mich Chu und nuckelte dabei an einem Stück Salatgurke. "Was genau meinst du?", fragte ich und nahm einen Schluck Tee. "Also ich habs läuten gehört, dass ihr im Einkaufszentrum ärger hattet und sie dir die Nase nochmal neu gerichtet haben", meinte sie und hob beunruhigt die Augenbrauen. "Ahja... das. Also das war ein Wild gewordenes Model mit Killerhandtasche. Die Weiber sind ja extrem empfindlich", erklärte ich ihr mit einer abwehrenden Handbewegung. "Warum hast du uns denn nicht gleich was gesagt? Das hätte ein Arzt machen müssen und nicht diese verrückten Rollenspieler da. Die hätten dich umbringen können", polterte Chu drauf los und sah mich vorwurfsvoll an. Ich seufzte und nickte mit einem beflissenen Gesichtsausdruck. Sie hatte ja nicht ganz unrecht. Ich hätte ihnen früh genug Bescheid sagen sollen. Doch es war einfach zu viel los gewesen. "Ich finde auch, dass sie dich inzwischen viel zu sehr vereinnahmen. Ständig kommen die an und wollen irgendwas von dir. Ich glaube langsam wäre es echt besser, wenn du ihnen höflich klar machst, dass sie doch besser gehen sollten. Sonst sehe ich dich noch vor einen LKW laufen", mahnte mich Richi eindringlich an und senkte dabei verschwörerisch die Stimme. "Naja das hatten wir ja schon am ersten Morgen. Aber ernsthaft. Ich kann sie nicht einfach vom Platz scheuchen. Das ist nicht meine Aufgabe und so gesehen, haben die mir damit eigentlich die Nase gerettet", meinte ich und hob beschwichtigend die Hände. "Warum verteidigst du sie denn auf einmal? Du hast selbst gesagt, dass sie dir auf die Nerven gehen und dass sie besser Heute als Morgen von hier verschwinden sollten", meinte Chu und blickte dabei finster über meine Schulter zu dem Tisch, an dem die Zwerge ein ausgiebiges Frühstückstheater veranstalteten. Sprich, eine kleine Essensschlacht los brach. Ich schluckte kurz und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. "Also... so hab ich das nicht wirklich gesagt. Ich ähm.... nun ja.. hab sie nun doch etwas näher kennen gelernt und...", stammelte ich, wohl merklich, dass mir der Kopf schon wieder so rot anlief, wie nach einem zu langem Solariums Besuch. Chu und Richi tauschten mit einem mal Blicke aus, die einerseits von verwirrt und andererseits irgendwie vielsagend wirkten. Zumindest unter den Beiden. Ich begann unterdessen an meinem Käsebrötchen rum zu knabbern. "Jacky....", murmelte Chu dann plötzlich und beugte sich näher zu mir rüber. Ich brummte kurz und sah sie fragend an. "... Woher kommt bei dir mit einem mal diese Sympathie für diese beknackten Kerle?" "Das...also... wie gesagt... ich hab.. sie näher kennen lernen dürfen und... naja... es... sie sind doch ganz nett", stammelte ich und drehte mein Brötchen in Händen. "Jacky... wir kennen dich seit Jahren. Und auch deine Vorlieben, was das aussehen und den Charakter von Männern angeht. Kann es... also nur so überlegt... sein... dass da etwas mehr hinter steht... als nur Sympathie?", fragte Richi und musterte mich sowohl ernst als auch besorgt. Ich schluckte kurz und sah beide entgeistert an. Wollten die etwa darauf hinaus, dass ich mich in einen von den Zwergen dort verliebt hatte? Nun ja, sie kannten mich halt am besten von allen hier im Lager. Aber nicht mal ich selbst war mir sicher genug, was meine aktuelle Gefühlswelt anging. Irgendwo in der hintersten Ecke meines Herzens war schon was. Und allein das ließ meinen Puls wieder rasen, wie eine wild gewordene Korvette. Was sollte ich beiden antworten? Belügen wollte ich sie nicht. Aber reinen Wein konnte ich ihnen auch nicht einschenken. Oder etwa doch? "Jacky. Wenn da irgendetwas ist. Sag es uns. Bitte", flehte mich Chu an und nahm meine Hände, die das Brötchen hielten, fest in ihre. "Macht euch keinen Kopf. Da läuft nichts. Zumindest nichts, was jemals ernst werden könnte", meinte ich und versuchte sie zu beschwichtigen. "Wir machen uns nur Sorgen, dass du dich da in eine Sache verrennen könntest, die dir mehr schadet als nutzt. Sei bitte vorsichtig bei den Kerlen", mahnte mich Richi eindringlich an. "Ich weiß. Ich weiß. Ich werde aufpassen. Aber glaubt mir. Selbst wenn es da den einen oder anderen gäbe, der mich reizt. Glaubt doch nicht, dass ich eine Chance bei einem von denen hätte. Ich meine... seht sie euch doch an...", sagte ich und deutete nach hinten, wo sich gerade Oin und Dwalin eine heftige Diskussion über Äxte zu liefern schienen. Naja oder so was ähnliches. "Ich sage dir. Meine sind die Größten!", brüllte Dwalin laut und hob protestierend die Fäuste. "Ich verstehe was du meinst... Trotzdem. Sei auf der Hut. Du sagst ja selbst immer. Frau kommt schneller an einen Mann, als sie selbst will", sagte Chu und bestrich sich eine Scheibe Brot mit Kräuterquark. Ich seufzte und trank meinen Tee. Ja, das eine ums andere Mal hatte ich so was für andere Mädchen vorhersagen können. Wobei ich eher dachte, dass es Zufall gewesen wäre. Aber nach allem was die letzten Tage war, noch an Zufälle zu glauben, erschien mir doch reichlich schwer. Ich überlegte zusätzlich einen Moment hin und her ob ich ihnen nicht doch meine Entdeckung preis geben sollte, da kam unverhofft Frodo an unseren Tisch und brachte mich von dem Gedanken wieder ab. Er lächelte gut gelaunt und setzte sich dazu. "Morgen Leute. Wie schauts aus?", fragte er grinsend. "Ganz gut Frodo. Ganz gut.", meinte Richi. "Ich will euch nicht lange stören. Aber ich muss kurz Jacky fragen, ob sie ihre Chaotentruppe da hinten schon wegen heute Nacht aufgeklärt hat. Nachdem was am ersten Abend passiert ist, wäre es doch besser sicher zu gehen, dass die nicht mit ihren Waffen rum fuchteln, während wir spielen", meinte er und sah mich ruhig an. Oh verdammt! Das hatte ich total vergessen! "Jain... ähm... ich kam noch nicht dazu... ich... also.. ich mach das nach dem Frühstück sofort", stotterte ich und stopfte mir mein Brötchen in den Mund. "Gut. Ich verlass mich drauf. Wenn die abdrehen und irgendwem was passiert, dann war das wohl die letzte Zeltstadt", sagte er und stand wieder auf. Ich stürzte eben meinen Tee in mich hinein und wischte mir den Mund ab. "Jacky. Denk bitte dran, was wir dir gesagt haben. Verrenn dich nicht bei denen", meinte Chu noch als ich aufstand. "Ich werd das schon schaffen. Macht euch keine Sorgen", sagte ich und versuchte locker zu klingen. Doch das war ich keines Wegs. Wie sollte ich denen das nur glaubhaft erklären, dass am Abend eine Art Orküberfall stattfinden würde, der aber eigentlich nur Teil eines Spieles, welches zu allem Übel auf meinen Mist gewachsen war? Und dabei war ich so schlecht im erklären. Aber versuch machte ja bekanntlich kluch. Vorsichtig pirschte ich mich an den Zwergentisch heran und räusperte mich kurz über den Lärm hinweg, den sie veranstalteten. Doch keiner schien wirklich Notiz von mir zu nehmen. Ich räusperte mich lauter. Immer noch nichts. Erst als ein Butterbrot auf meinem frischen T-shirt gelandet war, riss mir der Geduldsfaden. "HEY! IHR!", brüllte ich und die Herren der Schöpfung hielten in ihren Bewegungen inne. "Oh Cuna. Stehst du schon lange da?", fragte Bofur und legte sein Brot, dass er gerade werfen wollte wieder hin. Ich seufzte und setzte dann einen neuen Versuch an. "Ich... muss eben mit euch reden. Also... mit euch allen", sagte ich und stellte mich an den Kopf des langen Tisches. Alle Augen sahen mich hinter dem bunten Haufen von Bärten fragend an. "Ist irgendwas passiert oder so?", fragte Kili und musterte mich mit besorgtem Blick. "Ähm... nein... aber... Es geht darum, dass noch etwas passieren wird. Und zwar... ähm... wie sag ich euch das... also... Es ähm... wird heute Nacht einen fingierten Orkangriff geben und...", versuchte ich zu erklären, doch da fielen mir schon alle durcheinander plappernd ins Wort. "Orkangriff?!", polterte Gloin. "Heute Abend?", fragte Dori. "Woher hast du die Informationen?", fragte Fili. Ich versuchte beschwichtigend mit den Händen zu wedeln und sie wieder zur Ruhe zu zwingen. Doch erst als Thorin irgendwas brüllte, von dem ich nicht genau verstand was, mir aber sicher war, dass es wohl so was wie "RUHE!" oder "MAUL HALTEN!" sein sollte, kehrte stille ein. Ich lächelte ihm kurz Dankbar zu, vermied aber einen direkten Blickkontakt. "Wie ich schon sagte... es ist ein fingierter Orkangriff. Also es werden keine echten Orks hier angreifen. Es ist... Teil eines... kleinen Abenteuer-Spieles... und.. naja... es wäre da ratsam.. dass ihr nicht gleich durchdreht und zu den Waffen greift... und... ", stammelte ich und wurde unter den immer ernster werdenden Gesichtern stetig kleiner, bis ich schließlich ganz verstummte. Thorin erhob sich und kam langsam auf mich zu. Den Gesichtsausdruck den er nun ausgesetzt hatte kannte ich auch schon zu genüge. Kalt, stocksteif und bierernst. Der alte Thorin war wohl wieder im Lande und hatte den von der Nacht davor irgendwie wieder weggesperrt oder abgestochen. Zumindest kam es mir so vor. Und als er sprach, fühlte ich mich doch deutlich an etwas erinnert, was ich wohl besser bei ihm nicht aufgekratzt hätte. "Haltet Ihr das etwa für witzig? Haltet ihr Menschen hier einen Orkangriff etwa für einen Scherz?", sagte er und kam mir dabei sehr nahe. Er war angespannt bis zum geht nicht mehr. Ich hob einen meiner Arme bis zur Brust und machte einen unsicheren Schritt rückwärts. "Ähm... also... wenn du mich... so direkt fragst... dann... ", stammelte ich und schaute mich unsicher an dem Tisch um, ob ich da irgendwo in Deckung gehen konnte. Doch da würde ich kaum Unterschlupf finden. Na großartig Jacky, da hast du dir ja mal wieder ein Ei ins Nest gelegt, schoss es mir durch den Kopf. Nun hatte ich sie erneut gereizt. Als wäre die Schatzjagd nicht schon nervenaufreibend gewesen. "Wenn ich dich so frage... dann... was?", begann er zu fauchen und sein Blick wirkte genauso scharf, wie eines seiner Schwerter. Ich schluckte. Verdammt nicht schon wieder ein Streit. "Also... Nein... Nein natürlich nicht... Aber... Man sollte doch immer auf... alles vorbereitet sein nicht wahr? Deshalb.... Deshalb üben wir den Ernstfall... in... Einem Spiel...", plapperte ich und versuchte dabei Optimistisch zu klingen. "Und bei der Übung soll es keine Waffen geben?", hakte Dwalin so freundlich wie immer nach. "Ähm... richtig. Richtig ja. Denn.. Denn die Orks werden... Werden von maskierten Menschen gespielt. Und es soll ja niemand verletzt werden. Also... wenn ihr so freundlich wärt, die Waffen ruhen zu lassen... Das wäre doch sehr freundlich", meinte ich. Immer noch hatte ich Thorins angespannten Blick auf mir ruhen, doch mit einem Schritt zur Seite schaute er auf seine Männer und nickte. "Zumindest scheint Euer eins ja endlich mal Vernunft anzunehmen. Wobei mir nicht ganz in den Sinn kommen mag, warum ausgerechnet ein Spiel dabei helfen soll Orkangriffe abwehren zu können", meinte er schlicht. "Na ist doch ganz einfach. Sieh mal wir haben hier nun mal auch Kinder. Und wenn du denen einen echten Ork vor die Nase setzen würdest. Also das wäre doch nicht wirklich Sinn der Sache. Man muss ja die Leute nicht unnötig ängstigen, ja?", sagte ich und rieb mir die Hände. "Da muss ich Euch allerdings recht geben. So ein Kampf mit echten Orks, wo Kinder beteiligt sind, wäre sehr unklug. Aber wenn man es vorher übt, lernen sie die Gefahr besser einzuschätzen", sagte Balin und ich atmete innerlich auf, dass zumindest einer von ihnen meine kleine Notlüge geschluckt hatte. "Gut ähm... also wenn der Alarm heute los geht. Dann ruhe bewahren. Alles wird gut." Mit diesen Worten wandte ich mich von ihnen ab und sie konnten munter weiter ihrer Essensschlacht nachgehen. Oder was auch immer ihnen gerade einfiel. Ich suchte mir unterdessen für die Nacht ein paar Sachen aus meinem Rucksack heraus, in denen ich gut als Ork durchgehen konnte. Natürlich war schwarz immer das beste. Naja ich besaß auch nichts anderes. Aber ich dachte da schon an etwas Haut engeres. Eine Leggins und ein langärmliges, dünnes Shirt würden sicher ausreichend sein. Nebenher zog ich mir noch das dreckige mit Butter verschmierte T-shirt aus. "Cuna? Cuna, wo steckst du?", hörte ich mal wieder einen der Zwerge rufen, als ich mich gerade umgezogen hatte. Es war Nori und er schien irgendwie aufgeregt zu sein. "Was ist denn mit dir los? Ist jemand bei eurer Essensschlacht schwer verletzt worden?", fragte ich und mir kam der Gedanke, dass jemand von denen ein blaues Auge von einem Leberwurstbrot hatte in den Sinn. "Nein, nein. Aber da ist so eine komische Sache in dem Schankzelt. Die haben alle Tische weggeräumt und da ist so ein weißes Tuch an einer der Zeltwände befestigt. Sie sagten sie würden einen Film... was auch immer das ist... zeigen und in der Zeit gäbe es da kein Bier", sagte er und war haltlos empört. "Ach ist jetzt Kinderkino? Ja, dann ist klar das kein Alkohol ausgeschenkt wird. Den gibts erst heute Nachmittag wieder", sagte ich und begleitete den gefrusteten Kerl mit der stacheligen Haarpracht zum Fisse Ma "Tent" chen. "Was ist Kinderkino?", fragte er neugierig. "Na warts ab. Wenn du daran interessiert bist, dann erklärt es sich von selbst, wenn du es siehst", meinte ich, da ich keine große Lust hatte ihm etwas über Lichtspieltechnik zu erzählen. Im Zelt hatten sich schon einige unserer jüngsten Zeltplatzbewohner versammelt, natürlich zusammen mit ihren Elternteilen. Aber auch die älteren Teilnehmer hatten sich Plätze gesucht. Zeichentrick mochte hier ja fast jeder. Der Film der gezeigt werden sollte, war natürlich wie immer ein großes Geheimnis. Nur das es ein Zeichentrickfilm sein sollte, das war immer klar. Die hintere Stuhlreihe war bereits komplett mit enorm eingeschnappten Zwergen besetzt, die sich mit anderen Getränken bestückt hatten als Bier. Nori gesellte sich dazu. Ich blieb indes lieber im Hintergrund stehen. Je nachdem, was für ein Film gezeigt wurde, würde ich entscheiden ob ich ihn mir ansah oder nicht. "Cuna, jetzt setz dich doch. Hier ist noch Platz frei", rief Bofur und deutete zwischen sich und Fili, der ebenfalls winkte. "Ähm... soll ich wirklich? Ich meine...", sagte ich und kratzte mich verschmitzt am Hinterkopf. "Komm schon. Ich beiße nicht", sagte er und klopfte kräftig auf den Holzstuhl. Nun gut. Wenn man mich so dazu einlud. Warum sollte ich mich dann nicht auch hinsetzen. So nahm ich zwischen den beiden platz, während vorne vor der Leinwand Moe eine kurze Ansprache hielt:"Also liebe Zeltstädter. Es is wieder soweit. Kinderkino ist angesagt. Und wir haben dafür, passend zur derzeitigen Situation auf dem Platz, einen netten Film ausgewählt. Na dann. Viel Spaß. Und... Film.. ab!" Mit diesen Worten wurde kurz geklatscht und der Beamer, der an einer Zeltstange auf einem Podest stand schaltete sich ein. Zunächst lehnte ich mich zurück und schaute auf den Vorspann. Ein Disney Film. Soviel war sicher, denn die übliche Burg auf dem blauen Hintergrund erschien. Als dann aber die Musik einsetze, wäre ich fast vom Stuhl gestürzt vor entsetzen. Und schon stand es in verschnörkelten weißen Lettern auf der Leinwand. "Schneewittchen und die Sieben Zwerge". "Schaut mal. Eine Bildergeschichte über Zwerge!", hörte ich von der anderen Raumseite Seite her Ori erfreut aufrufen. "Endlich machen diese Menschen hier mal etwas Vernünftiges", kam es mit anerkennendem Ton von Gloin. Das Einzige, was ich nur dazu sagen konnte war: "Himmel Herr Gott nein!" "Was hast du denn, Cuna?", fragte Kili der auf der anderen Seite von Bofur saß. "Ich glaub mir wird gleich ganz anders, aber nicht besser", stammelte ich und mehr aus Schockstarre blieb mir der Mund offen stehen. "Könnt ihr da hinten mal bitte still sein? Wir wollen das sehen", beklagte sich eine Mutter in der Reihe vor uns. So verstummten wir. Doch ich wand mich innerlich schon vor Schmerzen wegen dem, was da kommen würde. Denn ich wusste nur zu gut, wie peinlich das gleich für mich werden würde. Nicht nur der viel zu kitschige Gesang. Nein allein die Tatsache, dass es gleich wohl ein Donnerwetter geben würde, sobald die Disney Zwerge dort auftauchten. Vorsorglich klemmte ich meinen Kopf zwischen die Knie. Doch dann kam es schon... dieses Unsagbar bescheuerte Lied.... "Heiho"... Neben mir schienen die Männer alle gleichzeitig von ihren Getränken getrunken zu haben. Denn was ich danach hörte, war ein Choraales Getränke ausspucken und anschließendes Husten. Nebenher auch noch entsetztes "Was?!" Geflüster. Einhergehend mit den "Psssst" lauten der anderen Zuschauer. Ich schaute unterdessen nur zu Boden. Und verdammt, ich konnte mir mein Gekicher nicht verkneifen. Fili legte mir eine Hand auf den Rücken und beugte sich seitlich zu mir runter. "Ist alles in Ordnung, Cuna?", fragte er besorgt. "J..j..ja... ich... ich hab nur was verloren...", kicherte ich. "Was hast du denn verloren?", hakte er nach. "Ich fürchte, wenn das so weiter geht, bald mein Ansehen bei euch", kicherte ich immer noch. Einerseits war es mir peinlich. Andererseits doch so lustig. Besonders die Waschszene am Trog. "Das is doch jetzt ein schlechter Witz", hörte ich Dwalin stammeln und selbst der hatte wohl aufgrund dessen seine übliche Fassung verloren. Und verdammt noch mal, je mehr empörte Kommentare ich von den Herren hörte, umso mehr musste ich kichern. Mir standen schon die Tränen in den Augen so weh tat das Ganze. Aber widererwarten taten sich die wahren Zwerge, die im Raum saßen den kompletten Film an. Als endlich der Abspann lief, wollte ich mich als erstes aus dem Staub machen. Doch leider saß ich zu weit weg vom Eingang das Fisse Ma "Tent"chens, um am schnellsten draußen zu sein. Dabei bekam ich wieder einige Kommentare der Zwerge zu hören. "Die größte Schande in der Geschichte unseres Volkes", raunte Dori. "Und der Einzige der Vernünftig war, wurde auch noch von dem Weib verhext", grummelte Bifur. "Unglaublich. Einfach unfassbar... Und DIE da lacht auch noch!", kam es von Dwalin und bezog das eindeutig auf mich, denn aus dem Augenwinkel bekam ich mit, wie er auf mich deutete. Jetzt war nun wirklich kein halten mehr. Ich musste dem Lachkrampf einfach nachgeben. "Was war DAS?", hörte ich Thorin in meine Richtung knurren. "Da...Das... Herr Eichenschild... war eine Kindergeschichte...", sagte ich, als ich versuchte nach Atem zu ringen. "Eine Kindergeschichte?! So stellt ihr euch Zwerge vor?", fragte Bombur der ziemlich verdrießlich klang. "J-ja. Ist doch... P..Putzelig. Oder?", fiepste ich und musste erneut an mich halten, um bei den dummen Gesichtern, die alle aufsetzten nicht noch mal los zu lachen. "PUTZELIG?!", riefen alle gleichzeitig. "Das.. das ist ja wohl.. das... das... ", stammelte Gloin der offenbar so wütend geworden war, dass er gar keine klaren Worte mehr fassen konnte. Ich wich nicht ohne zu kichern etwas aus der Reichweite ihrer Arme, denn ich fürchtete gleich dafür die Quittung zu bekommen. Doch da kam ein kleiner Junge an der Hand seiner Mutter an uns vorbei und schaute fröhlich zu ihr auf, während er sagte: "Mama, Zwerge sind so toll. Wenn ich groß bin, werd ich auch mal einer!" "Jaja, mein kleiner Schatz. Alles was du willst", sagte sie liebevoll und trat mit ihm aus dem Zelt. Ich musterte die Herren nach der Aussage des Jungen und bemerkte da eine deutliche Spuren von Verlegenheit hinter den Bärten. "Ähm... also... das ist... äh...", murmelte Dwalin auf einmal kleinlaut. Vor allem er, der ja sonst kein Blatt vor den Mund nahm. "Das... war jetzt... unerwartet...", sagte Oin und begann auf einmal auch zu kichern. "Unerwartet... oder nicht... wir haben da noch eine Rechnung mit jemandem offen...", räusperte sich Kili, der einen Satz über die Stuhlreihen machte und mich von hinten an den Schultern packte. "Wa....was... Hey... Jungs... Jungs...Was habt ihr vor?", meinte ich und schon hatte mich auch Fili gepackt und zwar an den Füßen. "Strafe fürs auslachen, Cuna. So leicht kommst du uns nicht davon", sagte Bofur und hob mich unter dem Rücken nach oben. "Hey! HEY! Lasst mich runter!", rief ich, als ich über den Köpfen aller raus getragen wurde. Der Rest der Truppe packte auch noch mit zu. Es musste für die Umstehenden ausgesehen haben, wie ein Trauerzug ohne Sarg und mit einer lebendigen Leiche, so wie sie mich aus dem Zelt schafften. Thorin ging Vorne weg. "Was habt ihr vor?! Verdammt lasst mich wieder runter!", zeterte ich und strampelte verzweifelt. "Thorin, entscheid du. Was bekommt sie für eine Strafe?", rief Bofur und ich sah, wie dieser sich umdrehte. "Folgt mir. Ich habe da eine Idee", hörte ich ihn sagen und sie folgten ihm im Verband, bis zu den Freiluftsduschen. Währenddessen fiel den Herren doch tatsächlich nichts besseres ein, als ausgerechnet "Heiho" zu singen. Das sorgte natürlich zusätzlich für allgemeines Gelächter auf dem Platz. Bei den Duschen angekommen, öffnete der Zwergenkönig die Kabine und zog den Duschkopf heraus. Dann drehte er einfach das Wasser auf. "Thorin... Nein. Nein.... Aus... Böser Zwerg... Nein", rief ich, als mich die Truppe, immer noch festhaltend, auf dem Boden absetzte. Er verzog keine Miene. Mit aller Ernsthaftigkeit, die er gerade aufzubieten hatte, schaute er auf mich runter und schon platschte das kalte Wasser auf mich nieder, sodass ich angewidert anfing zu schreien. Das Gelächter der Männer war unglaublich. Irgendwer von denen Fummelte mir dann auch noch in den Haaren rum. "Hört auf! AAAAAHHHH! Das ist scheiße Kalt!", plärrte ich gegen das Gelächter an. Schließlich erbarmte sich Thorin doch und reichte den Duschkopf an Fili weiter, der diesen aufhängte. Patschnass und zitternd stand ich nun inmitten der kleinen Männer. Und um der ganzen Sache noch ein drauf zu setzen, hatte auch noch jemand einen Blumenkranz aus Löwenzahn in der Eile angefertigt und setzte mir diesen auf den Kopf. Meine Haare waren zu verschiedenen Zöpfen geflochten worden und an jedem Zopf hing eine andersfarbige Schleife. Ich schüttelte mich entnervt. "Ihr wollt mich doch jetzt vereimern, oder?", pustete ich ihnen trotzig entgegen. "Was hast du denn, Cuna? Jetzt siehst du zum ersten Mal ein wenig aus, wie ein Mädchen", gackerte Bofur. Ich konnte nur mit dem nassen Kopf schütteln. "Gut okay... Habs verstanden. 'Mach dich nicht über Zwerge lustig...' Nachricht ist angekommen... Darf ich mich denn wenigstens umziehen oder kommt da noch was?" "Nein. Du bist entlassen", meinte Thorin und selbst ihn hörte ich wieder lachen. Wobei es diesmal schon ein wenig gehässig klang. Anscheinend lag es wirklich am Vorabend am Alkohol. Denn jetzt war er definitiv wieder der Alte. So zog ich platsch nass von dannen, bis zu einem späteren Zeitpunkt. Doch graute es mir schon vor dem Nachtgeländespiel. Ob sie sich wohl daran halten würden und die Waffen stecken ließen? Zweifellos würde sich das erst zeigen, wenn es soweit war. -20. Was Sie alles über Zwerge NICHT wissen wollten / ENDE - Kapitel 21: 21. Stiernackens Rache ---------------------------------- Alles in allem war ich mit meiner kalten Dusche ja noch glimpflich davon gekommen. Hätte ja auch schlimmer kommen können, dachte ich so bei mir, als ich mich an diesem Tag zum dritten mal umzog. Ja zum dritten mal, denn ich stand nun kurz vor meiner Verwandlung zum Ork. Wobei man es nicht wirklich Ork nennen konnte. Normale schwarze Kleidung und ein bisschen Karnevals-Schminke, mit der man sich eine schön, hässliche Fratze aufs Gesicht zaubern konnte. Natürlich standen sich sämtlich Orkspieler im Klowagen erst mal gegenseitig auf den Füßen, da es dort das einzige Waschbecken mit Spiegel gab. Der Rest der Zeltstadt wurde unterdessen im Fisse Ma "Tent" chen mit allerlei anderen Sachen unterhalten, bis das Spiel beginnen sollte. Die Regeln, die ich dafür erdacht hatte waren recht simpel. Für "Quest of Middle-Earth" würden die Spieler in mehrere Gefährtengruppen eingeteilt. Jeder bekam eine bestimmte Rolle zugewiesen. Sei es nun Zwerg, Mensch, Elb, Hobbit oder Zauberer. Unter diesen wurde auch der Anführer bestimmt. Danach erhielt jede Gruppe einen Umschlag mit der Position des ersten Orks, der Hinweise für sie dabei haben sollte. Die Positionen waren genau vorgegeben, also sollte es für die Damen und Herren sicherlich kein Problem sein einen zu finden. Dort angekommen musste der Ork ihnen entweder eine Aufgabe oder ein Rätsel stellen, welche die Gruppe Gemeinsam zu lösen hatte. Da wir die Ersten waren, waren unsere Aufgaben noch relativ einfach. Wenn die Gruppe gewann, bekamen sie von uns dann als Zeichen, dass sie uns überwunden hatten, einen neuen Umschlag mit der Position des nächsten Orks. Je nachdem welchen Umschlag man zu Anfang bekam führte, einen das Schicksal zu verschiedenen geschichtlichen Teilen von Mittelerde. Wie zum Beispiel die Rückeroberung des Erebors oder eben die Vernichtung des Ringes und die Rückkehr des Königs von Gondor. So war es natürlich schon von Anfang an geregelt, wer am Ende welche Belohnung bekommen würde. Nun ja, es gäbe wahrscheinlich wie immer nur Kleinigkeiten. Aber das war für die Meisten besser als nichts. Doch zweifelte ich trotz allem daran, dass die Zwerge sich wirklich dran hielten, was ich ihnen an diesem Morgen gesagt hatte. Dafür brachten sie mir gegenüber auch nicht das nötige Vertrauen mit. Nachdem sich dann endlich alle Orks mehr oder weniger geschminkt hatten. Wobei ich wegen meiner gebrochenen Nase ganz darauf verzichtete, bekamen wir unsere Aufgaben und die Position zu geteilt, auf der wir warten sollten. Meine befand sich ganz nah am hinteren Rand von Klein Mordor. Und ich durfte den Herrschaften ein ordentliches Rätsel stellen. War ja kein Problem. Es stand ja alles auf dem netten kleinen Zettel, den ich erhalten hatte. So wurden wir dann in das Wäldchen geschickt. Ich teilte mir fast die selbe Position mit Merlin. Er war wesentlich jünger als ich, dafür einen Kopf größer. Hatte lange dunkelblonde Haare, war etwas pummeliger gebaut und trug eine Brille. Ich kannte ihn auch schon seit meinem ersten Besuch auf der Zeltstadt vor Jahren. Der arme Tropf hatte seine Eltern verloren, als er noch ein Baby war und er war seitdem im Heim aufgewachsen. Aber anders als man es wohl von Klischee-Heimkindern erwarten würde, war er doch einer der Braven und umgänglicheren. Noch dazu freundlich, hilfsbereit und immer zu einem kleinen Spaß aufgelegt. Von Anfang an waren sämtliche Begrüßungen, die wir untereinander austauschten einfach nur ein Fingerzeig auf den anderen und ein kurzes lautes "DU!", welches wir uns jedes mal zu riefen, sobald wir uns sahen. Woher das kam wusste ich selbst nicht, aber es hatte sich eben so eingebürgert. "So Merlin. Ich warte dann mal hier. Das ist mein Posten", sagte ich und grinste ihn an. "Gut, gut. Aber sag mal. Meinst du nicht, dass diese komischen Zöpfe mit den bunten Schleifchen etwas zu auffällig für einen Ork sind?", fragte er und musterte mich belustigt. "Was denn? Noch nie nen weiblichen Ork gesehn? Bei denen is das grade voll angesagt. Selbst die Uruk-Damen von Isengard schwören drauf", sagte ich und spielte an einem der Zöpfe herum. Er lachte kurz auf. "Na wenn das so ist. Ich bin dann mal da drüben", meinte er und deutete hinter sich. Ich nickte und lehnte mich an den kleinen Baum an dem ein Kreuz gemalt worden war. Ich war schon sehr gespannt darauf, wer sich denn bei mir blicken lassen würde. Neugierig las ich mir nochmal das Rätsel durch. In der Ferne konnte ich dann ein lautes blechernes Schlagen auf einen alten Eisentopf hören und die ausgemachten Rufe: "Orkangriff!" Damit hatte das Spiel begonnen. Es kribbelte mir schon in den Fingern vor Aufregung. Wie lange es wohl dauern würde, bis sich jede Gruppe ordentlich zusammengefunden hatte? Es verstrichen ein paar Minuten und ich gähnte ausgiebig. Durch das reichlich dichte Blätterdach drangen nur wenige Strahlen der Abendsonne. Eine friedliche Stimmung, wenn auch hier und da ein wenig unheimlich. Fast ganz in meiner Nähe konnte ich Hundegebell hören. Vielleicht waren Spaziergänger unterwegs zu dieser späten aber schönen Abendstunde. Einfach so aus Neugier und weil ich noch nichts zu tun hatte schlich ich mich ein wenig von meinem Platzweg, um durch das Gebüsch auf einem Feld nach zu schauen, wo das Gebell herkam. Je weiter ich ging umso mehr bemerkte ich, dass das Gekläffe aggressiver wurde. Ich hielt den Atem an. Das war nicht nur ein Hund, das waren mehrere. Und sie klangen nicht gerade so, als wären sie besonders freundlich. Vorsichtig schob ich ein Stück Blattwerk zur Seite und richtete meinen Blick auf ein sehr ungewöhnliches Szenario. Da stand ein alter dunkelgrüner Pick up Truck mit mehreren Boxen, die auf der Ladefläche befestigt waren. Aus diesen drang also der Lärm, der hinaus in den Abend hallte, stellte ich sogleich mit wachsendem Unbehagen fest. "Was zum Teufel...", murmelte ich und sah schon im nächsten Moment den offensichtlichen Besitzer des Trucks. Ich erschrak in meinem Gebüsch fast zu Tode. Himmel, das war doch dieser Stiernacken, der mich am zweiten Abend fast zusammen geschlagen hätte, wäre er nicht von Fili und Kili daran gehindert worden. Was hatte der denn hier zu suchen? Und noch dazu mit den Boxen voller wütender Hunde? Ein sehr unangenehmer Gedanke flog mir durch den Kopf. "Merlin? Merlin, bist du in der Nähe?", fragte ich etwas lauter, da die Hunde so viel Krach machten, dass uns der Kerl unmöglich hören konnte. "Was ist den los, Jacky?", fragte er und verließ ebenfalls seinen Posten. Ich legte einen Finger an die Lippen und deutete aus dem Busch zu dem Truck. "Erinnerst du dich an Den?", flüsterte ich ihm zu nachdem er geschaut hatte und ebenfalls erschrocken zusammen fuhr. "Den haben wir doch alle aus dem Zelt geworfen. Moe hat ihm doch wegen des Angriffs Hausverbot erteilt. Was macht der denn wieder hier? Und was sollen die Hunde?", fragte er besorgt. Während wir darüber rätselten, öffnete er eine Box nach der anderen. Große schwarze Hunde kamen heraus gesprungen. Alle samt sabbernd und knurrend mit wilden Augen. Stiernacken brüllte ihnen einen Befehl zu und alle Tiere folgten seinem Kommando. "Oh verdammt. Merlin. Hat der Kerl nicht gesagt, er würde sich dafür rächen, dass wir ihn rausgeworfen haben?", stammelte ich und merkte, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich. "Meinst... meinst du der wird wirklich... diese Hunde da..?", fragte er ängstlich und zog sich von dem Busch zurück. Ich zählte unterdessen einmal die Tiere nach. Es schien eine ganze Zucht zu sein. Mindestens acht Tiere und alle dem äußeren Eindruck nach offensichtlich scharf. Großer Gott und die liefen frei und ohne Leine herum. Ich musste schnell etwas tun. Würde er die los lassen, gäbe es eine Katastrophe! Wie konnte ein Mensch nur so grausam und skrupellos sein? Vermutlich würden sie sämtliche Menschen, die sie vorfanden, angreifen und schwer verletzten, vielleicht sogar schlimmeres. Wir mussten etwas tun und das sofort. "Merlin, schnell. Lauf zurück zum Lager. Sag da Bescheid, was wir gesehen haben. Ich suche die anderen Orkspieler zusammen und erkläre denen die Situation. Wir müssen uns beeilen. Alle müssen aus dem Wald raus. Und das am besten Gestern schon", sagte ich etwas lauter und hastig. Wir hatten keine Zeit zu verlieren. Stiernacken begann schon mit denen ein kleines Spiel zum Aufwärmen zu spielen. Merlin nickte eifrig und machte sich so schnell er konnte durch die Bäume davon. Ich suchte unterdessen einen Weg zu den Anderen um diese zu warnen. Die hatte ich recht schnell gefunden und aus dem Wäldchen raus komplementiert. Doch gerade, als ich beim letzten angekommen war, vernahm ich in der Ferne schon wütendes Geheule, das stetig näher kam. Scheiße und ich musste mit dem letzten Ork, einem jüngeren Mädchen von etwa zwölf Jahren, der ganzen Bande entgegen laufen. Es musste so schnell wie möglich gehen. Der Rest würde sicher schon ganz nah am Platz sein. Mein Herz hämmerte in meiner Brust. Meine Knie wurden schon beim Laufen weich vor Angst. Hoffentlich kamen wir nicht zu spät. Lautes Knacken erfüllte die Büsche und Bäume in klein Mordor. Mehrstimmig war das Gebell der Kampfhunde zwischen dem Geäst zu hören und es kam unaufhaltsam näher. Da hörte ich hinter mir einen kurzen Aufschrei. Das Mädchen war an einer Wurzel hängen geblieben und ungelenk auf den Waldboden gestürzt. Ich bremste so gut ich konnte ab und machte auf dem Absatz kehrt. Hier sollte niemand zurück bleiben. Das durfte nicht sein. "Hey. Ist alles okay? Kannst du noch laufen?", fragte ich hektisch. Sie schüttelte keuchend den Kopf. Ihr Fuß war zwischen den Wurzeln der kleinen Bäumchen eingeklemmt. "Hilf mir. Ich komm hier nicht raus. Bin umgeknickt", jammerte sie. Ich musste fluchen und begann an den Schlingen zu zerren, die ihren Knöchel umschlossen. Das Krachen wurde immer lauter. Bald schon hörte ich das näher kommende Hecheln eines Hundes. Auch das Knurren war nun immer deutlicher zu vernehmen. Scheiße, ich musste hier weg. Aber ich konnte das Mädchen unmöglich hier lassen. Wieso um alles in der Welt musste das an diesem Abend passieren? Mein Verstand hatte sich vollkommen abgeschaltet. Ich war nur noch dabei dem Mädchen zu helfen. Danach mussten wir schnellst möglichst die Flucht anzutreten. Gerade als ich sie aus den Schlingen raus hatte, hörte ich hinter mir schnelles Hecheln und ein wütendes Knurren. Pfoten schlugen rasend schnell auf den trockenen Waldboden ein. Ich drehte mich um. Das schwarze Monster rannte auf uns zu. Wir waren starr vor Schreck. Unfähig uns zu bewegen. Nur noch wenige Sprünge, dann machte er einen Satz und war über uns. Ich sah den Schaum vor seiner Schnauze. Die rot unterlaufenen, dunklen Augen. Die langen, spitzen und vergilbten Fänge. Das konnte doch nicht wahr sein. Das war doch nur ein Alptraum. Das Mädchen hinter mir klammerte sich so fest an meine Schulter, das diese schmerzte. Noch dazu brüllte sie mir so laut ins Ohr das ich fürchtete, diesen Tinnitus nie mehr los zu werden. Es vergingen ein paar grausame Sekunden. Ein paar kurze kräftige Herzschläge. "Mistvieh!", brüllte jemand laut. Im nächsten Moment kam Dwalin durch das Dickicht gesprungen und schlug dem Tier mit der Faust seitlich gegen die Schnauze. Der Hund wurde ein paar Meter weit weg geschleudert und rollte über den Waldboden. Zunächst war er nur benommen und schüttelte sich winselnd. "Dwalin!", rief ich erschrocken und zugleich hoch erfreut aus. Wer hätte gedacht, dass ich mal so froh sein könnte diesen groben, tumben Klotz zu sehen? Ich wohl am allerwenigsten. "Was treibt ihr dummes Weibsvolk da?! Seht zu, dass ihr ins Lager kommt! Beeilung!", raunte er und wartete nur darauf, dass der Hund sich von seinem Schlag erholte. Ich sah eben über die Schulter. "Komm steig auf meinen Rücken. Ich trag dich", meinte ich und hockte mich so hin, dass das Mädchen aufsteigen konnte. Sie war nicht besonders schwer, aber der Weg durch die Bäume war nicht gerade von schönen asphaltierten Wanderwegen durchzogen. Ich keuchte und versuchte so sicher wie möglich mit meinem zusätzlichen Gewicht zu laufen. Eins war sicher, die Kondition hatte ich einfach nicht mehr. Ich hätte doch mehr Sport treiben sollen. Allein die Angst trieb in meine Füße weiter vorwärts, auch wenn meine Lungen noch so sehr brannten. Während ich mit meinen menschlichen Gepäckstück durch die Gegend stolperte, fielen mir auch schon andere Zwerge ins Auge, die sich mitten im Wald mit den Hunden prügelten. Da war Bifur, der sich mit seiner Axt abmühte einen zu treffen. In einer anderen Ecke sah ich Gloin. Sie kämpften beide verbissen, aber im Wald waren sie offensichtlich im Nachteil. Die Hunde waren extrem schnell und wendig. Doch schöpfte ich Hoffnung durch ihre Anwesenheit. Denn der Weg dürfte ja dann auch nicht weit sein. Bald kam tatsächlich eines der Zelte in Sicht und ein Pfad, den ich entlang rennen konnte. Nun ja nicht wirklich rennen. Aber so gut es eben ging. Gerade waren wir bei meiner Hängematte angelangt, da hechtete der nächste Hund auf uns zu. Zurück konnten wir auch nicht, denn von da würden sicher auch bald welche kommen. Wir saßen in der Falle. Aber irgendwie mussten wir doch da wieder raus kommen. Ich strengte mein inzwischen wieder schmerzendes Hirn an und tat das Einzige was mir in dem Moment einfiel. Zuvor hatte ich die Regenplane einmal hoch gerollt, um etwas meinen Unterstand zu lüften. Also ließ ich einfach ein Bein des Mädchens los, um mir meinen Schlafsack zu krallen und warf diesen genau über das wütende Tier. Ein nervenaufreibendes reißen von Stoff war zu hören, als sich der Hund daran ausließen. Das Mädchen kreischte und weinte mir immer noch in die Ohren. "Lauf weiter Jacky! Lauf!", rief sie panisch. Mir tat schon alles weh. Der Rücken, die Beine, die Füße und natürlich auch die Ohren von dem Gekreische. "Ich mach ja schon! Hör auf mich voll zu brüllen!", raunte ich zurück. Ich erfasste ihr Bein erneut und rannte weiter. Nun kamen wir endlich ins Freie. Mitten auf dem Platz hatten die restlichen Zwerge einen Ring vor dem Fisse Ma "Tent" chen gebildet. Kili und Ori standen auf den äußeren rändern des Erdwalles. Kili den Bogen im Anschlag. Ori seine Steinschleuder. Vor Kili standen Balin, Bofur, Fili und Nori. Vor Ori dessen Bruder Dori, dann Bombur und Oin. Thorin bildete Vorne die Spitze. Sie waren in voller Rüstung angetreten und man sah ihnen an, dass sie zu allem bereit sein würden, egal was ihnen entgegen kam. Der erste Eindruck, den ich hatte als ich sie sah, mit erhobenen Waffen und Kampfhaltung , war wohl der Erhabenste den ich je zu Gesicht bekommen hatte. Die Präsenz allein schien schon für mich so ausdrucksstark zu sein, dass eigentlich jeder Feind sofort den Rückzug angetreten hätte. "Nicht schießen!", brüllte ich ihnen entgegen und torkelte schnaufend näher. Meine Arme wurden nun langsam endgültig lahm. Mir brannte die Lunge von der abendlichen frischen Luft und der ganzen Rennerei. Der Schweiß lief mir in die Augen und nahm mir fast die Sicht. Bofur kam mir entgegen gerannt und nahm mir umgehend das Mädchen vom Rücken. "Mach dass du ins Zelt kommst. Da bist du sicher", sagte er und schob mich eilig vor sich her, während er die kleine auf dem Arm trug. "Dwalin, Gloin und Bifur... sind noch im Wald... sie können die Hunde nicht...", japste ich. "Ja ja ja. Lauf weiter", ermahnte er mich mit angespannter Miene. "Aber...", stammelte ich verzweifelt. "Die kommen zurecht! Geht rein! Sofort!", brüllte Thorin. Seine tiefe, dunkle Stimme wirkte fast beängstigend ruhig. Er blickte sich wachsam zu allen Seiten um. In der einen Hand hielt er sein Schwert am anderen Arm den mit Metall gespickten Eichenast. Ich schnaufte, als wir den Zelteingang endlich erreicht hatten. Das Mädchen wurde von den anderen Zeltstadtbewohnern übernommen und nach hinten gebracht. Ich blieb keuchend weiter Vorne stehen und spürte im nächsten Moment, wie mich jemand umarmte. "Jacky! Oh Gott sei Dank!", kreischte Chu, womit nun auch mein anderes Ohr einen bösen Tinnitus erlitt. "Sag das... nicht so laut... sonst hält sich Dwalin am Ende wirklich noch für einen...", keuchte ich und sank zitternd vor Erschöpfung in die Knie. "Wieso Dwalin?", fragte sie verwirrt und versuchte mir auf einen Stuhl zu helfen. "Der kam grad rechtzeitig. Sonst wär ich jetzt... Ein Hackfleischgericht... oder noch weniger." Im ganzen Barzelt herrschte aufgeregtes Gemurmel. Mütter und Väter klammerten sich an ihre Kinder. Draußen heulten und knurrten die Kampfhunde. So hatte sich keiner diesen Abend vorgestellt. Als ich wieder etwas Luft zum atmen hatte hörte ich draußen Thorin Befehle brüllen: "Kili! Ori! Schießt!" Das Surren der Bogensehne ertönte, gefolgt von einem wehklagenden aufheulen eines Hundes. Ich versuchte aufzustehen und am Zelteingang etwas zu erkennen. Da hatte sich aber eine ziemliche Traube an Schaulustigen gebildet. Sie tobten, jubelten und grölten. Da dort leider kein durchkommen war, suchte ich mir stattdessen eines der wenigen Löcher, die hier und da in der alten Plane waren. Die drei restlichen Zwerge, die zuvor noch im Wald gekämpft hatten, waren nun auch hinzu gestoßen. Offenbar hatten sie ein paar von den Hunden erledigt. Aber sie waren alle sehr ramponiert. Der Rest der Hundemeute folgte ihnen nur wenige Sekunden später und ging sofort zum Angriff über. Nie im Leben hatte ich so viel Grausamkeit mit ansehen müssen. Dabei taten die kleinen Männer das Beste, um uns vor den wild gewordenen Tieren zu schützen. Leicht zu treffen waren sie allerdings für die kampferprobten kleinen Herren nicht. Es waren eben keine schwerfälligen Warge, sondern abgerichtete Hunde, die sich hier und da auch in ihren Rüstungen verbissen und nicht wieder loslassen wollten. Ich fühlte mich so unendlich schuldig, als ich das Spektakel beobachtete. Das hätte alles nie passieren dürfen. Ich hätte sie niemals einladen sollen. Dann wäre ich nie zur Theke gegangen. Hätte nie diesen Stiernacken provoziert. Auch wenn das nur unbeabsichtigt gewesen war. Und hätte ich das dumme Spiel nicht vorgeschlagen, dann wäre niemand in diesem Wald gewesen und die Jungs hätten nicht rein laufen müssen, um sicher zu stellen, dass alle draußen waren. Bestimmt war der ein oder andere von ihnen verletzt worden. Das hatte ich nicht gewollt. Nie und nimmer. Inzwischen waren noch fünf Hunde von den Acht übrig und sie machten es den Zwergen extrem schwer. Kili und Ori suchten verzweifelt nach Zielen, doch jedes mal, wenn sie schossen waren die Hunde woanders. Oin versuchte mit seinem Stab nach ihnen zu schlagen. Dwalin versuchte sie mit bloßen Händen zu packen. Doch sie waren zu schnell und rutschten ihm immer wieder aus den kräftigen Griff. Bofur hatte große Mühe mit seinem Kriegshammer. Nori bekam dann endlich einen zwischen seine Dolche und das Vieh heulte vor Schmerzen auf, bevor es zusammen brach. Nur noch vier waren übrig. Fili ließ einen direkt auf sich zu springen und schlug mit seinem Schwert zu. Damit war der nächste erledigt. Ich setzte mich erschöpft auf einen Stuhl, der in der Nähe stand und nahm meinen Kopf zwischen die Hände. Ich schüttelte diesen nur ungläubig hin und her. Das konnte doch einfach gerade nicht passieren. Das durfte es einfach nicht. "Thorin am Boden!", kam ein aufgebrachter Schrei vom Eingang. Ich erschrak und sprang sofort wieder auf die Beine, um durch das Loch zu schauen. Der letzte Hund hatte sich auf ihn gestürzt und ihn umgeworfen. Er lag tatsächlich am Boden. Halb mit dem Rücken zu uns gewandt, sodass es aussah als hätte sich der Hund in seiner Kehle verbissen. „Oh bitte nicht das!“, keuchte ich erschrocken auf und klatschte mir meine Hände ins Gesicht. Doch der kurze Schock war schnell überwunden. Als Fili dem letzten Tier sein Schwert überzog richtete sich der Zwergenkönig so schnell er konnte wieder auf. Er war heil und offensichtlich soweit unverletzt. Mir fiel eine Tonne Steine vom Herzen. Im Zelt brach Jubel aus. Ich ließ mich wieder auf meinen Stuhl sinken und legte den Kopf auf die Knie. Chu legte mir liebevoll eine Hand auf den Rücken. "Es ist vorbei...", japste ich leise. "Sieht wohl so aus. Meine Güte... Ich hoffe das passiert nie wieder", meinte Richi und suchte sich ebenfalls einen Stuhl. Als die Zwerge dann geschlossen und zerrupft ins Barzelt kamen wurden sie sofort von Jubel-Gesängen begrüßt. "Oh wie ist das schön! Oh wie ist das Schön! So was hat man lange nicht gesehn! So Schön! So Schön!", rief eine Gruppe junger Männer, die sich auf die Tische gestellt hatten und eifrig klatschten. Das die Tische nicht auch noch unter ihrem Gewicht zusammen brach, war wohl noch das geringste Problem. Noch nie hatten die Menschen dieser Welt einen solchen Haufen von Helden gesehen. Das Spiel war vollkommen vergessen. Jetzt wollten die Meisten erst mal nur noch feiern. Ich allerdings sah dazu keinen Anlass. So wirklich war der Vorfall auch kein Grund dafür. Ich bleib nur auf meinem Stuhl sitzen und zupfte mir die bunten Bändchen aus dem Haar. Dabei löste ich auch meine Zöpfe. Die kleinen Männer hatte man alle samt zur Theke geschoben und jedem ein ordentliches Bier in die Hand gedrückt. Man prostete sich gegenseitig zu und Gloin rief aus: "Das war die beste Angriffsübung aller Zeiten!" Kili und Fili konnten sich nach geraumer Zeit aus der Masse lösen. Sie kamen auf mich und meine Freunde zu. Sie grinsten über beide Ohren und hatten sogar für mich eine Flasche Bier mitgebracht, die sie mir unter die Nase schieben wollten. Doch bevor ich etwas sagen konnte, schob sich Chu dazwischen. "Lasst sie endlich in ruhe!", fauchte sie und die beiden zuckten erschrocken weg. "Hey, nun mal langsam", sagte Kili und musterte meine Freundin irritiert. "Wir haben ihr nur was zu trinken mitgebracht. Nach der Aufregung, wird sie doch wohl mal einen Schluck haben dürfen", maulte Fili und ging frech an Chu vorbei, die anfing zu grummeln. "Chu... lass es... bitte.... Und ihr zwei... Ich trinke kein Bier. Das wisst ihr doch", sagte ich ruhig und langsam. "Ach so... Stimmt ja... Warte ich hol dir was anderes", sagte Kili und eilte davon. "Jacky... wirklich du solltest sie nicht....", fing Chu erneut an und wollte mich nach ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen rund machen, doch da legte ihr Richi ruhig die Hand auf die Schulter. "Schatz. Ist schon gut. Die haben uns grade allen das Leben gerettet", sagte er und nickte Fili anerkennend zu. Chu seufzte und begann dann auch zu nicken. "Hast ja recht... Tut mir leid", nuschelte sie und zog einen Stuhl heran auf den sie sich setzen konnte. "Nichts für ungut. Willst du das Bier?", fragte Fili und hielt es ihr lächelnd unter die Nase. Sie erwiderte das Lächeln, wenn auch ein wenig steif und nahm ihm die Flasche ab. Kili kam wenig später mit einer Cola zurück zu mir. Ich setzte an und machte die Flasche in wenigen Zügen leer. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie durstig ich geworden war und diese Erfrischung kam mir gerade recht. "So wie du das Zeug in dich rein kippst, wärst du wirklich eine hervorsagende Kampftrinkerin", lachte Fili und lehnte sich an einen Tisch. "Naja, höchstens was Cola angeht", meinte ich und stand auf. "Willst du irgendwo hin, Cuna?", fragte Kili. Ich nickte ruhig. "Muss mich noch bei jemandem bedanken, der mir das Leben gerettet hat", sagte ich kurz angebunden und ließ mir von ihm noch die Pfandmarke geben, sodass ich gleichzeitig die leere Flasche abgeben konnte. Ich fand Dwalin zusammen mit dem Rest der Bande munter schwatzend am Tresen. Vorsichtig und ein wenig unsicher kam ich etwas näher. Er stand mit dem Rücken zu mir, also musste ich ihn schon antippen, damit ich seine Aufmerksamkeit bekam. Grunzend drehte er sich um. "Hrm. Was willst du den, Weibstück?", fragte er in seinem üblichen barschen Ton. "Ich ähm.... wollte mich bedanken. Dafür das du... mir da draußen den Hintern gerettet hast", murmelte ich und trat etwas eingeschüchtert auf der Stelle. Ja, es war schon irgendwie blöd für mich, dass ich mich ausgerechnet bei diesem Grobian bedanken musste, obwohl wir uns nicht so ganz grün waren. Er gab deshalb daraufhin nur ein ruhiges Schnauben von sich. "Hättest das selbe für mich getan, Weib", meinte er trocken und drehte sich wieder um. Ich neigte nur den Kopf, stellte die leere Flasche auf die Theke, kassierte das Pfandgeld und machte mich auf den Rückweg zu Richi, Chu, Kili und Fili. Ein paar Schritte weiter stieß ich doch etwas überraschend mit Thorin zusammen, der mir nun absichtlich den Weg versperrte. Sein toternstes Gesicht sprach Bände und ließ mich ein wenig innerlich erschaudern. "Kannst du mir erklären, was das eben war?", fragte er gleich darauf los und sah mich durchdringend an. "Wovon sprichst du bitte? Dass ich mich bei Dwalin bedankt habe?", fragte ich und wurde allmählig sehr unruhig. "Ich rede nicht von Dwalin. Ich rede von diesem angeblich falschen Angriff", fauchte er und funkelte mich säuerlich an. Ich schluckte kurz und versuchte eine Unschuldsmiene aufzusetzen. "Also, das mit den Hunden ist wirklich nicht auf meinen Mist gewachsen. Das sollte nie so...", versuchte ich zu erklären. "Das sollte nie so passieren? Es ist aber passiert. Was habt ihr Menschen euch dabei gedacht? Wie konntet ihr solche tollwütigen Hunde dazu abrichten, sich wie Warge auf Alles und Jeden zu stürzen, der ihnen zwischen die Zähne kommt?" "Ich sagte doch, die sind nicht auf meinen Mist gewachsen, Thorin. Die gehörten diesem Kerl, den ihr am zweiten Abend vor die Tür gesetzt habt. Ich würde doch niemals meine Freunde so in Gefahr bringen wollen", sagte ich fast schon flehend, dass er mir doch bitte glauben solle. Seine Miene erhellte sich einen Augenblick. "Der war das also", schnaubte er und strich sich plötzlich nachdenklich durch den Bart. Ich musterte ihn und fragte mich, worüber er schon wieder nachdachte. Er fing meinen fragenden Blick auf und sah mich streng an. "Wenn der so was auf die Beine stellt, wird er sicher wieder kommen", sagte er dann schlicht. "Hrm... ja... vielleicht... aber was sollen wir tun?", fragte ich ihn ein wenig verwirrt. "Wir? Nein. Du wirst schon mal gar nichts tun. Das übernehmen meine Männer und ich", meinte er und schritt dann einfach ohne ein weiteres Wort an mir vorbei. Ich seufzte leise. Natürlich. Der Mann mit den sieben Siegeln. Was der nur wieder aushecken mochte? Hoffentlich nicht noch mehr Zwerge. Dreizehn reichten durchaus hier in dieser Welt. Aber was genau er wohl gerade wieder im Sinn hatte, würde ich wohl früher oder später sehen. -21. Stiernackens Rache / ENDE- Kapitel 22: 22. Sommergewitter ------------------------------ Am nächsten Morgen erwachte ich schreiend und rum fuchtelnd neben meiner Hängematte. Die Nacht war die Hölle gewesen. Ich hatte den Hundeangriff nicht ganz so Cool weggesteckt wie erhofft. Jedes Geräusch, ja jedes Rascheln oder Husten, war für mich ein Anlass gewesen hoch zu schrecken. Als ich dann doch endlich Schlaf gefunden hatte, suchten mich die wahnwitzigsten Albträume heim. Riesige schwarze Hunde mit scharfen Fängen von denen Blut tropfte. Ein Rennen durch den Wald, der einfach kein Ende nehmen wollte und das Bellen und Hecheln von unsichtbaren Tieren zwischen den Bäumen hinter, vor und neben mir. Zuletzt das Bild der kämpfenden Zwerge, die allesamt verbissen gegen die Monsterhunde Wiederstand leisteten, welche im Traum gut drei Meter groß waren. Der Größte von ihnen erfasste Thorin, der dem Tier mit seinem Schwert heftig gegen die Beine schlug, ohne auch nur einen Kratzer zu hinterlassen. Ich hörte ihn schreien. Sah wie er herum geschleudert wurde wie ein Spielzeug. Ich rannte drauf zu. Wollte ihm helfen. Doch bevor ich ihn erreichte biss der riesige Hund kräftig zu und.... "NEIN! THORIN!", hatte ich dann gebrüllt und war schon neben meiner Matte gelandet. Ich prügelte unterdessen wie geistesgestört auf meine Regenplane ein, in der Hoffnung sie wäre der Hund. "Cuna?... Cuna was ist los? In Durins Namen komm zur Besinnung!", rief mir jemand zu und rüttelte an mir herum, bis ich die Augen verwirrt und ängstlich aufschlug. Ich keuchte und sah mich um. Da standen Kili, Fili und Nori schwer bewaffnet und sich wachsam nach allen Seiten umsehend auf dem Weg. Vor mir hockte Thorin, der mich wohl wach gerüttelt hatte und nun kräftig am Arm gepackt hielt. Die Regenplane hatte er wohl beiseite gerissen und mich daraus befreit. Der Blick mit dem er mich versah, war ernst und wachsam zugleich. "Was ist passiert? Ist jemand über dich her gefallen?", fragte er und seine tiefe Stimme klang sehr angespannt. Ich rang immer noch erschöpft nach Luft. Hatte das Gefühl mehrere Meilen weit gelaufen zu sein. Als ich endlich ein paar Worte fand, zitterte meine Stimme. "Was...? Äh... Thorin du lebst ja...", stammelte ich und merkte nicht mal, dass es sich vielleicht beleidigend anhörte. Wie zur Antwort hob er beide Augenbrauen in die Stirn und verzog den Mund. "Natürlich lebe ich. Warum sollte ich auch nicht?", sagte er kühl. "Nun... also.. der Hund.. der...", versuchte ich zu erklären und fuchtelte wirr mit den Händen herum. Er stöhnte genervt. "Hast du von gestern Abend geträumt? Also wirklich. Schreist den halben Wald zusammen. Weiber...", grollte er und erhob sich. "Soll das heißen, falscher Alarm?", fragte Nori und kratzte sich mit der Spitze eines Dolches am Kopf. "Ja... heißt es", schnaubte der Zwergenkönig und steckte sein Schwert weg, das er wohl zur Vorsorge gezogen hatte. Die restlichen Männer stöhnten ebenfalls und ließen die Waffen sinken. "Tut mir leid... ", nuschelte ich und zupfte mir an meinen zerzausten Haaren herum. "Ach ist schon gut. Hauptsache es ist nichts passiert", meinte Kili und legte mir eine Hand auf den Kopf. Das war nun wirklich das peinlichste Erwachen, was ich je erlebt hatte. Damit nicht genug. Als ich aufstand um zu den Duschen zu gehen, sah ich Links und Rechts die Zwerge hinter vorgehaltenen Händen tuscheln, kichern und mit dem Finger auf mich zeigen. Ich beschleunigte etwas meine Schritte und mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment zu einem roten Neonleuchtreklameschild mutieren. Dass ich aus dem Schlaf heraus wohl ängstlich nach Thorin gebrüllt hatte, war wohl mit Abstand noch das Beste. Jetzt mussten sie sonst was von mir denken. Ich betete, dass das nicht nochmal vorkommen würde. Wie stand ich denn jetzt bitte da? Am Ende glaubten sie wohl noch, ich hätte es absichtlich getan, nur um ihn sehen zu können. Ich schnaubte und zog mich trotzig in die Dusche zurück. Die Nacht war wirklich unangenehm gewesen. Mein Schlafsack war komplett zerfetzt, also hatte ich so gesehen fast ohne Decke da gelegen. Zumindest war meinem Plüschschaf in dem Chaos nichts passiert. Das fehlte gerade noch, dass das Liebste was ich besaß, von wild gewordenen Bestien zerfetzt wurde. Dann wäre ich wohl zur Wildsau geworden. Aber hallo! Niemand sollte sich an meinen Schäfchen vergreifen. Sie waren immer mein Halt gewesen, wenn ich mal traurig war. Doch auch die konnten mir bei manchen Dingen einfach nicht helfen. Bei der einen Sache erst recht nicht. Aber da hatte mir zu meinem eigenen Erstaunen ja Thorin geholfen. Sicher es würde bestimmt noch dauern, bis ich es ganz verschmerzt hatte. Aber der kleine Schubs in die richtige Richtung war sehr hilfreich gewesen. Ich fühlte mich in der Hinsicht nicht mehr so verkrampft, wie noch vor einer Woche. Nun aber genoss ich erst mal das Wasser der Dusche und entspannte damit etwas den Muskelkater, der vom Tragen des Mädchens übrig geblieben war. Den würde ich bestimmt noch den ganzen Tag spüren. Das hieß natürlich, dass ich auf größere Aktivitäten doch lieber verzichtete. Als ich mich frisch gemacht hatte und wieder ins Freie trat, zog ein sonderbares Schauspiel meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Herren Zwerge waren plötzlich alle samt dabei, die hölzernen Paletten Brett für Brett auseinander zu nehmen. Was hatten die denn nun schon wieder vor? Feuerholz war doch noch genug vorhanden und aufgeschichtet in dem kleinen offenen Lager dahinter. Neugierig wie ich war, trat ich einfach mal näher heran. Ich bemerkte dabei, dass sie gezielt auf der Suche nach stabilen und heilen Brettern waren. Bei Kaputten setzten sie Sägen an, um sie wieder gerade zu machen. Die Nägel bearbeiteten sie mit Hämmern, um sie wieder zu richten, wenn sie krumm waren. Ich schüttelte nur ungläubig den Kopf. Egal was die wieder im Schilde führten, es konnte nur wieder irgendein Unsinn sein. Wobei ich in dem Sinne schon an "Im Eichenschilde" dachte. Denn er hatte ganz sicher etwas damit zu tun, was dort vor sich ging. Ich wand mich von dem Treiben ab und wollte zunächst einmal Frühstücken. Das hatte ich bitter nötig. Mir war schon schier schlecht vor Hunger. Danach machte ich einen kurzen Abstecher zur Zeltplatz Anmeldung. Ich wollte nicht noch eine Nacht ohne Decke verbringen und fragte einfach mal unverblümt nach, ob die vielleicht eine ersatz Decke für mich hätten. Sonst müsste ich nach hause fahren, um mir dort eine zu holen. Zum Glück hatten sie noch eine schöne Wolldecke da, die noch dazu sehr angenehm weich war. Sie hatten zwar auch noch andere. Aber ich mochte diese Erste Hilfe "Rot-Kreuz" Decken nicht besonders. Die waren meistens rau und sehr unbequem. Außerdem scheuerten sie bei Hitze immer so sehr. Und an diesem Tag war es noch dazu extrem schwül. Das konnte man vor allem an den Schleierwolken sehen, die sich im Laufe des Vormittags über den Himmel zogen. Man spürte regelrecht, dass da wohl eine Kleinigkeit herauf ziehen würde. Gegen Mittag wurde es schier unerträglich. Sowohl draußen, als auch in den Zelten und in klein Mordor. Die Menschen versuchten irgendwo einen kühlen Flecken Schatten zu finden, wo es sich einigermaßen aushalten ließ. Doch da musste man viel Glück haben. Wir ächzten regelrecht unter den Temperaturen. Aber Wasser wollten wir unter keinen Umständen verspritzen. Die Feuchtigkeit hätte nur noch mehr dazu geführt, dass wir uns unwohl gefühlt hätten. Allein die kleinen bärtigen Männer schien das Ganze in ihrem Tun nicht aufhalten zu können. Sie waren weiter fleißig dabei Holzbretter zu stapeln. Nach dem Mittagessen schickten sich die Herren sogar alle dazu an, sich ihre Leinenhemden von den verschwitzten Körpern zu ziehen und einfach mal unverblümt oben ohne zu Arbeiten. Das war vielleicht ein "Hallo" unter den Damen. Und zurecht will ich meinen. Allein was Fili und Kili bei den jungen Mädchen anrichteten, grenzte schon an Erregung öffentlichen Ärgernisses. Die kleinen Männer waren kräftig bis zum geht nicht mehr. Gut, sie hatten jetzt nicht unbedingt einen Waschbrettbauch aber die Schulter und Brustpartien konnten sich sehr gut sehen lassen. Auch wenn ihre Körper allesamt von tiefen und langen Narben durchzogen und recht männlich behaart waren. Es wirkte auf jedenfall sehr anziehend. Und als Thorin die oberen Hüllen fallen ließ, wurden selbst mir die Knie feucht und die Hände schwach. Ich pfiff schnaufend aus, als ich ihn so von Ferne musterte. Heilige Scheiße, war der Kerl scharf! DAS konnte man durchaus ganze Manneskraft nennen. Er war gestählt, er war gezeichnet und eben einfach ein Mann, wie er wilder nicht hätte sein können. Mit dem breiten Brustkorb und einer sternförmigen Narbe knapp neben dem Platz, wo sein Herz sein müsste. Ob ihn da einst ein Orkpfeil oder Speer getroffen hatte? Jedenfalls machte ihn gerade das sehr verführerisch und mit Sicherheit dachte nicht nur ich so. Selbst wenn er sich ganz normal bewegte, schien er auf einmal noch majestätischer zu werden, als er es sonst war. Ehrwürdig. Unnahbar. Was würde Frau nicht alles dafür tun, um einmal den Kopf an diese Brust zu legen und mit dem Finger die einzelnen Narben ab zufahren. Ich musste mehrfach den Kopf schütteln um meine Gedanken wieder so zu sortieren, das ich nicht anfing in Tagträumen herum zu hängen. Wobei mir sowieso nicht danach zu mute war. Die schwüle Luft und die brennende Sonne bereiteten mir indes ordentlich Kopfschmerzen. Auch die Übelkeit vom Morgen war noch nicht gänzlich verflogen. Im Gegenteil. Je länger der Tag dauerte, umso schlimmer wurde sie. Das Mittagessen hatte ich nicht mal wirklich herunter bekommen. Auch die Kopfschmerztabletten, die sonst innerhalb von wenigen Minuten halfen, wirkten scheinbar wie Knallerbsen. Ich beschloss daher mich für den Nachmittag etwas hin zu legen, um die vergangene Nacht etwas nachzuholen, die mich so aus dem Konzept gebracht hatte. Doch an schlafen war nicht wirklich zu denken. Die stickige Luft in Klein Mordor, war noch unerträglicher, als die in den Zelten. Ich hatte nicht mal eine Stunde gelegen, da stand ich auch schon wieder auf und musste mich schwerfällig zum Klowagen schleppen. Gott verdammt, warum gings mir mit einem Mal wieder körperlich so extrem beschissen? Das konnte doch nicht alles allein vom vorherigen Tag gekommen sein? Zügig lief ich über den Platz. Mir schon eine Hand vor den Mund haltend. Bofur, Fili und Kili kamen mir mit Brettern entgegen und grinsten mich an. "Hey Cuna. Wohin des Wegs?", fragte Bofur munter, doch ich ließ alle drei links liegen und stolperte weiter mit den Worten: "Sag ich später." Ich krabbelte die stählernen Gitterstufen des Wagens hoch und suchte mir die nächstbeste Kabine, die offen war um eben einem Nachmittagsgebet am Porzellangott beizuwohnen. Jetzt war es wirklich offiziell, wie beschissen es mir ging. So was hatte ich auch nicht oft. Da ich die Tür in der Eile nicht abgeschlossen hatte, hörte ich bald hinter mir schwere Stiefel auf dem Wagenboden. "Was in aller Welt ist denn mit dir los?", hörte ich Bofur fragen. Ich röchelte etwas und versuchte unter Tränen nach Luft zu ringen. "Raus... mit euch...!", japste ich wütend und beschämt. Ich konnte es einfach nicht ab, wenn mir jemand beim Kotzen zu sah. "Is ja gut... Is ja gut...", meinte er und hob beschwichtigend die Hände, bevor er wieder raus ging. Nachdem ich dann auch endlich fertig war. Und damit meine ich Fertig im eigentlichen Sinne, erhob ich mich zitternd und schweißgebadet von der Schüssel. Das nächste Ziel war das Waschbecken, wo ich mir erst mal ordentlich den Mund ausspülte und das Gesicht wusch. Ich musterte mich im Spiegel und wäre fast vor mir selbst erschrocken. Ich war kreidebleich und hatte rote Augen, wie ein schwer Drogenabhängiger. So ein Mist. Nicht das ich mir hier eine Sommergrippe eingefangen hatte. Das wäre ja noch die Härte gewesen. Sicher war ich mir, das meine Tabletten, die ich dabei hatte bestimmt nicht helfen würden, wenn mir weiterhin so schlecht war. Erschöpft schleppte ich mich nach draußen, wo die drei Männer, die mir nachgelaufen waren, mit besorgten Gesichtern warteten. "Bei Durins Bart... Du siehst furchtbar aus", sagte Fili und ich ließ mich erst mal auf die Stufen sinken. "Ja danke. Du bist auch sehr Sexy", schnaubte ich mies gelaunt und beschämt. Ich legte den Kopf auf die Knie und atmete tief durch. "Bist du krank?", fragte Kili und setzte sich neben mich. "Ja... nee... Weiß nicht...", seufzte ich. "Du brauchst auf jeden Fall einen Heiler. Ich kann Oin schnell holen", meinte Bofur unruhig. "Nein... Nein... Ich brauch keinen Arzt. Ich muss nur etwas schlafen. Vielleicht gehts dann wieder...", sagte ich und hob matt den Kopf. Ich rieb mir kurz über die tränenden Augen und schaute dann noch etwas höher. Meine Sicht fiel auf den Himmel. Da! Ganz im Westen zogen Wolken auf. Schwarz wie die Nacht. Sie schoben eine Gruppe kleinere Wolken in Wellen vor sich her und bildeten dort eine sonderbare Form, die an eine Art Ufo erinnerte. Mir klappte der Mund auf. Wäre ich nicht schon Blass gewesen, wäre ich es nun geworden. Da kam eine Unwetterfront auf uns zu. So eine hatte ich schon mal gesehen, aber das war Jahre her. Daher waren also meine Kopfschmerzen und die Übelkeit gekommen. Man sollte nicht meinen wie Wetterfühligkeit einem zusetzen konnte wenn man dafür empfänglich war. "Oh verdammter Mist...", keuchte ich und erhob mich schnell, gerade als Kili mir seine Hand auf die Stirn legen wollte. "Warte Cuna. Langsam", rief Fili und bekam mich gerade so zu packen, als ich die Treppen mehr oder weniger runter stolperte. "Was ist denn auf einmal?", fragte Bofur und folgte meinem Blick zum Himmel. "Da zieht ein Unwetter auf. Kann sein, dass es in ein paar Stunden oder Minuten bei uns ist. Wir müssen die Zelte fest machen", sagte ich und wollte mich von Fili befreien. "Unwetter?", fragte Kili und schaute nun auch zum Himmel. "Ja sieht ganz danach aus. Bofur sag den anderen Bescheid, dass die Zelte fest gemacht werden müssen", meinte Fili und wollte mich partout nicht loslassen. Dieser nickte und eilte sofort auf direktem Wege zu seinen arbeitenden Freunden, die alle samt in ihrer Tätigkeit inne hielten und nach Oben blickten. Ich sah wie Thorin alle zusammen winkte, sie die Sachen, die sie auseinander genommen hatten säuberlich beiseite stellten und sich auf den Weg machten. "Komm Cuna. Wir bringen dich erst mal zu deiner Hängematte", meinte Kili und hakte sich von der anderen Seite bei mir unter. "Ich kann alleine laufen Jungs. Wirklich", maulte ich und sträubte mich dementsprechend. Ich wollte um alles in der Welt verhindern, wie ein nasser Sack an den anderen vorbei geführt zu werden. Das wäre ja noch schöner, nachdem wie ich mich an diesem Tag schon blamiert hatte. Aber bei der Dickköpfigkeit der Jungs und meinem schwindendem Kreislauf, hatte es keinen Wert gegen diesen stützenden Griff anzukämpfen. Die anderen Zeltstadtbewohner merkten bald auch, dass sich da etwas über unseren Köpfen zusammen zog. Manche bauten ihre Zelte ganz ab, andere zogen noch einmal zusätzliche Halteseile und Planen über ihre Schlafplätze. Ich maulte unterdessen auf dem ganzen Weg, bis wir von meinen Freunden aufgehalten wurden. Chu kam mir sofort entgegen gerannt. "Jacky. Um Himmels willen, was hast du?", fragte sie und musterte mich entgeistert. "Ach das ist nur das Unwetter, was da grade kommt. Wenn sich das entladen hat, gehts mir wieder besser", meinte ich matt lächelnd. "Ach stimmt ja. Du bist ja so extrem Wetterfühlig. Willst du nicht lieber mit zu uns ins Zelt, bis das alles vorbei ist?", fragte Richi, der eine zusätzliche Plane gefaltet auf den Armen hatte. "Ach nein. Ich werd in meiner Hängematte schon sicher sein. Steht ja nicht frei auf dem Platz. Wird schon nicht der Blitz einschlagen", meinte ich ruhig. "Na... wenn du meinst. Aber pass auf dich auf. Das könnte heftig werden", sagte Chu und musterte mich immer noch besorgt. "Ich werd schon nicht weg fliegen", sagte ich. "Komm, Cuna. Lass uns weiter gehen, damit du dich hinlegen kannst", warf Kili mit ruhigem Ton ein. Ich seufzte und nickte langsam. "Bis später", rief ich den anderen Beiden noch zu und schon wurde ich weiter mit geschleppt. Gerade als wir zwischen den beiden Zwergenzelten hindurch schreiten wollten, kam Thorin mit einem zusätzliche Halteseil um die Ecke. Offenbar hatte er seine Neffen nur aus dem Augenwinkel gesehen, denn er sprach ein wenig barsch, als wir in etwa auf seiner Höhe waren. "Kommt ihr zwei auch endlich mal. Jetzt seht zu und helft mit hier alles zu sichern", raunte er in seinem bekannten Befehlston. "Ja gleich. Wir bringen nur eben Cuna weg", meinte Kili gut gelaunt. Thorin hielt in seiner Arbeit inne und drehte sich dann langsam zu uns um. Aber nicht ohne dabei ein entnervtes Stöhnen von sich zu geben. "Was hat sie denn jetzt schon wieder?", fragte er und hob eine Augenbraue. Dabei verschränkte er die Arme vor der nackten Brust. Ich drehte den Kopf auf die andere Seite um ihn nicht ansehen zu müssen. Neben her schaffte ich es mich noch halbwegs gerade hin zu stellen, damit es nicht so aussah, als würde ich durch die Gegend geschleift. "Nichts... Sie helfen mir nur eben schnell meinen Unterschlupf zu sichern", meinte ich trocken. "Du willst ernsthaft bei einem Unwetter da drüben in dieser schäbigen Behausung bleiben? Bist du noch ganz bei Trost?", hörte ich Dwalin meckern der hinzu gekommen war. "Und was heißt hier nichts. Du bist vorhin zusammen gebrochen", kam es von Bofur, der vor seinem Zelt saß und gerade an einer Leinenplane herum werkelte. Ich schnaubte ihm empört entgegen und rollte mit den Augen. "Wie? Zusammen gebrochen?", hörte ich Thorin fragen und das knarzen der Stiefel auf dem Kies kündigte schon an, dass er näher an uns heran kam. "Na vielen dank, Bofur. Das war jetzt sehr hilfreich", murmelte ich mit sarkastischem Unterton. Er sah mich darauf hin verwirrt und unschuldig an. "Was denn? Ist doch wahr", meinte er schulterzuckend und bearbeitete weiterhin die Plane. Ich seufzte und senkte den Kopf. Ich hatte irgendwie ganz vergessen, was der für eine unglaublich ehrliche Quasselstrippe sein konnte. Einerseits war es ja sympathisch, aber andererseit nicht grade angenehm. Genauso wenig angenehm war es nun für mich, vor mir auf den Boden Thorins metallbeschlagene Stiefel zu sehen, von denen einer ungeduldig wippte. "Sieh mich mal an", sagte er gezwungen ruhig. Ich hob einfach den Kopf, bevor er Anstalten machte mich mal wieder eigenständig am Kinn zu packen. Schlagartig stiegen wogen von Hitze bis in meinen Kopf hoch, als ich ihn so halb bekleidet und mit diesem abschätzigen, musternden Blick vor mir stehen sah. Es dauerte einen Moment, dann nickte er mit dem Kopf in Richtung seines Zeltes. "Rein mit ihr", kam es knapp und direkt aus seinem Mund. "Was?", fragte ich und mir blieb vor Überraschung der Mund offen stehen. Kili und Fili gehorchten unterdessen aufs Wort. Sie führten mich mit einigem bitten in ihr Zelt. "Was wird denn das jetzt? Ich muss zu meinen Sachen", maulte ich. "Die holen wir. Bleib erst mal hier und setz dich", sagte Fili ruhig und legte mir eine Hand auf die Schulter. "Aber wenns geht nicht mitten in den Weg", grummelte Dwalin der zwischen drin auch noch herum lief. Ich seufzte und nahm mir einen der Schemel, die sie herein genommen hatten, um mich zu setzen. "Kann ich euch vielleicht doch irgendwie zur Hand gehen? Ich komm mir grade bescheuert vor", sagte ich und wandte mich mit der Frage an Balin, der die hölzernen Stützstangen verstärkte. "Ach nicht doch. Bleibt nur sitzen, meine Liebe. Es würde auch zu lange dauern, Euch zu erklären, wie man das richtig bindet und befestigt", sagte er freundlich. Grummelnd stützte ich meinen schweren Kopf auf einen Arm und schaute den Herren zu, wie sie nach und nach dieses unscheinbare Leinen und Holzgestell binnen kürzester Zeit zu einer Art kleinen Festung umbauten. Durch die eine Öffnung zum Platz hin, konnte ich sehen, wie sich langsam der Himmel immer weiter verdunkelte. Aus der Ferne war schon der rollende Donner zu hören. Das würde sicherlich für gehörige Abkühlung sorgen und womöglich auch meinen Kreislauf wieder zurecht rücken. Denn ich merkte, wie sehr es mich jetzt doch kurz vor beginn richtig runter zog. Ich legte den Kopf zwischen die Knie und versuchte ruhig zu atmen. Wieder hatte ich dieses unangenehme Verlangen mich zu übergeben, obwohl mein Magen eigentlich leer hätte sein sollen. In meinem Kopf hämmerte es schlimmer, als in einem Stahlwerk bei den Schmiede Maschinen. Plötzlich landete ein kühler, nasser Lappen in meinem Nacken und ich zuckte zusammen. "Was soll das denn?", fragte ich und sah mich verwirrt um. "Das wird helfen dich was abzukühlen", sagte Kili, der mit einem Teil meiner Ausrüstung erschienen war und diese mal eben in eine Ecke stellte. "Ja... Danke..", schnaufte ich und senkte den Kopf wieder. "So. Alles fertig gesichert. Und keinen Moment zu früh", meinte Fili und kam mit Dwalin und seinem Onkel hinten herein, wo sie die Plane schlossen. Wie zur Antwort grollte draußen der Donner immer lauter. Als ich seitlich durch meinen Arm blickte erhellten bereits einige Blitze dem Himmel. Dunkler und dunkler wurde es. Die Luft war nun so Dick, dass man sie locker mit einer von Dwalin Äxten hätte zerteilen können. "Cuna. Komm her", hörte ich Thorin mir gegenüber sagen. Er hantierte an seinem Schlafplatz herum. Ich legte den Kopf fragend schief. Was wollte er denn jetzt schon wieder? Sollte ich schon wieder bei ihm schlafen? Also auf seinem Platz? Oh nein, Herr Eichenschild. Nicht mit mir. Nicht schon wieder, dachte ich. Noch dazu kommandierte er mich wieder rum, wie einen Hund. Nein, ich würde auf meinem Schemel sitzen bleiben und das Unwetter dort ausharren. "Sag mal hörst du schwer oder hast du verlernt zu laufen", raunte er und war schon aufgestanden, um sich neben mich zu stellen. "Ich bleib hier sitzen", antwortete ich ihm und versuchte tunlichst nicht zu ihm hoch zu schauen. Er seufzte und ehe ich mich versah, hatte er mich unter den Knien und am Rücken gepackt. "Thorin!", rief ich entsetzt, als ich mit meinem Kopf an seinen freien Oberkörper gepresst wurde. Ich zog scharf die Luft ein, nachdem ich fühlte, wie angenehm kühl er doch eigentlich dafür war, dass er den halben Tag in der Sonne gearbeitet hatte. "Wie ein kleines Kind", meckerte er, während er mich rüber trug und dort ablegte. "Unverschämter Kerl", murmelte ich. "Der unverschämte Kerl stellt dich gleich raus in den Regen, wenn du dich weiterhin so unvernünftig verhältst", erwiderte er und drückte mich etwas unsanft auf den Rücken. Ich verzog meinen Mund beleidigt zu einer Schnute, als er mir mal wieder seinen Fellmantel als Decke über warf. Kili brachte ihm den Nassen Lappen, der mir beim Tragen aus dem Nacken gefallen war. Dieser landete nun gefaltet mitten auf meinem Kopf. "So und was jetzt, Herr Thorin?", fragte ich nachdem er zufrieden nickte und sich erhob. "Du bleibst jetzt so lange liegen, bis das Fieber runter ist", entgegnete er trocken. Ich konnte es mir nicht verkneifen entnervt zu knurren. Was bildete sich dieser Kerl eigentlich ein, wie er mit mir hier umsprang? Schon seit sie angekommen waren, schien es so, als würde er mich absichtlich vorführen. Die einzige Ausnahme, die ich bei ihm erlebt hatte, war vor zwei Nächten gewesen und da konnte ich wohl ab diesem Zeitpunkt mit Fug und Recht behaupten, dass es der Alkohol war, der ihn so hatte gehen lassen. Herrje diese Männer. Und warum zog er sich verdammt noch mal nicht endliche ein Hemd an?! Das war ja kaum auszuhalten, ihn so unglaublich Sexy vor mir herum stolzieren zu sehen. Kein Wunder, dass meine Körpertemperatur dermaßen in die Höhe geschossen war. Aber alles herum mosern half nichts. Nicht bei diesen Sturköpfen. Ich schloss einen Moment die Augen und versuchte mich nur auf die Geräusche draußen zu konzentrieren. Es krachte ganz ordentlich. Auch der Wind legte zu. Bald klopfte der erste Regen auf die Leinenplane. Zunächst nur vereinzelt. Dann immer stärker werdend. Bis er schließlich wohl zu ganzen Sturzbächen an Wasser wurde. Das war eine richtige Erleichterung. Ich konnte schon spüren, wie mein Kopf immer klarer wurde und die Schmerzen langsam nachließen. Allerdings machte mir der Wind ein wenig Sorge, denn der rupfte gewaltig am Zelt. "Uh... da zerreißt der Sturm einige Bäume", hörte ich Fili sagen und öffnete die Augen, um zum offenen Eingang zu blicken. Die Herren hatten sich dort hingestellt um dem Unwetter beim Wüten zuzusehen. Für gewöhnlich tat ich das eigentlich auch, doch nun lag ich ja da und musste mich ruhig verhalten. Aber vielleicht konnte doch ein Blick nicht schaden. Ohne viel Krach zu machen stand ich langsam auf, um mich in die Mitte des Zeltes zu stellen. Nur nicht zu nah an die Herren heran, damit sie nicht bemerkten, dass ich meinen Platz verlassen hatte. Ich stellte mich kurz auf die Zehnspitzen um über Balin hinweg zu sehen, da der ja mit der kleinste von ihnen war. Draußen ging ein ordentliches Lichtspektakel ab. Auf jeden Blitz folgte unwillkürlich ein Donner. Wir waren mitten im Zentrum. Der Regenvorhang war so dicht, dass man nicht mal bis zum großen Lagerfeuer sehen konnte. Die kühle Luft, die herein kam, war eine wohltat für mein überhitztes Gesicht und ich genoss richtig jeden Strom davon. Ich strich mir den Schweiß aus dem Gesicht und unterdrückte ein entspanntes Seufzen. Da erhellte ein gleißendes Licht den ganzen Platz. Ein zischendes, lautes Knistern war zu hören. Die Spannung die plötzlich durch die Luft ging, war so deutlich fühlbar, dass mir die Haare an den Armen zu berge standen. Ich sah den langen gekrümmten Lichtbogen eines Blitzes gefolgt von einem Ohrenbetäubenden gewaltigen Knall. Die Zwerge sprangen erschrocken zwei Schritte vom Eingang weg. Mir entfuhr ein Kreischen und ich stolperte ungelenk auf meinen Schlafplatz zurück. Dabei stieß ich Thorins Rucksack um und der halbe Inhalt fiel raus. Ich erstarrte erschrocken. Nun lag plötzlich der Arkenstein offen und für Jedermann sichtbar im Gras. Verdammt, warum musste denn gerade jetzt der Blitz hier irgendwo einschlagen? Die Männer hatten meinen Aufschrei und den Rabatz gehört, den ich veranstaltet hatte, als ich umgefallen war. "Cuna! Hab ich dir nicht gesagt, du sollst liegen bleiben", schimpfte Thorin und kam wutschnaubend um den Waffenständer in der Mitte herum. Ich hatte noch versucht hastig die Tasche wieder einzuräumen und wollte gerade den Arkenstein greifen, da erfasste seine Hand meinen Arm und zog ihn grob davon weg. "Was.... tust... du... da?", fragte er sehr, sehr langsam. Als ich ihm panisch ins Gesicht blickte, bereute ich es sofort. Diesen mörderischen Ausdruck in seinen Augen würde ich wohl mein ganzes Leben lang nicht wieder vergessen können. - 22. Sommergewitter / ENDE - Kapitel 23: 23. Zwerg ärger dich nicht -------------------------------------- Erstarrt vor Entsetzen und Panik hockte ich vor dem Zwergenkönig, der meinen Arm in seinen rauen, kräftigen Händen fest gepackt hielt. Das Licht der Blitze, was durch den offenen Zelteingang hinein kam, erhellte immer wieder die Szenerie. Ich keuchte und konnte den Blick nicht von diesem wutverzerrten Gesicht abwenden. Zusätzlich sorgte der Arkenstein, der genau zwischen uns im Gras lag, ebenfalls für eine geisterhafte Silhouette, seiner sonst so edlen Erscheinung. Und es war in dem Moment nicht nur der Donner, der ein Grollen von sich gab. "Was... tust... du... da?", wiederholte er und seine Stimme war zu einem gefährlichen, scharfen Flüstern geworden. Seine blauen Augen glitzerten im Schein des Arkensteins mit einem gespenstischen Feuer, das dabei war zu einer Stichflamme aus Zorn zu werden. Mir stellten sich im Nacken schon sämtliche Haare auf. Ich spürte wie sich mein Mund bewegte, aber keine Worte heraus kamen. Mein Kopf war bis auf die langsam abklingenden Schmerzen völlig leer. Mit einem mal stieß er mich von sich weg und ergriff den Arkenstein. Ich landete unsanft auf dem Rücken und blickte zu ihm auf. "DAS war es also", sagte er und seine Stimme war immer noch so leise und bedrohlich, dass sie einem durch Mark und Bein ging. Ich sah ihn völlig verstört an. Was meinte er denn nur mit 'Das war es also'? Er wendete sich von mir ab und ging mit dem Arkenstein in Händen langsam vor mir hin und her. Seine dunkle Stimme bebte von der Anstrengung Ruhig zu klingen. "Die ganze Zeit und ich war so blind, dass ich es nicht geahnt habe. Ich muss schon sagen außerordentlich geschickt, wie du uns alle hinters Licht geführt hast. Ich hab dir sogar deine Tränen abgenommen, um den Tod eines geliebten Wesens. Ich hätte spüren müssen, dass hinter deinem Geliebäugel und freundlichen Getue nur diese eine Absicht stand und in deinem Sinn war", sprach er und seine Hand schloss sich dabei fester um den Arkenstein. "Thorin... was... was redest du?", fragte ich und wich mit dem Rücken an die Zeltplane zurück. Doch schien er mich nicht zu hören. Denn er sprach unerbittlich weiter und wie es aussah wohl mehr zu sich selbst als zu mir. "Das war alles Teil deines Plans. Dieses Lastwagen-Monster anzulocken, damit Kili in Gefahr geriet und du ihn retten konntest, um unser Vertrauen zu gewinnen. Meine beiden Neffen um den kleinen Finger zu wickeln, damit sie dich wie ein Familienmitglied behandelten. Dir nochmal die Nase von einem Bilwiss brechen zu lassen, damit wir dir das Ganze wieder richten und du die Gelegenheit bekamst deine Beute ausfindig zu machen. Deshalb hast du auch so aufgeregt an dem Morgen reagiert als meine Tasche hinter dir umgefallen war. Du hattest gefunden wonach du gesucht hast. Aber ich kam dir dazwischen und du konntest ihn nicht stehlen. Deshalb hast du dir dann einen anderen Plan überlegt. Hast Ori dazu ausgenutzt, um deine ach so schön zurecht gelegte Geschichte zu erzählen, damit wir Mitleid mit dir bekommen. Dann wolltest du vor mir Eindruck schinden, indem du dir diesen raffinierten Schlachtplan bei diesem Schatzräuberspiel ausgedacht hast. Ich hätte hellhörig werden müssen, als du uns dazu angehalten hast Gestern ohne Waffen bei diesem angeblichen falschen Angriff teilzunehmen." Er war stehen geblieben und hielt den Kopf auf das Licht des Arkensteins gesenkt. Durch die Strähnen seines schwarzen Haares, dass ihm von den Schultern hing, erkannte ich schwach sein Gesicht. Er grinste. Ja, er grinste. Aber es war kein freundliches oder spöttisches. Nein, es war ein wahnsinniges Grinsen. Ich versuchte auf die Beine zu kommen. Sie zitterten wie verrückt und machten mir Mühe gerade stehen zu bleiben. "Um Himmels willen. Thorin, von was sprichst du denn da überhaupt", japste ich verzweifelt und sah mich nach den anderen um. Kili und Fili stand das Entsetzen in die Gesichter geschrieben. Dwalin hatte einen genug tuenden "Ich habs dir ja gesagt" Ausdruck in den Augen. Und Balin fuhr sich nachdenklich mit einer Hand durch seinen langen, weißen Bart. Thorin drehte endlich wieder den Kopf zu mir und trat einen schweren Schritt näher. "Von was ich rede? Das weißt du doch wohl am besten. Mit deiner Armee von Hunden, die uns alle hätte zerfleischen sollen!", rief er und packte mit einer freien Hand sein Schwert vom Waffenständer. Ich kreischte erschrocken und wich gerade noch so aus, als er begann damit nach mir zu schlagen. "Thorin! Hör auf!", quiekte ich. "Verlogene falsche Schlange! Diebische Elster!", fauchte er und holte erneut aus. Wieder schaffte ich es nur um Haaresbreite seinem Schlag auszuweichen. "Thorin! Bitte! Hör mir doch zu!", rief ich und hatte mich einmal um ihn herum winden konnte. "Du hast uns lange genug getäuscht und unseren Verstand mit deinen falschen Worten gefüttert. Doch diesmal werde ich nicht so gnädig sein!", brüllte er und schlug einmal mit dem Schwert von oben nach unten, als wolle er mich in zwei Hälften teilen. Ich stolperte, landete auf dem Hintern und er traf den Waffenständer über mir. Die Waffen purzelten alle kreuz und quer durcheinander und begruben mich halb unter sich. Scheiße, der war vollkommen durchgedreht! Und ich verstand immer noch nicht, was er denn genau von mir wollte. Ich wusste nur, dass ich gerade in höchster Lebensgefahr schwebte. Der Zwergenkönig knurrte, als er das Schwert gewaltsam versuchte aus dem Ständer zu befreien. Verdammt, ich musste was tun. Er war vollkommen drauf erpicht mir den Gar aus zu machen. "Thorin. Bitte hör doch zu! Du verstehst das falsch!", bettelte ich und versuchte mich zur selben Zeit aus dem Haufen von Eisen zu befreien. "SCHWEIG!", brülle er und hatte es dann doch geschafft sein Schwert wieder heraus zu ziehen. Ich sah mich hektisch um und griff nun ebenfalls das nächstbeste was ich fand. Es war eines von Filis Schwertern. Ich konnte es gar nicht richtig heben. Das Ding war unglaublich schwer, aber immer noch besser als nichts. Ich wich langsam zurück und stieß dabei gegen die restlichen Vier, die mir offensichtlich den Rückweg blockierten. "Bitte... helft mir doch. Er dreht ja völlig durch", quiekte ich über die Schulter. Doch als ich sie alle Vier ansah wusste ich, dass sie den Teufel tun würden um mir zu helfen. Offensichtlich sahen sie die Ganze Sache genau wie ihr König. Sie hielten mich augenscheinlich für eine Diebin. Dwalin war der Erste von ihnen, der sich rührte. "Hilfe willst du? Na dann werd ich dir Helfen!", rief er aus und wollte mich packen. Ich kreischte erneut und tauchte gerade noch unter seinen Muskelbepackten Armen weg. Er stolperte nach Vorne und sorgte so für eine Lücke, in der bis dahin geschlossen gehaltenen Mauer als Männern. Kili und Fili standen offenbar so unter Schock, dass sie nicht mal ansatzweise versuchten mich aufzuhalten, als ich hinaus ins Unwetter stürzte. Inzwischen hatte es sogar zu Hageln begonnen. Der Platz war eine einzige Schlammpfütze. Binnen Sekunden war ich nass bis auf die Haut. Das Schwert zog ich weiter mühselig hinter mir her. Ich musste Thorin zur Vernunft bringen. Sonst würde er womöglich versuchen auch noch andere zu töten. Doch wie stellte man das bei einem so durchgeknallten Zwerg an? Er wollte nicht zu hören. Und würde mit Sicherheit auch nicht aufhören wild um sich zu schlagen, bis er mich erwischt hatte. Wie aufs Stichwort kam er nun hinter mir her aus dem Zelt gesprungen. Das Schwert hoch erhoben und bereit zum nächsten Schlag. Ich mühte mich ab Filis Schwert anzuheben und konnte damit gerade so den Schlag abfangen. Es gab ein lautes "Tsching" Geräusch und ich stolperte über den nassen Boden. "Thorin! Hör auf! Ich flehe dich an!", brüllte ich gegen Wind, Regen und Donner an. "Ich werde erst aufhören, wenn ich deinen Kopf von deinen Schultern getrennt habe!", keifte er mir entgegen. Mit diesen Worten stürzte er sich erneut auf mich und riss mir mit dem nächsten Schlag die ohne hin zu schwere Waffe aus der Hand. Ich rutschte aus und fiel mit dem Rücken in eine der größeren Pfützen. Dabei klatschte es ordentlich. Wasser, Dreck und Eisbrocken stoben in alle richtungen. Komplett mit Schlamm bedeckt und hustend versuchte ich mir die Augen frei zu wischen, damit ich etwas sehen konnte. Bei diesem Zwielicht und dem Hagelsturm, war das schwer genug. Im Schein eines Blitzes sah ich dann die Spitze seiner Klinge über mir erleuchten. Den Arkenstein hielt er immer noch in der anderen Hand. Er wirkte äußerst zufrieden. Seine Erscheinung war übermächtig. Bedrohlich, stolz und eiskalt. Das Wasser rann ihm in strömen aus den Haaren und über seinen Körper. Ich atmete schwer. Die Luft hatte sich so weit abgekühlt, dass ich ihn sogar sehen konnte. "Noch ein paar letzte Worte?", fragte er ruhig und selbstsicher. Ich sah ihm ins Gesicht. Und da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren. Ich glaubte zu wissen, wie ich ihn dazu bringen konnte mir zu zu hören. Aber es war eine Chance Eins zu Hundert. Also besser als gar keine. Ich hob vorsichtig eine Hand. "Ein paar habe ich. Ich... ich möchte... zu meinem Ende.. ein.. ein Lied singen", sagte ich gezwungen ruhig. "Ein Lied? Ist das alles?", fragte er verwirrt und hob die Klinge etwas an. Ich nickte ruhig und setzte mich auf die Knie. Zum Stehen fehlte mir einfach in dem Moment die Kraft. "Dann mach schnell", sagte er streng. Das Schwert weiter in meine Richtung meiner Kehle gewandt. Ich atmete tief durch und schloss die Augen. So gut und laut ich eben konnte, begann ich zu Singen. Das einzige Lied was mir eben einfiel. Misty Mountains... "Über die Nebel Berge weit. Zu Höhlen tief...aus alter Zeit. Da ziehn wir hin. Da lockt Gewinn. Durch Wind und Wetter, Not und Leid. Und dort wo knisternd... im Gehölz erwacht.... ein Brand von Winden.... angefacht....", sang ich und weiter kam ich nicht. Da hörte ich vor mir ein Platschen im Schlamm. Ich öffnete die Augen und bemerkte, dass Thorin sein Schwert fallen gelassen hatte. Entsetzt und verblüfft sah er zu mir hinunter. Er hatte den Mund weit offen stehen und schüttelte entgeistert den Kopf. "Woher... Woher kennst du dieses Lied?", fragte er schließlich, als er sich etwas gefasst hatte. "Hier kennt es fast jeder, Thorin. Die Menschen, die hier in dieser Welt leben. Sie haben euch auf eurer langen Reise zurück zum Erebor begleitet. Sei es in Büchern oder in Bildergeschichten. Sie haben mit euch gelacht. Haben mit euch gebangt. Und... und sie haben an euren Gräbern geweint. Wir verehren euch. Euch alle. Und ich würde mir niemals erlauben etwas aus deinem Besitz zu stehlen", sagte ich schlicht. Langsam sah ich ihn in die Knie gehen. "Soll das... soll das heißen. Ihr Menschen hier. Ihr kennt alle unsere Geschichte? Ihr wisst alle vom Schicksal meines Volkes? Ihr habt das Leid gesehen und sogar um unsere Toten getrauert?", fragte er und sein Blick wurde mit einem mal viel klarer. Ich nickte ihm ruhig zu und kroch etwas näher an ihn heran. Das Schwert schob ich vorsichtshalber beiseite. Sein Zorn schien plötzlich komplett verraucht zu sein. Er schaute in den verregneten Himmel und langsam breitete sich ein lächeln auf seinem Gesicht aus. Was als nächstes passierte verstand ich fast genauso wenig, wie seinen vorangegangen Wutausbruch. Er lachte. Zunächst nur leise. Dann immer lauter. Bis er damit sogar einen Donnerknall übertönte. Schließlich sah er mich Kopfschüttelnd an. "Bei Durins Bart. Das hätte ich nie erwartet", sagte er und klang ziemlich erleichtert. "Ich glaube... wir haben viel zu bereden, oder?", fragte ich ihn ruhig und legte den Kopf etwas auf die Seite. Er nickte langsam und setzte wieder seine übliche ernste Miene auf. Nachdem er aufgestanden war hielt er mir seine Hand hin welche ich dankend ergriff, um mich nach Oben zu ziehen. Ich stand nun direkt vor ihm. Mein Herz pochte ganz stark von der Aufregung in meiner Brust. Auf meinem Gesicht breitete sich ungewollt ein verlegenes Lächeln aus. Wir blieben eine Weile so stumm voreinander stehen. Da rauschte plötzlich wieder ein Blitz über unsere Köpfe hinweg und krachte in einiger Entfernung in einen Baum. Ich war so erschrocken, dass ich Thorin glatt auf die Arme sprang und ihn nochmal zu Boden riss. "Cuna! Du verrücktes Weib! Was sollte denn das jetzt?!", fluchte er auf dem Rücken liegend und nun auch noch über und über mit Schlamm bedeckt. "Äh... tut mir leid. Das war keine Absicht", wimmerte ich kleinlaut. "Geh von mir runter. Wir sollten so schnell es geht wieder ins Zelt", meinte er und schob mich von sich runter. Nach diesem unfreiwilligen Schlammbad, hob er die beiden Schwerter vom Boden auf und trug sie mir voran gehend zurück an ihren Platz. Dwalin sah alles andere als begeistert aus, mich noch lebend vor zu finden. "Was ist denn jetzt, Thorin? Ich dachte du wolltest sie für ihren Verrat bestrafen", knurrte er und es schien ihm in den Fingern zu jucken, das was der Zwergenkönig nicht vollendet hatte fortzusetzen. "Du lässt deine Hände schon bei dir, Dwalin. Ich denke es wird Zeit, das wir reden. Aber zunächst sollten wir aus den nassen Sachen raus", meinte dieser ruhig und stellte die Waffen auf den kaputten Ständer. "Äh... Umziehen? Ich? Hier?", fragte ich und mir schoss sofort wieder die Hitze in den Kopf. "Natürlich hier. Oder willst du das draußen im Regen machen?", fragte er und suchte nach einem Tuch, womit er sich ab rubbeln konnte. "Ich kann mich hier doch nicht umziehen. Hier sind Fünf Männer im Raum", protestierete ich. "Wir schauen auch nicht hin. Versprochen", kam es von Kili, der mir auf die Schulter klatschte. Als ich die Gesichter der beiden Brüder musterte, hatten die sich deutlich entspannt und sie lächelten mich erleichtert an. "Auf jeden Fall kommst du aus den Klamotten raus. Sonst zieh ich dich persönlich um", kam es von Thorin, der endlich ein paar Leinentücher gefunden hatte und mir eins zu warf. Ich fing es auf und blickte ihn empört an. "Erst will er mich umbringen und jetzt will er mir die Sachen vom Leib reißen, der unverschämte Kerl", schnaubte ich. "Hör auf zu jammern und trockne dich gefälligst ab", gab er zurück. Ich seufzte und wuschelte mir mit dem Leinentuch durchs Haar. Was für eine Aufregung und das alles nur wegen diesem dummen Stein. Mit einem mal zog mir Jemand das Tuch fester um die Augen. "Hey, was soll das jetzt?", maulte ich und versuchte mich zu befreien. "Will nur verhindern, dass du Onkel unbekleidet siehst", murmelte mir Fili von der Seite ins Ohr. Ich musste schlucken. Allein die Vorstellung löste bei mir ungeahnte Gedanken aus. Ich schüttelte kurz den Kopf um dieses Bild aus meinen Gedanken zu bekommen. Nach einer Weile lockerte Fili den Griff wieder am Tuch und ich konnte es endlich abnehmen. Dwalin hatte sich grummelnd auf einen Schemel gesetzt und war schon wieder am Rauchen. Balin hatte sich ein Leinenhemd über geworfen und schnitzte mit einem kleinen Messer an einer Figur herum. Thorin selbst kam aus dem hinteren Teil des Zeltes und war endlich wieder komplett angezogen, was ich zum Einen bedauerte, aber auch zum Anderen wirklich für gut hieß. Nun konnte ich nach hinten und mich dort meiner Sachen entledigen. Thorin erklärte unterdessen, was draußen vorgefallen war. Dabei behielt ich die Herren, die allesamt mit dem Rücken zu mir standen genau im Auge. Keiner sollte sich auch nur ein bisschen umdrehen, bis ich zumindest wieder Unterwäsche an hatte. Leider musste ich feststellen, dass langsam mein Vorrat an Klamotten zur Neige ging. Das würde wohl heißen, dass ich früher oder später für ein paar Stunden nach Hause fahren musste, um mir dort Neue zu holen. Außerdem waren die jetzigen so verschmutzt, dass sie dringend in die Waschmaschine gehörten. "Gut. Ich bin angezogen", sagte ich nach ein paar Minuten und streckte mich kurz. "In Ordnung. Dann können wir reden", meinte Thorin und kam nach hinten. Der Rest folgte ihm. Wie setzten uns aufs Gras in einem kleinen Kreis. "Ich halte es immer noch für eine schlechte Idee sie aufzuklären, Thorin", grummelte Dwalin. "Es ist meine Entscheidung, wer von seinem Geheimnis erfährt und wer nicht. Und ich sehe hier durchaus eine Chance, dass wir den Menschen hier vertrauen können", sagte der Zwergenkönig und sah seinen alten Freund durchdringend an. Er setzte sich gerade hin und zog den Arkenstein wieder hervor. Diesen legte er in die Mitte unseres Kreises. "Du weißt, was das ist?", fragte er dann an mich gewandt. "Das ist der Arkenstein", antwortete ich knapp und er nickte. "Richtig. Und weißt du noch etwas über ihn?" Ich kratzte mich kurz am Kopf und überlegte lange. Ich hatte viele Gerüchte darüber gehört und einiges aus dem Silmarillion gelesen. Doch ob das alles in einem Zusammenhang stand, wusste ich nicht wirklich. Ich beschloss schließlich einige der Fakten aufzuzählen, die mir bekannt waren. "Also. Der Arkenstein wird auch das Königsjuwel genannt. Wurde damals zur Zeit von König Thror in den tiefen Felsen des Erebor entdeckt und zum größten Schatz seines Hauses gemacht. Jeder männliche Nachfolger seines Stammbaumes würde an sein Schicksal gebunden sein und nur mit Besitz dieses Juwels als wahrer König anerkannt und respektiert werden. Als der Drache Smaug den Erebor überfiel verlor König Thror den Arkenstein in einem Berg von Gold. Mehrere Jahre später nachdem Thror von Azog getötet und sein Sohn Thrain in der Schlacht vor Moria verschwunden war, machte sich eine Expedition bestehend aus Dreizehn Zwergen, einem Hobbit und dem Zauberer Gandalf auf, den Erebor und den Arkenstein wieder zurück zu erlangen", erklärte ich und sah mich in der Runde um. Alle Fünf nickten einstimmend. "Du weißt mehr, als ich erwartet habe. Noch etwas?", hakte Thorin nach und musterte mich mit verschränkten Armen. "Nun ja. Der Rest den ich davon weiß, ist nur Theorie. Manche Menschen hier glauben, dass der Arkenstein nichts anderes ist, als der verschwundene Silmaril. Ein Edelstein, der einst im sagenumwobenen Reich Valinor geschliffen wurde. Danach wurde er von Morgoth...", sagte ich und mit einem Zischlaut klatschte mir Balin eine Hand auf den Mund. "Seid Ihr verrückt, den Namen laut auszusprechen? Das bringt Unglück", raunte er und ich sah mich verwirrt um. Die Herren wirkten auf einmal irgendwie aufgeschreckt. Ich seufzte und zog seine Hand von meinem Mund weg. "Ich denke, das genügt auch von dem, was du uns sagen kannst", meine Thorin trocken, der damit wohl verhindern wollte, dass ich noch mehr ins Detail ging. Ich nickte ruhig und musterte ihn dann neugierig. "Wir wissen auch nicht ob die Gerüchte, von denen du gesprochen hast, der Wahrheit entsprechen. Was wir über den Arkenstein wissen ist, dass er weit mehr kann, als es den Anschein haben mag. Zum Einen hat er uns alle hier wieder ins Leben zurück geholt, nachdem wir dahin geschieden waren. Zum Anderen hat er und geholfen, dass wir zwischen den Welten hin und her reisen konnten. So kamen wir auch in dieses sonderbare Mittelerde, wo wir dich trafen. Oder vielmehr diese sonderbare Gestalt, durch die du mit uns sprechen konntest", erklärte er und hob den leuchtenden Stein wieder aus dem Gras. Mir klappte vor Staunen der Mund auf. Das dieser winzige leuchtende Stein das alles konnte? Unfassbar! Nun hatte ich auch die Antwort darauf, wie Thorin damals einfach verschwunden war. Er musste den Stein benutzt haben, um zurück nach Arda zu reisen. Wenn das wirklich stimmte, dann ergaben sich daraus unendlich viele Möglichkeiten. Was für Länder und Welten man vielleicht alles erforschen konnte. Und das nur, wenn man diesem Edelstein sagte, wo man hin wollte. Ohne es zu wollen musste ich wohl einen gierigen Blick aufgesetzt haben, denn Dwalin sah mich von der Seite her mahnend an. Ich schüttelte kurz den Kopf und versuchte die Gedanken zu verdrängen. Kili und Fili blieben derweilen ruhig und schauten nur gelegentlich aus dem Zelt hinaus, wo das Gewitter langsam nach ließ. "Du siehst sicher ein, warum wir davon niemandem erzählen können. Er ist gefährlich und könnte in den falschen Händen großen Schaden anrichten. Gandalf hat uns davor gewarnt ihn leichtfertig für irgendetwas einzusetzen. Er hatte nicht mal gewollt, dass wir überhaupt in den Welten umher reisen, da er fürchtete dass wir womöglich andere damit in unsere wahre Heimat ziehen könnten. Wir bitten dich daher um Eines. Erzähle niemandem von dem Stein und vor allem nicht, wer wir wirklich sind", sagte Thorin und verstaute den Stein vorerst in seiner Hosentasche. Ich sah alle fünf ruhig an. Es war ihnen wirklich sehr ernst, dass ihr Geheimnis bewahrt würde. Es wäre sicherlich auch für mich ein Anliegen gewesen, würde ich so einen machtvollen Gegenstand besitzen. "Also gut, Thorin. Ich werde niemandem hier auch nur ein Sterbenswörtchen über den Arkenstein erzählen. Davon abgesehen, dass mir zwar eh keiner hier glauben würde. Aber wenns euch und Eure Welt davor schützt ausgebeutet zu werden, dann ist euer Geheimnis bei mir sicher. Lass uns am besten darauf einschlagen", sagte ich und hielt ihm meine rechte Hand hin. Er besah sie sich kurz misstrauisch und schlug dann doch zu meiner Erleichterung ein. Ein sanftes, zuversichtliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Das bedeutet uns viel", meinte er knapp. Fili legte seine Hand darüber. Kili folgte kurz darauf. Balin und Dwalin gesellten ihre Hände dazu. Auch wenn dieser Brummbär damit noch nicht ganz einverstanden schien. Schweigend sahen wir uns alle nacheinander an und nickten dann kurz, wie zu einem stummen Schwur, bevor wir los ließen. "Hey, was macht ihr Sechs denn da?", kam eine Stimme vom Zelteingang herein. Es war Ori, der sich neugierig umsah. Als ich zu ihm schaute, bemerkte ich dass der Regen gänzlich aufgehört hatte und die Sonne ihre Strahlen auf den halb überfluteten Platz warf. "Ach wir reden nur ein bisschen", meinte ich und grinste ihn an. "Wollt ihr nicht raus kommen? Die Sonne ist wieder da", meinte er. Ich nickte und erhob mich wieder. Die Männer folgten langsam und wir traten aus dem Zelteingang. Mein Blick folgte den Resten der dunklen Gewitterwolken, die sich am Himmel entfernten. Als die Sonne begann kräftiger zu scheinen und die kleinen Regenteiche auf dem Platz schimmerten wie von Diamanten besetzt, erschien vor der dunklen Wolkenwand, in wunderschönen, bunten Farben, ein kräftig ausgeprägter Regenbogen. "Hey, seht mal da!", rief ich und deutete in den Himmel. Ich sah über die Schulter, um festzustellen ob sie auch wirklich hinsahen. Aus dem anderen Zelt waren die anderen Zwerge hinaus gekommen und streckten sich in der Sonne. Auf meinen Fingerzeig hin blickten alle gemeinsam in den Himmel und musterten den Regenbogen. Auf jedem Gesicht bildete sich nach und nach ein erstauntes Lächeln oder sie wirkten einfach nur fasziniert von den Farben. "Das ist ja wunderschön", sagte Bofur. "Ein gutes Omen. Zweifellos", kam es von Balin und der kicherte zufrieden. Ich schaute zufrieden wieder in den Himmel und lächelte. Balin musste durchaus Recht haben. Das konnte einfach nur ein gutes Omen sein. Davon war ich nun fest überzeugt. - 23. Zwerg ärger dich nicht / Ende - Kapitel 24: 24. Schadensbegutachtung ------------------------------------ Das Unwetter hatte sich endlich verzogen und selbst auf unserem kleinen Campingplatz ordentlich gewütet. Einigen Bäumen fehlten die Äste, unbefestigte Sachen waren durch die Gegend geschleudert und Autos auf dem Parkplatz von Vogelei großen Hagelkörner durchschlagen worden. Der erste Blitz, der mitten in den Platz geschlagen war, hatte das Ortsschild auf dem Sandybor getroffen. Dieses hatte es daraufhin regelrecht in Stücke gerissen und in dem Berg einen kleinen Krater hinterlassen. Die einzigen Orte, die halbwegs heil geblieben waren, waren das Fisse Ma "Tent" chen, die Anmeldung, das "ROZ" und sämtliche Gruppenzelte. Dazu gehörten natürlich auch die der Zwerge. "Na. Sind wir ja noch mit nem blauen Auge davon gekommen", meinte Moe, der aus dem Fisse Ma "Tent" chen zu uns herüber gekommen war, um sich einen Überblick über die Schäden zu verschaffen. "Ja und wie. Vermutlich doch nur ein kleiner Ausläufer des Unwettertiefs. Wer weiß, wo der richtig für Action gesorgt hat", meinte ich und zuckte nachdenklich mit den Achseln. Er nickte hingegen ruhig. "Wie siehts bei deiner Hängematte aus? Ist da alles heil geblieben?", fragte er kurz drauf. Ach ja. Richtig. Die hatte ich ganz vergessen. Ich schüttelte den Kopf. "Du, das weiß ich gar nicht. War während dem Gewitter nicht da. Aber ich geh gleich mal hin", antwortete ich. "Gut mach das. Und sag mir dann wenn was kaputt ist. Wegen der Versicherung", rief er mir noch nach, als ich schon auf dem Weg nach klein Mordor war. Ich nickte noch mal nach hinten und schritt dann zügig davon. Die Zwerge waren derweilen damit beschäftigt, die starken Befestigungen wieder etwas zu lockern, also achteten sie gar nicht auf mich. An meinem Schlafplatz angekommen musste ich seufzend feststellen, dass meine Regenplane in dem Wind durch die Bäume gerissen worden war. Folglich sah diese ziemlich zerfetzt aus. Die Hängematte selbst war klatschnass und hing nur noch an einem Bäumchen, da das andere umgeknickt war und etwas den Trampelpfad versperrte. Mein Moskitonetz war gar nicht mehr aufzufinden und meine LARP-Laterne lag zerdeppert auf dem Boden. "Ja, scheiße..", maulte ich und sammelte die Scherben ein. Nun gut, damit war mein Schlafplatz nicht mehr zu gebrauchen. Und insgeheim musste ich den Zwergen dafür danken, dass sie mich in der Zeit in ihrem Zelt festgehalten hatte. Wer weiß, was sonst mit mir geschehen wäre. Nun musste ich mich aber nach einen neuen Schlafplatz umsehen. Vielleicht gab es ja noch einen freien Platz in dem großen Gruppenzelt der Mädchen. Oder es war noch eines der Einzelzelte übrig. Wobei ich mir da überhaupt nicht sicher war. Mit der kaputten Lampe in der Hand, machte ich mich auf die Suche nach Moe, um ihm zu berichten, wie es bei mir aussah. Dieser strich sich verlegen über die Glatze und verzog das Gesicht, nachdem ich ihn gefunden und meine Situation erklärt hatte. "Das sind ja mal schlechte Nachrichten. Wir haben nämlich das Problem, dass wir kaum noch Liegen in den Gruppenzelten haben. Eigentlich nur noch bei den Jungs um ehrlich zu sein. Und die Einzelzelte sind alle belegt. Was ich dir anbieten könnte wäre, dass du auf dem Sofa im Fisse Ma "Tent" chen schlafen könntest. Nur müsstest du damit leben, dass du morgens Früh geweckt würdest", meinte er. "Naja, Sofa is besser als nichts. Sonst müsste ich heute abreisen", erwiderte ich ruhig. "Muss ja nicht sein. Aber deine Tasche und so müsstest du dann bei uns in den Technik-Container stellen. Die sollte ja nicht unbedingt offen da rum stehen", erklärte er mir sachlich. "Wenns weiter nichts ist. Davon abgesehen bin ich die letzten Tage eh immer viel zu früh wach geworden. Das geht schon klar", erwiderte ich mit einen tiefen Seufzen. Er nickte und klopfte mir väterlich auf die Schulter. Danach wand er sich den Problemen der anderen zu. Mit etwas schwerem Gemüt, suchte ich meinen Weg zurück zu meinen Sachen, die immer noch bei den Zwergen herum standen. Als Fili mich von Fern sah kam er umgehend auf mich zu gerannt. "Cuna, komm schnell!", rief er abgehetzt. "Was ist denn los, Fili?", fragte ich verwirrt, als er mich am Arm hinter sich her zog. "Dein Plapperkasten schreit wie verrückt. Ich glaube der stirbt", sagte er und schon waren wir drin. Sämtliche Zwerge standen im Kreis um mein Handy herum, dessen Klingelton tatsächlich ein weiblicher Schrei war. Diesen hatte ich eingestellt, wenn mich jemand anrief, mit dem ich seltener telefonierte. Ich musste lachen, als ich mich durch die Gruppe verstört drein blickender Männer quetschte. Oin hatte sich mit fragendem Blick darüber gebeugt und seufzte. "Also ich kann beim besten willen nicht feststellen, was es hat. Es schreit einfach nur", meinte er, als ich mich bückte um es aufzuheben. Ich musterte ruhig die Nummer auf dem Display. Der Friedhofswärter? Was wollte der denn jetzt von mir? Für gewöhnlich rief der doch nur meine ehemaligen Schwiegereltern an. Ich drückte auf grün und nahm das Ding dann an mein Ohr. "Ja, bitte?", sagte ich und musste mir ein Kichern verkneifen, weil sie alle der Reihe nach verdutzt zusammen zuckten. "Ah, gut dass ich Sie endlich mal ans Telefon bekomme. Ich versuche schon seit gut einer halben Stunde Sie zu erreichen", meckerte die alte, aber viel zu laute Stimme in den Hörer. Der Typ war wie Oin verdammt schwerhörig. Aber meistens nur, wenn es drauf ankam. "Ja, nun sagen Sie schon was los ist. Ich hab nicht viel Zeit", meinte ich ungeduldig. "Es geht um das Grab Ihres Mannes." "Was ist damit?" "Die große Tanne ist drauf gestürzt und hat das Grabmal völlig zerstört. Sie müssen her kommen und bei der Feuerwehr dafür unterschreiben, dass die den Baum beseitigen." "Warum rufen Sie denn dafür nicht meine Schwiegerdrachen an?" "Hab ich versucht. Der Anrufbeantworter sagt sie sind um Urlaub. Also wäre ich Ihnen doch sehr verbunden, wenn sie sofort her kommen könnten." "Sofort? Ich bin aber nicht zuhause. Ich bin unterwegs." "Der Feuerwehrhauptmann sagt, Sie sollten das besser jetzt, als gleich erledigen. Sonst liegt der Baum noch länger hier rum. Also, wir warten auf sie." Noch bevor ich widersprechen konnte hatte er ohne "Tschüss" zu sagen aufgelegt, das grantige alte Ekel. Ich nahm mein Handy seufzend vom Ohr und steckte es weg. Die Zwerge sahen mich alle samt neugierig und fragend an. "Was?", fragte ich kurz angebunden, ohne lange drüber nach zu denken. "Wie hast du gemacht, dass es aufhört zu schreien? Und mit wem hast du da gesprochen?", fragte Ori verblüfft und wollte näher komme, doch Dori hielt ihn zurück. "Bleib weg von ihr. Das ist bestimmt Hexenwerk", zischte er ihm zu und musterte mich argwöhnisch. Ich rollte genervt mit den Augen. "Das ist kein Hexenwerk, das nennt sich Technik. Und mein Gerät ist auch kein Plapperkasten, das nennen wir Handy. Damit können wir mit Anderen über sehr, sehr weite Entfernung sprechen ohne lästige Briefe schreiben zu müssen, die Wochenlang unterwegs sein würden", meinte ich. "Wie funktioniert das denn?", fragte Nori neugierig. "Da fragst du besser meinen Freund Richi. Der kann das besser erklären als ich", sagte ich knapp und machte mich an meinem Rucksack zu schaffen. Ich nahm die dreckigen, nassen Sachen vom Boden auf und stopfte sie hinein, bevor ich das Ding schulterte. "Wo, in Durins Namen, willst du denn hin?", kam es von Thorin, der sich auch wieder gefangen hatte, nachdem er, wie die Anderen, völlig verdattert mein schreiendes Handy gemustert hatte. "Ich muss für ein paar Stündchen nach Hause. Der Friedhofswärter hat mich nämlich gerade angerufen. Ich soll zum Grab meines Mannes kommen. Und wenn ich schon mal da bin, bringe ich die dreckigen Sachen weg und nehm neue mit", sagte ich ruhig und wollte gerade gehen, doch schon stellte er sich mir wieder in den Weg. "Das kommt nicht in frage. Nicht in deinem Zustand", sagte er verbissen und schwupp hatte ich wieder eine Hand an meiner Stirn. Ich zog den Kopf weg und sah ihn genervt an. "Mir gehts gut, Thorin. Der Sturm ist vorbei. Ich kann wieder gerade laufen. Davon abgesehen, muss ich ja eh hier raus und mir nen neuen Schlafplatz suchen. Mein Alter ist nicht mehr zu gebrauchen", maulte ich leicht beleidigt. "Dein Schlafplatz ist zerstört?", fragte Kili besorgt. Ich nickte ihm zu und versuchte immer noch an Thorins breiter Gestalt vorbei zu kommen, der partout den Weg nicht frei geben wollte. "Hast du denn schon was gefunden?", kam es von Bofur. "Ja. Ich schlafe drüben im Barzelt auf dem Sofa. Ist besser als nichts", antwortete ich. "Bleib doch hier", warf Fili ein. Ich musste spöttisch das Gesicht verziehen. "Ich? Hier? Über eine Woche mit fünf Männern?", fragte ich kopfschüttelnd. "Was ist daran denn auszusetzen?", fragte Kili und sah dabei schulterzuckend zu seinem Bruder, der es ihm gleich tat. "Kommt ja nicht in frage, dass das Weibstück hier schläft", protestierte Dwalin lauthals. "Das sollte Thorin entscheiden", meinte Balin ruhig und sah freundlich und diplomatisch lächelnd zwischen uns hin und her. "Wieso soll er das allein entscheiden? Gilt bei euch denn die Meinung der anderen nicht?", fragte ich ruhig. "Doch natürlich. Nur gehört alles, was du hier siehst, mit Ausnahme unserer eigenen Sachen, ihm. Daher kann nur er das allein entscheiden", erklärte Balin. Wieder seufzte ich und sah dann zum Zwergenkönig, der mich eindringlich und abschätzig ansah. Eine Weile spielten wir unablässiges, ernstes Anstarren, bis er seine Entscheidung verkündete. "Du bleibst", sagte er knapp und mir klappte empört der Mund auf. "Ich hab doch vorhin gesagt, dass ich auf dem Sofa im Barzelt...", erwiderte ich und wurde sofort wieder unterbrochen. "Und genau deswegen bleibst du. Ein Schankraum ist kein Ort, wo eine wehrlose Frau nächtigen sollte", sagte er kurz angebunden und wollte mir den Rucksack vom Rücken ziehen. "Hey, jetzt wart doch mal. Thorin. Ich muss erst mal nach Hause", sagte ich und entzog mich seinem Griff. "Das kann warten bis Morgen", sagte er strickt und versuchte erneut an mein Gepäckstück zu kommen. "Nein, kann es eben nicht. Ich muss da sofort hin. Also gehe ich da sofort hin. Und weder du noch die Anderen hier werden mich aufhalten", sagte ich und stolperte dann ungeschickt rückwärts über Kilis Schlafplatz, wobei ich, wie eine Schildkröte, auf dem Rücken landete. "Du kannst dich ja fast nicht mit dem Ding auf den Beinen halten", sagte er und begann spöttisch und genug tuend auf mich herab zu grinsen. Ich schnaubte ihm beleidigt entgegen und rollte mich auf den Bauch um wieder aufzustehen. "Also gut. Aber du nimmst Dwalin mit", hörte ich Thorin hinter mir schließlich sagen, als ich gerade wieder hoch kam und fuhr ruckartig herum. "WAS?!", kam es gleichzeitig von uns beiden. "Ich soll dem Weibstück hinterher laufen?", fragte er entsetzt und deutete unnötigerweise auf mich. "Ich? Mit dem tumben Klotz da?", fragte ich nicht minder empört. "So ist es", meinte der Zwergenkönig entschlossen und machte sich währenddessen an irgendetwas am Boden zu schaffen. Das konnte doch unmöglich sein Ernst sein? Ich mit Dwalin? Unterwegs und womöglich noch in meiner Wohnung? Tickte der Herr denn noch ganz sauber? Ich sah rüber zu Dwalin, der mir einen reichlich giftigen Blick zu warf. Aber trotzdem schienen wir uns beide drüber einig zu sein, dass wir den Anderen nicht mitnehmen wollten. "Such es dir aus. Du sagtest, dass du in Eile bist. Und solange du in meinem Zelt verweilst, unterstehst du meinen Regeln. Deshalb wirst du Dwalin mitnehmen. Ansonsten bleibst du hier", kam es erneut von Thorin. Ich grummelte und scharrte einmal kurz genervt mit dem Fuß im Gras. Dieser unverschämte, schwarz haarige, kleine Mistkerl packte mich richtig an meinem Ego. Das Schlimmste war, dass er durchaus in der Lage wäre, mich aufzuhalten, wenn ich mich gegen ihn auflehnte. Also hatte Widerspruch einfach keinen Zweck. "Hya....Gut, also schön. Aber nur, weil ich keine wirkliche Zeit habe jetzt lange mit dir rum zu diskutieren", meinte ich und stapfte frustriert aus dem Zelt. Wenig später folgte auch Dwalin, mit einer mehr als angesäuerten Laune. Er hatte seine beiden Äxte geschultert, womit er unglaublich gefährlich aussah. Keine wirklich guten Voraussetzungen, um unterwegs zu sein. Ich hoffte nur, die Bahnpolizei würde uns nicht aufgreifen. Nachdem ich mich kurz abgemeldet hatte, schritten wir schweigend den Feldweg entlang. Die Stimmung zwischen uns beiden war alles andere als rosig. Noch dazu, weil er permanent nur am grummeln war. Am Bahnhof angekommen, sah ich mich zunächst nach dem Fahrplan um. Der nächste Zug sollte nicht lange auf sich warten lassen. Aber wir brauchten zumindest noch eine Fahrkarte für den Herrn Glatzen-Zwerg. Ich schaute in meinen Geldbeutel und rümpfte die Nase. "Hast du Geld dabei?", fragte ich, was das Erste war, was wir gesprochen hatten, seit wir vom Platz gegangen waren. Er grunzte und sah mich abschätzig an. "Hab ich. Aber denk bloß nicht, dass ich dir was abgebe", raunte er. Ich seufzte und versuchte ruhig zu bleiben. "Das ist auch nicht für mich, sondern für deine Fahrkarte. Ohne darfst du nicht mit in den Zug", sagte ich. "Dann bleibe ich eben hier", meinte er und stellte sich an den Zaun hinter dem Bahnsteig. "Wäre mir persönlich auch lieber. Musst ja Thorin nicht sagen, dass du zurück geblieben bist und mich allein hast fahren lassen", meinte ich trocken und wand mich von ihm ab. Zur Antwort auf meine Aussage, gab er ein verstimmtes Knurren von sich und kurz drauf hörte ich ein Klimpern. "Da", meinte er barsch und drückte mir dann einen Zwanziger in die Hand. Ich hob die Augenbraue und musterte ihn verblüfft. Er erwiderte den Blick beleidigt. "Was ist jetzt? Hab ich was im Gesicht?", fragte er, als ich nicht aufhörte ihn anzuschauen. Ich schüttelte nur seufzend den Kopf und fütterte dann den Automaten mit dem Schein, nachdem ich die Haltestelle angegeben hatte. Dieser Spukte die Fahrkarte und das Restgeld aus welches ich ihm zurück reichte. "Behalt die Karte. Wenn du die verlierst, musst du noch mehr Zahlen", erklärte ich und fing mir nur ein kurzes Schnauben ein. Wenig später verkündete die freundliche Frauenstimme aus dem Lautsprecher: "Achtung am Gleis Eins! Zug fährt ein!" Dwalin zuckte zusammen und sah sich verwirrt und wachsam um. "Wer ist da? Wer hat das gesagt?", fragte er und war kurz davor die Äxte zu ziehen. Zum Glück waren wir die Einzigen, die um diese Zeit fuhren, sonst wäre mir sein Verhalten unglaublich peinlich gewesen. "Lass die Waffen stecken. Das war nur die Lautsprecheransage. Die beißt nicht", gab ich belustigt von mir. Als der Zug vor fuhr, machte er erneut Anstalten seine Äxte zu zücken. "Ein Lindwurm! Bleib zurück, Weibstück! Ich werde ihn erledigen!", rief er und ich konnte ihn gerade noch am Pelzkragen packen, bevor er drauf los stürmen konnte. "Das ist kein Lindwurm. Das ist ein Zug. Damit fahren wir jetzt", sagte ich und trat näher an den roten Wagen heran, um an der Tür den Knopf zum Öffnen zu drücken. Ich blieb in der Tür stehen, um ihm zu zeigen, dass es völlig ungefährlich war. Zögerlich und mit viel Bitten trat er dann ein. Die Türen schlossen sich und ich hielt mich an einer der Stangen im Mittelgang fest. Da wir ja nicht weit fuhren, hielt ich es auch nicht für angebracht mich zu setzen. "Eine ungewöhnliche Kutsche", meinte er und schüttelte den haarlosen Schädel. "Halt dich fest", sagte ich ruhig. "Wieso?", fragte er noch, da fuhr der Zug schon an und er landete völlig überrascht drein blickend auf der Nase. Ich musste lachen. Maulend kam er wieder auf die Beine. Er fluchte entrüstet über dieses abartige Menschengefährt und hielt sich dann an der selben Stange fest wie ich. An meinem Bahnhof stiegen wir dann aus. Er war darüber mehr als erleichtert. "Nächstes mal nehmen wir die Ponys", grollte er und versah den Zug mit einem tödlichen Blick. "Es gibt hier keine Ponys Dwalin. Wir fahren mit dem Ding nachher auch wieder zurück. Das ist dann das letzte Mal, okay?", sagte ich beschwichtigend und schritt schon mal voran. Er folgte mir die Treppe vom Bahnsteig hinunter in den Untergrund und dann hinaus in Richtung Hauptstraße. Der Anblick der Kleinstadt, ließ bei ihm den Mund weit offen stehen. Die ganzen Autos, der Lärm und die vielen Menschen um uns herum, die besonders ihn neugierig und verstört angafften. Das alles war komplett neu für ihn. "Komm schon, Großer. Folg mir und sieh zu, dass du mich nicht aus den Augen verlierst", sagte ich und suchte meinen Weg in die Menge hinein. Er kam mir zügig hinterher. Zum Friedhof musste ich eine andere Richtung einschlagen, wie zu mir nach Hause. Da waren die Straßen auch ein wenig ruhiger. Dennoch hatte ich einige Mühe den sehr auffälligen Kerl hinter mir, der von vielen wohl für einen Miniatur Wikinger gehalten wurde, durch den Verkehr zu bringen. Schließlich waren Ampeln und Zebrastreifen für seinesgleichen ja etwas vollkommen unnatürliches. Mehr als einmal musste ich ihn hinten am Kragen packen, damit er nicht bei Rot mitten auf die Fahrbahn stiefelte und überfahren wurde. Und jedes mal fluchte er genervt. "Jetzt komm mal runter. Wir sind ja gleich da", sagte ich, als wir über die letzte Fußgängerampel gingen. "Diese vermaledeihte Menschenwelt. Dieser ganze unnütze Kram, den ihr hier habt. Und erst diese sonderbaren Eisenkutschen. Wie haltet ihr das hier nur aus?", grollte er. "Ich für meinen Teil fast gar nicht. Aber ich kann leider nirgendwo anders hin, bevor ich nicht eine Arbeit gefunden habe", sagte ich ruhig und latschte den kleinen Hügel zum Friedhof nach oben. Dort konnte man schon die Einsatzwagen der Feuerwehr und des Forstamtes sehen, die sich bemühten die umgestürzten Bäume zu entfernen. Der Friedhofswärter wartete mit dem Einsatzleiter am Eisentor. "Ach, kommen Sie auch endlich", sagte er ohne auch nur ein kurzes "Hallo" von sich zu geben. "Ja, ich bin auch endlich da. Zeigen sie mir mal, wie das Grab aussieht. Ich mach dann Fotos", gab ich mit beflissener Miene zurück. Die Herren nickten mir zu und gingen voraus. Ich war an diesem Abend nicht die Einzige, die man zum Grab ihrer Nächsten gerufen hatte. Viele andere waren auch gekommen um die Schäden an ihren Gräbern zu dokumentieren und beim Aufräumen zu helfen. Beim Grab meines Mannes angekommen, musste ich es zuerst einmal suchen. Die Tanne war mitten drauf gekracht und den Engel hatte es offensichtlich gut zerlegt. Die Trümmer lagen wild verstreut am Boden herum. Ich seufzte und zog mein Handy, um damit Schadensfotos zu machen. "Hier ist es also?", hörte ich Dwalin fragen, der mit einem Mal überhaupt nicht mehr grantig klang. Ich atmete tief durch. "Ja. Hier liegt er", meinte ich ruhig ohne weiter darauf einzugehen. Nachdem ich fertig war, wandte ich mich an den Einsatzleiter der Feuerwehr, bei dem ich kurz dafür unterzeichnete, dass sie die dicke Tanne entfernen konnten. Bevor die Herren aber anfingen, kroch ich noch einmal zwischen die Äste und suchte nach dem Bild, was im Sockel der Statuentrümmer angebracht worden war. Das Glas war gesprungen und es hing halb heraus. Ich verzog ein wenig das Gesicht und griff danach. Dummerweise bemerkte ich die Scherbe nicht die Abstand, als ich es packen wollte. "Gna... Verdammt", fluchte ich und nahm meinen Zeigefinger in den Mund. "Was ist los, Weibstück?", fragte Dwalin der hinter mich getreten war. "Hab mich geschnitten", erwiderte ich, stand auf und suchte in meiner Hosentasche nach einem Taschentuch. "Zeig mal her", grummelte er und zog meine Hand heran. Und das nicht mal grob, wie ich es eigentlich von ihm erwartet hätte. "Ist doch nichts", meinte ich und fand schließlich eins. "Wie ihr Weiber euch immer anstellen könnt, wegen einem kleinen Schnitt im Finger. Was wolltest du denn da holen?", fragte er und kniete sich nun an die Stelle wo ich herum gefummelt hatte. "Das Bild meines Mannes. Es ist im Sockel angebracht", erklärte ich. Ich drückte das Taschentuch auf den Finger und beobachtete, wie der Zwerg ins Gestrüpp griff und kurz drauf das Foto hervor zog. Er besah es sich und schnaubte. "Das ist er also", sagte er mehr feststellend als fragend und reichte mir das Bild über seine Schulter zurück. Ich nahm es entgegen und steckte es weg. "Musst du hier noch was erledigen oder können wir gehen?", fragte er als er aufstand. "Nein, hier bin ich vorläufig Fertig. Den Rest erledigt die Feuerwehr. Ich werd erst wieder hier hin müssen, wenn der Baum weg ist. Dann kann ich die Trümmer beseitigen", antwortete ich und der Zwerg nickte. "Dann gehn wir. Ich mag Grabstätten nicht besonders", grummelte er und ging mir voran davon. Ich folgte ihm schweigend. Als nächstes gingen wir zu mir nach Hause. Ich öffnete den Briefkasten und entleerte die ganze Post, die sich angesammelt hatte. Darunter waren schon mal mindestens zehn Absagen von Firmen, bei denen ich mich vor meiner Krankschreibung beworben hatte. Jede menge Werbung und das ein oder andere Schreiben vom Amt. "Na war ja zu erwarten", murmelte ich und schloss die Haustür auf. Dwalin schwieg unterdessen, bis wir im obersten Stock in meiner Wohnung angekommen waren. Er sah sich neugierig um, während ich die dreckigen Sachen aus meinem Rucksack holte und sie im Wäschekorb verstaute. "So lebt ihr Menschen also hier?", fragte er, als er noch im Flur stand und ins Schlafzimmer schaute. "Nicht alle. Das hier ist noch recht bescheiden", antwortete ich ihm knapp. Er schnaubte und verschwand mit verschränkten Armen vor der Brust im Wohnzimmer. Als ich gerade frische Sachen eingepackt und den Rucksack in den Flur gestellt hatte, hielt ich Ausschau nach dem Zwerg, der offenbar meine kleine aussortierte Waffensammlung in einem offenen Karton entdeckt hatte. "Was machst du denn da Dwalin?", fragte ich, als ich erkannte, dass er ein paar Dolche in Händen hielt. Er drehte sich um und musterte mich spöttisch. "Sag mal Weibstück, sind das deine?", fragte er belustigt. "Ja und nein. Manche gehören mir. Andere gehörten meinem Mann. Leg sie bitte wieder zurück. Die will ich noch verkaufen." "So was willst du verkaufen? Die sind ja zum Teil nicht mal Scharf. Und das Schwert hier ist ja wohl auch lächerlich." Er legte die Dolche in die Kiste und nahm das Schaukampfschwert hoch, das daneben am Polster gelehnt hatte. "Die meisten Dolche sind nur Modelle, die man sich zuhause hinstellt oder an die Wand hängt als Dekoration. Und das Schwert da ist nicht für echte Kämpfe gedacht, sondern nur dafür um Leute zu unterhalten und einen Kampf zu trainieren. Leg es wieder weg und fuchtel nicht damit rum, bevor du mir hier noch was kaputt machst", mahnte ich ihn an. Doch Zwerg wie er war, konnte es nicht sein lassen und schwang es während ich noch sprach umher. Ich musste neidlos eingestehen, dass er trotz seiner plumpen Gestalt äußerst gut damit umzugehen wusste. Allerdings empfand ich es in meiner kleinen Wohnung alles andere als zuträglich, wenn er es so leichtfertig herum wirbelte. Ich verschränkte meine Arme und trippelte nervös mit einem Fuß auf dem Laminatboden herum. "Hast dus bald mal? Ich bin fertig. Wir können wieder zurück", gab ich ungeduldig von mir. "Ja ja. Ist ja schon gut", meinte er und ausgerechnet mit dem letzten Schwinger fegte er eine Reihe von Bildern von meiner Anrichte, die ich noch nicht weggepackt hatte. "DU VERDAMMTES TROTTELKIND!", brüllte ich wütend und entsetzt. Er war zusammen gezuckt und machte kurz einen etwas verdrießlichen Eindruck. Wütend knurrend machte ich mich daran die Bilder wieder einzusammeln. Bei der Hälfte war das Glas oder der Rahmen gesprungen. Darunter auch mein Hochzeitsfoto. Ich sollte mir wirklich merken, dass man Zwerge nicht in Kleinstadtwohnungen hinein lässt, wenn man Waffen offen herum stehen hat. "Ist viel kaputt?", fragte er trocken. "Wenn du meine Nerven damit meinst. Da kann schon nichts mehr kaputt gehen. Wenn du meine Bilder meinst, dann darf ich dich beglückwünschen, du hast soeben mein halbes Leben zerstört", meinte ich bissig, stand auf und schlug die kaputten Sachen auf meine Anrichte. Er trat näher und besah sich die Bilderrahmen. "Nimm die mit. Ich bring das wieder in Ordnung", sagte er dann schlicht. Ich hob verblüfft den Kopf und starrte ihn an. "Meinst du das ernst?", fragte ich. Er nickte nur und stapfte dann in den Flur wo er meinen Rucksack holte. Ich nahm leicht erstaunt die Bilder auf. Packte sie aber vorher in eine Leinentasche, damit keine Scherben in meinem Rucksack herum fielen und stopfte sie dann hinein. "Beeilen wir uns. Es gibt sicher gleich Abendessen", sagte der Zwerg und ging mir voraus die Straße entlang, nachdem ich die Haustür hinter mir geschlossen hatte. Dwalin hatte mir meinen Rucksack abgenommen und trug diesen selbst. Auf dem Rückweg zum Lager redeten wir eigentlich genauso wenig wie zuvor schon. Als wir ankamen und das Zwergenzelt betraten, sah ich, dass man in der hintersten Ecke ein Leinentuch aufgehangen hatte. Es schien einen bestimmten Bereich abzuschirmen. "Da seid ihr ja endlich wieder", meinte Fili und begrüßte uns lächelnd. "Deine Schlafstätte ist fertig, Cuna. Komm sieh es dir an", sagte Kili und zog mich am Arm nach hinten, hinter den Leinenvorhang. Ich staunte nicht schlecht über das, was ich da zu sehen bekam. Innerhalb dieser kurzen Zeit hatten es diese kleinen fleißigen Männer geschafft eine halbwegs, gemütlich aussehende Liege da hin zu zimmern. Sie war mit Decken und auch Fellen belegt. Eine richtig schöne Kuschelhöhle konnte man sagen. Auf meinem Gesicht bildete sich ein überraschtes Lächeln. "Das ist echt schön geworden, Kili", sagte ich und ging hinein. "Hier drin kannst du dich in ruhe umziehen, ohne dass dich einer von uns sieht", meinte er grinsend und offensichtlich sehr zufrieden darüber, dass es mir gefiel. "Ach ihr seid einfach zu süß", meinte ich und konnte nicht umhin den kleinen, dunkelhaarigen Zwerg einmal zu umarmen. Er klopfte mir kichernd auf den Rücken. Sein Bruder der hinter ihm stand verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. "Und was ist mit mir? Ich hab auch mitgeholfen", klagte er. "Dann komm doch her", sagte ich, löste einen Arm und winkte ihn heran. Er kam näher und so konnte ich ihn auch mit drücken. "Nun hört mal auf mit diesem weibischen Getue da drüben. Es gibt Abendessen. Los kommt!", kam es von Thorin der belustigt drein blickend im Zelteingang stand. Wir lösten uns kichernd voneinander und zogen dann geschlossen Richtung Zeltplatzküche. Ich fühlte mich nun wirklich bei den Herren aufgenommen. Auch wenn es mir noch sehr unangenehm war darüber nachzudenken, wie es wohl wäre für den Rest der Zeltstadt Zeit bei ihnen zu übernachten. Doch hatte ich schon das Gefühl, dass ich dort wesentlich sicherer sein würde, als sonst irgendwo auf dem Platz. - 24. Schadensbegutachtung / ENDE - Kapitel 25: 25. Leg dich nicht mit Thorin an! --------------------------------------------- Verschlafen rollte ich mich auf die Seite. Alles war so schön kuschelig und warm, dass ich gar keine Lust verspürte jemals wieder aufzustehen. Doch wummerte die Musik aus dem "ROZ" an diesem Morgen wirklich ungewöhnlich laut an meine Ohren. Sonderbar, wo war ich denn nur? Für gewöhnlich war es doch in Klein Mordor nicht so laut? Und seit wann hatte ich Felldecken in meiner Hängematte? Dann fiel es mir plötzlich wieder ein. Richtig, ich war ja umgezogen und übernachtete jetzt bei den Zwergen! Wie konnte ich das nur vergessen haben? Ich gähnte ruhig und richtete mich langsam auf. Dabei rutschte mir ein Tuch vom Kopf. Ich seufzte und legte es beiseite. Thorin musste das wohl auf meine Stirn gelegt haben, nachdem ich schlafen gegangen war. Dieser verrückte Zwerg. Noch am Abend zuvor hatte er mir in einem kurzen ausführlichen Gespräch beim Abendessen noch einmal erklärt, dass, wenn ich in deren Zelt blieben wollte, mich auch an deren Regeln zu halten hätte. Folglich meinte er damit auch, dass ich tun sollte was er sagte. So hatte mich dieser freche Kerl schon direkt nach dem Essen schlafen geschickt. Und das um Neunzehnuhr Abends! Gut, im Rückblick auf den vergangenen Tag und die Tatsache, dass ich schon reichlich erschöpft gewesen war, hatte ich es so hingenommen und mit dem Einschlafen dann wohl doch recht eilig gehabt. Denn ich erinnerte mich nicht wirklich daran, wann ich genau geistig weg gewesen war. Auch an Träume konnte ich mich nicht wirklich erinnern. Vielleicht ja auch ein Vorteil. Trotzdem grollte ich innerlich über mich selbst, dass ich diesem Mann einfach nichts entgegen zu setzen hatte. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal jemandem begegnen würde, der einen noch größeren Dickschädel hatte als ich selbst. Einfach eine wahre Meisterleistung Herr Eichenschild, Hut ab, dachte ich so bei mir und streckte mich. Vorsichtig lugte ich durch den Leinenvorhang,der um eine Liege herum an der Zeltdecke angebracht war, um nachzusehen wer alles im Zelt war. Da saß nur Balin mit seinem Pfeifchen am Feuer. Die Anderen waren wohl mal wieder ausgeflogen. Ich trat langsam heraus und näherte mich ihm. "Guten Morgen, Balin", sagte ich verschlafen und gähnte erneut. "Ah Cuna. Ja. Ja der Morgen ist Gut. Und heute sieht es auch nicht nach Regen aus", sagte er und kicherte vergnügt. "Dir kann wohl nichts und niemand die Laune verderben oder?", fragte ich und musterte ihn freundlich. Er lachte erneut leise. "Nun es gibt nicht allzu viel, was mir den Tag vermiesen kann. Man hat hier ja alles was das Herz begehrt. Gutes Essen, ein schönes Pfeifchen und angenehme Gesellschaft. Was will ein Zwerg mehr? Außerdem, wenn Ihr mal so alt seid wie ich, dann werdet Ihr das Leben auch viel ruhiger genießen können", meinte er und blies Rauchringe in die Luft. Nun musste ich aber auch lachen. "Also. Balin bei allem Respekt. So alt wie du werde ich niemals. Vielleicht schaffe ich mit müh und Not die Hundert Jahre", sagte ich und er lächelte. "Ja das ist mir schon klar. Was für uns ein Leben ist, sind für euch Menschen Drei. Aber man sollte es auf jeden Fall so lange genießen wie es geht." Ich nickte ihm zu und schaute mich dann auf dem Platz um. Neben dem Krach aus dem "ROZ" war noch anderer Lärm zu hören. Es klang als würde irgendwer etwas bauen. Als ich meinen Kopf ein wenig nach rechts drehte sah ich, dass die restliche Zwergenschar, fleißig an etwas herum werkelte. Ich konnte nicht genau erkennen was es wohl werden würde. Aber allem Anschein nach etwas, das möglicherweise recht Hoch werden sollte. "Balin. Was machen die da?", fragte ich ihn und er folgte kurz meinem Blick. Dann seufzte er: "Nun ja. Wisst Ihr. Thorin war der Ansicht, dass der Platz hier nicht gut zu überschauen ist. Und da hat er beschlossen einfach einen Wachturm zu bauen. So könnten wir dann sehen wenn jemand, der ärger machen will, versucht uns erneut anzugreifen. Dann wären wir besser vorbereitet." Ich schüttelte nur den Kopf als ich das hörte. Wenn Herr Eichenschild jetzt noch anfing einen Schutzwall zu errichten und Palisaden aufzustellen konnte man wirklich behaupten, dass der Zwerg nicht mehr alle Goldmünzen im Berg hatte. Aber Zwerge neigten ja wohl von Natur aus zu Übertreibungen. "Ich werd dann mal duschen gehn, Balin", sagte ich und zog mich kurz ins Zelt zurück, um mein Waschzeug zu holen. "Tut das, meine Liebe. Aber ich möchte Euch vorher noch um eine Kleinigkeit bitten", sagte der kleine, alte Mann und war aufgestanden. Ich kam ihm entgegen und sah ihn fragend an. Behutsam legte er mir eine Hand auf den Arm und sah mich ruhig aber ernst an. "Seht zu, dass Ihr Thorin heute nicht zu sehr reizt. Er hat heute nicht gerade die beste Laune", meinte er und ich war nur noch verwirrter. "Ich, ihn reizen? Nachdem was gestern war, werd ich mich hüten. Ich dräng mich ihm bestimmt nicht absichtlich auf", meinte ich und konnte mir einen spöttischen Unterton nicht verkneifen. "Seid einfach nur achtsamer heute. Ja?", sagte er und setzte sich wieder auf seinen Schemel, um weiter zu rauchen. "Ich geb mir mühe, Balin. Aber versprechen kann ich nichts", sagte ich und schritt dann zügig über den Platz, um noch eine freie Warmdusche zu erwischen. Unterwegs lief ich Chu und Richi entgegen, die gerade wohl vom Zähneputzen kamen. "Morgen ihr zwei", rief ich und sie winkten mir gut gelaunt. "Hey Jacky. Gut geschlafen?", fragte Richi. Ich nickte ruhig und wurde von Chu eindringlich gemustert. "Haben schon gehört, dass dein Schlafplatz zerstört wurde. Hast du was im Mädchenzelt gefunden?", fragte sie. Ich räusperte mich ein wenig peinlich berührt und wurde sofort wieder rosa rot auf dem Wangen. "Naja... wisst ihr... ähm... Das Mädchenzelt war voll. Und eigentlich hätte ich im Fisse Ma "Tent" chen schlafen sollen. Aber...", nuschelte ich und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. "Aber?", hakte sie nach. "Aber.... nun ja... ähm... es ist so... dass...", stammelte ich und suchte verzweifelt nach Worten, wie ich es sagen könnte, dass ich gerade bei ein paar sehr haarigen Herren nächtigte. Doch ich selbst brauchte es gar nicht zu erklären, denn prompt knallte mir jemand eine Hand auf den Rücken und begrüßte alle freundlich: "Guten Morgen, zusammen. Na Cuna? Wie schläft es sich denn so auf der selbstgebauten Liege drüben?" Ich hustete kurz um den Schlag etwas zu verdauen, dann sah ich zu Bofur, der mich breit angrinste. "Du schläfst bei den Männern?!", rief Chu entsetzt aus. Bofur grinste sie freundlich an und antwortete nickend:"Ja, das tut sie. Haben uns wirklich mühe gegeben, dass sie es gemütlich hat. Die Liege hab ich zusammen gezimmert. Thorin meinte ja, du hättest Schmerzen gehabt, nachdem du auf dem blanken Boden gelegen hast. Da hab ich einfach mal aus dem Holz, was hier rum lag eine Liege hergerichtet und mit Fellen bestückt, die mir Thorin zur Verfügung gestellt hat." Ich musste mit den Augen rollen, als ich neben her bemerkte, dass Chus Mund bald so weit offen stand vor Empörung, dass ihr Kiefer fast auf dem Boden schliff. "Ja... Danke Bofur... Sehr nett von dir... wirklich... Hab gut geschlafen ja... ", stammelte ich und verzog dabei das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. "Hach ja. Das freut mich aber", sagte er und klopfte mir noch ein paar Mal auf den Rücken. Bis ich dann von einem plötzlichen, grantigen Brüllen erlöst wurde. "Bofur! Spiel nicht das Waschweib und hilf gefälligst!", kam es mehr als über deutlich von Thorin. Balin hatte ja schon erwähnt, dass er schlechte Laune hatte. Aber so schlecht? Nun ja, jeder konnte mal mit dem falschen Fuß aufgestanden sein. Da waren wohl selbst Zwergenkönige keine Ausnahme. Als er mit eingezogenem Kopf und verdrießlichem Grinsen davon zog, fand auch Chu endlich ihre Stimme wieder. "Ich... Ich fass es nicht, dass du dir mit diesen Bekloppten da ein Zelt teilst", meinte sie und fuchtelte dabei wirr mit den Händen herum. Bedrückt legte ich meinen Kopf schief und sah sie seufzend an. "Ach. So schlimm ist es nicht. Ich hab dir ja schon gesagt. Wenn man die Jungs näher kennt, dann sind sie ganz nett. Sie haben um mein Bett extra Vorhänge angebracht, damit ich vom Rest des Raumes abgeschottet bin. Glaub mir, die werden schon nicht handgreiflich", sagte ich und versuchte sie etwas zu beschwichtigen. Gut, das mit dem Handgreiflich stimmte so nun nicht ganz, wenn man bedachte, dass mir der feine Herr mit den schwarzen, schulterlangen Haaren fast meinen Schädel hatte von den Schultern befreien wollen. "Ich mach mir langsam echt sorgen um dich, Jacky. Das ist doch sonst nicht deine Art, sich so an völlig fremde Menschen zu heften. Du verheimlichst uns doch irgendwas", meinte sie und schaute mich ernst an. "Chu. Wirklich du machst dir unbegründet sorgen. Da war nichts, da ist nichts und da wird auch nie was sein", meinte ich ruhig. "Jacky. Chu hat recht. Und ich fürchte auch, dass du dich da in was rein geritten hast, wo du nicht mehr raus kommen könntest", sagte Richi und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich seufzte und sah kurz über meine Schulter, als es dort krachte und die Zwerge allesamt fluchend vor einem herabstürzenden Brett geflüchtet waren. Dann sah ich wieder nach vorne und blickte meine langjährigen Freunde an. Das Herz wurde mir schwer. Wir konnten uns sonst immer alles sagen. Egal was es war. Ich wusste sie würden immer dicht halten und auch nie ein Sterbenswörtchen an jemanden weiter erzählen, wenn ich ihnen etwas offenbarte. Doch dieses mal konnte ich einfach nicht. So leid es mir tat. Aber hier stand nun wirklich mehr auf dem Spiel, als nur eine Lappalie. Ich atmete tief durch und legte beiden jeweils eine Hand an die Oberarme. "Es tut mir wirklich leid ihr beiden. Aber ich kann es euch beim besten Willen nicht sagen. Es ist nichts gegen euch oder irgendjemanden hier. Nur hab ich ein Versprechen abgegeben, dass ich zwingend einhalten muss. Ihr seid meine besten und einzig richtigen Freunde und das werdet ihr auch immer bleiben. Aber bitte versteht, dass ich es euch einfach nicht anvertrauen kann. Nur dieses eine Mal", sagte ich und sah beiden flehend ins Gesicht. Sie tauschten kurz fragende Blicke miteinander, bevor sie mich dann nacheinander in die Arme nahmen. "Ist gut Jacky. Aber bitte pass auf, dass dir die Sache nicht über den Kopf wächst", murmelte Chu mir ins Ohr. "Lass dich von denen nicht zu sehr ärgern. Und wenn irgendwas ist. Du weißt ja, dass wir für dich da sind", meinte Richi ruhig. Ich nickte leicht. "Ich danke euch. Ihr zwei seid die Besten. Nun muss ich aber schnell eine Dusche finden", sagte ich und löste mich von den beiden. "Ach, Jacky. Bevor ichs vergesse. Hast du dich schon eingetragen, für das Outdoor-Schrubber Turnier?", fragte Richi. "Öhm. Nein, hab ich noch nicht. Wann ist das denn?" "Das ist heute kurz nach dem Mittagessen. Wenn du mitmachen willst, dann tragen wir dich schnell in die Liste ein", meinte Chu. "Ja. Bitte, das wäre sehr nett", rief ich ihr zu und war damit schon um die Ecke verschwunden. Ja das Outdoor-Schrubber Turnier. Wer das Spiel Schrubberfußball kennt, wird sicherlich wissen, was damit gemeint ist. Es treten jeweils zwei Personen gegeneinander in einem abgesperrten Raum oder Bereich an. Beide sind mit Besen bewaffnet. In der Mitte des Feldes liegt ein Lappen aus. Jeder der beiden Spieler besitzt zusätzlich noch eine Art Tor, dass er schützen muss. Wer es nach Ablauf der Zeit geschafft hatte, den Lappen aus der Mitte am häufigsten ins gegnerische Tor zu bringen der war der Gewinner. Nun sah die Outdoor-Variante davon um einiges interessanter aus. Das Feld war eine große Plane, die man mit etwas Wasser und Seife rutschiger machte, um die Sache zu erschweren. Man spielte auch Barfuß, da Schuhe eh nur hinderlich gewesen wären. Aber Helme gab es, um etwaige Kopfverletzungen zu verhindern. Ich freute mich schon sehr darauf. Da konnte man sich ordentlich austoben. Nach der Dusche und dem Frühstück checkte ich eben die Liste der anderen Teilnehmer. Diese war offenbar schon gestern Abend rum gegangen, denn da befanden sich auch die Namen der einzelnen Zwerge. Zwar nicht alle, aber mit Dwalin hatte ich auf jeden Fall gerechnet. Und das sich Kili, Fili und Bofur so was nicht entgehen lassen würden, war mir auch bewusst gewesen. Ori war da schon eine kleine Überraschung aber der kleine Kerl war ja wohl von Natur aus ein wenig neugierig und tollkühn. Dann sah ich noch einen anderen Namen auf der Liste und ich musterte diesen besonders genau. "Thorin Eichenschild" Irgendwie rutschte mir das Herz in die Hose, als ich seine für einen Mann wunderschöne, geschwungene Handschrift sah. Wenn er wirklich heute, bei seiner Laune, an dem Turnier teilnahm, würde es sicherlich ordentlich blaue Flecken geben. Vielleicht hatte ich ja Glück und wir würden gar nicht gegeneinander antreten. Denn die Runden gingen nach dem K.O. Prinzip. So würde es auch nicht zu lange dauern, wenn es mehrere Teilnehmer gab. Ich hoffte aber inständig, dass ausgerechnet Dwalin das mit dem K.O. nicht wörtlich nehmen würde. Etwas bedröppelt legte ich die Liste weg und machte mich dann auf den Weg, um mich für das Turnier umzuziehen. Vorsorglich hatte ich mir dann doch einen Badeanzug eingepackt, den ich drunter tragen konnte. Während dem Spiel, konnte ich dann zumindest mein Oberteil ausziehen, ohne im BH rum rennen zu müssen. Bikinis trug ich eigentlich nie. Die ließen mich oft viel zu unförmig aussehen. Kurz vor dem Mittagessen kamen dann auch die Zwerge in ihre Zelte, um sich vorzubereiten. Ich hatte mir unterdessen mal wieder eines von Filis Messern ausgeliehen, um an der unförmigen Figur weiter zu schnitzen, die ich vor Tagen begonnen hatte. Balin sah mir dabei zu und gab mir hier und da Ratschläge, wie ich es denn ordentlicher machen könnte. "Ich bin schon ganz aufgeregt. Dieser Wettstreit ist mal ganz nach meinem Geschmack", scherzte Kili und zog schon vor dem Eingang sein verschwitztes Leinenhemd aus. "Das kann ich mir denken Jungs. Aber geht nicht zu hart mit den Leuten um. Es spielen auch Frauen mit", meinte ich ruhig und legte das Messer weg. "Das Weibsvolk nimmt auch teil? Soll das ein Witz sein?", fragte Dwalin und sah mich verdutzt an. "Natürlich. Das ist für jeden. Hab mich auch eingetragen", sagte ich ein wenig unbedacht, worauf ich ein einstimmiges "WAS?!" um die Ohren gebrüllt bekam, das mich zusammen fahren ließ. "Cuna, bist du noch bei Sinnen?", fragte Fili und wirkte ernsthaft besorgt, wenn nicht sogar verängstigt. Ich zuckte nur unschuldig mit den Schultern. "Was ist denn dabei? Wir tragen Helme. Kann nichts mit dem Kopf passieren. Und solange ihr es mit dem Tackling nicht so übertreibt...", murmelte ich und stand auf. "Den Teufel wirst du tun!", rief Thorin und kam fahrig heran gestapft. "Ist zu spät. Ich bin schon eingetragen", sagte ich ruhig und wich doch etwas überrascht von ihm weg. "Das kann doch nicht dein ernst sein! Das ist kein Spiel für kleine Mädchen", fauchte er. "Ich bin ja auch kein kleines Mädchen. Ich bin eine erwachsene Frau. So was entscheide ich immer noch selbst. Und du magst vielleicht der Herr in diesem Zelt sein, aber nicht über mein Leben und meine Entscheidungen, die ich außerhalb davon treffe. Klar soweit?!", gab ich barsch und tödlichst beleidigt zurück. Dabei verschränkte ich demonstrativ die Arme vor der Brust. Nebenher fing ich Balins mahnenden und unruhigen Blick auf. Verdammt, ich hatte vergessen, was er an dem Morgen zu mir gesagt hatte. Aber dummerweise, war das Kind nun in den Brunnen gefallen. Thorin hatte auch schon den Mund aufgerissen, um los zu schreien, doch als ich ihm mitten ins Gesicht sah, schloss er ihn wieder und sah mich nur wütend an. "Mach doch was du willst", knurrte er und fuhr herum, um zurück ins Zelt zu gehen. Ich sah zu Balin rüber und der hob fragend die Augenbrauen, als er seinen alten Freund nach hinten gehen sah. Gerade als ich fragen wollte, was das denn nun zu bedeuten hatte, trat Fili an mich ran und schüttelte den Kopf. "Wir sehen uns später beim Turnier. Geh besser schon zum Mittagessen. Wir kommen nach", flüsterte er mir behutsam zu. Schulterzuckend verabschiedete ich mich dann und ging. Während dem Essen wurden dann die Teilnahmenummern verteilt und in eine Tabelle eingetragen. Als diese fertig war musterte ich meinen Verlauf. Ich war eigentlich ganz zufrieden mit dem, was sich mir entgegen stellte. Sollte ich die ersten Runden schaffen, würde ich erst im Viertelfinale gegebenen Falls auf einen der Zwerge treffen. Das Feld war schon aufgebaut und mit Wasser und Schaum bedenkt, als wir uns dort versammelten. Die Ersten begannen schon mit ihrer Runde. Jede sollte etwa fünf Minuten gehen. Und die konnten verdammt lang sein. Besonders die Herren schenkten sich wie zu erwarten nichts. Selbst ich hatte es mit einem Kerl zu tun. Santa Claus. Einem unserer älteren Bewohner. Er sah zwar nicht so aus wie der Kerl, den sie jeden Winter auf die Colaflaschen druckten, aber er war mindestens so breit. "Den schafft die nie. Der ist ihr über", hörte ich jemanden vom Rand des Feldes sagen. Ich rollte mit den Augen, als ich sah dass die Zwerge, die nicht teilnahmen, untereinander wohl Wetten abschlossen, ob ich diesen Kampf gewann. Nun ja solange sie es untereinander taten, war es eigentlich egal. Ich musste mich drum kümmern weiter zu kommen. Der Lappen wurde abgelegt und wir stellten die Schrubber davor. Frodo, der die Sache kommentierte gab das Zeichen. "Fertig? LOS!", rief er und schon ging das Gerangel los. Ich packte den Stiel meines Schrubbers fest und krallte mir den Lappen. Rutschend und schlitternd machte ich einige Schlenker und schon war das erste Tor erzielt. Und so ging es weiter. Santa hatte fast keine Chance auch nur einmal richtig dran zu kommen. Am Ende stand es dann Zwanzig zu Null. Santa Claus fluchte protestierend: "Das ist unfair! Frauen sind wegen ihrer Hausarbeit uns Männern genenüber im Vorteil!" "Heul doch oder willst du auf den Arm, Opa", rief ich ihm zu und stieg aus dem Ring. "Gute Runde, Cuna. Du bist wirklich geschickt", meinte Nori und fing ein Säckchen Geld auf, da er offensichtlich auf mich gewettet hatte. "Ach das war zum Warmwerden. Ich fürchte die härteren Gegner kommen noch", meinte ich schnaufend und reichte den Schrubber an den nächsten weiter. Und mit dieser Aussage sollte ich verdammt recht haben. Dwalin fegte über das Feld wie ein Berserker. Seine Gegner wichen schon freiwillig aus, wenn er nur in die Nähe kam. Fili und Kili hatten es ähnlich gemacht wie ich und die Gegner geschickt umspielt. Nur der arme Ori schied schon in der ersten Runde aus, da er es einfach nicht geschafft hatte stehen zu bleiben. Bofur legte ein paar wunderschöne Tänzchen auf dem glitschigen Untergrund hin und verzauberte damit sogar einige Damen am Spielfeldrand. Als Thorin in Aktion trat, hielt ich den Atem an. Er verzog keine Miene. Er war rein drauf fixiert seine "Bälle" ins Tor zu bringen. Er spielte nicht nur geschickt. Nein, auch für meine Begriffe ziemlich hart. Zwar nicht ganz so aufbrausend wie Dwalin, aber gerade das machte ihn als Gegner schon ziemlich gefährlich. Außerdem war er verdammt schnell und Standfest. Die Stunden vergingen und die Teilnehmer wurden weniger. Ich hatte es tatsächlich bis ins Viertelfinale geschafft und stand nun wirklich einem Zwerg gegenüber. Ausgerechnet Dwalin. "Ein paar letzte Worte, Weibstück?", frage er knurrend. "Friss meinen Schrubber, Alter", sagte ich und grinste ihm frech ins Gesicht. Er schnaubte und wir warteten auf das Startsignal. "Fertig? LOS!", rief Frodo. Brüllend wie ein Tier, stürzte Dwalin nach vorne, wie er es schon bei den Anderen gemacht hatte. So langsam wurde sein Verhalten einfach nur berechenbar. Doch er hatte wohl nicht erwartet, dass ich es ihm gleich tat. Der einzige Unterschied war allerdings, das ich nicht sinnfrei drauf los stürmte, sondern ihm den Lappen geschickt vor dem Schrubber weg zog. Mit einem Schlenker zog ich an ihm vorbei und versenkte das Ding im Kasten. Was ich hinter mir ließ, war ein verblüffter Dwalin, der mir mit offenem Mund nach starrte. Nachdem ich dies gute fünf mal mit ihm abgezogen hatte, änderte er seine Taktik und versuchte geschickter zu Spielen. Jetzt bekam ich wirklich Probleme. Bei einem sehr harten Tackling, klatschten wir beide auf die Matte und rangelten auf Knien um den Lappen. Ich rutschte sogar auf dem Bauch herum, um ein Tor zu machen. Ich hatte ja erwartet, dass es zu gehen würde wie beim Wrestling, aber das war nun hier gegen, schon fast ein Kindergarten. Gut dass die Helme uns vor dem schlimmsten Schaden schützten. Denn die Stäbe der Schrubber knallten gelegentlich dagegen. Kurz vor Ablauf der Zeit schaffte ich es dann doch noch ganz knapp den Lappen rein zu bringen, um mit einem Tor in Führung zu gehen. "Aus! AUS! Die Runde ist vorbei! Jacky gewinnt um Haaresbreite mit Sechzehn zu Fünfzehn!", rief Frodo und ich rollte mich keuchend auf den Rücken. Dwalin feuerte seinen Helm über den Spielfeldrand und schlitterte raus. Ich selbst rutschte nach einer weiteren Drehung lieber Bäuchlings vom Platz. Am Rand angekommen zog mich Fili auf die Beine. Er grinste und übernahm meinen Schrubber, da er als nächster dran war. "Gut gemacht. Du hast Dwalin ordentlich die Stirn geboten", sagte er und klopfte mir auf die Schulter. Ich schnaufte und sah ihn grinsend an. "Viel Glück. Du wirst es sicher brauchen", meinte ich und ließ ihn vorbei. Er sah mich kurz ernst an und nickte. Diese Worte hatte ich nicht umsonst gesagt. Denn nun würde er ausgerechnet seinem Onkel gegenüber treten. Ein Kampf Jung gegen Alt. Wendigkeit gegen Erfahrung. Und was für mich wichtig war. Hier würde sich zeigen, mit wem ich es zu tun bekam. Ich hielt gespannt die Luft an, obwohl es schwierig war, da ich eigentlich immer noch das Bedürfnis hatte zu schnaufen. Das noch dadurch verstärkt wurde, da sie sich vor Schlachtantritt, beide ihrer Leinenhemden entledigten, um mehr Bewegungsfreiheit zu bekommen. Gepfeife und Gejohle kam aus der Menge, doch die Herren juckte das nicht im geringsten. Der Lappen wurde hingelegt. Die Kontrahenten starrten sich an. Beide Blicke schienen bitter kalt zu sein. Berechnend und präzise. Nun war die familiäre Ähnlichkeit überdeutlich. Sie würden sich nichts schenken. Frodo machte sich bereit und gab das Kommando: "Fertig? LOS!" Die Zuschauer schrien, als die Männer aufeinander zu stürzten. Sie wirkten wie ausgehungerte Raubtiere, die sich um ein Stück Fleisch fetzten. Keiner wollte den anderen leichtfertig gewinnen lassen. Schaffte es einer ein Tor zu machen, zog der andere sofort nach. Die Stöcke krachten aneinander. Selbst mit den Köpfen stießen sie sich an. Die Meisten dachten wohl, dies würde nur passieren, weil sie am herum rutschen waren, doch ich war mir sicher, dass es da für Beide um etwas anderes ging. Fili sollte schließlich einmal den Thron seines Onkels besteigen und bestimmt wollte er ihm beweisen, dass er inzwischen ein ganzer Mann war. Für Thorin war es wohl lediglich eine Prüfung seines Neffen, ob dieser bereit war, alles aus sich heraus zu holen wenn es drauf ankam. Ich selbst wusste gar nicht, wem ich die Daumen halten sollte. Es war einfach viel zu spannend. Obwohl es ja nur fünf Minuten waren, schienen sie verdammt lange anzudauern. Da! Beim letzten Schlagabtausch rutschte Fili zu weit mit dem Fuß auf die Seite und stürzte. Gnadenlos zog Thorin an seinem Neffen vorbei und machte den entscheidenden Punkt. Damit war dieses Spiel vorbei. Einige der Mädchen weinten regelrecht darum, dass Fili verloren hatte. Denn sie hatten ihn mit ihren Sprechchören unglaublich laut angefeuert. Der Sieger half unterdessen seinem Neffen wieder auf die Beine, der sich leider hinkend von der Matte entfernen musste. Das sorgte bei den Damen für noch mehr Heulkrämpfe. Fili wurde von seinem Bruder entgegen genommen und nochmal von Thorin eingehend gemustert. Er lächelte ihn kurz an und murmelte ihm etwas zu, was offenbar aufmunternd sein sollte. Währenddessen schaute er seinem Neffen über die Schulter und ich fing seinen Blick auf. Er wurde wieder ernster, abschätziger und wie es aussah kalkulierend. Ausgerechnet Thorin. Zugegeben, er war tatsächlich mein Angstgegner. Und das nun noch mehr als zuvor. Ich hatte gesehen wozu er nun in der Lage war, wenn er wollte. Hinzu kam, dass er sich nicht anschickte sein Hemd wieder anzuziehen. Das verstörte mich noch mehr. Aber gut, das Spielchen konnte man auch zu zweit spielen. Nein, ich würde nicht meinen Badeanzug ausziehen und Oben herum nackt herum laufen. Aber zumindest das T-shirt konnte weg. Vielleicht reichte das ja schon. Wobei ich mir nicht sicher war, denn die anderen Damen hatte er auch einfach ausgespielt ohne bei ihnen auf etwas zu achten. Und die hatten zum Teil Bikini-Oberteile an gehabt. Ich löste meine Augen mit viel Anstrengung wieder von seinen. Die nächsten beiden Kämpfe waren nicht ganz so beeindruckend. Bofur hatte mit seiner eigentümlichen Tanz-Taktik großen Erfolg bei seinem Gegner. Doch zu aller Überraschung war Kili in seinem Viertelfinale zu übermütig gewesen und hatte sich ein ums andere mal böse auf die Nase gelegt, was sein Gegner schamlos ausnutzte und den Sieg für sich in Anspruch nahm. Thorin strich sich beschämt mit einer Hand über das Gesicht, als es vorbei war. Verlegen am Kopf kratzend, kam der junge Zwerg auf mich zu und überreichte mir den Schrubber. Ich musterte ihn mit einiger Besorgnis. "Nur Mut, Cuna. Gegen meinen Onkel zu verlieren, ist keine Schande", sagte er. "Du glaubst also auch nicht, dass ich Gewinnen kann", meinte ich und merkte, dass meine Stimme schon etwas zitterte. Er lächelte mich ruhig an. "Mach dir nicht zu viele Gedanken. Aber leg dich nicht so mit ihm an, wie mit Dwalin", meinte er und ging an mir vorbei. Ich atmete tief durch und schritt auf das Feld. Sämtliche Anfeuerungsrufe der Menschen galten nun allein mir. Die Fili-Fan-Girls waren auch zu mir über gelaufen und grölten Dinge wie. "Los Jacky! Zeigs ihm!" oder "Macht den fiesen Kerl platt!". Ich setzte den Schrubber auf den Boden. Thorin nahm mir gegenüber Aufstellung. Nun versah er mich mit dem Tunnelblick, den er zuvor bei seinen anderen Gegnern angewandt hatte. Doch anders als zuvor, sprach er vor beginn des Kampfes mit mir. "Du kannst noch zurück. Sonst garantiere ich für nichts", sagte er leise und konzentriert. Ich atmete noch einmal Tief durch. "Hör auf zu reden und lass uns unser bestes geben", sagte ich leise und angespannt. Auf seinen Lippen blitzte ein kurzes überraschtes Lächeln auf. Wir warteten auf Frodos Signal. "Fertig? LOS!", brüllte er. Wir stürzten auf dem Lappen drauf los. Doch so schnell, wie er weg war konnte ich gar nicht gucken. Thorin war so schnell, dass er mich einfach im Lauf stehen gelassen hatte. Schon war er drin. Ich keuchte erschrocken und sah ihm verwirrt hinterher. Die Zwerge jubelten und feuerten ihren König fleißig an. Doch so leicht wollte ich mich nicht geschlagen geben. Ich übernahm den Lappen danach und versuchte es mit einem Gegenangriff. Doch er schnappte sich das Ding wieder einfach vor meinem Schrubber weg. Unglaublich. Ich war diesem Mann haltlos unterlegen. Noch dazu machte mich seine äußerliche Erscheinung fast verrückt. Er wollte sich auch nicht in den Nahkampf zwingen lassen. Berührte mich nicht einmal, während den ersten zwei Minuten. "Wolltest du nicht dein Bestes geben, Cuna? Was ist damit?", fragte er nachdem er schon Zehn zu Null vorne lag. Ich konnte mir ein Knurren nicht verkneifen. Er zog mich richtig ab und führte mich vor. Das machte er doch mit Absicht! Dieser Mistkerl! Dieser verdammte, unverschämt gutaussehende Mistkerl! Er machte mich Wahnsinnig mit seinem hoheitlichen Getue, seiner Ausstrahlung und seinem todernsten Gesicht. Gott verdammt dieses Gesicht! Selbst mit dem Helm war es noch unbeschreiblich anziehend. Ich schüttelte wütend den Kopf. Ich fixierte ihn nun scharf und stürmte denn schreiend drauf los. Ich musste es schaffen. Irgendwie musste ich ihn überwinden. Und wenn es sein müsste mit aller Kraft, die ich aufbieten konnte. Gerade als er wieder ansetzte sich in meine Richtung zu bewegen, drehte ich mich mit dem Rücken zu ihm und ließ mich rückwärts rutschen. Damit hatte ich ihn so kalt erwischt, dass ich ihn tatsächlich überwinden konnte. Denn so musste er in den Nahkampf und wie es aussah, wollte er das tatsächlich vermeiden. Als ich seitlich neben ihm war, drehte ich mich wieder um und rutschte mit dem Lappen ins Tor. Er wirkte von meiner Aktion schwer beeindruckt. Nun war er am Zug. Ich musste irgendwie versuchen ihm den Lappen abzuluchsen. Und das würde ich wagen. Koste es was es wolle. Als er auf mich zu lief hechtete ich ihm nach. Ich wusste, dass er bestimmt antäuschen würde, denn das hatte er zuvor auch schon getan. Es ging links, rechts, rechts, links. Dann endlich schaffte ich es ihn zu stellen. Nur leider an einer Stelle die besonders rutschig und nass war. Ich wollte nach Vorne stürzen und merkte dann, wie es meine Füße rittlings vom Boden riss, gerade als ich vor ihm stand. Verdutzt und erschrocken konnte er nicht mal an mir vorbei, denn auch er war auf die glitschige Stelle geraten und stürzte nach vorne. Es klatschte zwei mal ordentlich. Ich krachte auf den Rücken, was mir sämtliche Luft aus den Lungen presste. Das nächste war das Gewicht des kleinen bärtigen Mannes, der ebenfalls den Halt verloren hatte und auf mich stürzte. Links, und rechts klatschte es neben meinem Kopf. Er hatte seinen Oberkörper nochmal ein wenig mit den Armen abfangen können. Benommen öffnete ich die Augen, nachdem ich wieder etwas Luft bekommen hatte und starrte dem Zwergenkönig mitten in das erschrockene Gesicht. Er schnaufte. Um die Sache noch schlimmer zu machen bemerkte ich dazu, dass wir in einer sehr verfänglichen Stellung aufeinander lagen. Unsere Blicke trafen sich und sofort rauschte mir ein das Blut in den Kopf. Ich betete indessen noch zum Himmel, dass das, was ich gerade an meiner Hüftgegend spürte, doch bitte der Schrubberstab sei. Während ich ihn anstarrte, gab er plötzlich irgendein Wort auf Zwergisch von sich. So schnell wie er auf mich gefallen war, rollte er sich auch wieder von mir runter. Er ging auf die Knie und wedelte mit den Armen. "Schluss! Aufhörn! Sie ist verletzt!", rief er über die tosende Menge. Ich hob verwundert den Kopf und da spürte ich, wie mir Blut aus der Nase lief und die Feldplane verfärbte. Eigenartig, da er mich ja gar nicht getroffen hatte. Frodo unterbrach sofort das Turnier und die Leute drum herum halfen mir erst mal vom Feld. Man zog mir den Helm ab. "Lasst mich. Ich kann weiter machen", schnaufte ich gereizt. "Ne ne ne, Jacky. Nicht so. Du bist raus. Besser du ruhst dich jetzt aus", meinte Moe, der mir ein Handtuch reichte, womit ich das Blut aufhalten konnte. "Das ist nicht Fair! Ich hatte noch zwei Minuten", rief ich und wollte den Helm greifen. Doch ich wurde festgehalten. "Jacky. Es ist Schluss. Komm schon. Gehn wir ne Cola trinken", hörte ich Richi sagen, der einen Arm von mir fest hielt. Den andere hielt Chu. Ich seufzte und ließ den Kopf hängen. Bedröppelt musste ich mich von den beiden Richtung Fisse Ma "Tent" chen ziehen lassen. Ich wollte nicht mal zurück sehen. Das war alles mehr als nur peinlich abgelaufen und ich zitterte immer noch von dem Gedanken an das Gefühl, was in mir aufgewallt war, als wir mehr unfreiwillig innig aufeinander gelegen hatten. Wäre nur nicht das mit meiner Nase gewesen. Wer weiß wie weit es dann noch gegangen wäre. Ich verfluchte in Gedanken diesen elenden Dieb für das, was er mir angetan hatte. Und wenn ich ihn eines Tages fand, würde er die Quittung dafür bekommen. Doch ich wusste nicht, das sich diese Chance für mich schon sehr bald ergeben würde. -25. Leg dich nicht mit Thorin an! / ENDE - Kapitel 26: 26. Kommt Zeit. Kommt Rad. -------------------------------------- Ein wenig trotzig nuckelte ich an meiner kalten Colaflasche herum, als ich mich aufs Sofa gepflanzt hatte. Wobei ich ja froh drum sein konnte, dass nicht noch schlimmeres passiert war. Aber eigentlich war ja das was passiert war, schon schlimm genug. Ein wenig fahrig strich ich mir die Haare aus der Stirn. Ich fühlte mich unglaublich aufgekratzt und nervös. Dieser dumme Sturz. Immer wieder trat bei mir diese leidige Fähigkeit auf, selbst die unmöglichsten Situationen herbei zu führen. Aber musste es denn ausgerechnet eine Solche sein? Ich schüttelte mich einen Moment. Es war so ein unangenehm befremdliches Gefühl gewesen, wie wir da aufeinander gelegen hatten. Und mich erschreckte zudem, dass ich es irgendwo in meinem Hinterkopf noch als gut empfunden hatte. "Was ist los, Jacky?", fragte Chu, die sich neben mich gesetzt hatte und ihre Flasche Apfelschorle in der Hand hielt. "Was?", fragte ich verwirrt und sah sie an. "Du zitterst die ganze Zeit und schüttelst immer wieder den Kopf. Hast du dir vielleicht doch mehr weh getan, als du zugeben willst?" "Ähm... Nein... Nein es ist nicht das. Mir steckt da ein wenig die Anstrengung in den Knochen und der kurze Schreck. Außerdem... nun ja.. du hast ja gesehn, wie wir da aufeinander gelegen haben. Das war doch sehr ...", nuschelte ich und knibbelte an dem glitschigen Etikett herum. "Das kann man durchaus verstehen. Der Kerl muss unglaublich schwer gewesen sein. Würde mir auch nicht gefallen, wenn so ein Typ auf diese Art und Weise auf mich fallen würde." Richi, der uns gegenüber saß verzog beleidigt das Gesicht und meinte: "Hey, ich bin schon oft so auf dich gefallen und du hast dich nie darüber beschwert." "Das ist doch was ganz anderes, Schatzi. Jacky ist immer noch nicht über den Tod ihres Mannes hinweg und dann landet so ein fremder Kerl mir nichts dir nichts so auf ihr", sagte Chu und legte mir einen Arm um die Schulter. Ich gab ein angespanntes Seufzen von mir. "Sagen wir einfach, es war ein dummer Unfall und damit ist dann die Sache vom Tisch. Ist ja nichts passiert", warf ich beiläufig ein. "Zumindest blutet deine Nase nicht mehr. Aber ich frag mich woher das kam. Ist dir der Stiel ins Gesicht geschlagen oder so?", fragte Richi und musterte mich. Ich zuckte mit den Schultern. Ich ahnte zwar woher das eventuell gekommen sein konnte, aber das würde ich sicherlich nicht so schnell zugeben wollen. Nicht mal vor meinen Freunden. Dann würden sie mich womöglich für noch bekloppter halten, als im Augenblick eh schon. Ich schwieg und trank einen weiteren Schluck von meiner Cola. Vom Platz her wehte Frodos Stimme, der den Sieger des Turniers bekannt gab. Ein wenig verdutzt drehte ich dann doch den Kopf in die Richtung, aus der der Lärm kam, als ich den Namen Bofur hörte. Was mochte da vorgefallen sein? Ich hatte irgendwie mit einem anderen Sieger gerechnet. Ob sich Thorin vielleicht bei dem Sturz auch verletzt hatte? Immerhin hatte er sich mit den Händen abgefangen und ich wusste aus eigener Erfahrung, dass man sich dabei schon eine ordentliche Zerrung bis Prellung holen konnte, wenn man sich falsch bewegte. Wobei ich gerade diese Kerle für fast unverwüstlich hielt. Aber selbst die konnten sich bestimmt auch mal so verletzen. Bei dem Gedanken wurde ich schon ein wenig bedrückt. Immerhin wäre es ja meine Dummheit gewesen, die dazu geführt hatte. Ich überlegte hin und her ob und wie ich mich vielleicht bei ihm dafür entschuldigen konnte. Es würde sicherlich für uns beide nicht gerade schön werden. Da er ja ohnehin schon schlecht gelaunt war, würde er nun, wo er bestimmt schmerzen hatte noch weniger genießbar sein. "Jacky? Träumst du schon wieder?", hörte ich Chu fragen und bemerkte das ihre Hand vor meinem Gesicht herum wedelte. Ich zuckte kurz zusammen. "Hä? Was? Hast du was gesagt?", fragte ich und mir stieg vor Scham schon wieder die Hitze in die Wangen. Sie seufzte und legte den Kopf schief. "Du bist ja jetzt noch mehr neben der Spur als sonst. Ich hatte dich gefragt, wie es aussieht wegen dem Karaoke Abend. Weißt du schon was du singen wirst?", fragte sie. Ich schluckte und kratzte mich am Kopf. "Hm... Ja... Nee... Hab ich noch nicht drüber nachgedacht. Kommt ja auch drauf an was dieses Jahr auf der Auswahlliste steht. Muss ja wohl überlegt sein", meinte ich. "Ach ist doch eigentlich egal. Kannst doch auch mal was ganz schiefes Singen. Wird doch keinen stören", meinte Richi grinsend. "Mir macht es was aus, wenn ich schief singe. Das will ich einfach nicht. Wenn dann soll es schon ein wenig nach was klingen. Schiefsingerei bei mir selbst mag ich einfach nicht", erwiderte ich und exte den Rest aus meiner Colaflasche. "Na gut wenn du meinst. Aber du weißt ja. Die Bewertung ist willkürlich. Kannst ja nicht damit rechnen, dass du trotz gutem Gesang viele Punkte bekommst", sagte Chu. Ich nickte ruhig. "Ja, ich weiß. Nur ihr kennt mich ja. Aber entschuldigt mich jetzt. Ich muss mich doch langsam umziehn. Mir wird kalt", sagte ich und stand auf. "Bist du dir sicher, das du dich bei denen da drüben umziehen willst? Es sind alles Männer, vergiss das nicht", mahnte mich Chu. "Sie haben mich heute Mittag auch nicht gestört. Die sind einfach anders als andere Männer. Obwohl sie so grob und draufgängerisch wirken, haben sie gar nichts von irgendwelchen perversen Machos", erwiderte ich. "Du kannst den Leuten auch nur vor den Kopf gucken. Vergiss das nicht. Besser du nimmst deine Sachen und ziehst dich in der Dusche um. Die kannst du wenigstens abschließen", warf Richi ein. "Also gut. Wenn es euch beruhigt, dann zieh ich mich in der Dusche um, okay?", sagte ich und tauschte derweilen die Flasche gegen das Pfandgeld ein. "Mach das bitte. Und wenn was ist. Schrei einfach, wir sind hier", sagte Chu und blickte mir besorgt hinterher, als ich das Barzelt verließ. An den Zelten der Zwerge herrschte muntere Stimmung. Bofur wurde von allen dick gefeiert für seinen Sieg. Auch ich wollte ihn natürlich freundlicherweise dazu gratulieren. So was sollte man als guter Verlierer schon einmal tun. "Oh, Cuna. Alles wieder gut bei dir?", kam es von Ori der etwas abseits gestanden hatte und sich verlegen den Hinterkopf rieb. "Ja, ja. Alles wieder bestens. Leider konnte ich das Finale nicht sehen", meinte ich ruhig und lächelte matt. "Also, aufregend war es nicht wirklich. Thorin hat nach dem Duell mit dir sofort gesagt, dass er nicht weiter machen will. Also wurde der Sieger des nächsten Kampfes zum Gewinner erklärt", meinte er beflissen. Ich schluckte etwas nervös. Mit den Fingern spielend, schaute ich den kleinen Kerl kurz fragend und verlegen an. "Er... hat sich doch nicht irgendwas getan, oder?", murmelte ich. Ori zuckte nur mit den Schultern. "Das kann ich dir nicht sagen. Frag ihn doch. Da hinten steht er", sagte er und deutete auf den Zelteingang, wo er mit Balin redete. "Ähm... ja.. mach ich später. Erst mal Bofur gratulieren und so", erwiderte ich, um es zu vermeiden, dem Herrn drüben zu schnell unter die Augen zu treten. Es war zwar ein wenig problematisch durch die ganzen Männer zu kommen, aber schließlich ließ man mich doch zum Turniersieger durch. Ich klopfte ihm ruhig auf die Schulter und lächelte ihn wohlwollend an. "Na Bofur. Wie fühlt man sich, als die beste männliche Putzfrau, die die Zeltstadt je gesehen hat?", fragte ich frech. Er lachte und erwiderte:"Also, ich finde ich sehe nicht so gut dabei aus wie du. So wie du es Dwalin gegeben hast. Das schafft nicht Jeder. Schon gar keine Frau. Davon abgesehn, hätte ich nie gewonnen, wenn du Thorin nicht so aus der Fassung gebracht hättest." Ich hob verwundert die Augenbrauen. "Ich hab Herrn Unnahbar aus der Fassung gebracht? Ist das dein ernst?", fragte ich. "Nein. Nicht den. Ich sagte Thorin. Wer ist dieser Herr Unnahbar?", fragte er und ich musste lachen. Daraufhin sah er mich nur verwirrt an und ich schüttelte den Kopf. "Schon gut, Bofur. Schon gut. Jedenfalls, Glückwunsch zu deinem Sieg. Ich muss mich jetzt mal umziehen. Können nachher ja zusammen einen Trinken, wenn du magst",sagte ich und löste mich dann von ihm. "Ja, tu das. Bis nachher", rief er grinsend. Eigentlich wollte ich mich ja nicht so schnell aus dem Gespräch zurück ziehen, doch ich musste dringend aus meinen Sachen raus. Ein wenig unsicher und langsam näherte ich mich dem anderen Zelt. Balin war der Erste, der mich bemerkte und lächelte mir freundlich über Thorins Schulter hinweg zu. Dieser hatte den Blick seinen Freundes bemerkt und dreht sich mitten im Satz zu mir um. Er hatte sein Leinenhemd wieder angezogen, was ich nun doch sehr begrüßte. Sein Blick war wie immer äußerst ernst als er mich musterte. Ich biss mir verlegen auf die Lippen. "Also... ich werde mich dann mal eben um andere Kleinigkeiten kümmern", kam es freundlich von dem kleinen alten Mann und er ließ uns beide stehen. Ich hielt etwa zwei Meter Abstand zwischen mir und dem Zwergenkönig. Unser Schweigen wirkte entsetzlich angespannt und peinlich zugleich. Ich wusste, dass einer von uns beiden es brechen musste. Doch als ich gerade den Mund öffnen wollte, schüttelte er nur kurz den Kopf. "Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen musst", sagte er knapp und ich fühlte mich von diesen Worten, wie mit der Dampfwalze überfahren. "Äh... ich... Aber... Thorin...", stammelte ich. "Ich möchte davon nichts hören", unterbrach er mich streng. Ich nickte nur langsam. "Gut. Wie du möchtest. Ich geh mich umziehn", sagte ich und schritt langsam an ihm vorbei zu meiner kleinen Kuschelhöhle, um meine Sachen heraus zu holen. Dwalin war unterdessen dabei seine Äxte zu schleifen. Nicht das es wirklich nötig gewesen wäre, aber er tat es einfach. "Hey, Weibstück", raunte er als ich erneut an ihm vorbei ging. Ich brummte kurz und drehte mich zu ihm um. Er schaute nicht von seiner Arbeit auf, als er in einem für ihn ungewöhnlich ruhigem Ton mit mir sprach:"Gut gekämpft." "Ähm... Ja.... Danke Dwalin. Du auch", sagte ich und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. "Morgen fange ich an deine Rahmen zu reparieren. Wird nicht lange dauern, hoffe ich", brummte er und musterte die Schneiden, indem er mit dem Daumen drüber fuhr. "Gut. Gut. Danke nochmals", sagte ich und ging dann weiter. Inzwischen kamen mir Fili und Kili entgegen, die zuvor noch um Bofur herum gestanden hatten. "Wohin des Weges, Schwesterherz?", fragte Fili gut gelaunt. Er hinkte noch etwas, aber das schien ihn nicht zu stören. Wie ich mir schon dachte, waren diese kleinen Kerle einfach so gut wie unverwüstlich. "Ich geh mich eben in den Duschen umziehen", sagte ich lächelnd. "Wieso in den Duschen? Warum machst du das nicht hier?", fragte Kili. "Weil ich es meinen besten Freunden versprochen habe. Sie sehen es eben nicht gerne, wenn ich mich bei wildfremden Männern umziehe", erklärte ich ruhig. "Dann kannst du sie wirklich Freunde nennen, wenn sie so sehr um dich besorgt sind. Auch wenn ich nicht verstehe, was es an unserem Zelt ausgzusetzen gibt. Na egal, wir werden dich jetzt nicht weiter aufhalten. Bis gleich beim Abendessen", erwiderte Fili und hinkte mit seinem Bruder ins Zelt. Seufzend setzte ich meine Reise zu den Duschen fort. Hier und da bekam ich noch anerkennende Worte von anderen Zeltstadtbewohnern zugerufen. Auch der ein oder andere Schulterklopfer war dabei. Ich lächelte ihnen nur verlegen zu, doch in mir drin verknoteten sich ein wenig meine Gefühle. Thorin hatte wirklich nicht gewollt, dass ich mich bei ihm entschuldige. Und über diese unangenehme Sache reden, wollte er auch nicht. Nun gut, irgendwo konnte ich das ja verstehen. Mir ging es ja eigentlich nicht anders. Aber Frau wie ich nun mal war, konnte ich mich nicht erwehren unablässig bei mir nach dem Grund dafür zu suchen, warum er es ablehnte mit mir zu reden. Als ich schließlich in einer der Freiluftduschen verschwand, denn "Marilyn" war mir zu schade zum Blockieren, konnte ich mich kurz ungesehen und erleichtert aufstöhnend, mit geschlossenen Augen, an eine der Wände lehnen. Dieses Bild ging mir nicht aus dem Kopf. Er und ich. So innig aneinander geschmiegt. Seine Nähe, seine Wärme, sein Duft, seine dunkle, tiefe Stimme in meinem Ohren. Wie er mich angesehen hatte. Dieser erschrockene, überraschte Blick, den er mir aus seinen unergründlich tiefen, blauen Augen zugeworfen hatte. Dieses wunderschöne Eisblau, in denen ich mich wie gefangen und kurz vor dem Ertrinken fühlte. Ich konnte wieder seinen warmen Atem auf meinem Gesicht fühlen. Hörte die Worte, die er auf Zwergisch von sich gegeben hatte. Auch wenn ich nicht wusste, was sie bedeuteten, klangen sie für mich wunderschön. In meinem Bauch breitete sich ein wohlig warmes Kribbeln aus. Eines, das ich schon lange nicht mehr gespürt hatte. In Gedanken sponn ich die Sache munter weiter aus. Da waren wir allein. Es war nicht dieses offenen Spielfeld, auf dem wir so eng aneinander geschmiegt übereinander lagen. Nein. Ich sah uns in meiner kleinen Kuschelhöhle liegen. Wir waren ungestört und ungesehen. Er lächelte mir warm und freundlich ins Gesicht und hauchte ruhig meinen Namen. Nun ja den Namen, unter dem er mich kannte. Ich hatte eine Hand gehoben und fuhr ihm damit über den kräftig gebauten freien Oberkörper. Streichelte ihm über die Narbe mitten auf der Brust und lächelte ihn an. Er nahm meine Hand in seine und begann liebevoll mit seinen Lippen die Finger zu küssen. Mit der Anderen konnte er sich leicht neben meinem Kopf abgestützen. Das Kribbeln in meinem Bauch wurde stärker und stärker je länger ich ihm dabei zusah. Dann löste er seine Hand wieder von meiner und schaute mich tiefgründig an. "Cuna...", sagte er und er näherte sich langsam meinem Gesicht. Mein Herz pochte so stark, als wollte es mir aus der Brust springen. "...Thorin", keuchte ich. Er kam immer näher und näher. Seine Augen schlossen sich langsam zu kleinen sanften Schlitzen und er murmelte: "Ich liebe dich." Während er sprach, berührte er mit seinen Lippen schon fast die meinen und ich gab ein erneutes Stöhnen von mir. "... Hach... Thorin...", hauchte ich. Als sie sich sanft berührten, kribbelten die meinen fast brennend und schmerzlich von diesem unsichtbaren Kuss. Ich wünschte mir in dem Moment, er würde nie vergehen. "HEY ALTA!", brüllte jemand von draußen und ich fuhr erschrocken zusammen. Mein kleines Traumgebilde zerfiel vor meinen Augen und ich fand mich auf Knien in der Freiluftdusche wieder. Ich fühlte mich ziemlich erhitzt und verwirrt zugleich. Scheiße, ich war ja völlig in diesen überdrehten Tagtraum versunken. Zum Glück war mir das nicht vor aller Augen passiert und nicht irgendwo mitten in der Masse der Leute auf dem Platz. Mein Herz pochte immer noch und meine Lippen brannten eigenartiger weise leicht. Einerseits war ich froh darüber, dass ich da so schnell wieder raus geholt worden war. Andererseits verfluchte ich diesen ungebetenen Störenfried vor der Dusche, der mich aus dieser Fantasie heraus katapultiert hatte. Wütend und frustriert zog ich mich um. Der Schreihals war immer noch draußen und unterhielt sich offenkundig laut mit einem anderen. "Alta! Mann wo hasten du das schmissig krasse Bike her?", fragte er. Der Andere lachte und antwortete in genau der selben dummen, infantilen Sprechweise, die ja inzwischen schon fast zur neuen Mundart in diesem Land mutiert war. "Des Teil hier? Hab ich gecheckt Maan", sagte er. Da ich mich zumindest mit einem Teil dieser Redensart auskannte wusste ich, dass er wohl oder übel meinte, er haben es jemandem gestohlen. Ich schnaubte in meiner Kabine. Was machten denn diese Lappen bei uns auf dem Platz, dachte ich grimmig. Normalerweise trauten sich Solche wegen den ganzen Metallern nicht her. Hatten sich vermutlich verlaufen. Hoffentlich gingen die auch bald wieder. Dieses dumme Geplapper konnte ich noch nie ab. Ich schüttelte nur den Kopf und musste natürlich weiter lauschen, da ich noch nicht fertig war. "Ey maan. Was geht? Wem hast du des denn unterm Arsch weggecheckt?", fragte der Schreihals und seine Stimme klang sogar beeindruckt. Der Andere lachte wieder und antwortete:"Ey des war voll leicht. Pass auf. War ich so unterwegs. Weißt du. Mit ein paar Homies. Seh ich da so ne fette Alte auf dem Teil durch die Gegend rasen. Ich sag dir, die hatte einen Arsch, ich dachte schon, der hätte den Sattel gefressen. Das sich die Räder nicht durchgebogen haben, war auch schon alles, ey. Als se den weg war, hat mich Kollege angehauen, von wegen, ob wir Wette machen wollen. Hab ich gesagt:'Alta, was geht?' Und er so. 'Wetten du traust dich nicht, der des Bike unterm Arsch wegzuchecken?' Und ich dann so: 'Wetten doch, Maan.' Hab mir dann meinen Hoody aus der Tasche geholt und die Kapuze so ins Face gezogen. Weiss du? Und denn hab ich da an dieser Autobahnbrücke gewartet, ne, bis die fette Alte wieder vorbei gefahren kam. Die war ja schon aus der Ferne zu hören. Unter der is ja richtig der Asphalt explodiert." Während er so erzählte lachte sein Kumpel lauthals darüber. Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Konnte das jetzt wirklich wahr sein? Stand da draußen etwa tatsächlich der Kerl, dem ich meine gebrochene Nase zu verdanken hatte? War es nun wirklich ein glücklicher Zufall, dass der ausgerechnet hier aufschlug, wo ich gerade am Campen war? Ich klammerte angespannt zitternd meine Hände vor der Brust zusammen und lauschte weiter. Der Schreihals, der inzwischen mehr zum Lachsack geworden war, hatte sich nach dem minderwertigen Scherz seines Kumpels wieder beruhigt und hörte sich die Geschichte weiter an. "Ey Maan. Weiss du. Und denn bin ich hinter der Brücke raus und hab die voll vom Bike gehebelt. Des Dicke so weit fliegen konnten, wusste ich auch nüsch", erzählte er. "Yo, krass Maan. Und wie is weiter gelaufen?", fragte der Schreihals aka Lachsack. "Na, als die aufstehn wollt, bin ich so zu der hin und hab die dreimal voll meine Sneaker fressen lassen. Die säuft jetzt voll aus der Schnabeltasse Maan. Danach bin ich auf des Bike und zu meinen Homies geradelt. Des war voll krass. Hab nen Fuffi dafür bekommen, dass ich der Alten nen neues Face verschafft hab", sagte er und betonte seinem Freund gegenüber nochmal mit Nachdruck, wie er der Frau, in dem Fall mir das Gesicht entstellt hatte. Mir wurde schlecht vor Frust und Wut. Allein die Erinnerung an die Schmerzen und die Angst, die ich seit dem unterbewusst entwickelt hatte, wenn ich in der Nähe dieses Waldstückes gewesen war. Ich zitterte am ganzen Leib. War unfähig wirklich klar zu denken. Was sollte ich tun? Raus rennen und es dem Typen gleich tun? Ihn zusammen dreschen? Oder etwas laut brüllen, dass jemand kam um mir zu helfen, den Kerl da zu stellen? Aber wenn ich das täte, würde ihn sein Freund nicht dann in Schutz nehmen und mich dumm da stehen lassen? Vielleicht war ich die Einzige, die das gehört hatte. Und davon ging ich schon irgendwie aus, denn als ich auf die Uhr sah merkte ich, dass es schon Zeit für das Abendessen war und mit Sicherheit alle bei der Campingküche standen. Und wenn ich ihn so angriff, wie er mich angegriffen hatte, würde ich sicherlich als die Dumme da stehen. Sicher Chu und Richi könnten eventuell bestätigen, dass es mein Fahrrad gewesen wäre. Doch was war, wenn er es komplett umlackiert hatte? Dann brächte so was auch nichts. Die Zwerge konnte ich auch unmöglich deswegen anhauen. Die machten sicherlich gleich kurzen Prozess mit dem. Auch wenn es unterbewusst mein Wohlwollen genossen hätte. Nein, umbringen wollte ich niemanden. Aber der Typ sollte eine gerechte Strafe dafür bekommen, dass er mir das angetan hatte. Ich musste nur eine passende Gelegenheit abwarten. Aber die war nicht zu diesem Zeitpunkt. Schließlich entschloss ich mich dazu vorsichtig aus der Duschentür raus zu schauen. Verdammt! Die Beiden waren verschwunden. Ich hatte zu lange drüber nachgedacht, was ich gegen sie tun sollte. Entnervt trat ich mit meinen Sachen aus der Kabine und trat einmal fest dagegen. Das wäre DIE Chance gewesen. Hätte ich nur nicht so lange mit dem Tagträumen vergeudet, dann wäre ich früher wieder raus gekommen und hätte die beiden sicherlich gesehen. Jetzt waren sie bestimmt über alle Berge. Oder vielmehr Felder. Berge gab es ja in der Gegend nicht. Rauchend vor Zorn schritt ich zügig zum Zwergenzelt. Niemand war dort. Was für ein Glück, sonst hätte ich wieder irgendwelche Fragen beantworten müssen. Und so sauer wie ich war, wäre dies sicher in enormen Beschimpfungen ausgeartet. Ich zog mich in meine Kuschelhöhle zurück, zog den Vorhang zu und ließ mich auf die Liege sinken. Selbst der Appetit war mir nun einfach vergangen. Ich blieb einfach nur da und starrte an die Decke. Es war zum Heulen und zum Kotzen gleichermaßen. Aber ich konnte es nicht ändern. Und wenn dieses selbstgebaute Bett nicht so bequem gewesen wäre, dann wäre ich sicherlich nicht irgendwann weg gedöst. Doch das führte wiederum zu einem Zwischenfall, den ich so nicht erwartet hätte. Und genau dieser war es, der mir dabei helfen sollte, zu bekommen was ich erreichen wollte. -26. Kommt Zeit. Kommt Rad / ENDE - Kapitel 27: 27. Klein Ori der große Held ---------------------------------------- Ein seltsames Rascheln und Klappern riss mich plötzlich aus meinem leichten Dämmerschlaf und ein köstlicher Duft kitzelte mir in die Nase, als ich tief einatmete. Ein wenig verwirrt und aufgeschreckt tastete ich um mich noch bevor ich die Augen auf machte. "Oh. Verzeih Cuna. Ich wollte dich nicht wecken", murmelte eine verschüchterte Stimme von meiner linken Seite her. Ich drehte den Kopf und schlug dann die Augen auf. Neben mir stand Ori und er trug etwas in den Händen das ziemlich lecker roch. Ich gähnte und rieb mir benommen die Augen. "Ori? Was machst du hier?", fragte ich und richtete mich auf. "Äh... also... Die anderen schicken mich, weil du nicht beim Essen warst. Ich soll dir was bringen", meinte er und reichte mir einen Teller mit Besteck. Auf dem Teller lagen frisch gegrillte Würstchen und ein paar Bratkartoffeln. Ich lächelte benommen und setzte meine Füße neben die Liege. "Danke. Das ist sehr nett von dir", sagte ich und begann zu essen. "Schmeckt es dir?", fragte er und spielte nervös mit seinen Fingern. Ich hatte mir gerade den Mund mit den Bratkartoffeln voll gestopft und nickte ihm zu. "Das freut mich sehr. Äh... Wenn du nichts mehr brauchst dann... ", meinte er lächelnd und machte einen Schritt rückwärts. Ich schluckte runter und sah ihn ruhig an. "Ori, warte bitte", sagte ich. Er blieb wie angewurzelt stehen und sah fragend zu mir hinunter. Ich klopfte neben mich, um ihm zu zeigen, dass er sich doch bitte setzen möge. Ich hörte ihn deutlich schlucken, bevor er sich langsam auf der Liege nieder ließ. Ich hielt mit dem Essen eine Weile inne und stellte den Teller auf meine Knie. "Ori... ich... muss mich noch bei dir entschuldigen", meinte ich und sah ihm reumütig ins Gesicht. Er starrte ein wenig verwirrt und besorgt zurück. "Wieso denn das?", fragte er und legte den Kopf schief. Ich seufzte und schaute auf meinen Teller. "Ich hab dich sicherlich furchtbar erschreckt vor ein paar Nächten. Das tut mir wahnsinnig Leid. Aber ich dachte wirklich, ich wäre schon stark genug, um über diese Sache zu reden", murmelte ich ruhig. "Ach, Cuna. Das ist nicht so schlimm. Mach dir darum doch nicht solche Gedanken", meinte er mit sanfter Stimme. "Trotzdem. Es war nicht richtig. Ich hab meine innere Stärke falsch eingeschätzt", erwiderte ich und sah ihn bedrückt an. Auf seinem Gesicht trat ein verlegenes aber wohlwollenden Lächeln. "Wir überschätzen uns alle mal. Das ist doch nichts wofür man sich schämen muss. Außerdem hab ich ja schließlich dich mit diesen ganzen Fragen bedrängt ohne nachzudenken. Eigentlich müsste ich mich für diese Frechheit entschuldigen. Eine Frau bedrängt man auch nicht so. Das hat mir mein großer Bruder noch am selben Abend gesagt", meinte er und kratzte sich seitlich am Kopf. Ich versuchte ein wenig zu lächeln. "Du hast mich gar nicht bedrängt. Ich war ja diejenige, die dich gebeten hat Platz zu nehmen und dir meine Geschichte anzuhören. Tja, das ist dann ja gehörig nach hinten los gegangen. Und du hast dann mit Sicherheit auch noch ärger bekommen", entgegnete ich nuschelnd und senkte den Blick auf mein Essen. "Nicht doch. Das ist alles nur halb so wild. Du brauchst dich deswegen nicht zu grämen. Sicher, Dori und Nori haben mir dazu einiges gesagt. Aber ich mags nicht sehen, wenn jemand wie du so traurig aussiehst", meinte er und zuckte plötzlich neben mir zusammen, als habe er sich vor seinen eigenen Worten erschreckt. Ein wenig verblüfft hob ich den Kopf wieder und sah den jungen Zwerg etwas genauer an. Er wand sein Gesicht von mir ab und faltete nervös die Hände im Schoß. Ich war ein wenig irritiert von seinem Verhalten. Ich wusste ja, dass er wohl ziemlich schüchtern war, aber offenbar hatte er gerade etwas von sich gegeben, was er nicht gerne hatte sagen wollen. Und ich wagte es auch nicht ihn anzusprechen. Zumindest vorläufig nicht. Langsam nahm ich wieder eine Gabel nach der anderen von meinem Essen in den Mund, während er weiterhin stumm neben mir saß und mit den Stiefeln durchs Gras scharrte. Das Schweigen zwischen uns wirkte zunehmend unangenehmer und peinlich berührt. Hin und wieder fuhr er sich etwas verlegen über den Hinterkopf. Ich seufzte leise und stellte den Teller weg, als er leer war. "Ori. Du hast doch was", meinte ich schließlich und er zuckte erneut zusammen, als habe er gerade erst wieder bemerkt, dass er nicht allein im Zelt war. "Ich ähm... Ach nicht so wichtig. Willst du vielleicht noch eine Portion. Dann geh ich dir eben einen weiteren Teller holen", antwortete er verstört und ein wenig fahrig. "Nein danke. Ich bin satt. Aber es würde mich schon interessieren, warum du nicht sehen willst, wenn jemand wie ich traurig ist", erwiderte ich ruhig. Er gab erneut ein lautes Schluckgeräusch von sich. Ohne mich anzusehen, antwortete er stotternd: "Ich... ich... ich... Mag dich." Wieder verfielen wir in ein peinliches Schweigen, während dem ich ihn verblüfft und neugierig musterte. Er sah weiterhin auf seine gefalteten Hände im Schoß. Gelegentlich warf er einen flüchtigen Blick zu mir und rutschte dann nervös auf der Liege herum. "Ist das denn so schlimm, dass du mich magst?", fragte ich irgendwann ruhig. Offenbar erschreckte ihn meine Frage noch mehr, denn er sah mich wieder an und hob hektisch wedelnd die Arme. "Nein. Nein. Nein. Das ist es nicht. Nun ja... eigentlich ist es doch. Ich meine... Ich... äh... Dori sagt es ist unanständig eine Frau zu mögen, die schon mal verheiratet war", stammelte er und ich konnte in dem schwachen Zwielicht meiner Kuschelhöhle erkennen, dass sich seine Wangen über dem kurzen Bart rosa gefärbt hatten. Ich kicherte belustigt als ich ihn so aufgekratzt sah. "Hat Dori denn schon mal eine Frau gehabt?", fragte ich unverblümt, um ihn etwas ins nachdenken zu bringen. Es funktionierte. Er ließ die Hände sinken und hob stattdessen grübelnd die Augenbrauen. "Soviel ich weiß nicht. Aber er hat mal gesagt, er habe als junger Zwerg schon ein paar Mädchen geküsst", antwortete er dann und fing an diebisch zu glucksen. Nun merkte ich erst, wie jung er im Vergleich zu den anderen wirklich war. Wenn er ein Mensch gewesen wäre, dann hätte er wohl noch fast ins Teenager Alter gerechnet werden können. Oder zumindest knapp dahinter. Ich lächelte sanft, als ich ihn so betrachtete. Ja, der kleine Kerl war schon sehr putzig. Aber man merkte auch deutlich, dass er wohl die meiste Zeit von seinen beiden Brüdern, wie ein Nesthegchen behandelt wurde und sich deshalb nur schlecht entfalten konnte. Sie waren ihm gegenüber immer sehr beschützend und fürsorglich aufgetreten. Besonders Dori, der ja der Älteste von den dreien war. Nori hingegen war mehr der Draufgänger und ließ auch keine Gelegenheit aus den Kleinen hin und wieder zu ärgern. Das war mir das ein oder andere Mal aufgefallen, als ich mit ihnen beim Essen gewesen war. Dori hatte ja auch seine liebe Müh mit den Beiden. Ich vermutete stark, dass er eine ähnliche Rolle unter ihnen einnahm, wie es Fili bei Kili tat. Zwerge waren nun doch aus meiner Sicht wesentlich anders als Menschen gestrickt. Egal wie viel ärger es untereinander gab, die Geschwister hielten trotz allem immer zusammen. Daran sollten sich manche Familien echt ein Beispiel nehmen. Man teilte schlichtweg alles, was es zu teilen gab. Wenn dem Einen etwas Leder fehlte, hatte der Andere schon eines parat. Und wenn jemand Hilfe bei einer Arbeit benötigte, war irgendwer stets zur Stelle. Gut, mal abgesehen davon, dass sie sich ungern von Menschen wie mir helfen lassen wollten. Von Zwergen war es ja eh bekannt, dass sie ein erhebliches Misstrauen gegenüber anderen Völkern hegten. Aber wenn man sie mal für sich gewonnen hatte, waren sie sehr anhänglich. Mit der Zeit hatte ich sie schon irgendwie schätzen gelernt. Nur ihre eigenbrötlerische Art war zeitweilen etwas anstrengend. Während ich so vor mich hin grübelte, musterte ich den Jungen weiterhin ruhig, wie er da so kicherte und räusperte mich dann kurz. "Hör mal Ori. Es ist gar nicht so schlimm, wenn du mich magst. Fili und Kili mögen mich ja auch", sagte ich schmunzelnd. Er hörte umgehend auf zu kichern, nachdem ich meinen Satz beendet hatte und wurde mit einem mal wieder ganz verlegen und nervöser. "Ja... also... Fili und Kili sehen dich ja auch wie ihre kleine Schwester. Das ist ja was ganz anderes", nuschelte er und zupfte an seinem handgestrickten Pullover herum. "Ach und du denkst, dass man sich nicht mögen kann wenn man einfach nur befreundet ist?", fragte ich grinsend. Er rutschte immer nervöser auf meiner Liege herum und sah zu Boden. "Also... ich mag .... dich ja... schon etwas... mehr als wie... ähm...", murmelte er und zog den Kopf dabei ein, als fürchtete er gleich von etwas oder jemandem erschlagen zu werden. Nun ging mir ein Licht auf und ich verstand auf einmal. Da hatte sich wohl der kleine Zwerg offensichtlich in mich verschossen. Oder zumindest eine gewisse Anbahnung von Verliebtheit entwickelt. Es wunderte mich allerdings schon, da eine gewöhnliche Menschenfrau ja normalerweise nicht wirklich in das Attraktivitätskriterium eines Zwerges passte. "Wie kommt das denn?", fragte ich einfach unverblümt. Bei dieser Frage straffte er sich plötzlich. Er versuchte mit einem mal männlicher zu wirken, als er sich gerade wohl fühlte. "Cuna. Du bist Nett, du bist lustig und immer freundlich. Noch dazu bist du wunderschön und deine Stimme klingt wie der Elben Gesang in meinen Ohren", begann er dann vor sich hin zu säuseln. Ich musste stark an mich halten, um nicht los zu lachen, als ich ihn bei diesen Sätzen beobachtete, denn er hatte den Blick zur Zeltdecke gehoben und die Hände vor der Brust gefaltet, als würde er gerade zu einem unsichtbaren Flügelwesen empor schauen. Das Einzige was mir in dem Moment durch den Kopf ging war, dass es schon ein wenig niedlich Klang. Andererseits war es mir doch etwas unangenehm, da ich ihm nicht die selben Komplimente wieder geben konnte. Er war schlichtweg und ergreifend einfach nicht der Typ Mann, den ich im Augenblick begehrte. Wie einen Freund oder kleinen Bruder, okay. Aber mehr als ihn nur so zu mögen, war für mich einfach nicht drin. Davon abgesehen, dass seine Brüder es gewiss nicht gerne sehen würden, wie sich ihr Jüngster an eine Menschenfrau verlor, die definitiv weit vor ihm sterben würde. Das bräche ihm sicherlich im Nachhinein noch mehr das Herz, wie wenn ich ihn an dieser Stelle Friend-Zonen würde. Ich atmete tief durch und strich mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ich musste es ihm irgendwie versuchen schonend beizubringen. Es wäre sicherlich besser, als ihm falsche Hoffnungen zu machen. "Ori. Hör mal", begann ich und er sah mich dann an. Ich musterte ihn kurz und sah dann auf meine eigenen Hände, als ich fort fuhr. "Es ist wirklich schön, was du da sagst und... ich danke dir wirklich für das Kompliment. Nur... Tut mir wirklich leid. Ich... Ich empfinde leider nicht so für dich, wie du es wohl für mich tust." Ich sah ihn verstohlen von der Seite her an und merkte, wie ihm die Gesichtszüge entglitten. "Soll... Soll das heißen du.. du magst mich gar nicht?", fragte er und seine Stimme war plötzlich sehr belegt. In seinem Gesicht spiegelte sich ein Anflug von Schmerz. Gott, wie ich es hasste anderen so das Herz zu brechen. Es kam zwar selten genug vor, aber wenn es vorkam, war es genauso schlimm für mich, wie für den Betroffenen. Vor allem bei einem jungen Burschen wie ihm. Aber da mussten wir ja immerhin alle mal durch. Also sprach ich unerbittlich weiter. "Es ist nicht so, dass ich dich nicht mögen würde, Ori. Aber das wovon du sprichst. Oder vielleicht bei mir zu suchen glaubst. Das kann ich dir einfach nicht geben. So sehr es wahrscheinlich auch gerade weh tut. Aber diese Gefühle die du hast, kann ich einfach nicht erwidern. Es liegt nicht daran, dass du kein lieber Kerl bist, den man gerne knuddeln würde. Aber es wäre der größte Fehler deines Lebens, dich auf eine Menschenfrau einzulassen. Ich werde nicht so alt wie ihr. Und du bist noch so jung für deinesgleichen. Ich will dich davor bewahren, dass dir das Herz noch mehr bricht, als ich es jetzt gerade bei dir tue." Das Schweigen, was nun eintrat war wohl mit eines der Schmerzlichsten in dieser Zeit. Ich musterte ihn erneut. Er hatte die Hände auf seine Knie gelegt und den Kopf auf seine Brust gesenkt. Es war nicht schön ihn so zu sehen, wo er doch eigentlich immer gerne lachte und lächelte. Doch in diesem Fall hatte ich keine andere Wahl gehabt. Gleichsam musste ich mir selbst vor Augen führen, dass mich ein ähnliches Gespräch erwarten würde, wäre ich so naiv zuzugeben, dass ich begonnen hatte jemand ganz bestimmten zu begehren. Doch da wusste ich ja schon durch meine Lebenserfahrung, dass es besser wäre manche Personen einfach nur im Stillen für sich zu mögen. Irgendwann würde dies auch wieder vergehen und es täten sich andere Optionen auf. Es brachte niemandem etwas, sich immer nur an einer Person fest zu beißen. Das machte einen selbst nicht glücklich und die Person, die es betraf schon mal gar nicht. Doch mein Gewissen zwickte mich nun sehr. Ich wusste dass ich das Richtige getan hatte, aber der Kleine käme bestimmt vorerst nicht darüber hinweg. "Ori... ", setzte ich an. Doch da hörte ich plötzlich fremde Stimmen im Zelt. Wir schreckten beide zusammen und warfen uns fragende Blicke zu. "Ey Alta. Bis du sischer, dass die komischen bärtigen Kerle da drüben Kohle haben? Sieht eigentlich voll billig aus hier", sagte einer und ich erkannte die Stimme. Ich hatte sie vorhin doch erst gehört, als ich mich in der Dusche umgezogen hatte. Waren die tatsächlich noch da geblieben? Und was zur Hölle machten die ausgerechnet hier bei den Zwergen im Zelt? Letztere Frage beantwortete sich schon fast von selbst, als es anfing zu scheppern. Ich legte einen Finger auf meine Lippen, um Ori anzudeuten still zu sein. Vorsichtig bewegte ich mich zum Schlitz in meinem Leinenvorhang, um hindurch zu Spicken. Gegenüber von mir, wo eigentlich Kili schlief, machten sich zwei junge, schlaksige Männer daran, seinen Rucksack auszuleeren und durchstöberten die Sachen. Mir klappte der Mund auf. Das also waren die Kerle, die sich vor der Dusche über meinen Überfall lustig gemacht hatten! Und sie waren dabei den Zwergen Ihre Sachen zu stehlen! "Ey, verdammter Scheißdreck. Da sind nur voll die stinkenden Putzlappen drin, ey. Schau mal da in dem anderen", meinte der eine, dessen Stimme ich dem Schreihals zuordnen konnte. Der Andere nahm sich nun Filis Rucksack vor und kippte diesen aus. Da fielen nicht nur Kleidungsstücke sondern auch noch einige Dolche heraus. "Guck mal hier. Voll die krassen Mittelalter Waffen. Die bringen bestimmt massig Kohle auf Ebay, wenn wir die verchecken! Vielleicht haben die noch mehr da", rief der Kerl aus, dem ich wohl meine gebrochene Nase zu verdanken hatte. In mir begann es zu brodeln. Diese Kerle machten wohl vor gar nichts halt. Und die Zwerge waren alle samt nicht anwesend. Bis auf Ori, der plötzlich hinter mir auftauchte und ebenfalls durch den Schlitz des Vorhanges schaute. Ihm blieb gleichsam der Mund vor Entsetzen offen stehen. Wir waren schier starr vor Schreck, von dem was da vor sich ging. "Was machen die da?", flüsterte mir Ori so leise es ging zu. "Die beklauen die Anderen", erwiderte ich und hätte am liebsten laut mit den Zähnen geknirscht. Dann traf es mich plötzlich wie ein Schlag in die Magengrube. Was wenn sie bei ihrer Diebestour den Arkenstein in die Finger bekämen? Scheiße! Man musste sie aufhalten. Und Ori hatte offenbar den selben Gedanken. "Lass sie uns stellen", flüsterte er etwas lauter. Ich sah ihn entsetzt an. "Ori, bist du verrückt? Die da draußen haben die ganzen Waffen und wir haben nichts", erwiderte ich wesentlich leiser, aber dennoch in Rage. "Wir müssen was tun. Die dürfen wir nicht ungestraft mit unserer Habe entkommen lassen", meinte er und war kurz davor raus zu springen, doch ich hielt ihn fest. "Ori, das ist Wahnsinn!", fauchte ich ihn an. Doch er wollte sich Partout nichts sagen lassen. Er war fest entschlossen sich den beiden Dieben allein zu stellen. Aber ich wollte ihn einfach nicht lassen. Sie würden ihn womöglich umbringen. Schließlich endete das Ganze zwischen uns in einem kleinen Gerangel, was zur Folge hatte, dass die Beiden Schmalspurdiebe auf uns aufmerksam wurden und den Vorhang zur Seite rissen. Ori und ich verharrten in unserer Haltung und wanden unsere Köpfe um. "Ey Alta! Guck mal! Hier haben wir son Inzuchtpärchen, was uns belauscht hat!", brüllte der eine seinem Kumpel zu. Entsetzt sah ich ihm ins Gesicht. Der Andere kam nun auch um die Ecke und erstarrte als er mich sah. "Ey maan. Des is die fette Alte, der ich das Bike weggecheckt hab!", rief dieser aus und sein Kumpel musterte mich eindringlich. "Scheiße die ham unsere Gesichter gesehn. Was machen wir?", fragte Schreihals und ließ uns nicht aus den Augen. Ich schluckte und mir rutschte das Herz in die Hose. "Ey komm die machen wir fertig, damit sie uns nicht verpfeifen können", meinte der skrupellose Kerl und ergriff einen der Schemel, die am Boden standen. "Ihr werdet nichts mit uns machen!"; rief Ori aus und schob mich so schnell er konnte hinter sich. Was allerdings wenig nutzte, da er einen Kopf kleiner war als ich. "Ey, guck dir mal dem hässlichen Gnom da an. Will seine fette Inzuchtschwester da beschützen", lachte der Typ, der genau vor uns stand und dessen Kumpel ihm auch einen Schemel reichte. "Den machen wir zuerst fertig", rief der Andere aus und sie kamen näher. Ori hob schützend die Arme und murmelte über die Schulter: "Cuna. Wenn ich los sage, läuft du und holst die Anderen. Ich werde versuchen sie aufzuhalten." Ich keuchte und starrte ihn verwirrt und ängstlich an. "Aber.. aber Ori, die werden dich tot schlagen", quiekte ich. "Ich werde das schon aushalten. Sieh du zu, dass du dich in Sicherheit bringst", sagte er mit entschlossener Stimme. "Ori... tut das nicht...", jammerte ich und wollte ihn gerade greifen, als der Erste anfingt mit dem Schemel nach ihm zu schlagen. Ori wich aus und trat ihm gegen das Schienbein. Nun kam der Andere und holte aus. Der Kleine war verdammt flink und duckte sich unter dem Schwinger weg. "CUNA! LAUF! JETZT!", brülle er und stürmte mit dem Kopf nach vorne und rammte ihm seinen Gegner in die Magen Gegend. Meine Beine zitterten und ich schlug panisch die Hände vor den Mund. Hilflos sah ich zu, wie der kleine Bursche versuchte den Schlägen ein ums andere mal auszuweichen, bis ihn dann schließlich doch einer traf und er benommen umher taumelte. "ORI!", kreischte ich. "CUNA LAUF ENDLICH!", brüllte er mir zu und kassierte dabei noch einen Schlag. Endlich hatte ich meine Beine unter meinem Körper wiedergefunden und schlängelte mich an dem Chaos vorbei. Gerade als ich aus dem Zelt sprinten wollte, packte mich aber einer der Kerle von hinten am T-Shirt. "Hier geblieben du... ARGH!", rief er aus und ich sah nach unten zum Boden. Ori war zu ihm ans Bein gesprungen und biss ihm gerade mitten in die Waden. Der Kleine blickte mich von seiner Position ernst an und ich schaffte es mich von dem Griff los zu reißen. Und das konnte man Wörtlich nehmen, denn mein Shirt endete in Fetzen. Nur mit BH bekleidet stürmte ich davon in Richtung Fisse Ma "Tent" chen, wo ich die anderen Zwerge vermutete. "Dori! Nori!", rief ich auf dem ganzen Weg und auch durch den Zelteingang. Drinnen blieb ich kurz stehen, um mir einen flotten Überblick zu verschaffen. Einige Zeltstadtbewohner sahen mich verwirrt und entgeistert an. Da endlich fand ich die gesuchten Zwerge, die allesamt mit gehobenen Augenbrauen zu mir hinüber starrend, an der Theke standen. Ich hastete schnaufend und panisch auf sie zu und packte die beiden Brüder am Arm. "Dori.... Nori... schnell... ", plapperte ich und fühlte mein Herz fast aus der Brust springen. "Na.. Na Cuna. Was ist denn? Hör auf so zu Zerren. Wie läufst du denn hier herum?" fragte Nori und hielt mit aller kraft gegen mein Zerren an. "Bitte... Schnell. Keine Zeit.... ", jammerte ich und zerrte fester. "Nun mal langsam Mädchen. Was ist denn auf einmal los mit dir?", fragte Dori und stellte sein Bier ab, damit es nicht noch mehr verschüttete als eh schon. Ich rang nach Luft und musste ein paar mal husten. "Bitte... Ori... Schnell... Sie schlagen ihn tot!", rief ich aus. "WAS?!", schrien beide wie aus einem Mund und wurden kreide bleich. "Was ist mit Ori? Wo ist er?", fragte Nori sofort und fixierte mich scharf. "Kommt doch endlich mit verdammt!", klagte ich. Da schaltete sich endlich auch Thorin ein, der offenbar als einziger den Ernst der Lage verstanden hatte. Er schob sich zwischen uns und musterte mich einen Moment. Mir standen vor Angst die Tränen in den Augen. "Cuna. Geh voraus. Beeilen wir uns", gab er hastig von sich und schob mich vor. Ich nickte einmal knapp und eilte ihnen voran in Richtung des Zeltes, in dem noch immer die Schlägerei stattfand. Und wir kamen keine Sekunde zu spät. Sie hatten den jungen Zwerg zu Boden geschlagen und traten nun wie die Irren auf ihn ein. Mir fiel ein gewaltiger Eisbrocken in den Magen. Ich wollte hinzu rennen und die Typen von dem kleinen hilflosen Kerl weg reißen, doch da packte mich jemand an den Oberarmen und hielt mich fest. "Bleib hier. Lass das die anderen machen", murmelte mir die dunkle Stimme von Thorin hinter meinem Rücken ins Ohr. Sein warmer Atem streichelte dabei unwillkürlich meinem Nacken ließ mich erschrocken inne halten. Unterdessen stürmten die beiden Brüder wütend aufbrüllend ihrem Jüngeren zu Hilfe und stießen die Schläger von hinten nieder. Der Rest folgte auf dem Fuß. Schnell hatten sie die jungen Männer überwunden und hielten sie in ihren eisernen Griffen gefangen. Nun ließ mich Thorin los und wir beide kamen hinzu. Ori lag auf dem Bauch und rührte sich nicht. Dori und Nori knieten sich dazu und drehten ihn um. Der Ärmste hatte ordentlich was ab bekommen. Ein Auge war schon dick zugeschwollen und seine Lippe blutete. Ich ließ mich zitternd neben seinem Kopf nieder und mir tropften die Tränen aus den Augen auf seinen Pullover. "Oh mein Gott, Ori.... Er... ist doch nicht...?", schluchzte ich. In dem Moment kam Oin von der anderen Seite und untersuchte den Jungen gründlich. Ich hielt den Atem an, als er an dessen Brust lauschte. Wenn der arme Junge jetzt tot wäre, dann wäre das mit Sicherheit meine Schuld gewesen, weil ich ihn im Stich gelassen hatte, um die Anderen zu holen. Ich sah einen Augenblick zu diesen hoch. Thorin führte ein sehr strenges Verhör durch. Die jungen Männer wanden sich und versuchten sich den Zwergen zu entziehen, doch wo ein Dwalin und ein Gloin zu packten, war kein entkommen mehr. "Wer seid ihr und was habt ihr in unseren Zelten zu suchen gehabt?", blaffte Thorin sofort und hob das Kinn des Einen grob an. "Das geht disch nen feuschten Scheißdreck an du Bastard", knurrte er großschnäuzig. Natürlich war es Schreihals. Wer auch sonst? Dwalin, der ihn fest hielt, packte noch fester zu. Thorin sah unerbittlich auf ihn hinunter. "Ich frage dich noch mal. Wer seid ihr und was habt ihr in unseren Zelten zu suchen gehabt?", kam es vom Zwergenkönig und seine Stimme wurde immer leiser. Der Ton den er anschlug, war nun extrem schneidend und ich wusste, dass er bald die Geduld verlieren würde. Etwas in seiner Haltung, die sich zunehmend versteifte, ließ mich erahnen, dass er die Diebe töten würde, wenn sie nicht antworteten. Sicher, sie hatten Strafe verdient, für all das was sie getan hatten. Doch ich wollte es einfach nicht mit ansehen, wie an diesem Ort noch mehr Gewalt und Chaos entstand. "Sie haben eure Sachen durchwühlt und versucht euch zu beklauen", gab ich mit belegter Stimme von mir und Thorin musterte mich kurz über die Schulter. Sein Blick war fragend und beinahe etwas verängstigt. Ich wusste schon, dass er gerade an den Arkenstein dachte, doch ich schüttelte kurz den Kopf, um ihm zu zeigen, dass sie diesen nicht gefunden hatten. Kurz zeichnete sich Erleichterung auf seinen Zügen ab, dann widmete er sich wieder den Dieben. "Durchsucht sie. Alle beide. Ich will wissen, was sie eingesteckt haben", sagte er knapp und verschränkte die Arme vor der Brust. Kili und Fili lösten sich von ihren Positionen und begannen mit dem Filzen. Sie fanden die Dolche und auch in jeder Tasche mindestens ein Stück Zwergengold. Je mehr sie fanden, um so deutlicher verfinsterte sich das Gesicht des Zwergenkönigs. Die Männer beschwerten sich lauthals und kämpften weiter gegen das Festhalten an. Schließlich war alles entleert und Thorin sah sie zufrieden an. "Na also. Muss man denn gleich um alles bitten. Ihr hattet also vor uns zu bestehlen. Und habt noch dazu einen von uns so übel zugerichtet. Wisst ihr eigentlich, was man bei uns mit Leuten wie euch macht?", sagte er sehr sehr leise und ich sah, wie er sich langsam zum Waffenständer bewegte. Er wollte doch jetzt nicht wirklich noch den Henker spielen? Doch nicht hier? Und vor allem nicht jetzt? Ich konnte ja verstehen, dass er wütend war, aber das konnte ich nicht zulassen! Auch wenn ich diese beiden Kerle genauso hasste wie er. Gerade als er flink das Schwert hervor zog und schon zum Hieb ansetzte sprang ich auf und packte ihn am Arm. "Thorin! NICHT!", rief ich und er stoppte sofort. Sein Blick, den er mir über die Schulter zu warf, war ebenso überrascht wie Stock sauer. "Sie haben sich an unserer Habe vergriffen. Sie haben Ori geschlagen. Sie verdienen den tot", sagte er und wollte erneut los schlagen. "Hör auf sag ich!", schrie ich ihm ins Ohr und er zuckte fast erschrocken vor mir weg. "Wieso verteidigst du diese dreckigen Diebe?", polterte Gloin drauf los. "Ich verteidige sie nicht! Ich hasse sie ebenso wie ihr! Aber um Himmels willen, es hat hier auf der Zeltstadt schon genug Leid gegeben! Ich will nicht noch mehr sehen! Seid den Hunden suchen mich permanent Albträume heim! Ich kann nicht mehr!", klagte ich und mir wurden die Beine lahm. Im rechten Moment waren Fili und Kili zur Stelle, die mich beide auffingen und in ihre Mitte nahmen. Kili drückte meinen Kopf an seine Schulter und Fili streichelte mir diesen. "Beruhig dich. Es ist ja alles vorbei", murmelte mir der dunkelhaarige Bursche ins Ohr. Ich zitterte heftig und schüttelte mich unter Tränen. Wozu das alles? Wozu nur diese Gewalt und die Angst? Was versprach man sich denn davon? Es war einfach nur grausam und unbarmherzig. Inzwischen tat sich aber bei Ori, der immer noch am Boden lag etwas. " Er hat ein paar saftige Hiebe abbekommen. Aber er lebt. Ist nur bewusstlos. Besser wir schaffen ihn rüber auf seine Lagerstadt", meinte Oin und ich hörte, wie er sich angestrengt erhob. Gleichsam konnte ich Dori und Nori hören, die sich offenbar ihren Bruder geschnappt hatten und nun davon trugen. Nebenher bekam ich noch mit, wie es ganz kurz ein Geräusch von Metall auf Holz gab. Thorin hatte wohl das Schwert wieder weggelegt. Die jungen Männer denen es kurz die Sprache verschlagen hatte, begannen nun sich gegenseitig zu beschimpfen. "Ey Alta, des alles wäre nisch passiert, wenn du die fette Alte damals kalt gemacht hättest", motzte Schreihals. "Halt deine verdammte Fresse Maan!", schnauzte der andere. Ich fühlte wie Kili kurz zusammen zuckte und Fili mit dem Streicheln meines Kopfes inne hielt. "Cuna?", fragte Fili ganz ruhig und vorsichtig. Ich hob etwas mein verweintes Gesicht um mich zu ihm umzudrehen. Er sah mich bitter ernst an und deutete dann mit dem Daumen auf die beiden Kerle. "Haben die dir die Nase gebrochen?", fragte er langsam. Ich atmete tief durch und nickte dann langsam. "Der... der Eine... Ja... Ich hab... sie reden hören, als ich mich gerade umgezogen hab... der hat... mir auch mein Fahrrad geklaut...", stammelte ich schniefend. "Ey die Alte da lügt! Nichts hab ich gemacht!", begann der angesprochene zu protestieren, doch da packte ihn Thorin fest am Kinn. Wieder glitzerte dieser Anflug von Mordlust in seinen Augen. "Du redest nur wenn du gefragt wirst", fauchte er ihn an. "Was machen wir denn jetzt mit denen?", kam es dann von Bofur, der sich zwischen allen umsah. Das selbe fragten sich wohl die anderen auch, denn alle sahen zu ihrem König, der immer noch den Jungen man am Kinn gepackt hielt. Schließlich hob er den Kopf und blickte ernst zu Kili, Fili und mir. "Schafft sie hier raus. Und haltet ihr die Ohren zu", sagte er an seine Neffen gewandt. "Thorin, was hast du vor?", fragte ich ängstlich. Doch er antwortete mir nicht. Er sah mich nicht mal richtig an. Als sich die beiden Jungs noch nicht bewegt hatten, wurde sein Ton schärfer. "Bewegt euch endlich und bringt sie rüber ins andere Zelt", befahl er und schon setzten sich die Beiden mit mir in Bewegung. "Thorin?... Thorin, was tust du? Thorin, mach keinen Scheiß! Bitte Thorin, tu das nicht!", klagte ich auf dem Weg hinüber ins andere Zelt. Fili hatte mich an der Hüfte gepackt und seinem Bruder über die Schulter geworfen, sodass ich hilflos strampelnd auf ihm hing. Drüben angekommen pflanzten sie mich in die hinterste Ecke, wo ich verzweifelt versuchte mich von ihnen zu lösen. "Cuna. Cuna Bitte. Bitte halt still", sagte Kili mit ruhiger Stimme und hielt mich in einer Umarmung fest. Fili hockte sich hinter ihn und er legte mir seine Hände an die Ohren. Ich starrte dem blonden Zwerg verzweifelt ins Gesicht. "Was tut er, Fili? Bitte sag mir was er da tut?", jammerte ich ihm entgegen. Doch er schüttelte nur mit ruhigem Blick den Kopf. Ich schloss die Augen und klammerte mich an seinem Bruder fest. Egal was dort drüben in dem anderen Zelt vor sich ging. Ich sollte es unter keinen Umständen hören. Ich war so völlig mit den Nerven am Ende, dass ich kaum noch Luft bekam. Ich konnte Fili dumpf durch die Handflächen zu jemandem sprechen hören. Vielleicht zu einem der anderen im Zelt. Doch das war mir augenblicklich egal. Kurze Zeit später löste er diese und ich vernahm wieder alles. Ich schlug meine Augen auf und sah den blonden Zwerg unglücklich an. "Es ist in Ordnung, Cuna. Die Sache ist vorbei", sagte er sanft. Ich starrte ihn nur an. "Wie kannst du da so ruhig bleiben, Fili?", keuchte ich. "Cuna. Es ist nicht so wie du gerade denkst", murmelte Kili mir ins Ohr. Er klang etwas atemlos, da ich ihn immer noch sehr fest drückte. "Wie... wie soll es denn dann sein?", fragte ich und löste mich von ihm. Ich war fahrig, ich war wütend ich war... Ach ich konnte meine Gefühle schon gar nicht mehr alle aufzählen, die mir durch den Körper rauschten. "Hör zu. Egal was du denkst. Die beiden Kerle sind nicht tot. Wir haben dich nur hier rüber bringen müssen, damit du nicht hörst, wie sie von unseren Zaubern verflucht werden. Die Beiden leben noch. Aber es wird bestimmt kein angenehmes Leben mehr sein. Jetzt beruhige dich bitte, bevor du am Ende noch Fieber bekommst", sagte Fili und legte mir eine Hand auf den Kopf. Ich atmete tief und lange durch. Meine Arme und Beine waren unheimlich schlaff. Mein Kopf fühlte sich so hohl an, wie ein alter Baumstumpf. Langsam sah ich zur anderen Ecke des Zeltes. Dort saßen Dori und Nori um den Schlafplatz ihres Bruder herum. Oin versorgte seine Wunden. Ich fragte mich, wann er wohl wieder erwachen würde. Dieser dumme kleine Kerl hatte sich einfach so geopfert, um mich vor den Prügeln zu retten. Ich hatte ihm nun sehr viel zu verdanken. Aber das würde ich ihm wohl erst sagen können, wenn er wieder zu sich kam. Er war zweifellos ein richtiger kleiner, großer Held. - 27. Klein Ori der große Held / ENDE- Kapitel 28: 28. Schlaflos ------------------------- Festgehalten von Kili und Fili, die mich nebenher vor neugierigen Blicken anderer Zeltstadtbewohnern abschirmten, gingen wir wieder hinüber ins andere Zelt. In meinem Kopf drehte sich immer noch alles. Klar denken war überhaupt nicht mehr möglich. Ich wusste nicht genau ob Fili recht und man die beiden Diebe verflucht hatte. Ich selbst glaubte nicht wirklich an Flüche. Aber ich hatte ja auch nicht wirklich dran geglaubt einmal waschechten Zwergen zu begegnen. Und erst recht nicht, dass sie sich in irgendeiner Art und Weise mit mir anfreunden würden. Doch begann ich mich allmählich um diese spezielle Freundschaft zu sorgen. Das wurde mir bewusst, nachdem ich wieder ins andere Zelt gekommen war und dort aufgeräumt wurde. Niemand sprach ein Wort. Alles wurde nur wie gehabt an seinen Platz gelegt oder eben wieder in die Taschen gepackt. Ich hätte mir gewünscht zu verstehen, wie sie sich gerade alle fühlten. Doch das konnte ich ja nun in keinster Weise nach empfinden. Was ich im Moment nur in mir spürte, war ein großes brennendes Schuldgefühl. Wäre ich im Zelt geblieben und hätte mich da umgezogen, dann wäre ich nie so wütend geworden, nachdem ich das Gespräch belauscht hatte. Ich wäre wahrscheinlich nicht auf meiner Liege eingenickt und Ori hätte das Essen nicht zu mir bringen müssen. Andererseits war es ja gut, dass wir da gewesen waren. So wurde wenigstens nichts gestohlen. Aber ich fragte mich doch, ob der Arkenstein es wirklich wert war, dass sich so ein unschuldiger junger Bursche dazu bereit erklärte sein Leben zu riskieren, um nicht nur ihn, sondern auch eine Frau zu schützen. Da ich gerade daran dachte, sah ich mich flüchtig nach dem Dieben um. Die schienen sich in Luft aufgelöst zu haben. Aber zumindest hatte Thorin sie nicht getötet. Es wäre sicherlich aufgefallen, wenn sich irgendwo im Zelt Blutspuren befunden hätten. Besonders im Gras und das war, bis auf die Tatsache, dass es inzwischen ziemlich platt getreten war, noch Grün. Und ich glaubte auch nicht, dass man zwei Leichen so schnell ungesehen von hier entfernen könnte, ohne dass es jemand bemerkte. Ich ließ matt den Kopf hängen und mich von den beiden Jungs zu meiner Liege bringen. Als wir an Gloin vorbei kamen, der einige von Filis Dolchen auf dessen Lager legte grummelte er grantig:" Und das alles nur wegen dieser Frau." "Was hast du grade gesagt, Gloin?", fragte Kili leise und die beiden Brüder blieben zusammen mit mir stehen. Er schnaubte und drehte sich zu uns um. "Ich hab die Wahrheit gesagt. Seit Thorin diese Frau an geschleppt hat, haben wir nichts als ärger. Sie wickelt hier doch alle um den kleinen Finger. Selbst Dwalin schuftet schon für sie. Und jetzt ist ihretwegen der kleine Ori schwer verletzt. Der naive Dummkopf. Wie konnte ihm nur in den Sinn kommen, sich auf eine dahergelaufenen Menschenfrau einzulassen", knurrte er. "Wie hast du sie grade genannt?", kam es von Fili und er machte einen großen Schritt auf den rothaarigen Zwerg zu. Ich keuchte erschrocken und sah zu den Beiden hinüber. Kili hielt mich an der Schulter fest und fixierte Gloin mit scharfen Augen. "Sie ist ein dahergelaufenes Menschenweib. Ich frage mich, wie ihr so blind sein könnt. Sie wird noch unser aller Verderben sein. Ich sags euch", fauchte er und verschränkte die Arme vor der Brust. "Nimm das sofort zurück Gloin", kam es entrüstet von Kili. "Sonst was, Prinzchen?", fragte Gloin provokant und schaute an Fili vorbei. Ich musste schlucken. Die Stimmung schien nahe dem Siedepunkt zu sein. Gerade als Kili etwas auf Gloins Worte erwidern wollte mischte sich Bifur ein der Gloin eine Hand auf die Schulter legte und ihm etwas in Ohr flüsterte. Daraufhin nickte dieser, warf uns dreien nur einen vernichtenden Blick zu und verschwand dann aus dem Zelt. Als er verschwunden war, fauchte Fili kurz etwas in seiner Volkssprache. "Fili! Das will ich nicht noch mal von dir gehört haben", kam es zornig von Thorin und der blonde Junge zuckte heftig zusammen. "Aber es ist doch wahr", meinte Kili trotzig. "Ob es wahr ist oder nicht interessiert mich nicht. Meine Neffen nehmen solche Schimpfworte nicht in den Mund. Schon gar nicht gegenüber Mitgliedern ihres eigenen Volkes. Und jetzt bringt endlich Cuna in ihre Ecke. Ich will sie heute nicht mehr sehn", knurrte er mit schneidender Stimme und knallte einige Waffen auf den Ständer, die bei der Rangelei runter gefallen waren. Ich zog bei dem Knall den Kopf ein und starrte zu Boden. Nun war es wirklich überdeutlich, dass er sauer auf mich war. Und ich konnte es ihm nicht mal verübeln. Vermutlich hatte ich durch mein Eingreifen seine ganze Autorität vor seinen Männern untergraben. Bei einem so stolzen Mann wie ihm, zehrte dies wohl ordentlich am Nervenkostüm. Alles in allem lagen bei jedem dort die Nerven blank. So übel gelaunt hatte ich die Herren noch nicht erlebt. Nichtmal Balin sah sich noch im Stande mir ein tröstendes Lächeln zu schenken, als ich zu ihm hinüber sah. Er schüttelte einfach nur den Kopf, als er bemerkte das ich ihn musterte. Die beiden Brüder hatten sich derweilen wieder zusammen gefunden und führten mich hinter meinen Leinenvorhang. "Brauchst du noch was?", fragte Kili leise mit bedrückter Stimme. Ich sah ihn an und schüttelte nur den Kopf. "Besser ihr.,.. geht raus und... räumt mit auf... bevor... euer Onkel... ihr wisst schon...", sagte ich schlicht mit stockender Stimme und suchte in meinem Rucksack nach einen neuen Shirt, das ich mir über warf. Kili seufzte und ging schon mit hängenden Schultern hinaus. Fili blieb noch hinter dem Vorhang stehen. "Hör mal... Egal was Gloin gerade über dich gesagt hat. Das ist nicht wahr", sagte er entschlossen und ich blickte zu ihm auf. "Doch Fili. Es ist wahr", murmelte ich. Der blonde Zwerg hockte sich vor mich und fasste mich an den Schultern. "Lass dir doch von diesem alten Stinkstiefel so was nicht einreden. Er hat dich ja nicht mal so kennen gelernt wie wir dich", sagte er und sah mich ernst an. "Fili. Ori hat sich meinetwegen von diesen Kerlen zusammen schlagen lassen. Er wollte mich beschützen. Und ich... ich hab ihm nicht mal helfen können", sagte ich und mir bebten die Lippen. "Cuna. Du hast ihm geholfen indem du uns dazu geholt hast. Du konntest einfach nicht mehr tun. Jetzt wein bitte nicht weiterhin. Er kommt wieder auf die Beine. Du wirst sehen. Er ist immerhin ein Zwerg. Morgen sieht bestimmt alles wieder besser aus. Vertrau mir ", erwiderte Fili ruhig und optimistisch. "Fili!", blaffte eine sehr barsche Stimme vor dem Vorhang. "Du musst gehen", sagte ich und schob ihn sanft von mir weg. Er nickte und erhob sich. Als er draußen war, zog jemand anderes den Vorhang fest zu. Nun saß ich im Dunkeln mit mir allein. Ich blieb auf dem Rand meiner Liege sitzen und schloss die Augen. Den Kopf legte ich auf die Knie und ich lauschte dem, was sich sonst noch im Zelt um mich herum tat. Viel wurde nicht gesprochen. Und wenn dann redeten sie nur noch in ihrer Muttersprache. Es war ganz so, als wollten sie nicht, dass ich hörte über was sie sich unterhielten. Oder vielleicht war es ihnen auch gerade etwas zu wider die Menschensprache zu benutzen, weil sie alle samt recht aufgeregt waren. So was passierte mir auch wenn ich gerade etwas überdreht war. Dann begann ich irgendetwas in meinem Heimatdialekt von mir zu geben, dass in dieser Gegend niemand verstehen konnte. Manchmal war es sehr hilfreich und auch belustigend die Gesichter der Menschen dabei zu beobachten, wie sie den Sinn in meinem Worten suchten. Doch das hier war etwas anderes. Es fühlte sich so an, als hätten sie von dem einen auf den anderen Moment ihr Vertrauen in mich wieder verloren. Beziehungsweise in die Menschen allgemein, die sich dort befanden. Mit diesen kleinen Kerlen war es auch immer das selbe. Man konnte sich nie wirklich sicher sein, mit was man wann zu weit ging, worin man sich einmischen konnte und wo man besser seine, in meinem Fall, gebrochene Nase raus hielt. Allein dass Thorin gesagt hatte, er wolle mich an diesem Tag nicht mehr sehn, nagte sehr an meinen Gefühlen. Aber was erwartete ich da eigentlich von ihm? Dass er mich in den Arm nahm und mir sagte: "Hey ist doch alles gar nicht so schlimm. Ori wurde verletzt und du hast die Typen beschützt, die uns beklauen wollten und dich entstellt haben. Aber das nehm ich so hin" ? Das würde er niemals tun. Nicht mal in meiner blühenden Fantasie könnte er sich so verhalten, wenn es für ihn um so etwas wichtiges ging. Nein, dem Zwerg gingen da wohl doch seine Schätze, sein Stolz und seine Familie über alles andere. Und offensichtlich hatte ich es unbewusst beinahe geschafft, eines davon kaputt zu machen. Was ich mit Balin an diesem Morgen, der eigentlich so schön begonnen noch besprochen hatte. Es schien inzwischen weit entfernt von mir zu sein. Das mit dem Widerspruch bezüglich des Turniers, war ja eine Sache gewesen. Aber ich hatte nun seinen Geduldsfaden mir gegenüber endgültig zum Reißen gebracht. Da half keine einfache Entschuldigung mehr. Der Käse war buchstäblich gegessen. Aus und vorbei, die Chance ihm vielleicht ein wenig näher zu kommen. Wobei ich mich fragte, warum ich überhaupt auf diesen gloreichen Gedanken kam. Was bildete ich mir denn auch ein? Ich und ein Thorin Eichenschild eng umschlungen auf meinem Nachtlager? Da sprachen nur die weiblichen Hormone aus mir. Die zwei Jahre Abstinenz, die ich hinter mir hatte. Wieso traf ich auch ausgerechnet auf so einen Mann, bei dem mir sämtliche guten und schlechten Vorsätze abhanden kamen, wenn ich ihn nur von Ferne sah? Und machte mir selbst, dann noch Hoffnungen auf ein kleines Techtelmechtel oder Stelldichein? Wenn nicht sogar mehr? Wie absolut verpeilt konnte ich denn noch werden? Oder würde ich bald auch so bei ihm sitzen wie Ori und mich dann ebenfalls Freind-zonen lassen müssen, weil ich einfach nie im Leben in der Liga diese Kerls spielen konnte? Gloin hatte wirklich recht mit seinen Worten. Ich war nur eine dahergelaufene Menschenfrau. Noch dazu eine so selten dämliche. Sicher würde Thorin mich einfach aus dem Stegreif sitzen lassen. Sich seine Freunde und Familie schnappen und dann für immer aus dieser und anderen Welten verschwinden. Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass er dann nicht mal mehr im Online Mittelerde zu finden sein würde. Da bräuchte ich schon mal gar nicht anfangen zu suchen. Wer weiß was er denn noch mit dem Arkenstein tun konnte? Vielleicht alle Bilder von ihm, auch die, die andere als Fanarts gezeichnet hatten, auf nimmer wiedersehen verschwinden lassen? Oder konnte er sogar sämtliche Erinnerungen an unser Treffen hier aus meinem Gedächtnis verbannen? Würde ich mich dann gar nicht mehr erinnern, wer dieser Mann, dessen Bild ich tausendfach schon bewundert hatte war? Könnte ich darüber vielleicht sogar glücklich sein? Oder würde mir unterbewusst etwas fehlen? Mein Herz verkrampfte sich Schmerzhaft. Es tat plötzlich so unglaublich weh, dass ich kaum noch Luft bekam. So heftig hatte ich es seit dem einen Abend nicht mehr geschmerzt, als ich Ori von meinem Mann erzählen wollte. Infolge dessen bahnte sich bei mir wieder eine Panikattacke an. Ich musste irgendwas tun, um nicht los zu schreien. Ich wollte nicht noch mehr Aufmerksamkeit bekommen. Geschweige denn die Herren vor meinem Vorhang noch mehr reizten. Also griff ich so schnell ich konnte mein Kissen und rammte einfach meine Zähne in den Stoff. Diesmal sah mich niemand und es sollte mich auch keiner hören, als ich neben meine Liege rollte und mich am Boden zusammen krampfte. Es war krank. Es war einfach nur noch Krank. Ich hatte mich von der einen Sache noch nicht ganz gelöst und schon setzte mir eine Neue zu. Dazu auch noch eine, die unmöglicher nicht sein konnte. Eine, die ich hätte vermeiden können, wenn ich sie von Anfang an nicht so auf die leichte Schulter genommen hätte. Aber es war definitiv zu spät für mich. Und seit dem Nachmittag erst recht. Wieder begann es in mir zu kribbeln, als ich die Bilder dieser verfänglichen Situation in meinem Bewusstsein aufrief. Die erhitze Fantasie, die mir in der Dusche durch den Kopf gestreift war. Ich wollte nicht daran denken. Nicht schon wieder! Ich wollte nicht wieder seine Berührungen auf meiner Haut spüren. Nicht seine Stimme hören, die mir zärtlich ins Ohr flüsterte. Erst recht nicht diese drei Worte, die er nie zu mir sagen würde. Seine Lippen, von denen ich nun wirklich nicht wusste, wie sie sich anfühlten, auf meinen ruhen zu lassen. Ich wollte nicht seinen verführerischen Duft einatmen, der mir sämtlichen Verstand raubte und mich in seiner Gegenwart willenlos werden ließ. Mein ganzer Körper stand unter Spannung. Die Fantasie wollte und wollte nicht vergehen. Sie wurde nur noch intensiver, je mehr ich versuchte sie abzuschütteln. Es war so lange her. So verdammt lange, dass ich mich in etwas Vergleichbarem verloren hatte. Zuletzt vor knapp zehn Jahren bevor ich mit meinem Mann zusammen gekommen war. Doch diesmal war es kein gutes Omen. Hier stand nichts unter einem guten Stern. Ich war diesmal offensichtlich dabei einem Mann zu verfallen, dessen Herz sich niemals für eine Frau öffnen würde. Und für eine Menschenfrau erst recht nicht. Ich interpretierte gewiss nur zu viel in reines Wohlwollen hinein. Oder wie er es am Vortag gesagt hatte... Mitleid. Mitleid war es, was ihn dazu bewogen hatte, mich nicht mies zu behandeln. Vermutlich hatte Dwalin ihm auch von dem zerstörten Grab erzählt, weshalb er an diesem Tag trotz schlechter Laune mir gegenüber so lange ruhig geblieben war. Ich kam in einem zu dem Schluss, wenn es soweit war, dass er lediglich so was für mich übrig hatte, dann konnte sich daraus unmöglich mehr ergeben. Dann war nicht mal eine normale Freundschaft mit ihm möglich. Es würde immer nur DAS zwischen uns stehen. So hatte ich es auf keinen Fall haben wollen. Nie und nimmer! Ich fuhr mir unwirsch durch die eh schon zerzausten Haare und raufte darin herum, während meine Zähne weiterhin das Kissen malträtierten. Ich war so blöd. Absolut saumäßig blöd. "Himmel, Gesäß und Nähgarn! Reiß dich zusammen Jacky!", brüllte ich mich selbst in Gedanken an. "Der Kerl ist es nicht wert! Der lässt dich am ausgestreckten Arm verhungern! Den wird es nie interessieren, was du für ihn fühlst, also lass ihn endlich fallen! Andere Mütter haben auch schöne Söhne. Warum willst du ausgerechnet einen Zwerg an deiner Seite haben? Noch dazu einen Zwergenkönig? Wenn du dir Mühe geben würdest, dann könntest du dir einen von diesen coolen Metaller Jungs angeln, die genauso in dein Beuteschema passten. Also warum ausgerechnet diesen unmöglichen Kerl da?!", schrie mich meine innere Stimme zusammen. Ja... Warum?... Warum ihn? Warum jetzt? Wozu die ganze Aufregung? Er war es nicht wert... Dafür war ich mir doch zu schade... Wozu ließ ich mein Herz zunächst von ihm öffnen und dann unter seinen schmutzigen, eisenbeschlagenen Stiefeln wieder zertreten? Wie war es nur soweit gekommen, dass ich solche Qualen seinetwegen durchleben musste? Dass er womöglich irgendwann noch laut lachend vor mir stand. Mir mit seiner kräftigen Hand in den Brustkorb griff. Mein Herz fest damit umklammerte. Dann mit einem gewaltigen Ruck heraus riss. Es grimmig lächelnd in der selben Hand fest hielt um es dann fallen zu lassen, um es dann laut und gehässig lachend auf dem schmutzigen Boden zu zerquetschen. Mich dann einsam und frierend in der Finsternis zurück zu lassen, um nie wieder zu kehren. Einfach alles auszulöschen was es für mich von ihm gab. Und alles was von mir zurück blieb war eine leer, seelen- und herzlose Hülle. Gefangen in einer Welt voller Menschen ohne Gesichter. Grau in Grau. Sonnenstrahlen, doch keine wärme. Schnee doch berührte die Kälte meine Haut nicht. Die Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst, Winter verloren jegliche Bedeutung. Ich konnte nur Vorwärts gehen und lief doch auf der Stelle, während sich die Welt weiter um mich drehte. Tag zur Nacht und Nacht zum Tag wurde. Doch es gab kein hell und dunkel mehr. Sonne und Mond konnte man nur allein an ihrer Form erkennen. Unter meinen Füßen gab es auch kein schönes, weiches, fluffiges, grünes Gras. Da war nur kalter, nackter Stein, der sich nahtlos an die Häuser am Rand anschmiegte. Die Fenster der Häuser waren lichtlos und schwer. Regenwolken fegten im Herbst dieser bizarren Welt über den farblosen Himmel. Das Wasser kam herab, doch ich konnte keinen einzigen nassen Tropfen auf meinem Körper fühlen. Die Fenster der Häuser. Sie schienen zu weinen begonnen zu haben. Sie weinten um all das Schöne und Gute, was wohl mal da gewesen war. Doch wo war es hin gegangen? Was war es mal gewesen? Von wo war es gekommen? War es dort hin zurück, wo es her kam? War es dort vielleicht besser? Eine andere Welt? Eine Welt mit Farben, mit Geräuschen, mit Gesang und Tanz? Eine Welt mit hell und dunkel? Eine Welt in der bunte Blumen auf saftigen sonnenbeschienenen Wiesen standen und Vögel am Tage sangen? Wo bei Nacht die Grillen leise auf ihren kleinen Geigenbeinchen spielten und die Sterne und der Mond ein Fest am Nachthimmel zu dieser Musik feierten? Und die Glühwürmchen, die sich mit Freude zu den Sternen gesellten, um mit ihrem Glanz zu beeindrucken? War es dort?... War.... Er... dort?... Wartete er... vielleicht... dort auf mich?... Auf der Wiese mit den tausend bunten Blumen? Dort auf dem kleinen, sanften Hügel unter dem Schatten eines uralten Eichenbaumes? Lag er dort an den Stamm gelehnt, in tiefen Schlaf gesunken? Erschöpft von seinem Tagewerk, um der Hitze der Nachmittagssonne zu entkommen? Wartete er vielleicht nur darauf, das jemand zu ihm kam, um ihn zu wecken und zu sagen, dass es Zeit wäre zurück nach Hause zu kehren, weil der Abend bereits angebrochen war? Und wenn er wach war... würde er dann lächelnd aufstehen und Arm in Arm mit mir den sanften Hügel hinab schreiten zu dem kleinen Häuschen am Fluss aus dessen Kamin sich kleine Wölkchen weißen Rauches ringelten? Aßen wir gemeinsam das Abendbrot, was ich zubereitet hatte am Tisch und sprachen über die vergangenen Stunden, die jeder von uns allein zugebracht hatte? Saßen wir des Abends gemeinsam am Kaminfeuer und erzählte er mir von seinen vielen Reisen, während er seine Pfeife rauchte? Gingen wir dann gemeinsam zu Bett, wo er mich, wie jeden Abend in diesem Land, in den Schlaf sang? Wo die Sterne und der Mond durch die kleine Scheibe im Dach auf uns hernieder sahen und uns lächelnd Gute Nacht wünschten?... War es dort wo wir... für immer.... glücklich sein konnten?... "CUNA! BEI DURINS BART!", drang panisch ein Schrei in die friedliche Nacht hinein. Ich zuckte mit dem Kopf hoch und sah mich verwirrt um. Wo war das Flüsschen und das Haus mit dem lächelnden Mond und den Sternen hin? Die wunderschöne Wiese mit den tausend Blumen und dem alten Eichenbaum auf dem sanften Hügel? Gut, Wiese war da. Genau unter mir. Aber da waren keine Blumen und es war auch nicht wirklich hell, obwohl hinter mir Licht herein zu kommen schien. Nur langsam dämmerte es mir. Es war nur ein Traum gewesen. Ich war über meiner Grübelei eingeschlafen und hatte wirr vor mich hin geträumt. Ich erinnerte mich. Ich war neben meine Liege gefallen, nachdem ich eine Panikattacke bekommen hatte. Ich lag nun mit dem Bauch auf dem Boden daneben und mein Mund schmeckte nach Daunenfedern und ein bisschen Gras, in das ich wohl auch noch nebenher gebissen haben musste. Langsam nahm ich auch die Geräusche der Umgebung wahr. Und jemanden, der zu mir gestürzt kam und an den Schultern packte. Er drehte mich herum, um mich genau zu mustern. Ich hob meinen Blick und sah noch etwas benommen in die dunklen Augen von Kili, der mich entsetzt anstarrte. "Kili?...", nuschelte ich heiser. "Ja, ich bin es. Schreck lass nach, wie siehst du aus? Hast du die ganze Nacht neben deinem Schlaflager verbracht?", fragte er und hob mich mit Leichtigkeit wieder darauf. Ich hatte etwas mühe gerade sitzen zu bleiben. Mir platzte fast der Kopf. Sämtliche Körperteile taten mir weh. Und mich fröstelte sogar ein wenig, obwohl es doch eigentlich recht warm war. "Sag doch was, Cuna", bettelte der junge Zwerg neben mir und tastete fahrig mein Gesicht ab. Offenbar versuchte er dieses von Schmutz zu befreien, denn er leckte sich immer wieder am Daumen und fuhr dann über meine Wangen. "Bin raus gefallen... glaub ich", log ich nuschelnd. "Offenbar nicht nur das... Hast du versucht dein Kissen zu fressen?", fragte er entsetzt, hob es hoch und Federn fielen heraus. Tatsächlich war darin ein Loch zu finden. Genau an der Stelle, wo ich hinein gebissen hatte. Ich bewegte mich fast wie in Zeitlupe, als ich es ihm abnahm und sanft auf das Kopfende meiner Liege legte. "Warum bist du hier, Kili?", fragte ich langsam ohne ihn anzusehen. "Warum ich... Oh ja... Natürlich... Ich wollte dich holen, um dir zu sagen das Ori aufgewacht ist. Ich dachte du würdest ihn vielleicht sehen und mit ihm sprechen wollen", meinte er und ich drehte mich bedächtig zu ihm um. "Geht es ihm denn besser?", kam es erneut langsam aus meinem Mund. "Ja.. nun... also... So gut wie es jemandem gehen kann, der am Vortag Prügel bezogen hat. Er ist schon wieder auf den Beinen und war auch bereits beim Frühstück. Aber was in Durins Namen ist mit Dir?" Ich zuckte ruhig mit den Schultern und sah ihn ausdruckslos an. "Was soll denn sein? Ist doch alles gut, Kili", antwortete ich und erhob mich. Er stand ebenfalls auf und packte mich völlig entgeistert an den Oberarmen. "Cuna. Mit dir ist nicht alles gut. Sag mir doch. Was hast du? Hast du schmerzen? Bist du traurig? Oder hast du Hunger?", stammelte er und wirkte mit jeder Frage verzweifelter. "Mit mir ist alles gut, Kili. Wirklich. Zeig mir wo Ori ist. Ich muss mich noch bei ihm bedanken", erwiderte ich ruhig. Er ließ meine Schultern los und machte mit verängstigtem Blick einige Schritte rückwärts. Ich verstand gar nicht, warum er mich so ansah. Er hatte doch gar keinen Grund dafür. Oder sah ich wirklich so furchterregend aus? Das sollte ich mir vielleicht zuerst im Klowagen im Spiegel ansehen. Ich machte ein paar Schritte und ging an ihm vorbei, hinaus aus meiner Kuschelhöhle und ins Zelt. Niemand war da. Das hatte ich schon erwartet. Aber es schien auch nicht wirklich wichtig zu sein, ob jemand da war oder nicht. Stattdessen konnte man von draußen wieder Baulärm hören. Dort waren sicherlich die Anderen am arbeiten. Nun da es auf dem Weg zum Klowagen lag, konnte ich auch gut und gerne dort hin gehen. Vielleicht wäre Ori ja dabei und ich könnte mich bedanken. Also ging ich drauf los. Ja, da waren die Herren. Wieder emsig darum bemüht ihren Hochsitz zu bauen. Als ich näher kam hielten die Ersten in ihrer Arbeit inne. Ich blieb stehen und sah einfach nur schweigend zwischen ihnen umher. Da hinten sah ich den Kleinen, der dabei war die Nägel zu sortieren. Die Schwellung über seinem Auge war nicht mehr ganz so dick, dafür aber blau-lila angelaufen. Ich hielt munter auf ihn zu. Vorbei an den fragenden und misstrauischen Blicken der anderen. Als ich mich vor ihn hin stellte, hob er langsam den Kopf und ein lächeln breitete sich auf seinem geschundenen Gesicht aus. "Cuna. Guten Morgen. Wie geht es dir?", fragte er und unterbrach seine Arbeit. "Mit mir ist alles gut. Was ist mit dir?", fragte ich ruhig und langsam. "Ach schon gut. Zwergenkraut vergeht nicht. Aber bist du dir sicher, dass mit dir alles gut ist?", erwiderte er und musterte mich besorgt. "Ja, Ori. Mit mir ist alles Gut. Ich wollte mich nur kurz bei dir bedanken", sagte ich und trat etwas näher auf ihn zu. "Ach, das hab ich doch gerne gemacht. Ich meine.. also ich... äh... Schließlich hast du ja niemanden, der dich beschützt. Und warum sollte ein Mann eine Frau in Nöten nicht beschützen", sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Ich kam ihm unterdessen noch viel näher. "Für deine Heldentat hast du dir eine Belohnung verdient", sagte ich ruhig und spürte nur schattenhaft ein Lächeln auf meinen Lippen. Er musterte mich mit einem mal verunsichert und schluckte gut hörbar. "Also... du... du brauchst mich für nichts zu belohnen. Das ist Ehrensache", meinte er zunächst Motiviert, doch dann schien ihm das Herz in die Hose zu rutschen und er sah mich genauso entgeistert an wie Kili. "Cu.... Cuna... was ist mit dir?", fragte er und machte einen Schritt rückwärts, als ich noch näher kam. "Mit mir ist alles gut...", sagte ich und hob langsam und vorsichtig die Arme. "Darf ich?", fragte ich dann fast flüsternd. "Was... was hast du... vor...?", fragte er, doch noch ehe er einen weiteren Schritt zurück tun konnte, hatte ich ihn vorsichtig umarmt und ihm ein Küsschen auf die Wange gedrückt. Erschrocken zuckte er in meinen Armen zusammen. Dann löste ich mich wieder. Ich sah wie er die Hand an die Stelle legte, wo ich ihn berührt hatte. Seine Augen weiteten sich verblüfft und gleichzeitig besorgt. "Cuna... Was... was war das?... Wieso...?", stammelte er. "So bedanken sich Frauen nun mal bei ihren Rettern. Aber jetzt entschuldige mich. Ich muss eben woanders hin", meinte ich und zog meines Weges. Im Klowagen stellte ich mich vor den Spiegel. Nun eigentlich sah ich gar nicht so schlecht aus fand ich. Klar meine Haare standen ein wenig zerzaust in alle Richtungen ab und mein Gesicht war etwas schmutzig, aber das konnte ich ja nun Waschen. Nachdem das erledigt war, schritt ich die Stufen des Klowagens hinunter und wurde sofort von einer ganzen Traube Zwerge angestarrt, die alle samt so aussahen, als wäre ihnen gerade ein Geist über den Weg gelaufen. "Äh... Cuna.... ist alles in Ordnung?", fragte Fili, der vorne an der Treppe stand. Ich musterte ihn. Warum fragten das denn auf einmal alle? "Ja Fili. Mir geht es gut", sagte ich wiederholt auch ihm. "Ist es nicht verflixt noch mal!", hörte ich Kili hinter der Gruppe brüllen. Er stürzte nach vorne und sah mich ernst an. "Du... du bist nicht mehr du... Wieso verhältst du dich so komisch?", fragte er und schüttelte mich heftig an den Schultern, wie schon vorhin im Zelt. "Ich verhalte mich komisch? Warum sagst du denn das? Es ist doch alles...", sagte ich und wurde im gleichen von ihm unterbrochen. "Cuna hör auf! Du machst mir angst. Komm wieder zu dir. Du bist nicht bei Sinnen!", rief er mit panischer Stimme. Die anderen Zwerge machten nun ebenfalls einen Schritt zurück. So wie es Ori und Kili zuvor getan hatten. "Sie... Sie ist besessen...", hörte ich Bofur flüstern. Ich sah über Kilis Schulter hinweg und lächelte den Zwerg mit den beiden Zöpfen an. "Aber wo denkst du hin lieber Bofur.... Ich bin doch nicht besessen. Es ist alles gut", sagte ich. "Kili. Geh weg von ihr. Sofort!", hörte ich eine sehr bekannte tiefe Stimme befehlen. Doch von wem kam sie? Wem gehörte diese vertraute Stimme? Ich schien sie zu kennen. Doch konnte ich sie nicht zuordnen. Die Reihen der Zwerge lichtete sich und dort kam noch ein Zwerg auf mich zu. Er war genauso groß wie ich. Hatte langes, dunkles Haar und einen kurzen dunklen Bart. Seine blauen Augen musterten mich ernst, als er genau vor mir stand. Ich kannte dieses Gesicht. Nur woher? "Cuna. Sieh mich an", sagte er und ich blickte ihm ruhig ins Gesicht. Er hob eine Hand und legte diese an meine Wange. Er sah mir in die Augen und ich sah zurück. Er hatte wirklich schöne Augen. Einerseits streng und ernst. Aber andererseits besorgt. "Cuna... Geht es dir gut?", fragte er mich ruhig mit seiner dunklen Stimme. "Ja... Mir geht es gut", sagte ich und er legte den Kopf schief. "Ganz sicher?", hakte er nach. "Ja... ganz sicher", antwortete ich langsam. Doch eine Frage brannte mir auf dem Herzen, wie ich ihn so ansah. "Aber... Kannst du mir sagen... Wer du bist?" - 28. Schlaflos / ENDE - Kapitel 29: 29. Herzeleid ------------------------- Ich musterte den Mann mit den dunklen Haaren vor mir. Ich wusste, dass ich ihn kannte. Aber weder seit wann noch woher. Und auch er machte nun einen Schritt zurück, nachdem ich ihn fragte, wer er denn war. Seine schönen blauen Augen weiteten sich vor Entsetzen. Ihm klappte einen Moment der Mund auf und er versuchte zu sprechen, doch dann schüttelte er Fassungslos den Kopf und sah zu Kili und Fili. "Habt ihr Beide ihr Gestern die Ohren nicht richtig zu gehalten?", fragte er mit seiner dunklen Stimme, die vor Entsetzen gerade zu bebte. "Doch. Doch das hab ich. Ich schwöre es dir, Onkel", sagte Fili und trat einen Schritt auf ihn zu. Ich sah ruhig rüber zu Fili und hob langsam eine Augenbraue. "Du hast einen Onkel? Das hast du mir nie erzählt", sagte ich und fing mir sofort eine Menge fragender Blicke ein. Was hatten sie denn auf einmal? Hatte ich etwas Falsches gesagt? "Bist du sicher, Fili? Hat sie nichts gehört?", fragte der Mann und fasste den blonden Jungen an den Schultern. Dieser nickte ihm eifrig zu. "Thorin, ich glaube nicht, dass sie vom Fluch getroffen wurde. Dann hätte dies schon gestern Abend so angefangen. Außerdem scheint sie uns andere noch alle zu kennen", kam es von Balin, der sich dem Mann von der Seite näherte. Ich legte den Kopf schief. Thorin.... Thorin.... Der Name kam mir vertraut vor. Aber woher? Sonderbar... Im Hintergrund hörte ich Gloin laut schnaubend mit einigen der anderen reden:"Ich sags euch. Die Frau ist übergeschnappt." Ich blieb ruhig stehen und dachte über Gloins Worte nach. Übergeschnappt? Wovon redeten sie denn da? Es ging mir doch gut. Nun ja bis auf die sonderbaren, heftigen Kopfschmerzen, die nicht vergehen wollten. Vielleicht sollte ich ein wenig spazieren gehen, damit sich diese etwas legten, dachte ich. Ich atmete tief durch und wollte gerade davon gehen, da fasste mich der dunkelhaarige Mann fest am Oberarm. "Wo willst du hin?", fragte er und musterte mich ernst. "Ich will spazieren gehen. Heute ist so ein schöner Tag. Vielleicht finde ich ja eine schöne Wiese mit vielen Blumen", meinte ich und wieder spürte ich dieses schattenhafte Lächeln auf meinen Lippen. "Du gehst in dem Zustand bestimmt nirgendwo hin. Du kommst schön mit zurück zum Zelt", sagte er schlicht und begann mich hinter sich her zu ziehen. Seine überaus starke, raue Hand hielt so mich fest, dass mir der Arm bald schmerzte. Was wollte dieser Mann nur von mir? Woher wusste er in welchem Zelt ich schlief? "Bitte. Zieh doch nicht so. Du tust mir weh", sagte ich und versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. Er aber hörte nicht auf meine Worte und blieb erst kurz vor dem Zelt stehen, ehe er sich zu mir um drehte. "Hör zu, Cuna. Es ist sehr wichtig, dass du jetzt genau das tust, was ich dir sage. Und du musst mir versprechen, dass du dich daran hältst", meinte er und ließ meinem Arm wieder etwas mehr Spielraum. "Ich will doch nur spazieren gehen. Was hast du denn vor mit mir? Wieso tust du das?", fragte ich und ein Anflug von Furcht kroch mir in die Brust. Er musterte mich eine Weile, bevor er weiter sprach: "Bleib im Zelt und geh auf dein Schlaflager. Ich weiß nicht, was mit dir geschehen ist, dass du dich nicht mehr an mich erinnern kannst. Aber ich werde versuchen es heraus zu finden. Im Augenblick ist es für dich hier draußen sehr gefährlich. Wenn ich eine Antwort gefunden habe, komme ich zu dir. Hast du verstanden?" Ich musterte ihn fragend, als er mir direkt ins Gesicht blickte. Wieso kam er mir nur so bekannt vor? Wer war dieser Mann? Einerseits machte er mir angst. Andererseits hatte ich das Gefühl ihm vertrauen zu können. Ich wusste dass ich ihn wohl kennen sollte, doch je mehr ich darüber nachdachte, umso weniger schien ich zu wissen. Noch dazu begann mein Kopf immer stärker zu pochen. Was war nur auf einmal mit dieser Welt los? Am vorherigen Tag schien noch alles in Ordnung gewesen zu sein. Doch was war nun? Ich wusste nicht was geschehen war. Alle schienen irgendwie seltsam drauf zu sein. Aber vielleicht hatte er ja recht und er würde eine Antwort finden. Ja ganz bestimmt würde er das. Ich konnte es irgendwo in meinem Herzen fühlen, dass er dazu wohl im Stande war. "Also gut. Ich gehe rein und warte auf dich. Aber wenn du eine Antwort gefunden hast, darf ich spazieren gehen, oder?", fragte ich und er nickte einfach knapp. Dann ließ er mich los und ich ging langsam ins Zelt zu meinem Schlafplatz, während er irgendwo hin verschwand. Ich setzte mich auf mein Schlaflager und nahm mein Schäfchen in die Hand. Ich wog es nachdenklich hin und her. Ließ es irgendwann über meine Liege "laufen". Da hörte ich mit einem Mal Stimmen näher kommen. "... Bofur, ich glaube nicht, dass das funktioniert", drang die Stimme von Nori ins Zelt, doch Bofur klang optimistisch: "Ach lasst mich nur machen. Das hilft ganz bestimmt." "Wenn das mal gut geht...", klagte die Stimme von Dori. Ich lauschte ruhig. Was da wohl vor meinem Vorhang los war? Neugierig erhob ich mich, um nach zu sehen. Ich hatte die Öffnung fast erreicht, als der Stoff weggezogen wurde und Bofur schreiend rein gesprungen kam und Fratzen schnitt. Ich blieb stehen und musterte ihn ruhig. "Bofur, was machst du da?", fragte ich langsam. Er erstarrte mitten in seiner Bewegung und ihm entglitten ein wenig die Gesichtszüge. Es dauerte etwas bis er sich wieder gerade vor mich hin gestellt hatte. "Äh... Nichts... Kannst du dich denn jetzt wieder an Thorin erinnern?", fragte er und sah mich mit hoffnungsvollem Blick an. "Thorin... ich weiß, ich kenne den Namen. Aber wer ist das?", fragte ich ihn. Seine Miene veränderte sich und spiegelte mit einem mal Enttäuschung wider. "Ich hab doch gewusst, dass erschrecken nicht hilft. Das wirkt nur gegen Schluckauf", sagte Dori, der seinen Kopf hinein steckte. "Was macht ihr denn für Sachen? Und wo ist der Mann, der mit Antworten wiederkommen wollte?", fragte ich belustigt, doch klang ich dabei merkwürdig hohl. "Der ist eben weg gegangen", kam es von Nori, der nun ebenfalls hinein schaute. "Das finde ich aber wirklich nicht nett von ihm. Er wollte mir doch helfen. Und jetzt ist er selber spazieren gegangen?", fragte ich und kam langsam aus meiner Kuschelhöhle. Dort standen noch die Anderen im Zelt. Einige im Eingang, der Rest irgendwo in der Mitte verteilt. Darunter auch Fili und Kili, die beide unglaublich besorgte Gesichter machten. Wenn ich nur gewusst hätte warum, dann hätte ich ihnen sagen können, dass sie das nicht tun mussten. Nebenbei schien es mir inzwischen auch viel zu blöde darauf zu warten, dass irgendeine Antwort auf mich zu kam. Vielleicht sollte ich doch spazieren gehen. Immerhin... Was hatte mir ein fremder Mann schon zu sagen? Eigentlich nichts, oder? Also wollte ich an den beiden Brüdern vorbei und hinaus ins freie schreiten, doch sie hielten mich einfach ohne ersichtlichen Grund auf. "Cuna. Du sollst nicht nach draußen. Bleib hier, bis unser Onkel wieder da ist", meinte Fili und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich musterte ihn fragend. Er erwiderte meinen Blick und sah dabei irgendwie traurig aus. "Ich hab eine Idee!", rief Dori plötzlich hinter uns aus und ich wand langsam den Kopf zu ihm. "Was denn für eine?", fragte ich ruhig. Er aber eilte, ohne mir eine Antwort zu geben, nur flux an uns vorbei und sagte: "Setz dich einfach auf einen Schemel. Ich bin gleich zurück." Vorsichtig zuckte ich mit den Achseln. Was hatte er denn nun wieder vor? Ich schüttelte nur matt den Kopf und suchte mir einfach einen Schemel auf dem ich platz nehmen konnte. Die anderen Zwerge musterten mich neugierig in dieser Zeit. Wenig später war der kleine grauhaarige Mann auch schon wieder da. Er trug einen Teekessel und einen Becher mit sich. "Es geht doch nichts über einen guten Tee. Vielleicht bringt der deine Gedanken wieder in Ordnung", meinte er, reichte mir den Becher und schenkte ein. Ich roch kurz an dem dampfend heißen Getränk. "Was ist das?", fragte ich und begutachtete die Farbe. Der Tee war dunkel und hatte einen leichten Stich ins gelblich Grüne. "Das ist Kamille. So was hilft bei allen Problemen. Nun trink schon, bevor er kalt wird", meinte er, stellte den Kessel ab und schob mir dann den Becher Richtung Mund. Vorsichtig nippte ich daran. Er war noch furchtbar heiß, schmeckte aber ausgezeichnet. Ich lächelte sanft und trank nach und nach weiter. Um mich herum schwiegen die kleinen bärtigen Männer, bis ich ausgetrunken hatte. "Und? Hat es gewirkt?", kam es von Ori, der in vorderster Reihe stand und auf mich hinunter sah. "Mh... also. Er war sehr köstlich", sagte ich und hielt den leeren Becher mit beiden Händen auf dem Schoß fest. Kili hockte sich zu meiner rechten Seite nieder und legte mir eine Hand auf die Schulter. "Weißt du denn jetzt wieder, wer Thorin ist?", fragte er und sah mich erwartungsvoll an. Ich hob nachdenklich die Augenbrauen. Was hatten sie bloß alle mit diesem Thorin? Was war so wichtig daran, dass ich mich daran erinnern sollte, wer derjenige war? Ob dieser dunkelhaarige Mann wohl auf der Suche nach ihm war, um ihn mir zu zeigen? Aber was sollte das bringen? Immer noch starrten mich alle Zwerge so merkwürdig an. Doch ich konnte nur seufzen und den Kopf schütteln. Der Reihe nach brachen sie in frustriertes Stöhnen aus. Aber dann kam schon der Nächste mit einer neuen Idee. "Sie hat seit gestern Abend nichts gegessen. Wie wäre es, wenn ihr jemand was zu Essen besorgt? Mit leerem Magen denkt es sich doch so schlecht. Zumindest ist das bei mir so", meinte Bombur und schlug dabei mit seiner Faust in die offene Handfläche, um seinen Vorschlag zu unterstützen. "Ha! Guter Gedanke. Das wird es sein. Ich geh schnell los", sagte Kili, sprang auf und eilte davon. "Aber was machen wir in der Zwischenzeit?", fragte Bofur und sah sich unter den Anderen um. "Also... Ich hatte ja auch mal kurz mein Gedächtnis verloren, nachdem mir ein Ork diese Axt in den Kopf gerammt hat. Als man da wieder drauf geschlagen hat, hab ich es wieder bekommen", warf Bifur ein und deutete dabei unnötigerweise auf sein Mitbringsel in der Stirn. "Du meinst wir sollen ihr eine Axt in den Kopf rammen, damit sie sich wieder erinnert?", fragte Dwalin und versuchte angestrengt zu überlegen, ob dies wirklich eine weise Option war. "Nichts leichter als das. Das übernehme ich!", polterte Gloin schon drauf los und zog seine Axt vom Gürtel, die er vorhin noch benutzt hatte, um die Bretter zu bearbeiten. "Gloin! NEIN!", brüllte Balin, doch da kam er schon mit großen Schritten auf mich zu und hielt die Axt, wie ein Fallbeil über mich. Gerade noch rechtzeitig stieß Fili mich von meinem Schemel und die Axt zerteilte diesen in zwei Hälften. Ich lag auf der Seite und sah verwirrt zu ihm auf. "Bist du vollkommen übergeschnappt?!", schrie Fili und schubste den rothaarigen Zwerg nach hinten, wo er aufgefangen wurde. Ich beobachtete das Schauspiel. Warum stritten sie auf einmal? "Ich hab nur versucht ihr zu helfen", klagte Gloin mit einem sonderbaren Funkeln in den Augen und riss sich aus den Armen der anderen los. "Helfen nennst du das? Du wolltest sie gerade spalten!", knurrte der blonde Bursche und stellte sich schützend vor mich. Balin kniete sich zu meiner Kopfseite hin und musterte mich unruhig. "Alles in Ordnung mit Euch, mein Kind? Seid Ihr unverletzt?", fragte er. "Ja... Ja... Alles gut... ", sagte ich ruhig. Der kleine, alte Mann nickte erleichtert und half mir langsam auf die Beine. Sein Bruder Dwalin unterstützte ihn dabei. "Also, so wird es bestimmt nicht gehen", meinte dieser schlicht und strich sich über das haarlose Haupt. Ich seufzte nur leise und sah hinüber zum Rest der Gruppe, wo inzwischen Fili und Gloin sich gegenseitig böse an funkelten. Etwas an dieser Situation kam mir seltsam bekannt vor. Ja! Am vergangenen Abend hatten sich die beiden genauso angesehen. Und da war jemand sehr wütend geworden, als Fili ein bestimmtes Wort gesagt hatte. Diese Stimme war so tief und barsch gewesen. Was hatte sie noch mal gesagt? Die Worte waren dumpf und doch irgendwo in meinem Hinterkopf verborgen. Es hatte irgendwas mit Fili zu tun. Ich fühlte ein kurzes Stechen im Herzen und fasste mir an die Brust. "... Meine Neffen nehmen solche Schimpfworte nicht in den Mund...", hallte eben diese dunkle, tiefe Stimme in mir wieder. Diese vertraute Stimme. Sie tat mir plötzlich unglaublich weh. Ich krallte mich hilflos an Dwalins muskulösem Arm fest, damit ich nicht in mich zusammen sackte. Das Stechen war unerträglich. "Bei Durins Bart. Bist du doch verletzt, Weibstück?", fragte Dwalin mit rauer Stimme, der wohl meinen festen Griff bemerkt hatte. Was aufgrund seiner Muskelmasse schon verwunderlich war. "Was geht denn hier vor?", rief jemand dann noch plötzlich laut vom Zeltplatz aus in unsere Richtung. Ich hob keuchend den Kopf und sah im Augenwinkel den dunkelhaarigen Mann auf uns zu laufen. Ihm folgten Kili und meine beiden Freunde Chu und Richi. Was wollten sie denn hier? Und warum brachte dieser Mann sie gerade zu diesem ungünstigen Zeitpunkt zu mir? "Jacky!", hörte ich Chu rufen und schon war sie an meiner Seite, um mich von Dwalin weg zu ziehen. "Was habt ihr Geistesgestörten mit ihr gemacht?!", fuhr sie, sie an und drückte mich an sich. Das Atmen fiel mir wieder so schwer, wie schon am vergangenen Abend. "Wir haben nur versucht ihr zu helfen", versuchte Balin ihr ruhig zu erklären. "Ja. Bis Gloin versucht hat sie mit der Axt zu spalten", kam es unbedacht von Bofur. "Ihr habt was versucht?!", rief Chu aus und versuchte mich noch weiter von ihnen weg zu ziehen. Doch meine Beine wollten einfach nicht so, wie sie wollte. Sie hatten heftig zu zittern begonnen und bewegten sich fast gar nicht. "Was ist mit ihr?", fragte der dunkelhaarige Mann, der nun genau vor mir stand und mich musterte. Seine Stimme. Sie ähnelte der, die ich vorhin kurz in meinen versteckten Erinnerungen gehört hatte. Doch sie klang im Augenblick so anders. Nicht ganz so barsch. Eher ruhiger und sanfter. Sogar sehr besorgt. "Ich habe keine Ahnung. Nachdem Gloin versucht hat sie zu erschlagen und wir sie vom Boden aufgelesen haben, hat sie sich an die Brust gefasst und an Dwalins Arm festgehalten", erklärte Balin irritiert. "Das klingt gar nicht gut", sagte er und ich sah, wie er über die Schulter einen missbilligenden Blick zu dem rothaarigen Zwerg warf. Ich versuchte mich wieder gerade hin zu stellen, doch Chu hielt mich eisern fest. Fili kam zu uns und musterte mich nun noch besorgter als schon zuvor. "Wir sollten sie zu ihrer Liege bringen", meinte er gezwungen ruhig. "Wir sollten eher einen Arzt rufen. Ihr macht sie ja völlig fertig", fauchte Chu. "Schatz. Er hat recht. Legen wir sie erst mal hin. Dann können wir immer noch nen Arzt rufen", kam es von Richi, der ungefragt ins Zelt hinein ging und den Vorhang um meine Liege weg zog. Chu seufzte und versuchte mich im Alleingang zu meiner Liege zu bringen. Nur schienen meine Beine bald den Geist aufzugeben. Die Schmerzen in meiner Brust wurden auch noch umso stärker, als der dunkelhaarige Mann schließlich einfach mit anpackte. Seine Nähe erinnerte mich an irgendwas anderes. Es war ebenfalls am Vortag gewesen nur wesentlich früher. Ja! Da war ein Bild, dass mir plötzlich vor den Augen herum flackerte. Er hatte vor mir gestanden. Er hatte dort eine hölzerne Stange in beiden Händen gehalten und mich scharf mit seinen blauen Augen fixiert. Ich war aufgeregt gewesen. Mein Herz hatte nervös geschlagen. Ich sah wie er in diesem Bild den Mund bewegte. Doch was hatte er gesagt? Ich spitzte die Ohren. Da war noch mehr Krach gewesen. Leute die gejubelt hatten. Anfeuerungsrufe. Ich versuchte gespannt zu lauschen was er gesagt hatte. Da endlich hörte ich es! "Du kannst noch zurück. Sonst garantiere ich für nichts", hatte er gesagt und erneut fuhr mir ein heftiger Stich ins Herz. "Passt auf! Sie fällt!", hörte ich Noris Stimme von irgendwo hinter mir und sie riss mich von dem Bild weg. Was ging hier nur vor? Das war doch nicht normal. War es Traum? War es Realität? Oder alles zugleich? Was ich nur wusste war, dass die Arme, die mich festhielten, nun noch deutlicher zupackten als vorher. Sie hatten mühe mich auf den Beinen zu halten. Ich schüttelte schnaufend den Kopf, der gar nicht mehr aufhören wollte zu schmerzen. "Jacky. Halt aus. Du bist gleich da", flüsterte Chu mir verzweifelt ins Ohr. Dann endlich fühlte ich wie Fell auf meine Hand traf. Ich hatte die Liege erreicht und man schaffte es mich darauf zu legen. Ich spürte, dass ich auf dem Rücken lag. Alles schien sich um mich zu drehen. Ich schloss die Augen in der Hoffnung, dass es aufhörte. "Also. Du hast gesagt, sie ist aufgestanden und konnte sich nicht mehr daran erinnern wer du bist. Ist das richtig?", fragte Richi, der wohl an der linken Seite meiner Liege Platz genommen hatte. "Ja. So ist es. Und ich verstehe einfach nicht warum", hörte ich den Mann von der anderen Seite sagen. Er musste sich ebenfalls gesetzt haben. Ich hörte wie Richi zu seufzen begann. "Chu. Erinnerst du dich an damals?", fragte er über mich hinweg. "Damals? Was meinst du?", erwiderte sie die Frage. Sie saß wohl auf der selben Seite wie der Mann. Nur eben näher an meinem Kopf. "Damals als ihr Mann gestorben ist. Du weißt schon. Da war es genauso", erklärte er. "Ihr meint das ist schon mal passiert?", hörte ich Fili von meinem Fußende her fragen. "Ja stimmt! Sie hat damals vergessen wer wir waren. Konnte sich nicht mehr daran erinnern, dass wir ihre Freunde waren!", rief Chu aus, der offenbar ein Licht aufgegangen war. "Richtig. Und was hat der Arzt damals gesagt, nachdem sie sich wieder erinnert hat?", fragte Richi und Chu antwortete, wie aus der Kanone geschossen. "Kardio-Psychogene-Amnesie!" "Kardi..Psychi.. was?", hörte ich Balin mit verdutzter Stimme fragen. "Also. Man hat es uns so erklärt. Dadurch, dass sie einen sehr geliebten Menschen verloren hat, fürchtete sie, dass sie nun auch uns einfach verlieren würde, da wir ihren Mann ja schon länger kannten und vor ihr mit ihm befreundet waren. Das hat sie innerlich so fertig gemacht dass, nun ja, buchstäblich ihr Herz uns freiwillig aus ihrer Erinnerung gelöscht hat, um sie vor weiteren Verlusten zu schützen", erklärte Richi ruhig und sachlich. "Aber sie erinnert sich doch jetzt wieder an euch. Wie hat das funktioniert?", fragte Kilis Stimme. "Das wissen wir leider selbst nicht. Sie hat uns nur eines Tages unter Tränen angerufen und sich hundertfach dafür entschuldigt, dass sie uns nicht mehr gekannt hat", meinte Chu. "Also ist sie doch verrückt", kam es von Gloin und ich hörte ihn kurz drauf keuchen, als ihn wohl etwas dumpfes getroffen hatte. "Jacky ist nicht verrückt! Und wenn dann ist es ja wohl eure Schuld!", rief Chu neben mir aus. Ich konnte nur zusammen zucken und legte mir stöhnend eine Hand auf die Stirn. "Nicht... so.. laut... Chu..", nuschelte ich gequält. "Oh entschuldige Jacky... ", murmelte sie dann. "Jacky.. hör mal... Kannst du uns nicht sagen.. wie du es geschafft hast dich wieder an uns zu erinnern?", fragte Richi, der näher heran gerückt war vorsichtig. Ich atmete mehrfach tief durch. Musste gegen den Schmerz in meinem Kopf und der Brust ankämpfen. Ich versuchte nachzudenken. Das war immerhin schon einige Zeit her. Doch da fiel es mir kurz drauf doch wieder ein. "Das... Das Schäfchen...", murmelte ich. "Welches Schäfchen? Das was du hier liegen hast?", fragte der Mann mit der dunklen Stimme. Ich schüttelte keuchend den Kopf. "Nein... ein anderes... ist bei mir zuhause... Sie haben es mir... aus dem Urlaub mitgebracht... Es... es roch nach ihnen und da... Dann viel mir alles wieder ein", sagte ich. Schweigen trat um meine Liege herum ein. Dann kam mit einem mal Bewegung an meiner rechten Seite auf. Jemand war wohl aufgesprungen und davon gegangen. "Thorin, was tust du da?", hörte ich Balin fragen. Wieder fuhr mir ein Stich in die Brust. Dieser Name... Sie hatten ihn so häufig gesagt in den letzten Minuten. Oder waren es inzwischen Stunden? War es vielleicht... der Name dieses dunkelhaarigen Mannes mit der tiefen Stimme? Lange Zeit zum Überlegen hatte ich nicht. Schon fühlte ich, wie sich etwas über meinen Körper legte. Es hielt knapp vor meinem Kinn inne. Es war ein flauschiges, wohlig warmes Ding. Wie eine Art Tierfell. "Was ist das?", fragte Chu leise. "Wartet ab...", sagte der Mann und ich spürte, wie er das Fell höher schob, bis es schließlich an mein Kinn reichte. Ich atmete tief ein und aus. Dabei stieg mir der Geruch des Felles in die Nase. Ich kannte ihn! Ich kannte dieses Fell! Nein es war gar kein Fell. Es war ein Mantel. Es war... SEIN Mantel! Ohne Zweifel! Das war wirklich... Es war... Thorins Mantel! Thorin! Thorin Eichenschild! Plötzlich überflutete mich eine Welle an Bildern. Wie sie hier angekommen waren. Wie ich ihm zum ersten Mal gegenüber gestanden hatte, als ich noch dachte er wäre ein verrückter Rollenspieler. Als wir gemeinsam am Tag drauf morgens bei der Jagd gewesen waren. Wie er Kili, Fili und mich nass gespritzt hatte, als wir am rumalbern gewesen waren. Wie er das Erdbeereis in sich rein geschaufelt hatte, als gäbe es kein Morgen und sich danach gut die Hälfte aus dem Bart waschen musste. Wo er mit den anderen Zwergen hier aufgetaucht war und damit bei mir für noch mehr Chaos gesorgt hatte. Als er mich festhielt und mir Oin die Nase richtete. Er hatte damals an meinem Bett Wache gehalten. Am Piratentag hatten wir um den Sack mit Süßigkeiten gekämpft und er hatte sich erdreistet mich einfach zu seinem Team zu tragen. In der selben Nacht hatte er mich von den finsteren Gedanken an meinen verstorbenen Mann befreit. Erneut hatte er mich kalt abgeduscht, nachdem er diesen albernen Disney Film gesehen hatte Tapfer hatte er gegen die blutrünstigen Hunde gekämpft, die Stiernacken auf uns los gelassen hatte und wäre dabei fast umgekommen. Mitten in einem schweren Sommergewitter hatte ich ihm das Lied "Misty Mountains" vorgesungen. Danach hatte er mir das Geheimnis des Arkensteines anvertraut. Und schließlich, hatten wir dann im Schrubber Turnier gegeneinander gekämpft und waren übereinander gestürzt, als wir auf dem seifigen Boden ausgerutscht waren. Wo wir uns so nahe gekommen waren, wie nie zuvor. All diese Erinnerungen, ob sie nun gut oder schlecht sein mochten, kamen mit einem mal wieder und sie ließen mich von meiner Liege aufschrecken. Mein Kopf war so klar wie nie zuvor. Ich riss die Augen auf und starrte kurz erschrocken vor mich hin und rief: "Thorin!" Ich sah die Gruppe von kleinen Männern vor mir zusammen zucken. Ich schnaufte und sah zu meiner Rechten. Er stand mit verschränkten Armen neben Chu, die etwas zurück gewichen sein musste, als ich hoch gefahren war. Er strich sich mit einer Hand über den Bart und musterte mich ernst. "Und? Weißt du wieder, wer ich bin?", fragte er ruhig aber mit wissendem Blick. Ich musterte ihn einen Augenblick, bevor ich langsam antwortete: "Ich... denke schon... Sie sind die neue Putzfrau, hab ich recht?" "CUNA!", brüllten Kili und Fili und stürzten buchstäblich an meine Seiten. Beide umarmten mich fest. "Mahal sei gepriesen", kam es von Balin, der einmal kurz in die Hände klatschte und nun auch wieder friedvoll lächeln konnte. "Darauf muss ich nachher einen trinken", sagte Bofur und strich sich mit dem Arm über die Stirn. "Na da sind wir dabei", meinte Nori grinsend. Der Rest nickte und murmelte einstimmig zu Bofurs Worten. Der Einzige, der in diesem Moment noch schwieg, war Thorin, der weiterhin nur mit ernstem Gesicht und verschränkten Armen da stand und auf mich hinab sah. Chu und Richi umarmten mich kurz nach den beiden Jungs. "Mach uns nie, nie wieder so eine Angst", flüsterte Chu mir ins Ohr und war schon den Tränen nahe. "Es... Es tut mir so leid. Ich... Ich muss mich entschuldigen... Bei euch allen. Ich habe mich... zu sehr gehen lassen... Das werd ich ab jetzt ändern. Ich schwöre es euch. Das kommt nie wieder vor", sagte ich und wand mich mit meinen Worten allen zu. Einige der Zwerge nickten mir zu. Andere winkten einfach nur kurz ab. "Jetzt ist aber mal langsam genug mit der Aufregung. Lasst sie mal los. Sie braucht jetzt Ruhe", kam es plötzlich von Thorin, der seine Stimme doch wiedergefunden hatte. Die Herren, die vor meiner Liege standen, machten sich als erstes auf den Weg, danach lösten sich die beiden Jungs widerwillig von meiner Seite. Chu und Richi ließen sich dahingehend aber nicht so leicht vertreiben. Doch da zeigte sich der Zwergenkönig ein wenig gnädiger und ließ sie an meiner Seite. Er selbst verschwand und zog langsam den Vorhang zu, mit den Worten: "Bleibt so lange bei ihr wie ihr wollt." Und das taten sie auch. "Sag mal Jacky?", fragte Chu als er verschwunden war. Ich brummte kurz und legte mich auf den Rücken. "Damals als du uns vergessen hattest. Nun ja, du hast selbst gesagt, dass du uns so lieb hattest, dass du uns eigentlich nie verlieren wolltest. Wie ist das denn jetzt hier?" Ich seufzte und schaute zur Zeltdecke. "Weißt du Chu. Ich fürchte... dass ich da ein kleines Problem habe", sagte ich und konnte es mir nicht verkneifen ein wenig zu lächeln. Ja ich hatte ein Problem. Denn wie es mir mein Herzschlag nun verdeutlichte, war ich offensichtlich bis über beide Ohren verliebt. Verliebt in einen Zwergenkönig. - 29. Herzeleid / ENDE - Kapitel 30: 30. Auf der "Couch" mit Doktor Kili McLove ------------------------------------------------------ "Jacky, das kann doch jetzt wohl nicht dein Ernst sein?!", rief Chu aus und sprang neben meiner Liege auf. Wir hatten einige Stunden zusammen gesessen und ich konnte nicht anders, als ihnen meine Gefühlte bezüglich des Zwergenkönigs zu beichten, die nun nach diesem ganzen Brimborium, unverkennbar stark in meinem inneren brannten. "Psst! Chu schrei nicht so sonst hört dich noch einer von denen", sagte ich aufgekratzt und hob panisch die Hände. "Das ist mir verdammt noch mal egal, ob mich einer dieser Irren da draußen hört. Jacky du hast uns hoch heilig versprochen, dass da nichts ist und jetzt kommst du wirklich mit der Story, dass du dich ausgerechnet in diesen Thorin-Verschnitt verknallt hast?!", rief sie erneut und ging dabei auf und ab. Ich seufzt und sah auf meine Hände. Sicher es war nie beabsichtigt, dass es einmal so weit kommen sollte. Aber jetzt war dieses Gefühl da und es ließ sich nun, nachdem ich mich wieder erinnern konnte, nicht mehr abstellen. Ich streichelte sanft die Fellseite von Thorins Mantel und blickte zu Richi auf der anderen Seite. Er betrachtete mich angespannt und verzog etwas die Mundwinkel. Nebenbei wog er den Kopf hin und her. "Es tut mir leid, dass... dass es so gekommen ist. Ich hab das doch nicht geplant ihr Zwei. Es ist nur. Er ist so... ", stammelte ich und Richi legte mir eine Hand auf den Arm. "Pass auf. Du weißt, vor uns brauchst du dich nicht zu rechtfertigen. Und wenn es halt so ist dann. Tja. Wir stehen dir da nicht im Weg. Aber bedenke, was es für Konsequenzen haben kann, sich auf solche Leute einzulassen. Sie leben zu sehr in ihrer eigenen Welt und als deine Freunde, wollen wir vermeiden, dass du in eben so eine abdriftest. Das tut dir einfach nicht gut", meinte er und musterte mich tröstend. "Eben. Und deshalb wäre es besser, wenn du denen vielleicht klar machst, dass es so einfach nicht weiter geht. Denk doch mal nach wie schlecht es dir geht, seit die hier aufgetaucht sind. Hätte ich vorher gewusst, was da für ein Sauhaufen angelatscht kommt, hätte ich dir niemals geraten dich mit denen anzufreunden", warf Chu ein und nahm auf meiner Liege Platz, als sie keine Lust mehr hatte eine Furche ins Gras zu laufen. Sie nahm meine Hände in ihre und drückte diese vorsichtig, mit besorgtem Gesicht. "Chu, es ist... wirklich nicht so einfach. Ihr ahnt gar nicht wie sehr... ", begann ich, doch ich stockte mitten drin. Beinahe hätte ich das Geheimnis der Zwerge ausgeplaudert. Das wäre ein ordentliches Malheur geworden. Vor allem da ich nicht wusste, wer und ob jemand hinter meinem Vorhang lauschte. "Wie sehr... was?", hakte Richi nach und musterte mich fragend. Ich schluckte einen Moment meine Aussage runter und setzte dann mit einer anderen fort:" Ihr ahnt ja gar nicht wie sehr... es mich rührt, dass ihr beiden so besorgt um mich seid." Chu hob langsam eine Augenbraue in die Stirn. Sie hatte ihren "Ich glaube du wolltest was ganz anderes sagen" Blick drauf. Auch Richi schien skeptisch aufgrund meiner abgebrochenen Aussage zu sein. Ich lächelte sie verunsichert an. "Ähm.. ist was?", fragte ich vorsichtig nach, als sie mich nach geschlagenen fünf Minuten immer noch so ansahen. "Was wolltest du wirklich sagen, Jacky?", kam es direkt von Richi und er musterte mich genau. Ich seufzte erneut. Verheimlichen konnte ich ihnen nie etwas. Aber über das Thema reden, durfte ich ja auch nicht. Herr im Himmel, wenn ich das ausplaudern würde, dann wäre richtig Land unter! Nein! Nicht nachdem was innerhalb der letzten Tage alles passiert war! Ich liefere mich doch nicht freiwillig unter die Axt, nicht noch mal, dachte ich. "Ich hab euch doch vor ein paar Tagen schon mal erzählt, dass es da eine Sache gibt über die ich nicht mit euch reden kann, weil ich versprochen habe zu schweigen. Und das Versprechen hätte ich eben beinahe gebrochen", meinte ich schließlich. Chu begann mich scharf zu mustern. "Sie zwingen dich dazu zu schweigen, oder?", fragte sie mit ernstem Ton. Ich erwiderte ihren Blick. Was sollte ich darauf antworten? Zwang war es nicht wirklich. Es war mehr eine Bitte die Thorin geäußert hatte. Aber ich sah mich schon irgendwie gezwungen dieses Geheimnis für mich zu behalten. Langsam wog ich den Kopf hin und her. "Also... Chu... gezwungen ist es nicht... nicht wirklich. Es war mehr eine Bitte, aber trotzdem kann ich es euch einfach nicht sagen", meinte ich mit einigen zögern in der Stimme. Nun stand sie wieder auf. "So ist das also. Wir sind Jahrelange Freunde. Haben immer zusammen gehalten und alles miteinander geteilt. Und nun, seit diese Spinner da sind, vertraust du uns nicht mehr", sagte sie noch aufgebrachter. "Es geht nicht darum das ICH euch nicht vertraue, aber SIE tun es nicht. Wenn sie euch vertrauen würden, wäre das vielleicht was anderes. Aber ich kann nicht einfach über den Kopf anderer Leute hinweg entscheiden. Versteht das doch bitte. Es ist deren Angelegenheit. Und hätte ich es nicht zufällig herausgefunden, wüsste ich es jetzt auch nicht", entgegnete ich so ruhig es eben ging. "Schatz. Komm mal wieder runter. Mir passt die ganze Sache auch nicht. Aber wenn es wirklich etwas Privates von den Herren ist, geht es uns definitiv nichts an. Und ich glaube nicht, dass Jacky etwas verheimlichen würde, was eventuell illegal oder gefährlich wäre", meinte Richi und sah zu seiner Freundin auf. Diese stöhnte genervt und strich sich mit der Handfläche über das Gesicht. Es dauerte einen Augenblick, bis sie sich wieder etwas gefangen hatte. "Na gut. Na schön. Mach was du willst Jacky. Aber wenn irgendwas schlimmes passieren sollte. Will ich, dass du uns sofort Bescheid sagst. Nicht erst Morgen oder übermittelt von einem dieser Kerle da. Nein, Du sagst es uns. Und was die Sache mit diesem Thorin-Typen betrifft. Du kannst von mir aus lieben wen du willst, aber wenn er dich noch unglücklicher macht, Wachse ich ihm sämtliche Haare vom Leib", sagte sie und schob den Vorhang beiseite. Sie wollte gerade hinaus gehen, als sie nochmal einen Schritt zurück machen musste. Ich konnte leider nur ihren Rücken sehen, aber überdeutlich war die Stimme, die von ihrem Gegenüber kam, zu erkennen. "Huch? Vorsicht. Fast hätte ich das Essen von Cuna fallen gelassen", hörte ich Kili belustigt sagen. Ich sah Chus Kopf nur nicken, dann ließ sie ihn zu mir hinein. Sie selbst verabschiedete sich und Richi folgte ihr seufzend. Der junge, dunkelhaarige Zwerg kam munter pfeifend zu mir hinüber und stellte mir einen Teller mit Essen hin. Viel war es nicht. Wohl mehr die Reste vom Mittagessen, welches ich neben dem Frühstück verpasst hatte. Hühnerfrikassee mit Reis. Mein absolutes Lieblingsessen. Als ich kurz daran roch, knurrte mein Magen schon wie verrückt. Ich hatte anscheinend ganz vergessen, dass ich hungrig war. Umgehend nahm ich das Besteck zur Hand und haute gleich richtig rein. Kili musterte mich währenddessen neugierig. Das Essen war wirklich eine Wohltat und half mir wieder ein wenig zu Kräften zu kommen. Das hatte ich auch bitter nötig. Mein Kreislauf fühlte sich schon bald viel besser an. "Du hast ja echt einen ordentlichen Hunger was?", meinte er irgendwann, als ich bei der Hälfte angekommen war. "Naja ich hab ja auch schon den halben Tag nichts gehabt. Irgendwann muss man ja was essen", erwiderte ich und aß einfach weiter. Gerade als ich einen weiteren großen Löffel im Mund hatte, sprach er mich erneut an. "Sag mal. Wann wolltest du Fili und mir das eigentlich sagen?", fragte er wie beiläufig, als hätten wir vom Wetter geredet. Ich hob mit vollgestopftem Mund den Kopf und sah ihn fragend an. Er selbst schaute an die Zeltdecke, warf mir aber dann verstohlen ein grinsen zu. Plötzlich wurde mir klar worauf er hinaus wollte. Ich riss die Augen vor entsetzen auf und starrte ihn mit meinen Hamsterbacken an. Verdammt! Er musste gehört haben, was Chu gerufen hatte. Und wer weiß, wer noch! Wenn Dwalin oder Balin das gehört hatten. Oder vielleicht sogar Thorin selbst?! Das wäre eine Katastrophe! Ich musste Kili dringend danach fragen. Hastig schluckte ich den Brocken runter, den ich noch im Mund hatte bevor ich sprach. "Ich... äh... Kili... es ist nicht so wie du denkst... ich meine es ist... also... Wer hat es noch gehört?", stammelte ich fast panisch. Er wand den Kopf zu mir und lächelte ruhig. "Nur ich",sagte er knapp und mir vielen tausend Steine vom Herzen. Dennoch wurde sein Lächeln breiter und er legte neugierig den Kopf schief. "Also. Sag schon. Wann wolltest du es uns sagen?", fragte er erneut und rückte noch etwas näher. Ich spürte wie mir die Hitze in die Wangen stieg und sah auf meinen Teller mit dem Frikassee. Nachdenklich schob ich den Löffel hin und her. "Eigentlich... gar nicht...", sagte ich dann kleinlaut. "Wieso denn nicht? Ist es denn so schlimm, dass du in Thorin verliebt bist?", hakte er nach. "Um ehrlich zu sein ja, Kili", gab ich seufzend zu. "Was ist denn daran bitte so schlimm? Weil er ein Zwerg ist? Wegen der Haare oder so was?", fragte er und klang dabei verständnislos. "Kili. Dein Onkel ist knapp zweihundert Jahre alt. Er könnte mein Urgroßvater sein. Aber mal ganz vom Alter abgesehen. Er ist nicht irgendein Zwerg, den man bei euch um die Ecke kennen lernt. Er ist ein König. Und ich bin nur eine einfach Menschenfrau. Da braucht man kein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass es nicht zusammen passt", meinte ich und stopfte mir noch einen Löffel von meinem Essen in den Mund. Er brummte etwas und legte Daumen und Zeigefinger an sein Kinn. Offenbar versuchte er über die Sache nachzudenken. "Hrm... ja. Das ist wirklich nicht einfach. Und soviel ich weiß, lebt ihr Menschen nicht mal halb so lange wie wir", murmelte er. "Naja mit viel Glück werde ich vielleicht hundert Jahre. Aber nur mit Rückenwind und Heimweh. Was auch noch hinzu kommt ist wohl, dass ihr ja sicher nach der Zeltstadt wieder gehen werdet. Und wahrscheinlich seh ich euch dann nie wieder", nuschelte ich bedrückt. "Red doch keinen Unsinn. Wenn du magst können wir dich immer wieder besuchen kommen. Weißt du, ich würde so gerne noch mehr von dieser Welt hier kennen lernen. Sie gefällt mir richtig gut. Also mit einigen Ausnahmen. Aber trotzdem finde ich es schön hier", meinte er und lächelte wieder. Ich versuchte das Lächeln zu erwidern, aber es wirkte ein wenig steif auf meinem Gesicht. Sicher es wäre ganz nett, wenn sie gelegentlich mal vorbei schauen würden, allerdings hatte ich diesbezüglich einige bedenken. Und ich wollte nicht schon wieder die ganze Truppe am Hals haben. Erst recht nicht Gloin, der mich so unfreundlich spalten wollte. Nein nicht noch mal. Und Dwalin wollte ich auch nicht mehr in meiner Wohnung haben. Einmal zertrümmerte Einrichtung war mir schon viel zu viel. Nein Danke! Was die beiden Jungs anging, war ich ein wenig zuversichtlicher. Auch bei Ori dachte ich daran, dass der sich zumindest so ein bisschen benehmen konnte, wenn er mal zu Besuch da sein würde. Oh weh! Ori! Den hatte ich ja ganz vergessen! Der arme, kleine Kerl. Was musste er denn jetzt von mir denken, nachdem ich ihn erst abblitzen ließ und ihm danach auf die Wange schmatzte? Würde er erfahren, wie ich gefühlsmäßig zu Thorin stand, würde ihm das sicherlich noch mehr das Herz brechen. Doch da half alles hin und her überlegen nichts. Wenn dem nun mal so war, musste es eben so sein. Und selbst ich wusste nicht ob sich der Herr Eichenschild überhaupt vorstellen könnte eine Menschenfrau an seiner Seite zu wissen. Geschweige denn, wie er erst auf ein Geständnis reagieren würde. Es gab so viele Alternativen, dass ich selbst nicht sicher war, welche denn nun am wahrscheinlichsten sein würde. "HA! Cuna, ich hab da eine Idee!", kam es von Kili, der aufgesprungen war und sich mit der Faust in die flache Hand schlug. Etwas erschrocken über seine plötzliche Reaktion, ließ ich beinahe den Teller vom Schoß fallen. "Was... hast du denn für eine Idee?", fragte ich leicht irritiert und gleichzeitig beunruhigt. Die Ideen der Zwerge hatte ich ja nun zu hauf gehört, gesehen und am eigenen Leib zu spüren bekommen. Doch das hatte nichts in Sachen Liebe zu tun gehabt. "Ich sags dir. Stell mal dein Essen weg und steh auf. Ich muss dich sehen, wenn du aufrecht bist", meinte er und nahm mir schon selbst mein Essen ab. Immer noch irritierte mich sein Verhalten, doch ich stand auf und ließ ihn mich von oben bis unten mustern. "Wie groß bist du?", fragte er und hob einen Meiner Arme hoch. "Naja.. so knapp Eins Zweiundsechzig. Aber was hat das mit deiner Idee zu tun?", fragte ich. Doch er nickte nur und stellte weitere fragen. "Hast du irgendwelche Kleider zuhause? Also richtige?" Ich nickte knapp. "Gut. Kannst du auch gut Kochen? Also so richtige Hausmannskost. Du weißt schon" "Also. Ein bisschen. Meine Bratkartoffeln sind nicht schlecht. Aber was genau hast du...", sagte ich doch da unterbrach er mich schon wieder. "Du musst dich komplett neu einkleiden. Du musst aus diesen Burschen-Sachen raus. Am besten gehen wir in den nächsten Tagen los und holen einige deiner Kleider von dir Zuhause. Dann werde ich mit Fili reden, ob er dir hilft, dein Haar soweit in Ordnung zu bringen. Die Zöpfe neulich standen dir ausgezeichnet. Außerdem sollten wir einmal hier in der Küche nachfragen ob du uns bekochen darfst. Aber was machen wir nur mit deinem nicht vorhandenen Bart... hrm.. ach da wird mir schon noch was einfallen", sagte er so hastig, während er um mich herum lief, mich in alle Richtungen zog und verbog, dass ich nichts weiter tun konnte, als den Mund offen stehen zu lassen. Was zur Hölle hatte er denn nun vor? Wollte er mich allen ernstes in ein Zwergenweibchen verwandeln? Versuchte er mich tatsächlich so seinem Onkel zu "verkaufen"? Verlangte er da tatsächlich von mir, dass ich mich komplett verstellte nur um diesem Zwerg zu gefallen? Ich war sichtlich empört. Das war nie und nimmer meine Art. Erst recht nicht vor jemandem, vom den ich wollte, dass er mich so nahm wie ich war. Und nicht nur die Fassade zu lieben lernt, die ich ihm damit vorgaukeln würde. Das wäre unerträglich für mich und würde mit Sicherheit in die Hose gehen. Ich wollte Kili unbedingt sagen, was ich von seiner waghalsigen Idee hielt, doch er war so aufgedreht, dass er sich flott davon machen wollte. "Kili... Kili warte! Kili Stopp! Das werden wir nicht machen Kili! Hey bleib stehen!", rief ich ihm nach und folgte ihm über den Platz. Er ging genau auf seinen Bruder zu, der gerade mit den anderen Zwergen dabei war an einem Seil zu ziehen, welches wohl den Wachturm aufstellen sollte, den sie nun endlich fertig gestellt hatten. Sie wollten ihn genau neben dem Sandybor platzieren. Die Männer stöhnten und ächzten, als sie das schwere Gestell, Marke Eigenbau, hoch wuchteten. Thorin, der vorne stand, gab das Kommando, wann sie immer ziehen sollten. "Kili! Los! Fass mit an und zieh!", schnaufte Dwalin, der ganz hinten zog, als wir nah genug an der Gruppe dran waren. "Ja, ich helf gleich mit. Muss nur eben mit meinem Bruder reden", sagte er knapp und ging zu dessen Position. Sie hatten das Gestell gerade zur Hälfte gehoben, als Kili dem blonden Zwerg etwas ins Ohr flüsterte und dieser erschrocken das Seil los ließ. Die Männer brüllten kurz auf, da plötzlich eine Zugkraft fehlte und das Gestell begann sich wieder zu senken. Allerdings recht schnell. Zu diesem Zeitpunkt lief eines der jüngeren Kinder, ein kleiner dreijähriger Junge, unbeaufsichtigt unter dem Gestell hindurch. Ich kreischte entsetzt, nachdem ich es bemerkte, stürzte beherzt nach vorne ans Seil, wo Thorin fast vom Boden abhob und fasste so schnell ich konnte mit an. Das Seil war so rau, dass es an meinen Händen brannte, als es ein wenig hindurch rutschte. Thorin sah mich entsetzt und verblüfft an, als ich an seiner Seite auftauchte. Ich unterdrückte den drang ihn anzusehen. Auch als er mich wütend anfuhr: "Cuna, lass das Seil los! Das ist Männerarbeit!" "Halt die Schnauze und zieh!", brüllte ich mehr oder weniger unbedacht zurück. Er schwieg aber eisern und begann noch kräftiger zu ziehen. Ich schnaufte und keuchte wie verrückt, während ich wie eine besessene am Seil zerrte und konnte gerade eben noch zusammen mit den Zwergen verhindern, dass der kleine Junge von dem Gerüst erschlagen wurde. Fili und Kili packten panisch hinter uns wieder das Seil. Noch andere kamen hinzu, um beim Aufstellen des Gerüstes zu helfen und den Jungen von diesem Platz weg zu holen. Nach ein paar Minuten schweißtreibender Arbeit stand es endlich und konnte mit Halteseilen und zusätzlichen Beschwerungen an den Füßen festgemacht werden. Genervt wischte ich mir die Stirn am T-shirt-Ärmel ab. "Das ist ja grade noch mal gut gegangen", sagte Bofur und fächerte sich mit seinem Hut etwas Luft zu. Ich nickte ihm ruhig entgehen, doch kurz drauf spürte ich, wie mich zwei Hände grob an den Schultern packten und schüttelten. Zwei wütende, blaue Augen funkelten mich an. "Sag mal bist du übergeschnappt?! Dir einfach das Seil mit zu greifen?! Du hast erst eine schlimme Tortur hinter dir und dann machst du so etwas! Willst du dich um jeden Preis umbringen?!", knurrte Thorin aufgebracht. Ich schluckte etwas und versuchte seinem Blick auszuweichen. Doch er ließ nicht locker. "Schau nicht weg, wie ein geschlagener Hund. Antworte gefälligst!", blaffte er. Ich seufzte leise und hob den Kopf. "Ich hab nicht drüber nachgedacht. Ich hab nur gesehen, dass es da vorne fast ein Kind erschlagen hätte. Ich wollte nur schlimmeres verhindern", erwiderte ich ruhig und verlegen zugleich. "Das war nicht das, was ich gefragt hatte. Ich wollte wissen, ob du dich um jeden Preis umbringen willst", sagte er und funkelte mich weiterhin säuerlich an. Auch wenn ihn meine erste Antwort wohl etwas beruhigt hatte. "Ich... ich wollte nur helfen...", nuschelte ich. Er stöhnte leise und ich hörte ihn tief durchatmen. Sein Griff an meinen Schultern lockerte sich etwas. Das war auch gut so, denn er konnte so hart zu greifen, dass einem binnen Sekunden die Hände und Arme taub wurden. "Du hilfst mir mehr, wenn du dich nicht in solche Sachen einmischen würdest. Ich weiß, dass du es nur gut meinst. Doch du übertreibst es maßlos. Du kennst weder die Grenzen von anderen, noch deine eigenen. Und das ist lebensgefährlich, Cuna", sagte er schließlich wesentlich ruhiger. Ich musste etwas schlucken. Ja, er hatte schon recht mit dem was er da sagte. Ich hätte mich eigentlich raus halten müssen. Deswegen oder gerade weil ich versucht hatte selbstlos zu handeln, waren ja schon so viele Dinge hier passiert. Ich hatte zu häufig einfach nur an die Sicherheit von Anderen gedacht. Waren es jetzt Kili, das Ork-Mädchen oder der kleine Junge. Ich hatte nie daran gedacht selbst dabei umkommen zu können. Sicherlich erweckte das nun bei Thorin langsam den Eindruck, dass ich alles daran setzte meinem Leben ein Ende setzen zu wollen. Bedrückt strich ich mir über die Unterarme und schaute zu Boden. Das wollte ich unter keinen Umständen. Nicht mehr. Ich hatte inzwischen gelernt, das Leben so hin zu nehmen wie es kam. Auch wenn gerade das Auftauchen von echten Zwergen alles erschwerte. "Es tut mir leid, Thorin. Ich hab nicht gewollt, dass du so von mir denkst. Nur manchmal da...", murmelte ich leise vor mich hin und schon fühlte ich, wie sich seine Hand unter mein Kinn schob, um dieses auf Augenhöhe zu ziehen. "Manchmal denkst du nicht genug nach, bevor du handelst. Das ist nicht immer schlecht. Aber in deinem Zustand, würde ich nicht mehr versuchen so tollkühn alle Vorsicht fahren zu lassen. Ich möchte von nun an, dass du mir in die Hand versprichst, dich nicht wieder in solche Angelegenheiten einzumischen, bis du wieder vollends bei Kräften und genesen bist", sagte er mit einer erstaunlichen Sanftheit in der Stimme, die mir einen wohligen Schauer über den Rücken trieb. Er nahm seine Hand von meinem Kinn und streckte sie mir vor. Ich sah kurz darauf. Meine Finger schwitzten etwas vor Nervosität. Sicher wir hatten uns schon ein paar Mal die Hand gereicht oder auch mehrmals etwas näher berührt. Doch nun schien es das Schwierigste der Welt zu sein, ihm einfach nur die Hand zu schütteln. Ich sah ihm ins Gesicht und versuchte dabei nicht irgendwie panisch oder hysterisch zu wirken. Stattdessen biss ich mir auf die Lippen, wischte meine Finger an meiner Jeans ab und reichte sie ihm dann für ein kurzes Einschlagen. Seine andere freie Hand legte er darüber und er nickte langsam. "Ich nehme dich nun beim Wort. Und wehe dem du brichst es", sagte er und ließ dann los. Ich nickte nur knapp zurück. Ich hatte ja sicherlich auch keine andere Wahl. Immerhin hatte er ja recht mit dem, was er sagte. Ich sollte mich mehr zusammen nehmen und einen Gang runter schalten. Eine gute Gelegenheit war es da, als Bofur meinte: "So und jetzt feiern wir erst mal, dass unser Wachturm steht. Ich geb im Schankzelt eine Runde!" Die restlichen Zwerge und auch Zeltstadtbewohner stimmten ihm jubelnd zu und folgten ihm. Thorin schritt ohne ein weiteres Wort an mir vorbei. Als er auf meiner Höhe war, drehte ich mich langsam nach ihm um. Er beachtete mich eigentlich nicht mehr. Aber ich musste ihm einfach nach schauen. Die Versuchung ihn aufzuhalten, ihn festzuhalten und ihm alles zu sagen, was mir gerade durch den Kopf ging, war enorm hoch. Doch ich besann mich eines Besseren und ließ meine Arme an meinen Körperseiten herunter baumeln. Es war noch nicht die Zeit dafür. Nicht hier, nicht jetzt und erst recht nicht auf diese plumpe Art und Weise, murmelte mir meine innere Stimme zu. Es musste einen Moment geben, an dem ich ihm alles sagen konnte. Wenn wir allein waren. Ohne neugierige Ohren und ohne irgendeinen neuen Schreck in den Knochen. Ein Augenblick der Ruhe, den nur wir beide zusammen genießen konnten. Doch ich wusste beim besten Willen nicht, wann und vor allem wo dies sein würde. Da hakten sich plötzlich Kili und Fili bei mir unter und wuschelten mir über den Kopf. "Hey! Jungs! Lass das!", maulte ich. "Was sollen wir denn lassen? Dürfen wir unserer kleinen Schwerster, oder sollte ich sagen zukünftigen Tante, nicht mal mehr den Kopf streicheln?", sagte Fili amüsiert und grinste mich frech von links an. "Lass doch den Unsinn, von wegen zukünftiger Tante. Noch steht gar nichts fest", sagte ich und wand mich aus ihren Armen heraus. "Ach, komm schon. Wenn mein Plan funktioniert, dann wirst du die schönste, menschliche Zwergin, die die Welt je gesehen hat", meinte Kili breit grinsend. Ich seufzte genervt. "Kili, der Plan ist bescheuert. Das wird nie funktionieren. Außerdem will ich eurem Onkel nicht irgendwas vor gaukeln. Wenn er in mir nicht die Frau sieht, die ich bin, dann soll es nicht so sein. Aber ich werde mich auf gar keinen Fall kostümieren und um ihn herum scharwenzeln, wie eine liebestolle Tussi. Ich kann mich drauf einigen, dass ich mal was für euch koche. Aber das wars dann auch", sagte ich schlicht und verschränkte die Arme vor der Brust. Die beiden Jungs sahen sich seufzend an. "Also gut. Versuch es erst mal mit dem Essen. Aber wenn dir das keinen Erfolg bringt, dann helfen wir dir mit dem Rest", sagte Fili entschlossen. "Wo bleibt ihr Drei denn?! Ihr verpasst die Lokalrunde!", brüllte Nori vom Eingang des Barzeltes zu uns herüber. "Dann lasst uns gehen. Ich hab einen verdammten Durst", sagte Kili, klopfte mir auf die Schulter und lief schon mal vor. Fili und ich folgten etwas langsamer hinterher. "Es ist wirklich kein Problem für euch beide, dass ich... ähm...", murmelte ich ihm zu, doch der blonde Bursche lächelte nur vergnügt. "Wenn nicht du, wer sonst? Thorin mag dich immerhin auch irgendwo. Sonst wären wir nicht mehr hier. Also, lass es einfach mal auf einen Versuch ankommen. Was kann schon schief gehen?", meinte er und sein Lächeln wurde breiter. Ich schüttelte nur bedröppelt den Kopf. Wenn wir zu dem Zeitpunkt gewusst hätten, was noch alles schief gehen würde, hätte er sicherlich nicht so leicht daher geredet, als wir das Fisse Ma "Tent" chen betraten. - 30. Auf der "Couch" mit Doktor Kili McLove / ENDE - Kapitel 31: 31. Die fatalen Auswirkungen von Alkohol ---------------------------------------------------- Bofur hatte keinesfalls untertrieben als er sagte, er wolle eine Lokalrunde geben. Fili und ich waren nicht mal halb in den Eingang getreten, da schob man uns schon in Richtung Theke, wo die Barkeeper eifrig bemüht waren, den Bestellungen nach zu kommen. Ich merkte nun erst, wie beliebt die kleinen bärtigen Herren wohl geworden waren. Denn jeder Zeltstadtbewohner plauderte mit ihnen und sie amüsierten sich köstlich über deren Witze und Geschichten. Und niemand stand ohne Getränk da. Nun ja, außer Fili und mir, die bald ganz nah neben Bofur standen, der schon sein Bier in der Hand hielt. "Ah, ihr zwei kommt auch noch. Gut. Was wollt ihr trinken?", fragte er munter und lächelte uns an. "Ich krieg ein Bier", kam es von Fili. "Nur Wasser. Danke", sagte ich knapp und erntete dabei einen vorwurfsvollen Blick von dem dunkelhaarigen Zwerg mit den beiden Zöpfen. "Du willst nur Wasser, Cuna? Das Zeug ist zum Waschen da, nicht zum trinken. Nimm doch mal was anständiges und stoß mit uns auf die Errichtung des Wachturms an", meinte er fröhlich. "Also für Alkohol ist mir der Tag definitiv noch zu jung", meinte ich und blickte ihn entschuldigend an. "Ach, nun sei mal nicht so. Ein Bierchen geht doch immer", drängte er und ich musste seufzen. Zwerge ließen selbst am helllichten Tag nicht davon ab sich die Kante zu geben, wenn sie was zu feiern hatten. Bei deren Konsum auf der Zeltstadt wunderte es mich schon, dass nicht bald der Nachschub fehlte. Und das mir, wo ich fast nie etwas trank. Nun sahen mich er und Fili abwartend an. Ich musste mich entscheiden. Beleidigen wollte ich ihn ja auch nicht, indem ich die Einladung ablehnte. Also nahm ich das Einzige was mir in dem Moment einfiel. "Na gut, Bofur. Wenn du mir kein Wasser gönnen willst, dann frag mal nach, ob die noch nen Apfelmet für mich da haben", sagte ich nicht ohne etwas gequält zu klingen. Dieser nickte breit grinsend und gab es an den Barkeeper weiter, der sofort ein Bier und ein hoch volles Glas Met heraus rückte. Bedröppelt nahm ich es entgegen und nippte kurz daran. Für mich stand fest, dass dies definitiv das einzige Glas bleiben sollte. Zumindest für den Moment. Ich suchte mir ein Plätzchen, wo ich mich gemütlich hinsetzen konnte und fand auch noch eines an einem Tisch in der hintersten Ecke. Zwischen drin sah ich mich im Raum um. In der Mitte stand der alte Tischkicker an dem Kili mit Merlin und Dwalin mit seinem Bruder gegeneinander spielten. Dass den Herren ausgerechnet so was Spaß machen konnte, war mir persönlich ein Rätsel. Nun ja, eigentlich war vieles was sie taten für mich ein Rätsel. "Also Cuna. Wie willst du es Thorin sagen?", fragte Fili, der hinter mir her gekommen war und sich neben mich setzte. Ich seufzte leise und nippte nachdenklich an meinem Metglas. "Am besten gar nicht, Fili", gab ich offen zu. Er hob verwundert die Augenbrauen. "Du willst das wirklich für dich behalten? Ist es dir denn nicht so ernst mit ihm oder hast du angst?", fragte er neugierig. Ich sah ihn ruhig an und stützte meinen Kopf auf einem Arm. Eine konkrete Antwort konnte ich ihm leider auf seine Frage nicht geben. Was Thorin und meine Gefühle betraf, war ich immer noch sehr zerrissen und unsicher. Das Einzige was ich dem blonden Zwerg gegenüber äußern konnte, waren Geschichten aus meiner Vergangenheit."Weißt du, Fili. Das hat nun fast genauso angefangen, wie damals bei meinem Mann. Wir lernten uns mit unseren Charakteren in einem Spiel kennen. Haben uns eine Weile unterhalten. Sind uns irgendwann sympathisch geworden. Dann wurden wir Freunde und schließlich kam der Tag, an dem er mir seine Liebe gestanden hat. In der Zeit bevor er dies getan hatte, da hatte ich die verschiedensten Träume. Hab mir immer vorgestellt bei ihm aufzutauchen. Dass er mich aufnehmen würde und mich beschützend im Arm hielt. Mir sein Bett überließ, damit ich etwas zum Schlafen hatte. Und soll ich dir was sagen. Diesmal ist es genauso. Nur dass eben mehr in der Wirklichkeit passiert, als in meiner Fantasie. Aber diese Träume sind wieder da. Und das ist das, was mir Kummer bereitet. Ich sehe es nur diesmal nicht als gutes Omen. Ich weiß, dass er mich nie haben wollen würde. Ich bin eben keine Zwergin, sondern nur eine Menschenfrau", sagte ich und nahm einen etwas größeren Schluck aus dem Metglas. "Das ist doch Unsinn. Du hast einfach nur angst, dass sich die Geschichte wiederholt und mein Onkel dir genauso unter den Händen wegstirbt wie dein Mann, oder?", fragte Fili etwas direkter nach und sah mich mitleidig an. Ich seufzte betreten und nickte dann ruhig. Irgendwo hatte er damit auch recht. Das ich mich davor genauso fürchtete, konnte ich nicht verleugnen. Fili legte mir auf mein Nicken hin eine Arm um die Schulter und drückte mich kurz. "Ich kann verstehen, dass das eine schwere Bürde für dich ist. Trotzdem finde ich, dass du nicht einfach aufgeben solltest. Ich weiß, dass er dich irgendwo mag. Sonst hätte er dich nie und nimmer in unser Zelt aufgenommen", sagte er ruhig. Ich musste bitter grinsen. "Fili zwischen mögen und lieben ist aber ein gewaltiger Unterschied. Hinzu kommt noch, dass er ja um so viele Jahre älter ist als ich. Ich denke eher, dass er mich wie ein Kind ansieht. Oder weil du und Kili, mich als eure Schwerster sehen, vielleicht aller höchstens als seine Nichte. Aber ich zweifle sehr daran, dass er jemals dazu im Stande sein könnte mich zu lieben", erwiderte ich und nahm noch einen Schluck aus dem Glas. Der Met schmeckte an diesem Tag wirklich erstaunlich gut und ich war irgendwo versucht mir noch einen zu holen. Doch ich musste versuchen eisern zu bleiben und mich vielmehr von anderen Getränken zu ernähren. Das Zeug stieg einem ja auch unheimlich schnell zu Kopf. Vor allem wenn es draußen warm war. "Was tuschelt ihr zwei wieder? Heckt ihr irgendwas aus?", fragte die barsche Stimme von Dwalin, der mit dem zwergischen Teil der Tischkickergruppe zu uns herüber gekommen war. Fili und ich sahen uns an und schüttelten dann einstimmig den Kopf. Zumindest konnte ich mich darauf verlassen, dass die beiden Jungs über meine aktuelle Gefühlswelt schwiegen. "Wir haben uns nur gefragt, ob wir nicht vielleicht mal wieder mit allen zusammen ein paar Runden Karten spielen sollen", meinte der blonde Zwerg und grinste sacht. "Ja, ein Spielchen in illusterer Runde kann wahrlich nicht schaden. Ich frage mal ob sich noch ein paar Andere zu uns gesellen wollen", meinte Balin freundlich lächelnd und zog von dannen, um den Rest zusammen zu trommeln. Alle konnte er nicht dafür begeistern. Natürlich war Gloin nicht gerade davon angetan, mit mir an einem Tisch zu sitzen. Bifur hatte sich zurückgezogen, um ein Pfeifchen vor dem Zelt zu rauchen und der kugelrunde Bombur begeisterte einige Damen damit, wie er Bierflaschen in seinem geflochtenen Haarstrang mit sich herum transportieren konnte. Eigentlich war er damit schon fast der perfekte Kellner. So blieben noch die üblichen Verdächtigen, die sich zu einem Spielchen am Tisch zusammen fanden. Wobei ich bisher noch nicht mit Bofur, Dori, Nori und Ori zusammen gespielt hatte. Und dass Bofur dabei saß, war schon eine gehörige Änderung. "Also passt auf. Ich hab ja gehört, dass man hier nicht so um Geld spielen darf, wenn Leute aus dieser Welt dabei sind. Was haltet ihr davon, wenn wir um Getränke spielen. Der, der verliert muss das Getränk akzeptieren, was der Sieger der Runde für ihn auswählt", schlug er vor. "Du meinst so eine Art Trinkspiel?", fragte ich und innerlich verzog es mir schon den Magen. "Nicht nur eine Art Trinkspiel. Das Trinkspiel überhaupt. Also, wer ist mit dabei?", fragte er und die Herren stimmten natürlich allesamt murmelnd zu. "Lass mich raten. Derjenige zahlt sein Getränk selbst, oder?", hakte ich nach und er nickte bestätigend. "Also tut mir leid, dann bin ich leider jetzt schon raus. Kann mir nicht leisten zu oft zu verlieren", erwiderte ich und hob abwehrend die Hände. "Ach dann leihen wir dir was. Und du zahlst es uns später wieder, wenn du kannst", meinte Nori grinsend. Ich schnaubte und schüttelte den Kopf. "Also das fehlt mir noch. Auch noch Schulden bei euch zu machen. Vergiss es. Das Angebot nehm ich nicht an", sagte ich und lehnte mich mit verschränkten Armen auf meinem Holzstuhl zurück. "Dann versuch eben nicht zu verlieren. Und wenn du nicht mehr zahlen kannst, dann steigst du aus", kam es von Thorin, der bereits den Kartenstapel mischte. Ich atmete tief durch. Nun gut ein paar Ründchen konnte ich schon spielen. Da es ja ein Glücksspiel war, konnte ich nicht wirklich jedes mal verlieren. Allerdings ahnte ich schon irgendwie, dass der Abend für mich noch ziemlich unangenehm enden würde. Ein paar Runden ging es gut. Da kam es hauptsächlich vor, dass ich unter den vorderen oder hinteren Plätzen lag. Einmal durfte ich sogar bestimmen, dass Dori ein Bier bekam. Doch je später es wurde, umso mehr ließ meine Konzentration nach. Der Met den ich zuerst getrunken hatte, zeigte auch ein wenig Wirkung und benebelte mich etwas. Zumindest war Kili so gütig mir noch einen Met aufzudrängen, als ich das erste mal verloren hatte und er als der Sieger, der gefühlt fünfzehnten Runde, hervor gegangen war. Was es aber erschwerte war, dass ich das ganze Glas auf Ex trinken musste. Für gewöhnlich genoss ich so etwas in ruhe und sachte. Eigentlich sollte man Wein jeder Art nicht so hinunter stürzen. Aber hier hatte ich wohl keine wirklich Alternative. Nachdem Bombur mit seinem Barttablett das Glas brachte, nahm ich es fest in die Hand, setzte an und kippte die Sache so schnell ich konnte hinunter. Es war ein unglaublich widerliches, brennendes Gefühl, dass sich in meinen Hals ergoss. Ich schüttelte mich, verzog das Gesicht und knallte das Glas auf die Tischplatte. Unter einigem "Hallo" konnte ich mir nicht mal mehr wieder einen Rülpser verkneifen. Gott, wie ich gerade so etwas in Anwesenheit so vieler Leute hasste. Aber den Herren schien das auch noch zu gefallen, denn ein paar klatschten Applaus oder trommelten mit einer Faust auf den Tisch. Doch ich hoffte, dass dies meine einzige Niederlage bleiben würde. Noch ein Glas würde ich nicht verkraften, denn mein Verstand begann schon unglaublich langsam zu laufen. Als ich mich umsah kam es mir vor, als würde ich in einer Art Goldfischglas sitzen. Es wirkte alles ziemlich verschwommen und ein bisschen schief. Hinzu kam noch, dass ich begann redseliger zu werden und manchmal anfing grundlos zu kichern. Ich fand selbst die makabersten Sachen auf einmal lustig. Zum Teil kam es mir vor, dass sich die Zwerge auf den Bildern der Karten bewegten und ihrer Arbeit dort nach gingen. Als wir ein paar Runden weiter gekommen waren, legten sich plötzlich zwei Hände über meine Augen und eine wesentlich höhere Männerstimme sprach mich gut gelaunt von hinten an: "Rate wer ich bin, Jacky!" Ich brauchte einen Augenblick um zu registrieren, dass ich gemeint war. Dann tastete ich vorsichtig die großen Hände ab und versuchte trotz meines angetrunkenem Zustandes nachzudenken. "Mal... Mal sehn... hrm... wart... ich habs gleich...", nuschelte ich und merkte da schon, dass meine Stimme nicht mehr nüchtern klang. "Oder sollte ich lieber, Leonard von Laschwappen, sagen?", fragte die hohe Männerstimme. Da endlich ging mir ein Licht auf. Ich zog die Hände von meinen Augen und drehte mich grinsend um. "Achim!", rief ich aus und kam unbeholfen auf die Beine. Vor mir stand ein gut zwei Meter zehn großer, schlaksiger Mann um die Mitte dreißig, mit strohblondem, kurzen Haar und grinste freundlich. "Mensch, wo kommst du denn her?", fragte ich und drückte ihn einmal kurz. Die fragenden Blicke der Zwerge hinter mir überging ich in diesem Moment einfach einmal. "Ach, ich bin heute hier angekommen. Musste mal wieder raus in die Natur. Was anderes sehen. Das kennst du ja", sagte der Mann und lächelte. Ich kicherte etwas und hielt mich an der Rückenlehne des Stuhles fest. Mit Achim hatte ich nun gar nicht gerechnet. Eigentlich war er immer viel unterwegs, um für sein Geschäft Antiquitäten aus aller Welt zu kaufen. Er war ja auch so ein Typ von Mann, der für andere Damen wohl als der Traumtyp schlechthin hätte gelten können. Doch wie das Schicksal da spielte, zeigte der Gute doch eher eine Schwäche für sein eigenes Geschlecht. Wobei er es sich nicht nehmen ließ, mal den Ein oder Anderen zu wechseln, wenn ihn eine Beziehung zu sehr einengte. "Wo hast du denn Carsten gelassen? Oder ist der schon im Zelt und schläft?", fragte ich heiter. Er seufzte leise und winkte ab. "Schätzchen. Mit Carsten ist schon lange nichts mehr. Ich brauche einfach mal wieder etwas anständiges und nicht nur einen Kerl, der mich ständig dafür kritisiert, dass ich seine Socken nicht ordentlich falte", meinte er bitter. "Oh. Ich wusste gar nicht, dass es so schlimm war. Und was machst du jetzt? Schon jemand neues in Sicht?", fragte ich. Doch er schüttelte nur den Kopf und ließ die Schultern hängen. "Ich bin seit vier Wochen solo. Es gibt einfach keine anständigen Männer mehr in diesem Land. Aber wer weiß, vielleicht tut mir das allein sein auch mal gut", sagte er bedrückt. "Du findest schon wieder einen. Such nicht danach, lass dich einfach finden. Dann wird das schon", meinte ich grinsend und er erwiderte dies mit einem Lächeln. "Ach, du schaffst es immer wieder das Richtige zu sagen, du kleine, süße Maus. Wie stehts? Kommst du mit mir einen kleinen Prosecco am Tresen trinken? Um der alten Zeiten willen?" Na großartig! Noch einer, der mich zum Trinken animieren wollte. Dabei wusste ich, dass ich eigentlich schon genug hatte, um noch halbwegs klar denken zu können. Ich seufzte leise und schüttelte dann langsam den Kopf. "Nee, Achim, tut mir leid. Vielleicht morgen Abend, aber heute hab ich sicherlich schon genug", meinte ich schließlich. Ein wenig enttäuscht begann er eine Welpenschnute zu ziehen. "Das ist wirklich zu schade. Ich hatte zumindest gehofft, dass du Lust hättest dir mit mir ein Gläschen zu gönnen", sagte er betrübt. Mit hängenden Schultern zog er ab zur Theke und ich konnte mich wieder setzen. Die Zwerge starrten mich alle verwirrt und fragend an, als ich meine Karten wieder zur Hand nahm. "Was ist denn? Wer war denn dran?", fragte ich und musterte alle so gut ich eben noch konnte. "Was war denn das für ein Riese?", fragte Nori und sah dem großen, blonden Mann neugierig hinterher. Ich kicherte belustigt und antwortete: "Das war nur Achim. Ein wirklich netter, friedlicher Kerl. Allerdings würde ich jedem von euch raten ihn nicht zu nah an euch heran kommen zu lassen." "Warum? Ist er gefährlich? Oder kann er Zwerge nur nicht ausstehen?", fragte Dwalin und nun folgte auch sein Blick wachsam dem von Nori. "Ach, nein. Wobei, ich weiß nicht, was er von Zwergen hält. So einen hatte er noch nicht. Bisher waren die Meisten seiner Liebhaber so groß wie er. Oder mindestens einen Kopf kleiner", sagte ich und sortierte meine Karten. Neben mir hörte ich kurz, wie Fili sein Getränk ausspuckte und Kili deswegen anfing zu lachen. Thorin warf mir einen sehr entsetzten Blick zu. "Soll das heißen der... Der da... liebt Mannsbilder?", fragte Dori empört und nicht nur ihm klappte bei dieser Erkenntnis der Mund auf. Ich nickte nur belustigt aufgrund der Entrüstung, die sich nun am Tisch breit machte. "So was lasst ihr hier frei rum laufen? Das ist ja widerlich", grollte Dwalin und zog angewidert die Nase hoch. "Hey. Hier ticken die Uhren anders, als bei euch. Für uns sind Männer die Männer und Frauen die Frauen lieben etwas ganz normales geworden. Sie tun niemandem weh und können einem bessere Freunde sein als welche, die jeweils das andere Geschlecht lieben. Davon abgesehen, müsst ihr euch ja nicht mit ihm unterhalten, wenn es euch zuwider ist. Ich bitte euch aber darum ihn nicht zu beleidigen oder körperlich anzugehen. Er ist ein netter Kerl, der nun mal eine Schwäche für sein eigenes Geschlecht hat. Ist nichts dabei", sagte ich schulterzuckend. "Und warum hat er dich vorhin... äh... wie war das?", fragte Ori und kratzte sich am Kopf. "Ja, wieso hat er dich vorhin Leonard von Laschwappen genannt? Das hört sich an wie ein Männername", kam es von Bofur, welcher sich über den Tisch beugte. "Ach so. Das", meinte ich und kicherte, als es mir wieder einfiel. "Ja, Leonard von Laschwappen war, sagen wir mal, eine Rolle, die ich gespielt habe. Vor drei Jahren auf dem Karaoke-Abend hab ich mich als Mann verkleidet. Mir ein nettes Hemd angezogen. Einen schönen Bart ins Gesicht gezeichnet und dann hab ich auf der Bühne hier im Zelt ein nettes Liedchen von mir gegeben. Achim saß in der vordersten Reihe und hat mich nach der Vorstellung auf einen Prosecco eingeladen. Als der aber gemerkt hat, dass ich mehr Land weiter nördlich hatte als südlich, war er ziemlich enttäuscht. Er dachte ich könnte sein neuer Liebhaber werden", erzählte ich und den Zwergen verdarb diese Vorstellung wohl noch mehr die Laune. "Lasst uns besser weiter spielen. Diese Sache ist nun wirklich nichts für meinen Geschmack", kam es von Thorin, welcher auch wieder in seine Karten schaute. Die Anderen stimmten ihm murmelnd zu und so zockten wir weiter. Ich beschloss es ebenfalls dabei zu belassen. Sicherlich war die Begegnung mit einem Homosexuellen für die grundlegend konservativ gehaltenen Herren ein wenig zu viel gewesen. Wäre mir sicherlich nicht anders ergangen, wenn ich nicht so ein toleranter Mensch geworden wäre. Nach drei weiteren Runden hatte ich schon wieder verloren. Diesmal war allerdings Bofur der Gewinner. "So, Cuna. Und du trinkst jetzt mal ein ordentliches Bier. Und keine Widerrede", sagte er triumphierend. "Das kann doch nicht dein Ernst sein", jammerte ich. Doch er schüttelte erbarmungslos den Kopf. "Du trinkst jetzt eins. Aber ich denke du musst es dir selbst von der Bar holen. Bombur ist schon ins Zelt zurück gegangen", sagte er und schüttelte dabei den Zeigefinger in meine Richtung. Seufzend stand ich dann auf und wankte zur Bar. Dass mich diese verdammten Kerle nun wirklich soweit hatten, dass ich mir freiwillig was holte, war wirklich unglaublich. Meine ganze Willenskraft schien schon dahin zu sein, sonst hätte ich mich nie dazu hinreißen lassen. Aber ich konnte sie ja sicherlich austricksen und mir stattdessen ein alkoholfreies Malzbier holen. Immerhin hatte Bofur nicht gesagt, welche Art von Bier ich nehmen musste. Von meiner Idee überzeugt trat ich breit grinsend an den Tresen zwischen Achim und ein paar Andere, wo ich dann nach einem Malzbier fragte. "Ach, bist du doch noch gekommen, um mit mir kurz anzustoßen?", fragte Achim, der wohl meine Stimme gehört hatte. Ich sah ihn etwas irritiert an. "Also. Eigentlich wollte ich nur hier was holen", nuschelte ich entschuldigend und hob die Malzbierflasche. "Ach, bitte. Nur das eine Gläschen. Mehr will ich doch gar nicht", sagte er flehend. "Achim, bitte. Ich komm sonst nicht mehr gerade aus der Bar", erwiderte ich und warf dem Zwergentisch einen flüchtigen Blick zu, wo sich alle nach mir umwanden und wohl auf mich warteten. "Hör mal, ich verlange doch echt nicht viel. Ich trag dich dann schon zu deinem Zelt oder wo du auch immer schlafen magst. Bitte tu mir den Gefallen. Wir haben uns doch so lange nicht gesehn", bettelte er erneut. Seufzend legte ich den Kopf auf den Rand des Tresens. Mit meiner Willenskraft war es nun wirklich nicht mehr weit her. Ich schaffte es einfach nicht mehr zu widersprechen oder mir einen Grund einfallen zu lassen, mit dem ich die Sache ablehnen konnte. Und wenn es wirklich nur bei einem Glas blieb? Das zweite Metglas hatte ich ja auch besser weggesteckt als erwartet. Nun gut, vielleicht könnte mich ein kleiner Prosecco schon nicht umbringen. "Also gut. Aber nur Einer. Keinen mehr", sagte ich dann und gab mich geschlagen. Der große Mann neben mir begann bis über beide Wangen zu strahlen, wie ein Atomkraftwerk. Schnell organisierte er die recht süße Prickelbrause und reichte mir ein Glas. Ich stieß mit ihm an und stürzte das Zeug genauso schnell auf Ex runter, wie den Met, damit ich nicht zu lange daran fest hing. Schließlich musste ich ja auch wieder zurück zu dem Tisch der Anderen. Wobei ich mich nach ein paar Sekunden zu fragen begann, warum ich noch mal dahin zurück wollte. Irgendwie hatte ich den Grund ganz vergessen. Stattdessen begann ich eifrig mit Achim zu plaudern. Über das was er so erlebt hatte in den letzten Monaten. Was ich so mitgemacht hatte, wobei ich es gerade noch schaffte die Sache mit den Zwergen zu verschweigen. Das fiel mir in diesem Zustand auch immer schwerer. Ich merkte nicht mal, dass ich das Malzbier unberührt stehen gelassen hatte und stattdessen mit dem großen Mann ein Gläschen Prickelbrause nach dem anderen trank. Ich hatte inzwischen so gute Laune, dass ich lauthals die Lieder, die noch aus dem "ROZ" herein drangen mit sang. Mein Erinnerungsvermögen bekam auch immer mehr Lücken. Ich wusste noch, dass ich auf einen der nahen Tische gesprungen war und dort von Bon Jovi "You give Love a bad name" schmetterte. Das sorgte für ordentlich Aufsehen im Zelt und die Leute um mich herum grölten und feuerten mich an, während ich beim E-Gitarren Solo elegant in die Knie ging und den Rücken so weit durch bog, dass mein Hinterkopf die Tischplatte berührte. Das nächste Lied grölte ich dann an der Theke selbst. Oder vielmehr auf der Theke. "Halleluja" von Brings. Im besoffenen Zustand war nicht mal kölscher Dialekt für mich ein Problem. Zwischen drin musste ich wohl tatsächlich auch noch an richtiges Bier gekommen sein, denn ich hatte zumindest eine halbe Flasche in der Hand. Ich fand mich auch irgendwann lachend am Boden liegend vor der Theke wieder und wusste nicht wie ich dahin gekommen war. Ich erinnerte mich nur flüchtig, dass mich ein paar Leute runter gehoben hatten. Irgendwer packte mich an den Schultern und zog mich auf die Beine. "Ich glaube, du hast nun wirklich genug", murmelte mir eine tiefe Stimme genervt ins Ohr. Ich drehte den Kopf, um nachzusehen, wer mich da angesprochen hatte. Ich musste verträumt grinsen. Der Mann, der mich da fest hielt und versuchte mich auf den Füßen zu halten, sah Thorin fast zum verwechseln ähnlich. Nur irgendwie noch viel hübscher. "Hayo... Süßer", lallte ich und musste ihn unentwegt angrinsen. Er warf mir einen ernsten Blick zu, der dem Zwergenkönig gewaltig Konkurrenz machte. Dieser Blick zog mich direkt in seinen Bann. Er hypnotisierte mich beinahe. Fast als läge ein unbekannter Zauber darin. Ein Zauber, der mich nicht mehr los lassen wollte. "Weischt du... du schiehst aus wie jemand den ich kenne..." "Ach wirklich?", erwiederte der schöne Mann mit den ernsten blauen Augen. Ich nickte wobei es wohl eher an eine Art Head Bangen erinnerte. "Du... Du schiest aus wie... wie jemand... den isch... sehr... sehr ..... seeeeeeeeeehr... gern hab... " "Ach und wer soll das sein?", fragte er und legte den Kopf schief. Ich wedelte mit einer Hand, wobei ich mich irgendwie sogar selbst ins Gesicht schlug, wenn auch nicht doll. "Autsch....Kenns du nisch... aber er is... fast so süß wie du..", lallte ich weiter und drehte mich so zu ihm um, dass ich mich an seinen Schultern festhalten konnte. "Hrm... verstehe. Warum nur fast?", fragte er und sah mir dabei tief in die Augen. Ich antwortete ein wenig verzögert, da mir hin und wieder die Beine nach gaben und ich stetige Kicheranfälle hatte. "Weisscht du... er is... nur fast... fast so süß wie du... weil... weil isch ihn nicht ham kann. Ein erschtaunlischer Mann... und mit Mann... meine isch so richtig... Kräftisch.... mutisch... und... naja er hat alles was sisch eine Frau nur wünschen kann.. aber... aber... isch werd ihn nie bekommen." "Ach ja?" "Jap... der Mann... den isch meine... der isn echter.. also... nen ganz wirklisch unglaublisch... echter... Hicks... Könisch... Und da hat eine Frau, wie ich keine Tschangze... keine. Aber du... du wärst perfekt... disch... disch könnt isch auch nehm...", nuschelte ich und sah ihm tiefer in die Augen. Dieses atemberaubende Blau erinnerte mich an den Himmel eines eisigen Winter morgens. Er war im Augenblick das Schönste, was ich je gesehen hatte und ich wollte ihn mir unter keinen Umständen durch die Lappen gehen lassen. Wenn ich schon nicht Thorin haben konnte, dann würde ich mir diesen Kerl hier nehmen. Komme was da wolle. Ich merkte, wie er verblüfft versuchte den Kopf zurück zu ziehen, als ich mich ihm näherte. Doch ich wollte ihn nicht lassen. Ich legte eine Hand in seinen Nacken und fuhr ihm mit der anderen durch das leicht strohige, lange, dunkle Haar und seinen pechschwarzen, kurzen Bart entlang. Mein Herz raste, wie ein Sportmotor und ich kam ihm immer näher. Ich fühlte, wie er begann schneller zu atmen. Und er schien zu zittern. Oder war ich es vielleicht? Ich wusste in dem Augenblick nur eins. Jetzt oder nie! Den Kerl oder keinen! So schob ich mein Gesicht immer näher an Seines und drückte ihm schließlich meine Lippen auf. Ein unglaubliches Gefühl durchströmte mich, das nichts mehr mit dem Alkohol zu tun hatte. Es berauschte mich mehr als jede Droge, die auf dieser Welt existierte. Mir wurde so unglaublich heiß, dass ich glaubte innerlich zu verbrennen. Dieses unglaubliche Kribbeln, als ich seine Lippen berührte und mich sein Bart sanft am Kinn und unter der Nase kitzelte. Es war einfach unbeschreiblich und schöner, als ich je zu träumen gewagt hatte. Mir wurde schwindlig und ich fühlte mich regelrecht davon gleiten und über den Wolken schweben. Egal wer dieser Mann gerade war. Er raubte mir sämtliche Sinne. Für mich stand die Zeit völlig Still. Nichts rührte sich mehr. Weder Musik spielte noch vernahm ich irgendwelche anderen Geräusche. Da waren nur das Pochen meines Herzens, meine Lippen an seinen und sein warmer Atem auf meinem Gesicht. Schließlich glitt ich irgendwohin ab und verlor mich in unbedeutenden Träumen. Am nächsten Tag erwartete mich allerdings ein sehr unangenehmes Erwachen... -31. Die fatalen Auswirkungen von Alkohol / ENDE - Kapitel 32: 32. Hangover und andere Probleme -------------------------------------------- Der nächste Morgen begann für mich mit allerhand unerklärlicher Frage. Wo war ich? Wie bin ich dort hingekommen? Und welche Straßenbahn war mir dabei über den Kopf gefahren? Zunächst einmal musste ich mich allerdings um das "Wo" kümmern. Mein Verstand registrierte nur verzögert die Umgebung. Von irgendwo her drang Musik. Das war das Erste was ich wusste. Denn gerade diese ließ den kleinen Mann mit dem Hammer in meinem Schädel frohlocken und auf mein Hirn einschlagen, als gäbe es kein Halten mehr. Als nächstes schaltete sich mein Tastsinn wieder ein. Zunächst konnte ich schon mal feststellen, dass ich auf jeden Fall auf der Seite lag denn damit berührte ich hauptsächlich den Boden. Bis auf meinem Kopf, der irgendwie auf meinem ausgestreckten Arm ruhte, lag ich auf einer steinharten, kühlen und sich etwas klebrig anfühlenden Fläche. Über mir lag ein Tuch aus dünnem Stoff. Jemand musste mich zugedeckt haben. Ich versuchte vorsichtig die Finger vom Boden zu lösen. Doch stattdessen bewegte ich erst einmal einen meiner Füße. Also fiel eine fehlerfreie Koordination meiner Extremitäten schon mal aus. Damit sollte ich dann doch warten, bis sich die anderen Sinne aus ihrem Tiefschlaf meldeten. Es dauerte einen Moment da begann ich auch endlich wieder irgendwas zu schmecken und das war wirklich sehr unangenehm. Wer einmal im Vollrausch gewesen war, wird dieses widerliche Gefühl kennen, wenn man meint zum Abendbrot alte Sportsocken gegessen zu haben. Fast gleichzeitig mit meinem Geschmackssinn kam auch mein Geruchssinn wieder. Dieser bereitete mir nun wirklich Probleme, denn urplötzlich zog sich mein Magen schmerzhaft zusammen. Es stank. Und zwar extrem nach allem möglichen. Ich roch sowohl Seife, als auch Erde, Rauch und den schlimmsten Geruch, den man sich in einem solchen Zustand vorstellen konnte. Klo. Herr im Himmel, wo war ich denn da gelandet? Vielleicht auf dem Klo bei irgendeiner Rave Party? Der Musik nach war es sehr wahrscheinlich. Noch verstand ich nämlich nur bruchstückhaft, was die Sänger von sich gaben und in welchem Zusammenhang die Klänge standen. Doch da waren noch andere Töne zwischen drin zu hören. Leute die wohl miteinander Worte wechselten. Der Boden unter mir wackelte etwas, als ein paar schwere Schritte näher kamen. Ich registrierte, dass sich irgendwer zu meinen Füßen hingestellt haben musste und ein nervenaufreibendes Quietschen drang mir in den Gehörgang, als hätte jemand eine uralte Tür geöffnet. Offensichtlich die von der Kabine, wo ich auf dem Boden lag. Auch schien ich die ganze Zeit über nicht allein gewesen zu sein. Denn neben mir auf dem Boden hörte ich das Knarzen von Schuhen, die sich fast gleichzeitig mit dem Quietschen bewegten. Zwei Stimmen tauschten sich untereinander aus. Doch es war schwierig sie zuzuordnen. Ich wusste nur, dass die Eine irgendwie besorgt und die Andere ziemlich barsch klang. "Hat sich schon was getan?", fragte die besorgte Stimme, die für meine Verhältnisse viel zu laut war. Auch wenn sie meinem Denken nach wohl ruhig klingen wollte. Allerdings war die barsche Stimme wesentlich lauter, als die Besorgte. "Nein verdammt! Immer noch nicht! Könntet ihr mal aufhören mich alle paar Minuten zu fragen?! Ich sag euch schon, wenn sie wach ist", knurrte sie gereizt. Mein kleiner Hammerfreund im Hirn schien aufgrund dieser Aussage nun Amok zu laufen und aktivierte dabei mein Sprachzentrum. Zumindest spürte ich, wie sich ein gequältes Stöhnen in meiner Kehle ausbreitete. Inzwischen gelang es mir meine Hand von dem klebrigen Boden los zu reißen und mir unangenehm seitlich gegen die Stirn klatschen zu lassen. "Sieh mal! Sie wacht auf!", rief die besorgte Stimme mit einem mal fröhlich. Der Aufschrei war so Ohrenbetäubend, dass ich säuerlich zischte. Warum mussten die denn jetzt so anfangen zu schreien? Nahm denn keiner Rücksicht darauf, dass ich mich offensichtlich in einer sehr miesen Lage befand? Scheinbar nicht denn kurz drauf sprach wieder die barsche Stimme und das fast genauso laut und unfreundlich. "Na, Weibstück. Wieder unter den Lebenden?", meinte diese belustigt aufgrund meiner reichlich hilflosen Lage. Doch zumindest konnte ich jetzt diese Stimme als Person identifizieren. "Halts Maul, Dwalin...", gab ich krächzend und fast flüsternd von mir. Meine Stimme schien ich in der vergangenen Nacht wohl auf dem Weg hier her irgendwo verloren zu haben. Dwalin grunzte belustigt und wand sich dann wieder der besorgten Stimme zu:"Kili, sag den anderen Bescheid, dass sie wieder wach ist." Kili gab ein erleichtertes Schnauben von sich und stapfte dann sehr geräuschvoll von dannen. Ich versuchte unterdessen die Augen auf zu machen, um mir endlich diesen sonderbaren Ort anzusehen. Als ich ein Auge öffnete erklärte sich zumindest der Grund, warum es nach Klo roch. Denn ich starrte genau auf eine dieser Porzellanschüsseln. Auch erkannte ich den hellen PVC-Boden, auf dem ich immer noch fest klebte. Die Frage nach dem "Wo" war nun also geklärt. Jetzt kamen wir zur Nächsten. Und das war das "Wie". Da ich ja nun wusste, dass jemand mit mir im Raum war, konnte ich ja die Frage getrost an diesen weiterleiten. Doch dafür wollte ich mich erst mal aufsetzen. Keine leichte Aufgabe, wenn man zunächst die eigenen Bewegungsabläufe sortieren muss. Noch dazu versetzte mir die grelle Leuchtstoffröhre an der Decke einen gewaltigen Schlag ins Gesicht, als ich den Kopf drehte. Ich schloss meine Augen schnell wieder und drückte meine Hand auf die Lieder damit es wieder dunkel wurde. Dwalin schien sich unterdessen an meinem qualvollen Theater richtig zu erfreuen. Er machte auch nicht wirklich Anstalten mir zu helfen. Wozu denn auch? Der Herr hatte ja offensichtlich einen heiden Spaß daran, einer völlig verkaterten Frau dabei zu zu sehen, wie sie verzweifelt versuchte in eine aufrechte Position zu kommen. Fehlte eigentlich nur noch, dass er mit Drei D Brille, Popcorn und Cola auf einem Regiestuhl vor mir saß und heiter "Action" brüllte. Schließlich hatte ich es dann doch endlich mal geschafft mich aufrecht hin zu setzen. Wobei aufrecht relativ zu verstehen war. Ich hatte nämlich meinem Kopf zwischen meinen Knien geparkt und kuschelte diesen in die Leinendecke, die über mir gelegen hatte. "Ich hätte nicht erwartet, dass du es schaffst vor dem Mittag noch wach zu werden", kam es von dem Zwerg der auf mich hinab starrte. "Hörst du wohl auf so zu brüllen? Deine Stimme ist wie eine Kettensäge in meinen Ohren", fauchte ich ihn an. Nun fing der unbarmherzige Kerl auch noch an polternd zu lachen. Mir schien nichts erspart zu bleiben. Knurrend brachte ich mich dazu ihn anzusehen. Er stand an die Trennwand der Klokabiene gelehnt, mit verschränkten Armen vor der Brust. "Hör auf so dreckig zu lachen und sag mir lieber, wie ich hier her gekommen bin", maulte ich ihn an. Er räusperte sich kurz nachdem sein kleiner Lachanfall vorbei war und begann zu erklären:"Also du bist mehr oder weniger allein hier her gekommen, nachdem wir dich mehr schlecht als recht aus dem Schankzelt raus gebracht hatten. Du hast vielleicht eine Kraft entwickelt, dagegen war ein Troll wie ein Neugeborenes. Jedenfalls konnten wir dich mit acht Männern nicht festhalten, als du hier her getorkelt bist." "Das weiß ich nicht mehr", nuschelte ich und fuhr mir durch die Haare. Er schnaubte kurz bevor er mit seiner Erzählung fort fuhr: "Es war wirklich schon eine Meisterleistung, dass du dich in dem Zustand so gut orientieren konntest. Hätte nicht erwartet, dass ihr Menschen dazu in der Lage seid, sturzbetrunken Treppen zu steigen. Wobei mich nach deiner kleinen Gasangsvorstellung an vergangenen Abend gar nichts mehr gewundert hat." Als er letzteres erwähnte, musste ich anfangen beschämt zu stöhnen. Ich konnte mich plötzlich wieder daran erinnern, wie ich halb auf dem Tisch gelegen, auf dem Tresen gestanden und lauthals Partylieder von mir gegeben hatte. Dahin war nun also meine Stimme verschwunden. Zumindest hatte sich dies geklärt. Aber der Zwerg ließ sich nicht davon abhalten, noch mehr von dem Abend preis zu geben, der mir nur in Fetzen in Erinnerung geblieben war. "Im Übrigen war es sehr sehr mühsam dich von der Theke runter zu bekommen. Kannst von Glück reden, dass du erst gestürzt bist, nachdem wir dich auf dem Boden hatten. Was ich mich allerdings frage, was du dir dabei gedacht hast, als du über Thorin hergefallen bist, wie ein liebestoller Warg", meinte er und seine Stimme ging über in ein nachdenkliches Grübeln. Plötzlich fuhr alles in mir zusammen. Ich hob entsetzt den Kopf und starrte Dwalin an. "Sag das noch mal", japste ich. Er grinste mich böse an und ließ sich nun doch dazu herab, sich vor mich hin zu knien. Ich konnte es ihm an den Augen ansehen, dass er gerade eine diebische Freude dabei empfand, mich mit dieser mehr als haarsträubenden Nachricht zu schockieren. Mir stand der Mund sperrangelweit offen und ich versuchte verzweifelt mich daran zu erinnern, was genau er mit der letzten Aussage meinte. Kurz blitze vor meinem inneren Auge ein Bild auf. Ein Mann mit schwarzem langen Haar und Bart an dem ich mich festhielt, und dessen blaue Augen, die immer näher zu kommen schienen. Ein kribbelndes, brennendes Gefühl breitete sich wieder auf meinen Lippen aus, als ich mich entsann, wie ich diesem Kerl einen Kuss aufgezwungen hatte. Himmel! Der Mann konnte doch nicht wirklich der Zwergenkönig gewesen sein?! Nein das konnte nicht sein. Das durfte einfach nicht sein! Mir rutschte buchstäblich der Magen drei Etagen tiefer. Was in aller Welt hatte ich da nur getan?! Wie stand ich denn jetzt da?! Ich hob zitternd die Hände, packte Dwalin so fest ich konnte am Kragen seines Leinenhemdes und starrte ihm panisch ins Gesicht. "Das ist nicht wahr. Sag mir, dass das ein Scherz von dir ist. Sag mir bitte nicht, dass ich das getan habe", klagte ich doch seine Miene ließ keinen Zweifelt aus. Erst recht, als er mich frech angrinste. "Was hast du denn, Weibstück? Warum bist du denn so entsetzt darüber? Gestern Abend hat es dir doch noch sehr gefallen", meinte er und etwas Triumphierendes blitzte in seinen Augen auf. "Herr Gott, steh mir bei!", klagte ich, löste meinen Griff von seinem Hemd und wäre fast wieder nach hinten auf dem Rücken gefallen. Doch diesmal hielt er mich ausnahmsweise fest. Allerdings nicht ohne mich hämisch auszulachen. Ich legte mir beide Hände aufs Gesicht, welches sich vermutlich nicht entscheiden konnte, ob es nun blass oder rot sein wollte. Scheiße, scheiße, scheiße! Zur Hölle mit diesem verdammten Alkohol! Zur Hölle mit meinem Filmriss und verdammt noch mal, auch zur Hölle mit mir selbst! Nun erinnerte ich mich auch noch plötzlich daran, was ich zu ihm gesagt hatte. Gut, ich hatte nicht gesagt, dass ich in ihn verliebt war, aber es reichte doch schon, dass ich erwähnte, dass ich ihn sehr gern hatte. Und nach diesem Kuss musste er bestimmt sonst was von mir denken. Für mich war dies die schlimmste Krise seit Menschengedenken. Und Dwalin machte die ganze Situation noch viel schlimmer mit seinen Kommentaren. "Nun stell dich mal nicht so an. Fehler passieren jedem einmal im Rausch. Aber es war schon ein netter Anblick, wie du da an ihm gehangen hast. Und so verstört, wie er danach war, hab ich ihn in all den Jahren, die ich ihn nun kenne, nicht erlebt. Hatte erwartet, dass er dir für diese Frechheit eine runter hauen würde. Wofür er mein Wohlwollen gehabt hätte", meinte er trocken. "Bitte hör auf, Dwalin!", flehte ich und fühlte mich den Tränen nahe. Schlimm genug, dass es überhaupt soweit gekommen war. Musste mich dieser grobe Klotz auch noch damit foltern? Zum Glück erlösten mich bald heran eilende Schritte von dem Zwerg. Der Klowagen wackelte, als mehrere paar Stiefel die eiserne Treppe empor stiegen und über den PVC-Boden trampelten. "Cuna!", rief jemand aus und erinnerte damit den kleinen Mann mit dem Hammer daran, das er erneut zuschlagen durfte. Ich knirschte mit den Zähnen und sah auf zu Fili, der mit seinem Bruder in der Tür erschienen war. "In drei Teufelsnamen, hört auf so zu brüllen", maulte ich die Jungs an, die freundlich zu mir hinunter grinsten. Doch auch sie lachten nur, wie schon Dwalin zuvor über meinen Kater. "Wer sich so die Kante gibt, brauch sich nicht darüber wundern, wenn er die Konsequenzen zu tragen hat", sagte der blonde Zwerg und hockte sich vor mich. "Ich geh dann mal. Kümmert ihr euch weiter um das Weibstück", kam es mit einem Mal von Dwalin, der aufstand und sich an den Jungs vorbei drängte. Als er weg war, musterte ich die beiden gequält. "Wir haben uns wirklich Sorgen um dich gemacht. Du warst ja völlig außer dir", meinte Kili und sah mich ebenfalls gequält an. Fili zog unterdessen etwas von seinem Gürtel, dass er mitgebracht hatte. Es war einer der Wasserschläuche. "Hier. Nimm mal ein paar Schlücke. Oin hat dir einen Trank zubereitet, von dem du wieder klar im Kopf wirst", sagte er schlicht, entkorkte das Ding und hielt es mir an den Mund. Als mir der Geruch davon in die Nase stieg, hätte ich mich am liebsten sofort übergeben. Ich verzog das Gesicht und schob das Gesöff von mir weg. "Nicht.. in tausend Jahren, Fili", erwiderte ich doch er blieb hartnäckig. "Ich weiß, es riecht in deinem Zustand nicht gerade verlockend. Aber wenn du es mal drin hast, bleibt es auch da. Versprochen", meinte er und drückte mir die Öffnung an den Mund. Ohne dass ich weiter widersprechen konnte, kippte er mir das Zeug in den Hals. Tatsächlich schmeckte es doch besser, als es roch. Obwohl ich wirklich nicht wissen wollte, was Oin da genau hinein gemischt hatte. Doch ich musste neidlos anerkennen, dass die zwergische Heilkunst offenkundig eine der Besten war, die mir je begegnete. Der Trank brauchte keine fünf Minuten um mir sämtliche Übelkeit, Kopfschmerzen und Koordinationsschwierigkeiten zu vertreiben. Doch eine Sache konnte er nicht beheben und das war das unangenehme Schamgefühl, welches immer noch in meiner Brust brannte. "Und? Wirkt er?", fragte Kili und kam neugierig näher. Ich nickte nur und versuchte mich zunächst allein auf die Beine zu hieven. Es war noch ein wenig schwierig, da mein Körper sich noch etwas steif und verkrampft anfühlte. Doch die Jungs gingen mir gut zur Hand, sodass ich bald in der Senkrechten war. Ich stützte mich etwas an der weiß lackierten Holzwand ab und sah nun beide auf Augenhöhe an. "Ich hab großen Mist gebaut, oder?", fragte ich sie bedrückt, doch ich sah beide nur belustigt grinsen. "So würde ich das nicht bezeichnen. Sicher es war reichlich ungewöhnlich. Aber du hast mit dem Gesang ordentlich Eindruck geschunden. Wusste gar nicht, dass du so eine fantastische Stimme hast", sagte Kili. Ich blickte ihn ein wenig verständnislos an. "Wer redet denn vom Singen, ich hab die Sache mit Thorin gemeint", schnaubte ich. Die beiden Brüder sahen sich kurz stirnrunzend an. "Du erinnerst dich also daran", stellte Fili ruhig fest. "Jaaaaaaa... Nachdem Dwalin mir das eben vorhin erzählt hat. Ich war der festen Überzeugung gewesen, ich hätte irgendeinen fremden Kerl geknutscht. Aber doch nicht euren Onkel. Wie steh ich denn jetzt da? Ich kann ihm doch nie wieder unter die Augen treten", sagte ich und ließ den Kopf matt hängen. "Aber, aber. Nun beruhig dich mal. So schlimm war es nicht. Im Gegenteil. Ich hab ihn danach noch nie so ruhig erlebt. Gut, ein wenig verstört war er schon. Aber so wäre es jedem von uns gegangen. Du hast dich ja auch recht bald wieder von ihm los gerissen", erklärte Fili sanft und legte mir eine Hand auf die Schulter. Na super! Alle waren Live dabei gewesen, wie ich mich lächerlich gemacht hatte. Schlimmer konnte doch so ein Abend gar nicht mehr verlaufen. Zumindest nicht für mich. Wobei ich eigentlich dankbar sein sollte, dass es nicht tatsächlich ein wildfremder Mann gewesen war, dem ich mich da an den Hals geworfen hatte. Wer weiß wo und in welcher Situation ich dann erwacht wäre. Bestimmt nicht im Klowagen und unter Garantie auch nicht mit Klamotten am Leib. Aber wie sollte ich jetzt mit dieser beschämenden Tatsache umgehen? Wie sollte ich ihm erklären, dass das alles nur ein Unfall gewesen war? Würde er mir denn überhaupt noch irgendwas glauben, wo ich ihm auch noch zu gelallt hatte, dass ich ihn mochte? Erschöpft vom Nachdenken, ließ ich mich auf den Klositz sinken. Ich wollte am liebsten für den Rest meines Lebens in diesem Wagen bleiben. Hauptsache ich begegnete ihm nicht. Das würde ich unter keinen Umständen ertragen können. Und wenn ich dann noch die belustigten Blicke der anderen Sehen müsste. Nein, so eine Blamage! "Ach, Cuna. Kopf hoch. Niemand nimmt dir das, was du getan hast übel. Wir haben alle schon komische Sachen gemacht, wenn wir betrunken waren. Onkel wird auch noch drüber hinweg sehen. Vielleicht war es ja auch ein Schritt in dir richtige Richtung. Immerhin fühlst du ja viel für ihn. Jetzt mach dich nicht weiter verrückt. Steh auf und komm mit uns nach draußen", meinte Kili und hockte sich vor mich, um mir von unten tröstlich ins Gesicht zu lächeln. "Könnt ihr mich nicht einfach erschießen oder so was?", jammerte ich, doch schon zogen mich beide wieder in die Senkrechte. "Komm schon. Du wirst dich früher oder später sowieso allem stellen müssen. Außerdem musst du mal was essen und dir auch andere Kleidung anziehen", kam es von Fili und schon hatten mich beide untergehakt. Alles wehren und widersprechen half nichts. Sie schleiften mich gnadenlos mit. Hinaus in die warme Vormittagssonne. Vorbei an anderen Zeltplatzbewohnern, die mir ihr freundliches "Hallo" zu grölten und mich zu meiner Gesangseinlage beglückwünschten. Bis hin zu den Zwergenzelten. Dort herrschte auch ein munteres Treiben. Sie plauderte heiter, schnitzten mit ihren Messern an irgendwelchen Holzfiguren herum oder rauchten das ein oder andere Pfeifchen, während sie sich etwas erzählten. Ein typischer Morgen für Zwerge eben. Als wir drei näher kamen, verstummten sie jäh und hielten in ihrer Arbeit inne. Ich sah einige belustigt die Münder hinter den Bärten verziehen und mein Gewissen wurde mir noch schwerer. "Cuna", rief Bofur grinsend und hob die Hand. Ich nickte ihm nur knapp zu. "Fühlt Ihr Euch wieder besser Kindchen?", fragte Oin und trat mit prüfendem Blick näher an mich heran. "Ähm... Ja. Danke Oin. Der Trank hat wirklich gut geholfen", sagte ich beiläufig ohne ihn anzusehen. Mein Blick suchte die Zelte ab. Wenn er hier irgendwo war, musste ich ihn zuerst sehen, bevor er mich sah. Doch nichts. Da war kein Zwergenkönig in Sicht. Weder vor, noch in oder neben den Zelten. "Wenn du dein Herzblatt suchst. Der ist eben auf den Wachturm geklettert", kam es spöttisch von Dwalin, der mich beobachtet hatte. "Er ist NICHT mein Herzblatt!", fauchte ich ertappt und fühlte die Hitze in meine Wangen steigen. Allgemein brach Gekicher aus. "Leute. Ersthaft. Das war ein Unfall!", ergänzte ich aufgebracht. "Oh. Ach so. Unfall nennt man das, wenn man sich jemanden an den Hals wirft und ungefragt küsst", raunte Gloin, der genauso spöttisch klang wie Dwalin. Um dem Ganzen noch ein drauf zu setzen stellten sich Nori und Bofur theatralisch voreinander hin und brachte eine Darbietung, die beinahe an eine Romeo und Julia Parodie erinnerte. Dabei kniete sich Bofur vor Nori und weitete die Arme aus. "Oh Thorin. Meiner Herz begehrt dich so sehr. Aber ich weiß, du wirst nie der meine sein", rief er mit verstellter hohe Stimme, was für einen männlichen Zwerg wirklich eine Leistung war. Nori hob Bofur auf die Füße und fasste ihn fest an den Schultern. "Es stimmt Cuna, du kannst nie und nimmer die Meine werden, doch will ich dir in meiner Großherzigkeit und Güte gestatten, mir einen Kuss zu rauben", sagte er mit dem Versuch die Stimme des Zwergenkönigs zu immitieren. "Oh Thorin, damit machst du mich ja so glücklich!", kreischte Bofur und schon taten die beiden so, als würden sie sich heiß und innig küssen. Die Männer brachen in schallendes Gelächter aus. In mir begann es zu brodeln. Dass sie kicherten und lachten war für mich schon schlimm genug. Doch dass sie sich auch noch so darüber lustig machten und damit nicht nur mich verunglimpften, sondern auch noch ihren eigenen Anführer, war wirklich zu viel der Scherze. Ich machte auf dem Absatz kehrt ohne dabei auf Kili und Fili zu achten, die mir kurz etwas nach riefen. Was ich allerdings in meiner Rage vollkommen überhörte. Ich musste die Sache jetzt klären. Das Ganze konnte ich einfach nicht so stehen lassen. Zu allem entschlossen trat ich auf den hölzernen Wachturm zu und suchte nach der Leiter, die mich nach oben führen würde. Es war wohl der für mich schwerste Gang, den ich seit langem unternehmen musste. Doch ich war unheimlich aufgebracht und wenn ich das nicht umgehend aus der Welt schaffte, würde es vermutlich für den Rest der Zeit auf der Zeltstadt unerträglich werden. Als ich fast oben angekommen war, streckte sich mir schon eine Hand entgegen. Ich folgte der Hand, über den Arm, bis hin zum Gesicht des Mannes, dem dies alles gehörte. Sein Gesicht wirkte wie immer sehr ernst und undurchschaubar. Doch keinesfalls wütend oder entrüstet, dass ich einfach so ungefragt zu ihm nach oben gekommen war. Trotzdem rutschte mir schlagartig das Herz in die Hose, als ich ihn ansah. "Komm. Greif zu", sagte er ruhig und wartete dass ich nach seiner Hand griff. Nur zögerlich und widerwillig konnte ich eine Hand vom hölzernen Gerüst lösen. Nachdem ich zugepackt hatte, gab es nur einen kurzen Ruck und schon hatte er mich auf die Plattform gezogen. Ein wenig erschrocken stand ich nun Auge in Auge vor ihm. Er hielt meine Hand noch fest und unsere Blicke trafen sich einen kurzen Moment. Doch ich entschloss mich schnell wieder weg zu sehen. "Ich hab nicht erwartet, dich so schnell wieder auf den Beinen zu sehen", meinte er knapp und ließ dann los. Ich schluckte ein wenig, auch weil das Echo der Berührung in meiner Hand pulsierte. Ich schwieg erst mal, da ich nicht wirklich wusste, wie ich anfangen sollte. Verdammt, ich hätte nicht so Kopflos zu ihm stürmen sollen, ohne darüber auch nur einmal nachzudenken, was genau ich ihm nun sagen wollte. Nun stand ich da, wie ein Kind beim Dreck und wusste weder vor noch zurück. "Gefällt dir die Aussicht?", fragte er plötzlich. Ich hob aufgrund dieser banalen Frage erschrocken den Kopf. Ob mir die Aussicht gefiel? Ich hatte vielmehr mit der Frage gerechnet, was ich von ihm wollen würde. Oder zumindest, dass er gleich auf den Punkt kam, wenn er wusste, was mein Auftauchen bei ihm bedeutete. Aber doch nicht so etwas belangloses. Er hatte mir den Rücken zu gewandt und war an das Geländer getreten, wo er hinab auf den Platz schaute. Ich blieb auf meiner Stelle stehen und sah mich einfach schweigend um. So hoch war der Turm nicht. Vielleicht Fünf Meter. Aber das reichte ja immerhin auch schon, um alles auf dem Platz zu überblicken. Die Plattform oben hatte, neben einem Geländer, noch ein kleines Dach drauf gesetzt bekommen, um den dort Wachhabenden vor Regen und starker Sonne zu schützen. Als der Zwerg merkte, dass ich ihm auf die beiläufige Frage nicht sofort antwortete, gab er ein Seufzen von sich. "Bist du gekommen, um mit mir zu reden oder nur um stumm auf dem Fleck zu stehen und mich anzustarren?", fragte er ein wenig forsch. Ich zuckte unwillkürlich zusammen. Nun wurde er ja doch mal direkt. Aber anstatt etwas zu antworten klappte mir nur immer wieder verblüfft der Mund auf und zu. Ihm schien allerdings die Geduld sehr schnell auszugehen, darauf zu warten, dass ich meine Stimme wieder fand. Er schnaubte und ging vor mir auf und ab ohne mich anzusehen. "Gut. Wie du willst. Dann fange ich eben an. Du warst betrunken. Es tut dir unendlich leid, dass du mich so überfallen hast und willst mir versprechen, dass das nie wieder vorkommt, da es absolut bedeutungslos war", sagte er mit grob zusammenfassendem Ton. "J-ja... n-nein... ich... ", begann ich zu stammeln. Er drehte sich zu mir um und trat näher an mich heran. Sein Gesicht zeigte deutlich, wie angespannt er war und das schlug sich auch in seiner Stimmlage nieder."Ja. Nein. Wie ist es denn nun, Cuna? Weißt du eigentlich noch, was du gestern Abend von dir gegeben hast? Ist dir nicht klar, was du getan hast?", fragte er aufgebracht. So fahrig hatte ich ihn bis zu diesem Punkt auch nicht erlebt. Er war ja völlig durch den Wind. Ganz untypisch für diesen sonst so hartgesottenen kleinen Mann. "Thorin, bitte ich...", versuchte ich zu sagen doch schon unterbrach er mich wieder. "Ja. Du. Warum ausgerechnet du? Seit ich lebe ist mir keine Frau, weder zwergischer noch menschlicher Abstammung so nahe getreten wie du. Was willst du jetzt tun, Cuna? Hm? So tun als wäre nie etwas geschehen? Meinst du, wir könnten das jetzt hier mit ein paar warmen Worten aus der Welt schaffen, wie eine einfach Meinungsunstimmigkeit? Im Namen von Mahal! Das war keine Nichtigkeit. Das war ein Zugneigungsgeständnis!", blaffte er und sah mir scharf in die Augen. Ich musste zwangsläufig vor ihm zurück weichen, da er mir nun wieder sehr nahe gekommen war. Ich hob aus Reflex abwehrend und beschwichtigend die Hände. "Thorin. Langsam. Ich. Ich wollte mich nur...", stammelte ich, doch wieder machte er einen Schritt auf mich zu. "Entschuldigen? Dafür willst du dich entschuldigen? Das kannst du dir sonst wo hin stecken. Diesmal nicht. Meine Geduld und Gnade mit dir ist endgültig aufgebraucht!", rief er aus und schon hatte er mich in eine Ecke des Turmes gedrängt. Er krallte sich mit seinen kräftigen Händen links und Rechts in das hölzerne Geländer, sodass ich keinen Weg mehr hatte auf dem ich vor ihm flüchten konnte. Das Holz knarzte unter seinem bebenden Griff und seine Augen funkelten gefährlich, als sie meine trafen. Er war so nah an mich ran gekommen, dass ich seinen Atem auf meiner Haut fühlen konnte. Oh Himmel! Es war offensichtlich ein Riesen Fehler gewesen zu ihm hoch zu steigen. Ich warf bedrückt einen Blick über die Brüstung nach unten, wo sich das Zeltplatzleben tummelte. Niemand schien etwas von meiner misslichen Lage mit zu bekommen. Sicherlich würde er mich gleich greifen und hinunter werfen. Einen schlechteren Ausgang hätte ich mir wahrlich nicht selbst ausmalen können. Wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich einmal von einem Zwergenkönig in den Tod gestürzt werden würde, hätte ich vermutlich sofort die nächste Klapsmühle für denjenigen angerufen. Doch in Anbetracht der kleinen, haarigen und wütenden Tatsache da vor mir, hätte ich wohl jeden lügen gestraft. Schon fühlte ich, wie sich eine seiner Hände vom Geländer gelöst hatte und mich kräftig am Arm packte. Er zitterte regelrecht vor Aufregung. Ich fiebste kurz und sah ihn verängstigt an. "Bitte.. Bitte nicht. Was... Was hast du vor?", sagte ich und meine Stimme war nun deutlich um hundert Oktaven nach oben geschnellt. Ich hatte bereits den sicheren Freiflug vor Augen, als er mich mit der anderen Hand im Genick packte. "Ich werde dir eine Lektion erteilen, die du dein Leben lang nicht vergessen wirst!", fauchte er leise, da er mir nun schon so nah gekommen war, das brüllen definitiv nicht mehr nötig gewesen war. "Bitte.... Bitte nicht... Thori...", jammerte ich ein letztes Mal, doch schon war es geschehen. Das absolut unvorstellbarste und unvermeidlichste war eingetreten. Und es war, wie er versprochen hatte, die Lektion meines Lebens... -32. Hangover und andere Probleme / ENDE - Kapitel 33: 33. Eine wichtige Lektion... Oder Zwergenkönige küsst man nicht! ---------------------------------------------------------------------------- Nie im Leben hätte ich das erwartet, was in diesem Augenblick mit mir geschah. Alles überschlug sich in meinem Kopf. Ich zitterte. Ich bangte. Ich versuchte irgendwie zu begreifen, was gerade vor sich ging. Doch je länger ich nach einer Erklärung suchte, umso bedeutungsloser wurde eigentlich die Suche nach dem Grund. Meine Gefühle wechselten von Sekunde zu Sekunde. Von Angst, Panik und Verzweiflung, bis hin zu schamloser Euphorie und einem hoffnungslosen Ohnmachtsgefühl. Wie hatte es nur soweit kommen können? Hatte es tatsächlich alles mit meinem Ausrutscher am Vorabend zu tun gehabt? Oder war schon viel früher der Weg zu diesem Punkt geebnet worden? Es gab nur einen Fakt: Da war er und da war ich. Doch das war bei weitem nicht das Beunruhigenste. Nein, es war die Tatsache wie wir gerade einfach "Da" waren. Mein Körper hatte sich regelrecht versteift, als wäre ich in einen Schockfroster geraten. Und genauso zitterte ich auch. Mir war nicht bewusst, was er als nächstes tun würde. Denn was er im Augenblick tat, war wohl das unerklärlichste, was ich mir nach seinem kleinen Wutausbruch hatte vorstellen können. Gut, vielleicht war es kein wirklicher Wutausbruch gewesen. Eine Verzweiflungstat gegebenenfalls. Doch selbst dafür, war die Aktion zu unabsehbar gewesen. Ich wusste mir einfach keinen Rat oder konnte mir auch nur irgendeinen Reim darauf machen, was gerade in diesen Zwerg gefahren war. Seine Hände, die mich urplötzlich grob im Nacken und fest am Arm gepackt hielten, wollten sich auch kein bisschen lockern. Ich hatte zwar noch eine Hand frei, mit der ich mich gegen ihn hätte wehren können. Doch diese versagte mir schlichtweg den Dienst. Und die Andere wurde auch bald taub von der Umklammerung. Meine Beine konnten sich bald schlichtweg nicht entscheiden, ob sie nun stramm stehen wollten oder in sich zusammen sinken. Doch gefallen wäre ich nicht, so fest wie er mich an den hölzernen Eckbalken der Turmkonstruktion drängte. Dieser stach mir inzwischen unangenehm in die Wirbelsäule. Doch jedes mal, wenn ich meinen Oberkörper etwas bewegte, griffen seine Finger noch stärker zu und er rückte mit seinem breiten Zwergenkörper dichter an meinen, bis wir uns fast gänzlich berührten. Er wollte mich nicht gehen lassen. Nicht so ohne weiteres. Ich war völlig in seiner Gewalt. Ich konnte es in seinen hellblauen Augen deutlich erkennen. Er könnte sicherlich alles mit mir tun, was er wollte. Und das Schlimmste daran war. Es würde mir vermutlich sogar noch gefallen! Ich hätte auch gar nicht widersprechen können. Hätte ich auch gar nicht gewollt. Denn als ich den kurzen Schock überwunden hatte, begann ich es bereits regelrecht zu genießen. Auch wenn ich versuchte, das Gefühl ein wenig zurück zu halten, da ich große Sorge hatte, dass uns so irgendjemand sehen könnte. Es würde sicherlich für enormes Aufsehen sorgen. Vor allem unter seinen Männern. Aber darüber konnte ich mir wenig Gedanken machen. Ihm schien es ja auch egal zu sein, ob uns jemand sah oder nicht. Dennoch meinte ich eine Spur von Wachsamkeit bei ihm zu erkennen. Eine seiner vielen Angewohnheiten, die er wohl nicht mal bei so etwas ablegen konnte. Vielleicht wollte er aber nur sehen, was ich nun tat, wo er mich in eine solche Lage gebracht hatte. Zumindest eines war sicher. Ich war sprachlos. Doch wusste ich noch nicht für wie lange. Mir war auch nicht bewusst, ob nun Sekunden vergangen waren oder schon mehrere Minuten. Aber selbst wenn er von mir ab ließ, und diesen Moment würde ich bis in alle Ewigkeit verfluchen, hätte ich keinerlei Worte dafür, wie sehr mich seine Aktion in Erschrecken und Erstaunen versetzt hatte. Vielleicht ging es aber auch nicht darum irgendetwas zu sagen. Vermutlich war es einfach mehr ein Genießen. Oder gar ein peinliches Schweigen am Ende. Irgendetwas würde sicherlich eintreten. Aber das würde sich zeigen, sobald sich seine bebenden, warmen Lippen von meinen lösten. Er war im ersten Moment sehr brutal vorgegangen, als er sie auf meine gepresst hatte. Durch den Griff im Nacken hatte ich zunächst das Gefühl bekommen, als wollte er mir den Kiefer brechen. Aber offensichtlich sprach das für seine völlige Unbeholfenheit. Obwohl er schon so alt war, konnte ich mir nicht vorstellen, dass er schon oft eine Frau geküsst hatte. Zumindest war dies nicht mal aus den Schriften, die es in meiner Welt gab, von ihm bekannt. Vielleicht war es aber auch einfach unter Zwergen so, dass es etwas grober zu ging, beim Austausch von "Zärtlichkeiten". Ich war mir auch ein wenig unschlüssig, ob ich seine Geste schon bald erwidern sollte. Denn bisher lag sein Mund nur ruhig und unbewegt auf meinem. Aber so konnte es ja auch nicht weiter gehen. Irgendwer musste eine Reaktion von sich geben, doch schien er in seinem Überschwung vergessen zu haben, wie er denn weiter machen sollte. Also blieb das Weitere wohl an mir hängen. Mal wieder ein typisches Zeichen dafür, wenn Mann nicht weiter wusste, dass die Frau die Sache in die Hand, in diesem Fall in den Mund, nahm. Auch wenn sich der Gedanke in meinem Kopf ein bisschen falsch anhörte. Ganz sachte, um ihn nicht zu sehr zu erschrecken oder zu vergraulen, bewegte ich meine Lippen ein wenig unter seinen. Das schien ihn allerdings schon leicht zu überfordern, denn seine Augen weiteten sich kurz überrascht. Zumindest lockerte er dadurch seinen Griff an meinem Arm und im Nacken. Das verschaffte mir etwas Bewegungsfreiheit. So konnte ich den Kopf leicht seitlich legen und ihn ruhig in seine Hand schmiegen. Offenbar hatte er inzwischen auch verstanden, was ich machte und versuchte meine Bewegungen nachzuahmen. Seine Erwiderungen versetzten meinem Körper ein paar ordentliche Stromstöße in sämtliche Gliedmaßen. Es kam ein wenig mehr Bewegung in meinen Körper. Ich konnte mich leicht vom Balken lösen und mich näher an ihn heran schieben. Doch das schien ihm dann irgendwie weniger zu gefallen und sein Griff wurde wieder deutlich fester. Ich fühlte, wie er zu zittern begann und sofort stoppten auch seine Lippen, die begonnen hatten neugierig die Meinen zu erkunden. Sein Atem ging schneller, was ich daran merkte, das sich seine Brust immer wieder heftig gegen meine drückte. Seine Augen weiteten sich erneut und diesmal war es kein überraschender Blick. Nein, er wirkte haltlos entsetzt, über das was vor sich ging. Schlagartig, als hätte ihm jemand eine Ohrfeige verpasst, und das war definitiv nicht ich, riss er seinen Kopf zurück und stieß mich heftig von sich, sodass ich mit dem Rücken unsanft an den Balken knallte und erst mal nach Luft schnappen musste. Er selbst war gut drei Schritte zurück getaumelt und stand mit fassungslosem Gesicht vor mir. Auch er rang nach Luft, als hätte ihn eine Horde Orks bis hier her verfolgt. Mir war nun extrem warm. Ich hatte nicht erwartet, dass es doch so intensiv werden würde, nachdem er sich von mir los gerissen hatte. Zeit zum Genießen hatte ich nun auch nicht bekommen. Dafür waren wir doch zu schnell auseinander gegangen. Aber offenbar war gerade ihm auch nicht wirklich danach, genau das zu tun. Er sah verdammt blass aus. Gerade so, als wäre ihm das Ganze übler aufgestoßen, als er es beabsichtigt hatte. Fahrig und mit völlig verwirrtem Blick fuhr er sich dann über seinen Mund und wischte schließlich mit dem Handrücken darüber, bevor er mich entgeistert anstarrte. Nach einer Weile begann er langsam den Kopf zu schütteln und keuchte: "Nein. Nein, das darf nicht sein." Ich legte nur fragend und bedrückt den meinen schief. "Thorin...", sagte ich leise und stieß mich von dem Balken ab. "Bleib wo du bist, Weib!", fauchte er und fixierte mich wieder scharf an. Ich verharrte sofort in meiner Haltung und musterte ihn. "Aber... Thorin... was ist denn...?", fragte ich ganz vorsichtig. "Was... was ist, fragst du noch?! Ich meine... du... Ich. Das ist unmöglich! Das darf es einfach nicht geben! Wir gehören nicht zusammen, Cuna! Ich bin ein Zwerg. Und du... Du bist ein verdammtes, gewöhnliches Menschenweib!", rief er hysterisch aus. Die Worte trafen mich, wie eine Armee von Nadelstichen. Normalerweise waren es ja auch nur Dwalin oder Gloin gewesen, die diesen Wortlaut mir gegenüber verwendet hatte. Aber dies von ihm zu hören, ließ fast den Boden unter meinen Füßen weg brechen. Erst recht nachdem ich ganz deutlich während diesem Kuss gespürt hatte, dass er es auch so sehr wollte wie ich. Oder war es einfach nur mit ihm durchgegangen und das Gefühl reines Wunschdenken von mir? Er wollte mir damit ja eigentlich eine Lektion erteilen. Doch offenbar hatte ich dabei den Spieß ungewollt umgedreht und dafür gesorgt, dass sein ach so männliches Ego einen weiteren, ordentlichen Tiefschlag erlitten hatte. Und das passte ihm ganz und gar nicht. Was ihm aber noch lange nicht das Recht gab mich als "verdammtes, gewöhnliches Menschenweib" zu bezeichnen. Gut, das war ich schon zweifellos. Aber es war nicht wirklich nett von ihm. Ich fühlte erneut ärger in mir aufsteigen. Wieso hatte er das nur getan, wenn es ihm eh hätte klar sein können, dass ich eventuell darauf anspringe? Oder wollte er einfach nur damit Macht demonstrieren? Macht über mich und über die Gefühle von Anderen? Wütend machte ich einen Schritt auf ihn zu. "Hör mal, Prinz Karneval. Soll das jetzt ein Witz sein oder was?!", fauchte ich und sah ihn nun meinerseits scharf an, was ihn offenbar noch mehr anheizte. "Nein. Das war keines Wegs ein Witz. Eine Liebschaft zwischen uns beiden wäre das Schlimmste was ich mir vorstellen könnte. Schlimmer noch, als würde ein weiterer Drache alles Gold im Erebor für sich beanspruchen!", brüllte er aufgebracht. Mir war, als hätte ich gerade eine gewaltige Ohrfeige auf mein Gesicht klatschen gespürt, als ich seine Worte realisierte. Ich musste schlucken. Ich wusste ja, dass es unangenehm werden würde, doch dass er eine Verbindung zwischen uns gleich so dramatisierte, hätte ich auch nicht erwartet. Ich wollte schon den Mund auf machen, um ihm etwas zu erwidern, doch da hob er schon drohend den Finger in meine Richtung. "Und das Eines klar ist. Du wirst niemandem da unten auch nur ein Wort von dem sagen, was hier oben gerade geschehen ist. Jetzt, geh mir aus den Augen!", fuhr er mich an und drehte sich von mir weg. Ich schloss meinen Mund, funkelte ihn böse an und schnaubte. "Schön!", knurrte ich und machte mich auf den Weg zur Holzleiter. Enttäuscht, verwirrt und gefrustet stieg ich hinab. Meine Gedanken kreisten und ich war unfähig einen zu fassen, bis ich wieder festen Zeltplatzboden unter den Füßen spürte. "Cuna. Warte...", hörte ich plötzlich überraschend von oben kommen. Es klang zwar ein wenig reumütig, doch ich war so genervt, dass ich nur wütend zu Thorin hinauf sah und brüllte: "Lass mich in Ruhe! Verdammter Mistkerl!" Damit stapfte ich von dannen und ließ ihn einfach in seinem Turm stehen. Sollte dieser Blödzwerg doch da oben in seiner Bretterbude hocken bleiben und am liebsten vor sich hin verfaulen. Wenn er sich nicht entscheiden konnte, was er wollte, dann entschied ich eben, was ich wollte. Und das war definitiv duschen, um mein erhitztes Gemüt abzukühlen. Wortlos ging ich an den anderen, kleinen Männern vorbei. "Na, Weibstück. Habt ihr beiden Versöhnung gefeiert?", fragte Dwalin amüsiert und grinste mich über die Schulter hinweg an. Er war gerade weiterhin dabei meine Bilderrahmen zu reparieren, die er zerdeppert hatte. "Versöhnung gefeiert? Ich? Mit wem?", fragte ich ihn bissig. Er hob verdutzt eine Augenbraue. "Jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt. Wir machen doch nur Spaß", meinte er beiläufig. "Dann mach einen Spaß auf kosten Anderer und nicht immer auf Meine!", knurrte ich und stapfte zu meiner Liege, die ich erst einmal von Thorins Fellmantel befreite, den ich zornig hinaus warf. Danach suchte ich forsch meine Duschsachen zusammen und rannte dabei fast den leicht verwirrt drein blickenden Balin um. "Gebt doch acht, meine Teure. Was ist denn mit einem Mal in Euch gefahren?", fragte er etwas überrumpelt. Doch da geriet der Ärmste bei mir gerade an die Richtige. Ich schnaubte genervt. "Was in mich gefahren ist? Da frag mal schön den abgebrochenen Riesen da oben auf seinem Turm. Vielleicht wirst du ja schlau aus diesem Mistkerl. Ich werds in diesem Jahrhundert nicht mehr!", raunte ich und setzte meinen Gang weiter fort. Fili und Kili waren im Nebenzelt gewesen und kamen mir nun auch entgegen. "Da bist du ja wieder, Cuna. Wir haben mit Bofur und Nori gesprochen. Es tut ihnen leid, dass sie dich beleidigt haben. Sie wollten sich bei dir entschuldigen, wenn du Zeit hast", meinte Kili. Ich schnaubte erneut und wollte wortlos an beiden vorbei gehen, doch Fili hielt mich kurz an der Schulter fest und sah mich an. Nur er schien zu begreifen, dass ich wohl nicht mehr nur allein deswegen sauer war. "Was hast du mit Onkel besprochen?", fragte er ruhig ab ernst. Ich riss meine Schulter unter seiner Hand weg und sah ihn lange an. "Nichts", sagte ich dann schlicht und ging weiter. Ich konnte ihn noch tief durchatmen hören. Dann war ich schon außer Hörweite. Natürlich hatte ich an jenem Vormittag mal wieder das Pech, dass unsere Warmwasserdusche belegt war. Also war die einzige Alternative die Freiluftdusche. Der Morgen war nun wirklich für mich gelaufen. Erst das Erwachen im Klowagen, dann nahmen mich die Herren Zwerge wegen meiner Saufeinlage auf den Arm, danach hatte mich Thorin einfach davon gejagt, obwohl er dieses mal mit dem Küssen angefangen hatte und nun auch noch eine eiskalte Dusche. Gott! Ich wollte mich am liebsten erschießen oder aufhängen. Hauptsache das Ganze würde sich nicht noch mehr an diesem Tag verschärfen. Doch leider konnte ich mich eines gewissen Wehmutgefühles nicht erwehren, als ich da allein unter dem eisigen Wasserstrahl stand. Hätte ich vielleicht warten sollen, als er mir noch einmal nachgerufen hatte? Wollte er sich vielleicht für sein Verhalten entschuldigen? Oder zumindest für das, was er gesagt hatte? Aber wäre ich wirklich bereit dazu gewesen, dies zu akzeptieren? Allein dass es zu diesem unfreiwilligen Kuss am Abend davor gekommen war, hatte mich aus der Bahn geworfen. Doch das was dann von ihm gekommen war, war auch nicht gerade harmlos. Nur konnte ich ihn einfach nicht verstehen. Das konnte ich von Anfang an nicht. Nie hatte er auch nur mit einem Wort erwähnt, warum er überhaupt mit seiner Gefolgschaft hier in meine Welt gekommen war. Ich konnte mir keinen Reim daraus machen. Eigentlich war es auch pure Zeitverschwendung sich über das Tun und Handeln des Zwergenkönigs den Kopf zu zerbrechen. Wenn die Zeltstadt vorbei sein würde, wäre er sowieso wieder weg. Doch bei dem Gedanken fiel mir ein, dass ich das ja erst recht nicht wollte. Ich wollte nicht, dass er ging. Ich wollte, dass er bei mir bleibt. Dass er vielleicht doch noch irgendwo eine Chance für uns sah. Ich wäre sogar dazu bereit gewesen eine heimliche Liebschaft mit ihm einzugehen. Außerdem müsste niemand in seiner Heimat je davon erfahren. Nicht mal seine treuen Gefolgsleute. Gut, Kili und Fili würde es sicherlich am ehesten auffallen. Aber die Beiden wussten ja sowieso über mich Bescheid. Doch ahnten sie auch, dass ihr Onkel wohl in der selben verzwickten Gefühlskiste feststeckte? Wenn er überhaupt in dieser oder irgendeiner Kiste steckte. Seufzend hob ich den Kopf und ließ den Wasserstrahl auf mein Gesicht klatschen. Ich ließ mir noch einmal diesen Augenblick durch die Erinnerungen streifen. Obwohl es so unglaublich rabiat von statten gegangen war, hatte es sich so sehr in mich eingebrannt, dass mir selbst unter diesem eisigen Wasser heiß wurde. Ich nahm mein Duschgel zur Hand und begann mich einzuseifen. Während ich dies tat, musste ich mir unwillkürlich vorstellen, wie es wohl geworden wäre, wenn wir nicht aufgehört hätten. Vielleicht stünden wir dann sogar gemeinsam unter der Dusche. Hier würde uns sicher niemand sehen, geschweige denn vermuten, dass wir zu zweit hier wären. Ich schloss meine Augen und fuhr mit meinen Händen über meine Haut. Dabei stellte ich mir vor, wie es wohl war, wenn er mich berühren würde. Er würde hinter mir stehen. Die Hände an meine Schultern gelegt. Dort würde er mich zunächst etwas massieren um meine verkrampften Muskeln zu entspannen, die ich in der vergangenen Nacht überstrapaziert hatte. Danach käme er sicherlich näher an mich heran und würde die Hände über meine Arme hoch und runter fahren lassen. Schließlich stünde er ganz an meinen Rücken geschmiegt und küsste mir den Nacken und die Schulter. Ich konnte schon fast spüren, wie seine Haare und sein Bart mich dort zärtlich kitzelten. Seine Lippen über jeden Millimeter meiner Haut brennende Spuren bei den Liebkosungen hinterließen. Ich keuchte leise und warf den Kopf nach hinten. Fast war es so, als wären sein Hände wirklich bei mir und würden sich langsam um mich legen und über meinen Bauch, meine Hüften und meinen Po streicheln. Mir wurden mal wieder die Beine weich, doch ich blieb trotz allem stur stehen. Ich wollte nicht aus dieser Fantasie raus. Sie war gerade einfach zu schön um wahr zu sein. Ich spürte seine Hände nach oben zu meinem Busen gleiten und dort verharren, während er mir mit seiner tiefen Stimme heiter ins Ohr lachte. Dann ließ er dort los und ich drehte mich einmal um hundertachtzig Grad um, als hätte er mich an der Hüfte gepackt und dies selbst getan. Nun würde er mich ganz nah an sich ran ziehen und mich in einen innigen Kuss an sich pressen. Ich würde alles vom ihm wahrnehmen können. Und mit alles sollte auch alles gemeint sein. Inzwischen konnte ich mir ein unentwegtes Stöhnen und Keuchen nicht mehr verkneifen. Ich hoffe nur, dass mich niemand deutlich hörte. Denn ich versuchte schon so leise zu sein, wie es mir eben möglich war. Aber meine Hände schienen auch plötzlich ein Eigenleben entwickelt zu haben, denn diese gingen in der Fantasie voll und ganz auf alles ein, was ich mir ausmalte. Ich simulierte ja selbst das einseifen seines kräftigen Oberkörpers mit ihnen obwohl niemand außer mir dort war. Nur bei den unteren Partien hatte ich etwas mühe mir diese vorzustellen. Sicher ich hatte sie einmal unfreiwillig zu spüren bekommen. Aber trotzdem war sehen und fühlen etwas vollkommen anderes. Wobei es da wohl wirklich mit mir durch ging. Doch wirklich ins Detail der Sache zu gehen konnte ich leider nicht. Bald hörte ich nämlich ein sehr aufgebrachtes Hämmern an der Duschentür. Etwas erschrocken stellte ich auch fest, dass ich mich mehr oder weniger in die Duschwanne gesetzt hatte. Leicht verwirrt und verärgert über den Störenfried an der hölzernen Tür, stellte ich das Wasser ab und warf mir kurz ein großes Handtuch um den Körper. Ohne ein Wort zu sagen riss ich die Tür auf und brüllte: "KANNST DU NICHT LESEN ODER WAS?! HIER IST BESETZT!" "KANNST DU MIR SAGEN, WARUM DU DICH AUSGERECHNET DRAUSSEN WASCHEN MUSST!", brüllte eine tiefe Stimme zurück, die mir eben noch in der Fantasie heiter ins Ohr gelacht hatte. Ein wenig verschreckt machte ich einen Schritt zurück. Verdammt! Was machte er denn auf einmal unten vor der Kabine? War es ihm auf seinem Türmchen zu langweilig geworden? Etwas überhastet zog ich die Holztür bei und klammerte mich verzweifelt an mein Handtuch. "Was soll das heißen? Ich werd mich doch wohl duschen dürfen wo ich will", maulte ich und versuchte ihn dabei nicht anzusehen. "Geh gefälligst in eine der geschlossenen Waschkammern. Ich kann vom Turm aus ALLES sehen!", knurrte er und deutete dabei über meinen Kopf hinweg. "WAS?!", rief ich und wandte mich um. Tatsächlich! Den Turm hatte ich ganz außer acht gelassen. Er ragte ja auch gut fünf Meter in die Höhe. Also konnte locker jeder, der oben stand sehen, wann jemand in den Freiluftduschen war. So ein verdammter Mist! Und jetzt hatte ausgerechnet er mich dabei gesehen, wie ich auch noch in meinen Tagtraum vertieft, mit mir selbst rum gemacht hatte. Panisch knallte ich ihm die Tür vor der Nase zu. Rubbelte mich ab und zog mich dann so schnell ich konnte an. Als ich raus kam, stand er immer noch da. Er wirkte deutlich ungehalten. Aber als er sprach, hörte es sich deutlich ruhiger an. "Das nächste Mal wartest du gefälligst, bis die anderen Kammern frei sind. Ich wünsche nicht, dass meine Männer dich sehen", sagte er kühl. "Ich hab nicht die Lust verspürt, für dich oder einen der Anderen eine Piepshow abzuziehen. Warum habt ihr das Ding auch ausgerechnet da hin gestellt?", fragte ich gefrustet. Doch Antwort gab er mir darauf nicht. Stattdessen war er mir wieder näher gekommen und fixierte mich mit diesem scharfen Blick, den er vorhin schon vor dem Kuss besessen hatte. Ich erwiderte den Blick eher kühl. "Was ist denn jetzt noch? Du kannst wieder gehen, ich bin angezogen", meinte ich, doch schon hatte ich beide Hände seitlich an meinem Kopf. Wie vorhin auf dem Turm verschwendete er kaum Zeit damit, viele Worte zu verlieren. Schon küsste er mich erneut. Er war dabei wieder recht forsch und ungestüm. Vor Schreck fielen mir meine ganzen Duschsachen aus der Hand und landeten dumpf polternd auf dem Boden zwischen uns. Ich keuchte und versuchte mich diesmal aus seinem Griff zu befreien. Doch lange dauerte die Prozedur eh nicht. Er hielt nur noch eine Weile mein Gesicht in Händen und starrte mich ernst an. Ich musste schlucken. Was war nur in diesen Mann gefahren? Der schien ja völlig übergeschnappt zu sein. Erst wollte er. Dann wollte er wieder nicht. Und dann wollte er plötzlich doch wieder? Konnte der sich denn nicht einmal entscheiden? "Wofür war das denn?", fragte ich haltlos empört und versuchte immer noch mich aus seinen Händen zu befreien. "Das war eine Entschuldigung für die Worte, die ich vorhin zu dir gesagt habe", meinte er schlicht und ließ endlich mich los. "Ent...schuldigung.... ", kam es verdattert aus meinem Mund. Er nickte mich nur kurz an und ließ mich dann wieder bei meinen Sachen stehen, die ich alle alleine aufsammeln konnte. Ein wenig verstört kam ich zurück zu meinem Schlafplatz. Dort warteten schon Bofur und Nori, die sich mit den beiden Jungs unterhielten. "Ach, da bist du ja Cuna", rief Nori aus, als ich fast bei ihnen war. "Gehts dir jetzt wieder besser? Hast du dich etwas beruhigt?", fragte Kili munter. "Hrm... ja... ein bisschen...", gab ich brummend von mir. "Wir wollten gar nicht lange stören. Uns eigentlich nur entschuldigen. Also, es tut uns leid, wenn dich unser kleines Schauspiel beleidigt hat. War so wirklich nicht beabsichtigt gewesen", meinte Bofur, der seinen Hut abgenommen hatte und in den Fingern drehte. "Ja... schon in Ordnung. War nur etwas viel nach dem Abend gestern. Entschuldigt mich kurz. Ich muss meine Sachen rein bringen", murmelte ich und ging dann weiter. Ich verschwand so schnell ich konnte hinter meinem Vorhang. "Äh. Cuna? Was ist denn jetzt schon wieder?", fragte Fili, als ich gerade an meinem Rucksack rum hantierte. "Willst du nicht wissen, Fili. Glaub mir", sagte ich und nahm auf meiner Liege platz. "Ich würde nicht fragen, wenn ich es nicht wissen wollte. Nun sag schon. Mach dir doch das Herz nicht unnötig schwer. Ich weiß ja, dass du mit Thorin streit hattest. Und auch dass du deswegen wohl sauer warst. Aber jetzt verstehe ich nicht, dass du völlig gleichgültig bist", meinte er und trat näher. "Ach, ich verstehe ihn einfach nicht, Fili. Mal will er das Eine, dann wieder das Andere und dann doch wieder das Selbe. Außerdem hat er mich gerade unter der Dusche gesehen", erklärte ich und wurde zum Schluss hin immer leiser. "Ah... äh... oh... Das ist freilich nicht gerade sehr angenehm. Hat er was gesagt deswegen?", meinte er und klang ein wenig peinlich berührt. Ich brummte nur und zuckte mit den Schultern bevor ich antwortete: "Nicht viel. Ich soll demnächst nur warten, bis ich in die geschlossenen Duschen kann. Mehr nicht." "Du siehst mir aber nicht danach aus, als wäre das schon alles gewesen. Da ist mehr, hab ich recht?", hakte er nach. Ein wenig gedankenverloren strich ich mir über den Nacken. Ich konnte es ihm unmöglich sagen. Nicht wenn ich wusste, dass noch mehr mit hörten. Ich seufzte leise und hob dann doch den Kopf in seine Richtung. "Hör zu, Fili. Ich kann nicht darüber sprechen. Zumindest jetzt noch nicht. Ich weiß selbst nicht, wie das alles jetzt weiter geht und zusammen hängt. Wenn die ganze Sache für mich klarer wird, dann werden du und Kili es als Erste erfahren. Versprochen", sagte ich. "Also gut. Wenn du es uns jetzt noch nicht sagen kannst, weil du es noch nicht weißt, dann warten wir so lange", meinte er ruhig. Auch wenn er es mir gegenüber nicht zugab. So war er doch ein recht pfiffiger Bursche, der sicherlich einiges zwischen den Zeilen hindurch Lesen konnte. Eine Fähigkeit von ihm, die ich sehr an ihm schätzte. Diese und natürlich auch, dass er wusste, wann jemand seine Ruhe braucht. So ließ er mich danach wieder allein. Das war auch gut so, denn ich wollte mich bis zum Mittagessen noch ein wenig aufs Ohr hauen. Das hatte mich doch mehr mitgenommen als erwartet. Aber eines war mir seit dem erwachen im Klowagen bewusst geworden. Und diese Lektion hatte mir Thorin wirklich erteilt. Egal ob betrunken oder nüchtern. Zwergenkönige küsst man nicht! - 33. Eine wichtige Lektion... Oder Zwergenkönige küsst man nicht! / ENDE - Kapitel 34: 34. Khuzdul für Anfänger ------------------------------------ Ein nervtötendes Geräusch drang in meine Ohren, als ich mich gerade auf meiner Liege zum Dösen hingelegt hatte. Ich kannte es nur zu gut. Doch hatte ich es schon seit einigen Monaten nicht mehr gehört. Nicht mehr seit ich mit besagten Personen verkracht war, zu denen ich diese Melodie ausgesucht hatte. 'Star Wars: The imperial march' in einer besonders nervigen Acht-Bit-Version. Sprich, ein nettes, kleines, schrilles Piepskonzert. Ich überlegte einen Moment hin und her ob ich wirklich dran gehen sollte. Denn egal was sie wollten, es würde sicherlich wieder darin enden, dass ich an irgendetwas schuld war. Aber es hatte ja keinen Zweck weg zu hören. Denn schon streckte sich ein Kopf hinter meinen Vorhang. "Was ist das für ein infernalischer Lärm?", kam es von Dwalin, der davon hörbar genervt war, was ich durchaus nachvollziehen konnte. "Das ist mein Handy", meinte ich trocken und zog es aus der Hosentasche. Ich blickte auf das Display. Tatsächlich stand darauf die Telefonnummer meiner werten Ex- Schwiegereltern. "Bring das Ding zum Schweigen. Es stört beim denken", sagte der Zwerg schnaubend. Ich legte den Kopf schief und sah ihn aus meiner liegenden Position an. "Du kannst denken?", fragte ich mit sarkastischem Unterton. Er schnaubte erneut und zog sich dann zurück. Ich seufzte leise, richtete mich auf und ging dann doch an den Apparat. Es hatte ja eh keinen Sinn diese Leute zu ignorieren. Ich drückte auf Grün, hielt mir das Gerät ans Ohr und sprach hinein:"Städtische Müllabfuhr?" Was folgte war ein langgezogenes lautes "Jaaaaaaaaa. Ich hier!". Diese kreischende Stimme ließ beinahe meinen Gehörgang bluten. Ich musste den Hörer etwas vom Ohr weg halten, damit ich keinen bleibenden Schaden erlitt. Wie man sich denken konnte, gehörte diese nervige, kreischende Stimme meiner werten Ex-Schwiegermutter. Ich versuchte ruhig zu bleiben, was mir schon aufgrund der Tatsache schwer fiel, dass sie am anderen Ende war. "Ja. Das weiß ich. Was ist denn?", fragte ich und versuchte ein Seufzen zu unterdrücken. "Jaaaaaa. Ich hab nen Anruf gekriegt", sagte sie und machte dort eine Pause. Das tat sie immer. Wenn es eine Sache gab, die sie perfekt beherrschte, dann war es mitten in Erzählungen zu stoppen, um das Gespräch unnötig in die Länge zu ziehen. Sie wartete offensichtlich darauf, dass ich nachfragte, also tat ich das auch, damit ich nicht den ganzen, restlichen Tag mit ihr auf diese Weise reden musste. "So, du hast nen Anruf bekommen. Ist ja schön. Was denn für einen?", fragte ich und stand von meiner Liege auf. "Jaaaa. Vom Friedhofswärter. Der hat uns angerufen", sagte sie und machte wieder eine Pause. "Schön, dass er euch angerufen hat. Was wollte er denn?", fragte ich, obwohl es überflüssig war danach zu fragen, denn ich wusste, dass es um das vom Sturm zerstörte Grab ging. Doch ich war neugierig, wie sie mir das in die Schuhe schieben wollte. "Sag mal, warum hast du uns nicht wegen dem Grab von unserem Sohn angerufen? Das wäre deine Pflicht gewesen!", blökte sie ins Telefon, um indirekt auf meine Frage zu antworten. Ich schnaufte und ging von meinem Schlafplatz weg. Ich wollte nicht unbedingt, dass die Zwerge mithörten, wie ich gerade von meiner Ex-Schwiegermutter angeblökt wurde. Aber sie war natürlich so unerträglich laut, dass sich alle Köpfe zu mir wanden, als ich versuchte mit ihr die Sache auszudiskutieren. "Hör mal. Ihr wart im Urlaub. Und ich hab eure Handynummer nicht mehr", sagte ich genervt. "Warum hast du die denn nicht behalten. Das wäre wichtig gewesen!", gab sie zurück. "Du wolltest doch, dass ich euch nicht mehr belästige." "Das war ein wichtiger Notfall. Du hättest anrufen müssen. Aber wie immer kann man sich nicht auf dich verlassen." Ich blieb kurz vor dem Zelteingang stehen und konnte mir ein wütendes Knurren nicht mehr verkneifen. War ja so klar. Nun war ich wieder die Unzuverlässige. Aber wehe man sagte etwas gegen ihre Vergesslichkeit. Entrüstet versuchte ich trotzdem ruhig zu bleiben, aber als ich sprach war ich schon leicht ungehalten. "Rufst du mich jetzt an, um mich fertig zu machen oder hast du auch einen wichtigeren Grund dafür?", fragte ich bissig. Kurz vernahm ich am anderen Ende die Stimme meines Ex-Schwiegervaters im Hintergrund, der ungeduldig meinte: "Jetzt sag ihr schon, worum es geht und zieh die Sache nicht unnötig in die Länge." "Ja ja. Ist ja gut. Also. Da ja das Grabmal kaputt ist und die Trümmer noch weggeräumt werden müssen. Wäre es gut, wenn du dich mit am Aufräumen beteiligst. Immerhin ist es ja auch dein Mann, der da liegt", sagte Schwiegerdrache nun ein wenig ungehaltener, da ihr Mann sie zur Ordnung gerufen hatte. "Also ist der Baum schon vom Grab weg, nehme ich an", erwiderte ich feststellend. "Jaaaa. Ist er. Und wie gesagt. Es wäre gut wenn du dabei hilfst die Trümmer beiseite zu räumen. Dein Schwiegervater wird dich heute Abend dafür abholen", meinte sie entschlossen. "Heute Abend ist schlecht. Ich bin auf der Zeltstadt mit Chu, Richi und noch ein paar anderen. Und heute Abend ist die Feuer-Show. Die will ich nicht verpassen", meinte ich seufzend. "Das Grab deines Mannes ist wichtiger, als so eine dumme Show. Frag doch einfach Chu und Richi, ob sie mitkommen und auch helfen. Dann seid ihr viel schneller fertig und vor allem früher wieder zurück." Ich musste schnauben. Noch so eine super Aussage von ihr. Klar wenn ich Chu und Richi drum bat beim Aufräumen mit zu helfen, würden sie sicher nicht nein sagen. Aber ich kannte ja meinen Schwiegerdrachen lange genug um zu wissen, dass sie mit dabei sein würde, um uns von außen Befehle zu erteilen, wo sie selbst nicht mehr mithelfen konnte. Dabei wusste sie natürlich immer alles besser als die Anderen und hielt sich mit keinem Kommentar zurück. Und wenn sie dann noch etwas sagte, was falsch war und man sie darauf hin wies, wurde sie noch unausstehlicher. Mir schmerzte schon bei dem Gedanken daran alles in der Magengegend. Aber vielleicht konnte ich das unvermeidliche ja noch etwas hinaus zögern. "Hör mal. Es geht heute Abend wirklich nicht. Warum nicht Morgen Nachmittag?", fragte ich hoffnungsvoll. "Weil Dad Morgen wieder arbeiten muss. Hätte ja auch alles schon längst erledigt sein können. Aber Schwiegertochter denkt ja nicht daran. Müssen ja alles wir immer machen", fing sie erneut an zu keifen. Ich begann mit den Zähnen zu knirschen und versuchte alles zu tun, um nicht in den Hörer zu brüllen. Als hätte ich nicht selbst genug Sorgen. Vor allem im Augenblick. Nein. Diese Frau trieb mich bis zum Äußersten. Und ich wusste, sobald ich aufgelegt hatte, würde es aus mir heraus platzen, wie aus einem Ballon, in den man eine Nadel gestochen hatte. Ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich erneut sprach. "Wann kommt er denn, um mich abzuholen?", fragte ich mit gepresster Stimme. "Er fährt hier um fünfe los. Wenn du auf der Zeltstadt bist, wird er sicher um halb sechs da sein. Warte einfach am Eingang", sagte sie. "Gut. Dann warte ich da. Noch etwas?", fragte ich in der Hoffnung, dass dieses Gespräch nun doch ein Ende haben würde. "Jaaaa. Wenn du da Leute findest, die mithelfen können. Dann bring die mit." "Gut. Ich werd mal nachsehen, ob sich jemand dafür erbarmen kann." "Gut. Dannnnn. Bis nachher." "Bis nachher." Schon klinkte es und ich hörte ein Tuten. Wie in Zeltlupe nahm ich das Handy vom Ohr. Ich drückte auf den roten Hörer und ließ das Gerät langsam in meine Hosentasche gleiten. Sofort, wie auf Kommando, konnte ich die Schimpftirade nicht mehr aufhalten, die sich schon in meinem Zwerchfell angesammelt hatte. Dabei nahm ich keinesfalls Rücksicht auf die Gehörgänge der umstehenden oder sitzenden Personen. Einige, die vorbei gingen, blieben erschrocken stehen und musterten mich verwirrt. Nachdem ich den ganzen Ärger einmal losgelassen hatte, wischte ich mir schnaufend die Stirn. Hinter mir kam allgemeines Gekicher aus dem Zelt der kleinen Männer. Langsam drehte ich mich um. Ich hatte bei dem ganzen Ärger vergessen, wo ich eigentlich gestanden hatte. "Bei Durins Bart. Ich wusste gar nicht, dass Ihr ein Mundwerk, wie ein raubeiniger Fuhrmann habt", kam es belustigt von Balin, der zwinkernd an seiner Pfeife zog. "Ähm. Tut mir leid... wirklich. Aber nach dem ganzen Stress, musste das jetzt einfach mal raus", meinte ich und strich mir verlegen über den Hinterkopf. "Was war denn das eben?", kam es von Bofur, der neugierig um die Ecke schielte und mich angrinste. "Das war ich", sagte ich und musterte ihn matt. "Das klang ja fast wie ein durchgedrehter Troll", meinte er belustigt. Ich schüttelte nur seufzend den Kopf. "Entschuldigt. Normalerweise passiert mir das auch nicht. Aber diese Frau treibt mich in den Wahnsinn", maulte ich und ließ mich auf einem Schemel neben Balin nieder. "Welche Frau denn?", kam es von Kili, welcher sich umsah, in der Hoffnung, genau die Frau zu sehen, von der ich sprach. Ich seufzte und sah ihn an. "Kili, die ist nicht hier. Die war gerade am Handy", erklärte ich. Er schaute mich kurz fragend an, doch dann erhellten sich die Gesichtszüge des jungen Zwerges, nachdem ich auf meine Hosentasche klopfte und bei ihm der Groschen gefallen war. "Welche Frau könnte es schaffen dich so zur Weißglut zu treiben, dass du derartige Beschimpfungen von dir gibst?", fragte Fili, der neben seinem Bruder auftauchte und auf mich hinab sah. "Sagen wir weniger Frau. Ich würde sie vielmehr als meinen Schwiegerdrachen bezeichnen", murmelte ich und strich mir die Haare aus dem Gesicht. "Du bist mit einem Drachen verschwägert? Wie in Durins Namen ist das denn möglich?", fragte Bofur entsetzt. Ich musste etwas grinsen und schüttelte nur den Kopf in seine Richtung. "Sie ist schon ein Mensch. So ist das nicht. Aber verglichen mit Smaug, wäre der nur eine räudige kleine Eidechse", erklärte ich, doch das schien den Zwerg nur noch mehr zu entsetzen. "Ein Mensch, der schlimmer ist als Smaug? Speit sie auch Feuer und ist sie riesen groß? Und.. Und sitzt sie auf einem gewaltigen Goldschatz?", fragte er aufgeregt. Ich musste etwas lachen. "Ja und Nein Bofur. Feuer speit sie nicht. Sie kann aber sehr giftig werden. Dir würde sie nie so ins Gesicht sagen, dass sie dich nicht leiden könnte. Aber hinter deinem Rücken würde sie die wildesten Gerüchte über dich streuen und heimlich Zwietracht sähen. Die Frau ist ziemlich hinterhältig. Und was den Goldschatz angeht, auf dem sie sitzt. Den hab ich vor mehreren Jahren geheiratet und das hat ihr nie gefallen", meinte ich ruhig und zupfte ein paar verdorrte Grashalme aus dem Boden. "Warum sollte sie so etwas tun? Ich kenne sie doch gar nicht. Und seit wann kann man Schätze heiraten?", entgegnete er und kratzte sich fragend am Kopf. "Ich glaube, was sie meint ist, dass die gute Frau, mit der sie gesprochen, hat alles daran setzen würde, um jemanden schlecht da stehen zu lassen. Und der Schatz ist denke ich der verstorbene Sohn. Cunas verblichener Ehemann", kam es von Balin. Ich nickte dem alten Zwerg ruhig zu. "Du hast gesagt. 'Bis nachher'. Warum?", fragte Kili ein wenig besorgt. Ich seufzte leise und schaute auf den Boden vor meinen Füßen. "Mein Schwiegervater wird mich heute Abend abholen. Ich soll helfen das Grabmal wieder in Ordnung zu bringen", sagte ich knapp. Mir steckte bei dem Gedanken daran ein ordentlicher Kloß im Hals. Ich wollte nicht wirklich da hin und mir noch mehr von ihren spitzfindigen Sticheleien anhören. Aber ich hatte einfach keine andere Wahl. Beziehungsweise wurde mir keine Wahl gelassen. Und irgendwo hatte sie ja auch Recht. Es gehörte zu meinen Aufgaben als Witwe das Grab zu Pflegen. Aber musste es ausgerechnet sein, wenn sie dabei war? Ich hätte es lieber alleine für mich getan, wenn die Zeit auf der Zeltstadt vorbei gewesen wäre. Aber wie immer konnten solche Aufgaben ja nicht eine Minute warten. Am besten Gestern als Heute. Das war schon immer das Motto von ihr gewesen. Aber wehe man hatte selbst etwas, das erledigt werden musste und bei dem man Hilfe gebraucht hätte. Dann wurde dies auf die lange Bank geschoben. Es gäbe schließlich vorerst wichtigeres zu tun. "Mir schmeckt das nicht", hörte ich plötzlich Dwalin aus dem Zelt brummen. Ich sah auf und wandte mich um. Er hatte die Bilderrahmen beiseite gelegt und zog sich vereinzelt Holzspäne aus dem Bart. "Was genau schmeckt dir nicht?", fragte ich, als er nach seinem Kommentar einfach munter schwieg. "Dass sie her kommen um dich zu holen. Damit du die Drecksarbeit erledigen kannst. Ich hab die Trümmer gesehen. Die schaffst du nicht allein", sagte er ohne mich anzusehen. "Ich arbeite ja auch nicht allein. Schwiegervater hilft mir dabei", meinte ich ruhig. Doch ich erntete nur ein spöttisches Grunzen. "Vielleicht hat Dwalin recht und Ihr könntet Hilfe gebrauchen. Wir sind alle samt kräftige Männer. Sicherlich würden wir es schaffen", meinte Balin und zog erneut an seiner Pfeife. "Nein. Wirklich. Ihr hattet meinetwegen schon genug Scherereien. Ich werde euch bestimmt nicht darum bitten, mir dabei zu helfen, das Grab meines Mannes wieder her zu richten", sagte ich und hob abwehrend die Hände. "Wer sagt, dass du uns bittest? Wir helfen dir freiwillig", meinte Kili gut gelaunt und klatschte mir aufmunternd auf die Schulter. "So ist es. Wenn du in den Kampf mit einem Drachen ziehst. Dann ziehen wir mit. Baruk Khazâd!", rief Bofur aus und streckte eine Faust in die Luft. Ich legte den Kopf schief und musterte den kleinen, dunkelhaarigen Mann mit den Zöpfen. "Baru... was?", fragte ich irritiert. "Baruk Khazâd. Ist ein Schlachtruf bei uns. Bedeutet soviel wie, Äxte der Zwerge. So was sagen wir, wenn wir in einen Krieg ziehen", erklärte dieser und grinste mich dabei schelmisch an. "Hey. Bofur. Hör auf dem Weibstück zu verraten, was wir sagen. Sonst verwendet sie es noch gegen uns", maulte Dwalin, der immer noch das Holz aus seinem Bart zusammen suchte. "Davon abgesehen. Ich könnte sowieso kein Wort von dem richtig aussprechen, was ihr sagt", meinte ich ruhig. "Ach, unsere Sprache ist doch recht einfach. Wir können dir ein bisschen was beibringen. Nicht alles, aber ein wenig vielleicht. Freilich nur, wenn du Lust hast", kam es von Fili, der sich nun auch einen Schemel gesucht hatte. "Ich halte das immer noch für keine gute Idee", maulte der Zwerg aus dem Hintergrund. "Hab dich nicht so Dwalin. Sie ist doch schon fast eine von uns. Ein bisschen wird nicht schaden", meinte Kili und setzte sich ebenso in die Runde. Bofur tat es den Jungs gleich. Ich murrte nur ein bisschen, nachdem Kili das gesagt hatte. Es war schon eine sehr nette Geste, mir zu sagen, dass ich schon fast zu ihnen gehörte. Dennoch hatte sie irgendwo einen bitteren Beigeschmack. "Also. Womit fangen wir am besten bei dir an? Vielleicht erst einmal der Name unserer Sprache. Der wird sicherlich noch am einfachsten für dich auszusprechen sein", meinte Fili und strich sich dabei durch den blonden Bart. "Du meinst Khuzdul?", fragte ich und erntete dabei von den Dreien, zu meiner Rechten, reihum ein breites Grinsen. "Gut du kennst zumindest den Namen schon mal. Aber das ist sehr allgemein gehalten. Was ich meinte ist vielmehr, Aglâb", sagte er und schaute mich dabei erwartungsvoll an. Ich blickte ihn ein wenig verwirrt an. Wollte er jetzt das ich es aussprach oder ihn mehr oder weniger danach fragte, was das Wort bedeutete? Ich biss mir etwas auf die Lippen und dachte kurz nach. Dann versuchte ich es doch einmal auszusprechen. Allerdings wenig erfolgreich. "Agbab", sagte ich und die Herren begannen zu kichern. "Nicht Agbab. Aglâb. Das ist der Name für die gesprochene Sprache. Versuch es noch mal", meinte Kili. Ich räusperte mich kurz. "Algab. äh... Aglap.... nein... äh... verdammt", stammelte ich und die kleinen Männer kicherten umso mehr. "Nun gut. Versuchen wir es mit was anderem. Vielleicht weißt du ja, was Zwerg in unserer Sprache bedeutet", meinte Fili belustigt. Ich dachte kurz nach. Ich musste raten. Sicher hatte ich es schon mal irgendwo gehört. Ich kratzte mich am Kopf und sprach dann einfach das Erste aus, was mir einfiel: "Khazâd?" Die Jungs waren schwer beeindruckt und nickten anerkennend. "Warte. Warte. Jetzt hab ich ein Wort für dich. Sag mal, Azaghâl", meinte Bofur aufgeregt. Ich legte den Kopf schief. "Noch mal bitte. Was?", fragte ich nach. "Ganz einfach. Azaghâl. Das bedeutet Krieger", erklärte er und wartete gespannt. "Azgahal", meinte ich knapp und schon wieder begannen sie zu kichern. So langsam wurde es wirklich peinlich. Ich versuchte es nochmal. "Azagtal. Azhagal. Ach verdammt. Habt ihr nichts Leichteres?" Inzwischen fingen sie an schallend über meine gescheiterten Versuche zu lachen. "Gut. Gut... also dann, was anderes. Hrm. Versuch es doch mal mit 'ûl'. Das ist leicht.", meinte Fili und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. "ûl", sagte ich und nun nickten sie wieder. "Gut. 'ûl' bedeutet bei uns Bach", erklärte er. "Hört endlich auf ihr Wörter von uns bei zu bringen. Sie verunstaltet unsere Sprache", maulte Dwalin erneut von hinten, der hörbar wieder mit den Arbeiten an den Bilderrahmen weiter machte. "Ach komm. Das ist unglaublich belustigend. Sag ihr auch mal ein Wort, das sie aussprechen soll", meinte Bofur und grinste über seine Schulter zu ihm hinüber. Tatsächlich hielt der Zwerg mit der Glatze kurz bei seiner Arbeit inne. Er musste einen Moment nachdenken, doch dann fiel ihm offenbar ein gutes Wort ein. "Sharbhund", raunte er schließlich. "Schafhund?", gab ich fragend von mir und schon war bei den Zwergen kein Halten mehr auf den Schemel. Selbst Balin hatte mühe aufrecht sitzen zu bleiben. "Schafhund. Bei Durins Bart. Das ist ja köstlich!", rief der alte Zwerg aus. Ich fühlte schon, wie mir die Hitze vor Scham bis in die Haarwurzeln stieg. "Wieso? Was hab ich denn falsch gesagt?", hakte ich irritiert nach. "Er sagte Sharbhund. Nicht Schafhund, Cuna. Das bedeutet so was wie nackter oder kahler Hügel", meinte Fili am Boden liegend und hielt sich den Bauch. Ich verzog den Mund. Das war nicht fair. Immerhin beherrschte ich ja ihre Aussprache nicht. Und das Wort hatte sich wirklich anders angehört. "Was ist denn hier los?", fragte plötzlich jemand und ich hob den Kopf. Vor uns stand Ori, der uns irritiert musterte. "Komm her.. Komm, Ori. Setz dich dazu. Wir bringen Cuna gerade Khuzdul bei. Du wirst dich köstlich amüsieren", meinte Bofur und zog sich langsam wieder auf seinen Schemel. Ori sah mich verwundert und auch ein wenig verlegen an. Und da fiel es mir auch wieder ein, als ich ihn ansah. Er war ja auch bei der Aktion am vergangenen Abend dabei gewesen, wo mir dieser schlimme Faux pas unterlaufen war. Was mochte dem kleinen Mann nur jetzt durch den Kopf gehen, nachdem er das mitbekommen hatte? Sicherlich nichts angenehmes. Er nahm aber trotzdem platz. Auch wenn Bofur ihn mehr oder weniger am Arm auf einen der Schemel zog. "Ich finde das nicht gut, dass ihr mich so vorführt, wo ich es doch nicht richtig kann", gab ich trotzig von mir. "Ach, komm schon. Das ist doch sehr amüsant. Jetzt versuch es einfach mal mit was anderem. Barazinbar", meinte Kili glucksend. "Barhatzimba", sagte ich und schon ging erneut das Gelächter los. Selbst Dwalin hatte wieder aufgehört zu schnitzen und war am Lachen. "Bei Durins Bart. Das wird ja eher schlimmer anstatt besser", meinte Fili und hatten den Kopf auf die Schulter seines Bruders gelegt. "Und was ist jetzt ein Bartasimba?", fragte ich, was die Männer noch mehr anheizte. "Barazinbar. Das heißt, Rothorn. Aber offenbar ist das viel zu schwer für dich", stellte Kili lachend fest. "Versuch es doch mal mit 'gabil', Cuna", warf Ori ein, in der Hoffnung, dass mir zumindest das gelingen müsste. "Was soll mit Gabel sein? Das Wort gibts auch bei uns", sagte ich Schulter zuckend. "Nicht Gabel. 'Gabil' mit i nicht mit e. Das bedeutet im übrigen 'groß' ", kam es von Balin, der sich inzwischen versuchte ein wenig mehr Ernsthaftigkeit in die Sache rein zu bringen. Ich seufzte leise und schüttelte den Kopf. "Ernsthaft. Ich glaube, ich lasse es lieber sein. So lustig das für euch auch ist. So kann ich es ja nicht lernen", sagte ich und stand dann auf. "Ach bitte. Nur noch ein Wort Cuna", begann Bofur zu betteln. "Nein. Wirklich. Ich lass es lieber für heute. Vielleicht ein andermal. Ich muss erst mal zu meinen Freunden und sie was fragen", meinte ich mit entschuldigendem Unterton. Die Herren wirkten leicht enttäuscht, als ich ging. Ich hingegen war erleichtert, aus der Sache vorerst raus zu sein. Außerdem war es besser aus Oris Umfeld weg zu sein. Mir war nicht wohl bei den Gedanken, ihn zur Zeit in meiner Nähe zu wissen. Erst recht nicht, wo ich mir unsicher war, was genau denn nun der Zwergenkönig mit seinem Verhalten in seinem Eichenschilde führte. Ich hatte ein wenig Sorge, dass es eventuell zu einem ziemlich blutigen Streit kommen könnte und dass ich eventuell der Grund dafür werden würde. Aber zunächst galt es Chu und Richi zu finden. Wie zu erwarten, waren sie im Fisse Ma "Tent" chen und spielten mit Rainbow und Ani-chan eine Runde "Dungeons and Dragons". "Hey ihr vier", sagte ich und stellte mich an den Tisch. "Oh, Jacky. Du bist wieder nüchtern?", fragte Rainbow und grinste mich an. "Hrm ja. Ja, ich bin wieder nüchtern", meinte ich mit beflissener Miene. "Und endlich mal ohne bärtigen Anhang, wie ich sehe. Haben sie dich mal alleine ziehen lassen oder bist du heimlich abgehauen?", fragte Chu und legte eine Karte auf den Tisch. "Nein. Sie haben mich ziehen lassen. Ist auch mal ganz angenehm", sagte ich und zog einen Stuhl von einem anderen Tisch heran, auf den ich mich falsch herum drauf setzte. "Man muss aber schon sagen, dass sie sich gestern rührend um dich gekümmert haben. Vor allem der Eine, den du so überrumpelt hast. Ich frag mich ja wirklich, was du an dem findest. Mir wäre der viel zu alt und auch zu klein. Dagegen passte dein Mann viel besser zu dir", sagte Ani-chan. "Ja. Oder zumindest einer von den beiden Jüngeren. Der Blonde ist ja recht süß. Aber Ani hat schon recht. Die sind alle viel zu klein. Und für meinen Geschmack auch viel zu alt", stimmte Rainbow nickend zu. "Ach Leute. Wirklich. Ihr geht echt davon aus, dass zwischen mir und Thorin was läuft? Nicht im geringsten. Der will gar nichts von mir. Hat er mir vorhin schon klar gemacht. Warum sollte er auch? Ist doch Zeitverschwendung", erwiderte ich und machte eine wegwerfende Handbewegung. Richi hob verwundert die Augenbrauen. "Also, dafür dass er dir das klar gemacht haben will, bist du verdammt gelassen. Das sah immerhin gestern noch anders aus", warf er ein und auch Chu versah mich mit einem verwirrten Blick. Seufzend fuhr ich mir von der Stirn aus durch die Haare. Die beiden kannten mich einfach viel zu gut, als dass ich ihnen etwas vor machen konnte. "Na gut. Okay. Also. Eigentlich ist es nicht wirklich eindeutig was er und ich voneinander wollen. Wenn wir überhaupt etwas voneinander wollen. Das ist alles nicht so leicht zu erklären", murmelte ich und legte meine Stirn auf die Rückenlehne des Stuhles. "Hrm. Nun ja. Wenn du wirklich wissen willst, ob er tatsächlich was von dir will. Dann könntest du ihn testen", sagte Ani-chan und ich hob mit fragendem Blick den Kopf. "Soll ich jetzt eine Prostituierte dafür bezahlen, damit die bei ihm einen Treuetest durchführt oder was?", fragte ich sie. "Ach quatsch. Treuetests kannst du nur machen, wenn du den Fisch schon am Haken hast. Nein. Du bist doch Clever. Wie wäre es, wenn du dich verkleidest und so tust, als wärst du jemand anderes. Gewinnst so sein Vertrauen und horchst ihn mal richtig aus", erklärte sie und grinste dabei spitzfindig. "Ich soll mich verkleiden und ihm etwa vormachen? Da steigt der doch sofort durch. Das klappt nie und nimmer. Außerdem könnte der Schuss nach hinten los gehen", antwortete ich. "Hey. Wie wäre es, wenn du dich auch als Zwerg verkleidest. Ich meine früher hast du dich ja auf den Mittelalterfestspielen ebenfalls als Zwerg ausgegeben und bist damit sehr gut durchgekommen", kam es von Chu, die nun offenbar auf Ani-chans Verkleidungszug mit aufgesprungen war. "Ihr meint. Ich soll als Gerwulf hier rum rennen? Da steigen die doch sofort dahinter. Meine Stimme ist vielleicht tief, aber bestimmt nicht tief genug, um einen echten männlichen Zwerg von mir zu geben. Und noch tiefer reden strengt meine Stimmbänder zu sehr an", erklärte ich und versuchte mich damit irgendwie um die Sache herum zu drücken. Sicher, ich empfand die Idee zu diesem Zeitpunkt irgendwo in meinem Hinterkopf als gut. Dennoch hatte ich sorge, dass Thorin, sollte er mich enttarnen, richtig ausrasten würde. Ich hatte ihn ja schon einmal richtig wütend gemacht und ihn nochmal so zu erleben, wie eine Horde Orks auf Red Bull, war mir dann doch zu riskant. Andererseits würde er wohl doch eher zu Seinesgleichen vertrauen fassen, als zu irgendeinem Menschen. "Na komm schon, Jacky. Was hast du zu verlieren?", fragte Rainbow grinsend. "Meinen Kopf zum Beispiel", erwiderte ich trocken und alle lachten. Dabei war das nun wirklich kein Scherz für mich. Aber das ahnten sie ja nicht mal. "Wenn er dich wirklich gern hat, wird er dir diese kleine Lüge schon verzeihen können. Wir helfen dir auch deine Tarnung perfekt zu machen, dass keiner von den Herren einen Zweifel daran hat, dass du ein Kerl und keine Frau bist", sagte Richi und grinste nun ebenfalls breit. Nun war ich eindeutig überstimmt. Ich fragte mich ernsthaft, was alle damit hatten, dass ich mich für Thorin in irgendeiner Art und Weise verkleiden sollte. Kili und Fili hatten zumindest etwas weibliches vorgeschlagen. Aber als männlicher Zwerg in der Zeltstadt auf zu marschieren, war schon etwas heikler. Sicherlich würden die Herren es als enorme Beleidigung auffassen, wenn sie das heraus fanden. Das wäre nicht besonders schön, wo sich die allgemeinen Verhältnisse doch so gebessert hatten. Ein schwieriges Unterfangen. Vor allem, da ich auch mein Kostüm aus meiner Wohnung holen musste. Und sicherlich wäre es nicht so perfekt wie das Outfit, was die kleinen bärtigen Herren aus Mittelerde trugen. Erst recht nicht, da es von der Stange war und nicht selbstgeschneidert. Aber es käme ja auch auf einen Versuch an. Doch zu welcher Gelegenheit konnte sich das anbieten? Vielleicht am Talentabend? Ja, das wäre sicherlich am besten gewesen. Dort war ich stets in irgendeiner albernen Verkleidung aufgetaucht. Das hieße, ich würde sowieso nicht bei den normalen Zeltstadtbewohnern auffallen. Und wenn Richi tatsächlich allen außer den Zwergen stecken würde dass ich nicht die bin, für die sich mich halten, sondern jemand anderes. Ja, vielleicht ginge das dann auch nicht ganz so schief. Aber die Schwierigkeit bestand genauso darin, den Zwergenkönig innerhalb weniger Stunden dazu zu bringen, sich mir zu offenbaren. Und ich wusste inzwischen welche Probleme dieser Mann damit hatte. "Hey, Jacky. Sieh mal. Da kommt ja dein Objekt der Begierde", meinte Rainbow auf einmal und ich fuhr erschrocken herum. Tatsächlich stand Thorin im Eingang zum Barzeit und sah sich suchend um. Ein wenig überrascht und auch etwas panisch begann ich von meinem Stuhl zu rutschen und unter den Tisch zu krabbeln. "Was machst du denn jetzt?", fragte Chu verblüfft, der ich dabei mit den Händen etwas zu fest auf die Füße gedrückt hatte. "Schaut nicht zu mir. Ich... ich will nicht, dass er mich sieht", flüsterte ich und wedelte hektisch mit den Händen. "Zu spät. Er kommt schon", kicherte Ani-chan. Ich konnte nicht einmal irgendetwas sagen, da hörte ich schon, wie dumpf ein paar Stiefel hinter mir auf dem Boden halt machten. Nebenbei hörte ich die Mädels über mir leise flüstern und dabei kichern. "Können wir was für dich tun?", hörte ich Richi dann freundlich fragen. "Ihr nicht. Sie", sagte der Zwergenkönig knapp und ich wusste, dass er auf mich zeigte, auch ohne dass ich es sah. Ich atmete tief durch und kroch dann langsam unter dem Tisch hervor. Vorsichtig richtete ich mich auf und stand nun mal wieder Auge in Auge mit dem kleinen Mann. "Was kann ich für dich tun?", fragte ich und versuchte dabei locker zu klingen. "Mir ist zu Ohren gekommen, dass du dich mit einem Drachen anlegen willst", sagte er und verschränkte wie immer die Arme vor der Brust. Ich rollte genervt die Augen. "Wer hat dir das erzählt?", fragte ich und wippte dabei auf meinen Fußballen vor und zurück. "Das ist nicht wichtig. Du hast mir Gestern dein Wort darauf gegeben, dass du dich nicht wieder so schnell in Gefahr begibst. Oder hast du das im Suff vergessen?", fragte er mit scharfen Ton. "Nun hör aber auf. Das ist kein echter Drache. Ich sprach von meiner werten Ex-Schwiegermutter. Und jetzt sag mir gefälligst, wer dir dieses Ammenmärchen erzählt hat", erwiderte ich gereizt. "Wie ich sagte. Das ist nicht wichtig. Aber du gehst dort nicht allein hin", meinte er entschlossen. "Nein, gehe ich auch nicht. Ich wollte gerade meine Freunde fragen, ob sie mich begleiten wollen", sagte ich und er warf einen kurzen abschätzigen Seitenblick auf den Tisch, wo meine Freunde mit großen Fragezeichen im Gesicht herum saßen. "Fragst du Leute immer unter dem Tisch, ob sie dir Helfen?", erwiderte er und klang dabei sogar ein wenig belustigt. "Nein, mir ist nur was runter gefallen und offenbar zwischen die Holzbohlen gerollt. Aber nur mal rein Interesse halber. Wie viel weißt du von meinem angeblichen Plan, mich einem Drachen stellen zu wollen?", fragte ich und musterte ihn langsam. "Ich weiß genug. Und deshalb werde ich selbst mit kommen", sagte er schlicht. Mir blieb einen Moment lang der Mund offen stehen. "Ich glaube du bekommst da etwas in den falschen Hals, Thorin. Es geht lediglich darum, dass ich mit meinem Ex-Schwiegervater am Grab meines Mannes die Trümmer beseitige. Nicht mehr und nicht weniger", erklärte ich. "Davon weiß ich bereits. Und mir persönlich ist das nicht geheuer. Dwalin war mit dir an diesem Ort. Er sagte, er hätte sich da sehr unwohl gefühlt. Sollte da wirklich ein Drache sein, brauchst du jede Unterstützung, die du bekommen kannst. Sag mir nur, wann du vorhast aufzubrechen", meinte er. Vom Tisch meiner Freunde her kam allgemeines Getuschel. Ich versuchte es vorläufig zu ignorieren. "Halb sechs werde ich abgeholt. Aber ich brauche dabei keine Unterstützung. Und ich sagte auch schon den anderen, dass ich keinen von euch darum bitten werde mit zu kommen. Ich hab mir schon genug Schuld bei euch aufgeladen. Das muss jetzt nicht auch noch sein", sagte ich etwas leiser, aber dennoch gut verständlich. "Das ist mir gleich. Ich lass dich nicht ungeschützt in dein Verderben rennen", sagte er etwas barsch, wandte sich dann ab und verschwand ohne ein weiteres Wort aus dem Zelt. Ich fühlte mich in dem Moment, wie mit einem Brett vor den Kopf geschlagen. Mir blieb jegliche Spucke weg. Ein Mann ein Wort. Zweifellos. Er hatte seinen Standpunkt in dieser Sache klar gemacht und duldete keinen Widerspruch. "Meine Güte, Jacky. Der Typ hat ja wirklich einen gewaltigen Schatten", kam es von Rainbow, nachdem Thorin verschwunden war. "Und was war das mit dem Drachen und beim Grab aufräumen?", fragte Chu die offensichtlich ein wenig genervt von dem unangebrachten Auftritt war. Ich pflanzte mich wieder auf meinen Stuhl und begann dann den Vieren von meinem Telefonat zu erzählen. "Also, zugegeben. Er hat recht. Da solltest du wirklich nicht alleine hin gehen", meinte Richi ruhig. "Ja. Wer weiß, was für Gemeinheiten sie dir dann wieder an den Kopf werfen kann, wenn du da ohne Begleitung auftauchst", warf Chu ein. "Und was ist mit euch? Kommt ihr nicht mit?", fragte ich hoffnungsvoll. "Sorry, aber ich bin heute Abend noch mit ein paar Leuten verabredet", meinte Ani-chan. "Ich wollte unbedingt dabei helfen die Feuer-Show vorzubereiten", sagte Rainbow entschuldigend. "Ich würde gerne, aber ich bin für die Küche heute Abend eingeteilt", meinte Chu und klang dabei sehr bitter. "Richi. Was ist mit dir?", fragte ich. "Nee, geht auch nicht. Bin mit Chu eingeteilt", sagte er seufzend. Bedröppelt ließ ich den Kopf auf die Stuhllehne sinken. Nun musste ich wohl ganz allein mit dem Zwergenkönig fertig werden. Das auch noch in der aktuellen Spannung, die zwischen uns beiden herrschte. Und mit denen, die er wohl noch mitnehmen würde. Denn ich erwartete nicht, dass er meine einzige Begleitung sein würde. Sicherlich würde das ein ordentliches Chaos geben, wenn ich mit einer ganzen Bande Zwerge auf dem Friedhof auftauchte. Einer war schon für die Menschen der Kleinstadt eine Herausforderung. Besonders für Wohnungen. Aber vielleicht Fünf oder mehr? Lieber Himmel, in was war ich denn da nur hinein geraten? Das würde sicherlich kein gutes Ende nehmen. Es graute mir davor, mir vorzustellen, was geschehen würde, wenn einer von denen auf meine Ex-Schwiegermutter traf. Noch dazu mit ihrer ach so freundlichen Art. Von ihrem netten Befehlston mal abgesehen. Und mein Ex-Schwiegervater würde sicherlich auch nicht gerade angetan von den kleinen bärtigen Herren sein, wenn sie seine Frau wegen ihrer zu großen Klappe zurecht wiesen. Wenn sie sie überhaupt mit Worten rund machten. So temperamentvoll die gute Frau auch war, so hatte ich bei den Zwergen ein deutlich reizbareres Gemüt erlebt. Und so betete ich den Rest dieses verkorksten Tages darum, dass ich den nächsten Morgen noch erleben würde. - 34. Khuzdul für Anfänger / ENDE - Kapitel 35: 35. Schlagabtausch ------------------------------ Welch ein verkorkster Tag. Schlimm genug, dass ich meinen ersten Vollrausch hinter mich gebracht hatte. Aber nun stand eine richtige Mammutaufgabe vor mir. Nämlich die Zwerge dazu zu bringen, nicht schwer bewaffnet auf einem Kleinstadtfriedhof herum laufen zu lassen. Sicher würde mein Ex-Schwiegervater ein ziemlich dummes Gesicht machen, wenn da vor ihm eine Gruppe kleiner, bewaffneter Männer mit Bärten stand, die allesamt so in seinem Kleinbus einsteigen wollen würden. Davon abgesehen, dass höchstens nur sechs Leute hinten rein passten. Alle bekämen wir sicherlich nicht mit. Aber ich schätzte, dass Thorin gewiss ein paar seiner Männer im Lager zur Bewachung zurück lassen würde. Immerhin waren sie alle nach dem kleinen Einbruch in ihr Camp viel wachsamer geworden. Jeder Fremde, der ihren Zelten zu nahe kam, wurde gleich darauf hingewiesen, mindestens drei Meter Abstand zu halten. Das taten sie mal mehr und mal weniger freundlich. Alles in allem betrachtet war ich so ziemlich der einzige Mensch, der sich ihnen dort nähern durfte. Aber auch nur, weil ich dort schlief. Nach der kurzen Ansage des Zwergenkönigs wollte ich aber zunächst nicht zurück zu meinem Schlafplatz. Da hatte ich mich in den letzten Tagen viel zu oft aufgehalten. Stattdessen schloss ich mich Chu, Richi, Ani-chan und Rainbow an und spielte ein paar Runden Dungeons and Dragons mit. Es war eine Erleichterung sich mal keine Gedanken um die kleinen Männer machen zu müssen. Die würden ja eh nur das tun, was ihnen gerade in den Sinn kam. So konnte ich wenigstens bis zum Mittagessen ein paar ruhige Stunden mit anderen Leuten verbringen. Als ich danach gerade mein Geschirr zum Abwaschen bringen wollte, fiel mein Blick auf ein sehr merkwürdiges Schauspiel. Die kleinen Männer waren alle nicht beim Essen gewesen und nun bemerkte ich auch den Grund warum. Die Zwerge standen sich paarweise auf dem Platz gegenüber. Jeder mit einer anderen Waffe ausgerüstet. Thorin stand abseits des Ganzen und gab immer wieder irgendwelche Befehle von sich, zu denen sich die Herren dann bewegten. Sie schlugen zu, blockten ab, machten nach links ein paar Schritte, dann wieder nach rechts und dies dann immer wieder im Wechsel. Um sie herum hatten sich eine menge Schaulustige versammelt, die ihr offensichtliches Kampftraining neugierig begutachteten. Manche filmten oder Fotografierten es sogar. Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln. Was hatten die sich denn jetzt schon wieder in ihre Querköpfe gesetzt? Wollten die zum Friedhof marschieren und meine Ex-Schwiegermutter erschlagen? Nicht dass sie in meinem tiefsten Innern dafür mein Wohlwollen gehabt hätten. Aber das ging ja nun gar nicht. Sie konnten doch nicht im ernst glauben, dass es dort um Leben und Tod ging. Wobei um Tod ja schon. Schließlich war es ein Friedhof. Seufzend ging ich mit weiten Schritten zurück zu den Zelten und dabei vorbei an den trainierenden Männern. Langsam trat ich hinter den Zwergenkönig und klopfte ihm auf die Schulter. Dieser drehte sich zu mir um und musterte mich wie immer mit einem strengen Blick. "Was treibt ihr hier?", fragte ich ohne Umschweife. "Wir bereiten uns auf den heutigen Abend vor, wonach sieht es deiner Meinung nach aus?", erwiderte er ein bisschen barsch. "Ihr habt nicht wirklich vor auf einen Friedhof zu gehen und da einen Drachen zu erschlagen oder?", hakte ich nach und zog dabei spöttisch die Augenbrauen hoch. "Nein haben wir nicht. Einen Drachen kann man nur mit einem schwarzen Pfeil bezwingen, der von einer Zwergenwindlanze abgeschossen wird. Und ich wage zu bezweifeln, dass ihr Menschen hier so etwas auch nur im entferntesten besitzt. Es ist gewiss auch nicht in unserem Sinne dieses Untier zu reizen. Dennoch ist es gut auf alles gefasst zu sein. In Grabstätten treibt sich gerne noch mehr Gesindel herum. Aber das weißt du sicherlich genauso gut wie ich", meinte er trocken und gab danach wieder einige Befehle an seine Männer weiter. Ich strich mir mit einer Hand entnervt über das Gesicht. Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Wollte er sich dort vielleicht auf die Jagd nach Ghulen oder dergleichen machen? Unweigerlich lief vor meinem inneren Auge ein kleiner Film ab, indem dreizehn Zwerge, wie ein paar Irre schreiend und mit ihren Waffen fuchtelnd, hinter einem alten Mütterchen her rannten und diese dann auch noch als Zombie oder was auch immer bezeichneten. Ich schüttelte kurz den Gedanken daran ab und klopfte Thorin erneut auf die Schulter, da er sich wieder von mir abgewandt hatte. "Was ist denn noch?", fragte er nun ziemlich ungehalten. "Wir können nicht alle mitnehmen. Dafür ist der Wagen von meinem Schwiegervater zu klein. Mit mir zusammen können höchstens noch fünf von euch dabei sein", sagte ich. Einen Augenblick lang hob er eine Augenbraue in die Stirn und nickte dann bedächtig. "Gut, dass du mir das jetzt sagst. Dann treffe ich nachher eine Auswahl. Aber wo du schon mal hier bist. Komm mal eben mit", meinte er knapp. Nebenher rief er seinen Männern noch zu, sie mögen kurz ohne ihn weiter machen. Neugierig aber ein wenig bang ums Herz folgte ich ihm ins Zelt hinein. Er ging zu seinem Rucksack und kramte dort etwas herum. Was hatte er denn nun schon wieder mit mir vor? Ich stellte mich hinter ihn und versuchte über seine Schulter zu schauen. Doch für einen so kleinen Kerl hatte er wirklich ein recht breites Kreuz, welches mich daran hinderte zu sehen, was er da tat. "Du kannst dich schon mal ausziehen, Cuna", sagte er mit beiläufigen Ton. "Bitte WAS?!", kreischte ich empört. "Du sollst dich ausziehen", erwiderte er ungeduldig. "Ich? Jetzt? Hier? An Ort und Stelle?", fragte ich und mir stieg die Hitze in den Kopf. "Nein. Geh hinter deinen Vorhang. Ich komme gleich zu dir", erklärte er und kramte weiter unbehelligt in seinem Rucksack herum. Wie vor eine Backsteinmauer gelaufen, bleib ich stock steif vor Entsetzen und Verwirrung hinter ihm stehen. Das konnte doch wohl nicht sein Ernst sein! Ich sollte mich ausziehen? Und noch dazu bei meiner Liege auf ihn warten? War er von allen guten Geistern verlassen? Hatte mein Anblick unter der Dusche ihm etwa doch mehr ausgemacht, als er zugeben wollte? Aber wieso erst so spät und vor allem wo gerade seine Männer draußen vor dem Zelt trainierten? Oder vielleicht gerade deshalb? Ja sicher, dann wären wir allein. Und die machten da draußen ja auch so viel Krach, dass uns sicher niemand bei einem kleinen Techtelmechtel gehört hätte. Aber nein! Wo dachte ich denn da bitteschön hin?! Um Himmel willen! So weit war ich doch noch lange nicht mit ihm. Das konnte ich nicht tun. Obwohl mir die Vorstellung schon irgendwie gefiel. Auch der Gedanke daran, dass wir dabei erwischt werden könnten war äußerst reizend. Doch das war unmöglich. Vor allem da mir einfiel, dass Moe immer noch meine Kondome seit dem Piratentag in Gewahrsam hatte. Immerhin wollte ich, wenn es zu so etwas kam, nicht hinterher einen neunmonatigen Gepäckmarsch durchmachen, um danach vermutlich auch noch allein ein kleines, bärtiges Kind groß zu ziehen. Ich schüttelte heftig den Kopf. Das ging nun gar nicht. Ausgeschlossen. Das hatte Thorin ja selbst noch gesagt. Wir konnten nicht zusammen sein. Und so schon gar nicht. Aber sein Verhalten war sowieso reichlich seltsam an diesem Tag. Unberechenbar und nicht zu verstehen. Das alles verwirrte mich zusehends und bereitete mir wieder Kopfschmerzen. "Du stehst ja immer noch da. Beweg dich endlich mal. Wir haben nicht viel Zeit", sagte er und schaute mich über die Schulter hinweg ein wenig grantig an. Ich schluckte etwas. Er schien es wirklich ernst zu meinen. Aber das würde ich nicht tun. Nein. Ganz bestimmt nicht. Deswegen blieb ich stur da stehen und schaute ihm weiterhin auf den Rücken. "Sag mal, rede ich in letzter Zeit undeutlich oder muss ich dir helfen dich deiner Kleidung zu entledigen?", fragte er und es klang inzwischen sehr säuerlich. "Nein. Du liebe Güte, Thorin. Was verlangst du da um alles in der Welt von mir?", fragte ich nervös und fuchtelte mit den Armen. "Das hast du doch klar und deutlich gehört. Ich frage mich, warum du auf einmal so schwer von Begriff bist. Aber gut. Dann machen wir das eben gleich hier", sagte er und stand mit dem Rücken zu mir auf. "Was?! Gleich hier? Wo alle es sehen können?", platzte es aus mir heraus. "Ich hab dir genug Zeit gegeben um dich vorzubereiten. Nun muss es eben so gehen", meinte er gelassen. Ein wenig verschreckt wich ich zurück. "Äh... Hör mal, Thorin. Meinst du nicht, dass das ein bisschen überstürzt ist. Ich meine. Du und ich... und hier... und so. Und da draußen deine Männer und all die Leute", stammelte ich. "Bist du in Sorge, dass du dich lächerlich machst, wenn man dir dabei zu sieht?", fragte er ruhig und wandte sich langsam zu mir um. Nun fiel mir auch der letzte Rest meiner Selbstbeherrschung aus dem Gesicht. Ich war nicht nur baff. Ich war haltlos entsetzt! Er wollte tatsächlich Zuschauer dabei haben?! Ging es jetzt richtig mit ihm durch?! Oh Hilfe! An was für einen Zwerg war ich denn da nur geraten?! Nun kam er langsam auf mich zu und sah mich ernst an. Ich schluckte und hob abwehrend die Hände. "Thorin. Bitte das geht nicht. Ich. Ich kann das nicht. Nicht jetzt. Das ist viel zu früh. Ich meine und du hast doch selbst gesagt, dass das nichts mit uns wird", stammelte ich verwirrt, verängstigt und ein wenig aufgebracht. Er hob nur mit fragendem Blick eine Augenbraue und... drückte mir dann eine komplette Kampfausrüstung in die Arme. Ich keuchte erschrocken aufgrund des Gewichtes und wäre fast umgefallen. Peinliches schweigen trat zwischen uns ein, während dem ich die Kleidung in meinen Armen begutachtete. "Das müsste dir eigentlich passen", sagte er dann und musterte mein Gesicht. Ich schluckte und zog verlegen den Kopf ein. "Ähm. Ja. Das... äh", murmelte ich und vermied es ihn weiter anzusehen. Ich hatte das Gefühl, dass mein Kopf eigentlich bis zum Mond hin zu sehen sein müsste, so rot wie dieser bestimmt leuchtete. "Was ist denn jetzt? Brauchst du nun doch Hilfe?", fragte er. Ich schüttelte den Kopf. "Nein... Nein... bin... gleich wieder da... ", nuschelte ich kleinlaut. "Na dann, mach dich auf, damit du mit den anderen üben kannst. Ich warte. Und trödel nicht weiter", sagte er und schob mich dann in Richtung meiner Liege. Als ich hinter dem Vorhang war, atmete ich einmal tief durch und legte die Sachen erst mal ab. Gott war mir das Peinlich! Wie hatte ich nur so denken können? Ich schien selbst nicht mehr ganz bei Verstand zu sein, wenn ich ihm so etwas tatsächlich schon zu traute. Allerdings hatte ich auch nicht erwartet, dass er mich mit in das Kampftraining seiner Truppe hatte eingliedern wollen. Eigentlich hätte ich mich deswegen sogar geehrt fühlen müssen, doch in Anbetracht meiner erhitzten Gedanken, war es alles andere als schön. Wäre irgendwo im Boden ein Loch erschienen, wäre ich vermutlich hinein gekrochen. Doch Schämen half mir nun nicht weiter. Immerhin wartete vor meinem Vorhang ein ungeduliger Zwergenkönig darauf, dass ich mich umzog. Schließlich hatte ich es geschafft mir die Zwergenrüstung über zu ziehen. Gerade rechtzeitig, als er den Kopf herein streckte, um nach zu sehen, wie weit ich war. Zugegeben, dafür dass sie recht schwer und dick war, war sie doch außerordentlich bequem. Nur die Stiefel waren mir definitiv zu groß. Meine Füße rutschten sehr darin herum. "Bist du soweit?", fragte er mal wieder ein wenig ungeduldig. "Hrm. Ja.. Ich denke schon. Aber die Stiefel muss ich wieder ausziehen", sagte ich und wollte mich schon daran machen sie wieder los zu werden. Doch schon war er herein gekommen, hatte sich vor mich hin gekniet und begann die Lederriemen fester zu ziehen. Es war schon eine komische Situation, wie er da so vor mir hockte und ich ihn unentwegt von Oben her ansehen musste. Er war deutlich ruhiger als noch vor ein paar Stunden. Offensichtlich schien für ihn die Sache, nach seiner mehr als eigenwilligen Entschuldigung, endgültig abgehakt zu sein. Einerseits erleichternd. Aber andererseits auch etwas bedrückend. "So, das müsste jetzt gehen. Komm", sagte er, klopfte mir auf die Schulter und ging schon hinaus. Langsam erhob ich mich. Es war zunächst nicht leicht mich von der Stelle zu bewegen. Vor allem, da es doch sehr warm war. Als ich ins Tageslicht trat konnte ich meine Rüstung erst einmal richtig begutachten. Sie bestand aus einem dunklen Leinenhemd, welches ich ganz unten trug, Darüber waren dann eine dicke Stoffweste und die dazugehörige Kettentunika. Dann kam noch ein schwarzer Waffenrock, den ich mit einem Gürtel befestigt hatte. Die Hose bestand aus einem reichlich dicken Leder und die Stiefel waren exakt eine Kopie von denen die Thorin selbst trug. Hinzu kamen noch ein paar fein verarbeitete Lederarmschienen. Ich kam mir ein wenig klobig in dieser Aufmachung vor. Nun konnte man mich wirklich für einen Zwerg halten, abgesehen vom fehlenden Bart. Als die Männer mich sahen, stoppten sie mit ihrer Übung und musterten mich alle samt neugierig. "Hossa. Cuna. Du siehst ja großartig aus", kam es grinsend von Kili. "Ach, hör auf mich auf den Arm zu nehmen. Ich fühl mich wie ein Kastenbrot", meinte ich und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. "Haltet keine Maulaffenfeil und übt weiter", blaffte Thorin und drückte mir ohne Umschweife ein Schwert in die Hand. Ich schnaufte, als ich versuchte es zu heben. Es war zwar nicht ganz so schwer wie das von Fili, welches ich schon einmal in der Hand gehalten hatte, aber immer noch schwer genug. Und in dieser Kleidung erst recht. "Was soll ich damit?", fragte ich ihn irritiert. "Was wohl. Du sollst lernen wie man kämpft. Also komm hier her. Stell dich vor mich hin und versuch mich anzugreifen", meinte er trocken und zog selbst ein Schwert. Ich musterte ihn ungläubig. "Ist nicht dein Ernst", sagte ich ein wenig überrumpelt. "Ist mein Ernst. Also komm schon. Ich will sehen was du kannst", meinte er ruhig. Ich blieb auf meiner Stelle stehen und ließ das Schwert sinken. "Vergiss es. Ich kämpfe nicht. Schon gar nicht gegen dich. Ich bin doch nicht lebensmüde", gab ich entrüstet von mir. "Du willst nicht? Nun gut. Dann fange ich an", sagte er und noch bevor ich widersprechen konnte, machte er einen Schritt auf mich zu und schwang sein Schwert. Erschrocken riss ich meine Klinge schützend hoch. Es gab ein kurzes Geräusch von Metall auf Metall. Ich hielt das Schwertheft mit beiden Händen fest. Der Treffer war so stark, dass er es mir fast aus der Hand geschlagen hätte. "Thorin, was tust du?! Bist du irre?!", fragte ich laut brüllend, doch schon holte er zu einem neuen Schlag aus. "Wehr dich gefälligst!", knurrte er und wieder traf er auf mein Schwert, das ich zur Seite geschwungen hatte, um den nächsten Hieb zu blockieren. Obwohl er erst zweimal getroffen hatte, taten mir davon schon die Arme weh. Auch weil ich mich nicht gerade gut bewegen konnte. Warum zum Henker wollte er nur das ich kämpfte? Welchen Grund hatte es, dass er mich in diesen Übungskampf hinein zwang? Lange hatte ich nicht Zeit mir darüber Gedanken zu machen. Schon kam der nächste Hieb von der anderen Seite. Dann wieder von Oben. Nach gut ein paar Sekunden zeichnete sich in der Schlagabfolge ein Muster ab. Erst Oben, dann links, dann rechts. Und dies immer wieder nacheinander. Ich schnaufte nach dem zehnten Hieb schon wie eine alte Dampflok. Mir war warm und ich schwitzte, wie im Backofen in dieser ätzenden Zwergenrüstung. Doch der kleine bärtige Mann vor mir blieb unerbittlich bei seiner Schlagabfolge. Fast so, als hätte er vergessen, wen er gerade vor sich hatte. Meine Arme schrien vor Anspannung, doch ich konnte einfach nicht um eine Pause bitten. Dafür ging es nach einer Weile viel zu schnell. Ich machte zwar einige Anläufe ihn darum zu bitten endlich aufzuhören, doch die gingen in dem Scheppern der Klingen schlichtweg unter. Stattdessen fuhr er mich nur immer wieder barsch an:"Wehr dich endlich." Der Mann schien unermüdlich zu sein. Während ich aus dem letzten Loch pfiff, fing er erst richtig an. Schließlich kam doch ein Hieb durch, welcher mich mit der flachen Schwertseite unsanft an der Hüfte traf. Ich keuchte kurz und ließ mein Schwert dann fallen. Ein Glück, dass ich die Rüstung trug, denn diese federte den Schlag sehr gut ab, sodass mir nur die Luft weg blieb. Thorin zog sich einen Schritt zurück und ließ seine Klinge sinken. Ich ging etwas in die Knie und rang nach Luft. "Ich denke das reicht für heute", sagte er von oben herab. Seine Stimme klang dabei sehr enttäuscht. Mit diesen Worten hörten auch die Anderen auf, sich gegenseitig mit ihren Waffen zu prügeln. Die Menschen drum herum schienen auch ein wenig enttäuscht darüber zu sein, dass das Schauspiel vorbei war. Ich hingegen war dafür sehr dankbar. Langsam drückte ich mich wieder in eine aufrechte Haltung. Die Männer zogen an uns vorbei und ließen mich mit Thorin da stehen. Er bückte sich und hob das Schwert auf, was mir aus den Händen gefallen war. "Du warst gar nicht so schlecht. Aber das nächste Mal will ich, dass du gefälligst zurück schlägst", sagte er ruhig als er aufstand. "Warum das alles? Wieso wolltest du, dass ich mit euch trainiere?", fragte ich und sah ihn lange an. Er seufzte und trat wieder einen Schritt auf mich zu. "Ist dir das denn nicht klar? Wir werden in wenigen Tagen wieder zurück in unsere Heimat reisen. Und nach allem, was sich hier ereignet hat, will ich mit dem guten Gewissen gehen, dass ich hier niemanden schutzlos zurück gelassen habe", sagte er recht leise und sah mir dabei tief in die Augen. Ich schluckte und spürte, wie mir das Herz schwer wurde. Nun war es wohl klar. Er hatte sich anscheinend entschieden was er wollte. "Wir. Sehen uns also nie wieder. Hab ich recht?", fragte ich und rang dabei mit meinen Tränen. "Das ist nicht unsere Welt. Wir gehören nicht hier her. Für uns gibt es hier nichts. Es ist das Beste, Cuna", meinte er schlicht. Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln. "Wie kannst du so was nur sagen? Ich meine, nachdem was wir beide... ich meine... ich... ", begann ich zu stammeln und kniff die Augen zu. Eine warme Hand legte sich an meine Wange. "Eben darum geht es. Es gibt kein "Wir" zwischen uns. Du hast hier dein Leben und ich meines in Mittelerde. Das Einzige, was ich tun kann, ist sicher zu stellen, dass du lernst dich selbst zu schützen. Damit dir nie wieder jemand ein Leid antun kann", sagte er und hob mein Kinn leicht an. "Und was tust du mir gerade an?", platzte es plötzlich aus mir heraus. Ich konnte meine Tränen nicht mehr nieder ringen. Dafür war es zu spät. Ich zitterte am ganzen Leib vor Ärger und Verzweiflung. Eigentlich war es abzusehen gewesen, dass es dazu hatte kommen müssen. Und trotzdem hatte ich mich der falschen Hoffnung hingegeben, dass es doch noch eine Chance zwischen uns gegeben hätte. Offensichtlich sah der Zwerg das anders. Oder er belog sich einfach selbst. Im Augenblick aber sah er mich eher erschrocken an. Er schwieg und musterte nur mein Gesicht, das er mit einer Hand streichelte. Ich sah tief in seine hellblauen Augen und versuchte irgendeine andere Regung zu sehen. Etwas das mir meine Hoffnung nicht ganz zu nichte machte. Aber ich konnte nichts in diesem unergründlichen, erhabenen Antlitz aus machen, dass er seine Entscheidung überdachte. Schließlich rang er sich doch noch einmal dazu durch etwas zu sagen. "Vergib mir, Cuna", murmelte er mit leicht verbittertem Blick. Er löste seine Hand von meiner Wange und neigte leicht den Kopf, wie ein geschlagener Hund. Er zog ab und ließ mich einfach dort stehen. Das war es also. Noch bevor es eigentlich begonnen hatte, war es schon vorbei. Wie hatte ich nur so dumm sein können? Nie würde ich einem Thorin Eichenschild gerecht werden. Das Einzige, was mir nun noch übrig blieb war wohl, die restlichen Tage, die wir noch zusammen hier auf der Zeltstadt hatten, zu genießen. So schwer es mir unter diesen Umständen auch fallen würde. Aber... noch war er nicht verschwunden. Ja, noch hatte ich Zeit das Blatt vielleicht zu wenden. Mit einem Mal schien mein eingeschlafener Kampfgeister wieder geweckt worden zu sein. Nein! Ich würde mich nicht einfach geschlagen geben. Nicht wenn es doch noch irgendwo eine Möglichkeit gab, das Herz des Zwergenkönigs für mich schlagen zu lassen. Denn davon war ich nach dem Vormittag fest überzeugt. Nun erst recht. Komme was da wolle. Ich würde von diesem Zeitpunkt an alles daran setzen, dass er sich mir offenbarte. Für ihn sollte es keine andere Frau geben. Nur ich und keine Andere! Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und straffte entschlossen den geliehenen Waffenrock. Ich war bereit dazu, alles daran zu setzen, was nötig war. Doch ich würde Hilfe brauchen. Und ich wusste genau die beiden Richtigen, die mir helfen konnten. So marschierte ich ins Zelt, wo sich die Herren schon wieder ihrer Kampfrüstungen entledigt hatten. "Kili. Fili. Ich brauche euch zwei gleich mal", sagte ich ohne Umschweife, als ich an den Jungs vorbei ging. Diese sahen mich verwundert an. "Ähm... Gut Cuna. Und wofür?", fragte Fili. "Seht ihr dann, wenn ich mich umgezogen habe", meinte ich kurz angebunden und verschwand hinter dem Vorhang. Es war mühseliger als erwartet die Rüstung abzulegen. Auch weil mein Körper ein wenig erschöpft war. So dauerte es natürlich etwas länger bis ich wieder meine normale Kleidung angezogen hatte. Da ich auch wenig Lust hatte nun noch einmal Duschen zu gehen, begnügte ich mich einfach damit etwas Deo zu verwenden. Man musste es ja nun auch nicht mit dem Waschen übertreiben. Und die Zwerge störte das eh recht wenig. Als ich hinter dem Vorhang hervor kam, standen die Jungs schon fragend und neugierig vor mir. Ohne viele Worte zu verschwenden, griff ich jeden an einem Arm und zog sie hinter mir her. "Wo willst du mit meinen Neffen hin?", fragte Thorin mit überraschtem und gleichzeitig misstrauischen Ton. "Ich geh mich mit denen besaufen, sonst ertrag ich den Abend nachher nicht", erwiderte ich sarkastisch. Die Aussage hatte ihn wohl so schockiert, dass er gar nichts darauf erwiderte und uns drei ohne weiteres ziehen ließ. "Nein, ernsthaft Cuna. Wo willst du mit uns hin?", fragte Kili, als ich vor dem Zelt stehen blieb um mich nach einem guten Platz umzusehen. "An einen Ort wo wir ungestört reden können", murmelte ich beiden zu. Ich sah über die Schulter und sie nickten. "Gut geh voran. Wir folgen dir", meinte Fili. Ich entschloss mich mit ihnen nach Klein Mordor zurück zu ziehen. Das Wäldchen war um diese Zeit recht ruhig und wenn sich jemand näherte, würde man dies sicherlich daran hören, wenn die Äste am Boden knackten oder das Laub knisterte. So wand ich mich zu dem kleinen Pfad, der noch vor Tagen zu meiner Hängematte geführt hatte und schließlich schlug ich mich mit den beiden einfach irgendwo ins Dickicht, wo uns niemand so leicht sehen konnte. Etwas abseits von allen Zelten blieb ich stehen und drehte mich zu den Beiden um. "Also. Worum geht es?", fragte Kili prompt. Ich atmete erst einmal tief durch, bevor ich anfing zu erklären: "Nun Jungs. Es ist so. Euer Onkel hat mir eben gesagt, dass er bis zum Ende der Zeltstadt noch hier bleiben wird. Aber danach für immer verschwinden will, um nie wieder zurück zu kehren", sagte ich. Die Jungs tauschten irritierte Blicke. "Davon hat er bisher noch gar nichts erwähnt. Das hat er jetzt schon entschlossen?", fragte Kili ein wenig verstört. Ich nickte etwas geknickt. "Ich vermute es hat etwas mit dem zu tun, was ich gestern Abend getan habe. Deshalb hat er mich auch bei eurem Kampftraining mit machen lassen. Er wollte, dass ich lerne mich selbst vor Angreifern zu schützen", erklärte ich und ging dabei auf und ab. "Dagegen ist ja nun nichts einzuwenden. Nur, warum sollte er das wegen gestern Abend entschieden haben?", fragte Fili und legte dabei den Kopf schief. Ein wenig verlegen strich ich mir mit der Hand über den Nacken. "Wisst ihr, Jungs. Die Sache von gestern Abend ging heute Morgen noch weiter", versuchte ich weiter zu erläutern. "Sie ging weiter? Hast du ihn nun etwa versucht zu küssen, als du nüchtern warst?", fragte der dunkelhaarige Zwerg empört und neugierig zugleich. "Nein. Nein, ich nicht. Er ist von selbst auf die Idee gekommen das Gleiche bei mir zu tun, um mir eine Lektion zu erteilen, wie er sagte. Dann ist es mit mir durchgegangen und ich hab seine Geste erwidert. Und als ich das getan habe, da ist er sogar darauf eingegangen. Ich hab es ganz deutlich gespürt. Er wollte es. Er hat es genossen. Doch als ich noch mehr wollte, hat er sich von mir los gerissen und gesagt, wir könnten nicht zusammen sein. Er sagte wortwörtlich, dass ein Zwerg und ein verdammtes, gewöhnliches Menschenweib einfach nicht zusammen gehören. Deshalb war ich auch so sauer zurück gekommen. Ich weiß, dass er etwas fühlt, aber er will es mir und offenbar auch sich selbst gegenüber nicht zugeben." Als ich aufsah tauschten die Brüder wieder vielsagende Blicke miteinander. "Und was war mit dir los, als du vom Waschen zurück kamst? Da warst du wieder ganz anders. Du sahst verstört aus", warf Fili ein. "Ich hab dir doch gesagt, er hat mich oben von eurem Wachturm aus in den Freiluftduschen gesehen. Als er runter kam, um mich auf seine Art drauf hin zu weisen, dass er mich gesehen hat und ich umgezogen war, da hat er mich erneut geküsst. Angeblich um sich für das, was er gesagt hat, zu entschuldigen. Aber das glaube ich nicht. Da ist einfach mehr. Viel mehr. Und deshalb brauche ich eure Hilfe", sagte ich, während ich auf beide zu trat und jeweils eine Hand der Beiden ergriff. "Was möchtest du, dass wir für dich tun?", fragte Fili entschlossen. "Wir haben nicht viel Zeit, aber bitte helft mir dabei zu verstehen, was er wirklich für mich empfindet. Ich verliere noch den Verstand, wenn nicht endlich Klarheit zwischen mir und ihm herrscht", antwortete ich und drückte flehend die Hände der Beiden. "Das wird keine leichte Aufgabe, Cuna. Vor allem weil Thorin so ein hartneckiger Sturkopf ist. Aber wir tun alles, was in unserer Macht steht, um dich zu unterstützen. Immerhin geht es dabei auch um das Glück unseres Onkels", meinte Kili und sein Bruder nickte bekräftigend. Ich lächelte beide dankbar an. "Gut. Dann würde ich gerne auf eure Idee zurück greifen wollen. Wenn ich nachher zum Friedhof fahre, will ich danach zu mir nach hause, um ein paar Kleider zu holen. Dann werde ich die in den restlichen Tagen anziehen. Ihr könnt mir auch helfen, die Lebensmittel zu besorgen, die ich brauche, damit ich euch was kochen kann. Wenn ihm davon nicht die Augen über gehen werden, dann weiß ich zumindest, dass ich es versucht habe", sagte ich entschlossen. "Gut, dann machen wir das so. Wann willst du das Essen holen?", fragte Fili. "Am besten machen wir uns Morgen früh noch vor dem Frühstück auf den Weg. Die meisten Läden haben hier schon um sechs Uhr geöffnet. Da sind wir dann fast alleine und haben nicht zu viele Menschen um uns herum. Außerdem ist danach auch genug Zeit das Essen vorzubereiten",erklärte ich und die Beiden nickten mir zu. "Hey. Ich will auch mit helfen!", kam plötzlich eine Stimme aus dem Dickicht und wir fuhren alle drei herum. Durch das Geäst zwängte sich ein weiterer Zwerg, dessen Mütze an einem der Sträucher hängen blieb. Mir wäre fast das Herz stehen geblieben. "Bofur!", riefen wir drei empört aus. Er war uns nach gestiefelt und so hatten wir ihn natürlich nicht hören können, da wir selbst beim Laufen genug Krach gemacht hatten. "Was zum Teufel machst du hier?", fragte ich aufgebracht. "Ich wollte sehen, was ihr vor habt natürlich. Dachte eigentlich ihr wolltet was trinken gehen, weil ich so was ähnliches drüben gehört habe", meinte er beiläufig und versuchte seinen Hut aus dem Busch zu befreien. "Ist dir noch jemand gefolgt?", fragte Fili und sah sich wachsam um. "Nicht dass ich wüsste nein. Aber ich muss schon sagen, das ist wirklich ein gewagtes Unterfangen von dir, Cuna. Thorins Herz gewinnen zu wollen. Das wird eine schwere Aufgabe. Da braucht ihr sicherlich noch mehr Unterstützung. Aber wenn es drauf ankommt kannst du auf mich zählen", sagte er entschlossen und verneigte sich kurz. Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Ausgerechnet Bofur, der so eine Plaudertasche war. Ich sah es schon vor mir, dass es keine fünf Minuten dauerte bis er die ganze Sache auffliegen ließ. Doch eine andere Wahl hatte ich nun nicht mehr. Er hatte schon zu viel gehört. "Gut. Also wenn du helfen willst, dann nehmen wir dich Morgen mit und du darfst dann die Einkäufe tragen. Aber ich warne dich. Kein Wort zu irgendwem. Die Sache muss dringend geheim bleiben. Wenn Thorin von irgendwem Wind bekommt, dass ich das für ihn tun will, wird er sicherlich noch viel früher abreisen wollen", erklärte ich und musterte alle drei ernst. "Klar doch. Klar. Mach dir keine Sorgen. Das bekommen wir hin. Ich flechte dir auch gerne noch mal ein paar schöne Zöpfe ins Haar. Die standen dir sehr gut", meinte Bofur zwinkernd. "Gut. Dann gebt mir eure Hand darauf", sagte ich und hielt meine rechte Faust in die Mitte von uns Vieren. Alle drei fassten zu und dann nickten wir uns entgegen. Damit war es beschlossen. Die Operation "Liebesglück" konnte starten. Und der Grundstein dafür konnte bereits an diesem Abend gelegt werden, wenn ich mir die passende Kleidung zuhause raus suchte. Bestimmt hatte ich noch das Ein oder Andere dabei, was ihm zusagen könnte. Immerhin hatte ich mir bei der Auswahl meine Mittelalterkleider stets mühe gegeben. Doch zunächst musste ich es noch schaffen, dass wir heil vom Friedhof wieder kamen und ich die Kleider heimlich an Thorins wachsamen Augen vorbei schmuggeln konnte, damit er sie nicht sofort sah, wenn ich kurz nach hause ging, um sie zu holen. Noch dazu wusste ich nicht, wen er denn für die Aufräumaktion aussuchen würde. Aber das war sicherlich kein großes Problem. Egal wer die Herren waren, die er mitnehmen wollte. Keiner von denen würde eine Ahnung haben, außer Kili, Fili, Bofur und mir. So machte sich unsere verschworene Gemeinschaft auf den Weg zurück zum Zeltplatz. Und egal wie es am Ende ausging. Das würde der Zwergenkönig nie wieder vergessen. Dafür würde ich schon sorgen. - 35. Schlagabtausch / ENDE - Kapitel 36: 36. Schwiegerdrache vs. Zwerge ------------------------------------------ Ich blickte mich mehr oder minder unzufrieden um. Lange hatte ich versucht den Zwergenkönig davon zu überzeugen, die Waffen im Lager zu lassen. Doch alles gute Zureden half am Ende nichts. Nun standen wir zu sechst vor dem Eingang des Zeltplatzes und warteten darauf, dass mein Ex-Schwiegervater mit seinem Kleinbus um die Ecke kam. Neben mir und Thorin hatte er auch eine eher bescheidene Auswahl seiner Leute vorgenommen. Da Dwalin schon mal dabei war und die Gegebenheiten dort kannte, hatte er diesen natürlich zuerst ausgewählt. Als weiteres waren noch Nori, und die beiden Stinkstiefel Bifur und Gloin mit von der Partie. Mir wäre es lieber gewesen er hätte zumindest einen seiner Neffen mitgenommen. So machte er die Sache ein wenig kompliziert. Erst recht da ich nicht wusste, wie ich denn erklären sollte, warum Bifur eine Axt im Kopf hatte. Mit Sicherheit würde er dort auf dem Friedhof als wieder auferstandener Holzfäller durchgehen. Er war eigentlich die perfekte Figur für eine Halloween Party. Obwohl man das von Gloin auch behaupten konnte, so Finster wie er gerade drein schaute. Ich wurde mit der Zeit langsam nervös und sah auf die Uhr. Schwiegervater war ziemlich spät dran. Wahrscheinlich hatte er wieder Probleme mit meinem Schwiegerdrachen. Die Frau brauchte immer Stundenlang bis sie mal in die Gänge kam. Und dann fiel ihr meistens kurz vor einer Abfahrt noch ein, dass sie dringend Wäsche falten musste oder so was ähnliches. "Wo bleibt denn der verdammte Wagen?", raunte der rothaarige Zwerg grantig hinter mir. "Hab was Geduld mit dem alten Mann. Der kommt sicher gleich", meinte ich und prüfte nun zum hundertsten Mal mein Handy, auf irgendwelche Anrufe oder SMS. Da hörte ich plötzlich ein Motorengeräusch die Landstraße entlang kommen. Ich atmete erleichtert auf. Schon war der Zitronengelbe Kleinbus zu sehen, als er um die Ecke bog. Ich hob eine Hand um zu zeigen wo wir standen. Natürlich wichen die Herren Zwerge wachsam und etwas verschreckt zurück. Sie hatten die Hände an ihre Waffen gelegt und musterten das Fahrzeug welches vor mir zum Halten kam mit misstrauischen Mienen. Mein Schwiegervater ließ das Fenster runter fahren und streckte den Kopf heraus. Er sah eigentlich aus wie immer. Mit einem rundlichen ersten Gesichtsausdruck und recht wenigen, schneeweißen Haaren auf dem Haupt. Sein Sohn hatte ihn gerade wegen dieser geringen Haarpracht stets Herr Hattemalhaar genannt. Die Beschreibung war mit den Jahren auch immer zutreffender geworden. Neben dran auf dem Beifahrer Sitz saß, mit ihrer üblichen, schlechten Laune mein Schwiegerdrache. Diese blickte allerdings nicht zu mir sondern gerade aus. Sie hatte sich auch nicht wirklich verändert. Hatte wie immer dunkelblondes, kurzes, lockiges Haar, das bereits leicht grau meliert war. Außerdem schien sie in den letzten Monaten wieder an Masse zugenommen zu haben. Denn sie sah deutlich breiter aus als damals, wo ich sie nach dem Streit zuletzt gesehen hatte. Gut, wobei es manchen bei ihr fast gar nicht aufgefallen wäre, denn wir hatten sie nicht umsonst immer heimlich als die dicke Frau bezeichnet. Und das war noch höflich gemeint. Aber sie wollte ja auch nie etwas dagegen unternehmen. Schlussendlich konnte sie allein deswegen nicht mehr richtig laufen und war auf Rollstühle und Gehhilfen angewiesen. Eigentlich war nichts gegen diese Form von Behinderung einzuwenden, doch sie nutzte sie permanent aus. Egal wo sie hin kam, musste sie die engsten Gänge nehmen, nur um die Verkäufer oder andere Leute dafür anzuschnauzen, dass in dieser Welt nichts Behindertengerecht war. Ich hatte einmal miterlebt, wie Schwiegervater deswegen ausgetickt war und da war ich zuvor mit meinem Mann hinter einem Ständer mit Jacken in Deckung gesprungen. Denn eigentlich war dieser ja mehr ein Mensch, der Harmonie und Frieden schätzte. Und wenn er wirklich wütend wurde, dann konnte man mit Fug und Recht angst haben. Wobei der Anblick der Zwerge hinter mir ihn auch wieder ein wenig argwöhnischer werden ließ, als er eh schon den Eindruck machte. "Moin", grüßte er knapp. "Moin. Wie isset euch?", fragte ich gezwungen freundlich. "Alles beim Alten. Und selbst?", erwiderte er. "Es geht", meinte ich kurz angebunden. Es war wie ein altes Ritual, welches wir eigentlich bei jedem Treffen abhielten. Und meistens waren die Antworten die Selben. "Was hast du dir denn da für einen Karnevalsverein zusammen gestellt?", kam es ohne Umschweife von meinem Schwiegerdrachen, die sich nun doch zu uns umgewandt hatte. Ich seufzte leise bevor ich antwortete. "Du wolltest, dass ich Unterstützung fürs Aufräumen beschaffe. Und die Herren haben sich freiwillig gemeldet", gab ich trocken zurück, wobei ich Gloin abwertend grunzen hörte. "Dann steigt mal ein, damit wir los können", sagte Herr Hattemalhaar und deutete auf die große Schiebetür hinten. Ich nickte ruhig, packte mir den Griff und zog diese auf. Langsam winkte ich die Zwerge heran, die die sonderbare Kutsche mit Vorsicht, aber auch mit viel Neugierde begutachteten. "Wo sind denn die Pferde dieser eigentümlichen Kutsche?", fragte Nori und tastete behutsam über den zitronengelben Lack. "Die sind im Motor, Nori. Ich erkläre es euch allen Später. Steigt ein und tut einfach was ich tue. Stellt bitte während der Fahrt keine Fragen. Ich werde euch alles erklären wenn wir wieder zurück sind. Und nehmt die Waffen ab sonst könnt ihr da drin unmöglich zusammen sitzen", meinte ich leise. Es gab allgemeines unmutiges Gegrummel, doch sie taten zumindest, was ich ihnen sagte, nachdem sie wohl schon rein optisch festgestellt hatten, dass man dort wohl weniger mit Waffen auf dem Rücken sitzen konnte. Nachdem das erledigt war, schob ich Thorin zuerst in den Bus. Nori kam direkt danach. Die hintere Bank wurde von den drei grantigen Zwergen besetzt. Zuerst Gloin, dann Bifur und Dwalin. Ich stieg als Letzte ein und schloss die Tür. Ein wenig unbehaglich war es mir ja schon mit dieser Truppe da hinten drin zu sitzen. Aber ich hatte ja auch nicht wirklich eine Wahl. "So, alle anschnallen. Dann können wir fahren", meinte Herr Hattemalhaar und ich legte mir meinen Gurt um. Die fünf kleinen Männer sahen mich reichlich fragend und verwirrt an. Ich deutete schweigend auf die Gurte, die bei jedem aus der Rückenlehne heraus ragten. Den Beiden vorne konnte ich dann noch zeigen, wo man diesen einhaken konnte. Für die hinten war es schon etwas schwerer vorzuführen. Thorin hatte es natürlich als Erster verstanden und war bereits fest gegurtet. Auch wenn es ihm wohl alles andere als gut gefiel dieses schwarze Band so eng am Hals zu tragen. Nori konnte ich beim Festmachen helfen. Hinten allerdings hörte ich bald wütendes Gemurmel und das immer wiederkehrende Knallgeräusch, was die Gurte machten, wenn man zu fest an ihnen zog. "Hey, ihr müsst sanft daran ziehen. Nicht reißen", flüsterte ich mahnend nach hinten. "Dummes Menschenwerk", raunte Bifur und hatte es nun auch verstanden wie es funktionierte. "Hammers denn bald mal da hinten?", begann nun Schwiegerdrache zum ersten Mal zu keifen. "Ja, die haben es bald", meinte ich und rollte genervt mit den Augen. Schließlich hatte es dann auch die letzte Sitzreihe geschafft sich zu sichern. Somit konnten wir endlich abfahren. Allerdings wurde die Fahrt, wie zu erwarten war, eine kleine Tortour. Wie schon Kili und Fili, so hatten auch diese fünf Herren so ihre Probleme mit den neumodischen, Pferdelosen Blechkutschen. Sie schrien zwar nicht ganz so laut, wie es die Jungs getan hatten, doch konnte ich zumindest von der Rückbank gelegentliches, verängstigtes Aufstöhnen und Keuchen hören. Vor allem dann, wenn es in Kurven ging oder wir an den Ampeln bremsten. Die Beiden auf meiner Sitzbank verhielten sich hingegen recht unterschiedlich. Nori schluckte ein paar Mal und schloss fast bibbernd vor Angst die Augen. Thorin hingegen versuchte wie immer den kühlen, unnahbaren König heraus hängen zu lassen, doch ich konnte ihm an der Nasenspitze ansehen, dass ihm eigentlich gerade tot schlecht war. "Wann sind wir denn da?", jammerte Nori nach einer Weile leise neben mir. Ich sah aus dem Fenster und musterte die Landschaft. Wir näherten uns schon den ersten Ausläufern der Kleinstadt, in der ich lebte. "Bald. Haltet noch etwas durch", gab ich murmelnd zurück. "Das ist schlimmer als die Reise damals in den leeren Weinfässern", klagte Dwalin. Ich sah nach hinten. Alle drei klammerten sich an ihre Waffen und hatten die Augen geschlossen. Ich musste etwas grinsen. Es war schon sehr putzig, die sonst so hartgesottenen, raubeinigen Kerle mit einem mal so schweigsam und zurückhaltend zu erleben. Vor allem das Großmaul Gloin war so leise, wie nie zu vor. Obwohl ich das Gefühl hatte ihn das ein oder andere Mal auf Zwergisch fluchen zu hören. Schließlich erreichten wir dann doch endlich den Parkplatz des Friedhofes. Ich stieg so schnell ich konnte aus, um den Herren aus dem Bus zu helfen. Auch wenn sie das im ersten Moment strickt ablehnten. Schließlich ging es dabei um ihr männliches Ego, dass nicht noch weiter leiden sollte. Alle samt schienen sie während der Fahrt jede menge Farbe im Gesicht verloren zu haben. Zum Glück war keinem von ihnen so übel, dass er sich hätte übergeben müssen. "Das nächste Mal wieder mit Ponys", beschwerte sich Bifur grimmig und lehnte sich mit den anderen an die alte Friedhofsmauer. Ich schüttelte nur den Kopf darüber. "Wie oft soll ich es euch noch sagen. Es gibt hier keine Ponys. Jetzt schnappt erst mal tief Luft. Ich muss kurz meinem Schwiegervater helfen", meinte ich ruhig und wandte mich zum Bus um. Herr Hattemalhaar öffnete gerade den Kofferraum, in dem wie immer der elektrische Rollstuhl meines Schwiegerdrachens war. "Das sind vielleicht ein paar komische Vögel, die du da bei dir hast", meinte er trocken und machte den Kran fertig mit dem er den Rolli heraus heben konnte. "Ja, ich weiß. Aber sie können wirklich gut anpacken", meinte ich beiläufig. Schwiegerdrache kam inzwischen aus ihrer Autotür heraus und wankte, ans Auto gelehnt, zu uns nach hinten. "Macht ihr das auch richtig?", fragte sie barsch und stand schon neben mir. "Sicher machen wir das richtig. Ist ja nicht das erste Mal", gab ihr Mann ruhig zurück. "Hörma. Die Kerle, die du da angeschleppt hast. Können die vielleicht auch schon was mit anpacken oder sind die nur da um die Mauer festzuhalten?", brüllte sie mir fast ins Ohr. Ich knurrte leise in mich hinein und hob zunächst die Einzelteile des Rollis aus dem Kofferraum. Ich antwortete besser nicht auf diese offensichtliche Anspielung, dass sie die Herren für sehr faul hielt. Unhöflicher ging es ja wohl nicht mehr. Wobei ich fand, dass dies noch einer ihrer freundlicheren Ausbrüche war. Offenbar ging es aber nun schon in die erste Runde eines wohl ellenlangen Kampfes, zwischen ihrer Überheblichkeit und meinen Nerven. Doch schon war Unterstützung im Anmarsch, in Form eines immer noch leicht blassen, aber offensichtlich zu tiefst beleidigten Thorin Eichenschildes. Er trat an meine Seite und drängte sich umwillkürlich zwischen meinen Schwiegerdrachen und mich. "Wenn Ihr gestatten würdet, Euren beleibten Körper zur Seite zu bewegen, damit wir an die Werkzeuge gelangen können", gab er verärgert von sich. Allerdings ließ sich Schwiegerdrache davon wenig beeindrucken. Trotzdem wich sie etwas zur Seite, als der Zwergenkönig ihr doch recht nahe kam. "Wartet erst einmal ab, bis wir den Rollstuhl draußen haben, dann können wir den Rest raus holen", kam es von Herr Hattemalhaar, der nun auch schon wieder etwas genervter war. Ich seufzte leise und wartete mit den Einzelteilen in der Hand darauf, dass der Rolli abgesetzt wurde. Nach ein paar Minuten hatte man es dann endlich geschafft, das sperrige Ding heraus zu heben und es gab den Blick auf eine Sammlung Gartenwerkzeuge preis. Offenbar wollte Schwiegerdrache nicht nur die Trümmer beseitigen, sondern auch gleichzeitig den halben Friedhof von Unkraut und dergleichen befreien. Neben einer Schubkarre und diversen Schaufeln, die wir zweifellos brauchten, fanden sich noch kleine Hacken, ein Rechen und eine Brechstange hinten drin. Zunächst aber bemühte ich mich darum, den Stuhl fertig zu machen, damit zumindest die dicke Frau erst mal aus dem Weg war. Das Aufbauen kannte ich schon aus dem FF. Zuerst das Ding ausklappen, dann die Fußstützen dran, danach die Batterie und das Steuerkreuz befestigt und Schluss endlich das Kissen, wo sich die werte Dame dann drauf pflanzen konnte. Dies ging meistens in unter einer Minute zu bewerkstelligen. Es sei denn sie stand daneben, wie in diesem Fall. "Nein. Das muss nach Links. Der Sitz ist nicht ganz glatt. Hör auf so viel an der Elektronik rum zu spielen, du machst die noch kaputt!", keifte sie ohne Unterlass. Meine Finger zitterten inzwischen schon vor Wut. "Herr Gott steh mir bei, dass ich die nicht gleich noch neben ihren Sohn verfrachte", murmelte ich, nachdem sie mit dem Teil endlich davon gerauscht war, um schon einmal die Gegebenheiten am Grab zu begutachten. Herr Hattemalhaar drückte mir den Autoschlüssel in die Hand und ging ihr dann zur Sicherheit nach. So hatte ich genug Zeit alleine mit den fünf Zwergen die Sachen zu entladen. "Bei Durins Bart. Was ist das nur für ein unerträgliches Weibsbild?", fragte Nori und nahm eine der Schaufeln aus dem Kofferraum. "Das mein lieber Nori. Ist ein sogenannter Schwiegerdrache", meinte ich mit grimmiger Miene. Schlagartig fielen den kleinen bärtigen Männern die Kinnladen herunter und beinahe auch die Werkzeuge aus den Händen. "Die... Die ist der Drache?", fragte Gloin empört. Ich nickte ihm nur mit einem beflissenen Gesichtsausdruck zu."Eigentlich hatte ich erwartet, dass gerade du so etwas kennen solltest, Gloin. Bist doch auch verheiratet", meinte ich bitter. Der schnaubte nur und hielt sich am Laubrechen fest. "Wie erträgst du nur dieses Gekeife, Weibstück? Die ist ja schlimmer als ein Rudel Warge", kam es von Dwalin der die Schubkarre fest hielt in die wir die Werkzeuge packten. "Ich ertrage es nicht. Ich resigniere", erwiderte ich und knallte eine Hacke in die Schubkarre. "Von Respekt hat diese Frau aber auch noch nichts gehört", kam es von Thorin, der ebenfalls mit ein paar Hacken neben mir auftauchte. "Respekt? Wo denkst du hin? Die doch nicht. Hatte sie nie. Weder vor ihrem Mann noch vor ihren eigenen Eltern. Wobei ihre liebe Mutter noch viel schlimmer ist", sagte ich trocken und schloss dann den Kofferraum. "Ihre Mutter ist noch schlimmer?", fragte Nori und kratzte sich am Kopf. "Ja. Kommt. Ich erzähl es euch auf dem Weg", meinte ich und ging voran. Die kleinen Männer folgten mir den Weg hinauf zum großen Eingangstor. "Also, was war jetzt mit der Mutter der Frau?", fragte Bifur mit der Brechstange über der Schulter. "Ach. Die Frau ist einfach nur krank im Kopf. Was die schon für Aktionen gebracht hat. Wobei die Härteste mir gegenüber am Geburtstag meines Mannes war, als sie zu ihm zu sagte, 'Trenn dich von der Frau. Die ist nie und nimmer gut für dich' ", erklärte ich und versuchte dabei eine etwas ältere krächzende Stimme nachzumachen. "Mich wundert es, dass ihr trotz dessen Ehelichen durftet. Für gewöhnlich benötigt es die Zustimmung der gesamten Familie", meinte Dwalin ein wenig nachdenklich. "Bei uns gibt man nichts mehr darauf, ob die Eltern, die Großeltern oder die sonstige Verwandtschaft etwas gegen eine Eheschließung hat oder nicht. Der Mann oder die Frau fragt ihren Partner einfach, ob er oder sie heiraten will. Oftmals reicht der oder diejenige ihrem Angebeteten oder seiner Liebsten einen Ring, um das Bündnis zu bekräftigen. Danach gehts heute einfach zum Amt, legt ein paar Unterlagen vor, die bestätigen, dass man irgendwann, irgendwo geboren worden ist. Dann bezahlt man eine gewisse Gebühr. Unterschreibt einen Wisch und schon ist man verheiratet", erklärte ich kurz in knapp. "Das ist alles?", fragte Gloin und klang etwas empört. "Ja, das ist alles. Natürlich kann, jeder der will noch einmal eine Hochzeitsfeier abhalten und diese dann nach seinen Wünschen gestalten wie er lustig ist. Aber die Erste muss definitiv so ablaufen, wie ich es euch erklärt habe, sonst gilt man nicht als verheiratet", sagte ich und blickte dann schweigend gerade aus. Wir waren schon fast am Grabmal angekommen. Zu dieser Abendstunde, sah man vereinzelt Angehörige an den Gräbern ihrer verstorbenen Verwandten stehen und die Blumen gießen. Manche hatten schon ihre zerstörten Gräber erneuern lassen. Andere, wie auch wir, räumten immer noch alles zusammen. Unter den bärtigen Männern war es andächtig ruhig geworden. Man konnte ja über Zwerge sagen was man wollte, aber vor dem Tod hatten selbst sie große Achtung. Anders als mein Schwiegerdrache, die uns bereits wieder aus der Ferne entgegen plärrte: "Kommt ihr auch endlich mal? Was hat das denn so lange gedauert? Wart ihr unterwegs ein Eis essen?" Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch dann beließ ich es einfach dabei. Ich wollte keinen Streit anfangen, schon gar nicht an SEINEM Grab. Nun sah ich auch endlich den Marmorengel, wie er nach der Zertrümmerung aussah. Die Flügel waren abgebrochen, der Schädel nur noch halb vorhanden und auch sonst fehlten Teile, wie Finger oder sogar ein ganzer Arm. Die Grabplatte selbst war ebenfalls gesprungen und ein tiefer Spalt zog sich von oben bis unten hindurch. Ich seufzte leise und begann mit den Männern schweigend die Schubkarre zu entladen, damit wir dort die Trümmer aufladen konnten. Gerade als ich die ersten Teile aufsammeln wollte, fing Schwiegerdrache an ihre üblichen Anweisungen von ihrem Rollstuhl aus von sich zu geben. "Sammelt das Zeug erst mal alles auf einem Haufen, damit wir sehen können, was wir eventuell noch verwenden können, um die Statue zu reparieren", sagte sie. Ich musterte den Engel einen Moment und sah sie dann mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Wie willst du den noch mal Restaurieren? Der ist komplett im Eimer", gab ich von mir. "Wir kennen da einen Fachmann. Der repariert uns den günstig", erwiderte sie barsch. Ich schnaubte nur kurz. Ja ja, ihre sogenannten "Fachmänner" kannte ich. Hauptsache billig arbeiten und sich dann hinterher wieder beschweren, dass das Zeug nicht hielt, was es verspricht. Wie einst bei einem selbst zusammengestellten Computer, der auch von so einem "Fachmann" zusammen gebaut worden war. Ohne Grafikkarte, ohne ausreichend Arbeitsspeicher und ohne Soundausgabe. Aber Hauptsache es war Windoof Sieben drauf. Allein dies schien für mich schon ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Doch solche Wunder gab es ja immer wieder. "Cuna hat recht. Die Statue lässt sich nicht mehr herrichten. Der Stein ist in einem äußerst schlechten Zustand. Ich weiß nicht welcher Meister sich daran zu schaffen gemacht hat, aber die Verarbeitung ist die schlechteste, die ich je gesehen habe", kam es mit einem Mal von Thorin. Er hatte sich neben den Engel gestellt und nahm ihn von allen Seiten mit Augen und Händen unter die Lupe. "Was wollen Sie denn bitte darüber wissen?", keifte Schwiegerdrache. "Ich habe jahrelang als Steinmetz und Schmied gearbeitet und ich sage Euch, kein Meister der Welt könnte diesen Haufen alter Steine wieder so herrichten, dass er wieder ansehnlich wäre", erwiderte er und versah sie mit einem seiner üblichen, ernsten Blicke. Bei mir schlugen nun allerdings die Alarmglocken. Was man unter keinen Umständen tun durfte, war es ihr vor zu werfen, dass ihre Idee falsch war. Denn nun fing sie, wie ich es geahnt hatte, an und diskutierte herum. "Ja sicher? Und ein Neuer ist auch wesentlich günstiger, als eine Reparatur?", gab sie Sarkastisch von sich. "Wenn Ihr mich so fragt. Ja", meinte der Zwergenkönig knapp, hob den Teil eines Flügels auf und warf ihn in die Schubkarre. Nun schwieg die dicke Frau zunächst. Doch ich wusste was das für ein Schweigen war. Nämlich die Ruhe vor dem Sturm. Sie musste sich nun irgendetwas in ihrem Kopf zurecht legen, mit dem sie einem von uns tödlich beleidigen konnte. Und meistens war es etwas, was unheimlich weh tat. Ich beschloss daher sie nicht anzusehen. Mir war klar, dass sie gewiss plante, einen ihrer Giftpfeile auf mich abzuschießen. Um das zu vermeinden, machte ich mich deshalb daran, die kleineren Trümmer zu suchen. Die Größeren übernahmen ja die Männer. Kurze Zeit später fing sie wieder an zu keifen: "Wo ist eigentlich das Foto von meinem Sohn? Ist das geklaut worden?" Ich seufzte leise und drehte mich dann doch zu ihr um, was ich im Nachhinein sichtlich bereute. "Nein. Ich hab es raus genommen, als ich da war, um den Versicherungsschaden zu dokumentieren", sagte ich gezwungen ruhig. "Ach. Das Foto nimmst du einfach mit. Aber die Schweinerei dürfen mal wieder andere aufräumen. Ist ja interessant", meinte sie schnippisch. Peng! Da war er, der erste Giftpfeil. Ich wandte mich schnaubend wieder ab und suchte weiter nach Teilen. Dabei biss ich mir auf die Lippen und versuchte die Worte runter zu schlucken, die sich in meiner Kehle ansammelten. "Wo liegt Euer Problem? Sie ist hier, sie arbeitet und sitzt nicht faul auf ihrem breiten Hinterteil", kam es plötzlich von Dwalin. Erschrocken fuhr ich zusammen. Mir wurde schlecht. Nun hatte er sich auch noch mit ihr angelegt und sie richtig an ihrem Ego gepackt. Was die Frau noch mehr hasste, als dass man ihr widersprach, war sie als faul zu bezeichnen. "Nun isses aber gut. Wir sind auf einem Friedhof", schaltete sich Herr Hattemalhaar mit mahnendem Ton ein. Dies tat er meistens, wenn eine Sache anfing ihn mehr und mehr zu nerven, um so wieder ruhe rein zu bringen. Doch lange glückte ihm das natürlich nicht. Hier trafen gleich fünf Dickschädel auf einen. Die Fragen waren für mich nur, wann würde der Erste richtig explodieren und wie würde es danach aussehen? Zumindest hatte er dafür gesorgt, dass die erste Runde zu ende gegangen war. Es stand aber eindeutig eins zu null für die kleinen bärtigen Männer. Zumindest war dies aus meiner Sicht so, da sie die schlüssigeren Argumente angebracht hatten. "Hörma. Sag mal deiner Schwiegertochter, sie soll auch in den Büschen suchen, damit alles von der Statue wieder da ist", kam es nach einer Weile von ihr. Nun war Runde zwei angebrochen. Sie sprach nicht mehr direkt mit mir, sondern über meinen Schwiegervater. Dies aber wie immer so laut, dass ich es gut und deutlich hören konnte. Ich kniete ja bereits am Boden neben der Grabplatte und suchte nach einigen Sachen. Aber der Busch war ja direkt neben an vor der alten Eiche, die den Sturm besser überstanden hatte als die Tanne. Mürrisch stemmte ich mich auf die Füße und ging zu dem Busch hinüber, bevor ich noch einmal die übergangene Aufforderung an mich hören musste. Ich schaute in das Geäst hinein. Der Busch war voller Dornen und ein wenig unübersichtlich. Doch ich konnte das ein oder andere weiße Marmorteil darin aufblitzen sehen. Leider waren keine Arbeitshandschuhe vorhanden. Also versuchte ich nun so vorsichtig wie möglich hinein zu greifen, um diese heraus zu holen. Die scharfen Dornenspitzen zerkratzten mir die Hände und blanken Unterarme, doch das machte mir weniger aus, als die Tatsache, dass ich dauernd von hinten eine verbale Kopfnuss nach der anderen bekam. "Kannst du auch mal schneller arbeiten? Ich dachte du wolltest früher wieder im Zeltlager sein", keifte mich die Drachenfrau an, wobei ich kurz aufschreckte und mir den ein oder anderen Dorn in den Arm einzog. "Gna! Verdammt! Kannst du mich mal in ruhe lassen, während ich hier versuche die Marmorstücke zu bergen?", fauchte ich unbedacht über die Schulter. Und wieder bereute ich, dass ich sie angesehen hatte. "Hätte ja schon längst gemacht sein können. Aber 'die Jugend' hat ja immer nur Spielereien im Kopf anstatt ihre Pflichten zu erfüllen", gab sie überheblich von sich und dies war der zweite Giftpfeil. Ich schwieg erneut. Ließ es einfach über mich ergehen. Das Beste war wirklich, diese Frau mit kalter Ignoranz zu strafen, wenn sie anfing ihre todbringenden Geschosse abzufeuern. So griff ich erneut in das Dornengestrüpp und zog, neben weiteren Kratzern und Splittern im Arm, auch die Marmorstücke raus. Als ich diese zur Schubkarre brachte, hielt mich Nori an und besah sich meine blutenden Arme. "Warte Cuna. Ich helf dir kurz die Splitter zu entfernen", sagte er und zupfte schon einzelne Dornen heraus. "Das au... musst du nicht. Mach ich autsch... später wenn wir fertig sind", meinte ich ruhig. Nun ja so ruhig, wie es eben in dieser Situation ging. "Wenn die nicht raus kommen, könnten sich die Wunden entzünden. Sobald wir wieder im Lager sind, kann sich Oin darum kümmern", gab Thorin von sich, der sich mit Bifur und Gloin daran machte mit der Brechstange und etwas Muskelkraft die zerbrochene Grabplatte wieder zurecht zu rücken. "Man hätte ja auch mal Handschuhe mitbringen und anziehen können. Aber Schwiegertochter kann ja alles auch so ganz gut", kam es dann von meinem Schwiegerdrachen. Ein kurzes dumpfes Krachen ertönte, bevor sie noch etwas mehr dazu sagen konnte. Einer der Herren an der Grabplatte hatte diese fallen gelassen, worauf sie noch einmal in zwei weitere Hälften zerbrach. "Passt doch gefälligst mal auf! Das ist das Grab meines Sohnes!", rief sie aus, sodass nun auch andere Friedhofsbesucher, die zufällig vorbei gingen, sich zu uns umdrehten. "Die Platte ist vom Brecheisen gerutscht", kam es von Gloin, der inzwischen noch grantiger war, als wenn er mit mir sprach. "Dann muss man das mal besser festhalten. Aber war ja klar, dass die Frau meines Sohnes keine vernünftigen, umsichtigen Leute heran schaffen kann. Sie konnte ja eh nie was richtig machen", fauchte sie und ich hätte beinahe schwören können, das ihr dabei Funken aus dem Rachen gefahren waren. "Du verdammtes, mieses....", hörte ich Thorin knurren, sah wie er herum fuhr und auf sie zu stürmte. Ich konnte mich eben noch von Nori los reißen und den aufgebrachten Zwergenkönig am Arm packen. Dieser hielt inne und sah mich angesäuert an. Ich schüttelte nur mahnend den Kopf. "Denk dran wo du hier bist. Das ist es nicht wert, Thorin", murmelte ich. Er musterte mich kurz ungläubig von oben bis unten, bevor er dann doch recht angespannt nickte und wieder zurück zur Grabplatte ging, um dort seine Arbeit fort zu setzen. Das war noch mal gut gegangen. Ich hatte schon die Befürchtung gehabt er, würde nun richtig ausrasten und auf dem Friedhof eine Schlägerei anfangen wollen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten wir endlich alle Teile zusammen getragen, die nicht irgendwie zu Staub zerfallen waren. Unter dem prüfenden Blick meines Schwiegerdrachens, stellten wir die Schubkarre ab und warteten auf das Endergebnis der ganzen Arbeit. Sie nahm sich einen der kleineren Brocken, musterte diesen und sagte dann einen Satz, der nur von ihr sein konnte: "Der is ja ganz Kaputt. Den kann man ja gar nicht mehr reparieren." Ich konnte mich in diesem Moment nicht mehr erwehren, ein gefrustetes Aufstöhnen von mir zu geben. Thorin verzog grimmig das Gesicht und der Rest schnaubte. "Eben dies sagte ich Euch bereits vorhin", gab er knapp von sich. Sie sah zu ihm hinüber und ich bemerkte wie sich ihre Augen gefährlich verengten. Was folgte war einer der herablassensten Sätze, den sie an diesem Tag bringen konnte. "Naja, wenn es denn so kaputt ist dann schmeißen wir den eben weg. Ist ja egal. Hat ja auch nur mehrere tausend Euro gekostet. Dann kommt da eben einer Neuer hin. Aber diesmal beteiligt sich Schwiegertochter auch an dem Kauf. Die Kosten tragen wir nicht noch einmal alleine!", fauchte sie und mir fiel dabei alles aus dem Gesicht. "Kannst du mir mal sagen, wie ich die Kosten mit tragen soll? Ich ziehe demnächst um und einen neuen Job hab ich auch noch nicht", klagte ich und machte einen Schritt auf sie zu. "Bist du selbst für verantwortlich. Wenn du dich nicht genug bemühst, um eine Arbeit zu kriegen, dann ist das nur logisch. Den Leuten auf der Tasche zu liegen konntest du ja schon immer sehr gut. Oder wirfst du dein Geld inzwischen für diese ungewaschenen Penner heraus? ", fauchte sie mich an. "Wie hat sie uns genannt? War das etwa eine Beleidigung?", knurrte Gloin und fasste den Stiel seiner Schaufel fester. Ich schluckte und sah mich verängstigt um. Sämtliche Augen der kleine Männer waren nun gefährlich scharf auf diese Frau fixiert. Nun wurde es wirklich ungemütlich. Sogar brenzlig. Das waren fünf gut trainierte, kräftige Zwerge. Und Schwiegerdrache, war so gesehen hilflos in ihrem Rolli. Würden sie auf sie los gehen, dann gäbe es keine Chance sie da unbeschadet heraus zu holen. So tat ich das Einzige was mir einfiel. Ich ging zur Schubkarre und versuchte diese hoch zu stämmen. "Was treibst du denn da schon wieder, Weibstück?", kam es von Dwalin, der mich irritiert ansah, was zu meiner Erleichterung für eine kurze Ablenkung sorgte. "Was wohl? Ich will den Müll hier zum Schuttcontainer bringen", sagte ich schlicht und unter Anstrengung die Karre oben zu halten. "Lass das jemanden machen, der zwei gesunde Arme hat", gab der Zwerg von sich, trat an meine Seite und fasste selbst an die beiden Haltestangen, sodass er die Sache übernehmen konnte. "Ich glaube wir sind hier sowieso fertig. Am besten geht ihr sechs schon mal vor zum Auto, nachdem ihr das Zeug los geworden seid. Ich muss mal eben was mit meiner Frau klären", kam es von Herr Hattemalhaar. Ich nickte nur knapp und ging den Weg voraus. Die Zwerge folgten mir, wenn auch nur zögerlich und mit einigem, fluchenden Gegrummel. Als wir außer Hörweite waren, platzte es dann aus allen heraus, wie es schon bei dem Telefonat mit mir passiert war. "Dieses Untier! So ein niederträchtiges Weib!", grollte Bifur. "Der sollte man eine Axt in den hässlichen Schädel rammen, damit würde man dieser Welt einen großen Dienst erweisen", raunte Nori. Ich zuckte mit den Schultern. "So ist sie halt. Da darf man nichts drauf geben. Am besten die Gehörgänge auf Durchzug schalten und beten, dass man mit heiler Haut davon kommt", meinte ich bitter und führte die Herren zum Container. Diesen hatte man vorsorglich hinter dem Eingangstor aufgestellt, sodass jeder seinen Kram entladen konnte. "Du lässt dir viel zu viel von dieser Fettel gefallen", sagte Nori und warf die ersten Sachen in den Container. "Hab ich eine andere Wahl? Ich war immerhin die Frau ihres einzigen Kindes. Ich hab ihr den Sohn weggenommen. Noch dazu habe ich ständig versucht mich ihrer Fuchtel zu entziehen. Das sie mich nicht leiden kann, weil ich meinen eigenen Kopf habe, war mit der Zeit abzusehen ", erwiderte ich. "Das gibt ihr noch lange nicht das Recht so mit dir umzuspringen. Und erst recht nicht mit uns. Wäre dies hier keine Grabstätte, dann hätte ich ihr einmal Respekt beigebracht", kam es knurren von Thorin, der mit Schwung die großen Brocken weg feuerte, sodass es ordentlich knallte. "Ja, Herr Thorin. Du hättest ihr Respekt beigebracht. Und wenn ihr dann weg gewesen wärt, hätte ich alles abbekommen. Nicht nur von ihr, auch von meinem Schwiegervater", gab ich sarkastisch zurück. "Sag mal, hast du etwa angst vor den beiden?", fragte Bifur und musterte mich ungläubig. Ich schluckte einen Moment und versuchte mir eine passende Antwort zu überlegen. Es stimmte schon. Irgendwo hatte ich schon Angst. Allerdings nur, weil ich nicht wusste, wie ich mit diesem ganzen, unangebrachten und ungerechten Ärger, den man an mir ausließ umgehen sollte. Als ich nach einer Weile nicht antwortete meldete sich Gloin zu Wort. "Mir egal welche Folgen das für andere haben mag. Wenn diese Fettel sich noch einmal uns gegenüber im Ton vergreift, kann sie was erleben!", rief er aus und feuerte ebenfalls ein dickes Marmorstück in den Müll. "Den Teufel wirst du!", kam es von mir. Ich schritt auf den rothaarigen kleinen Mann zu und schaute ihm wütend ins Gesicht. "Ach und du willst mich davon abhalten? Womit? Mit deinen dürren Ärmchen?", fragte er spöttisch, fasste einen meiner zerkratzten und zerstochenen Arme fest mit seiner rauen Pranke und drückte zu. Dummerweise war da noch der ein oder andere Dorn in der Haut verborgen, den er weiter rein schob. So tat es unglaublich weh. "Ah! Verdammt! Lass mich los!", knurrte ich ihn an. Ich zerrte und zog, doch er lockerte seinen Griff nicht, bis schließlich der Zwergenkönig dazwischen schritt und ihn seinerseits am Arm packte. Er sagte nichts sondern sah Gloin nur mit einem warnenden und gefährlichen Funkeln in den Augen an. Ganz langsam lockerte sich die Hand und ich konnte mich befreien. Nun stellte sich Thorin vor mich und ich konnte nur noch an Gloins Gesichtsausdruck erkennen, dass dieser offensichtlich gerade selbst Angst bekam. Was dann folgte war wohl einer der beeindruckendsten Sätze, die er je von sich gegeben hatte. "Fass sie noch einmal so an und ich reiße dir jedes Barthaar einzeln aus", fauchte der Zwergenkönig mit so scharfen Ton, dass dieser einem richtig ins Fleisch schneiden konnte. Verstört ließ Gloin den Arm sinken und senkte ebenso betreten den Kopf. Daraufhin ließ Thorin von ihm ab und warf den letzten Rest Schutt in den Container. Auf dem Weg zum Bus herrschte allgemeines, angespanntes Schweigen zwischen uns. Nachdem ich diesen aufgeschlossen hatte, wurden die Werkzeuge wieder eingeladen. Ich versuchte in der Zeit, wo die Herren damit beschäftigt waren, die Dornen heraus zu ziehen, die der rothaarige Zwerg tiefer in meinen Arm gedrückt hatte. Schließlich hörte ich das näher kommende Geräusch des E-Rollis und die Schritte meines Ex-Schwiegervaters. "So, ist alles ordentlich drin?", fragte dieser und kam auf mich zu. "Ja. Alles ordentlich verstaut", sagte ich ruhig. "Wunderbar. Also ich hab mit meiner Frau gesprochen. Ich werd sie jetzt nach Hause fahren und wollte dich dann mit deinen Freunden hier, als Dankeschön für die Hilfe, zum Essen einladen, wenn ihr Lust dazu habt", meinte er und sah sich zwischen mir und den fünf kleinen Männern um. Ich sah zu den Herren hinüber und musterte sie etwas belustigt, da sie einen Kreis gebildet hatten, um die Sache wohl zu besprechen. Nach ein paar Minuten öffneten sie den Kreis und nickten alle samt zustimmend. "Gut. gut. Wollt ihr dann hier warten oder willst du vorher nach Hause, um dich frisch zu machen?", fragte Herr Hattemalhaar an mich gewandt. "Oh, gut dass du das erwähnst. Da wollte ich tatsächlich noch hin. Am besten holst du uns da ab", meinte ich und er nickte. Nachdem wir dann den Rolli eingeladen hatten, fuhren die Beiden dann schon vom Parkplatz. Ich schnappte mir unterdessen die Zwerge und begab mich auf den Weg zu meiner Wohnung. Alles in allem war es noch gut verlaufen. Und zumindest konnten wir auf ein gutes Essen hoffen. -36. Schwiegerdrache vs. Zwerge / ENDE- Kapitel 37: 37. Sorgen über Sorgen ---------------------------------- Alles in allem war der Kampf mit meinem Schwiegerdrachen noch recht glimpflich verlaufen. Dennoch war mir nicht gerade nach feiern zu mute. Auch wenn ich es den fünf Zwergen gegenüber nicht offen zeigte, so hatte diese Begegnung doch wieder einige tiefe Spuren hinterlassen, die nichts mit den Wunden an meinen Armen zu tun hatten. Diese brannten darüber hinaus schmerzhaft, als ich im Waschbecken meines Badezimmers die letzten Reste des Dornenbusches entfernte. Ich war allein nach oben gegangen und hatte die Herren höflich darauf hingewiesen, vor dem Haus zu warten, bis ich wieder bei ihnen war. Auch wenn gerade der Zwergenkönig protestiert hatte und mit rauf wollte, so machte ich gerade ihm unmissverständlich klar, dass ich vorerst keine Zwerge in meiner Wohnung haben wollte, nachdem ein gewisser anwesender Jemand schon meine halbe Einrichtung demoliert hatte. Außerdem wäre diese für sechs Personen eh viel zu klein gewesen. Gerade wo überall Umzugskartons herum standen. So hatte ich auch meine Ruhe um mir die passenden Kleider heraus zu suchen, ohne drauf achten zu müssen, dass jemand mir unangenehme Fragen dazu stellte. Vorsichtig trocknete ich mir die Arme ab und durchforstete danach einen der bereits gepackten und gestapelten Kartons in denen ich meine Cosplay-Kleidchen verstaut hatte. Ich überlegte einen Moment als ich sie mit ins Schlafzimmer nahm und auf dem Bett ausbreitete. Die Samtkleider konnte ich für die Zeltstadt nicht nehmen. Die würden zu schnell dreckig werden und kaputt gehen. Dafür waren sie einfach zu schade. Stattdessen würde es wohl ein Leinen oder Baumwollkleid werden. Davon hatte ich ja auch das Ein oder Andere herum fliegen. Aber auch der schwarze Zweiteiler wäre nicht übel. Ich seufzte betreten als ich meine Gesammelten Werke betrachtete. Zum ersten Mal stand ich wohl vor dem Problem, was andere Frauen auch für gewöhnlich hatten, wenn es darum ging einen Mann zu beeindrucken. Ich hatte so viele schöne Sachen aber nichts zum Anziehen. Und leider weder die Zeit noch das Geld um mir neue zu zulegen. Also fiel meine Wahl auf den Zweiteiler und eines der Bauernmädchenkleider. Dies war eines aus einem marineblauen Stoff mit silberfarbenen Trompetenärmeln versehen. Dazu nahm ich noch das Outfit mit, welches ich für Gerwulf verwenden wollte. Vielleicht käme es ja noch zum Einsatz, aber das wusste ich bis dato noch gar nicht. Trotzdem wollte ich auf alles vorbereitet sein. Zu den Kleidern wählte ich dann noch die üblichen Accessoires. Eine Kette, ein Gürtel, Schuhe und ein Tuch für den Kopf. Dies stopfte ich alles in einen weiteren Rucksack und schaffte diesen nach unten. Dort wartete auch schon mein Schwiegervater mit dem Bus. Die Zwerge waren schon eingestiegen und sahen mich ungeduldig an. "Was hat das so lange gedauert?", fragte Dwalin. "Ich hab meine Arme vom Dreck befreit. Das dauert eine Weile", sagte ich und platzierte mich auf meinem Sitz, wo ich die Tür zu zog. "Und was ist in dem Rucksack?", kam es von Thorin und musterte diesen mit hochgezogenen Augenbrauen. "Ein paar Kleinigkeiten", erwiderte ich. Er nickte nur mit skeptischen Blick. "So. Habt ihr schon überlegt, was ihr eventuell Essen wollt?", fragte Herr Hattemalhaar vom Fahrersitz. "Uns ist alles recht, solange Ihr uns nicht vergiften wollt", kam es kurz angebunden von Bifur, dem man ansehen konnte, dass ihm der Bus immer noch nicht zusagte. Ich konnte im Innenspiegel erkennen, wie mein Ex-Schwiegervater etwas die Augenbrauen zusammen zog, doch er fragte nicht weiter nach. Stattdessen wandte er sich indirekt an mich. "Was haltet ihr denn von Gyros? Is nicht weit bis dahin und kostet auch nicht viel", sagte er ruhig. "Ach ja. Warum nicht. War ewig nicht da. Bin mal gespannt, ob die ne neue Karte oder so haben" erwiderte ich. "Cuna, was ist den Güsos?", fragte Nori leise neben mir, als der Motor startete und wir anfuhren. "Das ist Fleisch, das an einem drehenden Spieß gebraten wird. Gibts mit Zwiebeln und einer Knoblauchsoße. Häufig auch mit Pommes. Weiß nicht ob euch das schmecken wird. Aber zur Not haben die auch andere Sachen da", erklärte ich ihm ruhig. Nach wenigen Minuten fahrt, in denen die kleinen Männer sich wieder unbehaglich neben und hinter mir über die Pferdelosen Blechkisten äußerten, kamen wir bei einem kleinen Griechischen Imbiss am Stadtrand an. Der Betrieb selbst war noch relativ jung, dennoch gab es dort das beste Gyros der Gegend. Vor allem auch reichlich davon zu einem erschwinglichen Preis. Das Paar welches den Imbiss leitete, zählte ich auch zu meinen näheren Bekannten. Für einen freundlichen Plausch waren sie immer zu haben und zuverlässig in ihren Lieferzeiten, wenn man sich etwas für zuhause bestellte. Ich selbst mochte Gyros nie so wirklich. Aber sie hatten ja auch Burger, Schnitzel und Currywurst im Angebot. Die kleine Bude an der Hauptstraße war auch immer recht gut besucht. Wobei die Meisten, die vorbei kamen, eher etwas zum Mitnehmen haben wollten, weil einfach für mehr Gäste viel zu wenig Sitzgelegenheiten da waren. Im Laden selbst gab es nur Hochstühle an den ebenso hoch angelegten Tischplatten. Für Draußen hatte man zwei Pavillons aufgestellt. Der Eine war für die Gäste, die Essen wollten, der Andere für die, die im trockenen sitzen und rauchen wollten. So konnte man aufs leichteste das vorherrschende Rauchverbot umgehen. Als wir ausgestiegen waren und den kleinen, aber feinen Imbissraum betraten, roch es schon vorzüglich nach dem gegrillten Fleischspieß, welcher sich langsam brutzelnd im Hintergrund auf seinem Ständer drehte. Herr Hattemalhaar gab mir schon mal den Auftrag für ihn zu bestellen und die Getränke mit zu bringen, während er für alle einen Platz suchte. Am Herd standen die beiden Inhaber und lächelten uns freundlich an. "Grüßt euch. Haben uns ja ewig nicht gesehn", kam es von Janis, einem dunkelhaarigen schlanken Mann der etwa Mitte Vierzig war. Für einen Griechen sprach er wirklich perfektes, akzentfreies Hochdeutsch. Hätte man nicht seinen Namen gekannt, so wäre man auch davon ausgegangen, dass er einer gewesen wäre. "Ja, ist schon eine Weile her", meinte ich knapp und erwiderte das Lächeln. Seine Frau Marita sah uns nacheinander freundlich an und fragte, was wir denn gerne bestellen wollten. Ich sah grübelnd auf die Karte, die über den Herd angebracht war. Die kleinen Männer, die um mich herum standen, musterten mich hingegen skeptisch, machten aber bereits lange Nasen in Richtung des köstlichen Fleischspießes. "Also ich nehme ein Zigeunerschnitzel und ich denke mal, für die fünf Herren hier ein großes Gyros komplett mit allem?", meinte ich und sah mich zwischen den Zwergen um. "Wieso fragst du uns das, Weibstück? Wir kennen das Zeug nicht", kam es von Dwalin. "Na dann versucht es einmal. Wird euch schon schmecken", meinte ich ruhig. "Ich nehme nichts. Danke", kam es plötzlich ziemlich unerwartet von Thorin. Ich wandte mich zu ihm um und hob fragend die Augenbrauen. Was war denn mit ihm los? Sonst war er nie gegen ein ordentliches Abendessen abgeneigt. Schon gar nicht wo es um gut gebratenes Fleisch ging. Doch ich zuckte nur mit den Schultern. Vielleicht war ihm ja die Fahrt einfach zu sehr auf den Magen geschlagen und er wollte verhindern, dass ihm das Ganze unterwegs wieder hoch kam. Konnte ich ihm auch gut nachempfinden. So gab es nur fünf mal Gyros für meinen Ex-Schwiegervater und die Zwerge, und für mich das Schnitzel. Aus einem Kühlschrank, der in der Ecke stand, entnahm ich noch die Getränke. Für die Zwerge alle samt ein Bier, für meinen Ex-Schwiegervater ein Wasser und für mich die obligatorische Cola. Im Pavillon hatte Herr Hattemalhaar schon ein paar der kleinen Bistrotischchen zusammen geschoben und die Gartenstühle, die als Sitzgelegenheit dienten, dran gestellt. Wir nahmen platz und warteten dann auf unser Essen. Zunächst herrschte nur Schweigen unter den Anwesenden. Es gab auch nicht wirklich Gesprächsstoff, wo man sich zum Einen kaum kannte und zum Anderen Zwerge in Gegenwart von Fremden eh nur das Nötigste von sich gaben, wie ich bereits mehrfach festgestellt hatte. Schließlich brach ich das Schweigen indem ich ein Gespräch mit Herr Hattemalhaar begann. "Hat sich der alte Drache wieder beruhigt?", fragte ich ruhig, wenn auch mit leichtem Sarkasmus in der Stimme. "Ja. Also. Du kennst sie ja. Sie regt sich immer mal wieder etwas auf. Aber ich hab ihr das Nötigste gesagt. Ich muss mich im übrigens dafür entschuldigen, dass sie sich so beleidigend verhalten hat. Sie hat immer wieder solche schlechten Tage", meinte er und sah dabei Thorin ruhig an. Dieser neigte leicht den Kopf, was ein deutliches Zeichen dafür war, dass er die Entschuldigung annahm. "Als Ehemann stündet Ihr eigentlich in der Pflicht eurem Weibe die Leviten zu lesen. So etwas käme in meinem Hause nie und nimmer vor", polterte Gloin gleich drauf los. "Nein, in deinem Haus bekäme man sofort eine Axt in den Kopf gerammt, sobald man über die Schwelle tritt", erwiderte ich belustigt und nippte an meiner Flasche. Er schnaubte und wollte sofort dazu ansetzen etwas zu erwidern, als ihn erneut der mahnende Blick seines Königs traf, der ihn verstummen ließ. "Sei nicht so unverschämt ihm gegenüber, Cuna", gab er dann ruhig aber bestimmt an mich weiter. "Ja. Schon gut. Tut mir leid", sagte ich beiläufig, als endlich das Essen kam. Vorsichtig verteilten Marita und Janis die Teller unter den ungewöhnlichen Gästen und wünschten allerseits einen guten Appetit. Die vier Zwerge musterten ihre Portionen skeptisch, während ich schon mein Schnitzel zurecht schnitt. Sie begutachteten die langen frittierten Kartoffelstangen und das zerheckselte Fleisch, über dem reichlich Zwiebeln und Zaziki lag. "Jetzt esst schon bevor es kalt wird", meinte ich irgendwann, als sie immer noch nicht angefangen hatten und weiterhin auf ihre Teller starrten. "Das Zeug ist mir nicht geheuer", kam es von Bifur, der dies leise zu Gloin sagte, welcher ihm beipflichtend entgegen nickte. Seufzend erdreistete ich mich mit meiner Gabel auszuholen und auf jedem der vier Teller etwas von dem Fleisch zu klauen, um mir dieses einzuverleiben. Dementsprechend empört trafen mich von allen Betroffenen die Blicke. "Was fällt dir ein, dich an unserem Essen zu vergreifen?", kam es barsch von Gloin. "Wenn ihr es nicht essen wollt, dann kann ich ja getrost zu greifen", meinte ich schulterzuckend. "Ha! Das käme dir wohl gerade recht!", protestiere Dwalin und nun fingen sie doch an zu Essen. Ich grinste belustigt in mich hinein, als ich allgemeines, genüssliches Gemurmelt hörte. Allerdings mischte sich darunter auch das Grummeln eines Magens, der sich genau vor mir befand. Thorin versuchte auf geistig abwesend zu machen, doch sein Hunger meldete sich über deutlich. "Bist du sicher, dass du nichts möchtest?", fragte ich ihn und schob mir ein Stück Schnitzel in den Mund. "Ja, bin ich", meinte er knapp, was ein erneutes Magenknurren von ihm nicht überdecken konnte. "Nun komm schon. Ich seh doch, dass du Hunger hast", erwiderte ich und schnitt ein Stück von meinem Fleisch ab. Vorwitzig hielt ich ihm einfach meine Gabel unter die Nase. Ein wenig verblüfft und erschrocken musterte er das Stück. "Versuchs doch einfach mal", forderte ich und lächelte ihn freundlich an. Er hingegen schüttelte den Kopf und stand auf. "Ich bedaure, aber ich bin nicht hungrig", sagte er hastig und verließ kurz drauf den Pavillon, ohne sich noch einmal umzudrehen. Verwundert richtete ich meine Augen auf die Zwerge neben mir. Mein Ex-Schwiegervater kümmerte sich unterdessen wenig darum, was an den anderen Bistrotischen passierte. "Was ist denn los mit ihm?", murmelte ich Dwalin zu, der neben mir saß. "Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Er hat schon seit dem gestrigen Abendbrot nichts mehr zu sich genommen, außer Wasser und gelegentlich ein Bier", meinte er und klang dabei ein wenig besorgt. "Nicht, dass er krank geworden ist", kam es von Nori, der sich nicht minder besorgt in das Gespräch mit einschaltete. "Red keinen Unsinn, Nori. Wir werden so schnell nicht krank. Und schon gar nicht unser Thorin. Der hat schon schlimmeres überstanden", kam es von Bifur, der den Teller vom letzten bisschen Gyros befreite. "Vielleicht wartet er ja auch nur, bis wir wieder im Lager sind", sagte ich ruhig. Doch ich ertappte mich sehr dabei, wie ich mir ebenfalls Sorgen um den Zwergenkönig machte. Wenn selbst seine Männer nicht wussten, was mit ihm los war, war das schon ein beunruhigendes Zeichen. Sicherlich hatte Bifur vielleicht recht und Zwerge würden nicht so schnell krank. Doch hier befanden sie sich außerhalb ihres gewöhnlichen Lebensraumes. Einer völlig neuen Welt mit anderen Gegebenheiten. Vermutlich wäre eine Erkältung oder Grippe, die sie sich hier einfangen konnten, wesentlich schlimmer, als in ihrer Welt. Bisher hatte ich auch nicht bedacht, dass ein Aufenthalt hier eventuell für die Herren gesundheitsgefährden werden könnte. Denn geschwächelt hatte bisher ja auch noch keiner. Sollte denn nun tatsächlich Thorin, den ich unter den Zwergen doch für den Robustesten hielt, sich etwas zugezogen haben? Wenn ja, dann würden auch bald die Anderen folgen. Das wäre eine mittelschwere Katastrophe. Und ich vermutete schon, dass keiner der Anwesenden auch nur im entferntesten eine Krankenversicherung hatte. Was auch eigentlich logisch war. Wo zum Henker hätten sie diese auch in Mittelerde her bekommen sollen? Wenn jemand krank wurde, dann würde er das entweder nach einer Zeit überstehen oder daran versterben. Das wollte ich natürlich unter keinen Umständen. Erst recht nicht wenn derjenige Thorin war. Beunruhigt rutschte ich auf meinem Gartenstuhl hin und her und biss mir auf die Lippen. Ein leichter Klaps mit einer Faust an meine Schulter erinnerte mich aber wieder daran, dass ich nicht allein am Tisch herum saß. "Denk nicht so viel darüber nach. Es wird schon nicht so schlimm sein. Lass uns lieber aufbrechen. Sonst wird es viel zu spät bis wir zurück sind", kam es von Dwalin, der mich wohl die ganze Zeit über beobachtet hatte. Ich nickte und stand auf. Als das Essen bezahlt war und wir uns von Janis und Marita verabschiedet hatten, fuhren wir so schnell wir konnten zurück zum Zeltplatz. Dort angekommen gingen die Zwerge sofort vom Bus aus zu ihren Zelten. Ich blieb noch bei Herr Hattemalhaar zurück. "Also dann. Danke für das Essen", meinte ich. "Bitte, gern geschehen. Im Übrigen, du brauchst dir wegen dem neuen Grabstein keine Gedanken zu machen. Spar dir dein Geld erst mal für den Umzug. Und wenn du Hilfe brauchst. Du kennst ja unsere Haustelefonnummer", sagte er und reichte mir zum Schluss die Hand. Ich wusste was nun kam und schlug ein. Dabei fühlte ich etwas kleines Papierartiges in meiner Handfläche, welches ich schleunigst in meine Hosentasche gleiten ließ, nachdem sich die Hände wieder voneinander getrennt hatten. Ich schulterte meinen Rucksack und winkte dann noch einmal, als er mit dem zitronengelben Bus den Parkplatz verließ. "Cuna? Kommst du endlich?", rief mir Nori hinterher, der noch am Eingang gewartet hatte. "Ja, schon gut. Bin ja gleich da", sagte ich und eilte den Zwergen nach. Es tat gut wieder auf dem Zeltplatz zu sein. In den vergangenen Stunden hatte sich dort ordentlich was getan. Eine Bühne war aufgebaut worden, auf der bereits die Feuertänzer ihre Nummer probten. Diese kamen auch fast jedes Jahr her und versahen die Abende mit einer Mischung aus spektakulären Kunststücken, Zauberei und dazu passender Musik. Ich war unheimlich gespannt, was sie dieses Jahr im Programm hatten. Doch zunächst musste ich meine drei Mitverschwörer zusammen suchen, von denen sich zwei neugierig die Probevorstellung aus nächter Nähe ansahen. "Hey Jungs!", rief ich und klatschte Kili und Fili von hinten jeweils eine Hand auf die Schulter. "Oh. Cuna. Ihr seid wieder zurück?", fragte Fili überrascht, der anscheinend ganz die Zeit vergessen hatte. "Ja, wir sind wieder da. Was für ein Glück. Ich hab übrigens meine Sachen dabei. Wisst ihr wo Bofur steckt? Dann kann ich euch das Zeug gleich einmal zeigen", sagte ich leise so das nur die beiden mich hören konnten. "Der hilft eben noch den Gauklern. Er müsste hinter dem Aufbau sein", sagte Kili und deutete überflüssigerweise auf die unbedachte Bühne. Ich nickte ruhig, löste mich von den Beiden und ging los, um den Dritten im Bunde zu suchen. Ich fand den Zwerg recht schnell, der gerade dabei war, etwas fest zu machen. "Ah, Cuna. Gut dass du gerade kommst. Kannst du mir eben beim halten helfen?", fragte er freundlich und deutete auf ein Brett, das er festnageln wollte. Ich nickte und fasste kurz mit an. "Ich habe die Sachen besorgt. Ich möchte sie dir zusammen mit Kili und Fili zeigen, bevor wir Morgen früh aufbrechen um einzukaufen", murmelte ich beiläufig. "Wundervoll. Ist denn alles bei den Grabstätten gut gelaufen?", fragte er lächelnd. "Ach. Für die Verhältnisse eigentlich ganz gut", gab ich trocken zurück. "Hast aber ganz schöne Blessuren davon getragen", sagte der Zwerg und musterte meine zerkratzten Arme leicht besorgt. Ich schüttelte nur abwertend den Kopf. "Das war nur ein wild gewordener Dornenbusch. Kein Grund zur Sorge", meinte ich und löste meine Hände dann wieder von dem Brett, als es fest war. Zusammen machten wir uns dann auf, die beiden Anderen einzusammeln und zum Klowagen zu verschwinden, wo ich mich in einer der Kabinen umziehen konnte. Schließlich musste man das Zeug ja angezogen begutachten. Zunächst nahm ich das Bauernkleidchen. Dazu band ich mir das Kopftuch um die Stirn und zog die ledernen Schuhe an. Als ich heraus trat, sah ich alle Drei breit grinsen. "Das sieht ja schon wunderbar aus. Nun zeig noch einmal die anderen Sachen, die du dabei hast", kam es von Kili, der mich gleich wieder in die Kabine schob. Nun war der schwarze Zweiteiler dran. Im Gegensatz zu dem Bauernkleid hatte dessen Bluse kurze Ärmel und war ansonsten Schulterfrei geschnitten. Um den Hals legte ich mir eine Kette. Ein einfaches Lederband mit einem Anhänger aus Amethyst. Nun sah ich ein wenig aus, wie einer der Artisten, die sich zur Zeit auch in der Nähe tummelten. Die Haare trug ich dabei wieder offen. Als ich nun so vor die Männer trat, waren sie nicht minder begeistert, wie bei dem anderem. "Das sieht auch schon ganz gut aus. Aber da fehlt noch das gewisse etwas", meinte Bofur grübelnd und deutete mir an mich umzudrehen. "Was hast du vor?", fragte ich, als er hinter mich trat. "Halt einfach still. Das haben wir gleich", sagte er gut gelaunt und begann mir ohne Umschweife an den Haaren herum zu fummeln. Wenige Minuten später hatte er mir einen einfachen, aber schönen Zopf geflochten und nickte zufrieden. "Jetzt ist es vollendet", sagte Fili und lächelte. "So wirst du Thorin bestimmt gefallen", sagte Kili, ergriff meine Hände und zog mich nach draußen. Ich lächelte steif und schluckte etwas. Eigentlich hätte ich den beiden Brüdern vom aktuellen befinden ihres werten Onkels erzählen sollen, doch dazu kam ich leider in dem Moment nicht. Denn ich war einem der Artisten in meiner Verkleidung aufgefallen und dieser trat neugierig an uns heran. "Hey du. Schönes Kostüm", sagte der junge Mann. Er hatte kurzes, helles Haar, das stachelig nach oben stand. Ansonsten trug er über der glattrasierten Brust nur eine Lederweste in schwarz mit roten streifen darauf. Die Hose und die Stiefel waren ähnlich gehalten. "Ja. Danke", erwiderte ich knapp und musterte den Kerl kurz. "Du wärst genau das, was wir gerade gebrauchen könnten", sagte dieser und trat näher an mich heran. Die drei Zwerge sahen ihn ziemlich argwöhnisch und fragend an. Ich ignorierte es aber zunächst und richtete meine Aufmerksamkeit auf den Artisten. "Für was genau könnt ihr mich denn gebrauchen?", fragte ich sachlich. "Also. Es ist so. Vorhin ist eine unserer Mädels ausgefallen. Wir haben sie für eine besondere Nummer gebraucht. Eigentlich eine recht einfache. Sie sollte in eine Glasröhre gesteckt werden und dann hätten wir drum herum ein Feuer angezündet, damit es so aussieht, als würde sie auf einem Scheiterhaufen verbrennen. Bedauerlicherweise hat sie nun eine Panne und sitzt auf der Autobahn fest. Aber du könntest der richtige Ersatz dafür sein. Natürlich nur wenn du Lust hast", sagte er und musterte mich interessiert. Ich kratzte mich kurz am Kopf und musterte dann die drei Männer neben mir, die den Menschen weiterhin mit argwöhnischen Blicken versahen. Dann schaute ich wieder zu dem Kerl, der meine Entscheidung abwartete. "Was genau muss ich tun, wenn ich da mit machen sollte?", hakte ich nach. "Ach nicht viel. Du wirst da rein geführt. Dann wird abgesperrt. Du musst dich nur ein wenig in der Röhre bewegen, aber aufpassen, dass du nicht ans Glas kommst, damit du dich nicht verbrennst. Irgendwann geht unter dir eine Klappe auf in der du verschwindest. Keine Sorge, unten drunter ist Schaumgummi. Du landest also weich dabei. Also was ist? Machst du mit?", fragte er und sein lächeln wurde etwas fordernder. Ich zuckte ruhig mit den Schultern. "Naja, warum eigentlich nicht", sagte ich etwas nachlässig und den drei Zwergen klappten vor Entsetzen die Münder weit auf. "Gut. Dann holen wir dich später mit auf die Bühne, wenn es soweit ist", sagte er und verschwand. "Cuna! Bist du von Sinnen?", fragte Fili bestürzt. "Was habt ihr denn? Das sind Profis. Außerdem haben wir bestimmt unseren Feuerwehrschlauch ausgepackt. Sollte etwas schief gehen, kann ganz schnell gelöscht werden", gab ich beruhigend zurück. "Dein Wort in Mahals Ohren. Trotzdem solltest du vorsichtig sein. So ein Spiel mit dem Feuer kann böse ausgehen", meinte Bofur ein wenig besorgt. "Ich verstehe was du meinst. Und ich werde mich vorher noch mal gut bei den Leuten da absichern, dass auch wirklich nichts schief gehen kann. Immerhin hab ich Thorin ja auch versprochen nichts gefährliches mehr zu tun. Und solange das Glas der Röhre nicht bricht bin ich bestimmt sicher", sagte ich und schon merkte ich, wie mir doch etwas flau im Magen wurde. Stimmt ja, ich hatte dem Zwergenkönig mein Wort drauf gegeben, nicht noch mal etwas unvorsichtiges zu tun. Aber nun hatte ich meine unüberlegte Zusage für diese waghalsige Nummer gegeben. Das würde diesem, gewissen Jemand ganz und gar nicht gefallen. Vor allem da der noch nichts von meiner Aktion ahnte. Herrje, der Tag hatte mich so konfus gemacht, dass ich selbst die simpelsten Versprechen vergessen hatte. Nun half aber alles Grübeln nichts. Ich konnte nur nach vorne sehen und hoffen, dass ausnahmsweise mal etwas gut ging. "Pass auf, Cuna. Ich mache dir einen Vorschlag. Wenn du merkst, dass irgendwas nicht stimmt, dann winkst du uns einfach zu. Dann wissen wir zumindest wenn etwas passiert ja?", sagte Kili lächelnd, der wohl mein bedrüktes Gesicht gemustert hatte. Ich nickte mit bedröppelter Miene. "Na, das kann ich ja machen. Ich hoffe nur Thorin dreht nicht durch, wenn er das sieht. Er ist ja heute sowieso schon wegen mir zu sehr durch den Wind", gab ich seufzend von mir. "Mach dir nicht zu viele Gedanken darum. Sondern konzentrier dich am besten auf das, was du vor hast. Und wie Kili schon sagte. Wenn du Hilfe brauchst, dann wink uns einfach zu", meinte Fili und legte mir einen Arm um die Schulter. "Also gut. Dann gehen wir es an. Wird schon schief gehen", kam es von Bofur, der schon voraus ging. Ich schulterte meinen Rucksack und folgte ihm mit den beiden Brüdern an meinen Seiten. Bei den Zwergenzelten angekommen, warfen mir die Herren, alle samt mit weit aufgerissenen Mündern, verblüffte Blicke zu. Doch wie zu erwarten, war derjenige, den ich mit diesem Outfit eigentlich hatte überraschen wollen nicht zugegen. Stattdessen hagelte es aber allgemein ungewöhnlich freundliche, gemurmelte Worte. "Bei Durins Bart. Wie siehst du denn aus?", kam es von Ori, der gerade an seiner Zwille herum bastelte. Ich grinste etwas frech. "Wie soll ich denn aussehen? Ist damit irgendwas nicht in Ordnung?", fragte ich und ging zu meiner Liege. "Es ist reichlich ungewöhnlich Euch in einem solchen Gewand zu sehen", kam es von Balin, welcher lächelte. "Mir war eben mal danach so etwas zu tragen. Spricht doch nichts dagegen, oder?", meinte ich schulterzuckend, als ich meinen Rucksack los geworden war. "Nein, nicht im geringsten. Doch auffällig ist es schon", sagte Dwalin, der den Kopf schief legte und die Arme vor der Brust verschränkte. "Wenn es danach ginge, wäre alles was ich tue für dich auffällig", gab ich belustigt zurück. Er ruckte nur nichtssagend mit dem Kopf. "Im übrigen sollst du mal rüber zu Oin gehen, damit er sich deine Arme ansieht", gab er noch kurz von sich, bevor er sich zu seinem Schlafplatz begab und aus seinem Rucksack eine Pfeife samt Kraut heraus zog. Ich nickte langsam und machte mich dann auf ins andere Zelt. Der alte, schwerhörige Zwerg saß dort schon über einem Mörser und zerstieß einige wohlriechende Kräuter als ich eintrat. "Ah gut, dass Ihr kommt Mädchen. Ich habe Euch schon erwartet. Setzt Euch hin und zeigt mir Eure Wunden", meinte er freundlich und deutete vor sich auf den Boden. Ich setzte mich in den Schneidersitz und hielt ihm meine Arme hin. Er legte den Stößel beiseite und betrachtete sich alles genau. "Da habt ihr Euch ja etwas zugezogen", meinte er beiläufig, tunkte zwei Finger in die Kräuterpaste, die er zuvor zerstampft hatte und bestrich dann meine Kratzer damit. Auch wenn das Zeug ziemlich gut roch. Es brannte schon ein wenig. "Im übrigen seht Ihr bezaubernd aus. Gibt es dafür einen besonderen Anlass?", fragte Oin freundlich, während er weiter machte. "Ach, nein. Nicht wirklich. Ich wollte nur eben mal etwas Anderes tragen", sagte ich und musste verlegen lächeln. Der alte Zwerg lachte leise. "Das sagte mein kleiner Bruder damals auch mal, bevor er seiner geliebten Frau einen Antrag machte", meinte er und nahm sich eine Rolle Leinenstoff aus seiner Tasche, in der er seine ganzen Utensilien aufbewahrte, die er für die medizinische Versorgung brauchte. Schlagartig fuhr mir wieder das Blut in den Kopf. Damit erwischte er mich nun doch tatsächlich eiskalt. Als er mir ins Gesicht sah grinste er nur wissend. "Immer mit der Ruhe, Mädchen. Ganz egal was Ihr auch tut. Lasst es von Herzen kommen. Ich bin sicher Ihr werdet den Mann, den Ihr Euch erwählt habt, schon glücklich machen können", meinte er ruhig und zog den Verband gut fest. Das Selbe wiederholte er bei dem anderen Arm. "Hrm. Wenn du das so sagst, Oin. Aber mal was anderes. Wenn ich fragen darf. Können Zwerge denn eigentlich auch krank werden?", fragte ich, um das Gespräch von mir abzulenken. Er hob skeptisch die Augenbrauen. "Nun selbstverständlich schon. Aber dies ist schon seltener der Fall. Wir erkranken nicht so wie ihr Menschen. Bei uns sind es eher körperliche Leiden, durch die Jahre an harter Arbeit. Wie ihr ja an mir bemerken könnt. Mein Gehör hat seinerzeit sehr darunter gelitten, dass ich an den großen Schmieden gearbeitet habe, als ich jünger war. Natürlich sind Erkältungen auch mal nichts ungewöhnliches. Doch sagt mir warum beschäftigt Euch das so?" Ich senkte mit betrübten Blick den Kopf. Genau wusste ich nicht, wie ich es anfangen sollte dem Zwerg das zu erklären, ohne dass er es missverstand. Aber am besten war wohl doch einfach die direkte Art. "Also. Es geht um Thorin", murmelte ich und sah mich zu allen Seiten um, dass wir nicht von den restlichen Anwesenden belauscht wurden. Doch keiner schien daran interessiert zu sein, was wir machten oder worüber wir sprachen. Oin seufzte unterdessen bevor er antwortete: "Ja. Das dachte ich mir. Er ist mir vorhin auch schon aufgefallen. In guter Verfassung ist er gewiss nicht. Doch er lehnte es ab, dass ich mir einmal seine Leiden anhöre oder ansehe. Ihm war es vorrangig wichtiger, dass ich Euch versorge, sobald ihr kämt. Dann ist er einfach verschwunden. Ich vermute stark, dass er wieder auf dem Wachturm sitzt", meinte der Zwerg und ließ nun meinen anderen Arm los. Ich musterte die Verbände prüfend. Er hatte hervorragende Arbeit geleistet. Sie waren weder zu fest noch zu locker angebracht. Langsam kam ich wieder auf die Beine und streckte mich etwas. "Die Anderen sagen, er habe seit gestern Abend nichts mehr gegessen. Glaubst du es könnte etwas Ernstes sein?", fragte ich ihn mit versucht beiläufigen Ton. "Ich bin mir nicht sicher. Aber das sollte man beobachten. Wenn er Morgen auch nichts zu sich nimmt, dann könnte es schon etwas Ernsteres sein", meinte der Alte und stopfte seine Sachen wieder weg. "Verstehe. Nun ja. Hab vielen Dank für deine Hilfe", erwiderte ich ruhig. Er nickte nur lächelnd und ich war damit von der Behandlung entlassen. Als ich ihn verließ und aus dem Zelt trat, fiel mein Blick auf den Wachturm. Die Sonne neigte sich langsam gen Erde und ließ den Himmel rot golden erstrahlen. Dort im Licht sah ich ihn stehen. Er blickte stumm in die Ferne. Beide Hände auf das hölzerne Geländer gelegt. Ich fragte mich, worüber er wohl in diesem Augenblick nachdenken mochte. Wenn er überhaupt an etwas dachte. Vielleicht genoss er ja auch nur die letzten, wärmenden Strahlen der Sonne, dieses mehr als miserablen Tages. Eigentlich hätte er sich mehr Ruhe gönnen sollen. Aber offensichtlich war dem sturen König nicht danach, sich mal etwas auszuruhen, nach der Friedhofsaktion. Nein, er hielt munter dort oben seine Wacht und ließ sich gewiss durch nichts davon abhalten dies auch noch den restlichen Abend zu tun. Ich hoffte nur, dass er sich dabei nicht überanstrengte. Mir war unwohl bei dem Gedanken er würde gegebenenfalls entkräftet gut fünf Meter in die Tiefe stürzen und sich das Genick brechen. Und ich war mir ebenso nicht sicher, ob er es auch so tun würde, wenn er von dort die Show beobachtete und sah, wie ich buchstäblich durchs Feuer ging. Ich schüttelte matt den Kopf und lenkte meine Schritte in Richtung Bühne, wo die Artisten immer noch ein wenig ihre Nummer ohne Feuer probten. Je näher ich der Truppe kam, umso unsicherer wurde ich mir jedoch, dass ich mit dieser Zusage das Richtige getan hatte. Doch umdrehen ging nicht mehr. Der junge Mann, der mich Engagiert hatte, winkte mich bereits freundlich lächelnd heran und sagte:"Ah, wunderbar. Da bist du ja. Dann können wir ja bald anfangen." -37. Sorgen über Sorgen / ENDE- Kapitel 38: 38. Spiel mit dem Feuer ----------------------------------- Die Sonne war schon lange versunken, als Moe und Frodo über die Lautsprecher des "ROZ" verkündeten, dass sich nun alle vor der Bühne versammeln sollten, um die Feuershow zu sehen. Ich selbst hatte zuvor mit den Artisten der Show noch ein wenig geprobt, dass auch ja bei der Nummer mit der Röhre und dem Verschwinden nichts schief gehen konnte. Die ersten zwei Male hatte ich mich unheimlich erschrocken, als unter mir die Platte aufgegangen war und ich in die Tiefe stürzte, um im weichen Schaumstoff zu landen. Natürlich war alles soweit Feuerfest gemacht, damit nicht einfach etwas in Brand geriet. Trotzdem standen überall Feuerlöscher und auch unser altbewährter Feuerwehrschlauch bereit, den die Zeltstadt für solche Gelegenheiten immer auspackte. Bevor es allerdings richtig anfing, mussten wir auf unsere Positionen. Meine war etwas Abseits hinter der Bühne. Von dort aus sahen mich eigentlich auch die Zwerge, die von der Seite kamen. Man hatte mir einen schwarzen Kaputzenumhang aus feuerfestem Stoff angelegt und mir eine ebenso schwarze Maske über das Gesicht gezogen. Oins Verbände hatte ich zuvor fein säuberlich abgelegt, da diese für eine Solche Show wirklich ungeeignet waren. Ohne derartig auffällige Merkmale erkannten mich die Herren natürlich nicht. Irgendwo war das auch gut. So konnte ich lästigen Fragen entgehen und mich in aller ruhe auf das konzentrieren, was ich mir in aller Eile hatte einprägen müssen. Und selbst meine besten Freunde hätten mich so nicht erkannt. Die Einzigen, die von dem Auftritt wussten, waren nur Kili, Fili und Bofur. Und die waren noch vor meiner Maskierung bei mir gewesen, um mir Glück zu wünschen und mich daran zu erinnern, dass ich ja an das Handzeichen denken solle wenn ich Hilfe bräuchte. Doch zunächst musste ich wieder an die genaue Reihenfolge denken, die ich auszuführen hatte. Es war kein wirklich schwerer Ablauf. Wenn ich gerufen wurde, dann sollte ich von Hinten hervor kommen, seitlich die Stufen zur Bühne hoch steigen, auf eine Frage hin antworten, dass ich mich schuldig bekenne und dann in die gläserne Röhre treten. Danach würde alles automatisch ablaufen. Die Tänzer würden etwas herum fuchteln und den "Scheiterhaufen" anzünden, der eigentlich nur ein Becken aus Spiritus war. Die Flammen sollten danach am Glas empor klettern bis ganz oben, dann würden mich Rauchmaschinen einhüllen und die Klappe nach unten aufgehen. Das war für mich schon alles. Alles was danach kam würde eine Frau aus den Reihen der Tänzer übernehmen. Der Einsatz meines Auftrittes würde das Lied "Oh Fortuna" sein. Ein wahrer Klassiker der Musik und exzellent geeignet für solche Shows. Doch zunächst einmal gab es etwas Vorgeplänkel. Sprich, die üblichen warmen Worte bevor es richtig heiß wurde. "So, da jetzt alle anwesend sind, wollen wir dann mal beginnen", hörte ich Moe sagen. Die Zuschauer wurden ruhiger, als Frodo und Moe erst einmal die Gruppe vorstellten. Mit jedem Wort, was sie sagten, wurde ich nervöser. "Liebe Zeltstadt, heute Abend haben wir mal wieder ein besonderes Leckerchen für euch. Die "Mystic Fire Dancer" sind wieder einmal bei uns zu Gast und wollen uns mit ihrer neuen Show und atemberaubenden Kunststücken erfreuen. Doch zunächst möchte der Leiter noch einige Worte bezüglich der Sicherheit an euch richten und wir möchten euch darum bitten aufmerksam zu zu hören", kam es von Frodo. Es brandete kurz Applaus auf, da er offenbar das Mikro weiter gereicht hatte. Der Leiter des Ensembles war genau der junge Mann, welcher mich dazu überredet hatte doch kurzfristig einfach bei seinen Leuten einzuspringen. Nun richtete er sein Wort an die Menge. "Ja, vielen herzlichen Dank, dass wir wieder hier bei euch sein können. Zunächst einmal möchte ich alle Anwesenden darauf hinweisen, dass sie bitte genau da bleiben, wo sie jetzt sind. Das heißt nicht einfach nach Vorne stürmen. Wir arbeiten hier mit Feuer und echten brennbaren Stoffen wie Spiritus, Benzin und anderem Brandbeschleuniger. Die Eltern möchten wir dazu anhalten, die kleineren Kinder bei sich zu behalten, damit keine Unfälle passieren. Diese Show ist verdammt gefährlich und ihr solltet das, was wir hier machen, unter keinen Umständen alleine, und ohne Aufsicht von erfahrenen Leuten zuhause ausprobieren. Ach ja und wir haben kurzfristig eine Änderung in unserer Gruppe vorgenommen. Da eine unserer Tänzerinnen leider wegen privaten Gründen ausfällt, hat sich hier eine junge Dame von der Zeltstadt dazu bereit erklärt, bei einer unserer Nummer das Opfer zu sein. Deshalb auch schon mal ein liebes Dankeschön an Jacky", sagte er im ernsten aber gut gelauntem Ton. Ich zuckte zusammen, als er meinen Namen sagte. Verdammt, wieso musste er ausgerechnet das verraten?! Denn was folgte, war ein überdeutlicher, wütender Aufschrei in der Menge. "NEIN!", drang es voller entsetzen in meine Ohren. Vom wem dieser kam wusste ich genau. Aber es war leider zu spät, um ihm noch zu erklären, was ich hier machte. Nach dem Aufschrei hörte man aber nur noch belustigtes Gekicher. Schließlich gab Moe die Bühne für die Tänzer frei. Zum Auftakt ging es etwas langsamer zu. Die Lichter der Fluter wurden gelöscht, die noch vor kurzem den Platz erhellten. Dann begannen die Ersten mit ihren Kunststücken. Hin und wieder klatschten die Leute, wenn einer der erstaunlicheren Tricks gezeigt wurde, die ich aus meiner Position nicht sehen konnte. Ich musste auf meinen Einsatz warten. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Die Musik wechselte von Klassik, zu Techno, zu Metal und dann wieder zu Klassik. Zwischen drin erhellte sich die Sternenklare Nacht unter dem Schein der Feuerspucker, wenn diese eine Fontaine in den Himmel stießen. Ich trat auf der Stelle und scharrte vor Aufregung mit meinen Lederschuhen im Kies. Nach Scooter mit "Fire" sollte ich an der Reihe sein. Als das Musikstück endete, hörte ich den Tänzer ins Mikro sprechen, der nun meine Nummer verkündete. "Liebes Volk! Die Zeit ist reif, dem Herrn des Feuers ein würdiges Opfer zu bringen! Lasst die Jungfer ein!", brüllte er theatralisch. Das war mein Zeichen. Zögerlich setzten sich meine Beine in Bewegung. Schon setzten die Choräle mit "Oh Fortuna" ein. Ich kam mit wehendem Umhang langsam um die Ecke und wurde von zwei Tänzern, die dort auf mich warteten, an meinen Flanken die Treppe nach oben begleitet. Sie trugen jeweils eine Fackel in den Händen. Ich hielt meinem Kopf gesenkt und blickte auf meine gefalteten Hände vor meiner Brust. So war alles besprochen worden. Vor der Bühne gab der Rest der Tänzer alles, um die Illusion einer Opferdarbringung nachzustellen. Als ich mich mit dem Gesicht zum Publikum stellte, sah ich wie manche gespannt den Atem anhielten und sich die Hände an den Mund legten. Meine Augen suchten die Gruppe von Zwergen und diese fand ich auch. Sie standen ganz vorne und versuchten offensichtlich jemanden davon abzuhalten die Bühne zu stürmen, der sich verzweifelt gegen seine Leute wehrte. Thorin war richtig außer sich. Ich hörte ihn immer wieder aus der Menge rufen: "Cuna! Tu das nicht! Bist du von Sinnen! Komm da runter! Sofort!" Man versuchte ihn verzweifelt zu beruhigen, doch half das Gute zureden der Anderen nur wenig. Ich wollte ihm eigentlich einen entschuldigenden Blick zu werfen, doch war ich mir unsicher, ob er den überhaupt durch meine Maske und das verhangene Gesicht sehen konnte. Doch kurz drauf riss man mir die Kapuze runter und ich schaute stur gerade aus. Eigentlich tat mir das Drama, was sich vor der Bühne abspielte unheimlich leid. Aber ich würde gewiss Zeit finden, das alles noch zu erklären, wenn die Nummer vorbei war. "Jungfer. Ich frage dich im Angesicht aller, die hier anwesend sind. Bekennst du dich schuldig, dem Herrn des Feuers wissentlich entsagt zu haben, um dem Herrn der Wasser hörig zu sein?!", brüllte mir der Tänzer entgegen. Er hielt mir das Mikro unter den Mund und ich schluckte hörbar. Dennoch antwortete ich mit fester, fast gleichgültiger Stimme: "Ich bekenne mich schuldig." "Dann sollst du für deine Untreue brennen, in den Flammen der Hölle!", rief der Tänzer aus. Blitzartig griffen die anderen Tänzer an meinen Flanken meine Arme und drehten mich gespielt brutal vom Publikum weg, um mich die Stufen zu meinem persönlichen Scheiterhaufen hoch zu schleifen. Die Musik nahm an Dramatik zu, während hinter mir ein neuer Aufschrei zu hören war. Doch aufgrund des Lärms auf der Bühne verstand ich nicht genau, was gerufen wurde. Man hielt mich, wie einen Schwerverbrecher in Gewahrsam und führte mich zu der gläsernen Röhre. Zuvor nahm man mir den Umhang ab. Einer der Tänzer murmelte mir noch kurz einmal Anweisungen zu. "Denk dran. Nicht das Glas berühren, das wird unheimlich heiß", sagte er und schob mich dann hinein. Die Tür schloss sich hinter mir und die Geräusche von außen wurden ein wenig dumpfer. So stand ich nun da und schaute zur linken und rechten Bühnenseite, wo sich zwei Herren mit Fackeln positioniert hatten. In den Proben waren diese noch nicht entzündet worden und die Becken nicht mit dem Spiritus gefüllt, der mir nun in die Nase stach. Aber das Ganze würde ja schnell gehen. Also musste ich mich nicht lange dort aufhalten. Als der Tänzer am vorderen Bühnenrand die Arme senkte ließen die beiden an Seiten ihre Fackeln sinken und zwei Spuren von Flammen krochen wie Schlangen in meine Richtung. Das war der Moment in dem ich unheimlich vorsichtig sein musste. Ich blieb stocksteif stehen und versuchte ja keine Seite meines Behälters zu berühren. Nun erreichten die Flammen die Becken um mein Gefängnis und ich fühlte, wie es langsam zu meinen Füßen immer wärmer wurde. Das Feuer kroch nach einem kurzen Aufenthalt in den Becken weiter. Nämlich an meinem Behälter nach oben, der ebenfalls mit einer Art Brennpaste versehen worden war. Es sollte ja immerhin so aussehen, als würde ich tatsächlich verbrennen. Vor und auf der Bühne lief die Show wie in der Probe ab. Bald müssten die Nebelmaschinen anspringen und sich meine Klappe öffnen. Ich schwitzte ein wenig, aufgrund der zunehmenden wärme. Neben dem Geruch von Spiritus und Brennpaste gesellte sich aber plötzlich noch ein Anderer. Nämlich der von verbranntem Gummi und etwas Plastik. Ich sah mich verwirrt zu allen Seiten um, was es denn nun sein könnte. Doch ich konnte nicht wirklich was erkennen. Das flackernde Feuer irritierte mich dafür zu sehr. Hinzu kam, dass die Luft in meinem Behälter anfing zu flimmern. Langsam müsste es aber doch einmal Zeit werden, dass mich die Truppe im Boden verschwinden ließ, dachte ich ungeduldig bei mir. Aber nichts passierte. Es gab keinen künstlichen Rauch und ansonsten rührte sich auch nichts. Ich konnte durch die Flammen nicht einmal mehr sehen, was außerhalb vor sich ging. Das Einzige, was ich bemerkte war, dass die Musik aufgehört hatte zu spielen. Da wurde mir bewusst, dass gerade etwas ganz gewaltig schief ging. Ich versuchte das verabredete Zeichen an Kili, Fili und Bofur zu geben, indem ich die Hand hob und immer wieder auf und ab sprang, in der Hoffnung sie würden mich irgendwo sehen können. Doch sicher war ich mir nicht. Dafür schien mir die Feuerwand viel zu dicht zu sein. Aber ich musste es auf einen Versuch ankommen lassen. Durch mein Hüpfen bewegte sich die Platte etwas unter mir. Nun kam doch etwas Rauch herein. Aber nicht der, den ich noch bei den Proben vor gesetzt bekommen hatte. Nein, dieser stank und biss mir in der Nase und den Augen. Das war kein Künstlicher. Der war echt und wohl dazu noch sehr giftig. Ich versuchte die Luft anzuhalten, um nicht all zu viel von dem Zeug einzuatmen. Aber da dieser auch meine Augen reizte, tränten diese bald so sehr, dass meine Nase verstopfte und ich durch den Mund atmen musste. Dadurch kam noch mehr heiße Luft in meine Lungen, als ohne hin schon und auch mehr von dem Rauch, welcher mich immer häufiger husten ließ. Verflucht nochmal! Wie viel Pech konnte ein Mensch denn noch auf einmal haben?! Und warum hatte nicht schon längst jemand einen Feuerlöscher oder den Schlauch geholt, um mich da raus zu holen?! Langsam bekam ich Panik. Ich wusste nicht was da draußen vor sich ging. Ich merkte nur, dass mir nach und nach die Luft knapp wurde. Der Behälter hatte zwar oben eine große Öffnung, doch so schnell konnte die Hitze nach dort nicht abziehen. Hinzu kam, dass wohl der Rauch ein Gas enthielt, welches dazu führte, dass die Flammen, die am Behälter hoch züngelten, begannen immer wieder hinein zu schlagen. Scheiße! Jetzt wurde ich nicht nur einfach gekocht, sondern auch noch lebendig gegrillt! Und immer noch war keine Rettung in sicht. Irgendwann musste doch mal etwas passieren! Warum war denn niemand in der Lage mich da raus zu holen?! Ich hockte mich auf den Boden und versuchte dem Feuer, das von Oben herein kam, irgendwie zu entgehen. Der Nachteil davon war, dass ich dem giftigen Dampf näher war. Also musste ich mich irgendwann wieder etwas aufrichten. So langsam gingen mir die Ideen aus. Ich wusste nicht, was ich noch tun sollte. Was konnte ich denn überhaupt tun? Ich hatte nichts um mich zu befreien. Ich sprang stattdessen immer wieder auf und ab und versuchte die Platte unter mir auf zu brechen, ohne mir von Oben die Haare abfackeln zu lassen. Doch die klemmte weiterhin. Vermutlich hatte sich das Metall darunter durch die Hitze so ausgedehnt, dass es schlichtweg unmöglich war sie weiter zu öffnen. Verzweifelt schlug ich schließlich an das heiße Glas. Scheiß egal ob es weh tat oder nicht. Solange ich es nur kurz berührte, zog ich mir dort auch keine Verbrennungen zu. Mir war nur Eins wichtig. Ich wollte da raus. So schnell es ging. Am besten Gestern schon. Ich schrie um Hilfe. Oder zumindest versuchte ich es. Doch die erhitzte Luft in meinem Behälter machte mir das Atmen zunehmend schwerer. Ich hatte mehr und mehr das Gefühl die Besinnung zu verlieren, aber ich wollte nicht aufhören zu kämpfen. Ich konnte doch jetzt nicht einfach sterben. Doch nicht so! Nicht unter diesen fatalen Umständen! Nicht wo ich es gerade wieder geschafft hatte mein Herz für einen anderen Mann zu öffnen. Bereit war eine neue Liebe in mein Leben zu lassen. Doch langsam ging mir nicht nur die Luft sondern auch die Kraft aus. Meine Beine zitterten und gaben nach, sodass ich wieder auf den Knien hockte. In diesem Moment reifte in mir dann doch eine bittere Erkenntnis. Es gab keinen Ausweg. Keine Hilfe würde kommen. Es war vorbei. Warum hatte ich mich nur darauf eingelassen? Ich hirnverbranter Vollidiot, schimpfte ich über mich selbst. Da hörte ich ein Knallen an meinem Behälter, welches mich aufschauen ließ. Mit einem mal sah ich Thorin vor mir. Es war als stünde er in mitten all der Flammen und schlug dabei mit einer Decke oder ähnlichem auf das Feuer ein. Ich konnte seine Stimme hören, die mir gedämpft von dem Glas zu rief, das ich weiter kämpfen sollte und nicht einfach aufgeben. Mein Atem setzte immer mehr und mehr aus. Er schaffte es einfach nicht die Flammen zu ersticken. Nicht so. Es musste einen anderen Weg geben. Und den kannte ich zum Glück auch. Ich versuchte mich ein letztes Mal auf die Beine zu stemmen und ihm anzudeuten, dass er nach unten gehen sollte, um die Platte zu öffnen auf der ich stand. Doch ich wusste nicht, ob er den Wink verstand. Zur Sicherheit schrie ich so gut ich noch konnte gegen das Glas:"THORIN! DIE PLATTE! ÖFFNE UNTEN DIE PLATTE!" Ich sprang ein paar Mal auf und ab und zeigte unter mich. Er hielt kurz inne und beobachtete mich. Dann hatte er es endlich begriffen und verschwand aus meinem Sichtfeld. Ich wartete. Etwas Anderes konnte ich gar nicht tun. Langsam begann ich alles vor mir doppelt und dreifach zu sehen. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit spürte ich, wie sich unter mir der Boden auftat und ich schlaff und erschöpft in die Tiefe stürzte, wo ich auf etwas weichem landete. Hustend und benommen von Hitze und Rauch, blieb ich erst einmal an Ort und Stelle liegen. Es war viel dunkler und kühler dort wo ich gelandet war. Mein Kopf lag auf irgendetwas Härterem, das sich leicht bewegte. Als ich mein Ohr darüber wandern ließ, vernahm ich einen aufgeregt hämmernden Herzschlag. Ich musste auf jemanden drauf gefallen sein. Doch war mir in dem Moment nicht wirklich bewusst wer es war. Ich konnte weder etwas riechen, noch etwas sehen. Außerdem drehte sich die Erde viel zu schnell unter meinem Körper. Bald drangen einige hektische Stimmen an meine Ohren. Ich fühlte, wie Hände nach mir griffen und mich fest umschlossen. Der auf dem ich gelandet war, hielt mich nun fest an sich gedrückt und seine Brust hob und senkte sich hastig durch seine Atmung. Ich versuchte den Kopf zu heben, doch schon drückte sich eine Hand darauf. So musste ich vorerst weiter liegen bleiben. "Cuna...", raunte mir eine tiefe Stimme zu, die ich als jene des Körpers identifizieren konnte, auf dem ich gelandet war. Ich versuchte zu antworten, aber was ich von mir gab, war ein eher unverständliches Krächzen:"Th... orin.." "Was in Durins Namen hast du dir dabei gedacht, du dummes Weib?", fragte er gereizt. Er klang dabei sehr vorwurfsvoll und enttäuscht. "Gar nichts...", gab ich fast flüsternd von mir. Aber auch nur, weil ich immer noch keine wirkliche Luft bekam. "Du dummes Ding. Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein", murmelte er. "Hey. Lass sie mal los. Sie brauch Sauerstoff!", sagte plötzlich jemand über uns und ich fühlte, wie man versuchte Thorins Klammergriff von mir zu lösen, doch der wollte partout nicht locker lassen. Stattdessen rollte er sich mit mir auf die Seite und so rutschte ich von ihm runter. Er schob seinen Arm, der unter mir lag etwas höher hinter meinen Rücken und löste den Anderen von meinem Kopf um diesen unter meine Knie zu bringen. Fast automatisch schloss ich meine Arme um seinen Nacken, damit ich nicht runter fiel, als er sich aufrichtete und mich auf diesem unebenen Untergrund aus Schaumstoff sicher nach draußen zu bringen. Dort konnte ich etwas freier Atmen, als noch unter der Bühne, wo es aber angenehm dunkel und kühl gewesen war. Dahinter war es wesentlich heller und auch etwas lauter und wärmer. "Los, bring sie mal her und setz sie hier hin", hörte ich jemanden sagen. Wenige Augenblicke später setzte mich der Zwergenkönig irgendwo ab und mir schob jemand eine Atemmaske aufs Gesicht, aus der ein erfrischendes Luftgemisch in meine Lungen strömte. Es war eine richtige Wohltat und auch das lästige Kratzen ließ mit der Zeit nach. Meine Sicht wurde auch ein wenig klarer und ich konnte die Menschen um mich herum etwas besser erkennen. Wobei es nicht nur Menschen waren. Auch ein Teil der Zwerge hatte sich neben Thorin eingefunden, welcher nicht von meiner Seite weichen wollte, egal wie sehr man ihn dazu drängte. Er behielt immer eine Hand auf meiner Schulter und drückte gelegentlich sachte zu, wenn ich einen Hustenanfall bekam. Nebenher brummte er mir noch genug tuende Sätze zu wie, "Lass dir das eine Lehre sein" oder "Du hast mich bitter enttäuscht", woraufhin ich nur betrübt nicken konnte. Etwas später legte man mir eine Manschette um den Arm, welche sich Aufpumpte um meinen Puls zu messen. Ich musste einen ziemlich üblen Eindruck machen, so wie ich da halb in mich zusammen gesunken auf einem Stuhl saß. Doch wirklich realisieren konnte ich die Sache noch nicht. Ich wusste nur, dass es unheimlich Kurz vor Knapp gewesen war. Um ein Haar gekocht und gegrillt worden zu sein, war wirklich das Heftigste, was mir je passierte. Und ich wusste, dass ich bestimmt deswegen noch ein richtiges Donnerwetter zu erwarten hatte. Auch wenn der kleine, dunkelhaarige Mann neben mir bisher mit seinen kurzen Aussagen noch relativ ruhig blieb. Aber offensichtlich war zunächst die Erleichterung bei den Meisten größer, als der Ärger darüber, dass ich mich wider besseren Wissens so in Gefahr begeben hatte. Nun, mit diesem Unfall hatte auch wirklich niemand rechen können, wo doch bei den Proben alles glatt gegangen war. Sicherlich würde eine Untersuchung des Ganzen später mehr Licht in die Sache bringen. Nur vorerst musste ich meinen Kreislauf wieder finden, der sich immer noch irgendwo in der hintersten Ecke meines Körpers versteckte. "Na wird doch langsam. Noch ein paar Minuten, dann ist der Puls wieder normal", sagte Moe, den ich nun endlich vor mir hockend erkannte. Sicher musste er es sein. Schließlich war er einer der eingetragenen Ersthelfer im Lager. "Kann ich vielleicht einen Schluck Wasser haben?", fragte ich gedämpft in die Maske hinein. Zumindest hatte sich meine Stimme langsam wieder gefangen. "Klar. Kriegst du", sagte er und schickte schnell jemanden los mir eine Flasche besorgen. Wenig später tauchte dann Fili von der anderen Seite auf und hielt mir eine offene Flasche hin. Ich zog die Maske runter und begann gleich zu trinken. "Nicht so schnell, Cuna. Sonst verschluckst du dich noch", sagte der blonde Junge besorgt und hielt die Flasche mit fest. Ich keuchte etwas, als ich diese wieder von meinem Mund löse, sie ihm dann einfach entriss und mir über den Kopf kippte. Ein wenig erschrocken und auch belustigt wichen alle um mich herum zurück. Aber das war mir in dem Moment egal. Hauptsache Abkühlung von außen und innen. "Wir hätten dich auch wieder in der Waschkammer nass machen können. Wozu verschwendest du jetzt Trinkwasser?", kam es mit erleichterter Stimme von Bofur. Ich schüttelte mich kurz und konnte endlich den Kopf etwas mehr heben. Das hatte wirklich gut getan. Ein wenig eisgekühltes Wasser, war immer noch das Beste gegen einen Hitzeschock. So kam mein Kreislauf doch endlich aus seinem Versteck und ich nahm wieder alles deutlich wahr. "Was ist da eigentlich passiert?", fragte Kili mit einem Mal in die Runde. "Die Platte unter mir hat sich nicht geöffnet. Keine Ahnung warum. Vielleicht ein technischer Defekt durch die Hitze", sagte ich matt und schüttelte noch mal den Kopf. "Es spielt keine Rolle, was schief gelaufen ist. Du hättest dich erst gar nicht zu so etwas überreden lassen dürfen. Das war leichtsinnig und dumm", kam es mit strengem Ton von Thorin, der wieder eine Hand auf meine Schulter drückte. "Ja. Das weiß ich jetzt auch. Aber ich verstehe es einfach nicht. Warum hat keiner einen Feuerlöscher benutzt?", fragte ich und sah dabei zu den Tänzern, die in der Nähe standen und noch einmal die Ausrüstung prüften. Der Leiter der Gruppe musste meine Frage gehört haben und drehte sich umgehend zu mir. "Nun das ist ganz einfach. Hätten wir die Löscher mit dem Schaum benutzt, wäre es vermutlich dazu gekommen, dass durch den plötzlichen Temperatursturz der Glasbehälter geplatzt wäre und du in einem Scherbenhaufen aufgeschlitzt worden wärst. Folglich mussten wir dich erst einmal aus der Gefahrenzone bringen, bevor wir endgültig löschen konnten. Aber du kannst dich wirklich glücklich schätzen, dass dein Freund ein so unglaublich kräftiger Mann ist. Der hat mit einem einzigen Schlag mit unserem Hammer die Scharniere so zertrümmert, dass du unten raus fallen konntest", sagte er und blickte dabei anerkennend zu Thorin. Ich musste schwer schlucken. Hätte ich nicht noch einen roten Kopf gehabt von der heißen Nummer, dann wäre er bestimmt nun so angelaufen. "Ähm. So ist das nicht. Er ist nicht mein Freund er ist ähm... nicht so auf die art... also", stammelte ich betreten vor mich hin. "Na gut dann von mir aus auch dein Mann", sagte er beiläufig und winkte mit einer Hand ab. "Äh. Nein, das ja noch viel weniger!", rief ich aus und fuchtelte mit dem Armen. Der Zwergenkönig drückte einen Augenblick meine Schulter etwas fester. "Was sie meint ist, dass uns lediglich ein gewisses gegenseitiges Interesse verbindet", sagte dieser dann schlicht und knapp. Der junge Mann vor uns hob kurz mit fragendem Blick eine Augenbraue aufgrund von Thorins recht geschwollener Aussage. Ich konnte dem Leiter schon fast am Gesicht ablesen, dass er dachte, "Schon klar. Die Beiden schlafen miteinander, aber mehr ist da auch nicht." Dabei traf ja nicht mal das Eine zu. Aber auch ich war leicht verwirrt und fragte mich, was er denn mit dieser Aussage nun genau gemeint hatte. Gegenseitiges Interesse konnte ja wirklich vieles sein. Vielleicht würde ich später mal seine Neffen darüber ausfragen, sofern ich noch die Gelegenheit bekam alleine mit diesen zu reden. "Nun ja. Soll mir recht sein. Aber ich möchte mich trotzdem in aller Form noch einmal für diese Panne entschuldigen. Die Nummer werden wir auch umgehend aus dem Programm nehmen. Wenn das einem meiner Leute passiert wäre, dann wär das schon schlimm genug. Aber dass fast eine freiwillige Helferin dabei verbrannt wäre, ist doch etwas zu krass. Also wie gesagt. Tut mir unheimlich leid. Wenn es etwas gibt, wie ich das Ganze entschädigen kann, dann melde dich einfach bei mir", sagte er und zog eine Visitenkarte aus seiner Hosentasche, die er mir dann hin reichte. Ich nahm sie an und steckte diese in meine Rocktasche. "Ach ist ja eigentlich noch mal gut gegangen. Und die Proben waren ja sehr lustig. Danke dass ich dabei sein durfte", meinte ich ruhig. Neben mir vernahm ich ein mehr als entrüstetes Seufzen, doch ich schenkte diesem nur wenig Beachtung. Der junge Mann tätschelte mir kurz den Kopf und machte sich dann auf, seinen Leuten zu helfen die Gerätschaften weiter zu untersuchen. Ich selbst versuchte nun langsam wieder auf die Beine zu kommen. Aber wie man sich denken konnte, hatte da ein gewisser Zwerg etwas dagegen. "Bilde dir ja nicht ein, dass du jetzt so einfach davon laufen kannst", gab er mahnend von sich. "Wer redet von davon laufen? Ich wollte nur sehen ob ich wieder stehen kann", sagte ich. "Thorin hat recht, Cuna. Du solltest dich nicht so übernehmen. Nicht nach diesem Schrecken", sagte Fili mit immer noch besorgter Stimme. "Also von meiner Seite her dürfte sie eigentlich schon wieder aufstehen. Aber keine überzogenen Aktionen, wie Leistungssport oder Joggen", meldete sich Moe zu Wort, der erneut meinen Puls kontrollierte. "Das habe ich nun wirklich nicht vor. Aber wo du mal da bist. Du hast noch was von mir. Das hätte ich gerne wieder", sagte ich. "Hör mal, deine Pariser kannst du auch Morgen noch bei mir abholen. Die schleppe ich ja nicht ständig mit ihr herum. Oder hast du etwa heute Nacht noch was mit dem ein oder anderen Herren hier vor?", fragte er und zwinkerte mir dabei belustigt zu. "NEIN!"; stieß ich panisch hervor, wodurch ich die Aufmerksamkeit aller auf mich zog. Moe musste lachen und stand mit dem Erste Hilfe Zeug auf. "Was hat er denn damit gemeint? Und was sind bitte Patriser?", fragte Bofur und kratzte sich am Kopf. "Ähm. Ich glaube das erkläre ich euch lieber, wenn wir zurück bei den Zelten sind", meinte ich beiläufig und versuchte erneut aufzustehen. "Du bleibst schön hier. Heute machst du keinen Schritt mehr, ohne dass Jemand von uns dabei ist", kam es nun sehr barsch von Thorin. Ich stöhnte ein wenig genervt. Doch er ignorierte meinen Protest mit kühler Gleichgültigkeit. Stattdessen nahm er mich schlichtweg auf den Arm und trug mich zurück zum Zelt. Das kannte ich ja schon zu genüge von ihm und jedes Mal fragte ich mich, wie viel Kraft dieser Mann wohl hatte, wenn es für ihn Quasi eine Leichtigkeit war, mich durch die Gegend zu tragen. Denn ein Fliegengewicht war ich nun wirklich nicht. Doch sei es wie es sei, selbst wenn ich versuchen würde mich gegen seine Behandlung zu wehren, würde er Wege finden mich noch fester zu halten. Also gab ich es auf mich der Sache entziehen zu wollen, legte ihm meine Arme um den Hals, ließ meinen Kopf einfach frech an seine Schulter sinken und schloss etwas meine Augen. Er gab ein kurzes, überrascht klingendes Schnaufen von sich, als ich dies tat und merkte, wie sein Bart etwas über mein Stirnhaar fuhr. Offenbar sah er mich einen Augenblick an. "Ist irgendwas?", fragte ich, als ich nach einer Weile meinen Blick hob, um ihm ins Gesicht zu sehen. Etwas ertappt wendete er seine Augen wieder nach Vorne, in die Richtung, wo ihn seine Schritte hin führten. "Nein. Es ist nichts", sagte er knapp. Doch ich sah, wie er ein wenig schluckte. Und obwohl der Platz inzwischen nur schwach beleuchtet war, erkannte ich, dass sich auf seinen Wangen ein wenig Farbe entwickelte. Ich musste ein wenig kichern, als ich dies bemerkte. "Kannst du mir sagen, was jetzt so lustig ist?", fragte er mit ernstem Ton. "Ach, gar nichts", meinte ich nur. "Du findest es wohl äußerst amüsant, dass wir alle fast gestorben wären vor Angst um dich", erwiderte er mit nun wieder verärgerter Stimme. "Mach dich nicht lächerlich. Das fand ich alles andere als lustig", antwortete ich ein wenig beleidigt. "Dann sag mir, warum du lachst", gab er fordernd zurück. Hinter uns hörte ich leises Geflüster. Die anderen Zwerge folgten uns, wie es aussah mit einigem Abstand und lauschten unserem Gespräch. "Nein. Du sagst mir auch nie wirklich was, wenn ich dich etwas frage", meinte ich frech. "Das hat seine Gründe. Ich bin ein Zwerg. Wir geben nicht einfach so unsere Geheimnisse Preis", antwortete er schlicht. "Ach und nur weil ich ein Mensch bin, muss ich dir gegenüber alles ausplaudern, was ich an Geheimnissen habe, oder wie?", fragte ich spitzfindig. Darauf antwortete er nicht. Wir schwiegen uns so lange an, bis wir endlich meine Liege erreicht hatten. Dort legte er mich ab und warf mir eine Decke über die Beine. "Es ist besser wenn du jetzt schläfst. Das war genug Aufregung für einen Tag. Und gestraft bist du denke ich auch genug. Wenn du etwas brauchst, werde ich meine Neffen anweisen sich darum zu kümmern", meinte er ohne mich anzusehen. "Du verschwindest wieder auf deinen Wachturm, hab ich recht?", fragte ich ihn bedrückt. Ich konnte ihn im halbdunklen nur den Kopf senken sehen. "Ja. Ich halte dort heute Nacht ausschau nach Angreifern", sagte er und wollte sich gerade erheben. Aber ich hatte andere Pläne. Ich langte nach seiner Hand, mit der er sich nach oben wegdrückte und hielt diese fest. Etwas gebeugt sah er zu mir hinunter. Er sagte nichts, sondern blieb einfach nur da stehen. Eigentlich wollte ich ihm in diesem Moment sagen, wie leid es mir tat, dass er so eine Angst um mich ertragen musste. Dass ich eine dumme Pute war, die es einfach nie lernen würde auf sich selbst zu achten. Doch stattdessen kamen andere Worte aus meinem Mund. "Bitte, überanstreng dich nicht", meinte ich leise und schaute bedrückt zu ihm auf. Er hielt kurz inne und schien nachzudenken. Dann warf er einen kurzen Blick über die Schulter durch die Öffnung des Vorhanges. Im Zelt war schon das Flüstern von Gesprächen, die die anderen Herren führten zu hören, aber niemand war von hier aus zu sehen. Zunächst dachte ich er wollte mir damit Wortlos sagen, dass er nun eigentlich gehen wollte, doch im Gegenteil. Er drehte seine Hand in meiner, umfasste diese recht sanft und sogar sehr elegant, neigte sich noch einmal zu mir runter und legte ganz vorsichtig seine Lippen auf meine Fingerknöchel. Ich musste kurz erschrocken keuchen, als er meine Haut berührte und sein warmer Atmen meinen Handrücken streichelte. Dann löste er sich genauso schnell wieder davon. "Mach dir nicht so viele Gedanken um andere. Kümmere dich endlich einmal um dich selbst", murmelte er sanft und löste sich schließlich vollends von meiner Seite. Mit einem kurzen "Gute Nacht" auf den Lippen, verließ er mich und verschwand einfach in die Nacht hinein. Ich nahm meine Hand, die er geküsst hatte vorsichtig und die Andere und spürte, wie dort das Echo seiner Berührung immer noch widerhallte. Auch wenn es nur eine eher wohlwollende Geste gewesen war, so hatte sie doch genug Wirkung, um mich schlichtweg umzuhauen. Ein wenig sehnsüchtig seufzend, ließ ich mich auf mein Kissen sinken. Ich starrte betrübt an die Zeltdecke. Er machte es mir aber auch immer schwerer. Hatte er überhaupt bemerkt, dass ich mich hübsch gemacht hatte oder war es ihm schlichtweg egal gewesen, wie ich nun aussah? Vielleicht war es ihm aber aufgrund der Aufregung nicht einmal aufgefallen. Sicherlich würde das am nächsten Tag anders werden. Da hatte sich gewiss das Meiste der Nacht wieder erledigt. Und immerhin wollte ich ja da meinen Trumpf ausspielen. Nämlich ihm ein leckeres Essen zaubern, das ihn vielleicht doch mehr hinter dem Ofen hervor lockte, als einfach nur eine geflochtene Frisur und ein neues Kleidchen. Wobei mir da plötzlich wieder was einfiel. "Kili? Fili? Seid ihr da?", rief ich kurz drauf. Es dauerte nicht mal zehn Sekunden, da waren beide schon hinter den Vorhang gestürzt und sahen mich besorgt an. "Was ist Cuna? Hast du Schmerzen? Brauchst du etwas?", fragten beide fast gleichzeitig und etwas hektisch. "Nur die Ruhe ihr beiden. Seid nicht so laut. Ich wollte mit euch über Morgen sprechen.", sagte ich leise und deutete ihnen an sich langsam zu mir runter zu beugen. "Morgen? Du meinst, du willst Morgen wirklich die Sache mit den Bratkartoffeln machen?", fragte Fili flüsternd und ein wenig skeptisch. "Willst du dich nicht lieber erst einmal schonen, anstatt dich gleich wieder in irgendein waghalsiges Abenteuer zu stürzen?", fragte Kili besorgt. "Seit wann ist Einkaufen ein waghalsiges Abenteuer? Außerdem bin ich ja dieses Mal nicht allein. Ihr Beide und Bofur seid ja bei mir. Außerdem mach ich mir Sorgen um euren Onkel", erwiderte ich wahrheitsgemäß und strich mir über die immer noch leicht pulsierende Hand. "Wieso? Was ist denn mit ihm?", fragte der blonde Zwerg und setzte sich auf den Rand meiner Liege. "Also, er hat den ganzen Tag schon nichts gegessen. Das macht nicht nur mir Kummer. Ich habe es auch von den Anderen so ansatzweise gehört. Ich fürchte, dass er eventuell krank werden könnte, wenn er einfach nichts zu sich nimmt", flüsterte ich ein wenig unruhig. "Stimmt. Das klingt wirklich nicht nach ihm", kam es nachdenklich von Kili. Die Brüder sahen sich fragend und etwas ratlos an. "Also gut Cuna. Aber auf deine Verantwortung. Wann brechen wir morgen auf?", fragte Fili mit halb entschlossener, halb skeptischer Miene. Ich nickte ruhig und senkte verschwörerisch die Stimme: "Gut. Gebt Bofur Bescheid, dass wir Morgen noch vor Sonnenaufgang los gehen. So ist gewährleistet, dass niemand von unserem kleinen Plan erfährt." Beide sahen erst sich an und dann mich bevor sie zustimmend nickten. Damit war es also geklärt. Die Mission konnte am nächsten Tag starten und ich war schon sehr gespannt darauf, was mich auf dieser kleinen Tour noch alles erwarten würde. Aber eins wusste ich mit Sicherheit. Diesmal würde es definitiv nichts mit Feuer zu tun haben. Davon hatte ich wirklich reichlich genug. - 38. Spiel mit dem Feuer / ENDE - Kapitel 39: 39. Ein Einkaufswagen voller Zwerge ----------------------------------------------- "Cuna?.... Cuuuuuunaaaaaa?", murmelte mir eine vertraute leise Stimme ins Ohr. Eine Hand auf meiner Schulter rüttelte mich sanft aus meinem traumlosen Schlaf. Ich musste unterbewusst ein wenig maulen und schmatzte schlaftrunken. "Jetzt steh schon langsam mal auf", mahnte mich die Stimme leise an. Noch bevor ich mir die Augen gerieben hatte und überhaupt daran dachte zu gähnen, richtete ich schon meinen Oberkörper auf. Erst dann erledigte ich diese banalen Kleinigkeiten und sah mich um. Es war noch ziemlich dunkel um mich herum und auch durch die Lücke in meinem Vorhang konnte ich nur den Schemen einer Gestalt erkennen, die mich offensichtlich geweckt hatte. "Komm steh langsam auf du alte Schlafmütze. Die Sonne geht bald auf und du wolltest doch früh los", sagte die Stimme erneut in diesem mahnenden und ein wenig drängendem Ton. "Ja, is ja gut, Kili. Lass mich mal aufstehn. Dann komm ich schon nach", murrte ich noch ein wenig erschöpft. "Dann mach schnell. Sobald es nämlich noch heller wird, ist die ganze Aktion umsonst. Du willst doch nicht, dass Thorin uns abhauen sieht", kam es von dem jungen Zwerg und riss mir als kleine Hilfestellung schon einmal die Decke weg. "Wo ist dein Bruder?", flüsterte ich verschlafen und kam etwas tapsig und unbeholfen auf die Beine. "Der weckt Bofur. Aber meinst du wirklich, dass du das schaffen kannst? Du wirkst noch nicht ganz genesen", sagte er und hielt mich einen Augenblick fest, da ich kurz ins Wanken geriet. "Das wird schon gehen. Ein bisschen kaltes Wasser ins Gesicht und und frische Luft, dann kanns los gehen", erwiderte ich gelassen und trat mit ihm hinter dem Vorhang raus. Im restlichen Zelt war es ruhig. Nun ja bis auf das ohrenbetäubende Schnarchen von Dwalin. Aber es war auch gut, dass dieser so tief am Schlafen war. So konnten wir ganz langsam in Richtung Eingang treten und uns nach den beiden Anderen umsehen. Kili beobachtete den Turm, der von einer selbstgebauten Fackel erleuchtet wurde. Im Schein des flackernden Feuers konnten wir gelegentlich einmal den Zwergenkönig erkennen, der von Zeit zu Zeit die Position wechselte, um alle Himmelsrichtungen überwachen zu können. Gerade als er sich von unserer Seite her abwandte, huschten Fili und Bofur so schnell sie konnten etwas gebückt zu uns herüber. "Guten Morgen", grüßte Bofur ein wenig zu laut und überschwänglich. Erschrocken schlugen Kili, Fili und ich ihm unsere Hände auf das vorlaute Mundwerk und zischten warnend. Hinter uns im Zelt rührte sich jemand. Doch es war zum Glück nur Dwalin, der sich grunzend umdrehte und dann weiter schnarchte. "Bist du von allen guten Geistern verlassen, Bofur! Du verrätst uns noch!", fauchte ich ihn an. "Äh... Verzeihung", murmelte er, als wir die Hände wieder weg genommen hatten und zog sich verlegen den Hut tiefer ins Gesicht. Ich atmete genauso tief durch und auch die anderen Beiden taten es mir gleich. "Also gut Cuna. Wie lautet der erste Teil deines Plans?", fragte Fili und beobachtete über meine Schulter den Wachturm aufmerksam. Ich kratzte mich kurz am Kopf und folgte seinem Blick. Ich versuchte auszumachen ob Thorin in einem bestimmten Muster dort oben herum lief, doch zu meinem bedauern war keines erkennbar. "Sag mal, denkt ihr, dass wir so offen über den Platz flüchten können, ohne dass es ihm auffällt?", fragte der kleine Mann mit der Mütze neugierig. "Vergiss es Bofur. Unser Onkel hat verdammt scharfe Augen und Ohren wie ein Wolf. Der hört selbst im tiefsten Gestein Wasser rauschen, das mehrere hundert Meilen über der Erde fließt", kam es von Kili. "Ja. Er hat uns mal erwischt, als wir noch Kinder waren und wir uns leise in einem Apfelbaum vor ihm versteckt hatten", sagte Fili und konnte sich ein zaghaftes Grinsen nicht verkneifen. "Warum habt ihr euch vor ihm in einem Apfelbaum versteckt?", fragte ich und hob eine Augenbraue. "Das war so. Mutter hatte gewaschen und wir haben gerade etwas Schwertkampf geübt. Dabei haben wir aus versehen seinen Lieblingsumhang von der Leine gerissen und der ist dann im Dreck gelandet. Außerdem war danach ein riesiges Loch von dem Schwert drin", erklärte Kili und verzog ein wenig schmerzhaft das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. "Ja. Das hat ordentlich Prügel gegeben", sagte Fili und schüttelte nur den Kopf. "Kann ich mir vorstellen", murmelte ich und überlegte weiter. Es musste irgendwie eine Möglichkeit geben an ihm vorbei zu kommen. Doch welche konnte das sein? Viel Zeit hatten wir ja auch nicht mehr, bis die ersten Sonnenstrahlen die Spitze des Turmes erleuchteten. "Ich weiß, was ihr vor habt", sagte mit einem mal eine Stimme hinter uns und wir zuckten verschreckt zusammen. Alle sahen sich ertappt nach dem Störenfried um, der heimlich zu uns ins Zelt geschlichen war. Mein Herz sank mir etwas tiefer. Da stand Ori putzmunter vor uns und zupfte verlegen an seinem gestrickten Pullover aus Schafwolle. "Ori? Was machst du hier so früh?", fragte Fili und sah sich um, ob ihm noch mehr gefolgt waren. "Ich hab gehört wie du Bofur wach gemacht hast. Und ich weiß, dass ihr irgendwas vor habt, sonst wärt ihr alle sicher nicht hier, oder?", fragte er und sah uns mit gesenktem Kopf schüchtern von unten her an. "Wir? Wir haben nichts vor. Wie kommst du nur darauf?", sagte Bofur und versuchte verzweifelt normal zu sprechen, doch es klang viel zu scheinheilig. "Ihr braucht mir nichts vor zu machen. Ihr wollt mit Cuna abhauen. Ich weiß nur nicht ganz warum", sagte er und rieb sich am Ärmel. Ich seufzte leise, als ich den Kleinen da so stehen sah und trat hinter den Dreien hervor. "Pass auf, Ori. Ja, du hast recht, wir wollen kurz einmal weg. Aber nur, weil ich für euch alle eine kleine Überraschung vorbereiten wollte. Und dazu brauchte ich Hilfe. Es wäre lieb wenn du niemandem sagen würdest, was wir vor haben und wo wir hin gegangen sind. Wir sind auch vor dem Mittagessen wieder zurück", erklärte ich ihm ruhig, wenn auch mit ein wenig Zeitdruck im Nacken. Er hob den Kopf und musterte mich neugierig. "Eine Überraschung? Für uns alle? Oder ist die eigentlich nur für Thorin?", fragte er leise. Nun sank mir das Herz noch tiefer und ich ließ den Kopf hängen. Damit hatte er mich buchstäblich eiskalt erwischt. Der kleine Bursche war pfiffiger als ich erwartet hatte. Sicher irgendwo war es schon so, dass ich dies vorrangig für den Zwergenkönig tat. Und etwas unbehaglich fühlte ich mich auch, dass ich das restliche Essen für die kleinen bärtigen Herren nur als Alibi kochen würde, um nicht zu sehr aufzufallen. Ich hob kurz die Hand und wollte ansetzen ihm etwas tröstliches zu sagen, doch da fiel er mir schon ins Wort. "Es ist in Ordnung, Cuna. Ich kann fühlen, dass dein Herz ihm gehört. Dagegen bin ich einfach machtlos. Aber ich möchte zumindest etwas dafür tun, dass du wenigstens das bekommst was du verdienst", sagte er und trat erstaunlich mutig einen Schritt vor. Verdutzt hob ich meine Augenbrauen in die Stirn. "Was hast du denn genau vor?", fragte ich ruhig, als er aus dem Eingang in Richtung Turm schaute. "Ich werde ihn ablenken und ihr verschwindet hinten raus durch den Wald", meinte er schlicht und setzte dann einfach ein paar weitere Schritte auf den Platz hinaus. Ich konnte nur etwas betrübt den Kopf schütteln. Der Ärmste tat mir schon unheimlich leid, mit dem was er wohl innerlich durch machte. Doch er wusste offenbar, wofür er das gerade opferte. Und ich dankte es ihm in diesem Augenblick tausende male. Denn sein kleiner Einsatz war die richtige Gelegenheit zur Flucht. Auch wenn mich der Gedanke schmerzte, dass er es aus liebe zu einer Frau tat, die diese nie erwidern würde. "Komm schon, Cuna. Rasch!", zischte mir Fili ins Ohr und zerrte mich hinter sich her, als ich noch nicht von selbst folgen wollte. Ich schluckte kurz ein paar betrübte Emotionen runter und bewegte mich dann von selbst. Hastig beeilten wir uns nach "Klein Mordor" zu kommen als wir feststellten, dass Thorin sich dem jungen Zwerg zugewandt hatte und nicht mehr auf den Zelteingang achtete. In dem Wäldchen war es auch noch recht finster und hier und da stolperten wir über Äste und Wurzeln, die wir so im Dickicht nicht erkannten. Schließlich gelangten wir durch dichtes Blattwerk auf die kleine Landstraße, die zum Parkplatz führte. Nun konnten wir uns erleichtert auch etwas lauter unterhalten, während wir auf dem Weg in den Ort waren. Ich hatte geplant, dass wir den Bus nahmen, denn zwei Orte weiter befand sich direkt an einer Haltestelle ein größerer Markt, der bereits um sechs Uhr geöffnet hatte. Unterwegs zupfte ich mir das Laub aus den Haaren und schaute auf meine Uhr. Es war gerade mal halb sechs. Also hatten wir eigentlich genug Zeit, um auf den Bus zu warten. Sicherlich wäre dieser zu der frühen Zeit nur voll mit Pendlern, die zu den nahegelegenen Fabriken fuhren. "Ach, ich freue mich schon auf den Markt. Die vielen kleinen Köstlichkeiten an den Ständen und vor allem die netten Marktdamen, die ihre Waren dort Feil bieten", sagte Bofur schmunzelnd und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. "Ähm. Ich glaube darauf muss du verzichten, Bofur", erwiderte ich, als wir die Ortschaft erreicht hatten und durch die verschlafenen Gassen zur Hauptstraße gingen. "Warum denn? Sind die Marktfrauen hier denn alle so hässlich?", fragte er und musterte mich verwirrt. "Nicht unbedingt. Aber wir werden keinen Wochenmarkt besuchen. Wir gehen in einen Laden, der alles mögliche an Waren führt. Das ist ganz ähnlich wie ein Wochenmarkt. Nur eben nicht draußen", erklärte ich und bog um eine Ecke. Langsam ging die Sonne auf, als wir die Haltestelle erreichten. Ich schaute auf den Fahrplan. Der nächste Bus würde in etwa einer Viertelstunde kommen. Wunderbar! Das war genug Zeit um den Zwergen zu erklären was genau wir an diesem Ort hier taten und in was für einem Gefährt sie unterwegs sein würden. "Also wirklich. Diese Erfindungen, die ihr Menschen in dieser Welt gemacht habt, sind wirklich erstaunlich", sagte Fili grinsend. "Ja und so alt sind die Meisten ja auch noch nicht. Manche davon sind keine Zwanzig Jahre alt", sagte ich grinsend und hielt nach dem Bus ausschau. Dieser kam mehr oder weniger langsam um die nächste Kurve gefahren und hielt genau auf uns zu. Quietschend bremste er und landete Punktgenau in der Einbuchtung. Die Vordertür klappte auf und ein reichlich grimmig drein blickender Busfahrer starrte uns unrasiert und müde entgegen. "Guten Morgen", grüßten wir munter und stiegen ein. Der Mann brummte nur ungeduldig. "Vier mal bitte", sagte ich und zog meinen Geldbeutel aus der Rocktasche. Wieder brummte der Mann nur und betätigte das Bedienpult für die Fahrscheine wie ein Zombie, bevor er mir die Scheine in die Hand drückte. Zusammen mit den Vieren suchte ich mir schnell ein paar Plätze, damit sie sich nicht auf die Nase legten, wenn der Bus anfuhr. Es war doch recht erstaunlich, dass an diesem Morgen die Linie eigentlich recht leer war. Die Einzigen, die man sah, waren ein paar verirrte Nachtschwärmer, die wohl von einer Kneipentour auf dem Weg nach hause waren, ein bis Zwei Studenten, die hastig noch in ihren Unterlagen für die nächste Vorlesung kramten und ein paar ältere Menschen, die anscheinend zum nächsten Arzt wollten. Ich sah etwas weiter in der Mitte eine freie Sitzreihe für vier Personen, wo man sich gegenüber sitzen konnte. Bedauerlicherweise erreichten wir diese nicht rechtzeitig, bevor sich der Bus in Bewegung setzte. So stolperte ich ein wenig nach Vorne, konnte mich aber noch an einer der bunt lackierten Eisenstangen festhalten. Ich wäre vermutlich auch stehen geblieben, hätten die kleinen Männer hinter mir das Selbige getan. Doch stattdessen fiel einer nach dem anderen Vorne über und so knallten wir, wie die Dominosteine aneinandergereiht, auf den harten Boden. Stöhnend und keuchend lag ich nun unter einem kleinen Haufen Zwerge, die alle samt ebenso erschrocken und genervt aufstöhnten. Mir selbst blieb von dem Gewicht auf meinem Rücken fast die Luft weg. Die Mitreisenden im Bus tuschelten und der Ein oder Andere lachte amüsiert über unser dummes Missgeschick. "Entschuldige Cuna", raunte mir Bofur ins Ohr der genau auf mir lag. "Gott, geht von mir runter. Ihr seid verdammt schwer", fluchte ich gequetscht. Es dauerte allerdings etwas bis Kili und Fili von uns runter kamen, da sie erst einmal das Gleichgewicht wieder finden mussten. Was in diesen städtischen Bussen ein wahres Kunststück war, so wie diese in die engsten Kurven rein fuhren. Gerade hatte sich Fili erhoben, da kam auch schon die Nächste und dies brachte den blonden Jungen wieder zum Fallen. Genau auf einen halb schlafenden Bauarbeiter, der entrüstet anfing zu schimpfen, was uns denn einfiel hier so ein Theater zu machen und ob wir in unserem lächerlichen Kostümen einem Wanderzirkus entlaufen wären. Ich versuchte unterdessen mich selbst unter Bofur raus zu ziehen, der wegen Kili nicht hoch kam, aber das war auch mehr oder weniger zwecklos, da der Bauarbeiter Fili so doll von sich weg schubste, dass er rittlings über uns stürzte und wir so wieder alle vier auf einem Haufen lagen. "Boah! Männer! Ernsthaft! Reißt euch doch mal zusammen und haltet euch fest", keuchte ich und vermutete schon, dass ich noch blau anlaufen würde, wenn sie nicht langsam mal von mir runter gingen. "Tut uns wirklich leid, Cuna", murmelte Kili und schob endlich seinen Bruder von sich weg, welcher eine der Eisenstangen ergriff um stehen zu bleiben. Danach konnte auch der Rest von uns aufstehen und sich auf die freien Plätze setzen. Die drei entschuldigten sich noch ein paar Mal bei mir, bis ich seufzend abwinkte. Ein wenig zerknittert von der ganzen Miesere schaute ich aus dem Fenster und sah die Landschaft vorbei rasen. Ich machte mir so meine Gedanken, ob ich mit dieser Aktion eventuell Erfolg haben könnte. Außerdem hoffte ich inständig, dass der Mann, wegen dem ich dies alles auf mich nahm, mir die Entführung seiner Neffen und einer seiner Männer verzeihen möge, wo es doch um einen guten Zweck ging. Was wäre, wenn er mein Essen nach dem ersten Bissen stehen ließ? Oder erst überhaupt nicht anrührte? Sicherlich würde mich das unheimlich treffen. Zumindest auf meine Kochkunst war ich ein wenig stolz. Denn wenn ich etwas mit so viel Liebe machen konnte, dann war es Essen zu zu bereiten. Aber konnte ich mich bei den Geschmäckern der Zwerge eventuell vertun? Schließlich kannte ich mich dahin gehend nicht so aus, wie bei dem der Menschen. Woher sollte ich auch, wenn ich bisher nie welche bekocht hatte? Zaghaft legte sich eine Hand auf meine und drückte diese kurz. Ich löste meinen Blick vom Fenster und schaute vor mich. Kili hatte sich etwas vorgebeugt und lächelte mich aufmunternd an. "Mach dir keine trüben Gedanken wegen Thorin. Ich bin sicher er wird es mögen", meinte er. Sein Bruder, der neben ihm saß und auch Bofur zu meiner Rechten nickten zustimmend. "Ich bin mir ja nicht mal sicher, ob ihr es mögt", meinte ich ruhig, als wir an unserer Zielhaltestelle ankamen. "Ach, wie schlimm kann es schon werden? Ich hab mal einen Eintopf von Dwalin gekostet und kam danach ein paar Stunden nicht mehr aus dem Nebengebäude", sagte Bofur und klatschte mir kräftig auf die Schulter. Ich dachte eigentlich, dass ich inzwischen diese Gesten verkraften könnte, doch mir kamen sie mit jedem mal fester vor. Ich erhob mich ein wenig hustend, drückte den Rufknopf an der Stange und wartete bis wir anhielten. Dann eilten wir so schnell wir konnten aus dem Gefährt heraus auf den Bürgersteig. Wie bereits erwähnt, befand sich der Supermarkt genau an der Haltestelle. Über einen schmalen Fußweg traten wir auf den Parkplatz. Es war gerade ein paar Minuten nach Sechs und tatsächlich befanden sich nur ein paar einzeln verstreute Wagen vor dem Laden. Die Meisten davon gehörten Leuten, die flux nur hinein springen wollten, um an der inliegenden Bäckereitheke ihre Frühstücksbrötchen zu holen oder gegebenenfalls einen Kaffee für die Fahrt zur Arbeit. Trotzdem oder gerade weil so wenige unterwegs waren, fielen wir vier dort auf wie bunte Hunde. Manche schüttelten den Kopf andere versetzten uns nur abwertende Blicke. Manch ein anderer tat ein wenig neugierig interessiert auf die Distanz hin. Mich allerdings kümmerten die wenigen Menschen dort nicht. Ich musste mein kleines Rudel Zwerge beisammen halten, welche ich zu den Einkaufswagen führte. Ich zog meinen Geldbeutel um eine Münze hervor zu ziehen, damit ich einen der Wagen lösen konnte. "Warum fütterst du dieses Gefährt da mit Geld?", fragte Fili, als ich das Metallgestell auf Rädern aus seiner Verankerung zog. "Den werden wir brauchen, wenn wir all die Sachen, die ich benötige, transportieren wollen", meinte ich ruhig. "Wozu? Wir sind doch dabei. Wir können das doch tragen", kam es von Kili. "Ich weiß nicht wie viel wir brauchen um alle von meinen Bartkartoffeln satt zu bekommen. Und ich will nicht, dass das Zeug im halben Laden herum rollt, weil ihr es fallen lasst", erwiderte ich und schob den Wagen an ihnen vorbei in Richtung der gläsernen Schiebetür. Ich betrat den Laden zunächst allein, da die Herren offensichtlich großen Gefallen an der Schiebetür gefunden hatten. "Cuna! Sieh mal ich kann zaubern. Türe bleib offen!", rief Kili händefuchtelnd und durch die Bewegung in der Lichtschranke gingen die Türen wieder auseinander, die eigentlich begonnen hatten sich zu schließen. Genervt rollte ich mit den Augen. "Könnt ihr mal aufhören mit der Lichtschranke rum zu spielen. Wir wollen so schnell es geht hier durch und dann zurück zum Zeltplatz, bevor ein gewisser jemand einen Tobsuchtsanfall wegen unserer heimlichen Flucht bekommt", sagte ich streng und konnte so die Drei dazu bewegen endlich hinter mir her zu kommen. Das Erste was man in so gut wie jedem Markt ansteuern konnte, war die freundliche und gut sortierte Obst- und Gemüseabteilung, in der bereits die Lieferung der vergangenen Nacht fein säuberlich ihren Platz gefunden hatte. Den Zwergen blieb allen samt der Mund offen stehen. So viel hatten sie noch nie im Leben gesehen und erst recht nicht diese exotischen Sachen, wie Kokosnüsse, Papaja und selbst Paprika waren für diese etwas besonderes. Neugierig pirschten sie sich an die Wand von Äpfeln heran, die alle in den verschiedensten Rot, Gelb und Grüntönen leuchteten, während ich damit beschäftigt war, nach den Kartoffeln ausschau zu halten. Ich suchte natürlich die vorwiegend Festkochenden. Diese eigneten sich hervorragend zum Braten in der Pfanne. Nur war ich mir über die Menge an Kilos noch uneinig. Allein Bombur müsste nach meinem Ermessen schon ein ganzes Kilo alleine verdrücken. Aber auch die Anderen waren in dieser Hinsicht nicht viel besser. Sie aßen so gesehen gerne und vor allem viel. Kopfkratztend stand ich dann vor dem Zehn und dem Zwanzig Kilo Sack und grübelte, welcher es denn nun werden sollte, als ich hinter mir plötzlich ein schmatzen hörte und herum fuhr. Mit entsetzen stellte ich fest, dass sich Kili an den Äpfel vergriffen hatte und anfing in jede Sorte einmal rein zu beißen. "KILI! Um Himmels willen! Bist du wahnsinnig!", rief ich aus und riss ihm die vierte Apfelsorte aus der Hand. "Waff denn? Iff muff doch wiffen, wie die Fmecken", sagte er schmatzend. "Das ist Diebstahl, du Trampel", maulte ich und zog vier Plastiktüten von einem Ständer. "Hier tu die da rein und Pack von jeder der Sorten noch mindestens zwei dabei, damit die angebissenen nicht so auffallen. Und wehe du vergreifst dich noch mal hier an den Auslagen, dann setzt es was", gab ich genervt von mir. Verlegen schluckte der dunkelhaarige Junge das runter, was er im Mund hatte und tat wie ich ihm befohlen hatte. Doch Zeit zum Verschnaufen hatte ich nicht. Als nächstes rief Bofur nach mir. "Cuna! Komm mal schnell und schau dir das hier an!", sagte er und ich fuhr seufzend herum. Er deutete mit angewidertem Blick auf einen Pappkarton mit Kiwis. "Was hast du denn Bofur?", fragte ich und musterte die Früchte. "Was sind das für widerliche, haarige, braune Dinger?", fragte er und verzog dabei angeekelt das Gesicht. Ich rollte mit den Augen und verkniff mir die Aussage, dass man ihn als Zwerg womöglich auch für ein braunes, haariges Ding halten könne. "Das sind Kiwis. Leckere Süße Früchte. Wenn man die aufschneidet oder schält sind die innen drin Grün oder Gelb. Ich hab auch schon Rote gesehen, aber die sind verdammt teuer", sagte ich schlicht und er starrte mich verwirrt an. "Das sollen Früchte sein? Ich hab diese Dinger für abgeschnittene Orkgemächte gehalten", sagte er und nahm eine in die Hand. Ich klatschte meine unterdessen an den Kopf und verkniff mir erneut eine Erklärung bezüglich Orks in meiner Welt. Diese musste ich einfach viel zu oft in letzter Zeit gebrauchen und das wurde allmählich richtig anstrengend. "Kann ich mir davon welche mitnehmen, um sie zu probieren?", fragte er dann freundlich. "Ja, gut von mir aus", sagte ich und schon packte er welche in seine Hosentasche. "Bofur! Doch nicht da rein! Hier, nimm ne Tüte dafür", maulte ich und zupfte erneut eine für ihn ab. Er nahm diese ein wenig irritiert und packte dann dort die Kiwis hinein. Wo ich gehofft hatte, dass zumindest Fili sich benehmen würde, wurde ich abermals in meinem Empfinden getäuscht. Denn dieser machte sich nun daran, die Kokosnüsse zu untersuchen. Wobei es nicht beim Untersuchen blieb. Nein, er fing an mit den Dingern zu jonglieren. "Fili! Verdammt, hört doch mal auf mit dem Essen zu spielen. Das wollen andere Leute noch kaufen!", fuhr ich ihn an, als ich an ihm vorbei kam. Etwas erschrocken geriet er dabei aus dem Konzept und eine der Nüsse knallte ihm unsanft auf den Kopf. "Aua! Autsch! Die tun ja wirklich weh", fluchte er und sammelte die Nüsse dann ein, um sie wieder fein säuberlich zu stapeln. Ich zuckte nur mit den Schultern und machte mich daran schnell einen der Kartoffelsäcke zu greifen, damit wir schnell weiter konnten. Ich entschloss mich kurzer Hand dazu den zehn Kilo Sack zu nehmen, da mir Zwanzig doch etwas zu viel erschien. Schleunigst pfiff ich dann meine drei Begleiter zusammen und ließ sie auch ihre Sachen in den Wagen legen. Danach griff ich mir noch einen kleinen Sack mit Zwiebeln, die ja unter keinen Umständen fehlen durften. Als nächstes führte uns der Weg die langen Reihen hoher Regale entlang, in denen natürlich auch allerhand Sachen standen, die der Mensch heutzutage brauchte oder ihm vorgegaukelt wurde sie zu brauchen. Die Zwerge kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus bei all den quietsch bunten Tüten, den mehr als irreführenden Werbeplakaten an den Aufstellern und was sie erst recht in Aufregung versetzte, waren die ganzen Hygieneartikel, welche es zweifellos nicht in Mittelerde zu finden gab. Immer wieder musste ich den Ein oder Anderen aus dem Regal buchstäblich heraus ziehen, damit ich meinen Weg in Richtung der Frischetheke fortsetzen konnte. Denn dort lagen schließlich die wichtigsten Bestandteile des Ganzen. Der Schinkenspeck und die Eier, die ich leidenschaftlich gerne dazu verwendete um alles zusätzlich noch zu überbacken. "Cuna? Sag mal, was sind das hier für Dinger?", fragte mich Bofur mit plötzlich verschnupfter Stimme. Als ich ihn ansah, war es zum Einen schwer nicht zu lachen und zum Anderen nicht wieder entsetzt aufzuschreien. Er hatte eine Packung Tampons gefunden und diese geöffnet. Die kleinen Wattestäbchen hatte er daraufhin ausgepackt und sich einfach in die Nase geschoben. Zum Glück waren wir fast die Einzigen im Laden, sonst hätte ich vermutlich noch mehr entsetzte Blicke der Kunden geerntet. "Bofur. Herr je müsst ihr alles mögliche hier auspacken? Das ist für Frauen", motzte ich und zog ihm die Teile an den Schnüren aus den Nasenlöchern. "Wieso sind die nur für Frauen? Was ist so besonders an denen?", fragte Fili der diese ebenfalls neugierig musterte. Ich seufzte und versuchte ihnen dann mit hoch rotem Kopf zu erklären, wozu Frau diese Teile brauchte. Mit angewidertem Gesicht ließ der Zwerg mit der Mütze die Schachtel fallen und rieb sich hektisch die Nase. "Das ist ja widerwärtig!", fluchte er und ich bückte mich um die Stäbchen aufzusammeln, die aus der Schachtel gefallen waren. "Warum lasst ihr auch nicht die Finger von dem Kram und packt alles aus?", fragte ich inzwischen mit meinem Nervenkostüm fast am Ende. Nun nahm ich auch diese angebrochene Schachtel mit. Immerhin hatte ich dafür ja früher oder später Verwendung. Es wäre nur schwer an der Kasse zu erklären, weshalb diese denn jetzt offen war und warum zwei fehlten. Aber um Ausreden konnte ich da auch nicht verlegen sein. Zumindest hatte dies dazu geführt, dass die Männer endlich einmal ihre Hände bei sich behielten und nur noch ihre Augen benutzten. Bevor wir zum Schinkenspeck kamen, fuhren wir aber noch an den Eiern vorbei. Ich nahm mir einen ganzen Zwölferpack vom Stapel. Eigentlich war es mir egal, welche Sorte Eier ich dafür nahm. Anders als viele denken ist tatsächlich kein geschmacklicher unterschied zwischen Eiern aus Bodenhaltung oder Käfighaltung. Und Bio-Eier waren ja eh der größte Unsinn. Viel zu überteuert durch das Lable Bio, wurden sie als angeblich gesünder und verträglicher an leichtgläubige Kunden verkauft, die nicht einmal wussten, dass diese in vielen Fällen so hergestellt wurden, wie auch die Normalen. Danach kamen wir dann an der Fleischtheke und den Kühlschränken vorbei. Die große Auswahl an Fleisch ließ die Herren neben mir fast alle samt sabbern wie ausgehungerte Wölfe. Ich konzentrierte mich indessen auf das, was ich mitnehmen wollte. Die korpulente Verkäuferin hinter der Theke lächelte uns künstlich an und fragte was sie denn für uns tun könne. "Oh und wie Ihr etwas für uns tun könnt, Verehrteste", kam es von Bofur, der offensichtlich damit los legte auf zwergische Art mit der Frau zu flirten. Ich versetzte ihm einen kurzen Hieb mit dem Ellenbogen in die Seite, damit er sich daran erinnerte, dass wir nicht auf Brautschau waren. "Haben Sie gut abgehangenen Schinkenspeck da?", fragte ich freundlich und ignorierte den grummelnden kleinen Mann neben mir. "Ja, den haben wir da. Möchten Sie den Geschnitten oder am Stück?", sagte sie und griff schon in ihre Auslage. "Am Stück wäre nett", sagte ich und schon hatte sie einen kleinen Brocken auf ein Schneidebrett gelegt und zog das Messer hervor, um zu zeigen, wie viel ich denn haben wolle. Natürlich nahm ich reichlich davon mit. Je mehr Speck desto besser. Die Frau wog das große Stück ab, packte es ein und klebte ihren Zettel darauf, bevor sie es mir herüber reichte. Mit einem leicht enttäuschten Bofur im Schlepptau, der gerne noch weiter mit der Dame angebandelt hätte, zogen wir zur letzten Station. Immerhin brauchte ich ja auch noch etwas in dem ich die Bartkartoffeln garen konnte. Sprich Butter oder ähnliches. Am liebsten hatte ich dabei immer diese Flüssigmargarine. Seit die vor Jahren auf den Markt kam, nahm ich eigentlich nichts anderes mehr für meine Bratkartoffeln. So öffnete ich einen der Kühlschränke und griff mir eine kleine Flasche davon. Als ich diese in den Wagen packte, rief mich Kili mit leicht verwirrtem und bedrückten Ton zu sich. Als ich bei ihm ankam, standen er, sein Bruder und Bofur vor einer Kühlschranktür und musterten die Paletten mit Fruchtjoghurt. "Was habt ihr denn jetzt schon wieder?", fragte ich ungeduldig und mit Blick auf meine Uhr. So langsam wurde es immer später und das Frühstück war schon vorbei. "Schau mal da", meinte Fili unruhig und deutete mitten ins Regal. Ich folgte seinem Arm und sah dann belustigt die kleinen Behälterchen, auf denen in knall bunter Schrift "Fruchtzwerge" geschrieben stand. "Ja. Das ist Joghurt. Warum seid ihr auf einmal so bedrückt?", fragte ich und wurde sofort mit drei fragenden Blicken bombardiert. Als Kili den Mund öffnete, um wohl etwas zu fragen, fuhr ich ihm aber sofort dazwischen. "Nein, da sind keine echten Zwerge drin. Die heißen nur so, weil die so klein sind. Und sie bewirken auch nicht, dass man zum Zwerg wird. Ganz im Gegenteil. Wenn man davon genug isst, dann wird man angeblich sogar größer", meinte ich ruhig. "Man wird größer, wenn man das isst? Was ist das für ein Teufelszeug?", fragte Bofur entsetzt. "Das ist kein Teufelszeug. Aber ich habe gerade keine Lust euch das zu erklären. Ich hab jetzt alles im Wagen was ich brauche.. und auch nicht brauche. Wir sollten uns also beeilen bevor...", sagte ich, doch da klingelte mein Handy in der Rocktasche. "Dein Plapperkasten beschwert sich ja schon wieder", sagte Fili, den ich ignorierte, während ich das Ding hervor zog und aufs Display sah. Es war die Nummer von Chu. Etwas überrascht nahm ich ab und legte es mir wie gewöhnlich ans Ohr. "Hallo Chu. Was ist los? Warum rufst du...", begann ich zu fragen, doch im nächsten Moment drang ein so lautes Brüllen in mein Ohr, dass ich glaubte einen Tinnitus zu bekommen. "CUNA! WO IN DURINS NAMEN STECKST DU?! UND WO SIND MEINE NEFFEN?! UND BOFUR?!", donnerte Thorins aufgeregte, wütende Stimme aus dem Lautsprecher. Langsam näherte ich mich wieder meinem Gerät und verzog verlegen das Gesicht, während ich hinein sprach. "Thorin? Bist du das?", fragte ich vorsichtig. Ich konnte die Drei, die vor mir standen panisch umher schauen sehen. "Nein! Ich bin ein großer, hässlicher Troll! NATÜRLICH BIN ICH ES!", brüllte er erneut. "Woher zu Hölle weißt du, wie man telefoniert? Und was machst du mit dem Handy meiner besten Freundin?", fragte ich verwirrt. "Sie hat mir das Ding in die Hand gedrückt und gesagt, wenn ich mit dir was zu bereden hätte, solle ich einfach in dieses alberne Ding rein sprechen. Und jetzt sag mir gefälligst wo ihr seid!", blaffte er gereizt. Ich atmete tief durch und sah die drei Männer vor mir an, bevor ich antwortete. "Wir sind unterwegs und... organisieren eine kleine Überraschung", sagte ich wahrheitsgemäß. Kurz drauf hörte ich ihn auf Zwergensprache etwas vor sich hin grollen, ehe er sich wieder in meiner Sprache an mich wand. "Von deinen Überraschungen habe ich mittlerweile genug, Cuna. Ihr kommt sofort zurück zu Lager. Ohne Umwege. Wenn ihr bis zum Mittag nicht da seid, spüre ich euch persönlich auf und schleife ich euch alle an den Haaren hier her", rief er aus. Dann war plötzlich ruhe und nur noch der Freizeichenton war zu hören. Ich legte auf und steckte mein Handy weg. "War das... unser Onkel?", fragte Fili vorsichtig, nachdem ich mir erst einmal mit der Hand über die Stirn gefahren war. Seufzend ließ ich den Kopf hängen. "Ja Fili, das war Thorin. Und der ist stocksauer." - 39. Ein Einkaufswagen voller Zwerge / ENDE - Kapitel 40: 40. Highway to Zeltstadt ------------------------------------ Mit zerknirschten Gesichtern sahen mich die drei Zwerge an, nachdem ich mein Handy wieder verstaut hatte. Die Situation war alles andere als zuträglich. Hatten wir doch alle gehofft, dass unsere Flucht rechtzeitig beendet sein würde, bevor der Zwergenkönig Wind von der Aktion bekommen konnte. Doch hatten wir uns viel zu lange damit aufgehalten den Laden unsicher zu machen. Wobei es eigentlich mehr die Schuld der drei Herren war, die ja in ihrer Neugierde nicht zu bremsen gewesen waren. Nun mussten wir bei unserer Rückkehr einiges ausbaden. So viel war sicher. Aber zunächst machten wir uns daran, die Sachen, die wir bereits im Wagen hatten, zur Kasse zu fahren. Denn immerhin wollten alle, dass es doch zu dem kleinen Essen kam. Nach und nach legten wir die Waren auf das schwarze Laufband, welches zu der Kassiererin fuhr, die offensichtlich völlig verschlafen und tranig eine Sache nach der anderen über die Laserwaage zog. "Dieses Gerät ist wirklich unglaublich", murmelte Kili und musterte das Laufband interessiert. "Ja, ist es. Aber lasst euch jetzt nicht einfallen damit rum zu spielen", ermahnte ich die Drei, denen ich schon an den Nasen ansehen konnte, dass sie erneut irgendeine Dummheit mit den modernen, technischen Errungenschaften vor hatten. "Ist ja gut, Cuna. Bleib mal ganz ruhig. Bis Mittag sind es noch ein paar Stunden. Das sollte mühelos zu schaffen sein, wenn wir diese sonderbare Kutsche noch mal nehmen", kam es gelassen von Bofur, der grinsend auf der anderen Seite der Kasse alles wieder in den Wagen packte. "Deine Gelassenheit will ich mal haben, Bofur", raunte ich und sah zur Kassiererin, die immer noch wie im Halbschlaf die Waren an sich vorbei zog. Schließlich war sie dann doch fertig geworden und verkündigte den stolzen Preis von gut Fünfzig Euro. Ich musste schlucken. In den Jahren waren Lebensmittel unheimlich teuer geworden. Die Preise schienen von Tag zu Tag mehr zu explodieren. Doch zum Glück hatte mir Herr Hattemalhaar am Tag zuvor eine Kleinigkeit zugesteckt. So nahm ich den Schein, den er mir gegeben hatte aus dem Portmonee und reichte ihn über die Plexiglasscheibe. Nachdem die Frau diesen kurz in einem Gerät auf die Echtheit geprüft hatte und ihn in Zeitlupe in ihre Kassenschublade geschoben hatte, konnten wir dann auch endlich den Laden verlassen. Allerdings nicht ohne an der Bäckerei vorbei zu kommen, wo uns allen samt der Magen, aufgrund des köstlichen Duftes von warmen Brötchen und Kuchen, knurrte. Sicher, wir hätten auch die Äpfel essen können, die Kili notgedrungen mitnehmen musste, aber sowohl mir als auch den Jungs war derzeit gar nicht nach Obst zumute. Ich sah deswegen die Drei ruhig und vielsagend an. Sie nickten mir stumm und bestätigend zu. So wandten wir unsere Schritte doch noch einmal kurz dort hin, um uns zumindest eine Kleinigkeit für den Weg mitzunehmen. Ich konnte die Zwerge ja auch schlecht verhungern lassen, bis ich das gemeinsame Essen fertig hatte. So musterten wir neugierig die hell erleuchtete Glasfront der Theke, hinter der allerhand süße und deftige Leckereien uns entgegen lachten. Die Entscheidung fiel mir wesentlich leichter als den Herren, da diese die meisten Produkte gar nicht kannten. Ein junges, blondes Mädchen, offenbar eine Auszubildende, begrüßte uns mit eher schlecht gelaunter Miene, da sie wohl an diesem Morgen ganz alleine mit den vielen Kunden klar kommen musste, die bereits da gewesen waren. "Was darfst denn sein?", fragte sie monoton und musterte jeden von uns mit abschätzigem Blick. "Ich nehme eine von den belegten Fladenbrotecken mit Schinken und Käse, aber bitte ohne Tomaten", sagte ich freundlich und erntete gleich drauf von ihr ein Augenrollen. "Wir haben nur welche mit Tomaten", sagte sie knapp und bemühte sich gar nicht erst in die Theke zu greifen, um mir eines raus zu holen. "Sie können die Tomaten doch einfach runter nehmen", sagte ich noch ganz ruhig. So eine Arbeitsunwilligkeit kannte ich schon von vielen. Da brauchte man entweder gutes Zureden oder man musste ein wenig direkter werden. Doch diese Person schien sich an diesem Morgen wirklich darauf etwas einzubilden, dass sie allein die Abteilung leitete und niemanden hatte, der ihr auf die Finger haute. "Das können Sie auch selbst, wenn Sie es kaufen", meinte sie schnippisch. "Ach dann gib mir das Ding eben so, wenn du zu unfähig zum Arbeiten bist", meinte ich leicht gereizt. Ich wollte mich nicht länger mit ihr aufhalten als unbedingt nötig. "Werden Sie mal nicht unfreundlich", raunte sie über die Theke und griff nun mehr oder weniger in Zeitlupe nach einer Fladenbrotecke mit Thunfisch. "Hallo. Ich sagte Schinken und Käse", meinte ich und langsam wurde mein Ärger über das Mädel noch größer. "Wir haben keine Anderen da. Kann nichts dafür wenn Sie so Blind sind und das nicht sehen", erwiderte sie und legte das Brot zurück in die Theke. "Da liegt doch eins! Direkt vor deiner Nase, Mädchen", kam es nun von Kili, der genau das gesehen hatte, welches ich haben wollte. Sie sah erst ihn an und dann in die Theke. "Das ist das Letzte, was ich habe. Danach muss ich wieder neue machen", verkündete sie. "Das ist mir doch wumpe, was du machen musst. Jetzt pack es mir schon ein", knurrte ich ungeduldig. Seufzend streckte sie die Hand danach aus und verpackte es lustlos in einer Tüte. "War das dann alles von Ihnen?", fragte sie träge. "Nein, die Herren hier wollen auch noch etwas", sagte ich und deutete auf die drei Zwerge. Bofur hatte offensichtlich gefallen an den Donuts gefunden und deutete darauf. "Was sind denn das für Sachen?", fragte er freundlich. "Steht doch drauf oder können Sie nicht lesen", kam die Antwort von dem Mädchen. Ein wenig irritiert ließ der Zwerg die Mundwinkel sinken und hob fragend die Augenbrauen. "Ich erklärs dir später, wenn wir hier raus sind. Die junge Dame hat offenbar zu viel Spaß an ihrer Arbeit", gab ich dann sehr sarkastisch und barsch von mir. Daraufhin musterte er mich leicht verwirrt und bestellte einfach mal zwei davon, welche das Mädchen genauso langsam einpackte und lieblos auf die Theke feuerte, wie zuvor mein belegtes Brot. Fili und Kili fragten erst gar nicht danach, was sie denn gerade bestellen. Ich konnte ihren Gesichtern entnehmen, dass sie genauso entrüstet waren wie ich. Doch offenbar war der Hunger größer, als die Lust ein ungezogenes Gör zurecht zu weisen. So suchte sich der Ältere einen leckeren Schoko-Muffin aus und der Jüngere ein Schnitzelbrötchen. Ich machte mir unterdessen meine eigenen Gedanken zu dem Mädel. Es war mir jedes mal unbegreiflich, das solche Leute einen Job erhielten während andere, die sich förmlich um eine solche verantwortungsvolle Aufgabe reißen würden, um ihre Familie zu ernähren, auf der Strecke blieben. Und so etwas ärgerte mich erst recht, da ich einmal selbst derartige Tätigkeiten ausgeführt hatte. Aber sich darüber aufzuregen half mir in dieser Situation auch nicht. Es würde ja eh nichts bringen, also beließ ich es einfach bei meinen Gedanken. Nachdem wir bezahlt hatten, verließen wir mehr als verärgert und mit hoch roten Köpfen den Laden. "Also da solltest du nie wieder deine Waren erstehen. Wenn ihre Eltern wüssten wie sie deren Ladengeschäft führt, so würden sie ihre Tochter gewiss enterben", knurrte Kili angesäuert und biss in sein Schnitzelbrötchen. "Die Bäckerei gehört bestimmt nicht ihren Eltern. Das ist eine sogenannte Ladenkette. Da arbeiten mehr als zehntausend Menschen. In fast jedem Geschäft ist einer von denen. Und das war eben nur eine junge Angestellte, die sehr viel Freude an ihrer Arbeit hatte", brummte ich auf der Suche nach einem Mülleimer, in dem ich die Tomaten werfen konnte. "Warum wirfst du denn das gute Essen jetzt weg, was du gekauft hast?", fragte Fili und hielt den angebissenen Schoko-Muffin locker in der Hand. "Ich kann keine frischen Tomaten essen. Davon bekomm ich Magenschmerzen. Wenn sie gekocht sind ist kein Problem. Aber frisch unmöglich", erwiderte ich und begann nun auch mein Frühstück runter zu schlingen. "Das kling ja nicht gut. Da musst du beim Essen wirklich aufpassen, oder?", fragte Bofur, der sich die Donuts einzeln auf die Finger gesteckt hatte und sie So langsam abknabberte. "Ja. Manchmal. Deshalb verstehe ich auch solche Weiber nicht, die so unfähig sind und sich weigern Kundenwünschen nach zu kommen. Hätte ich mir das damals erlaubt, wäre ich ruck zuck meinen Job los geworden", sagte ich und nahm während dem Essen noch die Tüten aus dem Einkaufswagen. Immerhin mussten wir diesen ja zurück lassen, um in den Bus steigen zu können. An der Bushaltestelle saßen wir mit Sack und Pack im Unterstand und warteten auf die Linie, die uns zurück zur Zeltstadt bringen sollte. Dummerweise fuhr diese ab Neun Uhr nur noch alle halbe Stunde, weshalb wir länger warten mussten bis endlich einer kam. Ein paar mal musste ich die Zwerge davon abhalten in den Falschen einzusteigen. Sie verstanden einfach nicht, dass es Kutschen gab, die in verschiedene Richtungen fuhren und nicht dort hielten, wo man gerne hin wollte. Schließlich kam unserer doch heran gefahren und ich stieg als Erste ein. Um gut Zehn Uhr war dieser etwas voller als noch am frühen Morgen. Da Sommerferien waren, gab es viele, die um diese Zeit ins Schwimmbad fuhren oder einen Bummelausflug in die Stadt machten. Viele Plätze waren nicht mehr frei. Also würden wir wohl stehen müssen. Doch um so etwas in Erwägung zu ziehen, kamen wir gar nicht erst weit genug. Der Fahrer sah uns einen nach dem anderen an und runzelte die Stirn. "Nee, Freunde. Mit den Sachen kommt ihr nicht in meinen Bus", sagte er, als ich nach den Fahrkarten fragte. "Wieso denn nicht?", kam es von Fili. "Ihr verdreckt alles mit den Kartoffeln. Entweder packt ihr alles in eine Tüte oder ihr bleibt hier", sagte er schlicht. Ich rollte mit den Augen. "Und wenn wir stehen bleiben und uns nicht setzen? Sind ja nur zwei Haltestellen", erklärte ich ruhig, doch der Mann blieb eisern. "Mädel. Ich kenn dich nicht und auf das Wort von solchen Freaks wie euch gebe ich erst recht nichts. Also raus aus meinem Bus. Ich hab jetzt schon Verspätung", blaffte er. "Das ist nicht gerecht! Ihr müsst uns mitnehmen, wenn wir Euch bezahlen", protestiere Bofur und wedelte mit seinen Kiwis herum. "Ich sagte raus! Seid ihr taub?!", gab der Mann gereizt von sich und drängt uns damit umso deutlicher aus seinem Wagen. "Kommt, lasst uns gehen", meinte ich ernüchternd und setzte zum Rückzug an. Die Türen schlossen sich hinter uns, nachdem wir den Bus wieder verlassen hatten. Na großartig. Was war nur an diesem Morgen in die Menschen gefahren, dass sie uns so herabwürdigend behandelten. Das Selbe ging auch den drei Zwergen durch den Kopf, die wütend in ihrer Muttersprache Verwünschungen von sich gaben. "Unglaublich wie diese Menschen hier mit einem umspringen. Wir haben doch nichts Falsches getan. Wieso behandeln sie uns wie Dreck?", fluchte Kili und trat gegen die Mülltonne, die an einer Laterne festgeschraubt war. Aufgrund seiner eisenbeschlagenen Stiefel, gab diese ein kurzes "Deng" Geräusch von sich und schon hatte sie eine fette Delle im Metall. "Ist kein Grund hier wehrlose Mülltonnen anzugreifen, Kili", raunte ich ihn gefrustet an und versuchte nachzudenken, wie wir denn nun am schnellsten zurück kommen sollten. Viele Alternativen hatten wir nicht. Taxi rufen wäre eine gewesen. Doch glaubte ich nicht, dass die ortsansässigen Unternehmen noch einmal einen Fahrer an uns verleihen würde, nachdem der Erste von den beiden Jungs auf dem Rücksitz zusammen geschrien wurde und ich einem anderen mit meiner Nasenbluterei die halbe Karre versaut hatte. Und nun hatten wir noch Bofur mit dabei, der auch noch nie in einem Auto gesessen hatte. Nein danke, nicht noch mal innerhalb von zwei Tagen. "Was machen wir denn jetzt? Meinst du der Nächste nimmt uns mit?", fragte Kili an mich gewandt. "Nach dem Glück was wir Heute haben, wage ich das zu bezweifeln. So wies aussieht müssen wir die paar Kilometer laufen", sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. "Also gut. Wenn wir keine andere Wahl haben. Dann laufen wir eben. So eine kleine Wanderschaft kann ja nicht ganz so schlimm sein, oder? Ich meine bevor wir unnötig Zeit verlieren", kam es mit munterer Stimme von Bofur, der sich bereits den Kartoffelsack über die Schulter geworfen hatte. "Nun ja. Eigentlich schon. Wir werden bestimmt einige Stunden unterwegs sein. Sind immerhin knapp fünfzehn Kilometer. Ich hoffe nur die Eier bleiben bis dahin noch frisch", erwiderte ich seufzend. "Dann beeilen wir uns eben", meinte Kili und setzte sich schon in Bewegung. "Hey, nicht so schnell. Ich gehe voraus. Nicht dass ihr euch hier verirrt", sagte ich , schnappte mir den Schinken,die Zwiebeln, die Eier und auch das was ich eigentlich nicht kaufen wollte, nämlich die Tampons, und folgte den drei kleinen Männern die Straße entlang, über die wir her gekommen waren. Ich nahm den kleinen Fußweg entlang der Landstraße. Wenn wir diesem folgten, würden wir mit Sicherheit zurück finden, dachte ich noch halbwegs motiviert bei mir. Doch diese Motivation sollte mir bald vergehen. An diesem Morgen wurde es draußen wieder unheimlich warm. Wir hatten kaum die Möglichkeit auf Schatten, als wir der baumlosen Landstraße folgten. Hin und wieder erwischten wir einen leichten Luftzug, wenn ein LKW an uns vorbei ins Industriegebiet brauste. Doch alles in allem war das Ganze eine einzige Tortour. Die ersten drei Kilometer waren ja noch soweit in Ordnung. Ab Kilometer Vier musste Bofur dann den Kartoffelsack kurz absetzen und sich mit der Mütze kühle Luft zu fächern. "Wie weit ist es noch?", fragte dieser schnaufend. "Von hier aus würde ich sagen noch gut zehn Kilometer", meinte ich und setzte erschöpft die Tüten ab. Man mag nicht glauben, wie schwer selbst solche einfachen Einkäufe werden konnten, wenn man es nicht gewöhnt war diese über längere Strecken zu Fuß nach Hause zu bringen. Oder in diesem Fall in ein Zeltlager. "Komm Bofur. Ich übernehme den Sack jetzt. Wenn ich nicht mehr kann, dann Kili und danach Cuna", sagte der blonde Zwerg und nahm Bofur den schweren Sack ab. Wir mussten weiter. So oder so. Was anderes blieb uns gar nicht übrig. So ging es weiter, wie im Gänsemarsch. Immer wieder wechselten wir den Sack untereinander, wenn einer nicht mehr konnte. Wobei ich nicht mal einen ganzen Kilometer schaffte, bevor ich ihn absetzen musste. Es war zum Heulen. Wir hatten erst knapp über die Hälfte geschafft und waren durch die sommerliche Hitze schon völlig erschöpft. Noch dazu plagte uns alle der Durst. Ich fluchte insgeheim, dass wir uns nichts zu trinken aus dem Laden mitgenommen hatten, aber dazu war es zu spät. Zwischendrin, hatten wir uns zwar an den Äpfel verlustiert, um zumindest etwas Flüssigkeit zu uns zu nehmen. Doch die hatten uns noch durstiger gemacht. "Das schaffen wir nie rechtzeitig. Thorin bringt uns um", sagte Bofur und musterte den Stand der Sonne mit vorgehaltener Hand. Er hatte recht. Meine Uhr zeigte schon Elf an. Und um Zwölf gab es meistens Essen. Wenn wir erst nach dem Essen einträfen, dann würde der Zwergenkönig sicherlich einen sehr unfreundlichen Suchtrupp zusammen stellen. Und wenn dieser uns fand, konnten wir eigentlich froh sein, wenn wir zuvor verdurstet waren. Doch dazu wollte ich es auch nicht kommen lassen. Ich spähte in die Ferne. Dort an der Straße musste irgendwo eine Tankstelle sein. Wenn wir es bis zu dieser schafften, konnten wir uns zumindest etwas zu trinken organisieren. "Kommt. Lasst uns weiter gehen. Wenn wir hier stehen bleiben, kommen wir auch nicht an", sagte ich und versuchte entschlossener zu klingen, als ich eigentlich war. Ich nahm den Sack auf den Rücken und ging wieder voraus. Der Asphalt flimmerte in der vormittäglichen Hitze und ließ sämtliche Dinge, die weiter weg waren, so erscheinen, als spiegelten sie sich in einem kleinen See auf der Straße. Wir schnauften alle vier und kämpften mit uns, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Doch schließlich kam die Tankstelle in greifbare Nähe. "Wir haben es bald geschafft Jungs. Haltet noch etwas aus. Da können wir rasten", sagte ich keuchend und mit rauer Stimme, während ich auf die Tankstelle deutete. "Gut... sehr gut", antwortete Kili matt und schleppte sich neben mir her. Vor der Tankstelle war nicht so viel los. Ein Motorrad Club, der wohl unterwegs zu ihrem Trip dort kurz rast machte und einige Autofahrer die hastig Tanken wollten. Erschöpft und halb verdurstet schleppten wir uns an all diesen Leuten vorbei in den gut klimatisierten Laden. Der kalte Luftzug ließ uns erleichtert aufatmen. Wir stellten unsere Einkäufe ab und stürzten hastig auf das Kühlregal zu, in dem uns schon allerhand Getränke anlachten. Ich griff mir eine große Wasserflasche und die drei Zwerge sich jeweils ein Bier. Nachdem wir gezahlt hatten kippen wir uns das Zeug fast sturzartig in die Kehlen. Ich gab für jeden der Herren noch eine kleine Kaltwasserdusche mit der Flasche aus, damit unsere erhitzten Köpfe auch etwas davon hatten. Das taten wir natürlich draußen, um nicht den Laden nass zu machen. Die Mitglieder des Motorrad Clubs, die bei ihren Maschinen standen und sich ihrer Mittagspause erfreuten sahen uns lachend dabei zu. "Mein lieber Schollie. Ihr Vier seht ja mal richtig fertig aus", grölte uns einer der Herren in Lederweste und Jeans zu. Ein rundlicher Mann um die Mitte Vierzig mit schwarzem Bart, Sonnenbrille und knall rotem Halstuch. Die langen, dunklen Haare hatte er unter einer schwarzen Lederkappe zurück gebunden. "Kann man so sagen", kam es von Bofur, der sich sein Bier schmecken ließ. "Habt wohl nen kleinen Gewaltmarsch hinter euch was?", fragte einer der etwas älteren. Ein richtiger Rocker Opa mit langem weißen Bart, kahlem Schädel und rundlicher Sonnenbrille. "Ja. Bedauerlicherweise", antwortete der Zwerg mit der Mütze. Er trat etwas näher an die Rocker heran, damit er nicht so schreien musste. Während sich dieser weiterhin mit den Männer unterhielt und erzählte was wir alles für Strapazen hinter uns gebracht hatten, inspizierte ich unterdessen meine Armbanduhr und keuchte erschrocken. "Verdammt! Es ist Viertel vor Zwölf! Wir sind geliefert", jammerte ich und ließ mich auf den leicht erhöhten Bordstein sinken. "Na großartig. Wenn dieser unverschämte Kutscher nicht gewesen wäre, dann wären wir mit Sicherheit jetzt schon zurück. Onkel zieht uns die Ohren lang", gab Kili niedergeschlagen von sich. "Wenns mal nur bei den Ohren bleibt Kili", meinte sein Bruder in nicht minder enttäuschtem Tonfall. Zu dritt ließen wir nebeneinander sitzend die Köpfe hängen und nuckelten betrübt an unseren Flaschen. So konnte es einfach nicht weiter gehen. Bestimmt waren meine zwölf Eier in dem Karton schon gebraten oder gekocht. Und wenn das nicht, dann höchst wahrscheinlich ungenießbar. Und der Schinken war es sicherlich auch. Warum musste nur immer alles so furchtbar schief gehen? Dabei hatte ich mir das so einfach vorgestellt. Wie konnte ein einfaches Hin und zurück einem nur so schwer fallen? Hatte ich dem Schicksal irgendetwas getan, womit ich das alles verdient hatte? Und Thorin würde nun erst recht nichts von meinem Essen haben wollen. Dafür wäre er vermutlich viel zu wütend. "Jungs.... Es tut mir leid", gab ich reumütig und klagend von mir. "Wieso das denn?", fragten die Brüder fast gleichzeitig. "Weil ich euch in diese dumme Sache mit rein gezogen habe und jetzt bekommen wir alle wegen meiner Schnapsidee ärger", erklärte ich und umklammerte meine Wasserflasche fester. Ich hätte am liebsten frustriert los geheult. Ich wollte doch nur etwas Gutes tun. Und dann geschah mir ein Unglück nach dem anderen. Ich verdammte es, dass ich mich doch zu dieser Idee hatte hinreißen lassen, nur um einen Mann für mich zu gewinnen, der nur noch weg von mir wollte. Ich spielte mit dem Gedanken alles hin zu werfen und die Sache ein für alle mal ruhen zu lassen. Auch wenn es unglaublich weh tat. Doch da schlossen sich von links und rechts jeweils zwei Arme um mich. "Nicht aufgeben, Cuna. Das war doch alles nicht deine Schuld", murmelte mir Kili zu. "Richtig. Wir stehen das alle schon durch. Er wird uns kurz ausschimpfen. Dann machen wir uns daran, dein Essen vorzubereiten und dann werden es alle gemeinsam genießen. Lass den Kopf nicht hängen", mahnte mich Fili an. Beide legten ihre Stirn an meinen Kopf und sahen mich ernst und durchdringend an. Unglaublich, dass sie mir nach all dem, was ich ihnen aufgebürdet hatte immer noch so die Treue hielten und zu mir standen. Ich hob meine Arme hinter die Rücken der Beiden und drückte sie einmal so fest ich konnte. "Ich hab euch einfach nicht verdient wisst ihr das?", sagte ich und schon rannen mir Tränen der Freude, aber auch der Frustration aus den Augen. "Auch wenn wir keine leiblichen Geschwister sind. Du wirst immer unsere kleine Schwester sein. Und auf die geben wir gut acht", sagte Kili aufmunternd. "Ach ihr seid einfach zu süß", schniefte ich. "Hey. Was macht ihr drei denn für trübselige Gesichter?", fragte Bofur, der plötzlich wieder vor uns stand und fragend musterte. "Cuna ist unglücklich, weil wir es nicht mehr rechtzeitig zurück schaffen", erklärte Fili. "Wer sagt das wir das nicht werden?", fragte der Zwerg mit der Mütze und grinste dabei breit. Ich sah verwirrt zu ihm auf und legte den Kopf schief. "Es ist zu spät Bofur. Die restlichen Kilometer schaffen wir in der Zeit einfach nicht. Nicht unter diesen Umständen", erklärte ich. "Oh, ich glaube doch, dass wir das schaffen", sagte er selbstbewusst. Ich musste ungewollt grinsen. Hatte ihm die Hitze unter der Mütze nun so sehr zugesetzt, dass er glaubte uns wären nun Flügel gewachsen oder war ihm das kalte Bier so zu Kopf gestiegen? "Ich glaube du verstehst nicht. Es ist unmöglich jetzt noch pünktlich da zu sein. Es sei denn dir sind zwischendurch Flügel gewachsen oder so", gab ich etwas spottend von mir. "Nein. Das nicht. Aber ich hab uns was organisiert", sagte er und deutete zu dem Platz, wo die Männer des Motorrad Clubs ihre Maschinen abfahr bereit zu machten. Dabei bemerkte ich, wie sie unsere Einkäufe in ihren Behältern verstauten. Mir klappte vor Staunen und Verblüffung der Mund auf. Dann sah ich wieder zu Bofur, der selbstzufrieden die Arme vor der Brust verschränkt hatte und immer noch zu mir runter grinste. Langsam kam ich mit den beiden Brüdern auf die Beine und fasste den Zwerg an den Schultern. "Bofur. Wie?", brachte ich nach ein paar Sekunden erst hervor, da ich es immer noch nicht glauben konnte, was da gerade passierte. "Naja. Es war ganz einfach. Ich hab etwas mit den Männern geplaudert. Denen gesagt was uns alles passiert ist und dass du das alles für einen Mann tust, den du liebst und jetzt wegen einem dummen Kutscher hier sitzt, und dem Mann nicht dein Essen machen kannst. Darauf hin haben die angeboten, dass sie uns mit ihren stählernen Pferden mitnehmen, weil sie eh in unsere Richtung wollen. Wenn du ihnen den Weg sagst, bringen sie uns auch direkt ins Lager", erklärte er schlicht. Mir fiel fast alles aus dem Gesicht. Ich konnte gar nicht schnell genug realisieren, was er da gerade sagte. Doch mir schwoll das Herz auf die hundertfache Größe an vor Freude und Dankbarkeit. Ich wusste es gar nicht anders auszudrücken, als ihm für diese Tat gefühlte hunderte male auf die Wangen zu küssen und fest zu drücken. "Na, na, na. Cuna! Schluss! Heb dir das für Thorin auf!", meinte er und lachte belustigt, aber nicht ohne leicht gerötete Wangen zu bekommen. "Du bist ein Schatz! Du hast uns gerettet!", rief ich aus und sprang vor Freude auf der Stelle. "Ach, nicht der Rede wert. Hauptsache wir sind schnell wieder zurück im Lager", sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Dafür bekommst du die größte Portion von den Bratkartoffeln und du darfst dir als Erster nehmen", sagte ich und kam gar nicht mehr aus der Euphorie heraus. "Hey! Kommt ihr Mädels dann mal? Sonst seid ihr doch noch zu spät in eurem Lager", rief der rundliche Kerl mit dem roten Halstuch und bestieg schon seine Maschine. Wir grinsten alle wie die Honigkuchenpferde und schritten so schnell wir konnten zu den Rockern hinüber. Jeder nahm hinter einem der breiten Männer auf dem Bock platz. "Gut festhalten, Schätzchen", sagte der Typ mit dem Halstuch, wo ich saß und schon gab er das Kommando, womit alle ihre Bikes starteten. Es war ein ohrenbetäubendes Geröhre und Gedonner, als die zwanzig Maschinen fast gleichzeitig ansprangen. Ich fühlte den Motor unter meinem Hintern vibrieren und hielt mich so gut ich konnte an dem Mann vor mir fest. Langsam setzten wir uns in Bewegung und rollten Richtung Straße. "Also sag mir schön wos lang geht, Süße. Und immer gut festhalten, damit wir keinen von euch verlieren", sagte er gut gelaunt, als er die Räder auf die Straße setzte und wir in einer Kolonne davon fuhren. Es war ein unglaublich befreiendes Gefühl. Der Fahrtwind in meinen zerzausten Haaren war trotz der Sommerhitze extrem kühl und wohltuend. Noch nie im Leben hatte ich so eine Freiheit um mich herum genossen. Es ging mir nun richtig gut. Alle meine Sorgen schienen mit dem Fahrtwind davon geblasen zu werden. Das Geräusch der Motoren beim Gasgeben war berauschend für alle Sinne. Ich konnte mich daher nach einiger Zeit nicht mehr zurück halten und jubelte fröhlich auf meinem Platz. Den drei Zwergen erging es wohl nicht anders. Ich sah mich zwischendurch nach den kleinen Männern um, die sich alle samt an ihrem Fahrer festhielten und aus dem Staunen nicht mehr heraus kamen. Nun ja bis auf Bofur der krampfhaft versuchte seine Mütze festzuhalten. "Das ist besser als Pony reiten!", hörte ich Kili freudig über den Lärm hinweg rufen. Ich schaute zwischendurch immer wieder auf die Uhr. Wir hatten noch fünf Minuten, aber mit den Maschinen waren wir unglaublich schnell. Wie ich nach einiger Unterhaltung mit meinem Fahrer feststellte, hieß er Micha und war wohl sogar der Chef des Clubs. Mehr konnte ich allerdings auf der Kürze des Weges und aufgrund des Lärms nicht heraus finden. Ich musste ja auch noch koordinieren, wohin wir denn fahren mussten, damit die Herren den Zeltplatz fanden. Die Uhr zeigte gerade Punkt Zwölf Uhr, als wir mit unserer Blechkolonne und laut röhrenden Motoren über den Parkplatz durch den Eingang der Zeltstadt fuhren. Es gab ein Wahnsinniges "Hallo", als wir dort hinein bretterten. Nun ja nicht eher bretterten. Es war mehr ein langsames Rollen, da einige Bewohner unterwegs zum Küchenzelt waren und niemand umgefahren werden sollte. Aus dem Lautsprecher des "ROZ" drang, fast als hätte man dies abgesprochen, von ACDC "Highway to Hell". Es herrschte eine atemberaubende Atmosphäre, als die Truppe anhielt und die Motoren erstarben. "So absteigen, Schätzchen", sagte Micha grinsend über die Schulter. Das ließ ich mir nicht zwei mal sagen und kam von dem Bock runter. Ich fühlte mich stolz wie Oscar, dass wir es doch noch geschafft hatten. "Wie kann ich euch Jungs dafür nur danken, Micha?", fragte ich freundlich. Er grinste nur weiter breit und winkte lässig mit seiner schweren Hand ab. "Nichts zu danken. Wir helfen gerne, wenn ein paar Leutchen in Not sind. Besonders Frauen auf einer Mission", sagte er und zwinkerte mir freundlich zu. "Trotzdem. Tausendmal Danke. Wenn ihr wollt, geht doch in unser Fisse Ma "Tent" chen und trinkt euch ein Bier", bot ich ihm an doch er schüttelte nur den Kopf. "Nee nee Schätzchen. Wir müssen gleich weiter, wenn ihr das Zeug abgeladen habt. Und du sieh zu, dass du deinen Mann an die Angel bekommst. Oh. Ich glaub da kommt er schon, oder?", sagte Micha und blickte grinsend an mir vorbei. Ich wollte mich gerade selbst umdrehen, als ich den festen Griff einer rauen, warmen Hand an meinem Arm fühlte und regelrecht herum geschleudert wurde. Mir wurde von dem Dreher ein wenig schummrig im Kopf, sodass es einen Moment lang dauerte bis ich erkannte, dass mich zwei wütende hellblaue Augen, wie ein ganzes Meer aus Speeren durchbohrten. Allein dieser Anblick reichte aus, um dem Lied, was nun im "ROZ" erstarb, wirklich glauben schenken zu können. Es war wortwörtlich gesehen, ein "Highway to Hell". Und vor mir stand der kleine, dunkelhaarige Mann, der es schaffen würde, diesen Moment in die Hölle zu verwandeln. - 40. Highway to Zeltstadt / ENDE - Kapitel 41: 41. Das Leiden des Zwergenkönigs -------------------------------------------- Dass es ein Donnerwetter geben würde, war mir bereits bewusst, als mich Thorin über Chus Handy im Supermarkt erreicht hatte. Doch da wusste ich noch nicht, wie sehr dieser kleine Mann über sich hinaus wachsen konnte, wenn er über alle maßen zornig gemacht wurde. Wobei das auch teilweise an seinem Schlafmangel zu liegen schien, der ihn nicht gerade gesund aussehen ließ. Er war ziemlich blass und unter den sonst so ausgeprägten, hellblauen Augen, waren dunkle Schatten zu erkennen. Auch dass er offensichtlich immer noch nicht gegessen hatte wurde deutlich, denn die anderen Zwerge saßen an den Tischen und genossen ihr Mittagsmal. Nur er hatte gewartet bis wir endlich aufgetaucht waren. Zunächst machte es noch den Eindruck, dass er sich nach dem Telefonat wieder etwas beruhigt hatte. Doch dieser Eindruck täusche sehr über seine tatsächliche Gefühlslage hinweg. Als er Bofur, seine Neffen und mich mit einem sehr kargen Wortschatz in sein Zelt komplementierte, wirkte er gerade noch ziemlich gefasst. Auch als er Micha dafür dankte, dass er und seine Club-Mitglieder uns heil zurück gebracht hatten. Wir durften sogar noch die Einkäufe ausladen und mitnehmen. Doch ich konnte es Kili und Fili ansehen, als wir geschlossen zum Zelt gingen, dass etwas Großes über uns herein brechen würde. Mit jedem Schritt wurde ich nervöser und sah mich nach allen Seiten nach einer Fluchtmöglichkeit um. Doch dies wusste Thorin früh genug zu unterbinden, da er direkt hinter mir her lief und mir fast dabei in die Hacken trat. "Denk nicht mal daran", gab er in einem gepressten Tonfall von sich. Ich schluckte und ballte die Hände in meinen Rocktaschen zu Fäusten. Ich merkte wie sehr ich begann zu zittern. Sicher würde ich das Meiste von dem abbekommen, was er noch in seinen Gedanken verborgen hatte. Und irgendwo war das vermutlich auch gerechtfertigt. Ich hatte immerhin seine Neffen und einen seiner Männer entführt und mich mit diesen heimlich aus dem Staub gemacht. Auch wenn dahinter gute Absichten standen, würde er es mit Sicherheit nicht mehr verzeihen können. Erst recht nicht in der Verfassung in der er zur Zeit war. "Setzen", raunte er barsch, als wir endlich angekommen waren. Wortlos nahmen wir vier auf dem grasbewachsenen Boden platz. Fili saß rechts neben mir, daneben sein Bruder und ganz am Ende der Reihe Bofur. Wir schauten zum Zwergenkönig auf und harrten der Dinge die da kommen würden. Aber zunächst kam erst einmal gar nichts. Er stand nur vor uns und sah uns Minuten lang von Oben herab an. Die Arme vor der Brust verschränkt und einem Gesicht, das unerbittlicher nicht sein konnte. Ich wusste nicht, ob er versuchte die Worte nun genau zu wählen, die er uns an den Kopf werfen wollte oder ob er schlichtweg darauf wartete, dass einer von uns anfing sich zu rechtfertigen oder zu entschuldigen. Vorsichtig riskierte ich einen kurzen Seitenblick zu meinen Mitverschwörern. Auch diese ließen immer wieder ihre Augen flüchtig unter den Anderen hin und her wandern. Aber niemand traute sich auch nur im entferntesten die Stimme zu erheben und mutig das Gespräch anzufangen. Ich überlegte, ob es denn wirklich weise sein würde, sich hervor zu tun, um die Männer in Schutz zu nehmen, die mir ja eigentlich nur hatten helfen wollen. Ein paar Mal musste ich die Worte, die mir auf der Zunge lagen runter schlucken, da ich auf keinen wirklichen Nenner kam. Ich wollte ihn auf gar keinen Fall provozieren oder noch weiter reizen. Aber die Anderen ins Messer laufen zu lassen kam für mich auch nicht in frage. Indessen hatte ich das Gefühl, dass nicht nur durch die Sommersonne, die Luft immer unerträglicher wurde, sondern auch durch die Stimmung, die man buchstäblich mit einem Messer schneiden konnte. Flüchtig rutschte mein Blick auch auf meine Armbanduhr. Wir hatten uns nun schon fünf Minuten lang an geschwiegen und ein Ende war nicht in Sicht. Schließlich sprangen mir, doch zwei Worte aus dem Mund, die ich einfach wegen der Anspannung nicht mehr zurück halten konnte. "Ich wars", platze es aus mir raus. Ich fühlte Fili neben mir heftig zusammen fahren, als wäre gerade eine Bombe geplatzt. Niemand antwortete. Die drei kleinen Männer neben mir wirkten haltlos entsetzt darüber, dass ich es gewagt hatte die Stille zu durchbrechen. Thorin wand langsam den Kopf in meine Richtung und legte diesen leicht schief. "Habe ich es mir doch gedacht", sagte er knapp und sehr leise. Seine Augen bohrten sich erneut wie Speere in die Meinen. Lange konnte ich seinem Starren nichts entgegen setzen. So senkte ich bald den Kopf. Wieder trat schweigen ein, doch eine Sache änderte sich. Thorin begann sich von der Stelle zu bewegen, an der dieser zuvor noch wie festgewachsen gestanden hatte. Er ging nun vor uns auf und ab. Wenn ich nach oben schielte, sah ich wie er sich mit einer Hand über den schwarzen Bart strich und anscheinend über etwas nach dachte. Doch ich ahnte, dass er es gar nicht tat, sondern es gerade einfach nur genoss welche Wirkung er auf uns vier ausübte. Fili rutsche neben mir immer wieder unruhig hin und her, wenn er dachte sein Onkel sähe dies nicht. Er musste es aber auch nicht. Nachdem der Zwergenkönig ein paar Mal an uns vorbei gegangen war, begann er sehr langsam zu sprechen. Seine Stimme wirkte für seine Verhältnisse sehr ausgeglichen und versonnen. Doch schwang gerade darin der gewisse Hauch von Gefahr mit, dem man verfallen konnte, wenn man zu einer bestimmten Zeit etwas unvorsichtiges tat. "Also. Cuna hat sich bereits dazu bekannt, dass sie für eure heimliche Flucht aus dem Lager verantwortlich ist. Nun stelle ich mir die Frage, wie könnte ich sie dafür bestrafen, dass sie einen meiner Männer und meine beiden Neffen so unbedacht in Gefahr gebracht hat", sagte er und blieb dann seitlich vor mir stehen. Er hatte den Kopf zur Zeltdecke erhoben und sah mich im Augenwinkel mit einem eiskalten Blick an. Inzwischen fand allerdings Kili seine Stimme wieder, der plötzlich tollkühn zu werden schien, um mich in Schutz zu nehmen. "Nein Onkel. Du darfst sie nicht bestrafen. Das war meine Idee", stolperten die Worte hastig aus seinem Mund. "Kili!", sagte sein Bruder erschrocken. "Ach, sieh an. War es doch nicht Cuna, die das Ganze ausgeheckt hat?", fragte der Zwergenkönig mit spitzem Ton. Nun ging er zu seinem jüngsten Neffen und baute sich dort zu voller Größe auf. Wobei dies aufgrund der Tatsache, dass er ein Zwerg war schon eine ziemliche Leistung darstellte. Kili sah beklommen nach oben und schluckte gut hörbar. "Aufstehen", sagte Thorin und sein Tonfall verhärtete sich schlagartig. Zögerlich stand der junge Zwerg auf. Ich konnte ihm ansehen, dass er lieber sitzen geblieben wäre. Aber das hätte den Moment vermutlich nur noch mehr unter Spannung gesetzt. Außerdem wippte Thorins Stiefel bereits gefährlich ungeduldig. Als er endlich gerade vor ihm stand, vermied Kili tunlichst seinem Onkel direkt in die Augen zu schauen. Er wusste sicherlich warum. "Also", meinte Thorin langsam, "Dann erzähl mir doch mal, wie der Plan ausgesehen hat, den du für euer kleines Abenteuer geschmiedet hast." Dem Jungen klappte immer wieder der Mund auf und zu. Er suchte verzweifelt nach einem guten Anfang. Immer wieder rieb er sich fahrig die Hände an seiner Leinenhose ab. Auch wenn ich es nicht genau erkennen konnte, war mir klar, dass der arme Kerl nun gewaltig am Schwitzen war. Hin und wieder huschte sein Blick hilfesuchend zu einem von uns. Sein Bruder war genauso erstarrt wie Bofur, den ich zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, nicht mit einem Lächeln im Gesicht sah. Ich selbst versuchte ebenfalls noch meine Gedanken zu sortieren. Wenn Kili seinem Onkel keine zufriedenstellende Antwort geben konnte, würde das sicher sehr böse werden. Daran erinnerte er uns auch prompt, indem er mit einem leicht gereizten Singsang in der Stimme verkündete: "Ich habe den ganzen Tag Zeit, Kili." Einerseits klang es äußerst verführerisch, wenn er so sprach. Aber andererseits musste ich ausnahmsweise einmal meine Gedanken bei der Sache halten und nicht einfach in eine fantasievolle Traumwelt abgleiten. Dafür war die Lage einfach zu ernst und bedrohlich. Unterdessen rang Kili mit sich selbst und nach Worten. Krampfhaft versuchte er halbwegs sinnvolle Sätze von sich zu geben. "Also, es war so. Ich hatte, gedacht. Nun ja. Es wäre doch schön, wenn Cuna schon bei uns übernachtet. Dann könnte sie doch. Also nur so überlegt. Auch mal für uns etwas Gutes tun. Und da hab ich sie gefragt, ob sie uns nicht mal ein Essen zu bereiten könnte", stotterte er verzweifelt herum. Der Zwergenkönig hob eine Augenbraue und sah mit spöttischem Blick zu mir herüber. "Ist das so, Cuna?", fragte er. Ich fühlte wie mir immer wieder der Mund auf und zu klappte. Gut es war zu beginn seine Idee gewesen, aber diese hatte ich ja weiter ausgebaut und in die Tat umgesetzt. Was sollte ich ihm also sagen? Kilis Version einfach bestätigen und hoffen, dass er diese so einfach hin nahm? Oder alles widerlegen und erzählen, dass es so nicht war und er mich damit nur schützen wollte? Vielleicht war es aber auch ganz gleich, was ich sagen würde. Und so wie ich ihn mir betrachtete, hatte ich mit dieser Vermutung wahrscheinlich recht. "Nein. Das war so nicht. Lass die Jungs da raus. Es ist alles meine Schuld", gab ich von mir und erhob mich ohne vorangegangene Aufforderung. "Ich hab dir nicht gesagt, dass du aufstehen darfst", fauchte Thorin und konnte nun wegen meinem Vorstoß keine Spur seines Zorns mehr verdecken. "Es ist mir egal, ob du mir die Erlaubnis dazu gibst. Ich will nicht, dass andere für meine Dummheit den Kopf hin halten", erwiderte ich mit unerwartetem Übermut. Er trat langsam auf mich zu. Sein Gesicht war nun nicht mehr ausgeglichen wie noch zuvor. Es war vor Wut ganz entstellt. Das Einzige, was an ihm noch ruhig blieb, war die Stimme. Wobei diese mehr und mehr in Rage geriet, je näher er mir kam. "Dann sag mir, was dich dazu bewogen hat nicht nur dich selbst, sondern auch meine Neffen und Bofur derart in Gefahr zu bringen?", knurrte er mit zusammen gebissenen Zähnen. "Ich wollte euch allen eine Freude machen. Nur ein kleines Essen. Nichts weiter. Euch etwas auf den Weg mit geben, dass ihr mich nicht vergesst, wenn wir uns nie mehr wieder sehen werden", murmelte ich leise. Meine Stimme bestand aus einem einzigen, zitternden Auf und Ab von Tonlagen. Dass sie sich dabei nicht überschlug, wunderte mich selbst ein bisschen. "Eine Freude machen", kam es bestürzt von Thorin, dem kurz der Mund offen stehen blieb. Ich konnte nur nicken und sah ihn mit gesenktem Kopf von unten herauf an. Es brauchte eine Weile, bis der kleine Mann wieder die Fassung gewann. Offenbar hatte ihn das leicht aus dem Konzept gebracht. Aber dort fand er binnen Sekunden wieder hinein. "Du wolltest uns eine Freude machen? Und was bitte für eine? Ein Essen sagst du? Oder viel mehr, dass du alle in Lebensgefahr bringst?! Kili, Fili und Bofur?! Und vor allem dich! Bist du noch ganz bei Sinnen?!", reif er aus und packte mich fest an den Schultern. Seine Finger drückten sich tief in die Muskeln hinein. Ich spürte schnell, wie meine Arme taub wurden. Er schüttelte mich ein paar Mal kräftig. Entsetzt von Thorins Ausbruch, waren nun auch Fili und Bofur aufgesprungen. Vermutlich, weil auch sie vor Anspannung nicht mehr wussten wohin mit sich selbst. Kili streckte verschreckt einen Arm vor und legte diesen seinem Onkel auf die Schulter, was eher wenig brachte. "Onkel, nicht! Tu ihr nicht weh! Sie hat damit nichts zu tun!", rief Fili aus und wollte dazwischen gehen. Er versuchte einen Arm von ihm zu lösen. Bofur ging auf die andere Seite um das Selbe zu versuchen. Zunächst sah es so aus, als würden sie Erfolg haben, denn er ließ mich kurz los. Doch blitzschnell hatte er seine Arme befreit und die drei Zwerge zu beiden Seiten davon gestoßen. Sie fielen auf eine der Lagerstätten, die sich am Boden befanden. Das war der Moment, andem ich richtig Todesangst vor ihm bekam. Er machte keinen wirklichen unterschied mehr zu Verwandtschaft oder Freunden. Er sah nur noch mich allein. Er wirkte wie ein Raubtier. Ich war seine Beute und die wollte er unter allen Umständen reißen. Ich hob schützend die Arme vor meine Brust, welche er aber sofort ergriff, als er nach Vorne schnellte. Diese zog er mit Leichtigkeit herunter, damit er so dicht an mich ran treten konnte, wie nur irgendwie möglich. Er atmete schwer von der kurzen Anstrengung und gegen den Drang ankämpfend, noch fester zu zu packen, als er es ohnehin schon tat. Seine Händen bebten davon. Seine Miene war regelrecht vor Wut verzerrt. Ich wusste nichts zu Antworten. Doch das ließ er auch nicht zu. Er fing an sich mehr und mehr in die Sache hinein zu steigern. "Was hast du dir dabei gedacht?! Hast du geglaubt es würde mich freuen, dass du einfach meine Neffen und einen meiner Männer entführst und ihr noch dazu unbewaffnet irgendwo draußen in deiner Welt herum spaziert?! Ihr habt kein Lebenszeichen von euch hinterlassen! Nicht einmal eine kleine Botschaft! Ich war krank vor Sorge! Und dann habt ihr auch noch Ori dazu ausgenutzt, um eure Flucht zu vertuschen! Du hast meine eigene Familie, mein eigenes Volk gegen mich verschworen! Und wozu?! Wozu, Cuna?! Um allen eine Freude zu bereiten! Das ist alles was du wolltest ja?! Ich fühle schon seit meiner Ankunft hier keine wirkliche Freude mehr! Stetig geschehen hier Dinge, die jeden Einzelnen von uns in Gefahr bringen! Sogar tödliche Gefahr! Aber du denkst nur daran jemandem Freude zu bereiten! Ohne Rücksicht auf Verluste! All Jene denen du etwas bedeutest, nutzt du schamlos aus und nimmst sie mit in den Tod! Aber die, die dir ein Leid angetan haben, die lässt du unbescholten laufen! Und bei Durins Bart, ich hätte sie tausendfach dafür bezahlen lassen, wenn du mich nicht davon abgehalten hättest! Ich hätte ihnen ihre lächerlichen Schädel von den Schultern getrennt, als Warnung für alle, die es noch einmal gewagt hätten dir etwas anzutun! Ich hätte es niemals mehr zugelassen, dass auch nur irgendein Mann wieder Hand an dich legt! Du hast meine ganze Authorität und meine Ehre untergraben! Wie konntest du das tun?!", platzte es fast ohrenbetäubend laut aus ihm heraus, dass mir davon sogar die Ohren klingelten. Inzwischen hatten sich Bofur, Kili und Fili wieder erhoben und standen starr hinter dem Zwergenkönig. Alle Drei waren so erschrocken und verwirrt, dass sie sich gar nicht mehr rührten, um mir zu Hilfe zu kommen. Ich schluckte immer wieder, auch als Thorin eine diese kurze Atempause in seinem Wutausbruch einlegte. Seine Augen waren fest auf mein Gesicht geheftet. Ich wusste, dass es noch nicht vorbei war. Schon löste sich nämlich eine Hand von meinen Armen und bewegte sich ruckartig hinter seinen Kopf. "NEIN!", brüllten die drei Männer im Hintergrund, als sie die Hand schwungvoll in Richtung meines Gesichtes schoss. Ich kniff verschreckt die Augen zu und zuckte in mich zusammen. Die Zeit schien viel langsamer zu verlaufen. Ich erwartete schon bald ein böses Klatschen und einen heftigen Schmerz im Gesicht. Noch nie hatte ich den Bogen bei einem Mann derartig überspannt, dass er bereit war mich aus dem Stegreif zu schlagen. Und erst recht hatte ich nicht erwartet, dass derjenige Thorin sein würde. Innerlich bereitete ich mich auf den stärksten Aufprall meines Lebens vor. Doch nichts dergleichen geschah. Es gab keinen Knall und auch keinen klatschenden Aufschlag in meinem Gesicht. Stattdessen spürte ich nur einen leisen Lufthauch und danach breitete sich an meiner rechten Wange eine wohltuende Wärme aus. Ich konnte spüren, wie sich Thorins grobe Handfläche ganz sanft an meine Wange schmiegte. Seine Finger fuhren streichelnd über meine leicht verschwitze Haut. Erst durch diese Berührung merkte ich ,dass ich überhaupt in Angstschweiß ausgebrochen war. Vorsichtig öffnete ich die Augen zu Schlitzen. Was ich nun vor mir sah, konnte ich niemals wirklich beschreiben. Ich war schlichtweg so überrumpelt von seiner Erscheinung, dass ich meine Augen ganz auf riss. Da stand dieser Mann. Dieser stolze Mann. Nein, dieser stolze Zwerg und er sah völlig entgeistert und verschreckt aus. Zum ersten Mal konnte ich in all seinem Wesen erkennen, wie gebrochen und einsam er eigentlich war. Und noch etwas war da zu sehen. Es war Angst. Die nackte Furcht strahlte mir aus den sonst so kühlen blauen Augen entgegen. Doch war mir nicht klar vor was er sich nun genau fürchtete. War es etwa vor dem, was er beinahe getan hatte? Oder dass ich selbst verängstigt und hilflos vor ihm stand? Die drei Männer hinter ihm hatten einen Schritt auf ihn zu getan, waren aber dann in ihren Bewegungen buchstäblich eingefroren. Alle hatten eine andere Reaktion erwartet. Aber gewiss nicht, dass der König in seinem Tun inne halten würde. Außerdem sahen sie nicht, was ich sah. Und das machte mir nur umso größere Sorgen. Es schienen Ewigkeiten vorbei zu ziehen, während er wie in Trance meine Wange streichelte. Ich sah, dass er seine Lippen bewegte, doch er sprach noch keinen Gedanken aus, der ihm in diesem Moment durch den Kopf strich. Schließlich drangen doch ein paar Worte aus seinem Mund. Aber sie klangen seltsam fremd und fern."Ich... ich kann nicht. Ich kann dir kein Leid antun. Wieso nur? Wieso nur du? Nach all den Jahren in der Dunkelheit. Nach all der ganzen Zeit. Warum musstest ausgerechnet du es sein? Warum bist du die Frau? Die Eine, die mir das Herz erwärmt, das ich lange Zeit habe erfrieren lassen. Ich habe das nie gewollt. Warum geschieht es ausgerechnet jetzt?", flüsterte er. Sein Blick änderte sich erneut. Er schien in noch weitere Ferne zu schauen. Mitten durch mich hindurch, als wäre ich gar nicht da. Auch seine andere Hand, die immer noch einen Arm festhielt lockerte sich stückchenweise. Aber das nahm ich nur am Rande wahr. Ich keuchte aber ein wenig, als ich plötzlich registrierte, was genau er da von sich gegeben hatte. War das sein Ernst? War... ich wirklich Die Frau? Die Eine? Hatte er plötzlich verstanden, was da am vorherigen Tag auf dem Wachturm in ihm vor gegangen war? Als in mir diese Erkenntnis reifte, breitete sich irgendwo in meiner Magengegend ein kribbelndes, warmes Gefühl aus. Ich konnte es ganz deutlich spüren. Er stand mir so nahe, dass ich meinte zu sehen, wie sein Herz in der Brust begann immer heftiger zu pochen. Als er es selbst bemerkte, zuckte er kurz keuchend zusammen und flüsterte mit seinem abwesenden Blick weiter: "Wann ist es nur so weit gekommen? Wie konnte sie das tun? Wie nur?" Er ließ den Blick auf mich sinken. Seine Augen waren unergründlich Leer. Etwas stimmte nicht mit ihm. Ich konnte es ganz deutlich erkennen. "Thorin?", fragte ich ganz zaghaft. Doch ich bekam keine Antwort. Er starrte nur weiterhin ins Leere und streichelte meine Wange. Sein Kopf sank immer weiter. "Thorin? Ist alles in Ordnung?", fragte ich plötzlich nervös und alarmiert, dass er gar nicht auf mich reagierte. Sein Atem ging immer hastiger und sein Herz schlug spürbar immer schneller. Dann brach er vor meinen Augen einfach zusammen. Seine Hand rutschte von meinem Gesicht, die Andere löste sich vollends von meinem Arm. Er stürzte mit seinem ganzen Gewicht unaufhaltsam auf mich. Ich versuchte ihn zu halten, doch er war zu schwer für mich. "THORIN!", schrie ich noch entsetzt und schon lagen wir beide auf der Erde. "ONKEL!", kam es panisch von Kili und Fili, die aus ihrer gefrorenen Haltung erwacht waren und schnell zu uns eilten. Auch der völlig verdatterte Bofur konnte sich nun endlich wieder bewegen und half den beiden Jungs den Zwergenkönig von mir runter zu heben. Sie rollten ihn auf den Rücken. Die Augen hatte er geschlossen. Aber er atmete immer noch schnell und abgehetzt. Allerdings war er komplett ohne Bewusstsein. Ich kam langsam hoch und hockte mich neben ihn. Verzweifelt rüttelte ich an ihm herum. "Thorin? Wach auf, Thorin! Was ist mit dir?! Sag doch was! Bitte!", keuchte ich aufgeregt. Vorsichtig tätschelte ich ihm das Gesicht und hoffte ihn damit wieder wach zu bekommen. Doch nichts dergleichen hatte Erfolg. Im Gegenteil. Es ging ihm sogar unsagbar schlecht und erst auf diese Weise konnte ich es feststellen. Der Ärmste hatte sich offenbar so überanstrengt und verausgabt, dass er richtig glühte. "Himmel Gesäß und Nähgarn!", fluchte ich. "Was ist Cuna? Was hat er denn?", fragte Fili, der sich ebenfalls runter beugte und ihn abtastete. "Er scheint hohes Fieber zu haben. Verdammt, das hab ich kommen sehn!", knurrte ich verzweifelt. "Und was sollen wir jetzt tun?", fragte Bofur nervös und sah sich nach allen Seiten hilfesuchend um. "Schaff Oin heran. Der weiß sicher was zu tun ist", kam es ernst und deutlich von Fili, der als einziger von uns einen kühlen Kopf bewahren konnte. "Onkel, sag doch bitte was? Red mit uns. Nur ein Wort. Bitte", flehte Kili und rüttelte ihm ebenfalls an der Schulter. "Ja. Oin. Ja. Gute Idee", sagte Bofur und wollte gerade los stiefeln. Doch da drehte er sich noch mal kurz um, deutete mit einem Finger auf den Zwergenkönig und rief: "Rühr dich nicht vom Fleck!" "Jetzt geh schon verdammt!", schnauzte ich ihn an und schon war er davon gestolpert. "Was tun wir jetzt?", fragte Kili ratlos. "Wir legen ihn auf seinen Schlafplatz. Fasst mal mit an", kam es von seinem Bruder. Wir erhoben uns und versuchten irgendwie den bewusstlosen Thorin auf seine Decke zu legen. Es war kein wirklich leichtes Unterfangen und auch aus Sicht eines Ersthelfers wohl äußerst unverantwortlich, wie wir ihn dort ablegten. Aber zumindest würde er da weicher liegen, als auf dem Gras. Ich schob ihm seine andere zusammengerollte Decke unter den Kopf, den seine Neffen dafür kurz anhoben. Danach griff ich mir seinen Mantel, der irgendwo an seinem Kopfende lag und breitete diesen einfach über seinen Beinen aus. Die Jungs entfernten die Stiefel. Ich blieb an seinem Kopfende und strich ihm vorsichtig und ratlos einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht. Bald kam der Rest der Mannschaft ins Zelt gestolpert und fand uns mitten in diesem Malör vor. Reihum breiteten sich allgemeine zwergische Fluch und Schimpfworte aus. "Lasst mich durch. In Durins Namen, steht mir doch nicht im Weg", zeterte der alte Oin und zwängte sich zwischen den Anderen hindurch. Er nahm mir gegenüber platz, schob meine Hand weg und untersuchte nun seinerseits den Zwergenkönig. Ich schluckte immer wieder, während ich ihn dabei beobachtete. Er fühlte ihm den Puls, tastete die Stirn ab und lauschte, so gut er mit seinem kaputten Gehör konnte, an seiner Brust. Für mich vergingen in der Zeit Stunden des Wartens, auch wenn es nur ein paar Minuten waren. Endlich richtete der alte Zwerg sich auf und schüttelte sacht den Kopf. "Was ist Oin? Was hat er?", kam es von Dwalin, den ich auch noch nie so besorgt gesehen hatte. "Ich habs ihm gesagt. Nicht einmal sondern mindestens zehnmal", meinte Oin grimmig und schnaubte. "Was denn? Ist es was Ernstes?", fragte Kili und rückte wieder etwas näher. Der alte Zwerg musterte den Burschen und grinste Kopfschüttelnd. "Nichts Ernstes. Keine Sorge. Er ist lediglich übermüdet und braucht etwas Schlaf. Ein paar Stunden ruhe und was ordentliches zu essen. Dann geht es ihm bald wieder besser", meinte er sachlich und stand langsam auf. Allgemein erleichtertes Seufzen machte die Runde. Selbst mir fiel ein kleiner Stein vom Herzen. Dennoch war mir Hunde elend zumute. Das Ganze hatte ich mit zu verantworten. Ich hätte nicht so stur sein und meinen Plan eiskalt durchziehen sollen. Dann wäre er sicherlich nicht so aus der Haut gefahren und in dieser Verfassung. Um mich herum brachen erleichterte Gesprächsflüsse aus. Ich hörte stückchenweise, was Kili, Fili und Bofur dem Rest von unserem Ausflug zu berichten hatten und dass es für alle eine Überraschung hatte geben sollen. Doch so genau lauschte ich dem nicht. Meine Aufmerksamkeit galt dem kleinen, dunkelhaarigen Mann, der inzwischen wesentlich ruhiger atmete. Ich musterte ihn betrübt und nachdenklich. Ob er denn nun wirklich genau über seine Gefühle Bescheid wusste? Oder würde er es für einen Traum halten, wenn er wieder erwachte und mich mit seinem üblichen ernsten Gesichtsausdruck mustern? Und wenn er es nicht für einen Traum hielt und stattdessen sogar viel früher abreisen wollen würde? Ich biss mir auf die Lippen. Er würde sicherlich an seinem alten Plan festhalten. Einfach fort gehen und nie wieder zu kommen. Nachdem was ich ihm hiermit angetan hatte, war dies wohl nicht mehr zu verhindern. Egal ob er es nun für einen Traum hielt oder nicht. Er würde gehen und mich allein hier zurück lassen. Auch wenn ich nun zumindest etwas mehr darüber wusste, wie er zu mir stand. Oder ich glaube es zunächst. Ich war kurz davor wieder in Tränen auszubrechen, als mir jemand etwas auf den Kopf fallen ließ. Erschrocken fuhr ich herum und stellte fest, dass es Bofurs Fellmütze war. Ich schob diese aus meinem Gesicht und sah auf. Die kleinen bärtigen Männer starrten mich alle samt erwartungsvoll an. "Was.... was ist denn?", fragte ich leise. "Sag mal, willst du da noch lange sitzen und Thorin die Hand brechen, oder stehst du langsam mal auf und bereitest das Essen vor, was du machen wolltest, Weibstück?", fragte Dwalin mit belustigter Stimme. Etwas erschrocken sah ich auf meine Hand. Tatsächlich hatte ich während meiner Grübelei nicht bemerkt, dass ich diese in die von Thorin gelegt und fest zu gedrückt hatte. Ich verzog peinlich berührt den Mund und schob die Mütze tiefer ins Gesicht. Langsam und ein wenig widerwillig zog ich meine Hand wieder an mich heran. Vorsichtig erhob ich mich. "Na also. Dann sieh mal zu, dass du bis heute Abend fertig wirst, bevor das Zeug verdirbt", kam es von Nori, der mich tatsächlich angrinste. Ich sah noch einmal kurz schweigend nach unten zu Thorin. Es widerstrebte mir ein bisschen von seiner Seite zu weichen, wegen etwas, das eigentlich erst der Auslöser für seinen Zustand gewesen war. Ich überlegte ob ich mich nicht doch wieder zu ihm setzen sollte. Aber just in dem Moment legte sich eine Hand vorsichtig auf meine Schulter. Balin war an mich heran getreten und lächelte mich trösten an. "Lasst ihn ruhen. Ihr könnt hier vorerst nichts ausrichten. Wenn er aufwacht, wird er sicher hungrig sein. Und ich bin überzeugt, wenn er erst einmal den Duft Eures Essens in die Nase bekommt, dann wird er gar nicht genug davon haben wollen", sagte er und zwinkerte mir freundlich zu. Ich musterte den weißhaarigen Zwerg eine Weile und ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen. Ja, er hatte recht. Auch wenn ich dort sitzen bleiben würde, so konnte ich eh nichts wichtiges tun. Und ich hatte mir so viel Arbeit damit gemacht, alle Sachen heil ins Zeltlager zu bringen. Es wäre eine Schande um das Geld, was ich damit wegwerfen würde. So ließ ich meine Augen von einem Zwerg zum anderen wandern und diese schauten entschlossen zu mir zurück. Also nahm ich Bofurs Mütze vom Kopf und nickte dann. "Gut. Dann bereite ich mal alles vor. Möchte mir jemand helfen?", fragte ich und versuchte ein wenig entschlossener zu klingen. Unter den Herren brach Gekicher aus. "Ich helfe!", rief Ori als erstes und wedelte grinsend mit dem Arm in der Luft herum. "Wir machen auch mit", kam es von Kili und Fili. Aber von denen hatte ich auch nichts anderes erwartet. Der Rest murmelte zustimmend und hier und da nickte einer kurz. "Gut. Kili, Fili, ihr holt mir eben kurz Wasser. Und der Rest kann dann schon mal anfangen die Zwiebeln und Kartoffeln zu schälen, und den Speck klein zu schneiden. Ich muss eben kurz zum Küchenzelt um Salz und Pfeffer zu holen", sagte ich und schritt schon an den Männern vorbei. Eins musste man ihnen lassen. Man brauchte ihnen manches nicht zwei mal sagen. Ehe ich mich versah, hatten sich Dori, Nori, Ori und Bombur über den Sack mit Zwiebeln her gemacht und suchten sich ein paar Schemel, wo sie diese in ruhe abschälen konnten. Kili und Fili waren sofort zum Wasserholen verschwunden. Bofur machte sich mit Bifur daran den Schinken zu bearbeiten. Der Rest organisierte Schneidbretter, Messer oder Dolche und eine größere Pfanne, die man über ein Lagerfeuer hängen konnte. Nun ja, mit Ausnahme von Gloin, der wie immer auf Abstand zu dem Ganzen blieb. Mir sollte es recht sein. Dann bekam er auch nichts von dem Essen ab. Auf dem Weg zum Küchenzeit, rannte mich Chu beinahe um. "Huch? Chu? Was hast du es denn so eilig?", fragte ich ein wenig überrascht. "Oh, gut das ich dich treffe. Ich hab mitbekommen, dass bei euch da drüben was passiert ist und dachte schon du hättest wieder was", meinte sie und atmete erleichtert auf. "Nein. Ich bin es nicht. Thorin ist vorhin zusammen gebrochen. Der ist total übermüdet und schläft jetzt erst mal", erklärte ich ihr kurz angebunden. "Oh man. Ist hoffentlich nichts ernstes. Hab mich schon gefragt, wo der sich die ganze Zeit rum treibt. Der hat dich ja ordentlich am Handy zusammen gefaltet. Aber wo du schon mal da bist. Ich wollte dich kurz daran erinnern, dass heute Abend Karaoke ist. Willst du dich nachher anmelden? Dann bring ich dir die Lieder-Liste vorbei", meinte sie und lächelte etwas. Mir klappte augenblicklich die Kinnlage runter. "Verdammt! Ist heute Abend wirklich schon Karaoke?", hakte ich noch mal nach. Chu nickte. "Ja. Hast du wohl ganz vergessen was? Also was ist? Machst du mit?", fragte sie noch mal. "Ja. Natürlich mach ich mit. Ich hoffe nur, ich komme etwas später dran. Ich muss vorher noch ein bisschen was erledigen", sagte ich. "Kein Problem. Ich bring dir dann die Liste, wenn sie rum geht. Und mach dir keinen Kopf. Das fängt ja eh erst um acht Uhr an. Hast alle Zeit der Welt bis dahin, das zu erledigen, was du willst. Ich muss weiter. Richi wollte kurz bei Frodo vorbei und ist da auch schon eine ganze Weile. Mal sehn, wo der sich wieder fest gequatscht hat", sagte sie und klopfte mir zum Abschied auf die Schulter. Ich nickte nur und schaute ihr kurz nach. Herrjemine, das Karaoke singen! Das war mir ja völlig entfallen. Und ausgerechnet zu einem so ungünstigen Zeitpunkt. Aber ich wollte dieses Jahr unbedingt wieder mit dabei sein. Auch wenn das hieß, dass Thorin es wohl nicht mitbekommen würde. Doch mir fiel etwas ein, was mich über seine Abwesenheit dort hinweg trösten konnte. Ich würde ein Lied aussuchen, welches ich ganz allein für Ihn singen wollte. Nur welches ich nehmen sollte. Das bliebe dann wohl oder übel, die Qual der Wahl. - 41. Das Leiden des Zwergenkönigs / ENDE - Kapitel 42: 42. Liebe geht durch den Magen ------------------------------------------ Nun schien es beinah offiziell zu sein. Zumindest unter den kleinen bärtigen Männern. Auch wenn ich mich damit immer noch nicht ganz anfreunden konnte, dass die Herren nichts unversucht ließen mich immer wieder mit der Tatsache aufzuziehen, dass eine Menschenfrau ihren König versuchte zu verführen. Wobei dies auch nicht gerade das richtige Wort war. Aber sie verwendeten es bei jeder Gelegenheit die sich ihnen bot. So kam es das ein oder andere Mal sogar vor, dass mich Dori oder Nori spöttisch "meine Königin" nannten. Ich schnaubte dabei etwas missbilligend, worauf ich reihum für Gelächter sorgte. Dem ein oder anderen gefiel diese Vorstellungen, aber manche blieben auch in der Hinsicht so skeptisch wie ich. Immerhin wussten sie ja nicht, ob Thorin, wenn er wieder zu sich gekommen war, überhaupt noch einen Gedanken daran verschwenden würde. Und ausgerechnet mich zu seiner Königin zu machen, war ja nun doch sehr weit hergeholt. Auch wenn ich mich, während ich dabei war die Kartoffel zu waschen, hin und wieder mal dabei erwischte, wie ich einfach versuchte mich in höfischen Gepflogenheiten zu üben. Zumindest in denen, die für uns Menschen allgemein hin üblich waren. Das hießt gerade und aufrecht gehen, sitzen und stehen. Die Hände nicht zu weit vor zu bewegen. Also immer schön nah am Körper zu behalten. Auch beim Sprechen und Gestikulieren. Das machte ich unbewusst ein paar Minuten lang, bis mich Dwalin in seiner üblichen freundlichen Art auf die Sache aufmerksam machte. "Weibstück, du sitzt so Stock steif da, als würde dir jemand mit einem Dolch in den Rücken stechen. So kannst du nicht vernünftig arbeiten", raunte er ein wenig belustigt. Ich sah ihn etwas beleidigt und peinlich berührt an, als ich mir eine Kartoffel zum Schälen aus dem Wasser nahm. Schon setzte ich mich wieder etwas entspannter hin und ließ seinen Kommentar erst einmal auf sich beruhen. "Dwalin, es steht dir nicht zu unserer Königin Befehle zu erteilen", kam es grinsend von Bofur. "Jetzt fang du nicht auch noch mit diesem Königinnen quatsch an. Ihr vergesst dass es da einen gibt, der das zu entscheiden hat und das ist keiner von euch", maulte ich in seine Richtung und zog ihm kurzerhand ruckartig seine Mütze über die Augen. Bofur lachte, schob sie die Mütze wieder von den Augen und schnitt weiter den Schinken in Streifen und Würfel. "Ausnahmsweise muss ich dem Menschenweib mal recht geben. Und ich glaube nicht, dass Thorin sich dazu herab lassen würde eine wie sie an seine Seite zu nehmen. Es ist einfach viel zu lächerlich", kam es barsch von Gloin. Ich quittierte das nur mit einem Augenrollen, doch Fili, der an meiner anderen Seite saß, hob mit strengem Blick den Kopf. "Du hast es genauso wenig für Thorin zu entscheiden, Gloin", knurrte der blonde Zwerg. "Wenn ich es zu entscheiden hätte, dann hätte ich das Menschenweib in ihrem Glasgefängnis verbrennen lassen", grummelte der rothaarige Zwerg und versah mich mit einem sehr giftigen Blick. "Hör auf so mit ihr zu reden! Sie hat dir nichts getan!", rief Kili aus, der aufgesprungen war und mit gehobenen Schälmesser auf ihn zu marschierte. Gerade bevor er Gloin erreichen konnte ging Balin dazwischen. "Bewahr deine Fassung Junge. Fang jetzt hier keinen Streit an", sagte dieser und zog den jungen Burschen etwas zurück. Gloin betrachtete die Situation mit einem überheblichen Grinsen. "War ja zu erwarten, dass der Jungspund für das Menschenweib in die Bresche springt. Er ist ja selbst nicht ganz richtig im Kopf, wenn ich mich da an sein Elbenliebchen erinnere", meinte er und konnte dabei ein Glucksen in der Stimme nicht verbergen. "Lass Tauriel da raus, Gloin! Das gehört nicht hier her!", knurrte Kili und wollte wieder einen Schritt vor. Er hatte immer noch das Messer in der Hand und fuchtelte wild gestikulierend damit vor der Nase des kleinen Mannes herum, der abwehrend und verschreckt die Hände hob. Ich musste schlucken, als ich die Situation betrachtete. Nun fingen sie schon an sich meinetwegen gegenseitig ab zustechen. Das konnte, im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen, wenn er nicht aufpasste. "Kili, nimm das Messer runter. Um Himmels willen, du verletzt noch jemanden", meinte ich etwas hektisch. Kili sah mit hoch gezogenen Augenbrauen zu mir herunter. "Aber er beleidigt dich ständig", erwiderte der Junge aufgebracht. "Das ist kein Grund ihn mit einem Messer zu bedrohen. Lass den alten Sack vor sich hin brummen. Wenn ich nicht in sein heiles Zwergenweltbild passe, dann ist das sein Problem. Und jetzt setz dich wieder hin", gab ich ungeduldig von mir. Er starrte mich noch einen Moment lang an, danach ließ er mit mahnendem Blick auf den rothaarigen Mann das Messer sinken. Dieser schnaubte: "Verrückt geworden, die ganze Sippschaft. Wäre ich doch lieber zuhause geblieben." Darauf hin verließ er uns und verschwand in sein Zelt. Kili setzte sich murrend wieder auf seinen Schemel und Balin seufzte leise. "Dem alten Stinkstiefel ist auch nicht mit guten Worten bei zu kommen", sagte er schlicht und kramte sein Pfeifchen heraus. "War er schon immer so?", fragte ich ruhig, um zumindest die Stimmung wieder zu entspannen. "Oh ja, das war er immer schon. Aber da ist er nicht der Einzige. Ihr müsst wissen, wir Zwerge bleiben meist unter unseres Gleichen. Auch wenn es in der Vergangenheit viele gute Beziehungen zu Elben und Menschen gab, blieben wir unseren Traditionen immer treu ", kam es von Oin, der sich wieder zu Thorin gesetzt hatte, um diesen im Auge zu behalten. Ich sah nach hinten und musterte den alten, schwerhörigen Mann kurz. Er hatte sich zu uns umgedreht und lächelte etwas. "Ist das wirklich so? Sind eure Traditionen wirklich so engstirnig und streng?", fragte ich neugierig. "Sind es Eure denn nicht?", erwiderte der alte Zwerg. Ich grübelte einen Augenblick nach und tippte mir nachdenklich mit dem Finger ans Kinn. Sicher es gab einige Traditionen bei uns Menschen, die auch noch bis heute nicht alle gebrochen worden waren. Hier und da war es immer noch ein Skandal, wenn eine dieser Hemmschwellen überwunden wurde. "Also es gibt da schon die eine oder andere. Wobei hier zu Lande schon viele abgeschafft und erneuert worden sind", erklärte ich ruhig. "Ihr schafft eure Traditionen ab? Das Gut was euch eure Vorfahren hinterlassen haben, werft ihr einfach davon, als wäre dies wertlos?", fragte Bifur mit haltlos entsetzter Miene. "Also es war nicht alles gut bei uns. Ich denke manches war damals genauso, wie bei euch jetzt noch. Die Männer gingen arbeiten und die Frauen blieben zuhause, hüteten den Nachwuchs und sorgten für den Haushalt", sagte ich. "Und das gibt es hier nicht mehr?", kam es mit hoch gezogenen Augenbrauen von Nori. Ich lächelte und schüttelte ruhig den Kopf. "Nein, zumindest nicht mehr so häufig. Heutzutage kommt es immer mehr vor, dass die Mütter allein oder mit dem Vater zusammen eine Arbeit annehmen müssen, damit die Kinder ernährt werden können. Allgemein hat sich das Leben in den letzten hundert Jahren hier ein meiner Welt so sehr gewandelt, dass man selbst als Mensch fast gar nicht mehr hinterher kommt. Beinahe jeden Tag gibt es inzwischen neue Entdeckungen und Erkenntnisse, die uns bisher verborgen geblieben waren", erklärte ich ruhig. "Das verstehe ich nicht. Warum habt ihr sie nicht schon früher entdeckt?", fragte Bombur, der eigentlich nur selten etwas von sich gab. Aber diesmal war selbst er äußerst interessiert. Ich musste etwas seufzen, als er das erwähnte. Es war wirklich nicht einfach das zu erklären. Vor allem da ich damit die halbe menschliche Entstehungsgeschichte auspacken musste. Das hieß natürlich, ich musste ihnen davon erzählen, was die Menschen hier glaubten und wie sie tatsächlich entstanden waren. Das war ein völliger Unterschied zu dem, was ich über die Welt von Mittelerde aus dem Silmarillion gelesen hatte. Und ich war mir zu tausend Prozent sicher, dass sie nichts von allem verstehen würden. So beließ ich es erst einmal dabei, es ihnen auf andere Art klar zu machen. Doch musste ich selbst dafür einen guten Anfang fingen. "Also, wisst ihr. Damals war es so, dass es Menschen hier gab, die das Entdecken und Erfinden von Dingen anderen Menschen verboten haben, weil sie angst davor hatten etwas in ihrem Leben ändern zu müssen. Alles Neue wurde erst einmal als böse bezeichnet, da außer den Machern niemand etwas damit anfangen konnte", sagte ich und erntete reihum mehrere nickende Köpfe. "Dann ging es ihnen ja so wie uns zur Zeit", kam es von Balin und blies genüsslich seine Rauchringe in die Luft. Ich nickte ruhig. "Euch macht meine Welt wohl unglaublich angst was?", fragte ich und konnte mir dabei ein Grinsen nicht verkneifen. "Nicht viel mehr, als unsere Eigene auch. Wobei ich es hier vergleichsweise ruhig finde. Mal von den blutrünstigen Hunden abgesehen, die uns vor wenigen Tagen heim gesucht hatten. Offen gesagt hatten wir bereits mehrere nächtliche Orkangriffe erwartet. Nicht das wir dies missen würden. Aber hier ist es wahrlich friedlich", sagte Oin von seinem Platz aus. "Und ich fragte mich, wie oft ich euch noch erklären muss, dass es hier keine Orks gibt, die euch angreifen können. Ihr müsst euch hier höchstens vor anderen Menschen in acht nehmen. Wobei. Eigentlich müssen die sich vor euch in acht nehmen", gab ich leicht kichernd von mir. "Wieso denn das?", fragte Bofur etwas verwirrt. "Na wenn einer von euch durchdreht und hier mal kurz mit der Kriegsaxt rum holzt, dann wächst da so schnell kein neuer Kopf nach", sagte ich und begann die Kartoffeln endlich in Scheiben zu zerschneiden. "Ja, das ist wohl wahr", meinte Fili und lächelte leicht. Daraufhin schwiegen wir und widmeten uns wieder dem Machen der Bratkartoffeln. Doch hatte mich der alte Oin wirklich neugierig gemacht. Die Traditionen der Zwerge interessierten mich ja schon. Und sollte sich der schlafende König doch dazu entschließen, mich als seine Frau anzunehmen, wäre es sicherlich nicht verkehrt, sich zuvor einfach mal über die Kultur und Lebensweise des kleinen bärtigen Volkes zu informieren. Nur ob ich auch wirklich welche von den Herren bekommen würde stand noch aus. Immerhin wusste ich ja schon, dass sie alle recht konservative Lebenseinstellungen hatten. Spätestens nach der Begegnung mit Achim war das sehr deutlich geworden. Diesen sah ich auch das ein oder andere mal über den Platz laufen. Nun ja, wen sah ich nicht dort herum laufen? Schließlich war er nicht übermäßig riesig. Doch drang mit einem Mal eine sonderbare Gewissheit aus meinem Unterbewusstsein zu tage. Und zwar war ich nicht dort. Normalerweise wäre ich auch unter diesen Leuten, die sich so fröhlich und ausgelassen unterhielten und miteinander Blödsinn verzapften. Doch stattdessen, saß ich unter einer Gruppe waschechter Zwerge und beobachtete nur meine eigene Welt an mir vorüber ziehen, anstatt mitten drin dabei zu sein. Es fühlte sich sonderbar fremd an. Ganz so, als würde ich mich dem immer mehr entziehen. Es schien auch ewig her zu sein, dass ich mit meinen Freunden abgehangen hatte. Sicherlich konnte ich sie hier sehen wann immer ich wollte. Aber dazu hatte ich mir irgendwie in den vergangenen Tagen nie die Zeit genommen. Stetig kümmerte ich mich nur um die Belange der kleinen Männer, was alles andere mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt hatte. So waren diese zwei Wochen nun auch nicht geplant gewesen. Obwohl, was war daran schon noch nach Plan gelaufen? Gar nichts. Nicht ein bisschen. Ich wäre beinahe mehrfach gestorben, hatte einen Gedächtnisverlust hinter mir, meine Nerven waren ohnehin schon am ersten Tag im Eimer gewesen und erst recht nachdem mir klar war, das ich echte Zwerge um mich herum sitzen hatte. Was ich sogar unter keinen Umständen beabsichtigt hatte, war mich auch noch in einen dieser kleinen, stämmigen Kerle zu verlieben. Und noch dazu in einen König, der wie ich erst feststellen musste, für mich wohl das selbe fühlte, es sich aber selbst, aufgrund seiner eigenen Dickköpfigkeit, bis vor kurzem nicht eingestehen konnte oder wollte. Stattdessen hatte er es in sich hinein gefressen und darüber hinaus seine Gesundheit vernachlässigt, wofür er nun die Konsequenzen daraus zog. Erneut ergriffen Schuldgefühle mein Herz und ließen mich immer wieder, während meiner Schnibbelarbeit, über die Schulter zu ihm rüber blicken. Leider konnte ich nicht viel von ihm sehen, da er einerseits von Oin verdeckt wurde und andererseits dort auch noch der Waffenständer davor stand, der wie ein kleiner Raumtrenner wirkte. Das dieser überhaupt noch stand, nachdem der Zwergenkönig dort einmal schwungvoll mit seinem Schwert drauf geschlagen hatte, war ein Wunder. Da hatte er tatsächlich versucht mich umzubringen, weil ich sein Geheimnis entdeckt hatte. Wenigstens hatte ich ihn doch wieder beruhigen können, weil mir im richtigen Moment das passende Lied eingefallen war. "Cuna, ich rede mit dir", sagte Fili und stupste mich einmal mit dem Ellenbogen in die Seite. Ich keuchte kurz und sah ihn verwirrt an. "Was? Was hast du gesagt? Entschuldige, ich war in Gedanken", sagte ich verlegen und zog den Kopf ein. Er seufzte etwas und schüttelte leicht seine blonde Mähne. "Ich sagte, da drüben kommt deine Freundin. Sie will bestimmt zu dir", meinte er und deutete vor mich. Ich folgte dem Wink seines Armes und hielt Ausschau auf den Platz. Er hatte recht. Chu stiefelte genau in meine Richtung. Sie hatte ein gelbes Klemmbrett in der Hand. Ich wusste, was sie mir bringen wollte. Das war die Teilnehmerliste samt Liedervorschlägen für den Karaokewettbewerb, an dem ich Teilnehmen wollte, wenn ich hier fertig war. Als sie da war, legte ich eben mein Brettchen mit Messer und Kartoffel zur Seite und nahm ihr die Sachen ab. "Lass dir Zeit. Schau dir alles in ruhe an. Kannst es ja auch mal hier unter den Männern rund gehen lassen, wenn da jemand Interesse haben sollte", meinte Chu und war auch schon wieder verschwunden. Ich seufzte etwas, als ich sie so einfach verschwinden sah. Es versetzte mir einen kleinen Stich im Innern, doch ich konnte auch verstehen, dass sie sich lieber von den Zwergen fern hielt, nachdem was so alles vorgefallen war. Mit betrübtem Gedanken zog ich die lange Auflistung der Lieder unter der Metallklammer des Gelben Brettes heraus und fing an zu Blättern. Sie war sehr ausführlich. Dort standen fast mehr als tausend Lieder und Sänger zur Wahl. Für gewöhnlich waren ja die alten Partysongs, Ballermann Hits und Schlager am angesagtesten bei diesem Wettbewerb. Und die letzten Jahre hatte ich mich auch immer bei einem von diesen bedient. Aber diesmal war einfach alles anders. Ich wollte ein ganz bestimmtes haben. Eines was meine Gefühle gegenüber Thorin gut zur Geltung brachte und gleichzeitig auch noch für mich gut zu singen war. Doch da stieß ich auf mehrere Probleme. Ich wollte zwar etwas Gefühlvolles, aber nichts zu Schmalziges. Es sollte schon aussagekräftig sein und gut verständlich. Außerdem sollte es definitiv nicht zu viele hohen Töne haben, da ich wusste, wie schief ich dann singen konnte. "Was machst du denn da?", fragte Ori und sah mir über die Schulter. Ich fuhr kurz zusammen und musterte ihn etwas erschrocken. "Ähm. Ich suche mir ein Lied für den Karaokewettbewerb heute Abend aus. Aber ich weiß einfach nicht welches ich nehmen soll", antwortete ich etwas verlegen. "Ist das denn so schwer?", fragte Bofur. "Nein, eigentlich nicht aber. Nun ja es soll diesmal was ganz bestimmtes sein. Nur hab ich grade einfach keine Idee. Es gibt so viele, die mir einfallen würden und ich hab keine Zeit lange zu wählen", antwortete ich ihm. "Lass mal sehn", kam es von Kili, welcher mir einfach die Liste aus der Hand fischte, um diese durch zu sehen. Langsam hoben sich seine Augenbrauen und seine Miene wurde immer verständnisloser. "Wie soll man das denn bitte singen? Das ist aneinander gereihter Unfug, den ich noch nicht einmal aussprechen könnte, wenn ich wüsste wie", sagte er dann und reichte mir die Liste zurück. Gerade als ich sie nehmen wollte, griff Fili dazwischen, um die Liste ebenfalls in Augenschein zu nehmen. Bald war diese durch alle Zwergenhände gewandert und jeder von ihnen war der selben Meinung wie Kili. "Männer. Ernsthaft. Das was da steht, sind lediglich die Namen der Lieder und die der Leute, die das singen", erklärte ich belustigt, als ich den Papierstapel wieder zurück erhalten hatte. "Ach, so ist das. Trotzdem ist es ein Wunder, dass du da etwas findest, Weibstrück", kam es seufzend von Dwalin. Ich zuckte kurz zusammen. Plötzlich hatte ich einen enormen Geistesblitz und Dwalin war derjenige, der mich mit seinem Satz darauf gebracht hatte. "Was hast du gerade gesagt, Dwalin?", hakte ich noch einmal nach. "Sag mal, du bist zur Zeit wirklich nicht mit deinem Kopf anwesend, oder? Ich sagte, es ist ein Wunder, dass du da etwas findest", wiederholte er ungeduldig. "Richtig! Danke", sagte ich und fing unter den verwirrten Blicken der Zwerge an, durch die Liste zu blättern. Das Lied was ich suchte war ganz hinten fast am Ende unter "W" verzeichnet. Ich sah alles durch bis ich endlich darauf stieß. Schnell zog ich den Stift hervor, der am Klemmbrett festgeheftet war und trug mich auf Position Zehn damit ein. Ich wollte mir so viel Zeit wie möglich verschaffen, bis ich dran kam, um mich gut darauf vorzubereiten. Schließlich stand ich auf und machte die Liste wieder ordentlich fest. "Ich bin kurz weg und reich die Liste weiter. Bin gleich wieder zurück", sagte ich und machte mich schon auf den Weg zu Moe, der zufällig gerade in der Nähe bei der Anmeldung stand. Er grinste mich an, als ich neben ihn trat. "Hier Moe. Die Karaoke liste", sagte ich grinsend. "Ah schön. Danke dir. Und hier hab ich deine Verhüterlies, die du immer noch nicht abgeholt hast", sagte er und reichte mir den Karton, welchen ich schleunigst in meiner Rocktasche versenkte. "Tut mir leid, Moe. Aber ich hab derzeit einfach nicht wirklich den Kopf bei mir, sonst hätte ich sie schon lange abgeholt", meinte ich mit entschuldigendem Unterton. "Ach, solche Tage hat jeder mal. Aber bevor du jetzt gleich wieder zu deinen Zwergenfreunden verschwindest, möchte ich dich doch darum bitten denen zu sagen, dass sie ihren Wachturm am letzten Tag bitte abreißen möchten, damit wir keinen Ärger mit der Stadtverwaltung bekommen", sagte er und deutete überflüssigerweise auf das Holzgestell hinter sich. Ich nickte nur ruhig. "Klar. Werd es denen sofort sagen. Wir sehen uns dann später beim Singen", gab ich kurz angebunden von mir und verschwand schnell zurück zu den kleinen Herren. Diese waren inzwischen ohne mich mit den Vorbereitungen fertig geworden und warteten darauf, dass ich mit dem Braten los legte. Ich lächelte zufrieden und begutachtete die Zutaten. Alles war sauber und ordentlich in verschiedene Schüsseln verteilt worden. Mit Ausnahme der Eier, die noch in ihrer Schale waren. "Wunderbar. Dann kann ich ja jetzt endlich anfangen", sagte ich und rieb mir die Hände. "Du könntest schon fertig sein", maulte Dori, dem man wie den anderen deutlich ansehen konnte, dass ihm das Wasser im Mund zusammen lief. Ich grinste vor mich hin und betrachtete mir dann noch die große Pfanne, die bereits seit einiger Zeit über den kleinen Lagerfeuer hing um heiß zu werden. Ich hielt kurz die Handfläche über das Metall, um die Hitze in etwa festzustellen. Für mich sah es perfekt aus. Also nahm ich die Flüssig-Margarine und verteilte diese auf der breiten dunklen Fläche. Fast sofort warf diese Blasen und fing an zu brutzeln. Ich wartete einen Moment, bis diese ein wenig zerlaufen war, dann schnappte ich mir die rohen Kartoffelscheiben, welche ich gut mit der Hand verteilte. Dann streute ich die erste Portion Salz und Pfeffer darüber. So machte ich das immer, auch wenn es viele Frauen anders sahen. Nun musste ich ein bisschen warten, bis ich sie das erste Mal wenden konnte. Dafür hatte mir Bombur einen recht großen Pfannenwender geliehen. Auch die Pfanne war von ihm, sowie das Meiste mit dem wir alles vorbereitet hatten. Eigentlich wäre der Gute ein wahrer Glücksgriff für jede Frau, die sich einen Mann wünschte, der nicht nur gerne aß sondern auch selbst leidenschaftlich gerne kochte. Das hatte ich in den vergangenen Tagen auch gelegentlich mal miterleben dürfen. Und er konnte es verdammt gut. Aber er war auch immer offen für neue Rezepte und Genüsse, die er noch nicht kannte. So stand er auch die meiste Zeit bei mir, um zu beobachten wie ich das Essen vorbereitete. Hin und wieder gab er mir kleinere Tipps, wie ich den Pfannenwender am besten halten solle, da für mich so ein ungewöhnliches Riesenteil schon eine Herausforderung war. Auch weil dieser nur aus schwerem Gusseisen und nicht aus Plastik oder einem leichteren Metall bestand. "Ein guter Koch weiß mit seinem Werkzeug genauso vortrefflich umzugehen, wie ein Krieger mit seiner Axt", sagte er und lächelte mich freundlich aus seinem runden Gesicht an. "Kann ich mir denken. Aber das Teil ist wirklich schwer", sagte ich und gab den Speck hinzu. Kurz drauf folgten auch die Zwiebeln diesem Weg in die riesige Pfanne. Als sich das delikate Duftgemisch langsam zwischen den Zelten verteilte, breitete sich allgemeines, fast lüsternes Aufstöhnen aus. "Oh Cuna, wann bist du fertig damit? Ich halt es ja kaum noch aus", kam es von Bofur, der sich herangepirscht hatte und mir mal wieder einen Arm auf die Schulter klatschte. "Ich bin fertig, wenn ich fertig bin. Dann sag ich euch schon Bescheid", keuchte ich und entzog mich kurz seinem Griff. Ich musste mich nun um die Krönung des Ganzen kümmern. Das Rührei. Ich betete inständig, das diese aufgrund der Hitze, nicht zu sehr gelitten hatten und ich sie gefahrlos ans Essen mischen konnte. An rohen Eiern war das doch recht schwierig festzustellen. Also musste ich mal wieder auf mein zweifelhaftes Glück vertrauen. Vielleicht hatte Fortuna ja dieses mal ein gutes Wort für mich. Ich atmete einmal tief durch und schlug dann eines nach dem anderen in eine der inzwischen leeren Schüsseln. Mit einer Gabel, die ich von meinem Essgeschirr genommen hatte, verquirlte ich alles und tat noch ein wenig Salz und Pfeffer an die Sache. Als ich zur Pfanne zurück ging, sah ich die Männer schon neugierig darüber hängen. "Hey! Finger weg! Das ist noch nicht fertig!", rief ich, als ich sah, dass bereits einer die Hände nach dem heißen Zeug ausgestreckt hatte. "Ach, komm schon Cuna. Nur einen Bissen", bettelte Nori händeringend. "Ich hab nein gesagt. Schert euch fort, bis ich fertig bin", sagte ich mahnend und drängte mich dazwischen. "Ja, aber wann ist es denn soweit", maulte Ori und trat von einem Bein aufs andere. "Zwei Minuten, Jungs. Bis dahin verhungert ihr schon nicht", sagte ich, während ich die goldgelbe Flüssigkeit über die inzwischen leicht braungebrannten Kartoffeln goss. Erneut ging ein Aufstöhen durch die Männer. Ich wendete alles noch ein paar mal und hob dann den Pfannenwender raus. Zufrieden nickend sah ich mich um. "So Jungs. Teller raus. Essen ist fertig", sagte ich. Kurz drauf hatte ich das Gefühl, dass sich um mich herum eine gewaltige Staubwolke gebildet hatte, als alle nach ihren Schalen suchten und wieder zu mir hin gestürmt kamen. Ich konnte nur immer wieder mit dem Kopf schütteln, nachdem ich sah, wie sich die Herren diese mehr als Randhoch voll schaufelten. Nach dem ersten Bissen den sie nahmen, sah ich wie sich bei einigen die Augen weitete und sie hektisch anfingen das Zeug in sich rein zu schaufeln. Als jeder Zwerg zunächst versorgt war, reichte mir Balin eine weitere Schale. "Hier. Dort könnt Ihr eine Kleinigkeit für Thorin hinein tun",sagte er lächelnd. Ich nickte ihm stumm entgegen, als ich diese in die Hand nahm. Doch wo ich mich zur Pfanne umdrehte, musste ich allerdings argwöhnisch feststellen, dass sich dort noch jemand bediente, der dies eigentlich nicht verdient hatte. "Gloin!", rief ich entrüstet aus und trat näher an ihn heran. Er fuhr augenblicklich zusammen und sah mich grimmig an. "Was willst du Menschenweib?", fragte er barsch und wollte erneut nach dem Pfannenwender greifen, der ihm zuvor aus der Hand geglitten war. "Was denkst du dir, was du da machst?", fragte ich ihn und riss ihm das große Teil vor der Nase weg. "Wonach sieht es aus? Ich nehme mir meinen Anteil vom Essen", raunte er und wollte mir den Pfannenwender wieder entreißen. Hämisch blickte ich zu ihm hinunter und verzog spöttisch das Gesicht. "Deinen Anteil vom Essen willst du? Hast du denn etwas dafür getan womit du dir das überhaupt verdienst?", fragte ich ihn scharf. Er schnaubte und schnappte weiter mit der Hand nach dem Küchenwerkzeug. "Hab gefälligst etwas mehr Respekt vor Leuten die älter sind als du, Mädchen. Ich habe mir diese Mahlzeit verdient, genauso wie die anderen, die dir und deinen Menschenfreunden im Kampf gegen die Hunde das Leben retteten, falls du dich erinnerst", knurrte er. "Das Privileg hast du dir schon vor Tagen verspielt. Und jetzt lass die Finger weg von mir", sagte ich und hob beide Arme, damit der kleine Mann nicht dran kam. Im Gegensatz zu einem der anderen war Gloin noch einer der kleinsten, weshalb er nicht bis ganz nach oben langen konnte. Egal ob er nun stehen blieb oder hüpfte. Das sorgte bei seinen Zwergenkameraden für allseitiges Gekicher. Auch da er mich auf diese Art ein paar mal um das Feuer herum jagte, was ich genauso amüsant fand. Einmal stolperte er über einen Schemel und landete unsanft auf der großen Nase. Das sorgte dann für noch mehr Gelächter. Ich senkte die Arme und streckte dem fluchenden und knurrenden kleinen Mann eine Hand hin. "Komm, ich helf dir hoch", sagte ich freundlich. Ich wollte ihn ja nicht ganz so lächerlich da stehen lassen. Was ich allerdings nicht bedachte war, dass Zwerge den Hang dazu hatten sich ein wenig hinterhältig zu verhalten, wenn man sie lächerlich machte. So nahm er meine Hand, um sich hoch zu ziehen, aber fast im selben Moment entriss er mir den Pfannenwender und stellte mir ein Bein, womit ich unsanft auf meinem Hintern landete. "Lass dir das eine Lehre sein", rief er von oben auf mich herab. "Das war unfair. Ich wollte dir aufhelfen", sagte ich und rieb mir das Gesäß, als ich wieder hoch kam. Doch er würdigte mich keines weiteren Blickes. So erdreistete er sich dann doch eine Portion aus der Pfanne zu entnehmen und verschwand damit um die nächste Ecke. "Schleimiges, altes Ekel", knurrte ich und klopfte mir den Dreck vom Rock. Nun kam Oin auf mich zu und musterte mich mit einem beflissenen Gesichtsausdruck. "Vergebt der Hitzköpfigkeit meines Bruders. Ich werde nachher ein ordentliches Wörtchen mit ihm reden", sagte er beschwichtigend. "Ach. Soll er doch machen was er will", meinte ich und nahm die Schale für Thorin wieder in die Hände, die mir bei dem Sturz weg geflogen war. "Du bist viel zu nachgiebig mit ihm, Cuna. Du solltest ihm die Pfanne über den Schädel ziehen", kam es aus dem Hintergrund von Dori, dem einige der Männer schmatzend beipflichteten. "Und was bringt das bitte? Ich meine außer einem Zwerg mit massig Kopfschmerzen, der noch grantiger wird als eh schon?", fragte ich zurück und schaufelte eine Portion aus der Pfanne. "Das bringt dir vermutlich mehr, als dich so vorführen zu lassen, Weibstück", kam es von Dwalin, der aufstand und sich noch eine Portion gönnte. Ich seufzte nur und rollte mit den Augen. "Das ist wohl immer die einzige Lösung auf eure Probleme. Wenn man nicht mehr reden kann und keine schlüssigen Argumente hat, dann wird einfach drauf gekloppt", gab ich genervt von mir und ging an den kleinen Herren vorbei, um Thorin die Schale auf einem Schemel neben dem Kopfende zu platzieren. "Was hast du gegen eine gute Klopperei?", fragte Bofur, der kurz drauf einmal aufkeuchte, als hätte ihm jemand einen Ellenbogen in die Seite gerammt. "Nicht jetzt, Bofur", kam es zischend von Nori. Vorsichtig kniete ich mich neben den Zwergenkönig und sah ihn mir eine Weile an. Wohl weißlich hatte ich ihm bei meiner Rückkehr vom Küchenzelt einen kleinen Kühlbeutel organisiert, der in ein Tuch eingewickelt auf seiner Stirn platz gefunden hatte. Seit seinem Zusammenbruch waren schon ein paar Stunden vergangen, doch mir kam es so vor, als seien es Tage. Er wirkte so friedlich, fast ausgeglichen, wie er da schlafend vor mir lag und sich langsam sein stämmiger Brustkorb hob und senkte. Bei seinem Anblick nagten erneut die Schuldgefühle an mir. Doch konnte ich an seiner Lage einfach nichts ändern. Ich konnte sie ihm nur so angenehm wie möglich machen. Damit er, falls er an diesem Tag noch erwachte, wieder etwas zu sich selbst fand. Und dazu würde ich alles tun was nötig war. Ja, ich würde diesem Mann, der mir inzwischen so viel bedeutete, bis ans Ende der Welt folgen und noch darüber hinaus. Dazu war ich fest entschlossen. Mit einem mal überkam mich ein erneuter Geistesblitz und ich sah kurz auf die Uhr. Es waren noch fast drei Stunden bis zum Wettbewerb. Genug Zeit also, die Idee, die mir plötzlich durch den Kopf geschossen war, noch in die Tat umzusetzen. Aber zunächst wollte ich schauen, ob auch wirklich alles zufriedenstellend war, bevor ich einfach ging. So kontrollierte ich den Kühlbeutel, indem ich einmal die Hand drauf legte. Dieser war schon recht warm geworden. Bei den Sommertemperaturen auch kein Wunder. Ich nahm ihm das Teil von der Stirn und erhob mich langsam wieder. "Was hast du vor, Cuna?", fragte Kili, als ich an ihm vorbei schritt. "Ich hol Thorin einen neuen Eisbeutel und dann bin ich ein paar Stündchen weg. Ihr Jungs passt ja sicher gut auf ihn auf", sagte ich und wand mich schon zum Gehen. "Wo willst du denn hin?", fragte Fili etwas aufgebracht und entsetzt. "Ich bereite eine Kleinigkeit für den Karaokewettbewerb vor. Keine Sorge, ich bin noch hier auf dem Zeltplatz. Aber ich brauche dafür absolute Ruhe. Deshalb wäre ich euch verbunden wenn ihr mich zunächst nicht stören würdet, ja?", sagte ich und lächelte freundlich über die Schulter. "Gut. Das lässt sich sicherlich einrichten. Wenn Ihr etwas Zeit für Euch alleine braucht, dann geben wir Euch die", kam es ruhig von Balin. Ich nickte dann kurz und verschwand. Innerlich grinste ich bereits, wie ein Honigkuchenpferd. Das würde eine der besten Überraschungen, die ich mir je ausgedacht hatte und sicherlich würde sie einschlagen, wie eine Bombe. Aber zunächst galt es den Kühlbeutel heil wieder zurück zu bringen. - 42. Liebe geht durch den Magen / ENDE - Kapitel 43: 43. Ein Wunder und ein T-Shirt ------------------------------------------ Langsam senkte sich die Sonne gen Westen und färbte den sommerlichen Abendhimmel leicht golden. Der Karaoke-Wettbewerb stand kurz bevor und ich fühlte mich so abgehetzt wie nie. Alles was ich für diesen Abend geplant hatte sollte ausnahmsweise einmal glatt laufen. Doch das war gar nicht so einfach, wie ich mir das zunächst gedacht hatte. Nachdem ich den Eisbeutel für den Zwergenkönig ordnungsgemäß abgegeben hatte, war ich zum Workshop-Zelt geeilt, wo schon seit fast zwei Wochen mein unberührtes, schwarzes T-Shirt versauerte. Und es wäre vermutlich auch weiterhin dort geblieben. Hätte mich nicht zu diesem reichlich späten Zeitpunkt die Muse geküsst, die mich dazu befähigte noch auf die schnelle etwas herbei zu zaubern, das ich auf dem Shirt mit mir herum tragen konnte. Ich brauchte auch nicht viel. Einfache, weiße Textilfarbe aus der Tube, die so ähnlich funktionierten wie seinerzeit ein beliebtes Bastelprodukt, welches man an die Fenster klatschen konnte. Ja, jeder von unserem Jahrgang hat einmal die Window-Colour-Zeit durchlebt. Und meine Mutter verfluchte diese irgendwann so sehr, dass sie eines Tages alle Farben vor mir weg schloss. Aber zum Glück ging diese auch mal zu ende, aber sie hat hier und da deutliche Spuren hinterlassen. Vor allem an den Fenstern und sonstigen glatten Flächen, die man damit zu kleisterte. Nun war es mit der Textilfarbe beinahe das Selbe, nur wurde diese direkt auf die Shirts aufgetragen. Allerdings nicht ganz ohne dabei ein paar Vorlagen zu benutzen. In dem ganzen Durcheinander aus Blättern mit den verschiedensten Bildern und Motiven kramte ich fast eine halbe Stunde herum, bis ich endlich die keltischen Runenschriftzeichen fand. Die Buchstaben waren auf Karten verteilt, geordnet und ausgeschnitten, damit man in die Lücken die Farbe füllen konnte. Wahlweise lagen diese auch in einem Stapel zusammen gebunden, wenn man nur die Buchstabenkonturen haben und nicht den inneren Teil ausfüllen wollte. Aber ich entschloss mich dafür erstere Variante zu nutzen. Nacheinander verteilte ich die Vorlagen auf meinem Shirt und begann diese nach und nach mit der Farbe zu bearbeiten. Ich wusste genau, was ich schreiben würde. Es war mir buchstäblich ins Gesicht gesprungen, als ich Thorin betrachtet hatte. Beziehungsweise mir war Balins Geschichte aus dem ersten Hobbit-Film eingefallen, wo er von der Schlacht vor den Toren Morias berichtet hatte. Dort hatte er zum Ende hin einen meiner Lieblingssätze gesagt, welchen ich nun fein säuberlich in dieser schönen Runenschrift auf dem Stoff verteilte. Allerdings mit dem ein oder anderen modernen Aspekt aus meiner eigenen Welt. Ich grinste während dessen und stellte mir die Gesichter der Zwerge vor, wenn sie das lesen würden. Sofern sie es überhaupt konnten. Ich war mir nämlich unsicher ob die keltische Runenschrift tatsächlich der zergischen sehr ähnlich war. Ich wollte es aber auf einen Versuch ankommen lassen. Aber damit war es noch nicht genug. Bis die Buchstaben zumindest halbwegs getrocknet waren, musste ich dringend etwas aus dem Internet fischen, das ich vor Jahren zufällig einmal entdeckt hatte. Es war ein schwarz-weiß Bild des Zwergenkönigs, von einem Künstler der sich gerade auf Solche spezialisiert hatte. Und dieses wollte ich mitten drauf haben. Zum Glück besaß das Anmeldehäuschen einen gut funktionierenden Laptop mit Internetverbindung und einem Drucker, wo sich auch die anderen ihre Motive her geholt hatten, wenn sie kein passendes unter den vorhandenen fanden. Ich brauchte auch gar nicht lange danach suchen, bis ich es hatte. Schon war ich damit unterwegs, als es aus der Schublade gesprungen kam. Doch ich musste es noch fein säuberlich ausschneiden und auf jedes Detail achten, damit es auch ja ordentlich aussah, wenn ich es auftrug. Dazu musste ich es mit einem der vielen Bastelskalpelle bearbeiten. Eine anstrengende Friemelarbeit, die einem wirklich nerven kosten konnte. Ein Schnitt zu viel oder eine kurze Unachtsamkeit und das ganze Motiv wäre verhunzt gewesen. So war es gut, dass die Zwerge endlich einmal ihr Wort mir gegenüber einhielten und mich nicht mit irgendwelchen Sachen belästigten, die sie gerade beschäftigten. Nachdem ich damit allerdings über eine Stunde beschäftigt gewesen war, merkte ich, wie mir die Zeit bis zu meinem Auftritt knapp wurde. Aber ich wollte es unbedingt richtig ordentlich haben. So ließ ich mir auch Zeit mit dem Auftragen der Farbe. Nichts sollte verschmieren oder verlaufen. Dann wäre alles Ruiniert gewesen. Zwischen drin liefen auch immer wieder andere Leute vom Zeltplatz um mich herum, die unter anderem für die Jury, die uns bewerten sollte, Plakate mit verschiedenen Sprüchen entwarf. Darauf befanden sich eigentlich die üblichen Wörter oder Sätze wie "Super", "Geil" und "Das war SPITZE!", wenn man einen guten Beitrag vorgetragen hatte. Wenn man sich allerdings zu sehr versungen hatte, bekam man auch mal hin und wieder "BUH", "Hör auf!" oder das von mir einst eingeführte "Autschn!" zu lesen. Auf letztere hoffte man als Teilnehmer des Ganzen natürlich weniger. Aber davon abgesehen herrschte bei der Punkteverteilung zum Karaoke und auch dem Talentwettbewerb stetige Willkür. So führte man auch manchmal so banale Bewertungen wie Pi ein, was zwar schwer auszurechnen war, aber es ging ja hauptsächlich um den Spaß an der Sache. So durfte sich jeder, der wollte lächerlich machen und dies auch in vollen Zügen genießen. Ich würde dies mit meinem Liebesschwur gegenüber Thorin zweifellos auch tun. Doch um dem ganzen die Krone aufzusetzen wollte ich dieses T-Shirt dabei tragen wenn ich sang. Aber es hätte sicherlich Stunden gebraucht, bis es von selbst getrocknet wäre. Also nahm ich den Föhn, der für solche Notfälle bereit stand zur Hand. Ich stellte diesen auf die schwächste Stufe ein, damit bloß nichts verlief. So in meine Arbeit versunken, merkte ich gar nicht, dass Frodo gut gelaunt in seinem pinken Anzug an mich herangetreten war und mir über die Schulter schaute. "Hey, Jacky. Das sieht ja echt nice aus. Willst du das nachher anziehen?", fragte er und ich fuhr kurz erschrocken zusammen. "Man Frodo, schleicht dich doch nicht so an mich ran, du zu groß geratener Hobbit", fluchte ich und verzog dabei etwas das Gesicht. Er musste kurz lachen. "Tut mir leid. Ich dachte du hättest mich rein kommen sehen. Aber gut. Hör mal, weshalb ich dich so überfalle, es geht darum, dass sich die Auftritte beim Karaoke etwas verschieben", erklärte er mit geschäftsmäßiger Miene. "Und das heißt?", fragte ich, als ich wieder auf mein Shirt sah. "Also das heißt im Klartext, dass du erst zum Schluss dran kommst. Bist quasi letzte. Ich hoffe das ist für dich in Ordnung", sagte er und musterte mich neugierig. Ich hob kurz die Augen und musste ihn anlächeln. "Das passt wunderbar. So kann ich hier in Ruhe weiter arbeiten und mich auf meinen Auftritt konzentrieren", erwiderte ich. "Gut, wenn das bei dir passt. Aber denk dran. es wird eventuell sehr, sehr spät. Vielleicht nach Mitternacht", gab er mir noch zu bedenken, aber ich schüttelte den Kopf. "Nein, Frodo das passt wunderbar. Danke für die Info", sagte ich und merkte, wie mein Herz einen kleinen Hüpfer tat. Offenbar hatte Fortuna doch endlich mal ein Einsehen und war mir wohlgesonnen. Nach den ganzen zwei Wochen voller Pech hatte ich das auch mal bitter nötig. Als Frodo sich verabschiedete begann ich schon einmal das Lied, welches ich ausgewählt hatte, in meinem Kopf durchzugehen. Ich hatte es schon sehr oft gehört und kannte es eigentlich auswendig. Aber da ich relativ selten die Gelegenheit hatte Live vor Publikum zu singen, musste ich mir die Einsätze des Gesanges auch mal so heraus suchen. Ohne das passende Lied dabei zu hören, war dies zwar bedeutend schwerer, auch wegen dem Geräuschpegel, den die Lautsprecher des "ROZ" produzierten, aber irgendwie würde ich es schon auf die Reihe bekommen. Irgendwann summte ich sogar ein wenig um besser rein zu kommen. Wobei ich beim Summen definitiv nicht die Töne der Musik traf. Was mich allerdings etwas mehr aufregte, war dass diese verdammte Farbe einfach nicht trocknen wollte. So hörte ich irgendwann schon Moe aus dem Fisse Ma "Tent" chen ins Mikro rufen, dass nun der Wettbewerb begann und stellte die drei Mitglieder der Jury vor. In der Zeit war natürlich die Musik im "ROZ" abgestellt und die Bewohner alle im Barzelt, weshalb ich fast alles verstand was über den Platz zu mir herüber wehte. Ich wusste natürlich das Frodo als rosaroter Reporter dabei sein würde und auch Goldständer, als Mr. Ice Kalt, dem härtesten Juror der drei. Als drittes nahm dieses mal unsere Chantal Charmant in dieser Aufstellung platz und begrüßte ebenfalls die Zuschauer und Teilnehmer, die alle noch vor mir singen wollten und zum Teil wohl auch sollten. Denn bestimmt hatte man den Ein oder Anderen des Nachts ohne Button auf dem Platz erwischt. Anders konnte ich mir auch die Verschiebung nicht erklären. Einerseits ärgerte ich mich, dass ich den ganzen Anfang der Show verpasste. Andererseits war ich im Nachhinein froh darüber doch nicht so nah am Geschehen dran zu sein. Denn bereits auf die Entfernung war deutlich genug heraus zu hören, wer sich freiwillig dem Ganzen hin gab und wen man mehr oder weniger zum Singen heran komplementierte. Wobei nicht jeder, der sich freiwillig gemeldet hatte, auch zwangsläufig alle Töne traf. Das konnte man auch am allgemeinen Gegröle und Gestöhne erkennen. Als ich ganz kurz einmal den Föhn, Föhn sein ließ um meine Hand auszuschütteln, die bereits vom vielen Halten schwer geworden war, konnte ich die Zwerge vor dem Barzelt stehen sehen. Es war wohl gerade eine kleine Zwischenpause eingelegt worden, weshalb auch noch andere raus kamen. Sie schüttelten die bärtigen Kopfe und so mancher hielt sich verärgert die Ohren mit beiden Händen zu. Ich musste etwas lachen. Die armen Kerle schienen ja richtig von den Sängern gefoltert zu werden. Und von mir würden sie gewiss auch nicht verschont werden, sobald ich endlich fertig war. Doch das dauerte tatsächlich noch so lange, bis die Dunkelheit über alles herein gebrochen war. Da endlich merkte ich, dass das Bild nicht mehr an den Fingern klebte und ich konnte es getrost zusammen rollen, unter den Arm klemmen und zum Wettbewerb hinüber rennen. Ich hatte selbst die Pause durchgearbeitet, in der sich einige mit Reste-Essen aus der Küche eingedeckt hatten. Gelegentlich kam es schon einmal abends vor, dass vom Nachtisch oder den Hauptgerichten was übrig blieb. Das wurde dann bei solchen Veranstaltungen gerne verteilt. Ich langte dort auch das ein oder andere mal gerne zu. Vor allem wenn es leckeren Grießkuchen gab. Wo ich daran dachte merkte ich aber doch, dass mir der Magen knurrte. Den ganzen Tag schon hatte ich keinen bissen zu mir genommen außer den Äpfeln und der Fladenbrotecke am Morgen. Und in all der Aufregung auch keine Zeit dazu gefunden. Immerhin wollte ich auch so schnell wie möglich alles vollendet haben. Und die Bratkartoffeln waren ja einzig und allein für die kleinen Männer gewesen, was ich nun inständig bereute. Mir war richtig übel vor Hunger und ich fühlte mich etwas schwach auf der Brust. Doch im Moment schob ich dies eher auf den bevorstehenden Auftritt. Als ich das Barzelt betrat, waren bereits alle Stuhlreihen mit Menschen besetzt. Die Zwerge hatten es sich wie immer im Hintergrund an der Theke gemütlich gemacht und zischten ein Bier nach dem anderen. Ich konnte es ihnen gut nachempfinden, dass sie das ganze Theater nicht mehr nüchtern ertragen konnten. Aber noch waren sie nicht ganz so angeheitert um zu erkennen, dass ich gerade herein gekommen war und mich nach allen Seiten nach einem Platz umsah. "CUNA!", riefen mir Kili und Fili entgegen die hektisch mit den Armen in der Luft herum wedelten. Sie gaben mir deutliche Handzeichen, das ich zu ihnen herüber kommen sollte. Da sonst eh nichts frei war, bequemte ich meine vor Aufregung wackligen Beine dazu, mich den kleinen Männern an der Bar anzuschließen. Als ich mich unter diesen umsah fiel mir auf, dass mehrere fehlten. Balin und Oin sowie Gloin hatten sich nicht im Barzelt eingefunden. Dass Thorin nicht da war, war ja abzusehen gewesen, doch hatte ich irgendwo schon insgeheim gehofft, dass er erwacht war und sich das Gekreische antat, bis ich an der Reihe war. Aber da war wohl bei mir irgendwo nur der Wunsch Vater dieses Gedanken gewesen. Stattdessen konnte ich ja die anderen Herren ordentlich foltern, sobald ich aufgerufen wurde. "Oh, bei Durins Bart, da bist du ja endlich. Wir haben uns schon Sorgen gemacht, du kämst erst gar nicht", kam es mit leicht lallendem Unterton von Bofur, der die Mütze schief auf den Kopf sitzen hatte. "Natürlich bin ich da. Wenn auch viel später als gedacht. Das Ding hier wollte einfach nicht trocken werden", sagte ich und deutete auf das noch zusammen gerollte Shirt unter meinem Arm. "Was hast du denn da?", fragte Dori und musterte es neugierig. "Eine Kleinigkeit, die ich auf die schnelle hin gezaubert habe. Das werde ich gleich tragen wenn ich singe", sagte ich und konnte mir ein stolzes Grinsen nicht verkneifen. "Dürfen wir es vielleicht jetzt schon mal sehen?", fragte Kili und ging überflüssigerweise einmal um mich herum, wohl in der Hoffnung mehr davon zu sehen. "Nein. Das bekommen alle erst zu sehn, wenn ich dran bin", sagte ich und schaute auf meine Armbanduhr. Lange konnte es nicht mehr dauern. Es war schon kurz vor Zwölf. Auf der Bühne tobte sich inzwischen Merlin aus, der eine Metal-Version von "Let it Go" aus dem Film, die Eiskönigin grölte. Ich verzog belustigt das Gesicht, während sich die Zwerge wie unter großen Schmerzen wanden. Sie waren wirklich bessere Töne und Klänge gewohnt wie diese, die ihnen um die Ohren gehauen wurden. Mich wunderte das Selbige nicht auch noch anfingen zu bluten, was ich durchaus nachvollzogen hätte. Merlin traf aber auch wirklich alle Töne. Nur nie die richtigen. Und als er endlich fertig war, schien die komplette Zeltstadt erleichtert zu sein, das er mit diesem Katzengejammer aufgehört hatte. Die Jury hatte unterdessen die beliebten Schilder, wie "Autschn" und "BUH" gehoben. Doch der gute Junge nahm seine Bewertung von zwei mal drei und einmal einem Punkt mit einem Lächeln und hängte das Mikro auf den Ständer. Moe grinste etwas peinlich berührt nach dieser Vorstellung und begann den nächsten Karaoke-Teilnehmer anzusagen."Also, nach diesem sehr erbaulichen Ohrenschmaus, kommen wir jetzt zu unserer letzten Kandidatin. Sie war eine der größten Bandsängerinnen bei 'Kevin und den Shitpunks'. Ihrer Aussage nach, waren sie immer so schlecht, dass man sie hören musste, damit man sich danach etwas Besseres anhören konnte. Und heute hören wir sie auch wieder. Zu ihrem oder eurem Leidwesen. Hier kommt unsere Jacky Kola!", rief er fröhlich ins Mikro. Nun war es also soweit. Der Moment der Wahrheit. Alle Augen im Zelt wandten sich zu mir nach hinten und warteten, dass ich nach Vorne auf die Bühne stiefelte, um los zu legen. Ich bekam den ein oder anderen sanften Schubs in den Rücken, damit ich mich in Bewegung setzte, denn mir wurden die Beine ein klein wenig schwer. Für gewöhnlich hatte ich nicht solches Lampenfieber, wenn ich vor anderen auf einer Bühne stehen sollte. Aber es war ja diesmal für jemanden, der mir etwas bedeutete. Ein wenig auf den Lippen herum kauend, bewegte ich mich dann doch endlich nach Vorne. Ich schluckte etwas, als ich zaghaft einen Fuß vor den anderen setze und in Richtung der grellen Scheinwerfer ging. Hinter mir und um mich herum klatschte alles aufgeregt. Es kamen von überall her anfeuernde Pfiffe und "Jacky" rufe. Von Kili kam aus dem Hintergrund ein sehr lautes: "Sing sie in den Boden, Cuna!" Als ich die Bühne erreicht hatte, sah ich die Jury mit ihren Punktezetteln, die auf dem alten Sofa saß, das sonst in einer Ecke des Raumes herum stand, mit einem eher unsicherem Lächeln an. Dann trat ich mit zittrigen Schritten auf die kleine Holz- und Metallkonstruktion und schon stand ich im gleißend hellen Licht. Es blendete ein wenig, weshalb ich nur noch Umrisse des Publikums wahr nahm. Allenfalls die erste und zweite Reihe konnte ich noch Schemenhaft erkennen. Mehr aber nicht. Es war dahingehend schon mal ein Vorteil, nicht alle vor mir zu sehen. Das hätte mich nur noch nervöser gemacht, als ich eh schon war. Ich fing an etwas zu schwitzen, während ich nach dem Mikro griff. Ich wollte noch kurz ein paar Worte sagen, bevor ich dann mit meinem Lied anfing, aber irgendwie stolperten die Worte nur stotternd und zögerlich aus mir heraus. "Also. Ja. Nabend Leute. Ähm. Bevor ich anfange zu singen. Da äh. Nun. Also ich sing heute Abend nicht für mich selbst. Denn ich. Ich hab da eine Botschaft zu verkünden. Und zwar ist mir, vor nicht all zu langer Zeit etwas widerfahren, von dem ich dachte, dass ich es eigentlich nie wieder erleben würde. Zunächst wollte ich es gar nicht erst glauben, dass es noch einmal dazu kommen könnte. Doch ich. ähm. Also ich habe wieder jemanden kennen gelernt, von dem ich nie erwartet hätte, dass er es sein würde, der mir mein Leben auf den Kopf stellt. Und für. Für mich ist er. Ist er wirklich ein Wunder. Deshalb singe ich für euch und für ihn heute Abend, auch wenn er jetzt nicht zugegen ist. Von Wolfgang Petry, Du bist ein Wunder", sagte ich mit bebender Stimme und entrollte das schwarze T-Shirt mit Thorins Bild und dem Spruch in der Runenschrift, welches ich mir unter eifrigen und aufmunterndem Applaus über den Kopf zog. Auf meiner Brust prangend, konnten es nun alle gut sehen und lesen, was ich dort hin geschrieben hatte. Denn dieser Satz bewegte mich seit jeher schon und ich hatte ihn etwas aufgefrischt. Dort stand in diesen herrlichen weißen Lettern "Diesem Einen will ich #Follow". Und mitten drin das Bild von Thorin. Lange Zeit zum Staunen hatte das Publikum nicht, denn schon setzte die Musik ein. Auf einem kleinen Bildschirm vor mir erschienen die Textzeilen, die ich nach singen musste, wenn sie aufleuchteten. Ich wartete zunächst ein paar Sekunden, dann hob ich das Mikro aus der Verklammerung des Ständers und sang drauf los. "Dass du mich fix und fertig machst, hab ich dir schon oft gesagt. Warum hab ich erst zu spät gemerkt, dass du alles für mich warst. Eine kleine Chance gibts noch, die mich weiter hoffen lässt. Wunder gibts immer wieder. Ich lieb dich wie die Pest! Du bist ein Wunder, so wie ein Wunder. Ein wunder Punkt in meinem Leben. Du bist ein Wunder, so wie ein Wunder. Ein Wunder Punkt, auf meinem Herz. Ich hab versucht. Dich zu vergessen. Doch ich schaff es einfach nicht. Weil man ein Wunder, dass man erlebt hat, nie mehr vergisst. Du bist die Pure Leidenschaft, du bist wie für mich bestellt. Du bist in meinem Leben drin. Du bist meine Unterwelt. Eine kleine Chance gibts noch, die mich weiter hoffen lässt. Wunder gibts immer wieder. Ich lieb dich wie die Pest!" Während ich dort so stand und zum Ende dieses Schlagerklassikers immer wieder den Refrain wiederholte, begann das ganze Zelt mit zu grölen. Ich sah die vordere Reihe Arm in Arm beieinander stehen. Es hatten sich alle von den hölzernen Stühlen erhoben. Sie klatschten zum Takt, wedelten mit dem Armen, hüpften auf und ab, sodass das Zelt anfing zu beben. Und auch als die Musik schon längst verklungen war, sangen sie immer noch "Du bist ein Wunder". Ich lächelte etwas und sah mich dann nach Moe um, der verzweifelt versuchte die Menge wieder zu beruhigen. "Leute, Leute kommt mal runter. Jetzt muss die Jury entscheiden, wie sie die Darbietung fand", rief er aus und drängte mich etwas auf die Seite, sodass ich mit dem Rücken zum Zelteingang stand. Die Leute setzten sich bald wieder und warteten gespannt auf die bevorstehende Entscheidung. Chantal war die erste, die sich äußerte und lächelte freundlich. "Also Jacky, du hast uns mal wieder sehr überrascht. Und es hat mich doch sehr positiv gefreut, dass du offenbar nach deiner langen Leidenszeit wieder einen Mann gefunden hast, dem du dein Herz schenken kannst. Es hat mich doch sehr bewegt. Von daher geb ich dir stolze zehn Punkte", sagte sie und schon fing der Saal wieder an zu toben. Ich konnte nur die ganze Zeit über grinsen. "Sag mal Chantal, wie kann man sich denn positiv freuen? Geht das denn auch negativ?", fragte Moe, worauf es etwas Gekicher gab und die Angesprochene verlegen ihr Schild mit der Aufschrift "Geil" weg legte. Als nächstes schnappte sich Frodo sein Mikro und sah mich vom Sofa aus an. "Ja Jacky, was soll ich dazu sagen. Grandios. Und ich hab gesehn, das T-Shirt hast du ja eben erst, vor wenigen Stunden extra hier für angefertigt. Ich finds schön, dass es noch was geworden ist. Und deine Performance war wirklich eins A. Gratuliere. Auch von mir gibts zehn Punkte", erklärte er und wieder ging im Zelt die Post ab. Aber nun kam der Letzte an die Reihe. Goldständer alias Mr. Ice Kalt. Er trug wie üblich einen schwarzen Anzug, dazu eine weiße Krawatte und diese besonderen Lackleder-Schuhe, wie die Mafiosis in alten Spielfilmen. Die dunklen, kurzen Haare hatte er sich halb ins Gesicht gegelt, sodass er einen noch düsteren Eindruck machte, als er für gewöhnlich war. Er räusperte sich kurz, als endlich Stille eingekehrt war und musterte mich mit gespielt ernster Miene. "Also ganz ehrlich. Mir hats nicht gefallen. Viel zu schnulzig. Auch wenns ein Party Hit war. Nein, das war nicht gut und so was bin ich auch nicht von dir gewohnt. Das geht um Klassen besser. Von daher nur Vier von Zehn", sagte er und das Publikum machte seinem Unmut Luft, indem es bereits mitten in der Kritik anfing ihn auszupfeifen. "Oh, das ist sehr schade", kam es mit betretener Sachlichkeit von Moe. Ich zuckte kurz mit den Schultern. Mir war das eigentlich egal und ich wollte schon von der Bühne gehen, als sich über die ganzen Buh-Rufe und Pfiffe eine einzige Stimme erhob: "Das war nicht gut? Das soll wohl ein Scherz sein, Mensch?!" Schlagartig wurde es totenstill im Zelt. Vor Schreck fiel mir das Mikro fast aus der Hand. Ich konnte es gerade noch fangen, bevor es polternd und knirschend auf die Holzplatten der Bühne krachte. Sicherheitshalber steckte ich es überhastet in den Ständer, damit es nicht doch noch passierte. Die Augen der Leute richteten sich alle auf etwas oder jemanden der plötzlich hinter mir im Zelteingang aufgetaucht war. Langsam, fast wie in Trance drehte ich mich um. Als ich ihn da stehen sah, musste ich mehrfach blinzeln und mir die Augen reiben. Putz munter und mit seinem üblichen, ernsten Gesichtsausdruck blickte der Zwergenkönig zu mir auf die Bühne. Wobei er gar nicht mich ansah, sondern eher den guten Goldständern fixierte, der hinter meinem Rücken an mir vorbei schielte. Wie hatte er da nur so lange unbemerkt von allen stehen können? Nicht einmal seine Männer an der Bar hatten ihn wohl gesehen, denn aus dem Hintergrund kam ein mehrstimmiges, halblautes "Thorin". Ein wenig baff klappte mir der Mund auf und zu, als er mit langsamen Schritten zwischen Bühne und vor Spannung schweigendem Publikum vorbei ging. Genau auf Goldständer zu haltend. Mich ignorierte er zunächst, auch wenn ich hätte schwören können, dass er mir einen kurzen Seitenblick zugeworfen hatte. Als er am Aufgang war, machte er einen kurzen Hopser. Schon stand er vor dem jungen Menschen und sah auf diesen mit finsterer Miene herab. Ich schluckte. Was hatte der kleine Mann denn nur um alles in der Welt vor? "Wie kannst du dir erlauben, dass was diese Frau gerade gesagt und gesungen hat, als schlecht zu bezeichnen? Sie hat sich dafür allerhand mühe gemacht und mehr verdient, als nur das, was du ihr gerade gegeben hast", knurrte er was man, natürlich aufgrund der vielen Mikros in der Nähe, über Lautsprecher im ganzen Zelt hören konnte. Ich schaute etwas seitlich an dem kleinen Mann vorbei und musterte seinen Gesichtsausdruck. Seine Wirkung auf den jungen Mann war eindeutig getreu dem Motto: "Wenn Blicke töten könnten." Und ich wusste insgeheim schon, dass es eventuell sogar dazu kommen konnte, wenn Goldständer genau diesen Fehler machte. Aber der war nun definitiv von dem kleinen bärtigen Mann bis in das alte Sofa hinein gestarrt worden und schluckte verängstigt. Er war offensichtlich so eingeschüchtert, das er gar kein Wort heraus bekam. Was aus seinem Standpunkt betrachtet das Beste war, was ihm eigentlich passieren konnte. Dennoch wollte ich den Guten von dem wütenden Zwerg erlösen, der immer noch nicht ganz von ihm ablassen wollte. Zögerlich machte ich eine vorsichtige Bewegung auf die Beiden zu. Ich streckte meine Hand aus und legte diese Thorin sanft auf die Schulter. Ein wenig überrascht von der Berührung drehte er dann doch den Kopf zu mir und sah mich über die Schulter hinweg an. Er wirkte nicht mehr ganz so erschöpft, wie noch am Mittag. Aber dennoch sah ich in seinen vor Erstaunen aufgerissenen, blauen Augen, das er noch immer etwas müde war. Ich schluckte einen Augenblick, bevor ich ihn kurz und stotternd vor Aufregung sagte: "Lass gut sein, Thorin. Wenn es ihm nicht gefallen hat, ist das nicht schlimm." Nun drehte er sich ganz zu mir um und musterte mich lange. Ich fühlte wie mein Herz mehr und mehr anfing zu rasen je länger er mich so durchdringend ansah. Doch ich konnte meine Augen nicht von ihm lassen. Wir standen hier vor allen Leuten der Zeltstadt. Da waren irgendwo unter diesen ganzen Menschen meine besten Freunde und sie betrachteten uns vermutlich genauso gespannt wie alle anderen. Es war nervenaufreibend, wie er es immer wieder nur mit seiner bloßen Anwesenheit schaffte, alle in seinen Bann zu ziehen. Vor allem in diesem Augenblick mich. Ich musterte in den wenigen Sekunden alles an ihm. Er verzog keine Miene. Er schien nicht mal kurz zu blinzeln. Plötzlich sah ich wie er tief Luft holte. Doch anstatt laut zu werden, klang er einfach nur belustigt. "Es ist hoffnungslos mit dir, oder?", fragte er ruhig und behielt weiter den Blick auf mich geheftet. Ich war kurz etwas verwundert und trat nervös von einem Bein aufs andere. Erwartete er darauf nun eine Antwort oder war es eine rein rethorische Frage gewesen? "Ähm. Müsst ihr das hier klären oder könnt ihr beiden dann mal von der Bühne gehen, damit wir den Sieger küren können?", kam es ganz vorsichtig von Moe, der etwas ungeduldig wurde. Ich sah zu dem glatzköpfigen Mann hinüber und dann wieder zu Thorin, der das gleiche getan hatte. "Ich glaube wir sollten gehn", meinte ich mit leicht trockener Kehle. Thorin antwortete mit einem sachlichen Nicken und ging mir voran von dem kleinen Holzgestell. Ich folgte langsam und das Publikum rührte sich auch wieder. Moe verkündete den Gewinner, während ich mich mit dem Zwergenkönig nach hinten zu seinen Männern durch schlug. Natürlich gewann ich trotz der recht guten Einlage nicht, dennoch war es für mich ein kleiner Erfolg. Während ich so an den Leuten vorbei ging, riefen mir einige in der Nähe zu, dass das eine wirklich geniale Aktion gewesen war. Ich lächelte ihnen kurz entgegen, bevor ich an den Tresen heran trat, wo sich nun alle Zwerge eingefunden hatten. Balin, Oin und sogar der grantige Gloin waren wohl zusammen mit Thorin her gekommen. Nun waren die Dreizehn vollständig und ein Großteil davon war regelrecht außer sich vor Begeisterung. "Cuna, das war unglaublich!", rief Fili und drückte mich einmal ganz fest. "Danke, Fili. Und was sagt ihr zu meinem T-Shirt? Ist mir der Aufdruck gelungen?", fragte ich in die Runde. "Ihr seid wirklich eine begnadete Künstlerin. Wie habt ihr es nur geschafft dieses Bildnis so treffend auf den Stoff zu bekommen?", fragte Balin und zog es am unteren Saum glatt um alles sehen zu können. "Ach, das war ganz einfach. Ein paar Vorlagen und ein bisschen Textilfarbe. Was mich aber mal interessiert, wo ihr auf einmal her kommt?", erwiderte ich und sah den alten Zwerg lächelnd an. "Nun, das war so. Nachdem Thorin erwacht ist, hat er umgehend nach euch verlangt. Ich sagte ihm wo ihr seid und er stürmte fast sofort drauf los", meinte er etwas betreten "Soll das heißen, er hat nicht mal was von meinem Essen probiert und ist gleich her gekommen?", fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Balin zuckte verlegen mit den Schultern. "Bedauerlicherweise, ja. Ich habe es ihm angeboten, aber er hat sich nur die Stiefel angezogen und ist dann hier her gerannt. Gerade als Ihr Eure recht nette Rede gehalten habt", sagte er, strich sich durch den langen Bart und schielte etwas zu seinem König, der sich wie die anderen gerade mit einem Bier begnügen wollte, aber zuvor noch in ein Gespräch mit Dwalin vertieft wurde. Ich schnaubte einmal kurz laut und knirschte mit den Zähnen. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Er war ohne etwas von meinem Essen zu kosten aufgestanden und wollte sich tatsächlich auf nüchternen Magen ein Bier gönnen. Na das konnte der Herr mal ganz schnell vergessen. Nicht mit mir! Da hatte ich mir so viel Arbeit damit gemacht und er verschmähte es einfach. Wütend schritt ich an Balin vorbei und riss dem kleinen dunkelhaarigen Mann die Flasche aus der Hand, die er gerade an die Lippen setzte. Erschrocken und perplex ließ er diese los und starrte mich irritiert an. "Was in Durins Namen soll das?", rief er entsetzt aus. "Was das soll? Das fragst du noch? Du brichst am Mittag vor lauter Hunger und Müdigkeit vor mir zusammen und jetzt stehst du hier und schüttest dir auf nüchternen Magen Alkohol in den Wanst. Balin hat dir vorhin was angeboten. Warum hast du nichts gegessen?", fauchte ich ihm entgegen. Er seufzte leise und blickte mich etwas ungeduldig an. "Ich kann diesen Menschenfraß einfach nicht mehr sehn. Und jetzt gib mir mein Bier wieder", sagte er knapp und langte nach der Flasche, aber ich wich von ihm zurück. Mit dieser Aussage fiel mir beinahe alles aus dem Gesicht. Er hatte gerade mein Essen, für das ich mehrere Stunden am Feuer gestanden hatte, um es so hin zu bekommen, als Fraß bezeichnet. Und das ohne es auch nur einmal probiert zu haben. Ich war Fassungslos. Hatte er nicht noch vor wenigen Minuten Goldständer dafür rund gemacht, weil dieser meine Gesangsnummer so scharf kritisiert hatte? Und nun tat er eigentlich das Selbe mit dem Essen, was für ihn bestimmt gewesen war. Ich bebte plötzlich so vor Wut und Entrüstung, dass ich mühe hatte dem Zwergenkönig nicht doch eine schallende Ohrfeige zu verpassen. In selben Moment wo ich anfing zu knurren, knurrte auch mein Magen, der langsam nach etwas Essbarem verlangte. Und Thorin versuchte mir immer noch die Flasche abzunehmen, die ich krampfhaft in meiner Hand hielt. Er hatte sie schon zu fassen bekommen, konnte sie aber nicht meinem Griff entreißen. "Was ist denn? Warum lässt du nicht los?", fragte er und wurde nur noch ungeduldiger. "So, du willst also den Menschenfraß nicht, ja?", fragte ich mit sehr stramm gespannten Nerven. "Ja. Und ich frage mich, was du daran gerade auszusetzen hast", meinte er gereizt. "Was ich daran auszusetzen habe? Was hast DU bitte schön daran auszusetzen?!", brüllte ich ihn so laut an, dass sich alle in unserer Nähe umdrehten. Er verzog etwas das Gesicht und legte den Kopf leicht schief. "Weswegen bist du plötzlich so außer dir?", fragte er und schaffte es dann doch mir sein Bier zu entreißen. Ich atmete einige Male ganz tief durch. Mir schossen tausend Beschimpfungen durch den Kopf, die ich alle liebend gern an ihm ausgelassen hätte. Doch das hätte nur zu einem gewaltigen Streit führen können. Stattdessen hörte ich lieber auf meinen knurrenden Magen, der sich immer deutlicher hervor tat. Ich schnaubte einmal ohne ihm eine Antwort auf seine Frage zu geben und stapfte wie ein wütendes Rhinozeros Richtung Barzelteingang. "Wo willst du denn jetzt hin?", rief er mir nach. Ich hielt kurz am Eingang inne und drehte mich dann kurz wieder um. Diese Antwort wollte ich ihm geben und ich hoffte in dem Augenblick, dass sie ihm ungemein weh tun würde. "Ich gehe jetzt eben MEINEN Menschenfraß essen den DU ja nicht haben willst!", brüllte ich und verschwand nach draußen in die schwül warme Sommernacht. -43. Ein Wunder und ein T-Shirt / ENDE - Kapitel 44: 44. Eine kalte turbolente Nacht ------------------------------------------- "Dieser elende Sohn einer räudigen Hündin", fluchte ich lauthals, als ich mich durch die Gruppe von Menschen manövrierte, die sich alle samt in einer gräulich-weißen Dunstwolke aus Zigarettenqualm vor dem Fisse Ma "Tent" chen versammelt hatte. Hin und wieder fauchte mich der ein oder andere von der Seite an, wenn ich jemandem auf die Füße trat oder unwirsch durch die Menge pflügte. Natürlich ohne Rücksicht auf Verluste. So rempelte ich auch die arme Rainbow an, die gerade einen der beliebten Grießkuchen auf der Hand hielt und diesen beinahe fallen ließ. "Jacky! Herrje, pass doch auf!", rief sie aus und musterte mich etwas verärgert von unten herauf. Ich schnaubte kurz und schüttelte dann den Kopf, um ein bisschen klarer zu werden. "Rainbow. Ach sorry, tut mir leid, hab dich nicht gesehn", drang es mir entschuldigend, aber mit leicht verärgertem Unterton über die Lippen. "Was ist denn mit dir los? So hab ich dich ja noch nie erlebt. Ist es dir echt so nah gegangen, dass du nicht gewonnen hast?", fragte sie und richtete ihre Brille etwas. Ich seufzte und schüttelte erschöpft den Kopf, bevor ich ihr antwortete: "Nein. Nicht der Wettbewerb ist Schuld an meiner Laune, sondern dieser verdammte, kleine, ignorante Mann." Ich fauchte dabei leicht mit Schulterblick in Richtung des Barzeltes. Rainbow musterte mich im Halbdunkeln des Platzes und nickte dann ruhig. "Komm mal mit. Reden wir, wo es was ruhiger ist", sagte sie und zog mich dann an meinem T-shirtärmel hinter sich her. Ich folgte ihr ein wenig unwillig, aber vielleicht wäre es besser mit jemandem über meine Gefühlte zu reden, die ebenfalls seit ein paar Jahren ein Singledasein führte. Auch wenn sie das im Gegensatz zu mir aus freien Stücken tat. Wir verzogen uns in die nähe des zwergischen Wachturms, genau neben den Sandybor und nahmen dort im noch warmen Sand platz. "Also Jacky, jetzt erzähl mir mal, wo genau dir der Schuh drückt", sagte sie und musterte mich geschäftsmäßig. Seufzend strich ich mir eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht und dachte kurz nach. "Tja, wo fange ich da an. Also ihr habts ja jetzt alle mitbekommen. Ich bin in diesen Kerl da drin verschossen. Und das nicht nur einfach so. Ich meine es ist mehr als nur einfache Verliebtheit. Ich kann einfach nicht aufhören an ihn zu denken und ich weiß nichts mehr mit mir anzufangen. Überall wo ich stehe gehe und hinschaue scheint nur noch er zu sein. Er ist für mich wie eine verdammte, süchtig machende Droge, von der ich einfach nicht mehr los komme. Ich will ihn unbedingt haben. Wirklich um alles in der Welt. Ach verdammt, ich bin völlig besessen davon. Ich meine, ich mach mich extra hübsch für ihn. Ich koch ihm Essen. Ich sing ihm ein Lied und ich verschandel mein T-shirt wegen dem Kerl. Aber meinst du er hat dazu ein gutes Wort für mich? Nein! Stattdessen sieht er mich an, wie den ersten Menschen und mein Essen bezeichnet er als Fraß, obwohl er es nicht mal probiert hat. Ich würde ihm am liebsten dafür den bärtigen Kopf von den Schultern schrauben!", sprudelte es aus mir heraus und ich machte unwillkürlich sogar mit den Händen eine würge Bewegung in der Luft. Rainbow klopfte mir sacht auf den Arm und ich sah zu ihr hinüber. Sie lächelte mich mit ernster Miene an und schüttelte sanft den Kopf. "Ach Jacky. In was hast du dich da nur verrannt? Du bemühst dich um einen Mann, der offenkundig gar kein Interesse an dir hat. Und ich finde sogar, dass er noch dazu viel zu alt für dich ist. Ich meine, was findest du an dem? Klar, er hat irgendwo ein gewisses Charisma und nen super Body. Und ich hab von dem ein oder anderen Mädel hier auch schon Getuschel gehört, dass sie liebend gerne mit dir den Platz in dem Zelt tauschen würden, nur um bei einem von denen zu sein. Aber sieh es doch mal so. Der Mann will dich nicht. Da kannst du anstellen was du willst um ihm zu gefallen. Lass ihn sausen. Du findest hier so viele gutaussehende und vor allem handzahmere Männer als wie diesen wilden, primitiven Kauz. Tu dir selbst einen gefallen, bevor er dir noch mehr das Herz bricht und lass ihn von der Leine", sagte sie und rüttelte dabei an meinem Arm. Ich musste schlucken als sie mir das so offenbarte. War ich wirklich zu sehr darin vernarrt, mich an ihn zu heften wie eine Zecke? Ja, eventuell wie eine Stalkerin? Oder würde ich vielleicht sogar zu einer werden, wenn ich mir nicht endlich eingestand, dass es keinen Sinn hatte gegen den Dickkopf dieses Zwerges anzugehen? Ich fuhr mir durch die zusammengebundenen Haare und knurrte leicht, als sich meine Finger in dem zerrupften Zopf verfingen. Frustriert riss ich diesen auseinander und breitete meine langen braunen Haare über meine Schultern aus. Der Zopf hatte sie leicht lockig werden lassen, was ich so gesehen doch recht nett fand. Aber das war in diesem Augenblick egal. Ich war mehr mit der Frage beschäftigt, wie es für mich weiter gehen sollte. Insgeheim musste ich Rainbow ja recht geben. Wenn es mit diesem sturen Bock keinen Sinn hatte, musste ich mich irgendwie von dem Gedanken verabschieden. Nur wie sollte ich das anstellen? Ich war schon viel zu tief in der Sache drin. Außerdem stimmte es ja gar nicht, das er sich nicht für mich interessierte. Er ignorierte nur mit jeder Faser seines kleinen stämmigen Körpers sämtliche Anzeichen dieser Gefühle, die in uns beiden pulsierten. Typisch Mann oder in dem Fall Zwerg, dachte ich grimmig. Ich seufzte erneut und nun knurrte auch mein unnachgiebiger Magen wieder, was mich genauso aufregte. Mit leerem Magen über Thorin nachzudenken, war noch viel anstrengender, als ohne hin schon. Eigentlich hatte ich ja vorgehabt ihm aus Trotz seine Bratkartoffel weg zu futtern. Aber schon schob sich etwas Süßes und köstlich Duftendes vor meine Nase. Rainbow hatte meinen Magen wohl auch gehört und reichte mir den Rest ihres Grießkuchens herüber. Ein wenig peinlich berührt sah ich kurz zu ihr hin. "Das ist doch deiner", sagte ich ruhig. "Ach komm schon, Jacky. Ich hab gesehn, dass du heute noch nichts hattest. Warst ja weder beim Frühstück, noch beim Mittagessen und das Abendessen hast du auch ausfallen lassen. Iss schon was, sonst wirst du noch wie dein komischer Typ da", sagte sie und drückte mir das Stück in die Finger. Ich hob eine Augenbraue und grinste verschmitzt. "Du meinst, mir wächst dann auch so ein schöner schwarzer Bart?", fragte ich sehr trocken. Rainbow fing an zu lachen und legte mir kurz eine Hand auf die Schulter. "Das ist die Jacky, die ich kenne", meinte sie amüsiert, doch ihr lachen endete in einem kurzen aufleuchten des Himmels. Erschrocken sahen wir nach oben. Wolken waren in dieser schwülen Nacht aufgezogen. Es würde sicherlich diese Nacht noch ein Gewitter auf uns zu kommen, denn es wurde bereits durch ein immer intensiver werdendes Wetterleuchten angekündigt. Aber ich vermutete kein allzu Schlimmes, wie das vor wenigen Tagen, da mich meine Wetterfühligkeit über die letzten Stunden nicht heim gesucht hatte. Langsam stopfte ich mir den Kuchen in den Mund und sah weiterhin nach oben. "Da braut sich ja was zusammen. Am besten wir gehen gleich unsere Zelte sichern. Oder willst du erst mal was alleine bleiben?", fragte sie neugierig, als sie aufstand. "Ach, das Zelt sichern bei mir eh die Männer. Da hab ich nichts zu melden. Ich kann noch etwas draußen bleiben. Will ehrlich gesagt gerade diesem einen nicht über den Weg laufen. Ich brauch noch was frische Luft. Vielleicht mach ich auch noch einen kleinen Nachtspaziergang", erwiderte ich und stand ebenfalls auf. Rainbow brummte etwas beunruhigt und skeptisch. "Na gut. Mach das. Aber geh nicht zu weit weg. Wenn das wieder so stürmt, wie letztens wird das sehr unangenehm", meinte sie und verschwand dann mit einem kurzen "Gute Nacht" Wunsch auf den Lippen. Ich winkte ihr nach und setzte dann meine Füße in Bewegung. Ich brauchte nach der ganzen Aufregung wirklich etwas Ablenkung und die würde ich vermutlich nicht auf dem Zeltplatz finden. Der Letzte, dem ich in diesem Augenblick begegnen wollte, war Thorin, welcher mit Sicherheit mit den anderen Männern schon dazu aufgefordert worden war das Zelt zu sichern. Es war bestimmt kein feiner Zug von mir, den Herren die ganze Arbeit allein zu überlassen, wo ich doch einen Schlafplatz mit ihnen teilte. Aber ein wenig Bewegung um wieder müde zu werden, tat mir in dem Moment einfach besser, als mich wütend auf den kleinen, dunkelhaarigen Mann zu stürzen sobald ich ihn sah. Denn allein der Gedanke daran, wie er sich vor wenigen Minuten verhalten hatte, war für mich schon ein Grund innerlich zu kochen vor Wut. Völlig unachtsam wohin mich meine Fuße trugen, hatte ich den Zeltplatz irgendwann verlassen und war auf der kleinen Landstraße hinter Klein Mordor unterwegs. Das Wetterleuchten erhellte meinen Weg hin und wieder, sodass ich nicht völlig im Dunkeln herum tapste. Es war verdammt still. Nicht einmal die Grillen zirpten in dieser Nacht. Das Einzige, was man eventuell vernehmen konnte, waren vereinzelte Lkws auf dem Weg zu ihren Firmen. Oder hin und wieder die Sirene eines Krankenwagens in weiter Ferne. Irgendwann kam ich nahe einer Brücke zu einem Feldweg. Der Fluss darunter hatte einen reichlich niedrigen Pegel. Das plätschern hörte sich sehr erfrischend in meinen Ohren an. Und es erinnerte mich irgendwie daran, dass ich eigentlich schon den ganzen Tag nicht geduscht hatte. Gut, baden wollte ich wirklich nicht in den dortigen Gewässern. Wer wusste schon welche Krankheiten sich dort drin verbargen. Dennoch war es irgendwo reizvoll für mich, einfach mal die überhitzten Füße hinein zu halten und zu schauen, wie kühl es vielleicht war. Aber wo sollte ich das machen? einfach so ans Ufer setzen, war mir dann doch zu blöd. Vor allem, da sich dort allerhand Brennesseln und Disteln versammelt hatten. Auf der anderen Seite sah es auch nicht viel besser aus. Und einfach durch das Wasser zu waten, ohne die Schuhe auszuziehen ging auch nicht bei dieser Dunkelheit. Ich wusste ja nun nicht, wie tief es denn wirklich war und wenn ich dort irgendwo um knickte und mich verletzte könnte ich womöglich ersaufen. Im Schein eines größerem Wetterleuchtens, das bereits von einem leisen Donnergrollen gefolgt wurde, erkannte ich einen kleinen Trampelpfad, der gegenüber des Feldweges, in der Ferne zu einer Flussgabelung führte. Vielleicht hatte ich ja dort etwas mehr Glück und ich wäre auch sicherlich rechtzeitig wieder zurück im Zeltlager, wenn das Gewitter zu nahm. So schlug ich mich munter und völlig Gedankenlos auf den Pfad. Ich wollte auch einfach nicht mehr über irgendetwas nachdenken. Besonders nicht über diesen aufgeblasenen Zwergenkönig. Ich wollte nur meinen Ärger etwas los lassen und meinem Herzen etwas Luft gönnen. Und wenn meine Füße dabei auch etwas Abkühlung erhielten, war mir das nochmal so recht. Als ich die Flussgabelung erreicht hatte, fiel mir sofort der kleine hölzerne Steg auf, der von meinem Ufer bis hin zu der Insel in der Mitte der Gabelung führte. Perfekt! Ich konnte mich in aller Ruhe mitten drauf setzen und die Beine Baumeln lassen. Und das tat ich dann auch. Ich trat sicheren Fußes auf das vermeintlich feste Holz und schlenderte bis zur Mitte wo ich mich nieder ließ, meine Schuhe entfernte und den Inhalt einfach in die Fluten hielt. Erleichtert stöhnte ich auf und rollte meinen Rock ein klein wenig hoch, damit der Saum nicht all zu nass wurde. Ich genoss die Stille dieser gewittrigen Nacht und das angenehme Gefühl der Strömung um meine Beine. Langsam lehnte ich mich zurück und ließ mich ganz auf den Rücken sinken. So etwas hatte ich bisher auch noch nie gemacht und es fühlte sich schon ein bisschen falsch, aber verwegen an ein solches Risiko einzugehen. Wobei ich es in dem Moment nicht als Risiko empfand, sondern eher als genug tuende Strafe für einen gewissen Jemand, der sicherlich bereits nach mir Ausschau hielt. Wobei mir doch ein wehmütiges Seufzen entfuhr, als ich gen Himmel starrte. Ob er wirklich nach mir suchen würde? Oder wäre es ihm nur recht, dass ich ihm ausnahmsweise nicht unter die Augen kam, so wie er es schon mal von mir verlangt hatte? War es richtig gewesen einfach so ohne ein Wort zu verschwinden, wie bereits am Morgen, wo er sich schon Sorgen gemacht hatte? Hatte ich vielleicht in einem Anflug von kindischer Trotzköpfigkeit überreagiert? Immerhin konnte er doch nicht wissen, dass das Essen tatsächlich von mir war. Mir wurde mein Gemüt und auch meine Augenlider immer schwerer. Ich schüttelte kurz den Kopf und versuchte krampfhaft die Augen offen zu halten, die mir immer wieder zu fallen wollten. Ich durfte im Moment bloß nicht weg dösen. Wer wusste schon, was dann passieren würde. So richtete ich mich langsam wieder auf und rieb mir die Augen. Ich überlegte ob ich vielleicht zurück gehen und mich für mein Verhalten entschuldigen sollte. Er hatte ohnehin schon zu viel mit mir durchmachen müssen und nun bereitete ich ihm noch mehr Kummer. Außerdem wurde das Donnergrollen mit jedem Leuchten am Himmel immer bedrohlicher. Langsam zog ich meine Beine aus den Fluten und trocknete sie mit meinem Rocksaum ab. Gerade als ich mir meine Schuhe anziehen wollte, hörte ich ein Rufen näher kommen. Ich hielt kurz inne und lauschte. Ich war mir zunächst nicht ganz sicher, wer da rief und was es genau war, doch je näher es kam, umso deutlicher vernahm ich, dass es mit Sicherheit ein Zwerg sein musste. Denn nur diese benutzen den Namen Cuna, der neben dem rollenden Donner in die Nacht hinein hallte. Schnell zog ich mir meine Schuhe weiter an und hob dann den Kopf um etwas zu erkennen. In der Ferne hüpfte das Licht einer kleinen Flamme auf und ab, welches immer näher kam. Es ähnelte meiner alten LARP-Laterne, die bei dem letzten Sturm zu Bruch gegangen war. Aber das konnte nicht sein, denn diese hatte ich weg geworfen. Schließlich erblickte ich im Licht eines diesmal deutlich am Himmel abgezeichneten Blitzes, eine kleine Gestalt an der Brücke, die die Laterne in der Hand hielt. "Cuna! Wo steckst du?!", brüllte diese. Sie klang ziemlich verzweifelt und verängstigt. Obwohl ich eigentlich hätte antworten sollen, zögerte ich plötzlich. Ich war mir unsicher was ich denn sagen sollte, weshalb ich mich allein an diesem sonderbaren Ort befand. Ich würde sicherlich einige Fragen an den Kopf geworfen bekommen. Je nachdem wen ich zu erwarten hatte. Doch ein sehr lauter Donnerschlag ließ mich zusammen fahren, sodass ich einen kurzen erschrockenen Schrei nicht vermeiden konnte. Die Gestalt mit der Laterne wandte sofort den Blick über den kleinen Trampelpfad und hetzte einfach drauf los. Ich blieb einfach wie angewurzelt stehen und wartete. Ich wusste nicht genau, wo ich in diesem Augenblick hin sollte. Auch wenn in mir alles unterbewusst nach Flucht schrie. Aber dafür war es mindestens dann zu spät, als die wackelnde Laterne am Rand des Stegs inne hielt und ein kleiner, schnaufender, bärtiger Mann zu mir hinüber starrte. "Cuna...", keuchte er und ließ schlagartig die Laterne fallen, bevor ich ihn richtig erkennen konnte. Diese zerbrach und ehe ich mich versah kam er angerannt und schloss mich in eine feste Umarmung. Ich keuchte erschrocken von dem Druck und atmete dabei seinen, mir inzwischen sehr vertrauten Duft ein, der mich in einen sanften Rausch versetzte. Er war es. Ich konnte es einfach nicht glauben. Er war tatsächlich gekommen. Er hatte wirklich nach mir gesucht und nun schien er erleichtert darüber zu sein mich gefunden zu haben. Ich fühlte wie sich seine Brust heftig und schnell hob und senkte. Er musste wohl den ganzen Weg bis zu mir gelaufen sein wie ein Irrer. Und nun war er da und hielt mich fest in seinen muskulösen Zwergenarmen. Thorin rang eine ganze Weile nach Luft und keuchte mir dabei immer wieder ins Ohr. Schließlich fand er dann wohl doch wieder etwas mehr zu sich und löste sich langsam. Das allerdings eher zu meinem Leidwesen. Denn er war ziemlich ungehalten. "Mahal. Was hast du dir nur dabei gedacht einfach fort zu laufen? Noch dazu in einer solchen Nacht", sagte er und packte mich fest an den Schultern. Ich verzog ein wenig das Gesicht. Das er mir gerade in so einen Moment wieder irgendwelche Vorwürfe an den Kopf schmetterte, konnte ich gar nicht gebrauchen. "Ich darf ja wohl mal ein bisschen spazieren gehen, wenn mir danach ist", erwiderte ich trotzig und riss mich von seinen Händen los. "Dir hätte wer weiß was passieren können! Und dann auch noch unbewaffnet während einem Gewitter bei Nacht allein hier draußen! Wenn dich Orks aufgegriffen hätten...", begann er zu toben und wollte mich erneut packen. Doch ich machte ein paar Schritte zurück. "Verdammt noch mal! Thorin! Zum letzten Mal! Es gibt hier keine Orks! Himmel Donnerwetter!", rief ich aus und im selben Augenblick erhellte ein Blitz den Himmel. Es krachte sofort und wir fuhren erschrocken zusammen. Ich schaute nach oben und schluckte etwas. Ehe wir uns versahen und ohne Vorwarnung prasselte plötzlich ein Sturzbach an Regen auf uns herab. Ich schüttelte mich kurz. Warum musste es ausgerechnet jetzt so anfangen zu schütten? Ich knurrte etwas und gab ein bestimmtes Wort, das irgendwie mit Geschlechtsverkehr zu tun hatte, von mir. "Na großartig. Los komm, Cuna. Wir müssen zurück", sagte der Zwergenkönig entschlossen und griff nach meinem Arm. Als er versuchte mich mit sich zu zerren, entwand ich mich aufgrund der Nässe seines Griffes. Er knurrte und trat ein paar Schritte näher. "In Durins Namen. Cuna. Wir müssen hier weg! Was ist los mit dir?!", raunte er mich an und ich wich gleichzeitig vor ihm zurück. "Ich komme nicht mit dir", sagte ich und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. "Bist du noch ganz bei Trost?! Wir werden klatsch nassen und womöglich trifft uns noch der Schlag wenn wir hier bleiben. Und du hast nichts besseres zu tun als jetzt mit mir zu streiten Weib?!", fauchte er aufgebracht. Ich machte noch ein paar schritte zurück. Je näher er kam umso weiter ging ich von ihm weg. Inzwischen hatte ich schon beide Füße auf die kleine Flussinsel gesetzt und fixierte Thorin scharf an. "Ich werde erst mit dir mit gehen, wenn du mir ein für alle mal die Wahrheit gesagt hast. Und zwar die Wahrheit über alles. Verstanden, Prinz Karneval?!", brüllte ich ihm in dem lauter werdenden Unwetter entgegen. "Das ist nun wirklich der unpassendste Zeitpunkt für so etwas. Jetzt stell dich nicht so an und kommt mit mir zurück zum Lager!", brüllte er mir entgegen. Schon machte er einen Satz vom Steg und versuchte erneut mich zu erreichen. Doch ich wich ihm gerade noch aus und er fasste ins Leere. "Ich hab gesagt, ich will die Wahrheit von dir hören. Andernfalls wirst du mich mit Gewalt dazu zwingen müssen mit dir zu kommen", schnaubte ich ein wenig belustigt, da er kurz ins straucheln geraten war und fast mit der Nase im Dreck lag. "Mahal! Darauf kannst du dich verlassen!", knurrte er, sprang auf und fasste mir unsanft an den Rocksaum. Als ich nun zurückweichen wollte, stolperte ich und landete auf dem Hintern. Nun hatte er mich und das drückte er mit einem triumphierenden "Ha!" Ruf aus. Ich wand mich und versuchte ihm verzweifelt zu entkommen. Doch das war zwecklos. Schnell war er weiter hoch gekrochen und fasste mich an den Armen, die ich dazu einsetzte, um ihn weg zu schieben. Natürlich mit wenig Erfolg. "So jetzt ist genug mit der Kinderei. Du kommst gefälligst mit! Ob du willst oder nicht!", rief er aus und warf mich kurz drauf einfach über die Schulter. "Thorin! Verdammt! Lass mich runter, du Mistkerl!", protestierte ich und strampelte hilflos vor mich hin. "Nichts da. Du kommst schön mit. Und davon wird mich nichts und niemand abhalten!", raunte er über die Schulter. Er klang dabei äußerst belustigt. Ich empfand es allerdings weniger schön. Schnaubend hob ich den Blick in Richtung des anderen Flussufers. Als ein Blitz die Szenerie kurz erhellte, musste ich allerdings auch ein wenig gehässig schmunzeln. Wobei ich dies angesichts dessen was ich sah, eigentlich nicht hätte tun sollen. Der Regen war so stark und so schnell gekommen, dass der Fluss binnen weniger Minuten stark angeschwollen war, womit der Steg über den wir gekommen waren, völlig unpassierbar gemacht wurde. Während sich Thorin also noch in seinem vermeintlichen Erfolg sonnte, konnte ich bereits jede seiner Hoffnungen schwinden sehen wieder heil zurück zu kommen. Das wurde ihm aber auch erst dann bewusst, als er sich selbst umdrehte und ein Zucken durch seinen Körper ging. Das Nächste was ich von ihm vernahm, war eine Aneinanderreihung verschiedenster Schimpfworte in seiner Sprache. "Tja, sieht so aus als säßen wir hier fest", meinte ich kurzerhand über die Schulter rufend. "Ja. Eben. WIR sitzen hier fest. Tu nicht so, als würde das deine Situation dadurch besser machen, Weib!", knurrte er. "Zumindest könntest du mich wieder runter lassen. Weglaufen werde ich hier sicherlich nicht mehr", meinte ich mit sarkastischem Tonfall. Grollend wie der nächste Donnerschlag ließ mich der Zwergenkönig wieder auf die Füße fallen. Ich atmete etwas freier und streckte mich kurz. Allerdings wurde ich mit einem mal ziemlich ratlos. Ja es stimmte wir saßen beide Dort fest und es würde vermutlich bis zum nächsten Morgen dauern bis wir zurück könnten. Im Dunkeln durch diesen reißenden Strom zu waten war zu riskant. Aber herumstehen half uns auch nicht weiter, da wir von Sekunde zu Sekunde nasser wurden. Ein Unterschlupf musste her und zwar schnell. Das Selbe ging wohl auch Thorin durch den Kopf, der sich bereits nach einer guten Gelegenheit umsah, wo wir uns verkriechen konnten. Ich kratzte mich kurz am Kopf und dachte nach. Wenn es einen Steg zu diesem Ort hin gab. Dann musste dort auch etwas sein, weswegen es diesen gab. Vielleicht eine Anglerhütte oder ein Unterstand von einem Kanuverleih. Irgendetwas in dieser Art. Ich sah mich um. Das kleine Wäldchen auf der Insel war sehr dicht und da der Herr ja seine Laterne in der hast am anderen Ufer hatte fallen lassen, waren wir bis auf die Blitze völlig ohne Licht. Folglich würde es auch schwer werden einfach so herum zu laufen. Aber dort stehen bleiben konnten wir auch nicht. Denn der Fluss begann immer mehr anzuschwellen und bald erreichte er meine Fersen. "Oh Weia", sagte ich und machte einen Schritt davon weg. Inzwischen hatte Thorin wohl eine Idee bekommen und fasste mich einmal mehr am Arm. Er wollte mich Wortlos hinter sich her ziehen. Doch ich löste mich erneut trotzig aus diesem Griff. Ein genervtes Seufzen seiner tiefen Stimme drang an mein Ohr. "Was ist denn jetzt schon wieder?", fragte er in einem sehr melodischen Singsang. "Sag mir erst wo du hin willst", raunte ich ihn an. "Zunächst mal vom Ufer weg. Oder willst du hier ersaufen?", fragte er und griff erneut nach mir. "Und wohin dann?", fragte ich und ließ mich dann doch ausnahmsweise die kleine Steigung hoch ziehen. "Wir suchen einen trockenen Platz, wo wir über die Nacht verbleiben können. Hier ist bestimmt etwas auf der Insel, wo wir unter kommen können", sagte er und zerrte mich weiter hinter sich her. "Gut geschlussfolgert, Sherlock. Aber was wenn hier nichts zu finden ist?", fragte ich ein wenig ungehalten. "Dann baue ich uns eben einen. Hauptsache wir kommen aus dem Regen raus. Und würdest du dich ein wenig zusammen reißen, immerhin ist es deine Schuld, dass wir jetzt hier fest sitzen ", knurrte er. Ich seufzte ein wenig und kämpfte meine Trotzköpfigkeit nieder. Er hatte ja recht. Hätte ich nicht so drauf gepocht meinen Willen zu bekommen, säßen wir nicht dort wie zwei begossene Pudel. Langsam brach ich meinen eigenen Widerstand und ging freiwillig neben ihm her. Das spürte er zwar sofort und lockerte seine Hand ein wenig, doch ließ er diese wohl zur Sicherheit immer noch um meinen Arm geschlossen. Vermutlich auch um mich nicht im Dunkeln zu verlieren. Wir brauchten ein bisschen um in dem fast undurchdringlichen Dickicht einen Weg hinein zu schlagen. Ständig schlugen mir kleinere Äste ins Gesicht und ich fluchte immer wieder, wenn mich so einer in den Augen traf. Dem Zwergenkönig erging es da auch nicht viel anders. Dennoch wollte er sich partout nicht von mir lösen. Schließlich erreichten wir eine freiere Fläche. Die Bäume standen dort noch viel dichter zusammen, aber der Boden war kahler und in deren Mitte hatte tatsächlich Jemand einen Unterstand erreichtet. Als ein Blitz über uns hinweg zuckte, konnten ich Schemenhaft erkennen, dass sich dort drin offensichtlich Boote befanden. Also war es doch ein Ausflugspunkt für Kanufahrer. Thorin schien es ganz egal zu sein, worum es sich handelte. Er sah nur, dass es dort drin wohl trocken sein musste und auch geschützt. So machte er gar nicht lange halt und zog mich hinter sich her. Darunter angekommen ließ Thorin endlich von meinem Arm ab. Ich atmete tief durch und rang zunächst einmal meine Haare aus. Unterdessen kramte der kleine Mann irgendwo in der Nähe etwas herum. Ich hörte mehrere Plastikplanen rascheln und er murmelte leise vor sich hin. Während ich mich meinem T-shirt und der Bluse darunter widmete, vernahm ich ein kurzes Scheppern in der Ecke wo der Zwerg am herum hantieren war. "Thorin, was treibst du da? Nimmst du das Haus auseinander?", fragte ich ein wenig erschrocken. "Ich baue uns einen Schlafplatz. Du könntest dich auch einmal nützlich machen und nach etwas suchen, das wir gleich als Decke benutzen können", sagte er ruhig und schepperte weiter an etwas herum, das, wie ich vermutete, ein Boot war, welches er von einem der Ständer gehoben hatte. Ich seufzte wieder und tastete mich in dem Unterstand vorwärts. Neben den ganzen Kajaks, also den Einsitzer Booten, befanden sich dort aber auch größere Gruppenruderboote. Ich allerdings suchte nach irgendeiner Kiste, in der sich vielleicht die ein oder andere Decke befinden konnte. Doch stattdessen fand ich nur ein paar uralte Leinenplanen, die auf einem Haufen zusammen gelegt worden waren. Aber das hätte ich mir auch denken können. In so einem Materialschuppen standen nie irgendwelche Sachen drin, die man für eine eventuelle Reise brauchte. Decken und so etwas musste man ja immer selbst mitbringen. "Hast du was?", fragte Thorin nach einer weile. "Nein. Nur ein paar alte Leinenplanen. Aber Decken gibts hier nicht", sagte ich ein wenig enttäuscht. "Die werden genügen. Ich bin schon mit weniger ausgekommen. Bring sie zu mir", sagte er. Ich nahm mir einen Teil des Stapels auf den Arm und trug sie zu ihm hinüber. Erneut blitze es, als ich ihm gerade die Planen reichen wollte. Dieser erhellte den halbdunklen Unterstand für wenigen Sekunden so sehr, dass ich den Stapel vor Schreck fallen ließ. Mir schoss binnen Nanosekunden das Blut in den Kopf, als ich realisierte, was ich da gerade vor mir gesehen hatte. Dieser verdammte Zwerg! Panisch drehte ich mich sofort von Thorin weg und fasste mir mit den Händen über die Augen. Dieser grollte nur vor sich hin: "Pass doch ein bisschen auf, Cuna. Wie kann man nur so eine Angst vor Gewitter haben?" "Vor dem Gewitter?! Sehr witzig! Das sind wohl eher deine Tatsachen, die du gerade vor mir präsentiert hast!", rief ich aus und schüttelte den Kopf. Und mit diesen Tatsachen, meinte ich natürlich nackte Tatsachen im eigentlichen Sinne. Er hatte sich in der Zeit, wo ich die Leinenplanen gesucht hatte, bis auf die Haut ausgezogen und präsentierte sich nun in seiner vollen Pracht hinter mir. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Obwohl ich nicht viel gesehen hatte, reichte es doch um mich innerlich ganz aus der Bahn zu werfen. Und er machte es nicht besser indem ich von ihm ein mehr als amüsiertes Kichern hörte. "Was ist so lustig verdammt?!", rief ich empört über die Schulter. "Du tust gerade so, als hättest du noch nie einen entblößten Mann gesehen. Ich dachte du warst verheiratet", spottete er und ich hörte, wie er an den Planen herum hantierte. "Man schaut sich keine fremden Männer an wenn sie entkleidet sind. Das gehört sich nicht", fauchte ich und versuchte dem Drang zu widerstehen einfach davon zu rennen. "Seit wann bin ich ein fremder Mann für dich? Wir kennen uns seit fast drei Wochen. Davon abgesehen werde ich bestimmt nicht in nasser Kleidung schlafen gehen. Das solltest du im übrigen auch nicht tun", meinte er ruhig. Ich schluckte und verkrampfte mich ein wenig. Er wollte doch nicht wirklich, dass ich mich ebenfalls vor ihm auszog? Da würde ich doch lieber eine Erkältung riskieren, als ihm meine Intimzone von Nahem zu zeigen. Nicht dass mich diese Vorstellung nicht gereizt hätte, doch empfand ich eine wohl anerzogene Scham dem gegenüber. So etwas tat eine Frau wie ich doch nicht einfach. Das war schlichtweg unmöglich. "Was ist denn nun?", fragte er und kam näher an mich heran getreten. "Ich zieh mich nicht vor dir aus. Vergiss es", knurrte ich. "Ich werde dich nicht anfassen. Und sehen werde ich bei dieser Dunkelheit auch nichts. Davon abgesehen weiß ich bereits um deine Blößen Bescheid, wenn du dich erinnerst", sagte er nicht ohne einen Anflug von dreister Belustigung in der Stimme. "Das heißt nicht, dass ich es provozieren muss", erwiderte ich mit immer höher werdender Stimme. "Also gut. Ich mache dir einen Vorschlag. Du legst deine Kleider ab und wickelst dich in eines der Leinentücher ein. So oder so du wirst dir in dieser Nacht nicht den Tod holen, solange ich hier bin. Und wenn du es nicht freiwillig tust helfe ich nach, verstanden?", sagte er in ernstem Ton und drückte mir etwas in den Rücken. Ich atmete tief durch und hob den Kopf zur hölzernen Decke des Unterstandes. Ich hatte wohl wirklich keine andere Wahl. Zumindest ließ mir dieser Mann einfach keine. Ich würde mich unter keinen Umständen von ihm ausziehen lassen. Am Ende zerriss er womöglich noch das T-shirt, worin ich so viel Arbeit gesteckt hatte. Und das war mir einfach zu schade. Ich knurrte ein wenig beleidigt und rang die Gedanken nieder die Situation auch noch insgeheim schön zu finden. Einige Frauen würden mich sicherlich dafür beneiden, vor dem nackten Zwergenkönig zu stehen und ebenfalls von ihm aufgefordert zu werden, sich doch für ihn zu entkleiden. Für mich war es einfach nur peinlich und ein wenig demütigend. Gefrustet wie ich nun war, zog ich mir hastig die nassen Sachen vom Leib. Da ich ja mit dem Rücken zu ihm stand würde er wenigstens nicht meine Vorderseite sehen, wenn es blitzte. Ein Teil nach dem anderen klatschte ich vor mich hin schimpfend auf eines der Boote. Danach griff ich hinter mich und riss dem Zwergenkönig die Leinenplane aus der Hand, in die ich mich so schnell ich konnte einwickelte. "So zufrieden?", fauchte ich über die Schulter. "Gut. Jetzt komm her. Ich hab ein Boot für uns ausgelegt", sagte er und war wieder einige Meter von mir entfernt. "Du meinst, eines für mich und eines für dich, oder?", fragte ich als ich mich umdrehte. "Nein. Eines für uns beide. Wir müssen uns warm halten, wenn wir hier kein Feuer machen können", sagte er schlicht und ich hörte, wie er bereits in die Nussschale kletterte. In diesem Augenblick konnte ich mir ein falsches, hohles Lachen nicht verkneifen. Der Mann war doch einfach unglaublich! Nun sollte ich auch noch in diesem Zustand neben ihm schlafen? Hatte er völlig sein bisschen Zwergenverstand verloren? "Warum lachst du denn? Ich meine das verdammt ernst", sagte er und klang auch genauso, wie er es meinte. Ich schüttelte nur den Kopf, bevor ich ihm antwortete. "Also jetzt schlägt es aber Dreizehn, oder? Du sagtest gerade, das du mich nicht anfassen wirst und jetzt willst du Löffelchen mit mir machen?! Vergiss es!", rief ich empört aus. "Also schön. Dann schlaf von mir aus auf dem Boden, wenns dich glücklich macht", raunte er offenbar mit seiner Geduld am Ende. Ich schnaubte und verzog mich dann an die hinterste Wand des Unterstandes. Dort ließ ich mich auf den Boden sinken und legte meinen Kopf auf die Kiel eines Bootes. Ich schloss die Augen und versuchte ein bisschen Schlaf zu finden. Doch daran war nicht zu denken. Das Gewitter tobte immer noch am Himmel und der Unterstand war alles andere als Windgeschützt. Nach einer Weile in der zugigen Luft begann ich doch zu frieren. Irgendwann fingen meine Zähne an zu klappern vor Kälte und ich war nicht im Stande diese wieder zur Ruhe zu zwingen. Ich hörte wie sich Thorin in seinem Boot bewegte. Er konnte offenbar genauso wenig schlaf finden in dieser Situation. Irgendwann gab er ein langgezogenes Stöhnen von sich. Was folgte war noch mehr Geraschel aus seinem Boot und schließlich kamen langsam seine Schritte auf mich zu. Als diese stoppten öffnete ich die Augen und richtete meinen Blick nach oben. Seine Silhouette hob sich nur unwesentlich dunkler vor dem Hintergrund des Unterstandes ab. Es war unmöglich zu erkennen welches Gesicht er gerade machte. Doch konnte ich an seiner Stimme erkennen, dass er sich dazu entschlossen hatte allen Stolz über Bord zu werfen, den er bisher an den Tag gelegt hatte. "Cuna. Das kann so nicht weiter gehen. Bitte. Komm herüber zu mir und leg dich dort hin", sagte er und kniete sich vor mich. Vorsichtig legte er seine warme Hand auf meinen eiskalten Arm und streichelte darüber. "Du bist ja schon ganz erfroren", flüsterte er besorgt, hob meinen Arm etwas an und begann diesen zwischen beiden Händen zu rubbeln, damit er wieder warm wurde. Langsam löste ich meinen Kopf von dem Boot und brachte mich in eine aufrechte Sitzposition. Ich musterte Thorin so gut ich es in diesem Zwielicht konnte. Er war einfach nur unglaublich, faszinierend und rätselhaft zugleich. Aber so einfach wollte ich es ihm dann doch nicht machen. Schließlich rang ich mich dazu durch ihn anzusprechen und ich hoffte dieses eine Mal auf eine Antwort von ihm. "Thorin", sagte ich ein wenig zögerlich. Er hielt in seinem Tun inne und hob den Kopf. Er schwieg und wartete nur darauf das ich weiter sprach. "Nenn mir nur einen Grund, der mich dazu bewegt zu dir herüber zu kommen. Aber es muss ein Guter sein", sagte ich schlicht. Ich konnte ihn etwas durchatmen hören. Ein paar Minuten schwieg er und wog offensichtlich die Worte ab, die er sagen konnte um mich zu einer Entscheidung zu bewegen. Dann fand er sie schließlich, doch sie kamen ihm nur sehr schwer über die Lippen. Mit stockender Stimme sagte er: "Ich. Ich möchte, dass du. Zu mir herüber kommst. Weil. Weil ich. Weil ich dich. Nicht verlieren will." -44. Eine kalte turbulente Nacht / ENDE - Kapitel 45: 45. Missverständnisse, Zugeständnisse ------------------------------------------------- Es gab nur wenige Worte mit denen er mich hätte fesseln können. Doch dass er mir so offenkundig gegenüber eingestand, dass er sich davor fürchtete mich eventuell zu verlieren, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Im Gegenteil. Vielmehr war ich davon ausgegangen, dass er mich kommentarlos vom Boden aufgehoben und zu sich ins Boot gelegt hätte. Noch dazu schwang in seiner tiefen, warmen Stimme eine Spur aufrichtiger Besorgnis. Ich hätte mir sehr gewünscht sein Gesicht erkennen zu können, doch dafür reichten die Zeitabstände zwischen den Blitzen nicht. Stattdessen begnügte ich mich einfach mit den Worten die ich gehört hatte, ohne mir eine Bestätigung aus seinen atemberaubend blauen Augen zu fischen. Nun fiel es mir wirklich sehr schwer noch nein zu sagen. Daher gab ich ein kurzes Seufzen von mir, bevor ich ihm meine Entscheidung verkündete. "Also gut. Wenn es dir wirklich so am Herzen liegt. Dann werde ich mich zu dir legen. Aber unter einigen Bedingungen", sagte ich und hob mahnend den Zeigefinger in seine Richtung, auch wenn ich unsicher war ob er dies überhaupt sehen konnte. "Welche?", fragte er knapp und ohne zu zögern. "Halt deine Hüftregion auf Abstand zu meiner. Deine Hände bleiben auf meinem Rücken und über den Leinenplanen", sagte ich und versuchte mich langsam aufzurichten. "Für wen hältst du mich? Einen stinkenden Troll?", fragte er und klang dabei ein wenig verärgert. Ich schnaubte nur. "Das hast du zumindest heute Morgen noch von dir behauptet. Aber ihr Männer werdet alle zu kleinen stinkenden Trollen, wenn ihr eine nackte Frau im Arm haltet. Das hat nichts mit dir persönlich zu tun", meinte ich schlicht und schritt langsam an ihm vorbei. "Ich verstehe zwar nicht, was du für Erfahrungen mit Männern gemacht hast, aber ich versichere dir, dass meine Absichten keines Wegs diesen Gedanken folgen", erwiderte er mit beleidigtem Ton und kam mir nach. Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln. Er hatte ja nicht die leiseste Ahnung, was gerade in mir vor ging. Beziehungsweise welche Gedanken dabei waren meinen Verstand gefangen zu nehmen. Zögerlich trat ich an die rechte Seite des Bootes und versuchte mit meinen Füßen zu ertasten, wie ich sicher über den Rand kam. Thorin stieg bereits von der anderen Seite her ein und stand schon auf den ausgebreiteten, provisorischen Decken. "Schaffst du es allein oder muss ich dir rein helfen?", fragte er und sah mir dabei zu, wie ich mich vorsichtig versuchte in diese Nussschale hinein zu manövrieren. Einen Fuß hatte ich schon hinein gesetzt. Nun musste noch der andere Folgen. "Nur die Ruhe. Das bekomme ich schon hiiiiiiiiiin", quietschte ich mit einem Mal, als sich mein anderer Fuß an einem Halteseil verfing und ich vorne über kippte. Ich streckte reflexartig die Arme aus als ich fiel und fürchtete schon mit dem Gesicht irgendwo auf den Gegenüberliegenden Bootsrand zu knallen. Stattdessen fingen mich aber Thorins kräftige Zwergenarme auf und mein Kopf landete unsanft an seiner breiten, warmen Brust. Er keuchte kurz auf, als ich gegen ihn schlug und beschwerte sich dann lauthals:"Wie kann man nur so ungeschickt sein? Du bist unmöglich, Weib!" Ich schluckte etwas verlegen, als ich so unbeabsichtigt nah an ihm landete. Mit einer leisen Entschuldigung auf den Lippen löste ich mich von ihm und befreite meinen Fuß aus der kleinen Schlinge. Zwischen drin richtete ich dann noch mein neues, ach so hoch modernes Leinenplanenkleid, das beinahe auch noch hinunter gerutscht wäre bei meinem kleinen Ausflug. Der Zwergenkönig seufzte leicht und ging bereits in eine sitzende Position. Er zog schon einmal die Planen zur Seite, die wir nutzen wollten, um uns zu zu decken. Ich folgte ihm wenig später ebenfalls nach unten und nahm neben ihm platz. Er zog die ersten über unsere Beine. Danach legte er sich auf die Seite und breitete die Arme aus. Ich schluckte ein wenig und zögerte aufgrund dieser schweigsamen Einladung. Mir war immer noch nicht wohl dabei ihm so nah zu kommen. Und dann noch für den Rest der Nacht. Es schüttelte mich sehr vor Anspannung und mein Herz begann wie ein D-Zug in meiner Brust zu rasen. Eigentlich wusste ich insgeheim, dass er es nicht wagen würde mir an die nicht vorhandene Wäsche zu gehen. Dennoch erregte es mich innerlich bereits genug überhaupt in diesem befangenen, ungehemmten Zustand bei ihm liegen zu dürfen. "Nun komm schon her. Du brauchst dich wirklich nicht zu sorgen", sagte er ein wenig ungeduldig. Ich schluckte und rückte dann ein bisschen näher heran. Langsam ließ ich meinen Kopf auf seinen unteren Arm sinken. Meine eigenen hatte ich vor meiner Brust verschränkt, damit zum Einen er nicht dort heran kam und ich ihn zum Anderen nicht an irgendwelchen Stellen berührte, die mir unangenehm werden könnten. In meinem Bauch sammelte sich trotz der unangenehmen Kälte ein Gefühl von Hitze. Beinahe als wäre gerade ein Vulkan dabei auszubrechen. Doch in den nächsten Augenblicken würde mir wohl auch von außen warm werden. Thorin langte nämlich mit seinem freien Arm nach unten, zog den Rest der Planen nach oben und wickelte uns beide darin ein. Danach ließ er diesen auf mir ruhen und zog mich noch ein klein wenig enger an sich. Aber doch nicht zu nah. Dennoch lag mein Kopf recht dicht an seiner Schulter, was mich schon sehr verunsicherte. Ich atmete tief durch und blinzelte ihn ruhig an. Nun sah ich sein Gesicht zumindest schon einmal zur Hälfte, wenn über uns das Gewitter den Himmel erleuchtete. Er musterte mein Gesicht genauso wie ich seines. Wir waren uns fast so nah, dass wir uns sogar mit Leichtigkeit hätten küssen können. Aber ich dachte nun wirklich nicht daran dies zu provozieren. Auch wenn es mich irgendwo in meinem verkorksten Hinterstübchen sehr danach verlangte, seine Lippen noch einmal kosten zu können. Doch ich hielt dem Drang stand, behielt meinen Mund an seinem platz und die Lippen fest geschlossen. Dennoch ließen wir die Augen vorerst nicht voneinander. Zunächst schwiegen wir nur, als wir uns so anstarrten. Dann hob er die Stimme zu einem leisen flüstern. "Du solltest die Augen schließen und schlafen", gab er mit ernstem, aber ruhigem, sanften Ton von sich. Ich konnte mir zu diesem Zeitpunkt ein kurzes Keuchen nicht verkneifen, das mich überkam als seine, für ihn ungewöhnlich milden Worte, meine Ohren trafen. Wieder erschauderte es mich. Auch weil sein warmer Atem immer wieder mein Gesicht streichelte. Ich hielt sogar selbst ein wenig die Luft an, nur um diesen Hauch spüren zu können. Und um zu verhindern, dass ich noch mehr von seinem, für einen Mann sehr wohltuenden Duft inhalierte. Von wegen Zwerge würden müffeln. Gut, vermutlich ein Paar, wie bei uns Menschen auch. Nur dieser bildete mal wieder eine große Außnahme von der Regel. Hin und wieder musste ich mich gerade deswegen etwas Räuspern. In mir spielten meine Gefühle ordentlich Achterbahn. Meine Gedanken schweiften immer wieder ein wenig ab. Es verlangte mich so sehr danach von ihm zu kosten. Meine Hände an seine Brust zu legen und diese dort verweilen zu lassen, damit ich sein Herz schlagen fühlen konnte. Ich hatte große Mühe meinen Körper angesichts dieses Moments einfach still zu halten und so zu tun, als würde mir seine Gegenwart nichts ausmachen. Doch das tat sie mit jeder Minute mehr. Aber ich musste zumindest versuchen mich zusammen zureißen und nicht meinem Verlangen nach ihm zu verfallen, obwohl mir gut und gerne danach war. Thorin fühlte natürlich meine Unruhe und begann langsam mit seinem freien Arm ein Stück weit über meinen Rücken zu streicheln. Das allerdings bewirkte bei mir nur das Gegenteil von dem, was ich haben wollte. Ich zitterte nur noch mehr vor Anspannung und aufwallender Erregtheitsgefühle. Wäre nicht irgendwo in der Gegend ein Blitz krachend in einen Baum oder ähnliches geschlagen, wäre vermutlich aufgefallen, dass ich nicht wegen dem Unwetter so reagierte. "Beruhige dich. Wir sind hier sicher", murmelte er und suchte deutlich meinen Blick, den ich für kurze Zeit von ihm gelöst hatte um mich, auf mich selbst konzentrieren zu können. "Ich. Ich weiß, dass wir sicher sind", gab ich etwas heiser und stotternd von mir. "Aber?", hakte er kurz nach und hob den Kopf leicht an. Ich biss mir kurz auf die Unterlippe und schielte ihn verlegen an. "Ich habe. Nun ja. Ich habe schon lange keine Nacht mehr neben einem Mann verbracht. Und erst recht nicht so eine. Wobei ich auch bisher nie eine solche Zeit erlebt habe wie jetzt, seit du und die Anderen hier ankamt ", antwortete ich zögerlich und faltete meine Hände vor der Brust zusammen. Er schnaufte kurz und hielt mit seinen Streicheleinheiten inne. "Ich muss gestehen, auch wenn ich schon so oft bei Unwettern draußen genächtigt habe. Hatte ich noch nie eine Frau dabei in meinen Armen ruhen. Erst recht keine wie du", sagte er dann schlicht mit leicht abwesender Stimme. Dennoch sah er mich weiterhin dabei an. Ich hob leicht die Augenbrauen. "Was soll das heißen? Keine wie mich?", fragte ich, da es schon leicht beleidigend klang, wie er es sagte. Er räusperte sich kurz und rutschte nun selbst leicht unruhig herum. "Das ist schwer zu erklären. Weißt du. Ich. Ich habe dich die ganze Zeit über im Auge behalten. Seit ich dich damals zum ersten Mal erblickte. Du erinnerst dich an unsere Begegnung in Bree nehme ich an?", fragte er und ich nickte nur leicht. Wie konnte ich das auch vergessen. Es war der seltsamste Abend überhaupt gewesen. Wir hatten ja nicht mal viele Worte gewechselt. Dennoch war diese Begegnung anders gewesen als all die, die ich zuvor erlebt hatte. Nach meiner kurzen Bestätigung fuhr er dann aber mit seiner Erzählung fort: "Damals war es so, dass ich auch gerade erst meinen Weg in diese vollkommen ungewöhnliche Welt gefunden hatte. Gandalf hatte mich zwar davor gewarnt den Arkenstein zu nutzen um andere Welten aufzusuchen. Denn er fürchtete, dass ich Gefahren nach Mittelerde tragen würde. Dennoch bin ich dieses Wagnis eingegangen. Ich habe nach dem ersten Mal so viele Wege in tausende unterschiedliche Welten gesehen und die Eine oder Andere davon betreten. Und das hin und wieder mit einem kleinen Erfolg." Er verfiel kurz in Schweigen, aber in seiner Stimme hatte ein funken Freude gelegen. "Warum warst du in so vielen Welten? Hast du was gesucht?", fragte ich leise und er seufzte. "Ja. Ich war auf der Suche nach einer neuen Heimat für mein Volk oder vielmehr für meine Männer und mich. Als ich aus meinem Totenschlaf erwachte und sich die Dunkelheit um mich herum lichtete, sah ich, dass sich meine Heimat, der Erebor und das Land drum herum, sehr verändert hatten. So sehr dass ich sie nicht mehr wieder erkannte. Die Einzigen, die wundersamerweise immer noch, oder wieder an meiner Seite verweilten, dass waren jene Zwölf, die du kennen gelernt hast." "Was habt ihr gemacht, als ihr alle festgestellt habt, dass ihr wieder am Leben seid?", fragte ich mit einem gespannten Flüstern. "Wir waren zunächst alle verwundert. Es war, als hätten wir nur sehr lange geschlafen. Niemand von uns schien wirklich gealtert zu sein. Obwohl Balin mir gegenüber erwähnte, er habe es für kurze Zeit geschafft Moria wieder einzufordern und sei darüber hin auch gealtert. Dennoch stand er vor mir, wie er einst ausgesehen hatte. Da wir uns das selbst nicht erklären konnten, sind wir irgendwann aufgebrochen um Antworten zu finden. Wie wir erfuhren, war der König der Menschen zurück gekehrt und die Elben schon lange Zeit aus Mittelerde verschwunden. Man sagte uns, wenn wir uns sputen würden, dann fänden wir das letzte Schiff, welches Mittelerde verlassen würde im Hafen der grauen Anfurten. So machten wir uns auf den Weg. Es dauerte mehrere Tage bis wir sie erreichten. Zeitweise wurden wir immer wieder von zerstreuten Gruppen von Orks überfallen. Aber wir schafften es diesen Ort fast unbeschadet zu erreichen. Keinen Augenblick zu früh. Gandalf wollte gerade das Schiff betreten, als wir die Stufen hinunter rannten. Du kannst dir sicherlich denken, welche Augen er gemacht hat, als wir vor ihm auftauchten." Er schnaufte ein wenig und rutschte noch ein bisschen dichter an mich heran. Ich schluckte kurz bei dieser Bewegung, konnte mir aber auch ein Kichern bei der Vorstellung nicht verkneifen, dass dreizehn Zwerge, die eigentlich alle tot waren, genau vor der Nase eines alten, grauhaarigen Zauberers aufschlugen, der gerade dabei gewesen war abzureisen. "Er war sicher nicht begeistert davon", meinte ich und grinste etwas. "Nein. Er war mehr als erschüttert. Dennoch hat er weiter keine Fragen gestellt und uns dann einfach auf das Schiff gebracht, mit dem wir dann in das Reich der Götter gefahren sind. Dort erst haben wir erfahren, dass der Arkenstein dafür verantwortlich war, dass wir zurück gekehrt waren. Nur wie, dass wussten selbst die Götter nicht zu beantworten", sagte er und wieder fühlte ich leichte Streichelbewegungen an meinem Rücken. "Ihr wart wirklich im reich der Götter? Und was habt ihr da gemacht?", fragte ich und fühlte, wie sehr die Neugierde in mir brannte. Ich vergaß sogar, wie eng ich inzwischen an ihm dran lag, da ich es unbedingt wissen wollte. Er seufzte etwas bevor er mir antwortete:"Nun. Wir haben einige Zeit dort verbracht. Aber es war uns wirklich unangenehm. Überall wo wir hin sahen nur Elben. Keine anderen Zwerge oder gar Menschen. Nur noch der Halbling Bilbo Beutlin mit seinem Neffen Frodo. Ich muss zugeben, ich hatte nicht erwartet gerade ihn wieder zu sehen. Er war für sein Volk wirklich sehr Alt geworden. Hat sich kaum an uns erinnert. Gandalf meinte es läge an einem magischen Ring, den er gefunden hatte, als wir die Orkstadt durchquerten. Sei es wie es sei. Wir wurden der Götterwelt mit der Zeit überdrüssig. So nahm ich den Arkenstein und reiste umher. Bis ich schließlich dieses andere Mittelerde fand. Wo ich dann auf dich traf." Er machte eine Pause und lauschte einen Augenblick, als ein erneut heftiger Donnerschlag über uns hinweg rollte. Der Regen hatte immer noch nicht nachgelassen und ging langsam etwas in Hagel über. Ein wenig besorgt drehte ich den Kopf leicht in Richtung des Daches, als die kleinen Eisklumpen darauf schlugen. Nun rutschte ich selbst ein bisschen mehr an ihn heran, da mir das Wetter doch mehr Unbehagen bereitete als der Zwergenkönig. Inzwischen waren wir so eng bei einander, dass ich sogar meine Arme vor der Brust etwas lösen musste, weil sie anfingen zu verkrampfen. Aber wohin sollte ich sie tun? Nach unten gleiten lassen war schlichtweg unmöglich, da ich dort Gefahr lief den kleinen Mann unwillkürlich am Gemächt zu berühren. Und darauf würde er sicherlich alles andere als begeistert reagieren. So beschränkte ich mich dann doch darauf sie erst mal etwas locker oben zu behalten, wo meine Handrücken ganz leicht seine Brust streiften. Die Kälte war inzwischen fast ganz gewichen und je näher wir uns nun kamen, umso kuscheliger wurde es. Zumindest ging es mir so. Thoirns Körper strahlte eine unglaubliche Wärme ab. Seit langem hatte ich so etwas nicht mehr gespürt. Erst auf diese Art bemerkte ich, wie sehr ich das alles vermisst hatte. Wie sehr sich mein Körper und meine zerrüttete Seele danach gesehnt hatten, wieder in den beschützenden Armen eines Mannes zu liegen. Es war ein Gefühl, als sei mein Himmel, aus dem ich vor Jahren gefallen war, wieder zurück gekehrt in Form dieses kleinen bärtigen Mannes. Selbst wenn ich unterbewusst ahnte, dass es womöglich nur ein Vergnügen für diese eine Nacht werden würde. Genießen konnte ich es ja trotz allem, weshalb ich auch die Augen schloss. Ich bewegte bedächtig meine Beine ein wenig und schon berührten meine Füße die Seinen. Er zuckte kurz zusammen und ich infolge seines Erschreckens auch ein wenig. "Entschuldige", murmelte ich kleinlaut. "Entschuldige dich nicht immer für alles. Ich dachte nur du seist schon eingeschlafen", flüsterte er und schob seine Füße langsam wieder zu meinen. Sie waren wohl die Einzigen, die noch zu kalt waren, was der Herr neben mir natürlich auch gleich bemängelte indem er missbilligend mit der Zunge schnalzte. "Wer soll denn bei diesem Lärm schlafen können. Ich konnte es noch nie leiden wenn Regen und Hagel auf unser Dach geprasselt sind. Mein Mann hat dann immer geschlafen wie in Stein", maulte ich um mich ein wenig abzulenken, da wir etwas anfingen miteinander zu füßeln. Wobei ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, das ein Zwerg darin etwas erotisches finden könnte, wie es bei uns Menschen gelegentlich der Fall war. "Versuch es zumindest. Wir müssen morgen gestärkt sein, wenn wir den Fluss irgendwie überqueren wollen", murmelte er in ernstem Tonfall. "Du und gestärkt? Wie ich dich kenne hast du immer noch nichts gegessen. Und da willst du mir was von Morgen gestärkt sein erzählen", grummelte ich mit abfälligem Ton. "Du irrst. Nachdem ich aufgeklärt wurde, weswegen du so ungehalten davon gelaufen bist. Habe ich mich zurück zum Zelt begeben um nachzusehen ob das Essen noch da ist. Ich dachte schon du hättest es tatsächlich in deiner Wut selbst verspeist", sagte er mit leicht reumütiger Stimme. Ich hob etwas den Kopf, der mir unterdessen leicht herunter gerutscht war und sah ihn an. "Du hast also wirklich...?", fragte ich vorsichtig. "Ja", erwiderte er knapp. "Und?", hakte ich nach und merkte, dass sich bei mir wieder eine Spur Nervosität bildete. Er schwieg einen Moment und senkte dann seinen Blick auf meinen. Es vergingen Sekunden in denen er mich nur ansah und in mir die Anspannung stieg. Sein Urteil, war mir das Wichtigste von allen. Wenn er es zum negativen fällen würde, wüsste ich mit Sicherheit, dass ich seinen Geschmack einfach nicht getroffen hatte. "Ich muss offen gestehen. Das war das Beste, was ich seit langem zu mir genommen habe", meinte er dann schlicht. Ich hielt kurz den Atem an, als unser Unterschlupf erhellt wurde und ich auf seinem Gesicht hinter dem schwarzen Bart ein sanftes, wohlwollendes Lächeln erkannte. Er log nicht. Es hatte ihm wirklich geschmeckt. Mein Herz platze fast vor Freude, als mir all das ins Bewusstsein eingebrannt wurde. Nun hielt mich meine ganze Willenskraft nicht mehr zurück. Ich löste meine Arme von meiner Brust und schlang einen so fest um den Zwergenkönig, wie ich konnte. Meinen Kopf vergrub ich unterdessen in seiner Schulter. Er keuchte allerdings daraufhin etwas erschrocken. "Cuna! Was ist denn nun in dich gefahren?", fragte er mit überraschtem und amüsiertem Tonfall. Er drehte den Kopf leicht, wobei mich sein Bart leicht an meinem Ohr und meiner Wange streichelte. "Oh du glaubst nicht was mir das bedeutet!", rief ich aus und war schon fast in Tränen ausgebrochen. Die ganze Zeit über hatte ich deswegen gebangt und immer wieder die ein oder andere Szene im Kopf durchgespielt. Doch die Wirklichkeit war mir die aller liebste. Ich war so überschwänglich vor Glück, dass mir sogar völlig gleichgültig war, das sich mein Leinenplanenkleid von meinem Körper löste. Dies allerdings registrierte Thorin sofort und versuchte mich hastig von sich weg zu schieben. "Cuna! In Durins Namen! Du verlierst deine Bekleidung!", rief er aus. Ich löste meinen Griff um ihn und musterte selbst den Sitz meiner provisorischen Kleidung. Die Plane war von meinen Brüsten gerutscht, die nun blank an seiner lagen. "Himmel!", quietschte ich und verstaute diese wieder da, wo sie hin gehörten. Herrje! Genau das hatte ich ja eigentlich vermeiden wollen. Völlig verdattert musterte ich den Zwergenkönig, der sich kurz über das Gesicht fuhr und schnaufend ausatmete. "Mahal. Wie konnte ich nur an dich geraten?", fragte er mehr zu sich selbst. "Das frage ich mich seit du hier aufgetaucht bist", gab ich etwas trocken an ihn zurück und rollte mich auf den Rücken. Mir war nun eigentlich warm genug. Wobei ich schon darauf hoffte mich noch einmal in seine Arme rollen zu können. Das allerdings lieber später als früher. "Glaube mir, wenn mir damals einer gesagt hätte, ich würde eines Tages mit einer unbekleideten Menschenfrau in einem Boot liegen, dann hätte ich ihn mit meinem Schmiedehammer erschlagen", sagte er und die Worte strotzten nur so vor Zynik. Dies brachte mich allerdings dazu schallend los zu lachen. So sehr hatte ich schon lange nicht mehr gelacht. "Was hast du denn jetzt schon wieder?", fragte er in meinen kleinen Lachanfall hinein. Ich musste mich bemühen diesen nieder zu ringen, was mir deutlich schwerer fiel als erwartet. So kicherte ich immer wieder, als ich ihm antwortete. "Denkst du vielleicht mir geht es da anders? Wenn mir einer gesagt hätte, ich würde den echten Thorin Eichenschild treffen, hätte ich ihn auch für verrückt erklärt", kicherte ich und deutete mit einem Zeigefinger an meine Schläfe. "Wieso wäre es so ungewöhnlich?", fragte er sichtlich neugierig und rutschte wieder etwas näher an mich heran. Ich sah ihm entgegen und grinste leicht. "Ich hab dir schon mal erklärt, dass es hier weder Orks, noch Trolle, Elben, Hobbits oder Zwerge gibt. Du und deine Männer sind uns allen aus den Büchern bekannt, die wir hier lesen können. Und aus diversen Filmen, die dazu gedreht wurden. Aber das ist Nebensache. Nur komme ich immer noch nicht darüber hinweg, dass ich dich zunächst für einen durchgeknallten, kostümierten Affen gehalten habe, der nur zu mir gekommen ist um mich zu ärgern", kicherte ich amüsiert. "Ich habe zwar nicht die leiseste Ahnung, was genau du mit dieser Beschreibung meinst. Aber von dir hatte ich auch etwas anderes erwartet", sagte er und klang ein wenig eingeschnappt. Offenbar hatte er die Sache mit dem Affen als kleine Beleidigung aufgefasst. Ich seufzte kurz, als ich mich endlich gefangen hatte und rollte mich wieder zu ihm herum. "Was genau hattest du denn von mir erwartet?", fragte ich neugierig. "Ich hatte gehofft, dass du vielleicht eine Zwergenfrau wärst, die sich hier nach Terra Gaia verirrt haben könnte. Ich kam in dem guten Glauben, dass es hier noch andere wie dich gäbe. Als ich dich aber dann sah, war ich schlichtweg enttäuscht", meinte er. In seiner Stimme schwang ein hauch von Bitterkeit, der mir nicht entging und meiner gehobenen Laune einen kleinen Stich versetzte. "Und du bist trotzdem geblieben? Obwohl du eigentlich gleich wieder hättest gehen können, weil ich all deine Hoffnung auf Verwandte zu treffen zerstört habe?", fragte ich nachdem wir uns wieder einmal kurz angeschwiegen hatten. "Ja, ich hätte wieder gehen können. Ich weiß nicht, was mich dazu getrieben hat zu bleiben. Vielleicht war es, weil ich dachte, ihr Menschen hier wüsstet vielleicht, ob und wo ich hier andere Zwerge finden könnte. Leider musste ich dann feststellen, dass niemand etwas wusste. Stattdessen habt ihr euch auch noch in diesen Bildergeschichten über uns lustig gemacht", erwiderte er und nun klang er wesentlich verärgerter. "Thorin. Es tut mir leid, dass dich meine Welt so frustriert und enttäuscht hat. Aber ich verstehe immer noch nicht, warum du dann noch weiter da geblieben bist, anstatt mit deinen Männern wieder abzureisen." "Das verstehst du nicht? Der Grund warst du", sagte er und fasste mich locker an der Schulter. Erschrocken verschluckte ich mich beinahe an meiner eigenen Zunge. "I-ich? Wieso ich?", japste ich und fühlte, wie mein Gesicht anfing heiß zu werden. "Natürlich du oder ist hier noch irgendwo eine Frau die Cuna heißt? Du warst so freundlich uns hier hin einzuladen und hast uns aufgenommen. Hast für unsere erste Bewirtung gesorgt, als wir nicht zahlen konnten. Dann hast du Kili das Leben gerettet. Fili und er haben dich sofort ins Herz geschlossen. Und ich habe es ihnen gestattet dich Schwester zu nennen, da es sie seit langem wieder glücklich gemacht hat. Du warst immer da, wenn wir dich um Rat gebeten haben oder wusstest wer uns weiter helfen konnte, wenn wir etwas nicht verstanden. Du hast uns viele Dinge gezeigt. Manch Gute und manch Schlechte. Und obwohl du immer wieder sagtest, dass wir dir den letzten Nerv rauben würden. Hast du dich dennoch für uns eingesetzt, wie kein anderer Mensch zuvor. Ich habe gesehen wie mutig du sein konntest. Ich habe dein Leid und deinen Kummer miterlebt. Und immer wieder stellte ich mir die Fragte, wie schafft diese Frau es nur so viel Kraft zu sammeln, um jeden Tag aufs neue sich ihr gutes Herz zu bewahren, bei allem Unheil, was über sie herein gebrochen war? Ich habe bis heute keine wirkliche Erklärung für das Ganze. Was ich weiß ist, dass du es nicht verdient hast, weiterhin so leiden zu müssen", sagte er und drückte meine Schulter immer fester. Mir klappte beinahe Fassungslos der Mund auf und zu. So offen hatte er noch nie mit mir darüber gesprochen. Mir wurde schier schwindlig von dem, was er mir da gerade sagte. Dass er tatsächlich meinetwegen geblieben war, ließ mein Herz einen Moment aussetzen. Das war mir bis dahin gar nicht bewusst gewesen. Dabei hatte ich stets das Gefühl gehabt, es würde ihn mehr als alles andere stören, weiter in meiner Welt zu bleiben. Ich keuchte ein wenig und versuchte ihm irgendetwas zu erwidern. Doch es bewegte mich so viel auf einmal, dass ich es partout nicht schaffte sinnvolle Worte aneinander zu reihen. Inzwischen war Thorin wieder wesentlich dichter an mich heran gerückt, sodass ich erneut seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Dieser ging nun nicht mehr so ruhig. Er wirkte leicht abgehetzt, aber auch erleichtert, dass er wohl endlich einen Teil seiner Sorgen losgeworden war, die ihn schon die ganze Zeit belasteten. Langsam und mit einiger Vorsicht hob ich meine freie Hand, die nicht unter meinem Körper begraben lag und ließ sie zu seinem Gesicht wandern. Ich wollte ihn unbedingt dort berühren und zeigen, dass ich von seinen Worten mehr als gerührt war. Doch kurz bevor ich es erreichte, hatte er schon mein Handgelenk erfasst und zog es sanft nach unten. Ein wenig stutzig und enttäuscht blickte ich ihm entgegen, als er diese ruhig in der Nähe meiner Brust ablegte. "Das bringt mich zum Nächsten, Cuna", fuhr er schwermütig fort, "So sehr ich auch möchte, dass du nicht leidest. Umso weniger möchte ich, dass du mir gegenüber Gefühle entwickeln solltest. Ich bin nicht der rechte Mann für dich. Du solltest vielmehr einen von deinem Volke nehmen und nicht so einen alten Zwerg wie mich." Er hatte noch gar nicht ganz zu ende gesprochen, da fuhr ich ihm leicht angesäuert in die Parade. Nun stützte ich mich auf meinem anderen Arm ab und setzte mich halb aufrecht hin. "Thorin, das ist Unsinn!", brüllte ich ihn an, was ihn kurz zusammenfahren ließ. "Cuna. Du hast jemand anderen verdient. Nimm die Gelegenheit wahr, wenn ich mit den Anderen zurück Reise und sucht dir einen Menschen, mit dem du den Rest deines Lebens teilst. Das ist das Beste für dich", sagte er und kam nun ebenfalls auf meine Augenhöhe. "Erzähl du mir nicht, was das Beste für mich ist! Ich will verdammt noch mal keinen anderen Mann mehr! Ich will dich!", rief ich ihm entgegen. Trotz der Dunkelheit versuchte ich Thorin entschlossen in die Augen zu sehen, doch er ließ nur seufzend den Kopf sinken. "Du weißt nicht worauf du dich einlässt. Du bist noch so jung und frei in deinen Entscheidungen. Ein Anderer wäre sicherlich besser an deiner Seite aufgehoben", sagte er ernst. "Es ist mir verdammt noch mal auch egal worauf ich mich einlasse. Wenn ich dich nicht haben kann, wird mich auch kein Anderer bekommen", erwiderte ich mit entschlossener fester Stimme. Ruckartig fuhr sein Kopf hoch und seine Hand griff mir in den Nacken. Er zog mich auf diese Art näher an sein Gesicht. Ich keuchte kurz erschrocken auf und sah ihn irritiert an. Sanft ließ er seine Stirn an meine sinken und holte einmal tief Luft bevor er mir zu flüsterte: "Ich werde mich tausende Male dafür verfluchen, wenn ich das zulasse." "Wenn du was zulässt?", hakte ich neugierig nach. Doch anstatt mir auf diese Frage mit Worten zu antworten, schob er seine Hand aus dem Nacken bis unter mein Kinn, drückte dies mit sanfter Gewalt etwas höher und kurz drauf fühlte ich, wie sich zögerlich ein weiches Paar Lippen auf meine legten. Ich sog scharf die Luft ein, als ich sie spürte. Das erste Mal, als er das tat war es bereits sehr aufregend für mich gewesen. Doch dieses mal war es noch viel prickelnder. Er war nicht mehr so grob und ungestüm wie zuvor. Nein diesmal, verhielt er sich anders. Liebevoller. Es lag eine Spur von Zärtlichkeit darin. Eine, die ich so gar nicht von ihm erwartet hatte. Sie löste ein ungeahnt heftiges Feuerwerk auf meinem Mund und tief in meinem Bauch aus, sodass ich gar nichts anderes wollte, als seine Geste zu erwidern. Dennoch fürchtete ich, er würde wieder einen Rückzieher machen, wenn ich mich zu schnell darauf einließ. Also zögerte ich es ein wenig hinaus, bis er bereit war mich in sein Tun mit einsteigen zu lassen. Zunächst genoss ich aber seine Berührungen an meinem Kinn und den Lippen. Genüsslich schloss ich die Augen. Ich spürte, wie mir ein wohlwollendes Stöhnen in der Brust aufstieg, das mein Herz nun deutlich versuchte auseinander zu reißen. Er streichelte bald drauf langsam meine Wange und sein Bart kitzelte mich ein wenig unter der Nase, als er seinen Kopf zu einer anderen Seite neigte. Daraufhin stieg ich mit in seine Liebkosungen ein. Ich war völlig aufgeregt und zitterte am ganzen Leib vor Anspannung, Euphorie und auch Erregung. In meinem Bauch schien nun der Vulkan auszubrechen. Es war ein Kribbeln und Brennen, wie ich es noch nie zuvor empfunden hatte. Es breitete sich von meinen Lippen und meinem Bauch in sämtliche Winkel meines Körpers aus und versetzte mir einen Stromschlag nach dem anderen. Zitternd wagte ich meine Hand zu heben und diese langsam an Thorins Hüfte zu legen wo ich sie zunächst verweilen ließ. Er öffnete mit einem mal die Lippen und ein tiefes, beinahe lüsternen Stöhnen entkam seinem Mund. Kurz darauf wurden seine Gesten wieder ein wenig stürmischer. Fordernder. Er begann mich aus meiner sitzenden Position in eine Liegende zu bringen. Nun war er halb über mir. Seine langen, schwarzen Haare fielen ihm von der Schulter und bildeten einen fast undurchdringlichen Vorhang um unsere Gesichter. Ich keuchte leise und nahm nun meine andere Hand, die mich zuvor noch abgestützt hatte und legte sie ihm auf die Wange. Ich streichelte dort über seinen rauen dunklen Vollbart und schob meine Finger weiter, bis hin zu einem der dünnen Zöpfe, die ihm von den Seiten hingen und sein königliches Antlitz noch mehr zur Geltung brachten. Ich spielte etwas damit, während seine Lippen dabei waren mein Gesicht weiter zu erforschen. Inzwischen beschränkte er sich nicht mehr nur auf meinen Mund. Nein, er tastete sogar ein wenig die Ränder ab. Die Nase, die Wangen, das Kinn und die Stirn. Er war plötzlich völlig gewandelt. Wie im Rausch. So hatte ich ihn mir in meinen Träumen immer vorgestellt. Doch dieses Mal war es kein Traum. Es war echt. ER war echt. Und noch dazu auf dem besten Wege mich noch mehr um den Verstand zu bringen. Denn er arbeitete sich langsam zu einer meiner empfindlichsten Stellen im Gesicht vor. Ich kam ohnehin schon nicht mehr aus dem leisen Keuchen und Stöhnen heraus und ich wusste, wenn er diese berührte, wäre ich nicht mehr zu halten gewesen. Doch ich wagte nicht ihn aufzuhalten. Nicht zu diesem Zeitpunkt, wo ich so auf den Geschmack gekommen war. Inzwischen lagen meine beiden Hände auf seinen Schultern und massierten diese leicht. Sein Kopf senkte sich immer weiter über meine rechte Wange zu meinem Ohr. Widerstandslos legte ich meinen Eigenen zur Seite. Sein Atem ging schneller und auch ihm entrann immer wieder ein tiefes, leises Keuchen. Dann berührten seine Lippen mein Ohrläppchen und schon war es aus mit dem Rest meiner Selbstbeherrschung. Ich riss den Mund auf, keuchte laut und klammerte meine Finger in seinem Nacken fest. Allerdings hatte meine Reaktion leider, oder im Nachhinein auch Gott sei dank, nicht die selben Auswirkungen auf ihn, wie auf mich. Erschrocken löste er sich von mir und atmete schnell und hastig durch. Er starrte mich von oben her an. Seine Hände stützten ihn links und rechts von mir ab, sodass ich nicht sein Gewicht auf mir hatte. Nachdem er sich etwas gefangen hatte, fluchte er kurz vor sich hin und ließ sich dann neben mir nieder. Ich sah zu ihm und seufzte etwas enttäuscht. "Verzeih. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Bisher hat mich so etwas noch nie überkommen", sagte er mit leicht erschöpfter Stimme. "Ach. Ist nicht schlimm. Ich hab es ja so weit kommen lassen", sagte ich entschuldigend. "Ich glaube es wäre besser, wenn wir uns endlich ein wenig Schlaf gönnen", meinte er schlicht. "Ja. Du hast recht", entgegnete ich und rollte mich auf die Seite. Thorin zog die Leinenplanen zurecht, die während unserem beinahe Techtelmechtel herunter gerutscht waren. Dann bot er mir, trotz der leicht peinlichen, unangenehmen Stimmung, die sich breit machte, wieder seinen Arm an, auf den ich meinen Kopf legen konnte. Ich nahm das stumme Angebot an und schloss dann wieder meine Augen. Eine ungeahnte Müdigkeit überkam mich jäh, als ich seine Haut berührte. Obwohl mein Herz immer noch laut und kräftig schlug, glitt ich langsam in einen tiefen friedlichen Schlummer ab. Diese Nacht brauchte ich nicht zu träumen. Denn mein einziger Traum, den ich sowieso seit Tagen hatte lag ja neben mir und behielt mich schützend und geborgen an seiner Seite. Am Morgen allerdings erwartete mich ein mehr als unangenehmes Erwachen. - 45. Missverständnisse, Zugeständnisse / ENDE - Kapitel 46: 46. Der Morgen danach --------------------------------- Das Erste, was ich an diesem Morgen hörte, waren das Rascheln von Blättern im Wind, der Gesang von Vögeln in den Bäumen und das ruhige Plätschern des vom Regen angeschwollenen Flusses. Mein Körper fühlte sich steif an wie ein Brett und sämtliche Muskeln schmerzten mir bis zum Bersten. Außerdem war mein Orientierungssinn ziemlich gestört. Ich hatte das Gefühl letzte Nacht einen mehr als kuriosen langen Traum erlebt zu haben. Ich entsann mich, dass Thorin und ich vor einem Gewitter geflüchtet waren und dass wir beide Schutz in einem Unterstand für Boote gefunden hatten. Dann waren wir irgendwie Unbekleidet gewesen und hatten uns nebeneinander in eines der Boote gelegt, wo wir uns einige Zeit unterhalten und ausgesprochen hatten. Am Ende hatten wir uns leidenschaftlich geküsst, bis er sich erschrocken von mir gelöst hatte. Schließlich waren wir beieinander eingeschlafen. Ich überlegte, wie schön der Traum doch gewesen und wie sehr ich es bedauerte, dass die Nacht nun vorüber gegangen war. Sicher wäre nun wieder alles beim Alten und ich läge auf meiner Liege im Zwergenzelt, wo sich nichts verändert hätte. Nur war es irgendwie komisch, dass ich solchen Muskelkater oder vielmehr eine derartige Körperverspannung hatte. Ich stöhnte ein wenig benommen und wollte mich herum drehen. Doch da fühlte ich einen kräftigen, warmen und harten Widerstand in meinem Rücken. Nachdem es nichts half mich nach hinten zu rollen, versuchte ich es auf den Bauch. Aber auch davon hielt mich etwas ab. Es fühlte sich an, als hätte mich Jemand mit aller Gewalt ans Bett gefesselt und das auch noch recht ordentlich. Es gab keinerlei Bewegungsfreiheit für mich. Schlaftrunken, wie ich war, versuchte ich zumindest meinen Arm unter der Decke hervor zu schieben. Aber selbst diese war wie festgenagelt. Ich maulte und grummelte, während ich mich verzweifelt gegen diesen unangenehmen Widerstand zur Wehr setzte. Schließlich gelang es mir doch irgendwie meinen Arm auf dem ich gelegen hatte unter der Decke hervor zu ziehen, sodass ich wenigstens ertasten konnte, was mich davon abhielt mich frei zu bewegen. Wobei man es weniger ertasten, als wie ein um sich Schlagen nennen konnte. Außerdem begann mich ein merkwürdiger, warmer Luftzug im Nacken unheimlich aufzuregen. Denn dieser blies mir immer wieder einzelne lose Haare am Ohr vorbei, welche unangenehm kitzelten und ich nicht dazu kam mich dort zu kratzen. Ich hob frustriert meinen noch halb eingeklemmten Arm und versuchte all diesen merkwürdigen Vorkommnissen auf den Grund zu gehen. Ich brauchte auch gar nicht lange suchen. Als meine Hand schräg über mich schlug, traf ich sofort auf etwas relativ Weiches, Haariges und irgendwie Fleischiges. Und dieses Etwas lag fest um mich geschlungen, wie eine riesige Würgeschlange. Ich tastete etwas weiter zu meiner Vorderseite und stellte irgendwann fest, dass diese eigentümliche, haarige Schlange in einer ziemlich großen warmen und rauen Hand endete, die sich zur Faust geballt nahe meiner Brust aufhielt. Erschrocken riss ich die Augen auf und zuckte heftig zusammen. Mein Kopf fuhr so weit er konnte herum, was mir einen gewaltigen kleinen Schlag im Nacken verpasste, wo es unangenehm knackte. Ich atmete hastig und versuchte im Augenwinkel zu erkennen, wer mich da wie im Schraubstock umklammerte. Ein tiefes, grollendes Brummen drang dabei an mein Ohr, als ich mich so ruckartig bewegt hatte. Der Griff des starken und, wie ich nun auch feststellte, schweren Armes wurde etwas fester und schnürte mir beinahe die Luft ab. Ich keuchte und versuchte meine Beine zu bewegen und frei zu strampeln, doch auch die waren in der Gefangenschaft zweier anderer Beine, die sich Partout nicht von der Stelle bewegen wollten. Verdammt! Ich saß in der Falle und drohte entweder zu ersticken oder zuvor zerquetscht zu werden. Eines von Beiden würde sicher eintreten, wenn ich dort nicht frei kam. Wo um alles in der Welt war ich denn da nur hin geraten? Gut, das musste ich vermutlich erst einmal feststellen, bevor ich mir Gedanken machte wie ich von demjenigen hinter mir los kam. Zum Glück hatte ich zumindest einen Arm frei mit dem ich mir kurz die verschlafenen Augen reiben konnte. Als ich damit fertig war betrachtete ich meine Umgebung. Es war heller Tag, soviel wusste ich schon einmal. Vor mir befand sich eine niedrige Mauer aus braun lackierten Holzbrettern. Dahinter waren viele Ständer mit großen und kleinen Booten angebracht, die in vielen quietsch bunten Farben leuchteten. Ich blinzelte ein wenig, als mir langsam klar wurde, wo genau ich mich befand. Es war kein Traum gewesen. Die letzte Nacht war ich wirklich in diesen Gewittersturm geraten und hatte mich in einem Unterstand für Kanus versteckt. Und der Klammeraffe, der hinter mir kurz und kräftig aufschnarchte, war niemand anderes, als ein friedlich schlafender Thorin Eichenschild. Bei dieser Feststellung machte mein Herz einen kurzen Hüpfer. Er war noch da. Und wir hatten uns tatsächlich unterhalten und mit leidenschaftlichen Küssen in unserem provisorischen Bett gewunden. Ich keuchte euphorisch und auch etwas verkrampft. Es war ja wirklich sehr schön, dass ich ausnahmsweise einmal nicht nur von diesen atemberaubenden Dingen geträumt hatte. Aber unter Atemberaubend verstand ich natürlich nicht, dass er mir dabei derartig die Luft abschnürte. Ich musste versuchen ihn irgendwie zu wecken. Egal wie. "Thorin. Thorin wach auf", nuschelte ich über die Schulter. Keine Reaktion. "Thorin, wach verdammt nochmal auf! Du erdrückst mich!", ächzte ich laut. Wieder nichts. Der Zwergenkönig schlief tief und fest, wie ein Stein. Hätte er mir nicht permanent in den Nacken gehaucht, hätte ich ihn auch dafür gehalten. Ich seufzte etwas und fing an mit meinem Arm hinter mich zu schlagen. Wobei ich nicht weit genug kam, um ihn tatsächlich zu treffen. Stattdessen landete dabei mein Zeigefinger in meinem Auge. Ich knurrte wütend und versuchte dann seinen Arm von mir zu lösen. Doch da wäre ich genauso gut mit einer Brechstange dran gegangen und selbst die hätte sich wohl unter diesem eisernen Griff gebogen. Ein wenig erschöpft musste ich nach ein paar Minuten eine Pause einlegen. So ging das auf keinen Fall. Ich hatte eigentlich immer gedacht, der kleine Mann wäre einer von der Sorte mit einem leichten Schlaf, aber er war vermutlich noch immer von den letzten Tagen so müde. Doch bei Kräften schien er zumindest wieder zu sein, wenn er mich schon während er schief fast durchbrechen konnte. Aber das war plötzlich nicht mein einziges Problem. In der Ferne vernahm ich leise Rufe, die stetig näher kamen. Sie waren mir über die Vogelgesänge und das Wassergeplätscher völlig entgangen. Bald erkannte ich sogar einzelne Stimmen. Es waren die anderen Zwerge, die offensichtlich auf der verzweifelten Suche nach ihrem König und mir waren. Sie waren dem Flussufer schon verdammt nah und klangen alle ziemlich verzweifelt. Ich konnte es ihnen nun wirklich nicht verübeln. Immerhin waren Thorin und ich die ganze Nacht weg geblieben, ohne ein Lebenszeichen von uns zu geben. Sie würden sicherlich erleichtert sein, wenn sie sehen würden, dass es uns gut ging. Doch als ich den Mund öffnete, um den Rufen zu antworten, fiel mir siedend heiß eine ganz bestimmte Tatsache ein. Wir waren Nackt. Noch dazu lagen wir eindeutig Zweideutig beieinander. Noch dazu in einer sehr innigen Position. Nein. Das sollte wirklich niemand von ihnen sehen. So klappte ich den Mund wieder zu und versuchte mich mehr denn je gegen den kleinen bärtigen Mann zu stemmen, der immer noch nicht wach werden wollte. Ohne nachzudenken drückte ich reichlich unbedacht sogar mit aller Kraft, die ich aufbieten konnte, meinen Hintern gegen seine Hüfte, was ich kurz drauf schwer bereute. Ich keuchte erschrocken, riss meine Augen weit auf und presste meine Lippen fest zusammen. "HEILIGES VATERLAND!", schrie mir meine innere Stimme in den Kopf. Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt. Ich hatte ja erwartet, dass dieser Mann unterhalb seines Äquators gut bestückt sein musste. Aber dass er wirklich einen solchen "Schmiedehammer" mit sich herum trug, war für mich schon beinahe ein Schock. Ich fühlte, wie mir die Hitze in den Kopf stieg und sendete Stoßgebete zum Himmel, dass er ja nicht aufwachen möge, wo ich mich gerade an dieser sehr, sehr ungünstigen Stelle befand. Ich konnte noch dankbar sein, dass über Nacht die Leinenplane, die ich um mich herum gewickelt hatte, nicht hoch gerutscht war. Das wäre sicherlich noch unangenehmer geworden. Es wäre ja auch ohnehin schon schwer genug ihm gerade DAS irgendwie zu erklären. Langsam und sehr bedächtig entfernte ich mich wieder. Stetig darauf bedacht, dass er ja nicht DAVON wach wurde. Unterdessen stellte ich fest, dass die anderen Zwergen wohl unsere Insel entdeckt hatte. Denn ich hörte Schritte näher kommen. Ich bekam Panik. In wenigen Augenblicken würde uns jemand bestimmt so sehen und ich war unfähig mich frei zu kämpfen. Schon hörte ich Bofurs Stimme nahe der breiten Öffnung des Verschlages rufen: "Thorin! Cuna! Seid ihr hier irgendwo?!" Verdammt noch eins! Wie war er denn nur so schnell über den angeschwollenen Fluss auf die Insel gekommen? Nun wurde es richtig brenzlig. Ich kniff die Augen zu und versuchte so auszusehen, als würde ich noch schlafen, aber das half mit Sicherheit nicht über diese unanständig aussehende Tatsache hinweg. Nachdem sich hastige, schwere Schritte auf uns zu bewegten fürchtete ich schon das Schlimmste. Da endlich rührte sich hinter mir etwas, beziehungsweise Jemand. Der Arm, der mich umklammerte löste sich und ich war frei mich wieder zu bewegen. Allerdings nur für einige Sekunden, da Thorin mir Geistesgegenwärtig die Meisten der Leinenplanen, die uns warm gehalten hatten, über den Kopf und die sonstigen freien Stellen warf. "Gib keinen Ton von dir und beweg dich nicht", brummte er mir dumpf von hinten zu. Ich keuchte einen Augenblick erleichtert, von dem Gefühl seiner Umklammerung erlöst zu sein. Dann tat ich sofort, was er sagte und gab weder einen Murks noch sonst irgendeine Bewegung von mir. Auch wenn es mir sehr schwer fiel. Ich versuchte auch so wenig wie möglich zu atmen, damit sich mein Deckenstapel nicht irgendwie selbstständig machte. Er fühlte sich nämlich ein wenig instabil auf mir an. Aber vermutlich war es nur die Aufregung, die mich das glauben machte. Stumm lauschte ich dann, was um mich herum vor ging. "THORIN! Mahal sei dank, du lebst!", rief Bofur aus und seine Schritte hielten irgendwo vor dem Boot an. Thorin antwortete nicht. Ich merkte nur, wie er sich erhob und aus dem Boot heraus stieg. "Wir haben uns solche Sorgen gemacht. Hast du Cuna gefunden?", fragte der Zwerg hastig. "Ja, ich habe sie gefunden", sagte der Zwergenkönig knapp. "Das ist wundervoll. Wo ist sie denn? Ist sie hier?", hakte er nach. "Nein, das siehst du doch. Ich weiß aber wo sie ist. Geh zu den Anderen und sag ihnen, wir kommen gleich zu euch", erwiderte er mit ruhiger, fester aber doch befehlender Stimme. "Sofort", gab Bofur zurück und ich hörte, wie er sich laufend von uns entfernte und nebenher den Anderen zu rief: "ICH HAB SIE GEFUNDEN! SIE SIND HIER!" Ich atmete erleichtert und tief durch. Das war wirklich knapp gewesen. Nur irgendwie sonderbar war das Verhalten des Zwergenkönigs schon. Er hatte tatsächlich einen seiner Männer belogen, was meinen Aufenthaltsort anging. Nicht das mich diese kleine Notlüge irgendwie gestört hätte. Aber das kannte ich so nicht von ihm. Ich grübelte kurz darüber nach und ob es nun sicher war, wieder unter dem Haufen hervor zu kommen. Ein Tritt von Thorins Stiefel gegen das Boot ließ mich aufschrecken und ich fuhr unter den Planen hoch. Etwas verwirrt sah ich mich nach ihm um. Er hatte bereits seine Hose und sein Leinenhemd über gestreift und sah mich ernst und ungeduldig an. "Steh auf. Zieh dich an. Beeilung bevor sie doch alle her kommen", befahl er mir mit Blick nach draußen vor den Schuppen. Vorsichtig kämpfte ich mich aus dem Gewühl bevor ich mich ebenfalls erhob und nach meinen Sachen suchte. Diese hatte ich alle nebeneinander auf ein anderes Boot geklatscht. Leider nicht besonders ordentlich, weshalb sie immer noch leicht feucht waren. Doch eine andere Wahl hatte ich nicht. Und Thorin hatte recht, damit dass ich mich beeilen musste, wenn ich nicht wollte, dass mich der Rest der Mannschaft unfreiwillig erblickte. So schnappte ich mir meine Kleider, verzog mich hinter den freistehenden Bootsständer und zog mich dort um. Die Kleidung klebte unangenehm an meinem Körper, aber ich hatte ja sonst nur die Alternative mit der Plane. "Cuna", gab er ungeduldig von sich. "Ich komm ja schon", sagte ich und trat wieder hervor. Er musterte mich eindringlich und ihm klappte dann verblüfft der Mund auf. Ich sah an mir runter um nach den Grund für seine entgleisten Gesichtszüge zu Forschen. Natürlich trug ich wieder das T-Shirt mit seinem Bild und dem netten Spruch vorne drauf. Die Textilfarbe war trotz des Starkregens nicht verlaufen und somit war alles noch gut erkennbar und heil. "Was in Durins Namen hat DAS bitte zu bedeuten?", fragte er mit halb entsetzter und halb verärgerter Stimme. "Was? Das T-Shirt? Das hatte ich gestern doch schon an. Sag jetzt nicht du hast es nicht gesehn", erwiderte ich amüsiert. "Das ziehst du sofort wieder aus!", rief er ungehalten. "Warum denn? Was hast du auf einmal?", fragte ich irritiert. "Was ich... Cuna, du kannst doch so etwas nicht vor dir her tragen", sagte er und kam sehr forsch auf mich zu gestapft. Er griff sofort nach dem Saum des Shirts und versuchte es mir über den Kopf zu ziehen. "Hey! Hör auf! Du machst es kaputt!", brüllte ich ihn an, während ich versuchte seine Hände fest zu halten. "Dann zieh es selbst aus, sonst werde ich es dir runter reißen", knurrte er und ließ die Hände sinken. "Was zur Hölle hast du bitte gegen das Ding? Ist es dir peinlich, weil es deine Männer sehen könnten? Dafür ist es zu spät. Die haben es nämlich bereits gestern schon bemerkt", raunte ich und zog mir dann beleidigt das Shirt vor seinen Augen herunter. Meine Bluse hatte ich vorsorglich ja darunter angezogen. "Das hat mit meinen Männern nichts zu tun. Ich gestatte es nicht, dass du auf diese Art vor aller Welt kund tust, wem dein Herz gehört. Du kannst es von mir aus in deinem Haus tragen so viel du willst. Aber solange du draußen herum läufst, wirst du so etwas nicht mehr am Leib tragen. Und jetzt kommt", grummelte er und ging mir voran. Ich rollte mein T-shirt zusammen, klemmte es mir seufzend unter den Arm und eilte ihm nach. Für gewöhnlich hätte ich das nicht mit mir machen lassen. Da ich aber nicht wieder einen Streit mit ihm wegen so einer Kleinigkeit vom Zaun brechen wollte, kam ich seiner barschen Bitte nach. Bei Tag sah die Insel wesentlich größer aus, als bei Nacht und nachdem ich Thorin um die Ecke herum folgte, musste ich mit einiger Entrüstung feststellen, auf welchem Weg Bofur zu uns gelang war. Gar nicht weit von dem Versteck lag hinter einem Trampelpfad eine höher gelegene Brücke, die man auch gut bei Hochwasser überqueren konnte. Ich stieß ein entnervtes Stöhnen aus und strich mir die zerzausten Haare aus dem Gesicht. Hätten wir diese schon eher gesehen, hätten wir wohl die Nacht nicht so unbequem in diesem Verschlag verbringen müssen. Andererseits, vielleicht hätte der Zwergenkönig dann nicht mit mir diese lange Unterhaltung geführt und es wäre nie zu diesem wunderschönen Augenblick gekommen, der mir einen Schmetterlingsschwarm durch den Bauch flattern ließ. Die Erinnerung legte mir ein sanftes, zufriedenes Lächeln aufs Gesicht, während ich den Kopf hob und an Thorin vorbei auf das andere Ufer schaute. Dort wartete bereits der Suchtrupp der kleinen Männer, bestehend aus Bofur, Kili, Fili, Nori und Ori, die uns zu riefen und ihre Arme winkend in die Luft hoben. Der Rest war wohl im Lager geblieben, um dort auf unsere Rückkehr zu warten. Es war ein gutes Gefühl sie alle dort stehen zu sehen. Zielstrebig gingen wir über die Brücke auf sie zu. Die Begrüßung war recht überschwänglich. Zumindest was Kili und Fili anging, die nach Bofur die Ersten waren, die auf ihren Onkel zu rannten. Der blonde Zwerg hielt etwas in der Hand und schwenkte es hin und her. "Onkel, Cuna. Wir sind so froh euch lebend zu sehen", sagte Kili und sah von ihm zu mir und wieder zurück. "Wir fürchteten das Schlimmste, als wir deine Lampe zerbrochen am Ufer fanden", meinte Fili und hob diese dann um sie seinem Onkel zu reichen. Thorin nahm sie nüchtern nickend entgegen und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Es wäre auch so gekommen, hätten wir nicht Schutz gefunden. Nun lasst uns nicht hier herum stehen. Brechen wir auf", sagte er knapp aber bestimmt. Die beiden Jungs nickten grinsend. Auf dem Rückweg wurde ich von den beiden flankiert, während der Zwergenkönig unbeirrt voran ging. "Sag mal, Cuna", murmelte mir Kili zu und legte mir einen Arm auf die Schulter. "Mal", erwiderte ich und kicherte leicht. Verwirrt hob der junge Zwerg kurz eine Augenbraue. Dann schüttelte er den Kopf und sprach weiter. "Es geht mich ja nichts an, aber... Also ihr beide wart die ganze Nacht fort. Was ist denn geschehen, dass ihr nicht einfach wieder zurück gekommen seid?" "Das ist ein bisschen kompliziert, Kili. Das Gewitter ist über uns herein gebrochen, während wir uns gestritten haben. Dann waren wir auf der Insel eingeschlossen und haben im Dunkeln keinen Rückweg gefunden. Also sind wir da geblieben", erklärte ich ruhig mit Blick auf Thorins Rücken, dessen Kopf sich leicht nach hinten gewandt hatte. Ich wusste, dass er hellhörig geworden war, als Kili mir diese Frage zu murmelte. Der Mann musste wirklich Ohren wie ein Wolf haben. Daher bemühte ich mich, möglichst nichts Falsches von mir zu geben. "Bofur sagte, er hätte dich gar nicht bei Onkel gesehen. Wo warst du denn, wenn ihr gemeinsam unterwegs wart?", fragte Fili neugierig von der anderen Seite. Ich sah ihn kurz an und öffnete gerade den Mund, um ihm zu antworten, als mir Thorin in die Parade fuhr. "Fili. Lauf vor und gib dem Rest Bescheid, dass wir auf dem Weg sind", rief er über die Schulter. Der blonde Zwerg legte den Kopf etwas schief. "Ja, sofort", sagte er gehorsam. "Wir sehen uns dann im Lager", gab er flüsternd an mich weiter und beschleunigte seine Schritte. Ich fragte mich insgeheim, wieso Thorin ihn nach dieser Frage einfach weg geschickt hatte. Ob er wohl fürchtete, ich würde von unserer kleinen Knutscherei erzählen? Oder überhaupt davon, dass wir die Nacht gemeinsam verbracht hatten? Gut, ich wollte auch nicht unbedingt damit hausieren gehen, weshalb ich seine Sorge nachvollziehen konnte. Dennoch überkam mich ein reichlich beklommenes Gefühl, als Thorin, nachdem Fili an ihm vorbei gerannt war, mir einen kurzen, warnenden Blick über die Schulter zu warf. Kili, der immer noch einen Arm um mich gelegt hatte, flüsterte mir noch ein paar Fragen zu: "Bist du immer noch im Streit mit ihm oder habt ihr euch inzwischen ausgesöhnt?" "Also, wir haben. Sehr lange geredet. Ich denke der Streit ist soweit beigelegt", sagte ich fast tonlos, da ich wusste, dass der dunkelhaarige Mann vorne bestimmt weiter den Worten der kleinen Gruppe lauschte. "Wieso denkst du das? Ist denn noch irgendwas vorgefallen zwischen euch?", hakte er ein wenig besorgt nach. "Nein Kili. Da ist nichts mehr zwischen uns vorgefallen. Wir haben uns irgendwann schlafen gelegt und dann habt ihr uns ja auch schon gefunden", erwiderte ich beschwichtigend, doch er ließ nicht locker. "Also, irgendwas ist komisch an dir", stellte der junge Zwerg neugierig grinsend fest. "Was soll das heißen?", entgegnete ich und sah ihn unschuldig an. "Kili. Hör auf Cuna mit Fragen zu bedrängen", blaffte der Zwergenkönig plötzlich über die Schulter. Ertappt ließen uns seine strengen Worte zusammen fahren. Wir schauten zu ihm. Er hatte erneut den Kopf nach hinten gedreht und fixierte nicht nur mich sondern auch seinen Neffen scharf mit seinen eiskalten blauen Augen. Mir entfuhr beinahe ein kurzes, verängstigtes Keuchen. Ich kannte es ja, dass er andere mit diesem gefährlichen Blick bedachte, aber nun warf er ihn seinem eigenen Fleisch und Blut zu. Nicht einmal Kili schien ihn wieder zu erkennen, denn er war so verblüfft, dass er sogar den Arm von mir löste und ein paar Zentimeter von meiner Seite wich. Erst nachdem dass passiert war, richtete Thorin seine Aufmerksamkeit wieder auf den Weg. Was war nur über Nacht in diesen Mann gefahren? So eine Reaktion war von ihm ja völlig befremdlich. Und das spürten wohl auch alle umstehenden. Ich beobachtete, wie der Rest immer wieder flüchtige fragende Blicke zwischen Kili, Thorin und mir hin und her warfen. Ein angespanntes Schweigen lag über unsere Gruppe, als wir endlich den Zeltplatz betraten. Sofort hörte ich aufgeregtes Gekreische. Als ich den Kopf hob, den ich zwischendurch nachdenklich auf meine eigenen Füße gesenkt hatte, sah ich wie Chu, Rainbow, Ani-chan und Richi auf mich zu gerannt kamen. "JACKY!", riefen sie im Chor, rannten ohne nachzudenken zwischen die Zwerge und schlossen mich mitten in eine feste Gruppenumarmung, die mir beinahe genauso sehr die Luft nahm, wie Thorin kurz vor seinem Erwachen. Sie bestürmten mich umgehend mit Fragen, wo ich gewesen sei, was alles passiert war und ob ich unverletzt wäre. "Hey, hey, hey. Leute. Langsam. Es ist alles in Ordnung. Mir gehts gut. Ich bin nur etwas gerädert mehr nicht. Außerdem hab ich hunger", erklärte ich, nachdem ich es geschafft hatte mich aus dem Knäuel aus Armen und Menschen heraus zu winden. "Du musst uns wirklich erzählen was passiert ist. Wir haben uns höllische Sorgen um dich gemacht. Auch weil du dein Handy einfach hier vergessen hast", sagte Chu und sah mich vorwurfsvoll an. "Ich hatte wirklich nicht vorgehabt, die ganze Nacht weg zu bleiben. Aber ich... wurde ein wenig aufgehalten", sagte ich hastig nachdem ich bei einem kurzen Seitenblick feststellte, dass Thorins Miene sich verfinsterte, als er mich in der Mitte meiner Freunde beobachtete. "Na am besten kommst du mal mit. Wir haben dir was vom Frühstück aufgehoben. Du musst am verhungern sein", meinte Richi freundlich lächelnd. Ich nickte ihm ruhig zu. "Geht schon mal voraus, ich komm gleich nach", sagte ich zu ihnen. Sie nickten ebenfalls bestätigend und gingen schon einmal vor zum Fisse Ma "Tent" Chen. Ich blieb zurück und musterte die Zwerge. Nori und Ori machten sich schon mal auf dem Weg zurück zu ihrem Zelt. Thorin warf mir immer noch einen finsteren Blick zu, der sich aber wieder leicht erhellte, als meine Freunde davon gegangen waren. Bofur klatschte mir kurz auf die Schulter. "Schön, dass wir dich wieder heil her gebracht haben, oder?", fragte er fröhlich. "Ja, danke euch. Aber wenn ihr mich jetzt entschuldigen wollt. Ich würde mir gerne eine Kleinigkeit zwischen die Zähne schieben. Mir sind schon die Beine ganz schwach", sagte ich und grinste den Zwerg mit der Mütze an. "Na dann geh mal schön was Essen. War bestimmt auch eine lange harte Nacht für dich", meinte er freundlich und folgte dann den anderen Beiden. Kili lächelte einfach nur und verschwand dann auch kommentarlos. Nun stand nur noch Thorin vor mir und dieser verschränkte die Arme vor der Brust. Ich musterte ihn leicht verunsichert und zögerte etwas, mich von der Stelle zu bewegen. Er aber zuckte lediglich mit dem Kopf in Richtung des Barzeltes. "Geh schon was essen, damit du wieder zu Kräften kommst", sagte er kurz und bündig. Ich nickte langsam und machte ein paar Schritte an ihm vorbei. Doch bevor ich ganz an ihm vorüber gegangen war, fasste er mich noch einmal am Arm. Verwirrt und erschrocken erstarrte ich in meiner Bewegung. Er wirbelte mich noch einmal herum und legte denn seinen Kopf nah an mein linkes Ohr. Mit dem Rechten hatte er ja so eine eigenwillige Erfahrung gemacht. Leise flüsterte er mir mit seiner tiefen Stimme zu: "Du verlierst kein Wort über letzte Nacht. Das bleibt unter uns. Wenn sie nicht locker lassen, denk dir was aus." Ich schielte ihn kurz von der Seite an und versuchte den wohligen Schauer zu ignorieren, der mir über den Rücken fuhr, wie ein Schwall warmes Wasser. "Ich werde schweigen, wie ein Grab", erwiderte ich dann nach einigem Schweigen. Ich hörte ihn zufrieden brummen. "Gutes Mädchen. Nun geh", hauchte er mir zu und versah meine Wange mit einem so flüchtigen Kuss, das ich dachte es wäre nur der warme Sommerwind gewesen. Doch ich fühlte, wie diese Stelle leicht begann zu kribbeln und auf meinen Lippen bildete sich ein verlegenes Lächeln. Er löste sich von mir und wand sich zum Gehen. Sachte legte ich meine Finger an den Punkt, wo ich das Kribbeln fühlte und meiner Kehle entsprang ein sehnsüchtiger Seufzer. Dieser Mann hatte wirklich schnell begriffen, wie man eine Frau um den Verstand brachte. Oder zumindest kurz außer Gefecht setzte. Doch da fiel mir plötzlich ein, dass er ja auch noch nichts gegessen hatte. "Äh, soll ich dir was mitbringen?", rief ich ihm noch nach, als ich mich wieder gefangen hatte. "Tu das", rief er kurz zurück und ging zügig weiter. Wieder seufzte ich und schritt dann mit weichen Knie zum Fisse Ma "Tent" Chen. An diesem Tag war es Still. Das "ROZ" war geschlossen, da nach jedem Karaoke Abend die sogenannten Tage der Stille eingehalten wurden. Das hieß, dass in der Zeit bis zum Talentwettbewerb keine Musik gespielt wurde, um alle daran zu erinnern, dass man sich auch ohne das Gedudel den Tag vertreiben konnte. So verhielt es sich jedes Jahr und war eine festgelegte Tradition. Aber an diesem Tag waren sowieso alle unglaublich müde und erschöpft von der vergangenen Nacht. Viele hatten bei dem Gewitter nicht schlafen können. So lag der ein oder andere in der Sonne, die die Überreste des Regens aus den Pfützen leckte. Auch im Barzelt war nichts los. In den Sofaecken hatten sich auch die einen oder anderen verschlafenen Gestalten versammelt. Ich allerdings hielt Ausschau nach meinen Freunden, die hinten an der Bühne einen Tisch besetzt hielten, auf dem schon mein Frühstück stand, dass sie für mich hatten zurück legen lassen. Es war ein Teller mit sage und schreibe Zehn belegten Brötchenhälften. Alle mit unterschiedlichem Aufschnitt von Wurst und Käse. Sie selbst spielten gerade ein kleines Pen-and-Paper Rollenspiel, das sich Ani-chan vor einiger Zeit mal ausgedacht hatte. Mit breitem Lächeln, nahm ich zwischen ihnen platz und fiel sofort mit knurrendem Magen über die belegten Brötchen her. Ich konnte mich wirklich nicht erinnern, dass mir einmal ein Frühstück so gut geschmeckt hatte. Ich war völlig in Hochstimmung, was auch meinen Freunden nicht verborgen blieb. "So Jacky. Jetzt erzähl mal ganz genau. Was hat der kostümierte Heini mit dir angestellt?", fragte Rainbow frei heraus, wodurch ich mich fast an einem Bissen verschluckte. "Wieso angestellt? Er hat nichts mit mir angestellt", erwiderte ich schmatzend. "Ach komm schon, Jacky. Wir kennen uns seit Jahren. Du warst die ganze Nacht allein mit diesem Kerl draußen unterwegs. Und jetzt strahlst du die ganze Zeit, als hättest du neben einem Atomkraftwerk geschlafen", sagte Richi und grinste vielsagend. Ich hob eine Augenbraue und versuchte ein dummes Gesicht aufzusetzen, was mir mehr schlecht als recht gelang. "Nein wirklich. Es ist nichts passiert. Ja, er hat mich gefunden und wir haben uns gestritten. Dann ist das Gewitter über uns herein gebrochen, wir mussten Schutz suchen und haben uns dann, als wir einen Unterschlupf hatten ausgesprochen", erklärte ich ihnen genauso knapp wie Kili zuvor. "Ach, ausgesprochen nennt man das heutzutage. Jetzt ernsthaft Jacky. Du und Der. Ihr Zwei habt doch miteinander", sagte Chu ein wenig belustigt, aber auch vorwurfsvoll. "Wir haben nicht miteinander", kam es prompt aus meinem Mund. Damit hatte ich auch recht. Es wäre ja nur FAST dazu gekommen. Aber bereits das löste bei mir wieder eine heftige Unruhe aus und meine Schmetterlinge kribbelten mich wieder heftig. Erneut stieg mir die Hitze in den Kopf und das Echo seiner flüchtigen Lippenberührung von zuvor hallte auf meiner Wange wider. Chu schüttelte nur sacht den Kopf, als sie mich ansah und grinste. "Du hast den Fisch an der Angel, oder?", fragte sie mich. Ich schluckte kurz und drehte mein drittes, angebissenes Brötchen in den Händen. "Ich weiß wirklich nicht, was ihr meint", nuschelte ich leise und begnügte mich damit, verlegen an dem Brötchen weiter herum zu knabbern. "Na, dann Glückwunsch", sagte Ani-Chan lächelnd und drückte kurz mit einer Hand meinen Unterarm. "Wieso Glückwunsch? Zu was denn?", fragte ich. "Ach. Okay. Verstehe. Ihr wollt es noch nicht offiziell machen. Also gut. Wir wissen von nichts, bis ihr bereit dazu seid", meinte Richi und zwinkerte mir freundlich zu. Ich seufzte kurz und schüttelte den Kopf. Ich schaffte es einfach nicht ihnen etwas vor zu machen. Dafür war ich in solchen Moment einfach viel zu schwach und durchschaubar. Vorsichtig warf ich meine Blicke in alle Richtungen um festzustellen, dass außer ihnen sonst niemand zuhörte. "Bitte, sprecht ihn nicht drauf an. Sonst denkt er ich hätte euch etwas gesagt", flüsterte ich dann über den Tisch. "Mach dir keine Sorgen. Bei uns ist das Geheimnis bombensicher. Ich will nur hoffen, dass du genau weißt, auf was du dich bei diesem Kerl da einlässt. Solche Männer können schneller wieder weg sein, als du geradeaus gucken kannst", sagte Rainbow und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich danke euch. Und macht euch keinen Kopf. Ich weiß schon was ich tue", erklärte ich ihnen, wobei ich mir den letzten Bissen meines Essens in den Mund stopfte. Danach erhob ich mich und griff nach dem Teller mit dem restlichen Frühstück. "Wo willst du denn jetzt damit hin?", fragte Ani-Chan verwirrt. "Zu Thorin. Er hat auch Hunger und er hat gesagt, ich soll ihm was mitbringen", antwortete ich mit einem lächeln. "Na dann lass ihn mal nicht warten", sagte Richi und winkte mir kurz zu. Ich nickte und verschwand dann wieder aus dem Zelt ins Freie. Gut gelaunt und summend schritt ich leichtfüßig über den Platz. Nichts und Niemand konnte mir in diesem Augenblick die Laune verderben. Ich hoffe sehr, das mir diese Stimmung noch eine ganze Weile erhalten bleiben würde. Doch ich musste mir eingestehen, dass ich Rainbow gegenüber nicht ganz aufrichtig gewesen war. Eigentlich wusste ich gar nicht worauf ich mich bei Thorin eingelassen hatte. Und genau diese Konsequenz daraus, bekam ich schon bald zu spüren. - 46. Der Morgen danach / ENDE - Kapitel 47: 47. Von Eifersucht und Zwergenmusik ----------------------------------------------- Gut gelaunt wanderte ich mit federnden Schritten zu den Zwergenzelten. Das Tablett mit den Brötchen vor mich her tragend. Ich summte leise ein Lied und war so gut gelaunt wie lange nicht mehr. Heiter begrüßte ich Balin, der mit seinem Pfeifchen auf einem Schemel vor dem Zelt saß und wie eigentlich jeden Morgen die Sonne genoss. "Schön Euch gesund und wohlauf wiederzusehen", sagte er und lächelte mich an. "Gesund ja. Wohl auf. Naja es geht. Bin ein wenig müde", erklärte ich und strahlte ihn an. "Ich kann mir schon denken, dass es sehr aufregend war, so ganz allein da draußen bei diesem Sturm zu sein", sagte er und blies Rauchringe in die Luft. "Ach, ganz allein war ich nicht. Thorin hat mich ja gefunden", sagte ich schulterzuckend. "Sicherlich. Das war Euer Glück. Er war völlig außer sich, als er bemerkte, dass Ihr weder im Zelt noch auf dem Platz wart, nachdem wir die Zelte gesichert hatten", sagte er und sein Blick wurde vorwurfsvoll. Ich kratzte verlegen mit den Füßen im Gras. "Ich hab euch ganz schön Sorgen bereitet oder?", fragte ich kleinlaut. "Das kann man durchaus so sagen. Und im Nachhinein nicht nur uns. Auch Euren Freunde. Als wir Euch nicht fanden, fragten wir sie, ob sie vielleicht wüssten wo Ihr hingegangen seid. Aber sie wussten es auch nicht. Frau Chu hat versucht Euch mit ihrem Plapperkasten zu erreichen. Als wir den Euren hörten, dachten wir zunächst Ihr wäret ohne unser Wissen zurück gekehrt. Aber dann fanden wir ihn irgendwo zwischen unseren Schemeln und den Waffen. Thorin hat ihn aufgehoben und ist kreide bleich geworden. Ich weiß zwar nicht was ihm in diesem Augenblick durch den Kopf ging aber ich habe ihn noch nie so davon stürzen sehen. Er hat nur seine Laterne mitgenommen, weiter nichts. Wir hofften unterdessen, dass Ihr mit ihm zurück kommen würdet, bevor der Sturm los brach." Ich senkte betreten den Kopf. In meiner blinden Wut auf den Zwergenkönig am vergangenen Abend hatte ich völlig außer acht gelassen, dass da noch Andere waren, denen ich am Herzen lag und die sich um mich Sorgen machten. Ich biss mir verlegen auf die Unterlippe. "Es tut mir wirklich leid Balin. Ich war nur so frustriert und... ", nuschelte ich und hob den Blick dabei wieder etwas. Balin schüttelte kurz lächelnd den Kopf. "Verschwendet keine unnötigen Gedanken daran. Ihr seid heil wieder da und Thorin auch. Aber wenn ich Euch einen guten Rat geben darf, bereitet ihm von nun an nicht mehr ganz so viel Kummer", meinte er und zwinkerte mir vielsagend zu. "Ich kann es dir wohl nicht versprechen, aber ich werde mein Bestes versuchen, dass es nicht wieder vorkommt", meinte ich und scharrte immer noch im Boden. Da dieser noch aufgeweicht war, zog ich eine kleine Schlammrinne durch das Gras. "Ihr müsst mir gar nichts versprechen meine Liebe. Aber sagt, für wen ist denn das Essen auf eurem Teller?", fragte er schließlich gut gelaunt. Ich war sichtlich dankbar, dass er mit dieser Frage vom Thema ablenkte und hob meinen Kopf wieder vollends hoch. "Oh, ach die Brötchen? Das ist der Rest von meinem Frühstück. Ich wollte es Thorin bringen. Er hat bestimmt auch ziemlich Hunger", meinte ich und ein zaghaftes Lächeln umspielte wieder meine Gesichtszüge. "Tatsächlich? Dann lasst ihn mal nicht warten", sagte er und neigte den Kopf leicht. Ich grinste und ging an ihm vorbei ins Zelt. Thorin brauchte ich gar nicht lange zu suchen. Er war in ein Gespräch mit Dwalin vertieft und bemerkte erst, dass ich da war, als ich vor ihnen stand. "Ach, da ist ja das Weibstück", raunte der glatzköpfige kleine Mann mit seiner üblichen, freundlichen Laune. "Ja, da bin ich. Hier ist dein Essen, Thorin", sagte ich und drückte dem Angesprochenen den Teller in die Hand. "Danke", sagte er, nahm diesen mit einem Nickten entgegen, suchte sich einen Schemel wo er sich setzen konnte und begann zu essen. Dwalin blieb stehen und musterte mich von Oben bis Unten. "Harte Nacht?", fragte er ohne Umschweife. "Kann man so sagen", entgegnete ich beiläufig. "Du weißt, dass wir uns alle ziemlich große Sorgen gemacht haben, oder?", fragte er und verschränkte dabei die Arme vor der Brust. Ich schnaubte kurz belustigt. "Du? Und dir sorgen um mich gemacht? Da wird ja der Mond viereckig", erwiderte ich grinsend. "Wer redet denn von dir? Es war mehr das Wohl meines Königs", meinte er und sah mich eindringlich an. Ich zuckte nur bedrückt mit den Schultern. "Ja, es tut mir leid. Darfst mir gerne eine runter hauen, wenns dir hilft", sagte ich und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. "Nichts würde ich lieber tun. Aber ich denke du bist gestraft genug. Doch da du gerade einmal da bist. Ich wollte dir noch etwas geben", sagte er, beugte sich nach unten und hob einen kleinen Holzstapel vom Boden auf. Es waren die Bilderrahmen, die er zerdeppert hatte und nun endlich repariert waren. Wortlos drückte er sie mir in die Hand. Ich lächelte sanft und begutachtete seine Arbeit. Er hatte die alten Rahmen weggeworfen und stattdessen neue angefertigt. Sie waren mit kleinen Schnitzereien und Verschnörkelungen versehen. Die Bilder waren wunderbar in diese eingefasst und hielten auch ohne Glas. "Wow, die sind echt gut geworden. So was schönes hab ich noch nie in Händen gehalten. Du bist ja ein wahrer Meisterschnitzer. Wie kann ich dir dafür nur danken?", sagte ich und strahlte ihn an. "Sorg dafür, dass du Thorin nicht wieder in Gefahr bringst, verstanden?", raunte er und ich nickte ihm kichernd zu. Dennoch konnte ich mich nicht erwehren, dem grantigen, glatzköpfigen Zwerg eine kleine Umarmung zu schenken. Etwas verdattert und überrascht schob dieser mich aber umgehend von sich weg. Nicht ohne Grund, wie ich feststellte. Ich drücke ihn zwar nur kurz, aber es genügte wohl um einen gewissen Jemand etwas in Aufruhr zu versetzen. Als ich mich löste und zu Thorin herüber sah, warf dieser Dwalin seinen bereits bekannten tödlichen Blick zu. Irritiert sah ich von einem zum anderen. Ich fragte mich ob Zwerge untereinander vielleicht Gedanken übertragen konnten. Denn es kam mir so vor, als führten sie ein stummes sehr ernstes Gespräch. Oder vielmehr schien der Zwergenkönig einen seiner besten und treusten Männer nur mit seinen Augen für irgendetwas zurecht zu weisen. Dwalin räusperte sich nur kurze Zeit später und verließ uns eiligen Fußes. Thorin schaute ihm noch einen Moment lang nach, bevor er dann seine Augen auf mich heftete. Mich versah er allerdings mit einem weniger strengen Gesichtsausdruck. "Das will ich nicht nochmal sehn", sagte er kurz und nahm sich sein nächstes Brötchen. "Äh, was denn?", fragte ich und schaute zwischen ihm und dem verschwundenen Dwalin hin und her. "Das du solche Vertraulichkeiten mit einem anderen Mann austauschst", erwiderte er und in seiner Stimme schwang ein leichtes Grollen mit. Ich hob fragend eine Augenbraue. "Was denn für Vertraulichkeiten? Ich habe mich nur bei ihm bedankt, weiter nichts", sagte ich schulterzuckend. "Dafür musst du niemanden Umarmen, Cuna. Es genügt wenn du es sagst", raunte er. Sein Tonfall wurde deutlich eine Spur härter. Verwundert hob ich meine Augenbrauen noch weiter und zuckte dann erneut mit den Schultern. "Naja gut. Wenn du meinst", sagte ich und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die schönen Bilderrahmen. Ich strich etwas mit den Fingern darüber und besah mir die Fotos darin. Ich kannte sie ja eigentlich in und auswendig. Die Bilder mit meinen Ratten und meinen Freunden waren noch im einwandfreien Zustand. Darauf hatte Dwalin wirklich gut geachtet. Nichts war verkratzt. Mein Hochzeitsbild, welches sich ebenfalls darunter befand, war aber das Schönste. Meine Gedanken schweiften ab, als ich das glückliche Paar darauf musterte. Es war einst bei unserer zweiten Feier entstanden. Wir hatten, die Erste und Standesamtliche so klein wie möglich gehalten. Eigentlich waren nur Chu und Richi als unsere Trauzeugen dabei gewesen. Damals sind wir danach mit ihnen zu unseren Lieblings Chinesen gegangen. Die zweite Feier allerdings, fand mit allen Freunden und Familie statt. Wobei, eigentlich nur mit seiner. Meine Eltern waren nicht gekommen, da sie zu alt waren, um den weiten Weg mit dem Auto zu fahren und mein Bruder, der wie ich unser Elternhaus irgendwann verlassen hatte, hatte keine Zeit gehabt. Ich erinnerte mich daran, wie es damals war. Wir hatten für diesen Anlass extra einen Herren engagiert, der keltische und mittelalterliche Hochzeiten durchführte. Ich trug ein schwarz-rotes Gewand aus Satin, hatte die Haare mit einem Lockenstab bearbeiten lassen, sodass sie wie kleine Ranken von meinem Kopf gefallen waren und dazu glitzerte ein schönes silbernen Collier mit einem Drachen in meinem Ausschnitt. Ich hatte es in einem Laden für Modeschmuck gefunden und wusste sofort, dass ich es für jenen Anlass tragen wollte. Dazu passend funkelten ähnliche Ohrringe zu beiden Seiten meines Gesichtes. Mein Mann trug seine Kleidung komplett in schwarz. Schwarze Hose, schwarze Knie-hohe Stiefel und eine schwarze Tunika. Um die Hüfte hatte er einen Ledergürtel geschnallt und daran die Scheide seines Schaukampfschwertes befestigt. Auf dem Bild hatte er einen Arm um meine Schulter gelegt und das Schwert schützend vor mich gehalten. Wie ich ihn so betrachtete stellte ich fest, dass ich inzwischen völlig vergessen hatte, wie groß er noch mal war. Mit seinen knappen zwei Metern überragte er mich um fast die Hälfte meiner eigenen Größe. Aber obwohl wir eigentlich so ungleich wirkten, hatte uns jeder gesagt, dass wir wunderbar zusammen passten. Vermutlich war es einer von vielen Gründen, weswegen wir so viele Jahre miteinander ausgehalten hatten. Wie ich so in Gedanken war, fiel mir ein, wie anstrengend dieser Tag für uns war. Die Zeremonie allein dauerte gut drei Stunden, in denen wir allerhand altertümlicher Segenssprüchen erhielten und Rituale durchführten. Wir wurden mit verschiedenen Räucherwerken bedampft und unsere Hände in der Mitte mit einem langen Säckchen, in dem man ebenfalls Kräuter verstaute, zusammen gebunden. Nach diesem ganzen Brimborium betraten wir den "Heiligen Hain", wo wir allein vor dem Herrn, der sich als Druide verkleidet hatte, saßen. Das Ganze fand in der Nähe unserer heißgeliebten Ritterburg statt, zu der wir seinerzeit fast jedes Wochenende auf Veranstaltungen fuhren. Dort hatte er mir auch an einem warmen Pfingstwochenende nach dem großen Turnierkampf auf einer Bühne den Antrag vor den letzten Besuchern und Lagerbewohnern gemacht. Es hatte damals eine wirklich magische Stimmung geherrscht. Sie erfüllte mich immer noch mit einem kleinen, warmen Gefühl nahe dem Herzen. Wenn auch nicht mehr so stark, wie noch vor Jahren. Ich wusste noch wie aufgeregt ich war und wie ich gezittert hatte. Doch es war ausnahmsweise einmal alles gut gegangen. Die Sonne hatte geschienen obwohl Regen angesagt war. Das frische Maigrün hatte uns unter den Bäumen des Haines umschlossen, als wir auf den hölzernen Drachenkopfstühlen platz genommen hatten. Ich schloss kurz die Augen und sah diesen Moment noch einmal ganz deutlich vor meinem inneren Auge. Eigentlich war es der falsche Zeitpunkt sich daran zu erinnern, doch es überkam mich in diesem Augenblick so sehr, dass ich es noch einmal sehen wollte. Immerhin würde ich dies nun hinter mir lassen müssen. Und es begann schon zu diesem Zeitpunkt. Als ich nämlich so vor mich hin träumte und meinen Erinnerungen nach hing, wandelte sich die Szenerie. Es war diesmal nicht mein verstorbener Mann, der neben mir in diesen Hain saß, sondern Thorin in seiner königlichen, goldenen Plattenrüstung, mit einem schlichten schwarzen Lederumhang, der oben am Kragen mit schwarzem Pelz besetzt war. Auf den Kopf trug er die Krone des Erebor, die seinem edlen Antlitz schmeichelte wie nichts Vergleichbares. Ich fühlte ein zaghaftes Lächeln auf meinem Gesicht und als er den Kopf zu mir wand, erwiderte er dieses Lächeln. Seine sonst eher kühlen blauen Augen strahlten mir eine nie gekannte Wärme entgegen, die mich beinahe an Ort und Stelle dahin schmelzen ließ. Dann standen wir auf. Die Hände zwischen uns fest umwickelt und wir traten hinaus zu den anderen. Dort warteten meine Freunde und die zwergische Gefolgschaft, die uns zu jubelten. Wir strahlten uns an. Thorin legte seine Hand auf mein Gesicht und hauchte mir einen leisen Liebesschwur zu. Dann kamen wir uns immer näher. Bis wir uns dann schließlich einem innigen Kuss hingaben. Doch das Bild verblasste jäh, als ich die Augen öffnete und wieder auf das Foto sah. Mir entrann ein kurzes Seufzen. Es kam mir so unwirklich vor. All die Zeit. All die Jahre. Sie waren zum Einen sehr schön gewesen, aber zum Anderen auch sehr anstrengend. Es war eine gewaltige Achterbahnfahrt der Gefühle. Ein ständiges Hoch und Tief. Wenn es uns mal gut gegangen war, dann kam kurz darauf immer wieder ein schwerer Dämpfer. Und umgekehrt genauso. Es würde sicherlich nicht leicht werden, einen Zwerg ebenso zufrieden zu stellen. Erst recht nicht diesen Zwerg. Ich kannte ja seine Ansprüche an mich noch gar nicht und mir war seine ganze Lebensart immer noch sehr fremd. Ich würde einiges an Kraft und Zeit brauchen um diesen Mann, den ich nun langsam in mein Leben ließ auch nur ansatzweise zu verstehen. Es hatte ja bei unserem persönlichen Kennenlernen schon so viele Probleme gegeben. Und diese würden sich mit Sicherheit noch häufen. Das Erste von vielen tauchte auf, als er von hinten an mich heran trat und geradewegs über meine Schulter auf das Bild schaute. Sein leicht verärgertes Schnauben ließ mich aus meinen Gedanken schlüpfen und zusammen zucken. "Warum starrst du es unentwegt an?", fragte er ziemlich grantig. "Es ist nur eine Erinnerung an ein sehr schönes Ereignis. Nichts weiter", sagte ich und musterte ihn mit einem unruhigen Seitenblick. Er verzog den Mund mit einem leicht angewiderten Blick. Darauf streckte er eine Hand nach dem Bild aus und wollte es mir abnehmen. Ich entzog es aber seinem Griff, da ich fürchtete, er würde es eventuell kaputt machen. "Ich will es nur einmal sehen", sagte er ruhig und streckte erneut die Hand danach aus. "Aber lass es bloß heil", meinte ich besorgt und reichte es ihm dann doch herüber. Er nickte für meinen Geschmack ein wenig steif und begann das Foto eingehend zu betrachten. Seine Miene blieb dabei unergründlich ernst. Schließlich reichte er es mir zurück mit den Worten: "Das solltest du nicht weiter mit dir herum tragen. Leg es in deinen Rucksack." Ich nahm es nickend in die Hand und wollte es ihm gerade abnehmen, doch er ließ vorerst nicht los. Seine Gesichtszüge verhärteten sich, als er mir dabei in die Augen sah. Ich war irritiert und in mir breitete sich ein gewisses Unbehagen aus, als hätte ich irgendetwas falsches getan. "Ähm. Thorin, du musst schon los lassen, wenn ich es wegpacken soll", meinte ich nach einem Augenblick, als er mich immer noch so angespannt ansah. Er nickte wieder etwas steif und löste dann mit einigem Widerwillen seine Finger von dem Holzrahmen. Ich zog es dann zu mir hin und legte es unter die anderen Bilder. Den Stapel drückte ich vorsichtig, unter dem strengen Blick des Zwergenkönigs, an meine Brust und verschwand hinter meinen Vorhang, wo ich alles in meinen Rucksack packte. Danach suchte ich meine Waschsachen heraus, um endlich einmal wieder die Dusche aufzusuchen. Das hatte ich wirklich dringend nötig. Vor allem nach dieser leicht amourösen Fantasie, die mir durch den Kopf gestrichen war. Mit Sicherheit würde ich diesmal eine ganze Weile darunter verbringen, um mich zu entspannen und meinen steifen Gliedern einen Gefallen zu tun. Ich klemmte mir alles unter den Arm und marschierte munter hinaus. Doch als ich meinen Schlafplatz in Richtung Zelteingang verlassen wollte, stoppte mich der kleine, dunkelhaarige Mann umgehend. Er stand davor und rauchte mit Balin eine Pfeife. "Wo willst du schon wieder hin?", fragte er mit abschätzigem Blick auf mein Sachen. "Ich geh nur duschen. Wird mal langsam Zeit dazu", sagte ich ruhig. "Denk an unser Gespräch von neulich", brummte er mich unmissverständlich an. "Ja, ja, ja. Ist ja gut. Ich werd in die überdachte Kabine gehen", erwiderte ich und drängte mich an ihm vorbei. Unterwegs schüttelte ich immer wieder den Kopf über sein eigenwilliges Verhalten. Seit wann war ich ihm für alles, was ich tat, auf einmal Rechenschaft schuldig? Und wieso reagierte er plötzlich so merkwürdig auf eigentlich harmlose Situationen? Dieser Mann wurde von Minute zu Minute schwieriger einzuschätzen. Ich hoffte nur, dass er sich bald wieder zusammen riss. Das Letzte was ich wollte war, einen Kerl an der Seite zu haben, der alles kontrollierte, was ich tat und was ich sagte. Das brauchte ich nun wirklich nicht und würde ich mir auch nicht auf kurz oder lang gefallen lassen. Ich wollte immerhin noch ein selbstständiges Dasein führen und nicht von ihm eingeengt werde. Das musste ich Thorin womöglich noch beibringen, wenn er in meiner Welt zurecht kommen wollte. Das hieß, sofern er zurückkehrren wollte. Aber daran hatte ich nach der vergangenen Nacht eigentlich keinen Zweifel. Über das wie und was konnte ich mir zu einem späteren Zeitpunkt noch Gedanken machen. Auf mich wartete nun "Marilyn"s übergroßer Brausekopf. Ich stöhnte einmal kurz genüsslich, als das warme Wasser meinen Körper umschloss und meine Muskeln sich deutlich entspannten. Ich nahm mir natürlich alle Zeit der Welt um richtig sauber zu werden. Doch bevor ich endgültig fertig war, klopfte es an die Duschentür. "Besetzt!", rief ich laut und wunderte mich wie immer, dass die Leute keine Schilder lesen konnten. Immerhin hatte ich es ja deutlich erkennbar umgedreht. "Cuna, bist du da drin?", fragte plötzlich die gedämpfte Stimme von Fili. "Ja bin ich. Was gibts denn, Fili?", erwiderte ich. "Ich soll dich von Thorin fragen, ob du noch lange brauchst. Er wird langsam ungenießbar", erklärte er ruhig. Ich seufzte kurz und stellte dann das Wasser ab. "Ich komme gleich", grummelte ich. Nun ließ mich der kleine Mann schon beim Duschen von seinen Leuten stören. Unfassbar. Fili machte ich da keinen Vorwurf. Er tat ja nur, was ihm sein Onkel aufgetragen hatte. "Gut, ich sag ihm Bescheid", meinte er anschließend an meine Antwort und ich hörte, wie er sich schon in Bewegung setzen wollte, doch ich hatte noch ein paar Fragen an den blonden Jungen. "Fili, warte kurz auf mich bis ich umgezogen bin. Ich möchte noch mit dir reden", sagte ich und das Knirschen auf dem Kies verstummte. Ich beeilte mich so gut ich konnte fertig zu werden. Ich hatte mir mein Bauernmädchenkleid mitgenommen, dass ich von nun an tragen wollte. Neben den Zweiteiler stand mir das am besten. Als ich raus kam, stand Fili etwas abseits der Tür, an die Holzwand der Freiluftdusche gelehnt und musterte mich in meinem schicken Kleid. Er lächelte kurz breit. "Du siehst wirklich zauberhaft aus", sagte er und neigte leicht den Kopf. "Danke", erwiderte ich grinsend. "Also, was gibt es denn, worüber du mit mir reden möchtest?",fragte er mit ruhigem freundlichen Ton. Ich biss mir etwas auf die Unterlippe, da ich nicht genau wusste, wo ich anfangen sollte. Aber ich dachte mir, dass er vielleicht mehr über Thorins Verhalten wüsste, als sein Bruder oder die Anderen. Langsam schritt ich vor ihm auf und ab. "Also, es geht um deinen Onkel, Fili", sagte ich nervös. Ich hörte ihn kurz schnauben. Als ich ihn ansah hatte er mit wissender Miene den Kopf gesenkt und blickte mich von unten her an. Vermutlich wusste er es nicht, aber wenn er jemandem einen solchen Blick zuwarf, ähnelte er seinem Onkel wirklich sehr. Ich schüttelte einen Moment diese Vorstellung ab und sah ihn ruhig an. Eigentlich wollte ich gerade loslegen mit meinen Fragen, da kam er mir schon zuvor. "Kili und ich haben uns schon gedacht, dass du uns darauf ansprechen würdest. Sein Verhalten kommt dir sicherlich sehr befremdlich vor, hab ich recht?", fragte er ruhig. Ich nickte knapp. "Ich verstehe nicht, was seit letzter Nacht in ihn gefahren ist", erklärte ich ihm und fuchtelte dabei mit den Händen herum. Der junge Zwerg seufzte kurz und schüttelte sacht den Kopf. "Ich weiß nicht, was letzte Nacht zwischen euch vorgefallen ist. Aber ich möchte dich trotzdem dazu beglückwünschen, dass du ihn soweit gebracht hast. Das hatten wir wirklich nicht erwartet, wo er immer so stur ist und an seinen Vorstellungen festhält. Doch wir hätten dich für einen solchen Fall darauf vorbereiten sollen. Was du nämlich gerade erlebst, ist erst der Anfang einer Reihe von Veränderungen, die Thorin durchlaufen wird." "Eine ganze Reihe von Veränderungen? Was willst du mir damit sagen?", fragte ich und legte beunruhigt den Kopf schief. "Du kennst ihn bisher nur als recht höflich und zuvorkommend, aber auch abweisend, kühl und zeitweise ungehalten, wenn ihm etwas nicht in den Kram passte. Das wird sich bald ändern", erklärte Fili sachlich. Er kam dabei langsam auf mich zu und in seinen Augen lag eine unangenehme dunkle Vorahnung. Ich schluckte kurz und sah ihn ganz verdattert an. "Was genau wird sich ändern?", fragte ich nervös. Er seufzte kurz und erklärte es mir dann so ausführlich er konnte. "Du hast gesehen und gehört wie er zu Kili und mir gesprochen hat. Wir sind vielleicht seine Neffen, aber da ich einmal davon ausgehe, dass er beschlossen hat, dich als die Seine anzunehmen, wird er uns wie jeden anderen Mann als Rivalen um deine Gunst ansehen. Wenn auch nicht ganz so sehr, wie vielleicht Fremden gegenüber." "Rivalen um meine Gunst? Das ist doch lächerlich. Warum sollte er denn so etwas denken?", fragte ich ein wenig belustigt. Doch mir verging das Lachen, als ich Filis mehr als todernste Miene bemerkte. "Du musst von nun an gut auf alles acht geben, was du tust und was du sagst. Wenn es wirklich so eintritt, wie ich denke, dann wirst du irgendwann, vielleicht sogar in nächster Zeit, erleben wie rasend eifersüchtig er werden kann. Sei ihm darum nicht böse. Es liegt schlichtweg in unserer Natur", sagte er ruhig und leicht besorgt. "Wird sich das mit der Eifersucht nicht irgendwann geben, wenn wir einige Zeit miteinander verbracht haben und er sieht, dass er mir voll und ganz vertrauen kann?", fragte ich und spürte nun selbst einen kleinen Anflug von Besorgnis in mir aufsteigen. Zu meinem Bedauern schüttelte der Junge den Kopf und antwortete: "Niemals, Cuna. Wenn ein Zwerg liebt, dann bedingungslos und nur die Eine. Kommt ihm ein Anderer dabei in die Quere, kann derjenige froh sein, wenn er das heil und unbeschadet übersteht. Bei dir kommt hinzu, dass du ein Mensch bist. Thorin weiß, dass Menschen sehr wankelmütig sind, was ihre Entscheidungen angeht. Gerade wenn es um die Liebe geht. Also wird er mit Sicherheit alles daran setzen, dass du keinen Gedanken an irgendeinen anderen Mann verschwendest. Dafür kannst du dich aber glücklich schätzen einen ewig treuen Gefährten an deiner Seite zu wissen. Er wird niemals wieder eine andere Frau so begehren wie dich. Selbst wenn du vor ihm stirbst. Ich weiß wovon ich rede. Bei meiner Mutter war es damals genauso, als mein Vater starb. Sie hat nie wieder einen anderen Mann in ihr Leben gelassen." Ich schluckte ein wenig und hatte das Gefühl, als würde mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht weichen. Ich hatte ja nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass so etwas eintreten könnte. Ein wenig verstört fuhr ich mir mit der Hand durch die nassen Haare und blies meine Wangen auf. Herr je, das hatte mir ja gerade noch gefehlt. Ein kleiner, bärtiger Mann, der vermutlich sofort ausrastete, wenn ich nur einem anderen Mann guten Morgen sagte, aber im Gegenzug alles dafür tun würde, dass ich glücklich war. Fili hatte recht. Das war für einen Menschen, wie mich tatsächlich sehr befremdlich. Nicht auszudenken wie es wäre, zum einen himmelhoch jauchzend auf Händen getragen zu werden und zum anderen verhindern zu müssen, dass dieser kleine stämmige Kerl plötzlich wegen nichts ausrastete. Fili atmete kurz tief durch und legte mir einen Arm um die Schulter, als er wohl meine leichte Verzweiflung bemerkte. "Mach dir das Herz damit nicht schwer. Ich bin nur froh, dass er sich endlich für jemanden entschieden hat. Und dass du es bist freut mich noch mehr. Jetzt lass uns aber gehen, sonst wird er vermutlich noch ungeduldiger", sagte er und zog mich hinter sich her. Als wir um die Ecke bogen, löste er aber wohlweislich diesen Griff, bevor Thorin es sah. Zu unserem Glück war dieser gerade nicht in der Nähe, sondern brachte seinen leeren Teller zurück zum Küchenzelt. Damit reichte die Zeit und ich konnte mich in ruhe weiter mit Fili unterhalten. Er riet mir dazu, bis auf weiteres im Lager zu bleiben um seinen Onkel ein wenig milde zu stimmen. Gut, das sollte für mich kein Problem darstellen. Immerhin hatte ich ja außerhalb derzeit auch nichts mehr vor. Zumindest bis dato noch nicht. Die einzigen Pläne, die mir noch bevorstanden würden sowieso erst in Kraft treten, wenn die Zeltstadt vorbei war. Das waren nur noch gut drei Tage und am nächsten würde abends der Talentwettbewerb stattfinden. Plötzlich blieb ich wie Angewurzelt stehen und klatschte mir eine Hand an die Wange. Fili drehte sich zu mir um und musterte mich besorgt. "Ist alles in Ordnung, Cuna?", fragte er ruhig. "Himmel! Fili, ich hab da total was vergessen!", rief ich aus. "Was? Im Waschraum? Dann geh es doch schnell holen", sagte er mit amüsierter Miene. "Nein, das meine ich nicht. Ich hab was anderes total vergessen", erklärte ich ihm schüttelte hastig den Kopf und beschleunigte meine Schritte in Richtung des Zeltes. Der Junge folgte mir ein wenig ratlos. "Wovon sprichst du denn?", fragte er, als wir an allen anderen vorbei stürmten und ich an meinem Schlafplatz nach dem Flyer suchte. Als ich ihn fand reichte ich ihn sofort weiter. Der blonde Zwerg hob die Augenbrauen, als er sich das durchlas und sah mich dann verwirrt an. "Was soll ich damit?", fragte er und reichte den Flyer an mich zurück. Ich seufzte kurz und verstaute meine Waschsachen. "Morgen Abend ist der Talentwettbewerb. Und ich hab mir noch keine Gedanken darum machen können, mit welcher Nummer ich daran teilnehmen könnte", sagte ich. "Was ist denn ein Talentwettbewerb?", kam es von Kili, der hinter seinem Bruder auftauchte. "Also, das ist ein Wettstreit bei dem man einem Publikum sein können zeigt. Entweder singt man ein Lied oder macht etwas Akrobatisches. Spielt ein Instrument oder oder oder. Es gibt viele Möglichkeiten. Nur ich weiß absolut nicht, was ich dieses Jahr tun soll", meinte ich und stand dann wieder auf. "Was hast du denn sonst immer gemacht?", fragte Kili grinsend. "Ach, naja ich hab mich verkleidet oder irgendeine Comedy Nummer zum Besten gegeben. Aber auf Dauer wird das langweilig. Ich brauch einfach mal was Neues. Nur was?", grübelte ich und lief aufgescheucht im Zelt hin und her. "Sing doch einfach irgendwas. Du hast doch so eine schöne Stimme", warf Fili ein und sein Bruder pflichtete ihm nickend bei. "Ach gesungen hab ich schon am Karaokeabend. Einmal reicht für meine Verhältnisse", erklärte ich mit einer wegwerfenden Handbewegung. "Und wenn du dieses mal nicht alleine singst, sondern mit einem oder mehreren zusammen?", fragte Kili. "Ach wer sollte denn mit mir singen wollen?", fragte ich und musterte beide Erwartungsvoll. "Wie wäre es denn mit einem von uns?", fragte der dunkelhaarige Junge grinsend. "Mit einem von euch? Was sollen wir denn da singen? Ich kenne weder Lieder von eurem Volk, noch kennt ihr die aus meiner Welt", sagte ich und schüttelte nur matt den Kopf. "Bring uns doch eines bei. So schwer kann das nicht sein", meinte Fili gelassen. "Das funktioniert nicht. Wir haben keine Musik. Und das "ROZ" ist bis zum Talentabend geschlossen. Nein, da muss etwas anderes her." "Das mit der Musik stimmt nicht so ganz. Bofur hat seine Flöte immer dabei und wir anderen können auch mit einigen Kleinigkeiten Geräusche machen", erklärte Kili, der zum Beweis etwas aus seinem Rucksack zog und munter darauf herum trommelte. Ich musste bei dem Anblick ein bisschen kichern. Fili tat es kurz drauf seinem Bruder gleich und griff sich ebenfalls etwas, wo er in einem anderen Takt drauf herum schlug. Balin, der dies mitbekommen hatte klatschte ausgiebig in die Hände dazu. Er hatte ebenfalls einen etwas anderen Rhythmus. Trotzdem klang es zusammen recht gut. Auch wenn ich mir wirklich nicht vorstellen konnte, wie man zu dieser sehr abgefahrenen Musik singen sollte. "Was macht ihr denn hier für einen Lärm?", hörte ich plötzlich die Stimme von Bofur fragen, der den Kopf zu uns hinein steckte. "Wir zeigen Cuna, wie man bei uns Musik macht", erklärte Fili fröhlich. "Oh, wirklich? Darf ich mit einsteigen?", fragte er grinsend. "Nur zu, hol deine Flöte", sagte Balin und schon war der Zwerg mit der Mütze verschwunden. Wenig später tauchte dieser dann mit besagtem Blasinstrument auf und hatte einen kleinen Rest der Anderen mit im Schlepptau. Bombur schleppte seinen Eisenkessel hinter sich her, Dori hatte sich ein paar Metalllöffel besorgt, Ori hielt eine Okarina in den Händen und Nori besaß sogar eine kleine Violine. Die Anderen begnügten sich damit auf irgendwelchen hölzernen Schalen herum zu schlagen. Selbst Dwalin, der eigentlich gerade damit beschäftigt gewesen war seine Äxte zu polieren, stieg in dieses eigenwillige Lied mit ein zu dem es keinen Text gab. Ich lachte auf und beobachtete die Herren dabei, wie sie mir ihr gerade erfundenen Stück zu besten gaben. Ich kam mir vor wie in einer mittelalterlichen Schenke, in der gerade eine Gruppe Barden eingezogen war und die Gäste bespaßte. Der Rhythmus fuhr einem richtig in die Beine, die sich bei mir irgendwann fast von selbst bewegten. Ich griff den Saum meines Kleides und begann mich im Kreis der Herren ein paar mal um mich selbst zu drehen. "Gut so, Cuna! Tanz!", rief Kili heiter aus und feuerte mich regelrecht an. Ich drehte mich noch ein paar Mal bis mir ordentlich schwindlig wurde, dann unterbrach plötzlich jemand unsere fröhliche Stimmung. "Was in Durins Namen geht hier vor?!", brüllte die tiefe Stimme von Thorin über die schönen Klänge hinweg. Sofort verstummte jedes Instrument und ich stolperte über eine Decke am Boden. Etwas unsanft landete ich auf den Knien und schnaufte erschöpft. Die Männer wichen zur Seite und bildeten eine Gasse, durch die ihr König ins Zelt hinein schritt. Er wirkte sehr forsch, wie er so auf mich zu steuerte. Fili hatte sich gerade zu mir hin gehockt und wollte mir auf helfen, als ihn sein Onkel unsanft von mir weg zog. Er tat dies nun seinerseits und musterte mich mit ernster Miene. "Bist du verletzt? Hast du dir irgendwas getan?", fragte er recht schnell und fasste mich an den Schultern. Ich sah ihm lange ins Gesicht und schüttelte dann lächelnd den Kopf. "Nein mir gehts gut. Bin nur beim tanzen gestolpert", erklärte ich ihm und wollte schon von selbst aufstehen, doch er war schneller. Er fasste mich unter den Achseln und schon hatte er mich in Windeseile auf die Füße gestellt. Er betrachtete mich noch einmal eingehend und wand sich dann seinen Leuten zu. "Welchen Anlass gab es für diese plötzliche kleine Feierlichkeit?", fragte er mit strengem Ton in die Runde. "Also, eigentlich gar keinen. Wir haben Cuna nur etwas vorgespielt und sie hat dazu getanzt", erklärte Bofur mit einem verschmitzten Lächeln. Der Zwergenkönig ließ seinen Blick zwischen allen umher wandern. Jeder der Anwesenden pflichtete Bofurs Erklärung mit einem kurzen Kopfnicken und murmeln bei. "Gut, wenn dem so ist. Nun geht. Alle. Ich habe mit ihr zu reden", befahl er ziemlich ruppig. Die Männer nickten nur kurz und verneigten sich vor ihm. Dann ließ uns einer nach dem anderen allein. Schließlich grummelte er mit leisem zufriedenen Ton vor sich hin, als niemand mehr in Sicht oder Hörweite war und wand sich danach wieder mir zu. Er musterte mich noch einmal eingehend und auf seinem Mund breitete sich der Hauch eines Lächelns aus. Irritiert davon legte ich den Kopf schief und sah ihn fragend an. "Gut dass du endlich vom Waschen zurück bist", sagte er und wurde sofort wieder ernster. Sein erneuter Mienenwechsel machte mich neugierig, was er denn wirklich von mir wollte. "Du hast die Anderen doch sicher nicht fort geschickt, nur um mir das sagen zu können oder?", fragte ich ihn ruhig. "Nein, das stimmt. Ich habe etwas mit dir vor. Ich möchte dich daher bitten, dass du dich noch ein wenig zurecht machst und mich dann am Eingang des Lagers triffst", antwortete er sachlich. "Was genau hast du denn vor?", hakte ich nach, doch er schüttelte kurz den Kopf. "Tu was ich dir aufgetragen habe. Ich möchte dich in einigen Minuten dort treffen", erwiderte er auf meine Frage hin und verschwand ohne ein weiteres Wort der Erklärung. Ich schüttelte den Kopf und verzog mich hinter meinen Vorhang. Ich holte meine Bürste heraus und versuchte meine leicht zerzausten Haare etwas zu bändigen. Was er wohl mit mir vor hatte, wenn er so Geheimnisvoll tat? Nun, ich würde es sicherlich schon recht bald erfahren. Es war ja schon ein wenig aufregend und erweckte eine brennende Neugierde in mir. Also beeilte ich mich fertig zu werden, damit ich ihn umgehend am Zeltplatzeingang treffen konnte. - 47. Von Eifersucht und Zwergenmusik / ENDE - Kapitel 48: 48. Ein katastrophales Picknick ------------------------------------------- Ich war reichlich verblüfft, als ich den Eingang zum Zeltplatz erreichte. Thorin hatte wie versprochen auf mich gewartet. Doch er war gerade noch in ein Gespräch mit Moe vertieft, der auf einem großen Stück Papier mit dem Finger entlang fuhr und leise zu ihm sprach. Der Zwergenkönig lauschte mit ernster Miene den Worten des weit größeren, glatzköpfigen Mannes und nickte hin und wieder, wenn er etwas verstanden hatte. Als ich näher kam bemerkte ich, dass es sich bei dem Papier wohl um eine Karte dieser Gegend handelte. Ein wenig stutzig schüttelte ich den Kopf und machte weite Schritte an die beiden, ungleich großen Herren heran. Moe war der Erste, der mich bemerkte und angrinste. "Ah, da ist ja die junge Dame", rief er mir kurz gut gelaunt zu und wand sich dann wieder an Thorin, der mich mit einem kurzen nicken bedachte und dann wieder auf die Karte schaute. "Hast du jetzt alles verstanden oder muss ich es dir noch einmal kurz erklären?", fragte ihn Moe. "Nein, das werde ich schon finden. Danke Euch", erwiderte der kleine Mann knapp und machte die Andeutung einer Verbeugung. "Gut, gut. Dann wünsch ich euch beiden ganz viel vergnügen. Kommt aber vor dem Abendessen wieder, wenn es geht", sagte er und ging munter pfeifend an mir vorbei. Als ich ihn dabei anstarrte, zwinkerte er mir nur ganz kurz zu und war dann schon um die nächste Ecke gebogen. Leicht verwirrt schüttelte ich den Kopf und sah dann fragend zu Thorin. Dieser faltete gerade die Karte zusammen und steckte sie in die Tasche seiner Leinenhose. "Also, ich bin da. Was möchtest du denn hier von mir?", fragte ich ihn sofort um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. "Nicht hier. Folge mir", sagte er kurz angebunden und ruckte mit dem Kopf vom Parkplatz weg in Richtung der Zufahrtsstraße. Ich blinzelte kurz, da meine Verwirrung immer größer wurde, lief ihm dann aber nach, als er sich in Bewegung setzte. Doch an der Zufahrtsstraße hielt er nicht einfach an. Nein, er bog nach rechts ab und folgte dieser weiter. Ich lief ihm die ganze Zeit mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf hinterher. Ich fragte mich wirklich, was er gerade vor hatte. Wenn er einfach nur mit mir hätte reden wollen, warum dann nicht vorhin im Zelt oder am Eingang? Uns hätte sicherlich niemand gestört. Aber er ging unbeirrt weiter vor mir her. "Thorin, ich dachte du wolltest mit mir reden", sagte ich nach ein paar Minuten Weg. "Übe dich in Geduld", brummte er nur. Ich gab indessen nur ein leicht beleidigtes Schnauben von mir. Da war er wieder, Meister Geheimniskrämer. Manchmal hasste ich ihn dafür, dass er sich nicht im Stande sah mir einfache Erklärungen für sein wunderliches Verhalten zu geben. Aber egal was er nun wieder ausheckte. Es würde mit Sicherheit irgendeinen Haken haben. Das Zeltplatz lag schon ein bisschen hinter uns und die Zufahrtsstraße bog in einen Feldweg ab. Es war genau der Feldweg, gegenüber des Trampelpfedes, von dem wir noch am Morgen gekommen waren. Ich wunderte mich kurz und fragte mich, ob Thoirn vielleicht etwas auf der kleinen Insel vergessen haben könnte und mich dafür bräuchte es zu suchen. Doch da lag ich mit meiner vermutung weit daneben. Er wand sich nämlich in Richtung des Feldweges um. Diesen nahm der Zwergenkönig ohne anzuhalten, allerdings warf er hin und wieder einen kurzen Blick über seine Schulter, ob ich ihm auch weiter schön hinterher lief. Ich wurde langsam ein bisschen knatschig und zog jedes mal einen Schmollmund wenn er mich ansah. Er quittierte dies aber nur mit einem kurzen Zucken seines Mundwinkels. Es schien ihm wohl auch noch Spaß zu machen, mich um die Mittagszeit querfeldein hinter sich her dackeln zu lassen. Vor allem in diesem Bauernmädchenkleid, das für solche Temperaturen definitiv doch ein wenig zu warm gewählt war. Mit einem genervten Seufzen wischte ich mir immer wieder den Schweiß von der Stirn. Ihn störte das hingegen reichlich wenig. Er setzte einen Stiefel vor den anderen und hielt nicht ein einziges Mal an. Egal wie sehr ich mich auch Wortlos beschwerte. Schließlich reichte es mir dann doch und ich bleib einfach neben einem Maisfeld stehen. Nach ein paar Schritten bemerkte er, dass ich ihm nicht mehr nach lief und er blickte mich ungeduldig über die Schulter hinweg an. "Warum bleibst du stehn? Los, komm weiter", sagte er in seinem üblichen Befehlston. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und verengte etwas beleidigt die Augen. "Ich bewege mich erst von der Stelle, wenn du mir sagst, wo du mit mir hin willst", gab ich in einem wirklich sehr schnippischen Ton von mir, den ich eigentlich nur sehr selten verwendete. Er seufzte kurz und drehte sich dann vollends zu mir um. Erst da erkannte ich, dass er die ganze Zeit etwas vor sich her getragen hatte. Es war ein recht großer Weidenkorb, der mit einem doch recht Klischeehaften rot-weiß kariertem Tuch abgedeckt war. Verwundert klappte mir der Mund auf und meine Augen weiteten sich. Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Und erst recht nicht, dass er von alleine auf diese Idee gekommen war. Mit Sicherheit hatte ihm irgendwer einen Tipp gegeben und ihm dabei geholfen. Sofern sich auch das in dem Körbchen befand, was ich unterbewusst vermutete. Doch die Aussicht auf ein mögliches kleines Picknick mit Thorin beschwichtigte meine leicht eingeschnappte Stimmung etwas. "Ich bringe dich zu einem Ort an dem wir ungestört miteinander reden können. Jetzt spute dich endlich. Ich habe keine Lust bei Einbruch der Dunkelheit zurück zu laufen", raunte er leicht ungehalten und ging einfach weiter. Ich schüttelte kurz den Kopf, ließ meine Arme sinken und eilte ihm dann nach. Irgendwann erreichte ich ihn und ging stumm neben ihm her. Er behielt seine Augen weiterhin auf dem Feldweg und sah nur gelegentlich einmal zu beiden Seiten, wenn es irgendwo im Feld oder in den wenigen Bäumen am Rand raschelte. Nach gut einer halben Stunde Fußweg betraten wir wieder etwas Asphalt. Vor uns gingen Zwei Wege ab. Einer nach Links und der andere nach rechts. Am Rechten stand ein Schild mit der Aufschrift "Minigolfplatz", am linken eines mit "Schlosspark Zu Fürst von Kramersberg". Thorin schlug kurzerhand den Weg zum Schlosspark ein. Ich folgte ihm weiterhin schweigend. Der Weg führte an einer kleinen Kombination aus hoher Hecke, Steinmauer und riesigen Fichten vorbei, die uns einen wohltuenden, kühlen Schatten spendeten. Etwa an der Mitte des Weges erhob sich vor uns ein sehr altes steinernes Portal. Aus der anderen Richtung kamen uns ebenfalls Sommertag Ausflügler entgegen. Zum Einen waren das Familien, zum Anderen aber auch Paare oder gemischte Gruppen, die sich wohl alle in dem Park eine kleine Auszeit gönnen wollten. Ich selbst kannte diesen noch nicht. Bisher hatte mich ja nicht mal mein verstorbener Mann zu einem Picknick ausgeführt. Was wohl unter anderem auch an seiner Heuallergie gelegen hatte. Innerlich machte ich daher schon Luftsprünge, dass ich mit Thorin so etwas erleben durfte. Mein Grinsen wurde immer breiter, während wir gemeinsam durch das Tor schritten. Die schmiedeeisernen Flügeltüren waren im schlichten schwarz gehalten und schön mit Blüten und Blättern aus Metall verziert. Vor uns erhob sich das alte Schlösschen, das mit Sicherheit schon einige Jahrhunderte auf dem Buckel hatte. Die hellbraunen Mauern waren sehr vom Wetter gezeichnet, aber die Fenster und die dazugehörigen Läden wurden immer noch gut in Schuss gehalten, was man an den strahlenden rot-weißen Farben sah. Bevor wir allerdings das Schloss betreten konnten, mussten wir noch über eine kleine Brücke hinüber, die über einem gut gefüllten Burggraben errichtet worden war, in dem sich einige Stockenten-Pärchen herum trieben. Auf einem Messingschild an einer der Brückensäulen standen in wunderschönen, schwarzen Lettern einzelne Sehenswürdigkeiten des altertümlichen Ambientes aufgelistet. Es gab ein Café, ein Museum und ein Restaurant, das nur Abends geöffnet hatte. Aber natürlich auch den Schlosspark, der unser eigentliches Ziel war. Langsam schritten wir über den mit Kopfsteinpflaster versehenen Hof, wo zur Rechten die bunten Sonnenschirme des Cafés leuchteten. Darunter war es zu dieser Mittagsstunde brechend voll und von dem was ich drinnen erhaschen konnte, war auch kein wirklich freies Plätzchen mehr zu finden. Die Leute die noch hinzu kamen, hatten wirklich Probleme sich hinsetzen zu können. Ich lächelte nur süffisant vor mich hin und richtete mein Augenmerk auf den Rest des alten Gebäudes. Es war einfach nur atemberaubend schön. Ich liebte diese schlichte Architektur schon immer und bis auf wenige Abschnitte des Gebäudes war es ja auch noch im Urzustand. Ich hatte mühe mich dazu zu bewegen weiter zu gehen. Denn das Prunkstück des ganzen lag ja nun beinahe vor uns. Thorin selbst interessierte die ganze Umgebung nicht. Er kannte so etwas ähnliches bestimmt schon hundertfach aus Mittelerde. Wobei ich mir gut vorstellen konnte, dass dies für ihn vielleicht nichts weiter als eine Bruchbude war, wenn man es mit dem Erebor verglich. Dennoch hatte er mir damit schon einmal eine ziemlich große Freude bereitet. Ich hätte ihn am liebsten direkt an Ort und stelle geküsst, wenn er zum Einem endlich mal stehengeblieben wäre und zum Anderen nicht so ein verdammt angespanntes Gesicht gemacht hätte. Er blickte sich immer wieder nervös unter den ganzen Besuchern um, als wir die Treppe erreichten, die zu der Großen Schlossparkwiese runter führte. Offenbar hatte er nicht erwartet, dass sich hier doch so viele Menschen aufhalten würden. Und hätte ich vorher von seinem Plan gewusst, dann hätte ich ihn mit Sicherheit auch davor gewarnt derartige Ausflugsziele zu wählen. Aber schließlich sollte es ja eine kleine Überraschung für mich werden, die ihm wirklich sehr gut gelungen war. Nun war es allerdings ein bisschen Kompliziert einen schönen Platz zu finden. Im Schatten der Bäume war definitiv nichts mehr frei. Also war die einzige Möglichkeit, uns, so lange wir es aushalten konnten, einen Ort an der Sonne zu suchen. Doch auch da war die Auswahl eher gering anzusiedeln. Entweder man saß neben einer Großfamilie mit einem ganzen bündel schreiender Kinder oder man hatte eine Gruppe grölender Jugendlicher um sich herum. So oder so würden wir uns irgendwie arrangieren müssen. Thorin schaute ein wenig ratlos umher und überflog mit wachsamen Augen die ganze Wiese, bis ihm endlich ein Fleckchen ins Auge zu stechen schien. Wortlos setzte er sich dann einfach in Bewegung, was mich kurz dazu veranlasste, verärgert zu schnauben, weil er einfach vorne weg rannte. Gut, eigentlich war rennen das falsche Wort dafür. Es war mehr ein Spießrutenlauf um einzelne, besetzte Fleckchen Gras und Wolldecken auf denen sich die Leute tummelten. Ständig mussten wir aufpassen, dass wir nicht aus versehen jemandem auf die Hände traten oder über Gegenstände stolperten, die einfach so herum lagen. Außerdem ging mir nach einer Zeit das Gegaffe der Leute auf den Keks, die mit dem Finger auf uns zeigten und hinter vorgehaltener Hand tuschelten. Gut, so wie wir aussahen, hätten wir auch ebenso zu einer Theatergruppe gepasst, die gerade ein mittelalterliches Schauspiel auf diesem Schloss vorbereitete. Ich war so dankbar, als Thorin endlich vor mir anhielt und den Korb abstellte. Er hatte eine vergleichsweise ruhige Stelle gefunden und drehte sich dann mit angespanntem Gesicht zu mir um. "Hilfst du mir?", fragte er trotz allem ruhig. Ich nickte kurz, ging an ihm vorbei und beugte mich über den Korb. Vorsichtig hob ich die Decke herunter und begutachtete schon einmal, was genau er da mitgenommen hatte. Nun ja, es war nicht gerade ein Festmahl. Es waren eher ein paar Reste vom Frühstück und vom Abendessen des Vortages, was zum Karaoke nicht mehr verspeist worden war. Alles war fein säuberlich in Papier eingewickelt oder in Plastikdosen verstaut. An Getränke hatte der Zwerg auch gedacht. Für mich war wohl die ganze Flasche Wasser, die in der Sonne weiß glitzerte. Für sich selbst hatte er natürlich, wie hätte es anders sein sollen, ein paar Flaschen Bier eingepackt. Ich verkniff mir ein Seufzen und den Kommentar, wie man sich nur am helllichten Nachmittag schon Alkohol in den Leib schütten konnte und begann die Decke auszubreiten. Als das erledigt war, verteilten wir die Dosen und die eingewickelten, belegten Brötchen. Zufrieden nickend nahmen wir dann nebeneinander Platz. Ich breitete den Saum meines Kleides aus und setzte mich im Schneidersitz auf die Erde. Thorin machte die Beine lang und stützte sich halb liegend auf einen Ellenbogen ab. Aus dieser Position blickte er kurz mit unergründlicher Miene zu mir auf. Ich griff mir ein eingepacktes Brötchen und erwiderte den Blick. "Gefällt es dir?", fragte er mich, als sich unsere Augen trafen. Ich konnte mir nun ein breites Lächeln nicht verkneifen und nickte eifrig. "Es ist herrlich. Wie bist du nur auf diese Idee gekommen?", fragte ich ihn etwas aufgeregt. "Bin ich gar nicht. Ich habe lediglich einmal herum gefragt, wohin man mit einer jungen Frau gehen könne, wenn man mit ihr ungestört reden möchte. Daraufhin hat mir eines der Küchenmädchen den Vorschlag unterbreitet hier her zu gehen und ausreichend Essen mitzunehmen, sollten wir dem Mittagessen fern bleiben", erwiderte er, griff nach einer Flasche Bier und knackte den Kronkorken tatsächlich mit bloßer Hand, ohne dabei die Flasche kaputt zu machen. Das fand bei mir schon einiges an Beachtung, da es sich dabei ja nicht um eine dieser Schraubverschluss-Kronkorken handelte. Kurz drauf setzte er die Flasche an den Mund und nahm einen tiefen Zug daraus. Ich musste ebenfalls ein bisschen schlucken. Das Bild was er dort ablieferte, wäre dem eines echten Top-Models gleichgekommen. Wenn er auch noch ohne Leinenhemd da gelegen hätte, wäre bestimmt nicht nur mir das Wasser im Mund zusammen gelaufen. Ich schüttelte den Kopf um wieder etwas klarer zu werden, da ich fast begonnen hatte mir lüstern über die Lippen zu lecken. Das wäre in Anbetracht dieser regen Öffentlichkeit um uns herum sicher sehr unangenehm geworden. Also wendete ich meinen Blick kurz von ihm ab und sah mich unter den Leuten um. Zur einen Seite befand sich ebenfalls ein Paar, das sich heiß und innig küsste. Ich verzog ein wenig den Mund. Es war wirklich eine falsche Entscheidung gewesen dort hin zu schauen, denn nun wollte ich genau das Selbe mit dem Zwergenkönig. Nur eben noch viel intensiver. Ich schloss hastig seufzend meine Augen und biss dann einfach blindlings und gedankenlos in mein Brötchen. Dummerweise hatte ich tatsächlich vergessen es ganz auszupacken, weshalb ich zur Hälfte das Papier im Mund hatte. Neben mir hörte ich, wie sich Thorin wohl kurz an seinem Bier verschluckte und dann hustend anfing zu lachen. Ein wenig erschrocken blickte ich zu ihm hinunter. Dieses warme, tiefe Lachen hatte ich schon beinahe eine halbe Ewigkeit nicht von ihm gehört. Zum einen fuhr es mir sofort ins Herz, wie ein Schwall warmes Wasser, zum anderen ärgerte es mich aber auch ein wenig. "Warum lachst du denn?", fragte ich peinlich berührt. "Hättest du dein eigenes Gesicht dabei beobachten können, wie du feststelltest, dass du nicht das Brot allein zu dir genommen hast, dann wüsstest du warum", erwiderte er in einem eher trockenen, aber dennoch sehr amüsierten Ton. Ich schnaubte kurz, entpackte das Brötchen ganz und biss dann erneut hinein. Thorin wischte sich unterdessen mit dem Ärmel einen Teil seines Bieres aus dem Bart und betrachtete mich dann beim Essen. Ich schmatzte ein wenig und schluckte dann den Bissen runter. "Also, du hast mich ja nicht ohne Grund einfach so hier her gebracht. Du wolltest mit mir reden", sagte ich dann recht langsam und bedächtig, während ich noch weiter aß. "Das ist wahr. Ich wollte mit dir sprechen", sagte er und verlagerte sich dann in eine Aufrechte Position. "Also? Schieß los", sagte ich ein wenig aus Gewohnheit heraus. Er musterte mich einen Moment verwirrt, aufgrund meiner für ihn wohl immer noch recht gewöhnungsbedürftigen Sprechweise. Und genauso antwortete er auch."Schießen? Warum sollte ich? Und womit? Nein, ich wollte mit dir sprechen, wie ich schon sagte. Und zwar darüber, wie unsere weiteren Wege aussehen werden", sagte er und seine Gesichtszüge wurden wieder wesentlich ernster. "Was meinst du denn mit unsere Wege?", fragte ich ein wenig irritiert. Er hockte sich auf die Knie und sah mich lange an. Dann atmete er kurz tief durch und antwortete: "Ich weiß, das was letzte Nacht gewesen ist, bedeutet sowohl dir als auch mir recht viel. Und deshalb möchte ich dich als meine zukünftige Gemahlin und Mutter meiner Erben über deine bevorstehenden Aufgaben in Kenntnis setzen." Empört klappte mir der Mund weit auf und vor Schreck landete mein Brötchen auf der rot-weiß karierten Decke. "Wa-wa-wa-wa-was?!", stotterte ich haltlos entsetzt und so laut, dass sich einige der Leute um uns herum umdrehten. "Du hast richtig gehört. Und ich erwarte natürlich, dass du diesen Anforderungen, so weit es dir möglich ist, gerecht wirst. Zunächst einmal wirst du akzeptieren, dass ich das Sagen in unserem Haus haben werde. Du wirst auch nicht für deinen Unterhalt sorgen, das fällt allein mir zu. Indessen wirst du dich um unsere Kinder sorgen und deinen hausfraulichen Pflichten nachkommen", ergänzte er ohne dabei auf mein aufgekratztes Verhalten einzugehen, das von Wort zu Wort immer schlimmer wurde. "Ja, mo-mo-mo-mo-moment mal!", rief ich aus und fuchtelte heftig mit den Armen. Er musterte mich fragend und legte dabei den Kopf leicht schief. "Was ist? Gibt es damit ein Problem?", fragte er ruhig. "Ein Problem?! Thorin um Himmels willen! Bis vor ein paar Stunden wolltest du noch reiß aus vor mir nehmen und jetzt redest du von heiraten, kinderkriegen und einer mehr als rückständigen Haushaltseinteilung. Überstürzt du die Sache nicht vielleicht ein wenig? Ich meine das ist doch wohl jetzt doch ein bisschen verfrüht", platzte es mit hoher Stimme aus mir heraus. Er schüttelte kurz mit einem belustigten zucken seines Mundwinkels den Kopf. "Wo denkst du hin? Natürlich nicht gleich heute. Zunächst einmal ist es angebracht, dass ich deine Familie treffe, sobald ich aus Mittelerde zurückgekehrt bin, um dann mit deinem Vater die Mitgift auszuhandeln", erklärte er mit geschäftsmäßiger Miene. "Die. Mitgift", schnaufte ich und meinen Lungen entwich so viel Luft, dass ich fast ohnmächtig wurde. In meinen Kopf drehte sich alles. Himmel, Gesäß und Nähgarn! Erst konnte man ihn Tagelang, wie einen scheuen Kater, nicht hinterm warmen Ofen hervor locken und dann knallte er mir gleich die ganze Palette an Forderungen um die Ohren. Gut, ich hatte ja mehr Offenheit von ihm gewollt. Aber das er dann gleich so mit der Tür ins Haus fiel, das hätte ich selbst ihm nicht zugetraut. Fili hatte mich ja schon vorgewarnt, dass er alles dafür tun würde, um mich für sich zu behalten. Dass er jedoch von jetzt auf gleich in die Vollen ging überforderte mich extrem. Ich starrte ihn nur noch entgeistert an und wusste, dass mir all meine Farbe aus dem Gesicht gewichen war, denn auf seiner Stirn trat eine leichte Sorgenfalte auf. "Cuna, ist dir nicht wohl?", fragte er und wollte schon eine Hand nach mir ausstrecken. Ich schnappte ein paar mal heftig nach Luft und tastete dann vorsichtig in den Korb, um die Wasserflasche raus zu ziehen. Ich musste unverzüglich einen Schluck trinken, bevor ich doch noch aus den Latschen kippte. Thorin bemerkte meine Handbewegung und griff selbst danach. Er öffnete diese recht zügig und drückte sie mir in die Hand. Mit zitternden Fingern am bedauerlicherweise warmen Glas stürzte ich mir Schluck um Schluck in den Hals. Die Sonne hatte den Inhalt nun auch so aufgeheizt, dass ich nicht wirklich meinen Durst löschen konnte, der allerdings nichts mit der Sommerhitze zu tun hatte. Viel mehr musste ich gerade sämtliche Informationen runter schlucken, die ich soeben erhalten hatte. Nachdem diese halb leer war, setzte ich sie endlich wieder ab. "Geht es wieder?", fragte der kleine, dunkelhaariger Mann mit weiterhin besorgtem Unterton. Er war nun ganz an mich heran gerückt und hielt einen Arm hinter meinen Rücken, für den Fall, dass ich vielleicht doch ohnmächtig darauf fallen würde. Langsam drehte ich den Kopf und warf ihm einen schälen Blick zu. Ich legte danach meine Hand an die Stirn und mir entrann das tiefste und wohl auch irgendwie schmerzhafteste Seufzen was ich je von mir gegeben hatte. Sofort griff sein kräftiger Arm hinter mir zu und mit der anderen Hand zog er mir die Wasserflasche aus der meinen. "In Durins namen. Cuna, was ist los? Sprich mit mir", sagte er und rüttelte mich etwas durch. Inzwischen waren die Leute um uns herum auf das Schauspiel aufmerksam geworden und amüsierten sich köstlich darüber, wie hundeelend es mir gerade ging. Sie glaubten wohl, dass wir zwischen ihnen säßen und eine Kostprobe unseres schauspielerischen Talentes zum Besten gaben. Dabei sah die Realität für uns ganz anders aus. Der kleine Mann war mit meinen Verhalten ein wenig überfordert und ich mit dem was er von mir zu verlangen versuchte. "Hör auf, mich zu schütteln. Mir ist ohnehin schon schlecht", presste ich dann endlich hervor, nachdem ich doch meine Sprache in der hintersten Ecke meines Hirns wieder gefunden hatte. "Wieso? Bist du krank? Ist das noch wegen der vergangenen Nacht?", fragte er, kam mit seinem Gesicht deutlich näher und sprach damit auch etwas leiser zu mir. "Nein. Nein es ist nicht die Nacht. Es ist. Das was du gerade gesagt hast", murmelte ich und schüttelte leicht benommen den Kopf. "Wie meinst du das? Dass du krank bist?", fragte er hastig, schob meine eigene Hand von der Stirn und legte seine darauf. Erneut musste ich sehr tief seufzen. "Ach nein. Es geht darum, was du gerade alles von mir verlangst", knurrte ich nun ziemlich gereizt und schob seine Hand von mir weg. Sofort zog er seinen Kopf von meinem Weg und starrte mich verwirrt an. "Was ich von dir verlange? Cuna, das sind die Pflichten eines jeden, guten Weibes. Den heimischen Herd zu hüten und sich um den Nachwuchs zu sorgen. Das sollte dir doch vertraut sein", sagte er und klang deutlich verständnislos. "Ach Thorin. So läuft das hier schon seit knapp einem halben Jahrhundert nicht mehr. Man verlangt keine Mitgift mehr von den Eltern der Braut, man kann entscheiden wann und wie der richtige Zeitpunkt dafür ist, um Kinder in die Welt zu setzen und erst recht müssen heute sowohl der Mann als auch die Frau arbeiten gehen, sonst können sie sich in den meisten Fällen gar nicht ernähren. Davon abgesehen, so weit sind wir beide noch gar nicht miteinander. Wir müssen uns doch erst einmal richtig kennenlernen. Vorher läuft da nix. Weder mit Hausmütterchen spielen, noch mit Kindern", erklärte ich ihm. Er schüttelte nur erneut verständnislos den Kopf und kniff ein wenig seine Lippen zusammen. "Ich habe es ja geahnt", raunte er mit einem mal. Sein Blick verfinsterte sich und er ließ mich ruckartig los. Nun war ich diejenige, die verwirrt drein schaute. Er würdigte mich unterdessen keines Blickes mehr und drückte mir meine Wasserflasche wieder in die Hand. Er selbst nahm sein Bier, stand auf und stapfte dann mit extrem wütender Miene davon. Die Menschen um uns herum begannen zu klatschen, als hätten sie nie so eine gute Live Show gesehen. Mir allerdings fuhr ein schwerer Stein in die Magengrube. Verdammt! Davor hatte mich Fili ja auch gewarnt. Thorin war nun stinksauer und offenbar tödlichst verletzt dadurch, dass ich ihn wohl unbewusst hatte abblitzen lassen. Aber was hätte ich denn sagen sollen? Vielleicht "Ja, ich will! Jetzt und für immer"? Oder "Ja lass uns gleich hier deine Zwergenbabys machen"? Er hatte mich ja regelrecht mit all seinen Forderungen überfahren. Dachte er denn ernsthaft ich würde so mir nichts dir nichts in das alles einwilligen, nur weil er es von mir verlangte? Wobei ich vor wenigen Stunden eigentlich noch mit dem Gedanken an unsere Hochzeit gespielt hatte. Plötzlich überkamen mich doch wieder Gewissensbisse. Ich hatte ihn so unbedacht vor den Kopf gestoßen, wo er doch angefangen hatte sich mir ein wenig zu öffnen und anzunähern. Verflixte Hacke, was war ich auch nur für eine dumme Kuh! Da hatte ich mir den Traum vieler Frauen geangelt und ließ ihn dann einfach aus reiner Dummheit wieder vom Haken. Ich wollte mir in diesem Moment mehrfach mit der Wasserflasche an den Kopf schlagen. Wegen dieser Überheblichkeit hatte ich ja auch schon das ein oder andere Mal Freunde einbüßen müssen. Und nun tat ich es wieder. Dann auch noch mit einem Mann, der zum ersten Mal in seinem Leben verliebt war. "Ach leck mich doch am Ärmel", fauchte ich mich selbst an und sprang dann so schnell ich konnte auf die Füße. Ich musste ihn zurück holen. Ihm in aller ruhe erklären, was ich eigentlich mit meinen Worten hatte sagen wollen. Auch wenn ich noch nicht wusste, wo ich anfangen sollte. Ich hatte ja gesehen wo in etwa er hin gegangen war, dennoch war es nicht sehr leicht ihn zu finden. Ich lief auf die kleine Gruppe von Bäumen zu zwischen denen er vorhin verschwunden war und rief dort erst mal nach ihm. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich eine Antwort von ihm bekommen würde. Zwerge waren nun wirklich unausstehlich, wenn sie eingeschnappt waren. Und dieses Exemplar von einem König besonders. So ging ich immer weiter. Ich suchte den halben Park nach ihm ab, doch da konnte ich genauso gut eine Nadel im Heuhaufen suchen. Das Einzige was ich fand, war eine Fünfer-Gruppe grölender, angetrunkener Männer, die sich wohl gerade in einem mitgebrachten Radio ein Fußballspiel ihres Lieblingsvereins anhörten und dazu Fan-Gesänge von sich gaben. Ein wenig Ratlos und verzweifelt nach Hilfe suchend, wand ich mich verzweifelt, aber doch hoffnungsvoll an die Gruppe. "Äh, Entschuldigung?", sagte ich recht laut, als ich nahe genug heran getreten war. Sie stoppen umgehend ihren mehr als schiefen Gesang und schielten mich alle fünf mit sehr erheiterten Gemütern an. "Oi, da kommt ein Burgfräulein zu uns", lallte einer mit recht schiefer Nase und grinste mich mit seinen vergilbten Zähnen an. "Brunhilde! Du holde Maid!", rief ein anderer, den es kurz drauf von der Holzbank haute auf der alle saßen. Ich verzog ein wenig das Gesicht und ignorierte das ganze Theater und die Sprüche, die sie alle samt auf den Lippen trugen. Ich räusperte mich kurz und versuchte mir dann bei irgendeinem Gehör zu verschaffen. "Entschuldigen Sie, wenn ich Sie störe. Aber ich bin auf der Suche nach jemandem", sagte ich und bekam dann doch Aufmerksamkeit von einem Kerl mit kurzen blonden Haaren, wenn auch nicht gerade die, die ich mir erhofft hatte. "Was iss los schöne Maid. Komma bei mich bei und dann erzähl dem Onkel mal, was du für Sorgen hast!", lallte dieser, stand schwankend auf und packte mich trotz seines starken Alkoholismus blitzschnell und fest am Arm. Ich schrie, kurz auf, wollte mir aber nicht die Blöße geben, dass die Männer mir offenkundig Angst machten. Also versuchte ich mich aus dem schwitzigen Griff des Kerls zu befreien, was mir aufgrund seiner Transpiration auch gut gelang. "Jetzt, hörn Sie doch mal auf mit dem Unsinn. Ich suche wirklich jemanden. Einen Mann mit schwarzen, langen Haaren, vereinzelt grauen Strähnen und Vollbart. Etwa so groß wie ich. Haben sie vielleicht so jemanden hier gesehen?", fragte ich doch ein wenig hoffnungsvoll. Die Männer sahen sich einen Augenblick verwirrt an, ein anderer kratzte sich am schlecht gepflegten Dreitagesbart und schüttelte dann den Kopf. "Nee, so einen Knirps haben wir hier in der Gegend nicht gesehn. Aber, wie wäre es denn stattdessen mit uns beiden?", sagte dieser mit einem bösen Grinsen und stand dann langsam auf. Ich verzog angewidert das Gesicht. "Nein, danke. Ich verzichte. Schönen Tag noch", sagte ich hastig und drehte mich schon um zum Gehen. Doch da packte mich der Kerl schon am Arm und zog mich zurück. Ich keuchte erschrocken und starrte nach oben. Der Typ war fast zwei Köpfe größer als ich und roch wie eine ganze Pilsbrauerei. Ich schluckte heftig und versuchte mich auch von ihm weg zu reißen, nur hatte dieser nicht ganz so transpirante Finger wie sein Kumpel, der mit den anderen schon wieder begonnen hatte Fußballlieder zur grölen. Er beute sich langsam mit diesem schmierigen lächeln zu mir runter und murmelte: "Na komm schon Schätzchen. Nur ein Küsschen. Ich verspreche dir, dein kleiner Freund wirds auch nicht erfahren." "NEIN!", schrie ich ihn laut und deutlich an. Ich zog heftig an meinen Arm, den er im Schraubstockgriff hielt und den ich partout nicht frei bekam. Er begann dreckig zu lachen und schon hatte ich seinen anderen Arm um die Hüfte geschlungen. Nun presste mich dieser widerliche Trunkenbold fest an sich. Ich versuchte ihn mit meiner anderen Hand fest ins Gesicht zu schlagen, aber er lachte nur noch lauter, da meine verzweifelten Versuche völlig ins Leere liefen. Unterdessen kam er mir mit seinem ungepflegten, verschwitzten Gesicht wieder näher und hauchte mir seinen ekelhaft stinkenden Atem ins Gesicht. "Nur ein Küsschen. Dann...", nuschelte er, doch mehr bekam ich nicht mehr von ihm zu hören. Das Nächste was passierte war, dass den Mann, der mich so umklammert hielt eine schwere Faust mitten ins Gesicht traf. und ein gellendes Brüllen, wie ich es noch nie zuvor gehört hatte, drang in meine Ohren. "Fass mein Weib nicht an, du Hundesohn!", schrie die sehr tiefe und mir so vertraute Stimme des Zwergenkönigs. Der getroffene Mann jaulte auf und reflexartig ließen mich seine Grabschfinger los. Er fluchte und stöhne vor Schmerz, als er sein Gesicht betatschte. Ich keuchte und stolperte panisch nach hinten, wo ich direkt in den Armen meines kleinen, bärtigen Retters landete. Ich keuchte erleichtert auf und schlang sofort meine Arme um ihn. Mein Gesicht vergrub sich umgehend in Thorins dunklen Haaren, die ihm lose auf der Schulter lagen. Ich konnte spüren, wie er am ganzen Leib vor Anspannung zitterte, als er die seinen fest um mich schloss. "Bei Durins Bart. Geht es dir gut? Hat er dir ein Leid angetan?", flüsterte er mir mit gezwungen ruhiger Stimme ins Ohr, die sich wohl nur danach sehnte, dass ich das genaue Gegenteil von dem sagte, was er eigentlich hören wollte. Meinem Mund entkamen aber nur vereinzelte Wortfetzen. "Thorin... s tut mir leid.... hab.. nicht gewollt...", schluchzte ich und er drückte mich noch ein klein weniger inniger an sich. "Sch. Still. Es ist vorbei", murmelte er immer noch mit gezwungen ruhiger Stimme. "Sag mal du Penner, geht es dir noch gut? Du hättest mir beinahe den Kiefer gebrochen!", rief der geschlagene Mann aus und ich hörte, wie er übermütig einige große Schritte auf Thorin zu machte. Dieser löste ruckartig seine Umarmung, zog mich mit einem Arm hinter sich und baute sich zu seiner vollen Größe vor mir auf. Wie immer war es mir unbegreiflich, wie Groß so ein Zwerg werden konnte, wenn man ihn richtig in Rage versetzte. Und erst recht bei Thorin war dies ein deutlichen Zeichen für Gefahr. Das spürte wohl auch dieser ungepflegte Kerl und blieb plötzlich irritiert und wie angewurzelt stehen, als der Zwergenkönig ihn mit seinem Blick allein auf genug Distanz zu uns hielt. Insbesondere zu mir. Nun trat sein ganzes zwergisches Wesen zu Tage. Er machte nur die Andeutung eines Schrittes nach vorne und sofort wich der Andere gleich drei zurück. Er stolperte genau gegen seine Kumpels, die den kleinen, bärtigen Mann ebenfalls mit entgeisterten Mienen ansahen. Thorin hob unterdessen den Kopf noch ein Stück höher und versetzte den Herren wohl einen sehr tödlichen. Als er dann noch zu ihnen sprach, waren seine Worte so kalt und erbarmungslos, dass einem selbst in dieser heißen Sommersonne das Blut in den Andern gefrieren konnte: "Wenn ihr es noch einmal wagt meinem Weib zu nahe zu kommen, dann reiße ich euch sämtliche Zähne einzeln aus." Danach drehte er sich auf dem Absatz um, legte mir ohne viel Federlesen seinen Arm um die Schulter und murmelte mir ein wenig ruhiger zu: "Lass uns zum Lager zurück kehren." Ich nickte ihm noch leicht zitternd vor Aufregung zu. So verließen wir die Männer und sahen sie auch nie wieder. Doch würde ich mich mein Leben lang an dieses katastrophale Picknick erinnern. - 48. Ein katastrophales Picknick / ENDE - Kapitel 49: 49. Mit Zwerg im Kornfeld ------------------------------------- Noch leicht zittrig und aufgekratzt ging ich langsam neben dem Zwergenkönig her, der sich immer wieder forschend und wachsam umsah. Es kam mir vor als fürchtete er, dass sich die ungehobelten Kerle noch einmal dazu anschicken würden mir an die Wäsche gehen zu wollen. Er hielt stets die Hand hinter meinen Rücken, um mich gegebenenfalls dazu anzuhalten weiter zu gehen. Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding und ich hatte Mühe einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Schreck saß mir noch sehr deutlich in den Knochen. Es war schier nicht auszudenken, was mir hätte passieren können, wenn Thorin nicht wieder aufgetaucht und ich Mutterseelen allein mit diesen besoffenen Kerlen gewesen wäre. Es schüttelte mich, als mir immer noch diese Alkoholfahne in der Nase herum geisterte. Thorin bemerkte mein Unwohlsein und hob nach wenigen Minuten endlich wieder die Stimme. "Das hätte ins Auge gehen können. Warum bist du einfach aufgestanden und hast unsere Sachen im Stich gelassen?", fragte er in einem ernsten, noch recht angespannten Ton. Ich schluckte kurz und schielte zu ihm hinüber. "Ich. Ich hab dich gesucht", stotterte ich vorsichtig. Er seufzte einen Augenblick leise und nickte dann schwermütig mit dem Kopf. "Verzeih", sagte er nur schlicht und ein wenig reumütig. "Nein, Thorin. Ich muss mich bei dir entschuldigen. Ich habe nicht über das nachgedacht, was ich zu dir gesagt habe. Es ist nicht so, dass es mich nicht irgendwo freuen würde. Nur, das kommt eben alles recht plötzlich. Wir kennen uns noch gar nicht richtig und es hat mich einen Augenblick lang erschreckt. Ich wusste nicht wo mir plötzlich der Kopf steht. Und jetzt hab ich uns den schönen Nachmittag vermiest", stammelte ich hastig vor mich hin. Ich hob die Hände an mein Gesicht und strich kurz etwas fahrig darüber. Ich war fertig mit den Nerven. Und das nur, weil ich meine große Klappe nicht hatte halten können. Ich wollte dafür am liebsten im Boden versinken. Doch da ergriff der kleine Mann mit seinem Arm von hinten meine Hüften, mit der noch freien Hand zog er die meinen herunter und mich dabei nah an sich heran. Danach presste er einfach unversehens seine warmen, weichen Lippen auf meine. Sofort durchfuhr mich wieder einer dieser sanften Stromschläge, die seine Berührungen bei mir auslösten. Ich schnaufte kurz erschrocken, doch dann überkam mich einmal mehr dieses wohlig warme Geborgenheitsgefühl. Meine Augen suchten die seinen. Er fing diese auf und schenkten mir damit eine beruhigende Wärme. Der Mann wurde von mal zu mal besser was das Küssen anging. Und auch im Umgang mit mir machte er ziemlich deutliche Fortschritte. Wo das erste Mal von seiner Seite aus noch sehr grob und unbeholfen wirkte, war nun beim dritten Mal keine Spur dieser Unsicherheit mehr zu erkennen. Er übte sich sogar ein wenig in Zärtlichkeit, was die Umarmung betraf, in die er mich zog. Er drückte mich zwar immer noch ein wenig zu fest an sich, aber doch so, dass es sich nicht unangenehm anfühlte. Sondern vielmehr beschützend und fast schon besorgt. Vorsichtig legte ich eine Hand an seine Wange und schloss leicht die Augen, als ich den Kuss erwiderte. Ich fuhr ihm bedächtig mit meiner Handfläche über die Haut und den dunklen Bart, bis meine Fingerspitzen seine Haare erreichten und ich einige Strähnen hinter sein Ohr klemmte. Ich konnte ihn leise und genüsslich brummen hören, nachdem meine Hand bis in seinen Nacken gewandert war und diese ihn dort kraulte. Auf meinen Lippen formte sich ein sanftes Lächeln als ich es hörte. Offenbar gehörte er auch zu der Sorte Mann, die es ungemein liebten, wenn man sie im Nacken kraulte. Zumindest hatte ich von da an einen kleinen Schwachpunkt in seiner sonst so harten und grobschlächtigen Erscheinung ausfindig gemacht, den ich sicherlich noch irgendwie in zukünftigen Tagen verwenden konnte. Doch leider währte mein Vergnügen nur kurz. Denn er löste sich wenig später von meinem Mund, der immer noch danach dürstete weiter von seinem zu kosten. Ein wenig enttäuscht öffnete ich die Augen und sah ihm entgegen. Er schmunzelte etwas und hatte noch einen dezenten Schlafzimmerblick aufgesetzt, den ich so auch noch nicht von ihm kannte. Aber er stand ihm unglaublich gut zu Gesicht, sodass es mich noch mehr ärgerte, weil er sich dem Kuss entzogen hatte. "Genug jetzt. Reden wir nicht mehr darüber. Lass uns die Sachen zusammen packen und von hier verschwinden. Diese vielen Menschen machen mich nervös", sagte er, lockerte seinen Griff um meine Hüfte und zog mich dann wieder mit sich zu unserer Decke. Ich nickte nur stumm und immer noch ein wenig beleidigt, da ich so gerne mehr von ihm gekostet hätte. Aber ich schluckte meinen Willen dann doch runter und sagte mir, dass es womöglich vorerst, das Beste sei, wenn ich mich mit dem wenigen zufrieden gab, was er mir schenkte. Und sei es auch nur von Zeit zu Zeit ein flüchtiges Lächeln. Als wir so durch die Reihen der Leute schritten, wurden wir erneut mit diesen extrem nervigen, neugierigen Blicken bombardiert. Ein ums andere Mal bemerkte ich einige besonders dreiste Herrschaften, die uns mit ihren lächerlich großen und überteuerten Smartphones von einer gewissen Obstfirma ablichteten. Mir persönlich war das überhaupt nicht recht, aber auf einem öffentlichen Platz durfte man ja leider alles und jeden fotografieren. An unserer Decke angekommen stellte ich zumindest mit einiger Erleichterung fest, dass nichts von den Sachen fehlte, die wir mitgenommen hatten. Alles war noch vorhanden und lag so da, wie ich es verlassen hatte. Dennoch bedrückte es mich leicht, als Thorin anfing alles wieder zurück in den Korb zu räumen. Wobei ich sein Unwohlsein nach der vergangenen Aktion durchaus nachvollziehen konnte. Für mich hingegen war es einzig und allein schade um das Essen und um den schönen Tag, den ich mir erhofft hatte. Aber daran konnte ich ja nun nichts mehr ändern. Nachdem ich leise seufzend die karierte Decke zusammen gefaltet und auf den Korb gelegt hatte, nahm Thorin den Korb auf den Arm und nickte mir kurz und knapp zu. "Brechen wir auf", sagte er und schlängelte sich dann mir voran eilend, geschickt durch die Masse an Leuten, hin zu der Treppe und diese hinauf. Ich folgte ihm so gut ich konnte. Als wir den Hof überquerten holte ich ihn endlich ein und schritt neben ihm her. So verließen wir das Schlösschen über die Brücke und durch das schmiedeeiserne Tor. Der Rückweg fiel mir wirklich sehr schwer, denn langsam begann mein Magen zu knurren. Kein Wunder da ich ja eigentlich nur ein paar Bissen von meinem Brötchen zu mir genommen hatte. Dem Zwergenkönig ging es da auch nicht anders. Nur knurrte bei diesem der Magen so unüberhörbar laut, dass man hätte meinen können, ein Bär läge irgendwo in einem Gebüsch am Wegrand. Als wir wieder das große Maisfeld passierten hielt ich wieder einmal an und seufzte etwas, während ich mir den Schweiß zum hundertsten Mal von der Stirn wischte. Thorin hielt ebenfalls an und hob mit fragender Miene die Augenbrauen. "Komm weiter, Cuna. Wir sind bald zurück im Lager, da können wir uns ausruhen", sage er und wollte schon weiter gehen, doch ich schüttelte einfach nur missmutig den Kopf. Als ich dabei zu dem Maisfeld blickte, kam mit plötzlich eine verdammt verruchte Idee. Es war zwar keine der aller neusten und modernsten, aber es war wohl die Beste, die ich hatte um doch noch mit dem kleinen Mann zu einem netten Picknick zu kommen. Mutig machte ich ein paar Schritte zu den Mannshohen Pflanzen hin und suchte zunächst nach einem möglichen Elektrozaun, der solche Felder vor herumlaufendem Wild schützen sollte. Zum Glück fand ich keinen. Der Zwergenkönig wurde unterdessen nur wieder ungeduldiger. "Was in Durins Namen hast du denn da vor? Hör auf rum zu trödeln, wir müssen weiter", raunte er und machte mit ausgestrecktem Arm einen recht weiten Schritt auf mich zu. Doch bevor er meinen Arm greifen konnte, drehte ich den Spieß einfach um, packte ihn selbst am Handgelenk und grinste ihm dabei frech ins Gesicht. Er weitete verblüfft die Augen, als ich zu ihm sagte: "Los, komm mit." und ihn dann einfach hinter mir her zog. Er wirkte von meiner spontanen Aktion so sehr überrumpelt, dass er mir ohne Widersprüche tief hinein in das noch unreife Feld folgte. Die fast zwei Meter hohen Pflanzen spendeten uns einen kühlen angenehmen Schatten. Der Boden war zwar immer noch sehr feucht von dem Gewitter, aber das würde uns mit Sicherheit nicht weiter stören. Wie wir uns so durch diese langen, fast endlosen Reihen dieses Riesengemüses kämpften, hielt ich ausschaut nach einem Plätzchen. Ich wusste natürlich, dass es häufiger vorkam, dass durch schwere Gewitter immer wieder einige der schwächeren Stauden in sich zusammen klappten und dann einen freien Platz in mitten solcher Anlagen bildeten. Schließlich fand ich das Objekt meiner Begierde. Zumindest das in dem Feld. Und keinen Moment zu früh, denn das Andere begann nun gegen meinen Griff anzukämpfen und mich leicht verärgert von hinten anzuknurren. Wobei ich mir dabei nicht sicher war, ob es nun von ihm selbst oder seinem Magen kam. "Cuna. Was hast du vor mit mir? Warum zerrst du mich über diesen Acker? Ich habe gesagt wir müssen zurück", maulte er und befreite dann sein Handgelenk aus meiner Umklammerung. Ich drehte mich zu ihm um und deutete auf den Platz mit den umgeknickten Maispflanzen. "Wir brauchen nicht direkt zurück zum Lager. Lass und doch einfach hier noch mal alles Auspacken und essen. Wir sind ungestört. Keine anderen, nervigen Menschen weit und breit. Außerdem haben wir hier Schatten", erklärte ich. Zunächst einmal erntete ich für meine Ausführungen einen wirklich äußerst skeptischen Blick von ihm. Dann erhellte sich aber seine Miene wieder und ein zaghaftes Lächeln umspielte seine Lippen. "Du bist ein verdammt verruchtes Weib", sagte er und ging zügig an mir vorbei. Zum zweiten Mal breiteten wir die Decke aus und verteilten das gute Essen darauf. Die Maistauden boten uns genug Abstand zum weichen Ackerboden, sodass wir nicht im Nassen zu sitzen hatten. Diesmal fielen wir aber ohne ein Vorgespräch über die einzelnen Mitbringsel her. Zu meiner Überraschung war sogar eine Plastikdose mit Obst dabei. Es gab Trauben, Apfelstücke, Manderinenstücke und natürlich auch ein paar leckere Erdbeeren. Ich schnappte mir zunächst ein paar Trauben, warf immer eine in die Luft und versuchte sie dann mit dem Mund zu fangen. Mal mit viel und mal mit weniger Erfolg. Einmal warf ich so weit hoch, dass ich mich auf den Rücken fallen lassen musste, um die Kullerbeere zu fangen. Thorin, der sich gerade sein siebtes Brötchen einverleibte, musterte mich belustigt. Ich grinste ihm entgegen und hatte dabei die Traube zwischen die Zähne geklemmt. "Willft du?", fragte ich ihn auf diese Art und Weise. "Wenn du erlaubst. Sehr gern", meinte er und beugte sich schon zu mir herüber. Ich schloss die Augen und hob mein Kinn etwas, in der Hoffnung, er würde genau das tun, was ich eigentlich mit der Frage beabsichtigt hatte. Doch als ich kurz durch meine Augenschlitze linste, nachdem der von mir erwartete Traubenklau durch einen Kuss ausblieb, sah ich, dass er die Dose mit dem Obst selbst zur Hand genommen hatte, um sich munter ein Stück Apfel schmecken zu lassen. "Hey", maulte ich und hatte immer noch die Traube zwischen denn Zähnen stecken. Er hob die Augenbrauen und sah verwirrt zu mir hin. "Ich werde dir schon nicht alles weg essen", sagte er und stellte die Dose wieder hin. Ich rollte kurz mit den Augen, seufzte leise und richtete mich dann auf. Dabei zerbiss ich die Traube doch und schluckte sie runter. "Das war es nicht, was ich mit der Aussage bezwecken wollte", sagte ich ein wenig beleidigt. "Was hattest du mit deinem Angebot denn sonst beabsichtigt?", fragte er noch leicht verwirrt. "Ich wollte, dass du mir die Traube aus meinem Mund stiehlst", erklärte ich ihm ruhig. "Warum sollte ich das tun wollen?", fragte er und machte dabei ein so dummes Gesicht, dass ich gar nicht anders konnte als kurz zu Lachen. Daraufhin wirkte er nun wieder ein bisschen beleidigt und kaute langsam auf dem Rest seines Apfelstückes herum. Ich holte tief Luft und versuchte mich von dem Lachanfall zu beruhigen, was mir wirklich äußerst schwer viel, da er so langsam kauend mit diesen leichten Schmollgesicht nur noch alberner aussah. "Also Thorin, pass auf. Hier in meiner Welt bietet man das Jemandem an, um dessen Zuneigung zu erhalten", erklärte ich ihm kurz. Erneut trat völliges Unverständnis auf sein Gesicht. "Ich bin dir doch bereits zugetan. Wozu sollte ich mich auf diese Weise noch bemühen?", erwiderte er und zuckte mit den Schultern. Ich seufzte kurz tief und nahm mir dann ebenfalls ein Stück Apfel. "Das machen Paare hier nun einmal. Glaub mir, es macht wirklich Spaß. Versuch es doch einfach", sagte ich und klemmte mir dieses dann in meine Kauleiste. Nun saß ich vor ihm und starrte ihm auffordernd ins Gesicht. Er richtete sich auf und grollte ein bisschen. "Ihr Menschen und eure seltsamen Gepflogenheiten", grummelte er und kam mir wieder ein wenig näher. Ich schloss erneut die Augen und hoffte dieses mal auf eine leichte Berührung mit seinem Lippen, doch stattdessen bekam ich nur zwei recht große raue Finger in den Mund gesteckt, die an dem Apfelstück herum zerrten. Ich riss erneut die Augen auf und quietschte ungehalten. Aus Reflex haute ich ihm auf die Finger. Sofort zog er seine Hand zurück und fauchte: "Kannst du dich einmal entscheiden was du willst, Weib? Erst soll ich es dir stehlen und dann lässt du mich nicht." Ich löste das Stück aus meinem Mund und seufzte. "Nicht mit der Hand. Mit dem Mund du kleiner Dummkopf", sagte ich etwas ungeduldig. "Mit dem Mund? Das ist Unsittlich. So etwas tut man nicht mit Essen", erwiderte er mit eingeschnappter Miene und verschränkten Armen vor der Brust. "Thorin, sieht uns hier jemand?", fragte ich dann ein wenig genervt. Er rollte mit den Augen und warf den Kopf umher, um nachzusehen, ob auch wirklich niemand durch die Maisblätter lugte. "Nein. Zumindest sehe ich niemanden", raunte er leise. "Dann zeig mir, dass du ein Mann bist und kein Feigling", sagte ich trotzig und schob den Apfel wieder an meinen Mund. "Mahal", brummte er und nun rückte er mit seinem Kopf näher an mich heran. Diesmal behielt ich aber die Augen offen, um auch ja sicher zu gehen, dass er nicht wieder mit irgendeinem anderen Körperteil an dieser Stelle landete. Doch er machte nun ausnahmsweise alles richtig. Er legte den Kopf leicht schräg, damit er besser heran kam und schon trafen sich unsere Lippen und ein wenig die Zähne, als wir das Stück auseinander bissen. Ich hielt mir eine Hand unters Kinn, als ich spürte, wie der Saft langsam darüber lief und an mir herunter tropfte. Thorin hingegen zog sich sofort wieder zurück, nachdem er seinen Teil hatte und kaute darauf herum. "So zufrieden?", fragte er und wischte sich den Saft aus dem Bart. Ich kicherte und nickte leicht, während ich mein eigenes Stück genoss. Nachdem ich es runter geschluckt hatte grinste ich ihn an. "So und jetzt bist du dran", sagte ich und feixte ihn dabei frech an. "Ich? Womit?", fragte er in einem neuen Anflug von Verwirrung. Unterdessen nahm ich mir ein Stückchen Mandarine und hielt es hoch. Seine Augen wurden immer größer und er verzog das Gesicht. "Nein. Nein. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Du sagtest du seist zufrieden und jetzt bist du es binnen Sekunden wiederum nicht", rief er empört aus. "Hab dich nicht so. Ich will dir nur etwas Schönes zeigen", sagte ich und kroch dabei näher an ihn heran. "Wenn das genauso schön ist, wie die Tatsache, dass mir aufgrund des Apfelsaftes nun der Bart verklebt, dann würde ich dies lieber nicht in Anspruch nehmen", erwiderte er und versuchte sich von mir zu entfernen. "Nein, es wird wirklich viel schöner. Jetzt versuch mir doch einmal zu vertrauen, ja?", drängte ich und krabbelte etwas schneller auf ihn zu. "Also gut. Fein. Was soll ich mit diesem Ding machen?", fragte er ungeduldig mit genervter Stimme und deutete auf das Mandarinenstück, welches ich ihm in die Hand drückte. "Ganz einfach. Nimm das Stückchen, steck es dir in den Mund und lass es ganz Vorne auf der Zunge liegen. Bloß nicht runter schlucken", erklärte ich. Diesmal antwortete er nicht. Er rollte nur wieder die Augen und tat es dann einfach. Vorsichtig robbte ich mich näher und legte langsam mit einem frechen Grinsen meine Lippen auf seine. Dabei schloss ich bis zur Hälfte meine Augen. Meine Arme legten sich locker um seine Schultern. Er hingegen wirkte dabei ein kleines bisschen Steif. Bemüht die Mandarine nicht hinunter zu schlucken. "Öffne deinen Mund ein wenig", murmelte ich ihm sanft zu. Dies tat er dann leicht widerstrebend und ich grinste noch breiter. Sicher es war äußerst riskant, was ich da gerade mit ihm herum experimentierte. Aber ich dachte da nur an die alte Devise "Learning by Doing". Ganz zaghaft und mit sehr viel Feingefühl, ließ ich nun nicht nur meine Lippen wieder auf seinen ruhen, sondern begann mit der Spitze meiner Zunge nach seinen zu tasten. Ich fühlte, wie er plötzlich in sich zusammen fuhr, als er diese für ihn völlig neue und fremdartige Berührung wahr nahm, und dieses eigenwillige Etwas aus meinem Mund heraus, nach seinem lechzte. Ich ließ es zunächst nur bei diesen zögerlichen Berührungen bewenden, bis er sich zumindest ein wenig daran gewöhnt hatte. Ich sah ihm dabei unentwegt ins Gesicht und spürte, wie sein Atem immer schneller ging und sich seinen Augen vor Erstaunen so erweiterten, dass man fürchten musste, sie würden ihm bald aus den Höhlen fallen. Ich triumphierte schließlich innerlich, als ich mutiger wurde und meine Zunge nun über die Grenze seiner Zähne schob. Seine Augen wurden mit jedem Millimeter, den mein dreister Eindringling in seinen Mund machte immer Größer. Inzwischen hob er langsam zu beiden Seiten meiner Schulter die Arme, welche ich aus dem Augenwinkel leicht zittern sah. Ich verstand gut wie er sich gerade fühlte, denn auch ich hatte mühe einen klaren Kopf zu bewahren bei dem, was ich mir gerade mit ihm heraus nahm. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, erreichte ich die süße köstliche Frucht und nicht nur diese. Als ich nämlich versuchte das Stückchen mit meiner Zunge aufzuheben, strichen die Beiden zum aller ersten Mal sanft und rau übereinander. Ein Feuerwerk an Emotionen brach in mir los. Ein brennendes Verlangen loderte in meiner Brust auf und ein Geschmack, als wäre ich dem Himmel näher als jemals zuvor, erfüllte meine Sinne. Betäubte sie beinahe mit all ihrer Unerbittlichkeit. Und das schien nicht nur bei mir der Fall zu sein. Thorin ergriff, blitzartig meine Schultern und drückte sie so fest, dass mir umgehend die Arme taub wurden. Er verdrehte lüstern die Augen und ein tiefes, warmes Brummen erklang in seiner breiten Brust. Ich lächelte und begann nach der Mandarine zu fischen, die sich hin und her bewegte, da er nun endlich aufgetaut war und in den Kuss mit einstieg. Und das sorgte genauso dafür, dass er es mir nicht leicht machte meine Beute zu mir herüber zu ziehen. Im Gegenteil. Er fing richtig an darum zu Kämpfen. Jedes mal wenn ich dachte ich hätte das Stückchen, zog er es mir mit seiner Zunge wieder weg. Er nutzte Seine genauso flink, wie er sonst sein Schwert in der Hand führte. Doch auch ich hatte so meine kleinen Tricks auf Lager und schob ihm zärtlich meine Hand in den Nacken, wo ich ihn langsam kraulte. Nun öffnete er seinen Mund etwas weiter um mir leise entgegen zu stöhnen. Ich versuchte die Chance zu nutzen, um mir endlich meinen "Schatz" zu erobern, aber der kleine Mann hatte umgehen andere Pläne. Er ließ sich nach hinten fallen und zog mich dabei mit sich. Nun lag ich fast vollständig auf ihm und bekam meine Finger nicht mehr hinter seinem Kopf frei. Ich hörte ihn gedämpft kichern und spürte, wie sich seine Hände von meinen Schultern lösten und ihre Wanderung zu meinem Rücken fortsetzten. Eine davon blieb zwischen meinen Schulterblättern liegen. Die Andere suchte sich ihren Weg in tiefere Regionen. Stoppte aber an meiner Hüfte und verweilte nun dort. Inzwischen gab ich den fast hoffnungslosen Kampf um das Mandarinenstück immer noch nicht auf. Ich konnte eine meiner Hände hinter seinem Kopf befreien und fuhr ihm mit dieser von der Stirn über die Wange, den Bart und wieder hoch zu seiner Stirn, wo ich ihn sanft streichelte. Seine Hand zwischen meinen Schulterblättern fing an sich immer wieder zur Faust zu ballen und an dem Leinenstoff meines Kleides herum zu zerren. Die Andere an meiner Hüfte hatte es irgendwie geschafft den Weg zu meinem Hinter zu finden und wuchtete mich nun vollends auf ihn. Als wir nun Hüfte an Hüfte lagen, geriet ich beinahe endgültig aus der Fassung. Mein Herz begann zu rasen, wie ein Formel Eins Motor. Durch meinen Körper ging ein einziges Kribbeln und Brennen. Ich hatte so starke Gänsehaut, dass ich glaubte mir würden jeden Augenblick sogar Flügel wachsen. Die Mandarine war mir inzwischen egal geworden. Nun wollte ich Ihn. Ihn ganz allein. Eigentlich hatte ich ja nicht geplant es so früh schon zu diesen Ausschweifungen kommen zu lassen. Aber manche Situationen wurden schlichtweg aus der Not geboren. Und ich hatte gerade in diesem Moment größte Not. Ja, Atemnot könnte man sagen. Von dem was ich nämlich bei ihm spürte, waren nur wenige Lagen Stoff im Weg, die man sicherlich binnen der nächsten Minuten hätte überwinden können. Aber dazu wollte der Herr sich noch nicht wirklich hinreißen lassen. Thorin ließ vorerst nicht ab von meinem Mund, der eigentlich einen Großteil seiner Aufmerksamkeit genoss. Er löste sich kein Stückchen. Stattdessen erforschte er nun gierig den Meinen mit seiner Zunge, wobei sich meine Augen fast überschlugen. Meine Beine rutschten irgendwann zu beiden Seiten seines massigen Körpers auf die Decke und gaben somit zumindest ansatzweise mein persönliches Heiligtum frei. Auch wenn es noch unter dem Kleid verborgen blieb. Das veranlasste ihn dazu, kurz in den unendliche Kuss aufzustöhnen. "Oh, Cuna", murmelte er gedämpft. Ich erwiderte dies mit einem ebenso heftigen Stöhnen und krallte mich fest in seine schwarzen Haare. Nun hatte er genug davon mich auf sich liegen zu haben und er schwang sich ruckartig auf die Seite wobei ich von ihm runter rutschte, aber zumindest mein rechtes Bein weiter um seine Hüfte schlingen konnte. Er fasste mit seiner Hand in meine Kniekehle und zog diese enger um sich herum, als sie ein paar mal versuchte abzurutschen. Dabei rollte sich der Saum meines Kleides so weit hoch, dass bald mein nacktes Bein frei lag. Das heizte ihn nur noch mehr an. Seine Küsse wurden wilder und immer stürmischer. Mir wurde schwindlig von der Hitze, die sich zwischen uns und auch in mir immer mehr aufstaute. Es war einerseits so was von Falsch, das Ganze dort an diesem Platz und noch dazu ungeschützt zu tun. Aber andererseits tat es unendlich gut wieder von einem Mann so sehr begehrt zu werden, dass es schon richtig weh tat, je länger es dauerte. Und was das Schlimmste war, ich wollte sofort aus meinem Kleid heraus. Koste es was es wolle. Aber der Zwergenkönig ließ sich trotz seines wilden Verlangens ordentlich Zeit. Ich fühlte schon, wie seine große, grobe, warme Hand langsam von meinem Knie über meinen Oberschenkel wanderte. Während sich diese auf den Weg machte, rollte er sich immer weiter auf mich drauf. Meine zweite Hand war nun auch endlich wieder Frei und so konnte diese ihn wieder einmal zärtlich im Nacken kraulen. Meine Andere war aus seinen Haaren gerutscht und ruhte nun an seiner Brust, die sich hastig hob und senkte. Unser Stöhnen und Keuchen wurde auch immer lauter und schon richtig unerhört obszön. Seine Hand an meinem Oberschenkel glitt immer weiter und weiter. Bald würde sie ihr Ziel erreicht und mich dort berühren, wo es mich gerade nach verlangte. Es fehlten nur noch wenige Zentimeter. Nur noch wenige Augenblicke von dieser Unglaublich intimen Berührung. PENG!! Ein fast Ohrenbetäubender lauter Knall ließ uns beide hoch schrecken. Ich schrie einen Moment erschrocken auf und Thorin löste sofort mit wachsamen Blick den Kopf von meinem. "Bei Durins Bart! Was war das?!", rief er aus und mit einem Mal war die ganze Stimmung dahin. "Ich hab keine Ahnung. Klang wie ein Feuerwerkskörper", spekulierte ich völlig außer Atem und sogar ein wenig verängstigt. "Ich sehe mir das mal an. Bleib hier und rühr dich nicht vom Fleck", sagte er und löste sich so schnell von mir, dass ich ihm gar nicht schnell genug hinterher schauen konnte. Verwirrt, verängstigt und unglaublich frustriert richtete ich mich in eine sitzende Position auf. Dann zog ich murrend mein Kleid wieder zurecht. Meine zerzausten Haare wuselten mir wirr um den Kopf und ich knurrte leise vor Wut über den unbekannten Störenfried, der uns beide in dieser mehr als unangebrachten Situation unterbrochen hatte. Wenn ich heraus fand, wer dieser Mistkerl war, würde ich ihm ordentlich die Ohren lang ziehen, soviel war sicher. Thorins Bitte zum Trotz stand ich deshalb wenig später auf und folgte ihm einfach durch die Reihen von Maisstauden zwischen denen er verschwunden war. Bald schon hatte ich ihn eingeholt. Ich machte mir keinerlei Mühe mich an zu schleichen, denn er drehte sich bereits zu mir um und sah mich nicht nur genauso frustriert an, wie ich mich fühlte, sondern auch noch ein wenig angesäuert. "Ich habe dir doch gesagt, du sollst an unserem Platz bleiben, bis ich wieder komme", knurrte er leise und verengte die Augen. "Ich will selbst sehen, wer hier so einen Krach gemacht hat", erwiderte ich gereizt und schob mich an ihm vorbei. Wir standen nun gut zwei Meter vom Ende des Maisfeldes entfernt und blickten auf eine brach gelegte, weite Weidefläche, die derzeit eher ungenutzt in der Gegend herum wucherte. Wobei unter genauerer Betrachtung, sie doch irgendwie genutzt wurde. Soeben fuhren nämlich vor unseren Augen mehrere Jeeps, gut zwanzig an der Zahl, darauf und hielten an. Mehrere Männer, immer jeweils vier pro Fahrzeug, verließen die Wagen. Alle unglaublich riesenhaft und breit gebaut. Einem davon war ein Reifen geplatzt, als er über einen versteckten Stein oder Ast gefahren sein musste. Daher stammte zumindest schon einmal dieser Knall. Der Fahrer stieg wutentbrannt aus und stieß so laute Beschimpfungen aus, das selbst Thorin darüber nur den Kopf schüttelte. Als ich diesen Kerl sah, wurde mir schier schlecht. Ich kannte ihn. Und der Zwergenkönig eigentlich auch, obwohl es bei ihm länger her gewesen sein musste. Ich war reichlich irritiert, dass der sich noch einmal her wagte und rieb mir die Augen um wirklich sicher zu gehen, dass ich das nicht alles gerade träumte. Wir beobachten sie weiterhin stumm und gut versteckt hinter dem Mais. Als der wütende fluchende Kerl den Kopf in unsere Richtung drehte, wusste ich es genau. Er war es tatsächlich. Sofort überkam mich Panik und ich ergriff Thorin mit beiden Händen an einem Arm. Dieser drehte sich mit fragendem Blick zu mir um und sah mich dann leicht bestürzt an, als er die Angst in meinen Augen lesen konnte. "Was hast du? Was ist auf einmal los mit dir?", fragte er ein wenig besorgt. "Wir müssen gehen, Thorin. Jetzt sofort. Lass uns die Sachen einpacken und so schnell wir können zum Lager rennen", bettelte ich und zerrte an ihm herum. "Warum? Was ist denn? Sprich deutlich zu mir", sagte er und rührte sich nicht vom Fleck. Nur mühsam und keuchend brachte ich die Worte hervor, die mir vor Angst die Kehle zu schnürten. "Thorin. Es ist Stiernacken. Und er hat seine Schlägertruppe mitgebracht." - 49. Mit Zwerg im Kornfeld / ENDE - Kapitel 50: 50. Schlacht um die Zeltstadt ----------------------------------------- Thorins Gesichtszüge verfinsterten und verhärteten sich mit jeder Sekunde mehr. Immer noch zog ich an seinem Handgelenk und versuchte ihn dazu zu bewegen mit mir zu kommen, unsere Sachen einzusammeln und dann so schnell wir konnten zurück zu den Anderen zu laufen. Er allerdings bewegte sich kein Stückchen weit. "Thorin. Thorin bitte. Lass uns gehen", flehte ich ihn an, doch er entriss seine Hand meinem Griff und drehte sich von mir weg, um das Geschehen wieder zu beobachten. Frustriert versuchte ich ihn erneut am Arm zu packen und mit mir zu ziehen, doch da drehte er den Spieß um. Er fasste mich am Handgelenk, wirbelte mich einmal mehr schlecht als recht herum und presste mir dann seine andere Hand auf den Mund. Dabei drückte er mich fest und eng an sich. "Hör endlich auf so zu schreien Frau, sonst entdecken sie uns", knurrte er mir ins Ohr. Die Augen behielt er weiterhin schön auf die Gruppe von Männern gerichtet, die nun zu den Ladeflächen ihrer Jeeps stiefelten. Als diese runter klappten, konnte ich erkennen, wie sie nach und nach lange Gegenstände herunter hoben. Mein Herz verkrampfte sich und ich krallte meine Finger verängstigt in das Leinenhemd des Zwergenkönigs. Wie lange wollte er noch dort stehen bleiben bis er merkte, dass die Typen vor uns gerade dabei waren, sich abmarschbereit zu machen? Ihm war wohl nicht ganz klar in welcher Gefahr gerade meine und seine Freunde schwebten. Verzweifelt wehrte ich mich gegen seinen steinharten Griff und versuchte ihm durch die Hand zu zu schreien, wir mögen doch endlich aufbrechen. "Cuna! Schweig still!", fauchte er mich ungeduldig an. Nun wand er seine Augen doch zu mir und zwang mich mit seinem unerbittlichen, kalten Blick zur Ruhe. Ich schluckte und sah ihn nur noch flehend und auch fragend an. Er löste seine Augen wieder von mir und schaute zurück auf das Geschehen. Da ich nichts Anderes tun konnte, folgte ich seinem Blick. Die kräftigen Kerle, die Stiernacken engagiert hatte, verteilten untereinander die langen Gegenstände. Was genau es war, konnte ich nicht erkennen. Aber es mussten irgendwelche Schlagwaffen sein. Zwischen drin verteilten einige andere auch noch schwarze Kapuzen Masken, die sich einer nach dem anderen über den Kopf zog. Danach stellten sie sich in einem Kreis auf. Stiernacken stand in der Mitte und sprach zu den maskierten Herren. Ich sah eigentlich schon längst unsere Chance gekommen um aufzubrechen. Doch Thorin war wie im Ackerboden festgewachsen. Es war nun wirklich zum Heulen mit ihm. Wieso nur stellte er sich ausgerechnet in diesem Augenblick so an? Seine Sturköpfigkeit war wirklich nicht zum Aushalten. Vor allem weil ich aufgrund seines festen Drucks auf meinen Mund und der Umklammerung meiner Hüfte fast keine Luft bekam. Schließlich, als sich der Kreis der Männer auflöste und diese davon stapften, löste der Zwergenkönig seine Arme von mir und ich konnte endlich nach Luft schnappen. Doch viel Zeit dazu ließ er mir nicht. Schon ergriff er mein Handgelenk und riss mich mit sich fort. Er eilte mit mir im Schlepptau unglaublich schnell zu unserem Picknickplatz zurück. Ich hatte große Mühe schritt zu halten und nicht über den aufgeweichten Ackerboden zu stolpern. Als wir diesen erreichten, war ich so aus der Puste, dass mir fast schwarz vor Augen wurde. "Los. Beeil dich", sagte er kurz angebunden, löste seine Hand von mir und warf so flink alle Sachen, die in seiner Reichweite waren in den Korb. "Sag mal, warum hast du uns so lange aufgehalten? Jetzt müssen wir hetzen", knurrte ich ihn beleidigt an und rollte die Decke einfach zusammen, da zum Falten keine Zeit war. Immerhin waren gerade sämtliche Zeltplatzbewohner in großer Gefahr. "Merk dir mal eines. Wenn du einen Feind entdeckst. Beobachte erst einmal in welche Richtung er sich wendet. Das ist wichtig, damit man ihm nicht aus versehen direkt in die Arme läuft", erklärte er, als ich die Decke in den Korb stopfte. "Mir war klar wo sie hin gehen. Deinetwegen kommen wir vermutlich noch zu spät und können sie nicht warnen", fuhr ich ihn wutentbrannt an. Er seufzte und rollte mit den Augen. "Ich will jetzt nicht mit dir streiten. Los, Bewegung", befahl er, nahm den Korb auf und rannte umgehend drauf los. Ich seufzte und setzte ihm nach. Wir huschten kreuz und quer durch die hohen Maispflanzen. In der Ferne kamen zu unserer Rechten bereits die hinteren Ausläufer von Klein Mordor in Sicht. Aber nun liefen wir auch Gefahr von der Männergruppe entdeckt zu werden, die Parallel dazu ihren Weg fortsetzte. Thorin hielt urplötzlich vor mir an, sodass ich fast in ihn hinein gerannt wäre. Meine Lungen schmerzen von der Rennerei. Ich musste nach dem Anhalten mehrfach damit kämpfen nicht in einen heftigen Hustenanfall auszubrechen. Ich stützte meine Hände auf die Knie und versuchte aufrecht stehen zu bleiben. Nun hatte ich in etwa eine wage Vorstellung davon, wie es wohl gewesen sein musste, als die Orks Thorins gesamte Gemeinschaft über Stock und Stein nach Bruchtal gehetzt hatten. Diesen hörte ich leise und grantig vor mir auf zwergisch fluchen. Im Gegensatz zu mir, war er kein bisschen aus der Puste und beobachtete wieder die Männergruppe. Langsam hob ich den Kopf und schaute an ihm vorbei. Die Männer waren erneut stehen geblieben und unterhielten sich wohl über ihre weiteren Schritte. "Thorin. Das. Schaffen wir nicht", keuchte ich und richtete mich wieder ein wenig auf. "Nein. Du hast recht. Das schaffen wir so nicht. Zumindest nicht zusammen", meinte er in ernstem nachdenklichen Ton. Ich sah ihm auf den Rücken und merkte dann wie dieser sich plötzlich straffte. "Es gibt nur eine Möglichkeit. Wir müssen uns trennen", sagte er fest entschlossen. Er drehte sich auf der Stelle um und drückte mir den Korb in die Hände. "Thorin. Was hast du vor?", quiekte ich mit hoher Stimme. Er sagte aber nichts. Er legte nur seine großen Hände auf meine Schultern und sah mir eindringlich in die Augen. Als ich nun sein todernstes Gesicht musterte, klappte mir panisch der Mund auf. Ich konnte ihm an seinen wunderschönen blauen Augen ablesen, dass er genau das vor hatte, was ich mehr als alles andere gerade von ihm fürchtete. Ich schüttelte heftig den Kopf und spürte, wie mir fast die Beine versagte. "Nein. Nein, sag mir nicht, dass du das tun willst?", keuchte ich erschrocken. "Cuna, es muss sein, damit ihr genug Zeit habt, um alle in Sicherheit zu bringen", sagte er und drückte meine Schultern fest. "Nein. Thorin. Bitte.", flehte ich verzweifelt. Doch er wollte sich partout nicht davon abbringen lassen und erklärte mir stattdessen nur was ich tun sollte, sobald ich zurück im Lager war. "Ich betraue dich mit der Aufgabe, das Lager mit Hilfe meiner Männer zu sichern, bis ich zu euch stoße", erwiderte er ruhig und legte seine Stirn an meine. "Du bist Unbewaffnet. Sie werden dich totschlagen!", fuhr ich ihn hartnäckig an. Meine Augen begannen zu brennen und in den Winkeln bildeten sich schon feuchte Stellen. Mein Blick suchte den seinen. Nachdem sich unsere Augen trafen, sah ich ihn fest und verzweifelt an. Ich bemerkte, wie er einen Moment zögerte. Dann aber doch den Kopf schüttelte und mich ruhig und entschlossen ansprach: "Hör zu. Ich renne zurück zu diesen Pferdelosen Kutschen, mit denen sie gekommen sind und versuche dort noch einmal so einen Krach zu veranstallten. Sobald du diesen hörst und die Männer kehrt machen, nimmst du die Beine in die Hand und läufst so schnell du kannst. Vertrau mir. Ich weiß, was ich hier tue. Mir wird nichts geschehen. Ich schwöre, ich komme heil zu dir zurück." Ohne dass ich reagieren oder etwas sagen konnte, löste er seine Stirn, drückte mir hastig einen Kuss auf die Wange und spurtete zurück zu dem Platz, wo die Jeeps der Kerle standen. Ich wollte ihm noch irgendetwas nach rufen, aber mir versagte schlichtweg die Stimme. Ich wusste, dass er recht hatte mit dem was er tat, dennoch schnürte mir ein gewaltiger Kloß die Kehle zu. Es war zum aus der Haut fahren. Einerseits kroch mir die Angst vor den riesenhaften Schlägern durch die Adern und andererseits die Sorge um Thorins Leben. Viele Minuten stand ich da und schaute wie versteinert zwischen die Pflanzen, hinter denen er raschelnd verschwunden war. Ich war unfähig mich zu bewegen oder irgendwie zu handeln. Das Einzige was ich gerade wirklich tun konnte, war auf Thorins Zeichen zu warten. Ich hoffte, dass es bald kam und er sich dann so schnell er konnte in Sicherheit brachte. Eigentlich hätte ich ihm nachrennen und ihn aufhalten sollen. Doch ich wusste, dass ich einfach nicht schnell genug war, um ihm zu folgen. Und hilfreich wäre ich ihm sicherlich auch nicht gewesen. Ich musste ihm nun wirklich voll und ganz vertrauen, dass er einfach wusste was er tat. Auch wenn es mir fast das Herz zerriss darüber nachzudenken, was die Kerle mit ihm anstellen würden, wenn sie ihn zu fassen bekamen. Ich wusste zwar, dass er sich bestimmt gut wehren konnte. Aber das waren immerhin Achtzig schwer bewaffnete Männer und er war allein. Immer wieder biss ich mir auf die Lippen als ich wartete. Es dauerte einfach zu lange. Mein Blick wanderte zwischen der Schlägertruppe und dem Pfad den Thorin genommen hatte hin und her. Gerade als ich mich dazu entschlossen hatte ihm doch nach zu laufen, weil die Herren sich auf dem Weg wieder in Bewegung gesetzt hatten, gab es einen lauten Knall, der von den Jeeps kam. Das war mein Zeichen. Wie aufs Stichwort drehte sich die Männergruppe geschlossen um, sahen sich einmal kurz verwirrt an und rannte dann den Weg zurück zu ihren Wagen. Als der letzte mir den Rücken zu gekehrt hatte, preschte ich aus dem Maisfeld heraus und lief so schnell mich meine wackligen Beine noch tragen konnten nach Klein Mordor hinein. Ich konnte mich nicht erinnern jemals zuvor so gerannt zu sein. Es war als würden meine Füße nicht mal den Waldboden berühren, obwohl ich schon wahr nahm, dass ich hin und wieder stolperte und hängen blieb. Die Bäume flogen an mir vorbei und Äste schlugen mir heftig ins Gesicht. Dennoch sorgte das Adrenalin in mir dafür, dass ich weder Schmerzen noch Erschöpfung beim Rennen empfand. Als ich den ersten Waldpfad erreichte, konnte ich dann noch mal einen ordentlichen Zahn zu legen. Nachdem die ersten Zelte in Sichtweite waren, rief ich so laut ich nur konnte die Namen der Zwerge, in der Hoffnung, dass sie mich hörten. Als ich um die Ecke bog, wo noch vor einer Woche meine Hängematte gewesen war, rempelte ich ausgerechnet Gloin an, der wohl zum Nachsehen geschickt worden war und mit mir zusammen auf dem aufgeweichten Waldboden landete. Nun lag er wie ein Maikäfer auf dem Rücken, hatte alle Viere von sich gestreckt und ich war seitlich neben den rothaarigen Zwerg gefallen. "DU ELENDES MENSCHENWEIB! WAS IST IN DICH GEFAHREN?!", brüllte er mich an. Mir hatte sich bei dem Sturz fast sämtliche Luft aus den Lungen gepresst. Der Korb war mir aus den Armen gerutscht und irgendwo in einem Gebüsch gelandet. Doch das war nun für mich Nebensache. Ich streckte meine Hand nach dem kleinen Mann aus und ergriff diesen im Liegen vorne am Leinenhemd. Mit abgehackter Stimme versuchte ich ihm klar zu machen, was uns in wenigen Augenblicken wohl bevorstehen würde und betete, dass er es auf Anhieb verstand. "Gloin. Die Anderen. Wo?", fragte ich ihn hastig. "In der Schenke. Hör auf mich anzufassen und rede gefälligst deutlich. Was soll der Aufruhr, den du hier veranstaltest und wo hast du Thorin gelassen?!", brüllte er und riss meine Hände von sich los. "Angriff. Sie. Kommen. Hier her. Thorin. Lenkt sie ab. Alle. Müssen. In Sicherheit. Schnell", japste ich und begann heftig zu husten. In meinem Kopf drehte sich alles. Nun wo mein Körper in diesen plötzlichen Stillstand geraten war, kam mein Kreislauf gar nicht schnell genug hinterher, um sich zu beruhigen. Beim Husten konnte ich Blut schmecken und fühlte wie etwas Feuchtes über meine Lippen und mein Kinn lief, das sich nicht wie Schweiß anfühlte. Ich wusste sofort, dass meine gebrochenen Nase nach so langer Zeit, wo sie ruhe gegeben hatte, wieder anfing sich zu melden. Das war alles andere als gut. Und erst recht, weil Gloin tatsächlich nicht verstand, was ich von ihm wollte. Der war inzwischen wieder auf die stämmigen Zwergenbeine gekommen und riss mich am Arm auf meine wackligen Stelzen. Er schüttelte mich durch und schrie mich an: "Was für ein Angriff?! Wer kommt?! Wo ist Thorin?! Sprich, du verdammtes Hexenweib!" "Bitte. Gloin. Bitte. Alle. Sind in Gefahr. Wir haben keine Zeit", schnaufte ich und versuchte gegen den Drang anzukämpfen mich an Ort und Stelle zu übergeben. "Ha! Dann werden wir uns die Zeit jetzt nehmen. Und zwar mit den anderen! Komm! Beweg dich!", raunte er und schleifte mich gnadenlos mit. Fast völlig benommen vor Erschöpfung ließ ich mich mit ziehen. Verschwommen nahm ich nur wahr, wie wir zwischen den Zwergenzelten hindurch gingen und in Richtung Fisse Ma "Tent" Chen einbogen. Ich stolperte hinter dem wütenden, rothaarigen, kleinen Mann her, der mir in seiner Rage fast den Arm zerquetschte. Kurz vor dem Barzelt allerdings knickten dann doch meine Knie ein und ich fiel nach vorne. Das veranlasste ihn dazu mich noch einmal lauthals anzubrüllen: "Steh auf!" "Ich. Ich kann nicht mehr", japste ich und stützte mich mit meinen anderen Arm ab. Gerade wollte er mich wieder hoch zerren, als jemand das Barzelt verließ und erschrocken aufschrie. "JACKY!" Das Nächste was ich spürte war, dass der Jemand, der geschrien hatte, Gloin von mir weg riss und sich zu mir kniete. Zwei Arme schlossen sich um mich und ich hörte Chus Stimme an meinem Ohr. "Was ist passiert? Um Himmelswillen, was haben die mit dir angestellt?", murmelte sie verängstigt. Erschöpft ließ ich den Kopf an ihre Schulter sinken. "Chu. Wir müssen. Alle in Sicherheit bringen. Wir werden angegriffen", schnaufte ich erschöpft. "Was? Was redest du denn da?", fragte sie mich besorgt und drückte mir wohl rein aus Verzweiflung eine Hand an die Stirn. "Was geht denn hier vor?", raunte eine andere Stimme, welche ich nur wage als die von Dwalin erkannte. Ich hob matt den Kopf von Chus Schulter und sah zu diesem auf. Hinter ihm strecken sich die anderen Bärte aus dem Eingang und musterten die Situation neugierig. Als sie aber mein Gesicht sahen, stießen alle gleichzeitig heftige Flüche aus. Kili und Fili drängten sich an Dwalin vorbei und stürzten sich zu Chu auf den Boden, um mich zu betrachten. "Was in Durins Namen ist passiert, Cuna? Wie siehst du aus? Wo hast du unseren Onkel gelassen?", fragte Fili ernst und ergriff mein Gesicht mit beiden Händen. Langsam bekam ich wieder ein bisschen mehr Luft, auch wenn sich immer noch alles in meinem Kopf drehte. Dennoch brachte ich es irgendwie fertig, die wichtigsten Infos an alle weiter zu geben. "Hört zu. Stiernacken ist unterwegs zu uns. Er hat einen ganzen Trupp Schläger mit dabei und will hier auf den Platz kommen. Thorin ist zurück geblieben um sie abzulenken. Er hat mir aufgetragen, dass wir das Lager sichern, bis er zu uns stößt. Wir müssen uns beeilen", nuschelte ich benommen. Filis Augen wurden mit jedem Wort größer. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Chus Blick zwischen mir und den Zwergen hin und her huschte. Sie hielt mich immer noch fest im Arm und auf ihrem Gesicht bildete sich langsam eine riesige Sorgenfalte. Doch wusste ich nicht ob es wegen dem bevorstehenden Angriff war oder weil sie mich gerade für übergeschnappt hielt. Der blonde Zwerg allerdings hatte den Ernst der Lage sofort erfasst. Er löste unterdessen die Hände von meinem Gesicht und drehte sich zu den Anderen um. "Ihr habt gehört, was sie gesagt hat. Thorin will, dass wir den Platz sichern", sagte er in ernstem Ton. Die Mienen der kleinen bärtigen Männer verhärteten sich und alle nickten. Sofort stürmten sie aus dem Barzelt und machten sich daran ihre Zelte aufzusuchen, um sich zu bewaffnen. Kili legte sich in der Zeit meinen anderen Arm um die Schulter und bat Chu mir auf zu helfen, um mich ins Fisse Ma "Tent" chen zu bringen. So gestützt schafften die Beiden es, mich auf eines der Sofas zu legen, die von einigen, erschrockenen Zeltplatzbewohnern frei gemacht wurden. Chu blieb bei mir sitzen, nachdem ich mich hingelegt hatte. Der dunkelhaarige Junge verschwand kurz drauf zur Theke, um mir etwas Wasser und ein Tuch zu holen, womit Chu mein Gesicht etwas von Blut und Schweiß befreite. Danach ließ er mich mit ihr alleine und gesellte sich zu den anderen Zwergen, die sich vorbereiteten. Meine beste Freundin half mir beim Trinken, legte mir die kalte Flasche in meinen Nacken und fragte mich immer wieder aus, was denn genau passiert war. Ich versuchte ihr so gut ich konnte Antworten zu geben. Allerdings ließ ich einige der delikaten Details aus. Schließlich wollte ich ja nicht mit der Tatsache hausieren gehen, dass ich mit Thorin im Maisfeld einige recht unanständige Sachen gemacht hatte. Wobei es ja nicht zum Äußersten gekommen war, da wir unterbrochen worden waren. Langsam festigte sich mein Kreislauf nach einigen Minuten wieder und ich nahm etwas mehr um mich herum wahr. Wozu auch gehörte, dass immer mehr verwirrte und verängstigte Menschen sich im Barzelt einfanden. Viele fragten, warum sie denn genau dort hin mussten und wieso sie auf einmal von den bärtigen, kleinen Männern mit Waffen dazu genötigt worden waren, den Platz zu räumen. Ich seufzte etwas und schüttelte nur den Kopf. Es war wirklich ziemlich ungeschickt von den Zwergen, die Menschen hier auf diese Art zusammen zu treiben wie Vieh. Andererseits war es vielleicht das Beste, was sie tun konnten. Irgendwann war es aber so eng, dass ich sogar aus meiner liegenden Position in eine Sitzende über gehen musste, damit andere Platz nehmen konnten. Es herrschte ein wildes Chaos aus Stimmen und Menschen. Und durch dieses zwängte sich der kleine Ori zu mir und Chu hindurch, die einen Arm um mich gelegt hatte und mir immer wieder leise, beruhigende Worte zusprach. Ich hob sofort den Kopf, als ich ihn vor mir auftauchen sah. Er hatte sich eine der Rüstungen übergeworfen, die sie einst einmal bei einem Training getragen hatten und sah mich unruhig an. "Ori, was hast du?", fragte ich umgehend. Er sah sich ein wenig nervös und abgehetzt um, bevor er antwortete. "Also, wir haben jetzt alle hier ins Zelt gebracht, die wir finden konnten. Aber wir haben da ein kleines Problem", sagte er und spielte mit seiner Zwille herum. "Welches?", fragte ich und merkte, wie ich ebenfalls nervös wurde. "Wir haben nicht genügend Baumaterial, um den Lagereingang zu verbauen. Wir dachten vielleicht hast du eine Idee", sagte er und musterte mich hoffnungsvoll. "Ist auf dem Brennholzplatz nicht noch irgendwas an Paletten oder sonstigen Holzstämmen, die ihr benutzen könnt?", erwiderte ich doch der kleine Mann schüttelte nur heftig den Kopf. "Ist alles beim Bau des Wachturms aufgebraucht worden", murmelte er verlegen. Als er das erwähnte, kam mir mit einem Mal eine wunderbare Idee. Ich sah kurz Chu an, dann wieder zu Ori. Ich nickte ihm entschlossen entgegen und löste mich dann aus den Armen meiner Freundin um aufzustehen. "Jacky, wo willst du hin?", fragte sie mit halb wütender, halb besorgter Stimme, während ich Ori durch die Menge folgte. "Helfen den Platz zu sichern. Bin gleich wieder zurück!", rief ich ihr zu und schon war ich durch den Eingang nach draußen verschwunden, ohne auf ihre recht wütenden Rufe zu reagieren, die in dem Stimmengewirrt sowieso unter ging. Meine Beine wollten zwar immer noch nicht richtig gerade aus laufen, aber zumindest mehr als noch vor einigen Minuten. Die Zwerge standen nicht weit vom Barzelt entfernt. Alle Zwölf waren in schwerer Rüstung angetreten und bis an die Zähne bewaffnet. Ich schluckte schwer, als ich sie musterte. So wie sie aussahen, würden sie gewiss dafür sorgen, dass es Tote gab. Eigentlich war es das Letzte, was ich sehen wollte. Und erst recht gefiel es mir nicht, dass der Zwergenkönig immer noch fehlte. Ich biss mir auf die Unterlippe und ballte die Hände an meinen Seiten zu Fäusten. Ich fürchtete schon das Schlimmste. Doch zunächst musste ich einen klareren Gedanken fassen, damit ich den Herren meine Idee unterbreiten konnte. Als man mich sah, begannen Kili und Fili aber schon zu protestieren. "Cuna, was machst du hier draußen? Du solltest bei den anderen Menschen im Zelt bleiben", kam es hastig von dem blonden Jungen. Ich hob beschwichtigend die Hände, erklärte den beiden knapp was ich vor hatte und versuchte mir dann, nachdem sie nickend einwilligten, bei den anderen Gehör zu verschaffen. Das klappte allerdings am besten, wenn ich vor den Herren etwas erhöht stand. "Kili, Fili, Ori. Helft mir bitte kurz auf den Erdwall, damit mich alle sehen können", bat ich die Jungs ganz freundlich. Mit skeptisch gehobenen Augenbrauen kamen sie meiner freundlichen Bitte nach. Nun konnte ich alle von Oben genau sehen und versuchen dazu zu bringen, auf mich aufmerksam zu werden. "Ähm. Entschuldigung Leute", setzte ich nervös mit leicht stotternder Stimme an. "Du musst lauter reden, Cuna", meinte Kili und versuchte mir damit Mut zu zu sprechen. Ich nickte ihm zu und sprach noch etwas lauter. "Hallo. Würdet ihr mir bitte kurz zu hören", sagte ich, doch wieder reagierte kaum einer auf mich. Alle redeten wild durcheinander. Jeder einzelne warf sich irgendwelche Ideen zu oder plauderte über etwas anderes. Das war nun wirklich nicht hilfreich. "Versuch es noch mal", kam es dann von Fili. Ich seufze, atmete einmal tief ein und brüllte so laut, dass alle gleichzeitig zusammen zuckten: "SCHNAUZE HALTEN!" Sofort kehrte ruhe ein und alle haarigen Köpfe wanden sich mit erschrockenen und fragenden Augen zu mir. Ich nickte ein wenig peinlich berührt und versuchte nach einen kurzen Räuspern meine Idee zu verkünden: "Also. Ich hab gehört, dass wir nicht genug Zeug haben, um den Eingang zu sicher. Daher will ich, dass ihr euren Wachturm abreißt und diesen dann als Wall verwendet." "WAS?!", riefen alle gleichzeitig. Die Männer waren schlagartig so aufgebracht von meinem Plan, dass sie wieder wild durcheinander redeten. "Wir haben Stunden damit verbracht ihn aufzubauen", maulte Bifur. "Wir brauchen ihn um zu sehen wenn sie kommen", warf Oin empört ein. "Wer hat dir eigentlich die Macht dazu gegeben, uns Befehle zu erteilen?", fragte natürlich Gloin, der wütend seine Kriegsaxt in meine Richtung hob. "Ich war das!", rief eine neue Stimme über den Platz. Sofort wanden sich alle Köpfe zur Seite. Ein übergroßes breites Lächeln trat mir ins Gesicht, als ich sah, wie Thorin in voller Rüstung auf uns zu marschierte. Die Reihen der Zwerge lichteten sich, als er hindurch schritt. Er sprang zu mir auf den Erdwall und ich trat ein Stück zur Seite. Er musterte mich einen Augenblick ausdruckslos und sah dann zu seinen Männern hinunter, die wieder verstummt waren. Dann hob er seine Stimme: "Ihr habt gehört, was Cuna gesagt hat. Reißt den Turm ein", sagte er und blickte sie alle eindringlich an. "Und die ganze Arbeit, die wir uns damit gemacht haben? Soll die jetzt umsonst gewesen sein?", fragte Gloin und hob erneut die Axt. "Keine Wiederworte. Wir haben schon genug Zeit verloren", erwiderte Thorin in barschem Ton, ohne auf den rothaarigen Zwerg einzugehen. Dieser machte auf dem Absatz kehrt und folgte den Anderen, die schon dabei waren, das Gerüst zu Fall zu bringen. Als ich sicher wahr, dass niemand hin sah, warf ich dem Zwergenkönig meine Arme um den Hals. Dieser legte kurz einen Arm um meine Hüfte, ohne dabei seine Männer aus den Augen zu lassen. "Du hast es heil hier her geschafft", flüsterte ich ihm erleichtert ins Ohr. "Ich habe es dir versprochen", murmelte er mir zu. Er hob die andere Hand, legte diese unter mein Kinn und schob mich leicht von sich weg. In seinen Augen spiegelte sich kurz ein Hauch von Besorgnis wieder, als er mein bleiches und blutverschmiertes Gesicht etwas hin und her bewegte. "Du siehst schlecht aus", meinte er schlicht. Ich nickte bedröppelt und erwiderte nur: "Danke. Du bist auch sehr Sexy, Thorin." "Geh wieder zu den anderen Menschen ins Zelt zurück. Wir erledigen das hier draußen", sagte er ohne auf meinen Kommentar einzugehen, auch wenn sein Mundwinkel leicht noch oben gezuckt war und entfernte sich dann endgültig von meiner Seite. Er half mir allerdings noch den Erdwall hinunter, damit ich nicht aus versehen stürzte. Ich versuchte die Gelegenheit zu nutzen um ihn zumindest noch mal davon zu überzeugen, kein Massaker auf dem Platz anzurichten. "Hör mal, Thorin. Ich weiß, du hasst es, wenn ich das sage. Aber ich finde es nicht richtig, dass ihr hier anfangt Menschen mit euren Schwertern zu töten", erklärte ich und schon rollte er genervt mit seinen blauen Augen. "Möchtest du jetzt wirklich mit mir darüber streiten?", fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich weiß, dass du von meiner Einstellung, was Gewalt angeht nichts hältst. Dennoch wäre es besser, wenn nötig zunächst einmal zu versuchen mit denen zu reden, anstatt gleich drauf los zu schlagen", erklärte ich ihm sachlich. "Du vergisst da wohl eine Kleinigkeit. Die sind nicht hier um zu verhandeln. Die wollen hier alles dem Erdboden gleich machen. Und das schon recht bald. Ich weiß nicht, wie lange die Kerle noch brauchen um hier zu sein", raunte er mir zu. Im Hintergrund fiel bereits knirschend und krachend der Wachturm um. Es gab eine leichte Erschütterung, die den halben Platz zum Beben brachte. Als ich kurz drauf hinter mich sah schauten einige Bewohner neugierig aus dem Fisse Ma "Tent" chen. Darunter auch Mitglieder der Zeltplatzleitung. "Können wir jetzt wieder raus kommen, wo ihr den Turm um gelegt habt oder dauert das noch lange?", fragte Moe, der wohl dachte, dies sei der Grund für den Zwangsaufenthalt im Barzelt. "Nein Moe. Ihr müsst noch drin bleiben. Hier wirds gleich ein bisschen unangenehm", versuchte ich ihm zu erklären. Verständnislos schüttelte er mit dem Kopf und kam dann nach draußen. "Ich weiß nicht, was der ganze Mist hier soll. Ihr rennt hier mit Waffen rum, bedroht die Besucher und jetzt wollt ihr uns auch noch hier wie Geiseln im Zelt halten. Was ist hier los verdammt noch mal? Jacky, gerade von dir hätte ich so etwas nicht erwartet. Ich sag dir, wenn du mir nicht einen triftigen Grund nennst, weshalb wir weiterhin da drin bleiben sollen, dann schmeiß ich dich und deine Freunde hier vom Platz. Dann braucht ihr auch nicht mehr wieder zu kommen. Nie mehr", fuhr er mich von oben herab an. Ich wurde von Wort zu Wort immer kleiner und stammelte bedrückt und fahrig vor mich hin. In dem Moment ging Thorin zwischen uns beide und sah dem kahlköpfigen Mann von unten her fest ins Gesicht, der verblüfft die Augen weitete. "Hör zu, Mensch! Wir machen das hier nicht zum Zeitvertreib. Da kommen ein haufen Leute auf uns zu, die alle samt versuchen wollen euch umzubringen und wir wollen euch verteidigen. Anstatt uns also von hier zu vertreiben, wäre es ratsamer wenn ihr uns entweder nicht im Weg steht oder uns helft, die Leben eurer Frauen und Kinder zu schützen", knurrte der kleine Mann überdeutlich in scharfem Ton. "Wieso verteidigen? Wer will uns umbringen? Red doch mal Klartext", erwiderte Moe aufgebracht und fuchtelte mit den Händen herum. Ich atmete tief durch und versuchte es ihm langsam und schonen zu erklären. "Also Moe, pass auf. Der Typ, den ihr am Anfang vom Platz geworfen habt, weil er eine Schlägereien anfangen wollte, ist vorhin auf einem Feld hier in der Nähe mit einer ganzen Armada von Leuten aufgeschlagen, die darauf aus sind, hier alles und jeden kurz und klein zu schlagen. Der wars ja auch, der uns die Hunde auf den Hals gehetzt hat. Aber nun will er uns endgültig fertig machen. Ich weiß es klingt verrückt, aber ich hab mit eigenen Augen gesehen, wie die sich bewaffnet und maskiert haben. Wenn wir sie nicht aufhalten, dann wird es bald überhaupt keine Zeltstadt mehr geben. Ich bitte dich, du musst mir vertrauen. Und auch Thorin mit seinen Männern", sagte ich und blickte flehend zu ihm auf. Der große Mann hatte sich langsam die Hand an die Wange gelegt und sah mich und Thorin entsetzt an. Dann strich er sich über die Glatze und blies die Backen auf. "Verdammt, wisst ihr eigentlich, wie bekloppt ihr euch anhört?", fragte er mit verdrießlicher Miene. "Ja, ich weiß. Aber willst du allen ernstes riskieren, dass hier Unschuldige von ein paar Gehirnlosen Muskelprotzen platt gemacht werden?", erwiderte ich. Er seufzte und schüttelte dann den Kopf. "Nein, will ich natürlich nicht. Aber ich kann auch nicht zulassen, dass ihr hier mit den Waffen Leute abstecht. Dann wird es erst recht keine Zeltstadt mehr geben. Ich kann Mord nicht unterstützen. Das solltest du ja eigentlich besser wissen, Jacky", sagte er und sein Ton wurde wieder ein Spur härter. "Ja, scheiße ich weiß das. Nur, was sollen wir tun? Sie werden nicht mit sich reden lassen. Die werden nicht zögern uns die Köpfe einzuschlagen. Wir brauchen etwas anderes, womit wir sie auf Abstand halten können", murmelte ich und begann grübelnd auf und ab zu laufen. Thorin fuhr sich ebenfalls nachdenklich durch den Bart und sah dabei zu Boden. Schließlich hatte aber Moe die zündende Idee. "Nehmt doch unseren Feuerwehrschlauch und befestigt die große Düse daran. Die hat genügend Druck drauf und großartig verletzt wird auch keiner von so einem gewaltigen Schwall Wasser. Vielleicht kühlt das die erhitzten Gemüter auch ein wenig ab", sagte er und grinste uns an. "Der Schlauch? Wirklich? Aber der ist verdammt schwer. Da brauchen wir Hilfe", warf ich ein und blieb stehen. "Ist kein Thema. Baut ihr mal schön an dem Schutzwall. Wir kümmern uns um den Rest", meinte Moe und in seinen Augen schien ein kleiner Funke Kampfgeist aufzuflackern. Ich grinste breit und sah zu Thorin, der mir nur ein völlig verständnislosen, fragenden Blick zu warf. "Ich erkläre es dir gleich. Lass uns erst beim Bau des Walles helfen", meinte ich, aber er schüttelte kurzer Hand den Kopf. "Nein Cuna, du hast heute genug durchgemacht. Geh ins Zelt zu den Frauen und Kindern. Da bist du sicher", meinte er und wollte mich schon am Arm dort hin schleifen. Ich entzog mich aber seiner Hand und sah ihm dann entschlossen entgegen. "Nein. Ich will euch diesmal helfen und nicht nur Tatenlos daneben stehen", erwiderte ich ruhig. "Ich bin da aber ausnahmsweise mit Thorin einer Meinung. Bei so einer Ausschreitung ist es besser, wenn nur wenige unter Beschuss geraten. Was du allerdings machen kannst, wenn du helfen willst, ist den Schlauch vorzubereiten", erklärte Moe langsam. Ich sah kurz zu ihm und dann wieder zum Zwergenkönig. "Wäre das in Ordnung?", fragte ich um mir zumindest dafür die Erlaubnis zu holen. "Solange es weit genug weg von Wall ist, dass du nicht noch mehr verletzt werden kannst, ja", sagte er ungeduldig. Ich nickte kurzer Hand und machte mich auf den Weg zum Materiallager. Einem bunt bemalten, alten Schiffscontainer, der neben dem "ROZ" herum stand. Moe folgte mir wenig später. Er hatte kurz im Barzelt nach einigen kräftigen Jungs gefragt, die sich gleich dazu gesellten. Frodo war ebenfalls zugegen und schloss die Türen auf. Als diese aufschwangen traten wir sofort ein. Überall lagen die verschiedensten Sachen herum. Von Seilen über Technikkram, der für die Events benutzt wurde, bis hin eben zu jenem Schlauch und Zubehör, den wir für unsere Aktion brauchten. Dazu auch noch ein Haken mit dem man den Hydrantendeckel abheben konnte und dem Ventil-Öffner. Mit gut Sieben Männern und mir entluden wir so schnell wir konnten, die Sachen vor das Lager. Ich machte mich mit zwei der Jungs auf den Weg zum Hydranten. Einer hatte schon einen Schlauchteil unterm Arm, der Andere den Haken und ich transportierte den Öffner. Die anderen Schlauchabschnitte wurden gleichmäßig über den Platz verteilt ausgerollt, bis hin zu der Stelle, wo die kleinen bärtigen Männer ihre Arbeit am Wall begonnen hatten. Wie immer konnte ich nur mit dem Kopf schütteln über die Kraft und die Schnelligkeit, mit der sie Ihre Arbeit erledigten. Sie fanden sogar noch ein wenig Zeit um ein paar Stellen auszubessern und zu verstärken. Ich beschäftigte mich nun allerdings damit den Hydranten zu finden, der irgendwo unter dem ganzen Kies versteckt lag. Es war gar nicht so einfach diesen ausfindig zu machen. Immerhin entdeckten wir ihn dann doch in der Nähe des Getränkeanhängers, der friedlich vor sich hin brummte. Der Eine hob den Deckel ab, während der Andere begann den Schlauch zu entrollen. Ich musste mit meinen Aufsatz warten, bis das Ende des Schlauches fest montiert war. Erst dann durfte ich diesen auf dem Ventil nieder lassen. Als nächstes wurden die anderen Stücke miteinander verbunden, bis am Ende die Düse befestigt war. Ich schaute immer wieder am Anhänger vorbei und versuchte über das Gebrumme der Kühlanlage zu hören, wann der Befehl "Wasser Marsch!" kam. Immerhin musste ja bereits vor dem Eintreffen, des Schlägertrupps ein gewisser Druck auf der Leitung sein. So wartete ich leicht angespannt bis Moe und Frodo den Zwergen klar und deutlich erklärt hatten, wie man den Schlauch denn nun eigentlich benutzte. Ich betete, dass sie es hoffentlich schnell verstanden und nicht noch irgendwie Hilfe benötigten. Ungeduldig trat ich von einem Bein aufs andere. Dann endlich hob Moe den Arm in meine Richtung und brüllte mir ein über deutliches "Wasser Marsch!" zu. Ich eilte zu meinem Öffner und drehte diesen so weit auf wie es nur ging. Es war schwerer als erwartet und der Schlauch geriet nur sehr sehr langsam unter Spannung. "Hast dus bald, Jacky? Die Typen sind grade aufgetaucht", sagte einer der Jungs, der um den Anhänger herum spähte. "Ja. Gleich. Verdammt, das Ding klemmt so", gab ich Zähneknirschend von mir und zerrte mit aller Kraft daran. "Mach mal Platz", sagte der Andere und schob mich zur Seite. Dieser war um einiges kräftiger gebaut als ich und schaffte es das Wasser ganz aufzudrehen. Nun hieß es warten. Aus der Ferne war deutlich zu sehen, wie sich ein Teil der Zwerge mit ihren Äxten, Schwertern und Hämmern hinter dem Wall bereit hielt. Auf dem Wall hatte sich Thorin postiert. Hinter ihm standen Dwalin und Gloin, die den Schlauch fest im Griff hatten. Ohne die sonst so laute Musik, die über den Platz hallte, war klar und deutlich zu erkennen, was sich die beiden Partein entgegen brüllten. Zunächst aber gab Thorin, Kili ein Zeichen, der kurz darauf mit seinem Bogen einen kleinen Warnschuss auf die Truppe abgab. Diese blieben wie angewurzelt stehen. Ich schlug die Hände vor den Mund und weitete entsetzt die Augen. "Keinen Schritt weiter! Oder der nächste Triff euch zwischen die Augen!", polterte der Zwergenkönig drauf los. Lautes spöttisches Gelächter hallte bis zu uns herüber. Ich schluckte heftig und faltete die Hände vor der Brust. "Glaubt ihr kleinen Freaks, dass ihr uns mit euren Kinderspielzeugen gefährlich werden könnt?", kam es dann aus den Reihen der maskieren Angreifer. "Diese Kinderspielzeuge werdet ihr am eigenen Leib zu spüren bekommen, wenn ihr nicht sofort kehrt macht und die Leute hier in Frieden lasst!", knurrte Thorin aufgebracht. Wieder gab es nur Gelächter. "Kommt Jungs. Zeigen wir mal dem Großmaul da, wer hier was zu spüren bekommt!", donnerte es den Zwergen entgegen. Zunächst dachte ich die Männer würden einen Schritt vor machen, doch stattdessen, sah ich aus der hinteren Reihe einen schweren Pflasterstein fliegen. Er machte einen hohen Bogen in der Luft und hielt genau auf Thorin zu. Ich schrie kurz erschrocken auf und wollte mir die Hände vor die Augen schlagen, doch der Zwergenkönig machte nur einen Schritt zur Seite und der Stein krachte auf den Wall. Durch sein weggehen enttarnte er dann schließlich den Feuerwehrschlauch. Ich sah wie der kleine Mann zwischen seinen Männern und seinem Gegner hin und her blickte. Dann rief er laut:"Ihr habt es ja so gewollt. Dwalin! Gloin! Macht sie nass!" Diese gehorchten aufs Wort und binnen Sekunden ergoss sich ein breiter Strahl an Wasser über die Menge. Wir konnten sie ächzen und schreien hören. Thorin sprang vom Wall und gesellte sich zu den anderen beiden, die den Schlauch hielten. Ich vermutete, dass es selbst für Zwerge sehr schwer sein musste diesem Rückstoß stand zu halten. Leider konnte ich aufgrund der blendet weißen Fontäne nicht mehr viel von dem erkennen, was genau unter den Angreifern vor sich ging. Vermutlich waren, diese nun zurück gedrängt worden und wagten sich auch vorerst nicht näher heran. Stattdessen, sah ich wenig später weitere Pflastersteine über den Wall fliegen. Einige davon gingen meilenweit daneben. Andere hielten aber direkt auf die Zwerge zu, die sich mit einigen Holzbrettern als Schilden schützen. Bedauerlicherweise hatten die drei, die den Schlauch hielten keine wirklich gute Ausgangsposition. Sie waren darauf angewiesen, dass die Anderen sahen, wenn ihnen ein Stein zu nah kam. Aber aufgrund ihrer Geschicklichkeit, wehrten sie das Gröbste von sich ab. Vom Fisse Ma "Tent" chen und dem Rest des Platzes gab es Anfeuerungsrufe für die kleinen Herren, die sich richtig ins Zeug legten. Irgendwann stellten sie das Wasser ab um sich einen kleinen Überblick zu verschaffen. Die maskierte Truppe war nun von meiner Position aus nicht mehr zu sehen, aber sie mussten noch da sein, weil Thorin erneut die Stimme hob, um ihnen eine spöttische Frage zu stellen. "Habt ihr Menschen genug oder wollt ihr noch mehr?", kam es von ihm und die Zwerge lachten. "Ihr verdammten Gartenzwerge. Das Zahl ich euch heim!", brüllte erneut ein Mann über den Platz und die Zwerge lachten nur noch lauter. Doch ich fühlte, dass etwas nicht stimmte. Plötzlich war nicht nur von Thorin der ein oder andere Spottkommentar zu hören, sondern auch von den Anderen. "Was ist denn das für ein albernes, schwarzes Ding da in deiner Hand?", fragte Bofur und hielt sich den Bauch vor lachen. "Willst du uns damit vielleicht auch bewerfen?", grölte Dwalin. "Dafür müsste er es ja hinter seinen Kopf halten und nicht vor sich. Aber offensichtlich ist er noch viel dümmer als ein Troll", rief Kili. Ich lauschte erschrocken und murmelte leise vor mich hin: "Albernes, schwarzes Ding? Werfen? Vor sich halten?" Da ging mir plötzlich ein Licht auf. Um nicht zu sagen eine ganze Warnleuchte. Von den Schlägern musste einer etwas besitzen, was die Zwerge definitiv nicht kannten. Etwas unglaublich gefährliches, gegen das sie nicht mal ihre Rüstungen schützen konnten. Scheiße. Verdammt. Nein. Ich musste sie warnen. So schnell es ging. Wie auf Kommando setzte ich meine Füße in Bewegung und ich spurtete rufend drauf los. Die nackte Angst im Nacken trieb mich erneut zu dieser Höchstleistung an, obwohl ich eigentlich schon am Ende meiner Kräfte war. Aber wenn ich nichts tat, dann würde gleich einer der Zwerge sterben. "Runter mit euch! Geht in Deckung!", brüllte ich ihnen zu und die Köpfe wanden sich zu mir. "Cuna! Bleib weg! Das ist zu gefährlich!", rief mir Fili entgegen. "Ich sagte, Köpfe runter!", erwiderte ich und rannte schnurstracks auf sie zu. Nach der Hälfte der Stecke, sah ich genau das, was ich vermutet hatte. Der maskierte Mann hinter dem Wall hatte eine Pistole gehoben und war sofort bereit zu Schuss. Mein Auftauchen verunsicherte ihn zwar kurz, aber dann schien er sein Ziel genau ausgesucht zu haben. Ich bremste auf dem Schotter und weitete die Augen, als ich sah auf wen die Mündung der Waffe zielte. Mich. Ab diesem Moment verlief alles nur noch wie in Zeitlupe. Ich wollte mich umdrehen und flüchten, doch da löste sich plötzlich Thorin vom Feuerwehrschlauch und kam auf mich zu gerannt. Ich schrie ihm noch ein "Bleib wo du bist!" zu. Da knallte es schon. Gerade als er Zwergenkönig mich erreichte und mit sich auf den Boden reißen wollte. Ich hörte ihn mit einem mal aufkeuchen und er weitete vor Verblüffung die Augen. Schmerz breitete sich auf seinem edlen Antlitz aus. Dann landeten wir gemeinsam auf der Erde. Alles was ich nach dem harten Aufprall fühlte, waren mein rasend schneller Herzschlag, der Kies unter meinem Rücken, Thorins Körper auf mir. ...und etwas Feuchtes, das mir langsam aber stetig aufs Gesicht tropfte. - 50. Schlacht um die Zeltstadt / ENDE- Kapitel 51: 51. Zwischen Himmel und Hölle ----------------------------------------- Was war nur geschehen? Warum passierte das ausgerechnet mir? Wieso tat mir das Schicksal so etwas an? Wieso nur? War ich nicht freundlich genug gewesen? Hatte ich irgendetwas in einem meiner früheren Leben getan, dass diese Katastrophe in meinem derzeitigen Leben entstehen musste? War ich denn nicht schon damit gestraft einen Mann auf grausame Art verlieren zu müssen? Musste denn nun ausgerechnet der Nächste auch noch sterben? Noch dazu vor meinen Augen und mehr oder weniger in meinen Armen? All meine Bemühungen, all die kurzen Stunden und Tage, die wir zusammen an diesem Ort verbracht hatten und uns näher gekommen waren. Sie schienen mit dieser einen Gewalttat vernichtet worden zu sein. Mein Herz verkrampfte sich so stark, dass ich fürchtete es würde sofort entzwei gerissen. Mein Gesicht war mit Sicherheit schreckensblass, auch wenn ich es nicht sehen konnte. Mein Mund und meine Augen waren so weit aufgerissen, dass sie fast genauso schmerzten wie mein Rücken, der auf den Kies gekracht war. Ich schnappte panisch keuchend nach Luft und starrte dem Mann, der sich auf mich gestürzt hatte, mitten ins Gesicht. Er biss die Zähne zusammen und hatte die Augen zugekniffen. Die Hände waren rechts und links neben meinem Kopf gelandet. Er versuchte mit zitternden Armen zu verhindern, dass ich sein volles Gewicht auf meinen Körper zu spüren bekam. Dennoch merkte ich, wie er langsam zur rechten Seite her einknickte. Er keuchte und stöhnte vor Schmerz auf und schon lag er halb auf mir, als ihm der Arm nach gab. Sein Kopf landete zwischen meiner linken Schulter und meiner Brust. Ich hörte, wie sich neben mir im Kies seine Hand zu einer Faust ballte und sich dabei in den Boden krallte. Da erwachte ich aus meiner Starre und ich riss umgehend meine Hände hoch. Mit der Linken fasste ich ihn weit oben hinter seine Schulter. Mit der Anderen schob ich ihm hastig die langen, dunklen Haare aus dem Gesicht, damit er Luft bekam. Als ich sein Gesicht berührte, war dieses leicht erhitzt und schweißgebadet. Er atmete sehr schnell und stoßweise. Ich konnte jeden einzelnen Zug davon heiß durch den Stoff meines Kleides auf die Haut treffen fühlen. Meine linke Hand an seiner Schulter griff in irgendetwas Feuchtes. Ich wusste nicht was es war, noch wollte ich es genau wissen. Aber die Sorge um ihn war weit größer, als vor dem was ich womöglich sehen würde. Es war also unvermeidlich, dass ich einen Augenblick den Arm hob um es mir genauer anzusehen in was ich da gerade hinein gefasst hatte. Als ich meine Hand sah, blieb mir fast das Herz stehen. Rot. Sie war feucht und rot. Ich stieß einen hysterischen Schrei aus und versuchte den Zwergenkönig auf die Seite zu rollen. Dieser ließ es widerstandslos über sich ergehen und ich rutschte hastig unter ihm heraus. Langsam rollte er auf den Rücken und blieb dort liegen. Das wunderschöne, helle Fell seines Ledermantels hatte sich an seiner Schulter bereits dunkelrot verfärbt. Fahrig und völlig aus der Fassung beugte ich mich über ihn und streichelte ihm das Gesicht, den Bart, die Stirn und die Lippen, welche ich augenblicklich mit seinem eigenen Blut beschmierte. Er öffnete mit verzerrten Gesichtszügen die Augen und sah mich ratlos und ein wenig beunruhigt an. Doch seine Miene erhellte sich als er mich erkannte. "Cu...Cuna", flüsterte er mit rauer Stimme. "T-Thorin", presste ich bebend über meine Lippen. Bei mir hatte inzwischen eine Art Schnappatmung eingesetzt. Ich war unfähig auch nur einen wirklich klaren Gedanken zu fassen. Ich vergas alles um mich herum. Alle meine Sinne waren nur noch auf Thorin ausgerichtet, der langsam den linken Arm hob und mir entgegen streckte. Ich konnte fühlen, wie die Rückseiten seine Finger sanft und behutsam meine Haut berührten. "Mahal sei dank. Es geht dir gut", nuschelte er mit versucht erleichtert klingendem Ton. Reflexartig griff ich nach seiner Hand und drückte diese fest. Er erwiderte den Druck und schaffte es fast mir ein hoffnungsvolles Lächeln zu schenken. Doch was ich noch von ihm sah, lag wie hinter einem dichten Regenschleier verborgen. Meine Tränen kannten kein Halten mehr. Sie rollten mir unaufhörlich aus den Augen, die Wangen hinunter und tropften mit einem dumpfem 'Plock' auf die Rüstung des Zwergenkönigs. Diese Grausamkeit. Diese Ungerechtigkeit. Diese absolut hilflose Ohnmacht angesichts dessen, dass dort der neue Mann in meinem Leben langsam vor mir verblutete, raubte mir beinahe gänzlich den Verstand. Ich löste eine Hand von seiner und griff unter seinen verschmierten Fellmantel. Ich wusste noch nicht warum ich es tat oder welchen Zweck ich damit verfolgte. Ich suchte nur hoffnungsvoll, auf diese verzweifelte Art, eine Möglichkeit zu verhindern, dass er weiter Blut verlor. Ich zitterte so heftig, während ich ihn absuchte, als sei ich gerade aus einem Tiefkühler gekommen. Genauso taub kam mir mein ganzer Körper vor. So unwirklich und surreal. Die Sekunden verstrichen wie Tage und Minuten wie Jahre. Ich fluchte innerlich und beschimpfte mich die ganze Zeit über selbst. Ich hätte ihn nicht her kommen lassen sollen. Sie hätten alle nicht her kommen dürfen. Dann wäre er nie so schwer verwundet worden. Und vermutlich hätte ich dann auch nicht diese enorm starken Gefühle ihm gegenüber entwickelt, die mich nun innerlich zu zerstören drohten und meinen Verstand übermannten. Mich packte immer mehr ein nie gekannter Wahnsinn. Etwas, das so noch nie in mir erwacht war. Ich wusste, dass so etwas bei jedem Menschen vorhanden war. Und ich hatte mir stets mühe gegeben diesen nicht über mich kommen zu lassen, egal wie sehr mich etwas auch gestresst hatte. Aber in dieser Situation war jegliche Selbstbeherrschung aus mir gewichen. Ich stand wieder vor dem gleichen Chaos wie vor zwei Jahren. Aber diesmal hatte es eine gerade frisch erwachte Liebe getroffen, die noch in junger Blüte stand. Und sie auf diese Weise unter den Springerstiefeln eines gewalttätigen Mörders zerquetscht zu sehen, war das absolut Letzte, was ihr hätte passieren dürfen. Ich verfluchte diesen miesen Schweinehund. Diesen elenden Stiernacken, der nichts besseres zu tun gehabt hatte als alles zu zerstören, was ich mir in diesen kurzen Tagen erkämpft hatte. Aber ich würde nicht aufgeben. Ich musste weiter kämpfen. Für mich. Für Thorin. Für sein Leben. Für unsere Liebe und unsere gemeinsame Zukunft. Ich konnte ihn nicht einfach so gehen lassen. Dafür war er mir viel zu wertvoll geworden. Noch viel mehr dadurch, dass ich wusste wie er für mich empfand, war es umso wichtiger, dass ich ihm nun das Leben rettete. Das Einzige, was mich dabei behinderte, war meine eigene Hilf- und Kraftlosigkeit angesichts all dieser schrecklichen Umstände. Ich tastete unterdessen weiter an ihm herum, während ich versuchte meinen Kampfgeist zu animieren und flüsterte wie in Trance immer wieder mit erstickender Stimme: "Es wird alles gut. Alles wird wieder gut." Jedoch musste ich feststellen, dass durch den eisernen Harnisch nichts zu finden war. Ich musste weiter unter seinen fielen Kleidungs- und Rüstungsschichten suchen. So fuhr ich mit der Hand zu seinem Hals, wo ich versuchte unter sein Leinenhemd zu kommen. Er öffnete die Augen etwas weiter und drückte dann meine Hand fester. "Cuna. Cuna hör auf", keuchte er und starrte mich fest an. Doch ich konnte nicht aufhören. Ich musste weiter suchen. Ich konnte doch nicht einfach aufgeben, während sich nun auch langsam der Kies unter ihm rot färbte. Schließlich wurde ich dann doch aufgehalten. Ich war so gefangen in diesem Alptraum, dass ich nicht bemerkt hatte, wie sich um mich herum die anderen Zwerge versammelt hatten. Ich stellte es erst fest, als mich von hinten zwei Hände an den Schultern packten und ein paar behandschuhte Finger die meinen ergriffen, die gerade dabei waren unter Thorins Leinenhemd nach der Wunde zu suchen. Ich bemerkte wie Thorin den Kopf leicht zur Seite wand und mit demjenigen sprach, der meine Hand ergriffen hatte. "Bringt sie weg", sagte er knapp. Ich keuchte verängstigt und klammerte mich mit der anderen Hand fester an seine die anfangen wollte sich zu lockern. Ganz zaghaft und leise hörte ich, wie mir Fili beruhigende Worte ins Ohr murmelte: "Komm schon Cuna. Bitte steh auf. Du kannst hier nichts ausrichten." Ich schüttelte heftig den Kopf und kniff die Augen zusammen. "Nein. Nein. Bitte. Nein. Ich kann nicht. Ich will bei ihm bleiben. Bitte. Nicht", nuschelte ich völlig von Sinnen. Ich wollte nicht gehen. Ich konnte ihn doch nicht allein dort liegen lassen. Nicht so unter diesen Umständen. Ich wollte bleiben. Ich musste bleiben. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sich unsere Hände nun lösten und ich ihn danach für immer verlieren müsste. Doch war ich einfach zu erschöpft und ausgelaugt, dass ich gar nichts gegen die kleinen Männer ausrichten konnte, die mich zwar sanft, aber dennoch bestimmend auf die Beine und von ihm weg zogen. Das Letzte was mich noch bei ihm hielt, war meine Hand, die sich immer noch verzweifelt an seine fesselte. Doch geriet diese mehr und mehr ins rutschen, da unser beide Hände völlig nass verschwitzt waren. "Cuna, lass ihn los. Komm schon", hörte ich den blonden, jungen Zwerg fast flehend murmelnd. "Ich will nicht. Ich kann ihn nicht allein lassen. Lass mich hier. Bitte, Fili", stammelte ich verzweifelt. "Du kannst ihm so nicht helfen. Wir machen das schon", kam es dann von der anderen Seite. Der Zwerg, der meine Hand ergriffen hatte, war Bofur. Allerdings hätte ich fast seine Stimme nicht erkannt, da ich ihn nie so ernst erlebt hatte. Doch alles gute Zureden und Einreden auf mich hatte leider aus Sicht der kleinen Herren keinen Zweck. Sie mussten mich schließlich wortwörtlich von ihm wegreißen. Als meine Finger die seinen verloren, brach in mir endgültig alles in sich zusammen. Ich öffnete den Mund weit um zu schreien, doch alles was ich gerade so heraus bekam, war nichts weiter als ein halb ersticktes Gurgeln. Meine Beine hoben mit einem mal vom Boden ab. Fili schob seinen Kopf unter meinem Arm durch und stemmte mich dann an den Knien und dem Rücken fassend auf seine Arme. Vor meinen Augen schloss sich die Wand aus zwergischen Rücken über Thorin, sodass ich ihn nicht mehr sehen konnte. Außerdem versperrte mir zudem Bofur nach einer Weile die Sicht. Sie wollten es tunlichst vermeiden, dass ich weiterhin zu Thorin sah. Dabei verlangte es mich nur umso mehr ihn zu sehen. Zu wissen, dass er nicht plötzlich, in dieser Zeit, in der wir voneinander getrennt wurden, doch gestorben war. Auch wenn ich gerade mal einen Wimpernschlag von ihm entfernt war. Ich tat alles was mir einfiel um wieder zurück zum Zwergenkönig kommen zu können. Ich rammte sogar meine Zähne in Filis Ledermantel und hämmerte mit den Fäusten vorne und hinten gegen sein Kettenhemd, dass er sich übergezogen hatte. Es hätte sicherlich furchtbar schmerzen müssen, doch noch immer waren meine sämtlichen Glieder taub. Und keiner reagierte auf meine verzweifelten Versuche, mich aus den Armen des blonden Jungen zu winden. Fili gab während meinem kleinen Trommelfeuer keinen Ton von sich. Er ließ meine Schläge über sich ergehen, als seien sie nur harmlose Regentropfen. Vermutlich lag es aber auch an der dicke seiner Rüstung oder daran, dass ich einfach nicht fest genug zu schlug. Fili schaute nur vor sich und ging schnurstracks seinen Weg ohne anzuhalten. Irgendwann im Laufe der nächsten Minuten stellte ich fest, dass es um mich herum langsam dunkler wurde. Der blonde Junge hatte kurz seine Richtung gewechselt und mir somit endgültig den Blick auf den Platz genommen. Wir waren im Zelt angekommen. Er verlor auch gar nicht viel Zeit damit, mich hinter den Vorhang meiner Kuschelhöhle zu verfrachten. Fili hatte inzwischen nicht mehr so große Mühe mich von sich los zu bekommen. Ihm half dabei sein leicht angestrengtes, ruhiges Zureden, dass mich meinen Klammergriff lösen und auf die weichen Felle sinken ließ. Mein Kopf landete schwer auf dem Kissen. Eine dünne Decke legte sich über mich und der blonde Junge strich mir sanft über die Stirn. "So ist gut, Cuna. Bleib bitte liegen und versuch dich auszuruhen. Ich weiß es wird sicher schwer für dich, aber schließ die Augen und schlaf ein wenig", murmelte er leise. Ich schniefte immer noch und ergriff seine Hand. "Er stirbt doch nicht, oder Fili? Bitte sag mir, dass er nicht stirbt", flüsterte ich ihm flehend entgegen. Durch das Halbdunkel sah ich nur schwach, dass auf dem Gesicht des Jungen der Mundwinkel leicht zuckte. Ich konnte es nicht einordnen, ob es nun ein hoffnungsvolles oder gequältes Lächeln von ihm darstellen sollte. Er war sich wohl selbst darüber nicht ganz sicher. Dennoch antwortete er mir weiterhin mit ruhiger Stimme. "Ich kann es dir nicht sagen. Das Wichtigste ist zunächst einmal, dass du zur Ruhe kommst und dir keine Sorgen um ihn machst. Er ist bei uns in besten Händen. Oin kümmert sich schon darum. Und wir werden alles in unserer Macht stehende tun, damit er überlebt. Versuch du in der Zeit, die wir brauchen um ihn zu versorgen, wieder Kraft zu schöpfen", meinte er und löste sich dann von mir. "Bitte. Sag mir Bescheid, wenn es ihm gut geht", bettelte ich leise. "Das werde ich. Schlaf jetzt Schwesterchen", murmelte er ohne noch einmal zu mir hinunter zu sehen und verschwand er dann von meiner Seite. Bofur, der mitgekommen war, zog behutsam und seufzend die Leinenvorhänge hinter sich zu. Nun war es um mich herum bis auf einen kleinen Lichtschlitz dunkel geworden. Ich fühlte mich so schlaff und so einsam wie schon lange nicht mehr. Erst recht nachdem ich hörte, wie sich die beiden Zwerge aus dem Zelt entfernten. Wie gerne wäre ich wieder aufgestanden und ihnen nachgerannt. Aber nun wollte mir mein Körper nicht mehr gehorchen. Das Taubheitsgefühl wich zwar, aber die ersten Schmerzimpulse stellten sich ein. Gerade an den Händen, die ich mir an dem schweren Kettenhemd richtig wund geschlagen hatte. Mein Rücken tat mir von dem Aufprall auf den Kies ebenfalls ungemein weh. Genauso wie meine gebrochene Nase, die diese ganze Aufregung auch nicht verkraftete. Und meine Beine waren auch nur noch zwei zitternde und bebende Exemplare. So konnte ich einfach nur liegen bleiben und auf die Dinge warten, die kommen würden. Egal wie schrecklich sie auch sein mochten. Auf dem Rücken liegend und an die Zeltdecke starrend, tastete ich langsam umher. Neben meiner Liege fand ich auf dem Boden mein Plüschschäfchen. Ich ergriff es und zog es langsam zu mir nach oben. Ich drückte es so gut ich noch konnte an meine Brust und kniff die Augen zu. Es war gerade das Einzige, was mir Trost spenden konnte und mich zumindest ein wenig beruhigte. Dennoch fühlte ich mich mehr und mehr benommen. Halb ertrunken in meiner eigenen Verzweiflung. Ich kam mir so falsch vor, wie ich da so nutzlos in der Gegend herum lag, während irgendwo draußen gerade der Mann den ich liebte das Zeitliche segnete. Doch war er es ja gewesen, der mich weg geschickt hatte. Beziehungsweise hatte weg schaffen lassen. Mein Herz krampfte sich erneut ein wenig mehr zusammen, als mir kurz der Gedanke kam, dass er nicht wollte, dass ich ihn sterben sah. Ich rollte mich langsam auf die Seite und umklammerte mein Schaf noch fester. Ich versuchte zwanghaft gegen die Müdigkeit anzukämpfen, die sich inzwischen in meinem Kopf breit machte. Die Nacht war einfach zu kurz und zu anstrengend gewesen. Der ganze Tag war bis auf diesen kurzen Lichtblick im Maisfeld eine einzige Katastrophe geworden. Ich hasste dieses verdammte Schicksal, das mir jedes mal einen derartig harten Knüppel zwischen die Beine warf. Hatte es mich denn nicht schon hart genug getroffen? War es wirklich nötig mich noch weiter zu quälen? Verlangte ich denn zu viel, wenn ich ein bisschen Glück, Freude und Frieden für mich beanspruchte? Gab es nicht eine einzige Möglichkeit bis zum Ende meines eigenen Lebens etwas halten zu können, dass ich meinen persönlichen Schatz nennen durfte? Einen den ich hegen und pflegen konnte? Mit dem ich jede Prüfung überstand und der mir auch mit Kleinigkeiten ein Lachen aufs Gesicht zauberte? Das alles war wohl einfach nie für mich bestimmt gewesen. Wahrscheinlich würde ich bis in alle Ewigkeit und von Leben zu Leben damit gestraft sein, einen einsamen, trostlosen Pfad entlang zu wandern. Wieder kullerten meine Tränen in einem fort aus meinen geschlossenen Augen über meine Wangen auf das weiche Fell unter mir. Es hatte keinen Zweck auf ein Wunder zu hoffen. Wenn ich erwachte, würde sicherlich alles vorbei sein. So glitt ich hinab in einen dunklen und verworrenen Traum. Ich ging zurück zu dem Moment, als ich durch den Wald gerannt war, um die Zwerge zu finden, sodass wir die Zeltstadt schützen konnten. Doch je weiter ich rannte umso dichter wurden die Bäume. Die Stämme wurden breiter und standen immer enger beieinander. Irgendwann waren sie so dicht beisammen, dass sie links und rechts neben mir eine unendlich hohe Mauer bildeten. Das Blätterdach, zuvor noch aufgelockert und leicht dunkelgrün, verdichtete sich zu einem Wust aus Ästen. Das Sonnenlicht oder was auch immer gerade am Himmel leuchtete wurde nach und nach verschluckt. Irgendwann waren nur noch kleine Punkte von Helligkeit zu sehen, die mehr an Sternenlicht erinnerten. Viel zu schwach um mir meinen weiteren Weg zu weisen. Dennoch drehte ich mich nicht um. Denn da würde ich auch nichts finden. Ich musste weiter. Immer weiter und immer tiefer führte mich dieser verworrene Traumpfad durch den monströs großen Wald. Dann zweigte der Weg plötzlich ab. Ich musste stehen bleiben. Beide Wege sahen dunkel und gefährlich aus. Ich wusste, dass ich einen der beiden nehmen musste, um an mein Ziel zu kommen. Nur welchen? Mit Sicherheit würde auf beiden eine oder mehrere Gefahren auf mich warten. Die Frage war nur, wie ich darauf vorbereitet sein würde. Und lange Zeit zu wählen hatte ich plötzlich auch nicht mehr. Obwohl es eigentlich dunkel war, sah ich, wie sich vor mir mein Schatten langsam auf einem gewaltigen Stamm in einem orange-roten Licht abzeichnete. Ich konnte mit einem mal ein leises, unheilvolles Knistern und Knacken hören, das immer lauter wurde, je deutlicher mein Schatten zu erkennen war. Ich fühlte langsam stärker werdende Wärme in meinem Rücken und wagte nun doch einen Blick über meine Schulter. Ich bereute es sofort. Hinter mir wälzte sich eine gewaltige Wand aus Feuer durch den engen Baumpfad. Über den wurzelverwachsenen Waldboden ergoss sich zu meinem Unwohlsein auch noch ein ganzer Fluss an kochender, brodelnder Lava. Ich keuchte und wich langsam zurück. Über das täuschend Echt wirkende, flüssige Gestein, sah ich verschwommene und herumwirbelnde Flammengestalten tanzen. Sie gackerten, kreischten, quietschten und brüllten aufgeregt. Schlugen auf sich gegenseitig ein. Verschmolzen miteinander. Lösten sich wieder voneinander. Sie trieben durch ihren Tanz den Fluss immer weiter an und ließen diesen direkt auf mich zu halten. Ich keuchte und krallte mich mit beiden Händen fest an den Baumstamm, gegen den ich inzwischen gestoßen war. Es gab keinen Ausweg. Die Einzigen, die vorhanden waren, waren viel zu dunkel und zu uneinsichtig. Doch ich musste ein Wahl treffen oder diese Ausgeburten der Hölle würden mich mit Haut und Haaren in ihrer Feuersbrunst mit sich reißen und verschlingen. Ich atmete tief durch und griff mir dann an die Brust. Ich konnte mein Herz darin heftig pochen fühlen und hatte irgendwie den Eindruck, es wollte mir etwas sagen. Ich glaube einzelne Wortfetzen zu verstehen. Doch klang es sehr undeutlich und verzerrt. Verzweifelt murmelte ich vor mich hin:"Oh bitte. Bitte sag mir doch was ich tun soll. Welchen Weg muss ich gehen? Hilf mir doch. Bitte." Ich formte meine Finger an meinem Brustbein zu einer Faust zusammen. Ich kniff die Augen zu, während die Hitze vor mir immer gewaltiger wurde. Ich konnte die Luft regelrecht um mich herum flimmern spüren. Es war wie vor zwei Tagen, als ich allein und gefangen in der brennenden Röhre gestanden hatte. Genauso schnürte es mir auch gerade die Luft ab. Je mehr ich atmete, umso mehr brannte es in meinen Lungen. Ich drohte diesmal wirklich zu ersticken. Irgendwann konnte ich sogar fühlen, wie die Flammengestalten ihre Hände nach mir ausstreckten und bald drauf sogar meine Haut berührten. Diesmal schützte mich kein Glas davor zu verbrennen. Diesmal würde kein Zwergenkönig kommen, um mich aus dem Schlamassel zu befreien. Ich war ganz auf mich allein gestellt. Und mein Herz, das ich meinte flüstern gehört zu haben, war wieder verstummt. Ich versuchte erneut es anzusprechen und hoffte endlich auf eine Antwort. "Bitte. Sag mir doch wo ich hin soll. Ich will nicht verbrennen. Sag mir doch, wo ich sicher bin vor diesem Höllenfeuer", flehte ich. Da endlich regte sich wieder was. Es war vielleicht nicht mehr als ein Flüstern. Eher wie ein erfrischendes Lüftchen, welches mein Gesicht kühlend streichelte und dennoch waren die Worte klar und verständlich. "Nimm den Weg auf dem dein Herz in deiner Brust schlägt", wisperte es ruhig und zärtlich. Sofort wand ich den Kopf nach links. Da also sollte ich lang. Umgehend setzten sich meine Beine in Bewegung und folgte dem linken Pfad. Gerade noch rechtzeitig, ehe eine der größeren Feuerbestien ihre Klauen und Zähne in mich hinein schlagen konnte. Dieses Geschöpf brüllte hinter mir auf. Doch ich war schon einige gute Schritte davon entfernt. Aber ich wusste nicht für wie lange. Als ich irgendwann einen kurzen Blick über die Schulter warf musste ich feststellen, dass sich die Bestien nun so sehr darüber ärgerten, weil ich einen neuen Weg eingeschlagen hatte. In ihrer rasenden Wut jagten sie nun regelrecht hinter mir her. Ich musste schlucken und beschleunigte meine Schritte. Das orange-rote Leuchten an den Baumstämmen wurde wieder heller. Sie waren verdammt schnell. Viel zu schnell für mich. Und der Pfad nahm und nahm kein Ende. Er führte um Windungen und Kurven, aber diese konnten die Hölle hinter mir nicht aufhalten. Ich verlor unterdessen jegliches Zeitgefühl. Ich wusste nicht wie viele Stunden ich schon so durch die Gegend rannte. Nichts änderte sich. Alles blieb gleich. Vor mir die Dunkelheit, hinter mir das Feuer. Dann endlich, nach einigen gefühlten Ewigkeiten, gelangte ich auf offenes Gelände. Doch es war genauso dunkel, wie der Pfad. Nur waren die Bäume an den Rändern verschwunden. Ich wog mich schon in Sicherheit und dachte ich hätte nun leichteres Spiel zu entkommen. Aber ich lag meilenweit daneben. Gerade als ich einige Meter gewonnen hatte, weil das Höllenfeuer hinter mir angehalten hatte, erkannte ich fast zu spät, dass ich schnurstracks auf einen breiten Abgrund zu lief. Ich bremste gerade noch und starrte schwankend in eine schier unendliche Tiefe hinab. Ich konnte mich gerade noch mit den Füßen am Rand halten. Aber das war es dann auch schon. Doch gab ich die Hoffnung nicht ganz auf. Es musste einen Weg darüber geben. Irgendeinen. Egal welchen. Ich musste ihn nur finden. So hielt ich mich nicht länger mit Warten auf und stürmte am Rand des Abgrundes entlang. Aber weit kam ich nicht. Nach wenigen Schritten brach vor mir der Boden bebend und krachend auf, und eine unglaubliche Vielzahl an Lava-Fontänen schoss aus der Erdspalte hervor und ergoss sich, wie der Fluss auf dem Pfad vor meinen Füßen. Ich machte sofort auf dem Absatz kehrt und rannte in die entgegen gesetzte Richtung. Doch da passierte das selbe Spielchen noch einmal. Verdammt! Ich saß in der Falle. Nun verstand ich auch, warum die Flammen angehalten hatten. Sie wussten, dass es für mich hier keinen Ausweg geben würde. Diesmal war alles aus. Ich stand mit dem Rücken zum Abgrund und konnte nur dabei zusehen, wie sich die Hölle mit all ihren Bestien und Monströsitäten triumphierend auf mich zu bewegte. Es hatte keinen Sinn. So oder so würde der Ausgang dieser Situation für mich ohne Happy End bleiben. Die Frage war nur, ob es ein unendlich Schmerzhaftes sein würde, oder ein stetiger Fall in ein bodenloses Nichts. Es gab wohl nur diese Zwei alternativen. Entweder brennen oder fallen. Ich seufzte schmerzlichst und ging auf die Knie. Beides war für mich unerträglich. Ich konnte mein Herz nun nicht mehr fragen, wie ich mich entscheiden sollte, denn ich wollte beides einfach nicht. Ich vergrub meine Finger in den schwarzen Waldboden und schrie einfach drauf los. "Das ist nicht Fair! Das ist verdammt noch mal nicht Fair! Warum gibt es nur das für mich?! Warum kann ich nur verbrennen oder fallen?!", brüllte ich. Ich schlug mit den Fäusten auf den Boden ein und verfluchte einfach diese ganze Ungerechtigkeit. Diesen Schmerz und das Leid, das mich nun wieder eingeholt hatte. Nur unwesentlich nahm ich noch wahr, dass der Lavastrom fast meine Hände erreicht hatte. Doch kurz bevor er mich berührte, hörte ich erneut eine Stimme. Diesmal war sie viel lauter. Sie hatte den selben Tonfall, wie die meines Herzens, nur war sie auf einmal weniger verzerrt. Es war eine Stimme, die mir plötzlich neue Hoffnung verlieh. Und sie sprach in einem strengen, ersten Tonfall. Mit so einer Gewalt und Erhabenheit, wie ich sie lieben gelernt hatte. "Wenn du fällst, werde ich dich auffangen", hauchte sie mir ins Ohr. Ich zuckte mit dem Oberkörper hoch und starrte zunächst nach Vorne. Die Flammen der Hölle wichen langsam von mir zurück. Die Lava, die dabei gewesen war meine Hände zu versengen, erkaltete augenblicklich und glänzte nun schwarz in einem Licht, das mir hinter dem Rücken hervor schien. Die Bestien wichen schreiend vor Angst zurück. Ich richtete mich noch mehr auf, bis ich wieder auf meinen Füßen stand und warf dann einen Blick nach hinten. Meine Augen weiteten sich vor erstaunen. Dort in nicht mal gut fünf Metern Entfernung stand eine dunkle Gestalt, eingehüllt in ein warmes, weißes, pulsierendes Licht. Die Gestalt selbst wurde von dem Licht scheinbar gar nicht wirklich erhellt. Dennoch erkannte ich die Statur, die typische Körperhaltung und ich spürte diesen wohl vertrauten, ernsten Blick auf mir ruhen, der mir augenblicklich wieder Hoffnung machte. Aber trotzdem war es eigenartig. Das konnte doch nicht möglich sein. Oder etwa doch? War er zurück? War er tatsächlich aus dem anderen Reich gekommen, um mich vor den Flammen der Hölle zu schützen? In dem Moment, als ich mich dies fragte, sah ich wie er sich ganz zu mir umdrehte und hinter ihm zwei paar dunkle Flügel aufspannten. Sie öffneten sich so weit, dass man hätte schwören können, sie würden die ganze Welt umarmen wollen. Als sie sich vollends ausgebreitet hatten, erkannte ich nun deutlich die Quelle des Lichtes. Dort in seiner Hand schimmerte sie. Ein kleiner Stein in den Farben Weiß, Blau und einem hauch von Orange. Wie eine kleine Fackel, nur wesentlich heller flackerte es und gab endlich das Gesicht der Person preis, hinter der sich die Schwingen langsam und wie im Takt zu einem Herzschlag bewegten. Ich erkannte die langen, wallenden schwarzen Haare, ein zärtliches und liebevolles Lächeln hinter einem kurzen, dunklen Bart und das Glänzen des Arkensteines in seinen unverwechselbaren eisblauen Augen. Kein Zweifel. Er war es wirklich. Ich schüttelte kurz den Kopf und wollte eigentlich einen Schritt auf ihn zu machen. Doch da fiel mir der Graben wieder ein, der plötzlich anfing breiter zu werden und unter meinen Füßen nach gab. Verschreckt machte ich zwei Schritte zurück und wurde somit von der Gestalt noch weiter getrennt. Er aber blieb auf der Stelle und sah mich nur weiterhin lächelnd an. Ich war verwirrt und verängstigt. Was sollte ich nur tun? Der Abstand zwischen uns wurde immer größer und dadurch kamen mir auch die Flammen wieder näher. Es zog mich ja zu ihm hin, aber jedes mal, wenn ich dachte, ich könne wieder einen Schritt auf ihn zu machen, brach ein weiteres Stück Boden unter mir weg. Thorin schien meine Angst genau zu spüren und er breitete die Arme genauso weit aus wie seine Schwingen. "Spring. Du wirst nicht fallen", sagte er mit zuversichtlicher Stimme. Ich seufzte verzweifelt und warf immer wieder den Kopf zwischen dem Inferno und den sicheren Armen des Zwergenkönigs hin und her. Aber auch in den tiefen, unendlichen Abgrund. Ich zögerte. Was wenn er es nicht schaffte mich aufzufangen? Würde ich dann für immer in die Dunkelheit fallen? Und wenn ich es nicht tat, verbrannte ich dann elendig an diesem verworrenen, alptraumhaften Ort? Meine Zweifel und Unsicherheit ließen den Boden vor mir weiter in sich zusammen brechen. Ich kreischte kurz, als ich mich gerade noch einmal auf einen halbwegs sicheren Untergrund retten konnte. Aber nun hatte ich wieder eine riesige Feuerbestie im Nacken, die laut kreischend und brüllend ihre gewaltige Pranke hob. Die Flammen bewehrten Krallen wirkten, wie frisch geschmiedete, scharfe Schwerter. Sie fuhr in einem wahnsinns Tempo nach unten. Ich konnte gerade noch ausweichen, doch leider stolperte ich nach hinten und über den schmalen Rand der Klippe. Ich schrie auf und krallte mich gerade eben noch so an einem Stück Waldboden fest. So strampelte ich hilflos vor mich hin. "Thorin. Bitte. Hilfe. Ich hab Angst!", rief ich ihm panisch entgegen. "Du musst keine Angst haben. Ich bin bei dir. Du musst nur los lassen. Verstehst du?", rief er mir entgegen, wobei es sich so anhörte, als flüsterte er mir dies gerade Wegs ins Ohr. Ich drehte den Kopf und suchte so schnell ich konnte seinen Blick. Er war immer noch an der Stelle, wo er aufgetaucht war und flog nun ruhig dort herum. Ich schluckte heftig. "Aber, wenn ich los lasse, dann werde ich fallen", rief ich ihm zu. "Du fällst nicht. Vertrau mir. Lass endlich los Cuna", sagte er in seinem Befehlston. Ich biss mir auf die Lippen. Es gab wohl keine Alternative mehr. Ich musste los lassen. Schon allein, weil sich das letzte Erdstück langsam unter meinem Fingern auflöste. Ich kniff die Augen zu, entfernte meine Hand und schon raste mein Körper in die Tiefe. Ich fiel und fiel. Haltlos und verloren trudelte mein Körper unkontrolliert in die Finsternis. Alles drehte sich um mich herum. Bis der Fall plötzlich stoppte. Ich fühlte, wie sich zwei Arme und zwei weiche warme Flügel um mich schlossen, wie ein schützender Schild. Ich schlug die Augen auf und sah mich um. Thorin war zu mir hinab geschossen und hatte mich wirklich aufgefangen. Nun schwebten wir gemeinsam als kleines Licht in der Dunkelheit herum. Ich blinzelte ihn müde an. Er aber lächelte nur zufrieden. "Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht fallen wirst", murmelte er und sein Gesicht näherte sich dem meinen. "Ich bin so froh, dass du gekommen bist", hauchte ich ihm entgegen und reckte langsam meinen Kopf. Wieder schloss ich meine Augen, doch diesmal nur leicht und ruhig, um das zu empfangen, was er bereit war mir zu geben. Ganz vorsichtig legte er mich in seinen Armen zurück und schon streiften seine weichen, warmen Lippen meinen Mund. Zunächst nur zaghaft und sehr zögerlich. Dann wurde das Gefühl aber immer deutlicher. Ich konnte regelrecht wahrnehmen, wie sein dunkler Bart mich leicht unter der Nase kitzelte. Sein warmer Atem meine Haut traf. Es war so befreiend und beruhigend, dass ich einen Arm heben wollte, um ihm diesen in den Nacken zu legen, wo ich ihn streicheln konnte. Nur gab es da ein kleines Problem. Meine Arme waren ungemein schwer geworden. Ich brachte es einfach nicht fertig sie zu heben, um ihn zu umarmen. Stattdessen wurde aber das Gefühl seines Kusses immer intensiver. Es war mir beinah so, als könnte ich ihn tatsächlich schmecken. Das war nun doch sehr merkwürdig. Träumte ich denn nicht eigentlich? Ja, natürlich. Ich träumte doch. Alles was geschehen war. Die Sache mit den Höllenbestien, der Lava und den Flammen. Das war nur ein Traum gewesen. Nur ein Alptraum. Mein Bewusstsein wurde nun wieder Aktiv. Ich verließ diese verworrene Traumebene und alle damit verbundenen Bilder und Empfindungen. Die Schwingen lösten sich auf und unter meinen Fingern breitete sich lang und gemütlich, die Fellunterlage meiner Liege aus. Alles stellte sich wieder auf Realität ein. Es war zum Einen sehr erleichternd zum Anderen aber unglaublich befremdend. Mein Körper lag, das fühlte ich, nur hätte ich eigentlich allein dort sein müssen. Doch das war ich nicht. Da war tatsächlich jemand. Das Gefühl auf meinen Lippen war Echt. Jemand küsste mich gerade, während ich eigentlich schlief. Es wirkte zum Einen unglaublich beruhigend auf mich, zum Anderen aber machte es mir richtig Angst, da ich nicht wusste, wer da gerade einfach so dreist über mich her fiel. Langsam öffnete ich meine Augen wieder. Dieses mal aber um in der Wirklichkeit zu erwachen. Ich sah zunächst nur Dunkelheit. Aber dort über mir bewegte sich etwas. Ich schluckte einen Moment lang und riss einen Arm nach oben, den ich zu meiner Erleichterung endlich heben konnte. Dabei klatschte mein Handrücken ein wenig unglücklich und viel zu fest gegen den behaarten Kiefer, des doch recht passablen Küssers. Dieser knurrte kurz genervt und löste dann hastig seinen Mund von meinem. Ich konnte eine tiefe Stimme leise auf Zwergisch fluchen hören und bemerkte, wie die Dunkelheit über mir wich. Durch den Vorhang um meine Liege drang schwach, das orange-rote Licht des Lagerfeuers, welches friedlich in die Nacht hinein knackte. Ich keuchte leicht durcheinander, da ich zu aller erst dachte, dass mich nicht nur der Kuss sondern auch noch die Hölle bis hier hin verfolgt hatte und wollte mich rasch aufrichten. Aber schon hatte ich eine schwere Hand auf der Schulter. "Du bleibst mal schön liegen", raunte mir eine tiefe Stimme sehr leise zu. Ich wand den Kopf und blickte zu der dunklen Gestalt, die sich mit der anderen Hand das Kinn rieb. Zunächst war er eine Silhouette für mich, die ich nur mit fragendem Blick mustern konnte. Wo sich meine Augen langsam an meine Umgebung gewöhnten, erkannte ich aber dann doch, wem ich da gerade einen ungewollten Kinnhaken verpasst hatte. Noch nie hatte ich einen solchen Satz aus einem Bett gemacht um Jemanden so fest und erleichtert zu umarmen, wie ich es im nächsten Augenblick mit Thorin tat. - 51. Zwischen Himmel und Hölle / ENDE - Kapitel 52: 52. Nach der Schlacht ist vor dem Fest -------------------------------------------------- Ich konnte es nicht fassen. Er war wirklich da. Er hatte den Schuss tatsächlich überlebt. Ich zersprang fast vor Freude. Noch nie hatte ich jemanden so fest umarmt, wie in diesem Moment. Auch wenn demjenigen das gerade alles andere als recht war. Er grummelte und knirschte dabei mit den Zähnen, als ich meine Arme um ihn geschlungen hatte und einfach nicht mehr los lassen wollte. Ich war bei meinem kleinen Hechtsprung völlig von meiner Liege gefallen und saß nun recht ungelenk auf seinem Schoß. Beinah hätte ich ihn umgeworfen, doch war es ihm noch gelungen mich irgendwie abzufangen. Was ihm allerdings ziemliche Schmerzen bereitete, wie er mir kurz drauf unmissverständlich klar zu machen versuchte. "Bei Durins Bart! Gib doch acht! Ich bin verwundet!", fauchte er mir ins Ohr und versuchte mich mit einem Arm von sich weg zu drücken. Den anderen hatte er vor seine Brust gelegt und schaffte damit ein wenig Raum zwischen uns. "Oh weia. Alles in Ordnung?", fragte ich erschrocken und hob schnell den Kopf, den ich unterdessen in seiner Halsbeuge vergraben und mich dagegen gekuschelt hatte. "Natürlich nicht. Mahal. Also eure unsichtbaren Pfeile sind wahrlich ein Graus", knurrte er gequält. "Mein Gott, Thorin. Tut. Tut mir leid. Aber ich. Ich. Ich kanns einfach nicht glauben. Du lebst! Du lebst wirklich!", rief ich aus und starrte ihm völlig verdutzt ins Gesicht. "Ja. Ja ich lebe. Aber wenn du so weiter machst, bin ich mir nicht sicher, ob das noch lange so sein wird", grummelte er und brachte es dann doch fertig mich von sich runter zu schieben, sodass ich auf der Erde saß. Ich atmete ein paar mal Tief durch und strich mir die Haare aus dem Gesicht, die mir vom Schlaf völlig zerzaust um den Kopf herum wuselten. "Meine Güte. Ich dachte schon ich hätte dich verloren", sagte ich mit erleichterter Stimme. "Ihr Menschen und eure naiven Einschätzungen. Du verkennst immer noch die Stärke der Zwergen", sagte er langsam und ein wenig ruhiger. Auch wenn ich es nicht genau sehen konnte, so hörte ich doch allein an seiner Stimmlage, dass er anfing zu lächeln. "Was ist eigentlich genau passiert nachdem ich weggebracht wurde? Sind noch mehr verletzt worden?", fragte ich und spürte, wie sich doch wieder leichte Unruhe in mir ausbreitete. "Nur die Ruhe. Eines nach dem Anderen. Zunächst einmal, niemandem ist was geschehen. Meine Männer haben den Schützen überwältigt und festgehalten bis Herr Moe nach den Wachen schicken ließ. Sie trafen kurz nachdem Bofur und Fili wieder zu uns stießen ein. Als wir sie sahen, wussten wir erst gar nicht, ob sie gekommen waren um die Angreifer zu unterstützen oder sie weg zu schaffen. Hätte man uns nicht zuvor Bescheid gegeben, dass Hilfe unterwegs sei, wäre vermutlich die Schlacht noch weiter gegangen. Aber ich muss schon sagen, solch eigenwillige Rüstungen habe ich noch nie zu Gesicht bekommen. Viel zu dünn und ungepolstert. Von den Helmen ganz zu schweigen. Die würden keinem einzigen Schlag mit einem Streitkolben oder einer Axt stand halten. Doch zugegebener Weise haben sie die anderen Männer gut in Schach halten und abführen können. Das hätte ich diesen Hänflingen gar nicht zugetraut", erzählte er und seine Stimme schwang ein wenig zwischen Spott und Anerkennung hin und her. Ich atmete kurz tief durch und musste etwas kichern. "Ach Thorin. Das waren keine Wachen. So was nennt man bei uns Polizei. Und deren dünne Rüstungen sind weit sicherer, als sie den Anschein machen. Ich wundere mich nur, dass du noch hier bist. Haben sie nicht versucht dich mitzunehmen?", fragte ich ruhig. "Haben sie. Also nicht die Wachen. Eure sonderbaren Heiler, die in einer roten Kutsche vorfuhren. Ich habe abgelehnt, auch wenn sie mich permanent dazu angehalten haben. Ich konnte ja dich und meine Männer nicht einfach so allein lassen. Also haben sie mich soweit sie konnten versorgt und sind dann davon gefahren", meinte er ruhig. In meiner Brust stieg ein erleichtertes Lachen auf und ich schüttelte matt den Kopf. "Was ist denn auf einmal so komisch?", fragte er kurz drauf verwirrt. "Ach, ich bin einfach nur Fix und Fertig mit meinen armen Nerven. Ich hab mich schon selbst gesehen, wie ich meinen nächsten Mann zu Grabe tragen muss. Und das nach so wenig Zeit, die wir zusammen verbracht haben", erklärte ich ihm und musste nach meinem kleinen Lachanfall erst einmal in ruhe durchatmen. "Sei nicht immer so törrecht, Weib. Ich könnte es mir nie verzeihen von deiner Seite zu scheiden, ohne mich zu verabschieden. Hätte ich nicht gewusst, dass ich überlebe, dann wäre mein letzter Atemzug für dich bestimmt gewesen", erwiderte er und legte mir sanft seine linke Hand an die Wange. "Woher konntest du wissen, dass du überlebst? Ich meine, da war überall Blut und. Und Blut. Und hab ich schon das Blut erwähnt?", sprudelte es aus mir heraus. Er seufzte kurz und ich sah, wie sich seine Gestalt langsam vor mir erhob. "Ich zeige es dir am Lagerfeuer. Dort wirst du mehr sehen können als hier drin", meinte er und hielt mir seine Hand hin. Ich ergriff diese und ließ mich von ihm hoch ziehen. Als wir hinter meinem Vorhang heraus traten stellte ich fest, dass das Zelt bis auf ihn und mich leer war. Verwirrt kratzte ich mir am Kopf. "Wo sind denn die Anderen?", fragte ich. "Sie feiern unseren Sieg im Schankzelt", sagte er und stand bereits am Feuer. Ich folgte ihm und streckte mich etwas. Durch den Eingang drang nur noch wenig Licht von dem heraufziehenden Nachthimmel. Es war noch nicht viel Zeit vergangen, seit ich eingeschlafen war. Vielleicht drei Stunden. Wobei es mir natürlich weit länger vor kam, aufgrund des abstrusen Traumes. Vermutlich war ich auch nur am Dösen gewesen, weshalb ich das Knistern des Lagerfeuers wohl mit in meinem Traum hinein gezogen hatte. Es knackte und knirschte nämlich auf genau die selbe Art und Weise. Im Schein der Flammen erkannte ich, warum der Zwergenkönig vorhin den Arm so vor seine Brust gehalten hatte. Man hatte ihm diesen in eine Schlinge gelegt, um ihn ruhig zu halten und seine Schulter zu entlasten. Er löste sie prompt in seinem Nacken und versuchte dann unter einem leisem, schmerzhaften Keuchen sein Leinenhemd über den Kopf auszuziehen. "Warte ich helfe dir", sagte ich und packte mit an. "Gib acht", ermahnte er mich und knurrte kurz auf, als ich ihm das Hemd über den Kopf zog. Danach seufzte er erleichtert und warf seine langen schwarzen Haare nach hinten, was bei mir ein kleines inbrünstiges Schnurren auslöste. Dafür warf er mir einen reichlich fragenden Blick zu. "Was war denn das?", fragte er und hob einen Augenbraue in die Stirn. "Ähm. Nichts. Gar nichts", nuschelte ich und wusste augenblicklich, dass sich mein Gesicht wieder wie eine Tomate unter der UV-Lampe verhielt. Mehr als kleine Ablenkung nahm ich sein Hemd an mich und legte es mir vielleicht etwas zu sorgsam über den Arm. Allerdings bemerkte er meine Unsicherheit sofort und verzog das Gesicht zu einem süffisanten Schmunzeln. Ich räusperte mich kurz und musterte dann seinen nun frei liegenden Oberkörper. In dem orange-roten Licht leuchteten nicht nur seine gut geformten und gestählten Muskelpartien sondern auch ein dicker weißer Verband auf, der seine gesamte rechte Schulter umschloss und ein wenig um seinen Bauch herum fixiert war. Mit besorgter Miene musterte ich das ganze Konstrukt zunächst schweigend. "Wie schlimm ist es?", fragte ich langsam. Er schüttelte kurz den Kopf. "Nicht sonderlich. Dank euren Heilern schmerzt es nicht einmal. Außer jemand wie du stürzt sich unbedacht darauf", erklärte er und ich spürte den kleinen Seitenhieb wegen meiner vorangegangenen, überschwänglichen Umarmung. "Tut mir leid", nuschelte ich bedrückt. Er machte einen langen Schritt auf mich zu und schon stand er ganz nah bei mir. "Du hast keinen Grund dich deswegen schuldig zu fühlen. Solche Dinge können nun einmal passieren, wenn man in den Kampf zieht", meinte er und legte mir eine Hand auf die Schulter. Seine blauen Augen suchten forschend nach den meinen, doch ich vermied es ihn direkt anzusehen. Stattdessen warf ich ihm nur ganz flüchtige Blicke zu. Es war nicht nur, weil ich mich dahingehend schämte, dass es zu diesem Unglück gekommen war. Nein, allein dass er mal wieder so halb Nackt vor mir stand und der Feuerschein ihn so rätselhaft zwielichtig erhellte machten ihn geradezu unwiderstehlich. Nur wollte ich es nicht wagen Zärtlichkeiten mit ihm auszutauschen, die mir unweigerlich in den Kopf schossen. Er gab ein kurzes, belustigtes Schnauben von sich. "Ich kann sehen, was dir durch den Kopf geht. Mach dir darum keine Gedanken. Sie sagten es sei nur ein Streifschuss gewesen. Das würde schnell verheilen", meinte er dann gelassen. "Es wäre erst gar nicht zu so einem Kampf gekommen, wenn ich euch nicht...", begann ich, doch dann schloss ich rasch den Mund wieder. "Wenn du uns nicht... was?", fragte er und fasste mir unters Kinn, um mir ins Gesicht zu schauen. Ich schüttelte den Kopf. "Gar nichts. Ist schon gut", meinte ich knapp. Das konnte ich unmöglich aussprechen. Schon gar nicht in seiner Gegenwart. Dann wäre er vermutlich wieder einmal zu tiefst beleidigt oder wütend. Nein, so wollte ich ihn einfach nicht haben. In der Ferne erklang plötzlich Musik im Fisse Ma "Tent" chen und der Gesang von mehreren Männern schwoll an. Dankbar über diese willkommene Ablenkung befreite ich meinen Kopf aus seiner Hand und ließ meine Augen über den Platz wandern."Deine Männer haben wohl wirklich Spaß. Und das nach dem ganzen Mist", sagte ich und merkte, dass meine Worte einen leicht bitteren Nachgeschmack hatten. "So sind wir eben. Selbst wenn wir nicht siegreich aus dieser Schlacht hervor gegangen wären, so hätten wir zu ehren der Toten gefeiert", erklärte er ruhig. Ich erschauderte kurz und schüttelte nur mit dem Kopf. "Warum bist du denn nicht bei ihnen?", fragte ich den Zwergenkönig ruhig, um von dieser unangenehmen Sache abzulenken. Dieser seufzte nur und legte mit leicht vorwurfsvoller Miene den Kopf schief. "Warum? Wegen dir", erwiderte er knapp. "Wegen mir? Wieso?", hakte ich verwirrt nach. "Nachdem die Heiler meine Wunden versorgt hatten, war ich zunächst hier, um mich meiner Rüstung zu entledigen. Fili hatte mir gesagt, dass er dich auf dein Schlaflager gebettet hat. Darum sah ich auch noch einmal kurz nach dir. Ich hatte eigentlich erwartet dich friedlich schlafend vor zu finden, doch stattdessen hast du dich wild stöhnend, wie unter großen Schmerzen gewunden und vor dich hin gemurmelt. Ich fürchtete schon, dass dir doch ein Leid geschehen war. Also habe ich mich zu dir gesetzt und deinem wirren Gespräch gelauscht. Im Übrigen hättest du mich beinah erwürgt", erzählte er und grummelte wieder. "Ich? Dich erwürgt? Wie?", fragte ich und sah ihn völlig irritiert an. "Nun, du hast immer wieder leise meinen Namen gemurmelt und um Hilfe gebettelt. Du sagtest du würdest nicht fallen wollen. Daraufhin bist du hoch geschreckt, hast nach meinem Krangen gegriffen und daran herum gezogen. Ich habe mein Möglichstes getan um deine Finger zu lösen. Aber dass du so viel Kraft besitzt, hatte ich wahrlich nicht erwartet", meinte er doch ein wenig erheitert, als er meinen reichlich geschockten und verlegenen Gesichtsausdruck sah. "Dann hast du wirklich zu mir gesagt, dass ich los lassen soll?", fragte ich vorsichtig und er nickte. "Ja, das habe ich. Damit ich wieder nach Atem ringen konnte. Danach wurdest du viel ruhiger. Ich habe meinen Arm um dich gelegt und du bist dann langsam zurück auf dein Kissen gesunken", erklärte er in einem doch eher sanften und versöhnlichen Ton. "Und wie kam es dann noch dazu, dass du mich geküsst hast?", hakte ich vorsichtig nach. "Ich wollte gerade aufbrechen, als es mich einfach überkam. Ich habe dich nur angesehen und ich konnte einfach nicht anders. Hätte ich gewusst, dass du dadurch erwachst und mich deswegen schlägst, hätte ich es sein gelassen", raunte er und rieb sich noch einmal das Kinn. "Das war doch nicht deswegen. Ich konnte mir doch nicht sicher sein, dass du es warst. Ich hatte so einen verwirrenden Alptraum. Und alles hat gebrannt. Und da war der Wald aus dem ich nicht mehr raus kam. Und der Abgrund. Und...", stammelte ich vor mich hin, doch schon wurde ich von ihm unterbrochen, indem er mir mit seiner freien Hand in den Nacken griff und mich dann ruckartig an seinen Mund zog. Ich zuckte einen Augenblick zusammen, doch ich entspannte mich recht schnell, als meine Augen auf seine trafen. Vorsichtig hob ich meine Hände, während ich seine Geste erwiderte und legte sie ihm auf die steinharte, breite Zwergenbrust. Wohl weißlich darauf bedacht, nicht die verwundete Schulter zu berühren. Er lächelte ein wenig in den Kuss hinein, aber dann löste er sich auch schon wieder von mir, um seine Stirn an meine zu legen. Er hatte wieder diesen unglaublich sinnlichen Schlafzimmerblick aufgesetzt, der mir sofort unter die Haut ging und dabei einen wohligen Schauer über meinen Rücken trieb. Sein gesunder Arm war während des Ganzen zu meiner Hüfte gewandert und hatte mich dort auch näher an sich heran gezogen. Ich keuchte leise, als seine Gürtellinie die meine streifte. Gut und gerne hätte ich nichts dagegen gehabt an Ort und Stelle die Sache fortzusetzen, die wir im Maisfeld begonnen hatten. Leider unterbreitete er mir einen anderen Vorschlag, als er leise zu mir sprach: "Sag, was hältst du davon, wenn wir jetzt zu den Anderen gehen und mit ihnen den Sieg feiern?" Ich zog unweigerlich eine Schnute und sah ihm etwas enttäuscht entgegen. "Warum feiern wir beide nicht den Sieg hier gemeinsam?", erwiderte ich, doch er schüttelte lachend den Kopf. "Kommt gar nicht in frage, Cuna. Nicht solange meine Schulter frisch verwundet ist und aufgehen könnte. Jetzt gib mir mein Hemd wieder", sagte er und löste seinen Griff. Ich seufzte matt und reichte es dann an ihn zurück. Er warf es sich kurzerhand unter einigem unterdrücktem Stöhnen über, zog es zurecht und legte dann seinen Arm wieder in die Schlinge. Ich musterte unterdessen einmal mein Kleid. Das war nun doch ordentlich mitgenommen und dreckig geworden. So konnte ich eigentlich gar nicht zu dieser Siegesfeier gehen. Für gewöhnlich war ich ja nicht so eitel, was mein Aussehen anging. Dennoch würde es für einiges Aufsehen sorgen, wenn ich dort in diesem mit waldboden- und blutverschmierten Teil auftauchen würde. So drehte ich mich eben um und wollte zu meiner Liege zurück. "Was hast du vor?", fragte Thorin, als ich gerade hinter dem Vorhang verschwunden war. "Ich muss mich umziehen. Ich kann doch nicht mit Blut auf dem Kleid zu einem Fest gehen", meinte ich und kramte bereits in meinem Rucksack herum. "Gut. Wie du meinst. Ich warte bis du fertig bist", sagte er ruhig. "Ach, ist nicht nötig. Geh doch schon mal vor. Ich bin ja gleich da", rief ich ihm zu und breitete meine Kleidung auf der Liege aus. "Also schön. Aber halte dich damit nicht all zu lange auf", erwiderte er mit einem Seufzen und schon hörte ich ihn mit schweren Schritten davon stapfen. Ich schnaufte etwas und blies kurz die Backen auf. Es war wirklich nicht einfach eine passende Auswahl zu treffen. Sicher, ich hätte meine normale Kleidung überwerfen und dann zum Fisse Ma "Tent" chen gehen können. Doch dann fiel mir meine schwarze Tunika ins Auge, die ich ja für meinen Auftritt als Gerwulf mitgenommen hatte. Eigentlich wollte ich diesen ja dazu verwendet haben, um Thorin bezüglich seiner Gefühle mir gegenüber auszuhorchen. Aber dafür brauchte ich das Kostüm nun gar nicht mehr. Dennoch starrte ich es ein paar Minuten lang an. In meinem Kopf reifte eine kleine Idee, die sicherlich für noch mehr Stimmung auf dem Fest sorgen könnte. Es wäre zwar sehr gewagt und ich würde danach wahrscheinlich meines Lebens nicht mehr sicher sein, aber für diesen einen Streich konnte ich es vielleicht doch verwenden. Ich würde das Ganze ja auch rechtzeitig auflösen, ehe jemand von meiner Aktion Wind bekam. Außerdem kam es für mir irgendwie sehr reitzvoll vor, als Zwerg unter Zwergen zu feiern. Mit einem spitzfindigen Lächeln entledigte ich mich meiner Frauenkleidung und warf mir dann mein pseudo Männerkostüm über. Die schwarze Tunika, ein weißes Leinenhemd, schwarze Lederarmschienen, eine schwarze Leggins und dazu passende Stiefel. Um die Hüfte schnallte ich mir einen brauen Gürtel. Doch noch war es nicht ganz perfekt. Um mich richtig zu tarnen, musste ich mir schon auf die Schnelle einen Bart "wachsen" lassen. Leider hatte ich nicht die passende Schminke dabei, um mir diesen schön sorgfältig ins Gesicht zu Zimmern. Aber ich kannte jemanden, die immer etwas da hatte. Ich konnte nur hoffen, dass sie mir da kurz helfen konnte. So verfrachtete ich mir noch meine Samtmütze auf den Kopf und lugte forschend aus dem Zelt, ob mich auch ja keiner der Zwerge sah, der vielleicht zufällig her kam, um etwas zu holen. Und so schlich mich dann im Schutz der hereinbrechenden Nacht zu einer der hinteren Zeltreihen. Vorsichtig wuselte ich um die vielen Spannseile herum und hielt die Nase in den Wind. Um die gesuchte Person zu finden, brauchte es im wahrsten Sinne des Wortes einen guten Riecher. Nicht dass sie gestunken hätte, wie ein Obdachloser nach drei Liter Alkohol. Nein, im Gegenteil. Diese Frau hatte von Natur aus einen sehr angenehmen Eigengeruch und auch in ihrem Zelt roch es dementsprechend nach ihr. Nicht umsonst hatte man ihr den Namen Patschuli gegeben. Der Name stammte von einem sehr köstlich riechendem Indischem Räucher- und Ölkraut, welches sie auch recht gerne als Parfum verwendete, um ihre Kleidung damit einzusprühen. Der Geruch dieser Pflanze war so intensiv, dass ich bald ihre Spur aufgenommen hatte. In der hintersten Ecke der Ryan-House-Straße, unserem Zeltplatzabschnitt mit ausnahmslos gleich aussehenden Unterkünften, fand ich das Zelt schwach beleuchtet vor. Sie musste also da sein. Vorsichtig nähere ich mich und ging auf die Knie, um in die Nähe des Eingangs zu krabbeln. "Patschi? Bist du da?", fragte ich vorsichtig, auch wenn es unnötig war diese Frage zu stellen. "Ja. Einen Moment. Ich komm gleich", sagte sie und ich hörte im Zelt einiges Rascheln und herum räumen. "Erscheinen reicht mir eigentlich", gab ich trocken zurück, worauf sie kurz kicherte, als sie den Reißverschluss aufzog. Mit verwundertem Blick streckte sie zunächst den dunkelhaarigen Kopf und dann den halben Körper aus ihren Tunnelzelt, um mich zu mustern. "Jacky? Bist du das?", fragte sie mich verwundert, da sie Schwierigkeiten hatte mich zu erkennen. "Ja, ich bins. Und ich bräuchte mal ganz kurz deine Hilfe", sagte ich und sah sie grinsend an. "Ja, klar. Kein Problem, komm doch rein", meinte sie und zog sich zurück, damit ich zu ihr rein kriechen konnte. Sofort wurde der Geruch des Parfums stärker, als ich mich zu ihr verzogen hatte. Allerdings nicht unangenehm. Ich atmete einmal tief durch und fühlte mich fast sofort sehr entspannt und ausgeglichen. Sie begann kurz nachdem ich drin war schon wieder damit, ihr Herumgekrame fort zu setzen. Dann wand sie sich zu mir und musterte mich fragend. "Was trägst du denn da für einen Aufzug? Übst du für deine Nummer beim Talent Abend?", fragte sie mich leicht grinsend. "Ähm. Jain. Also ich wollte mir heute Abend einen kleinen Scherz erlauben und da dachte ich, ich renne einfach mal als Gerwulf der Zwerg herum. Aber leider hab ich keine Schminke für einen anständigen Bart dabei. Und weil du immer was da hast da dachte ich, vielleicht könntest du, wenn du nichts dagegen hast, mir was leihen, dass ich mir einen Bart schminken kann?", fragte ich herum drucksend. Sie grinste daraufhin nur noch breiter. "Klar, kriegst du. Darfst dich sogar bei mir schminken, wenn du magst. Ich war eh dabei mich hübsch zu machen", meinte sie und suchte dann schnell ihren Make-up Kasten heraus. Die Frau war so gut bestückt, sie hätte locker als Stylistin arbeiten können. Über ein ganzes Regenbogensortiment von Lidschatten bis hin zu Nagellack in den quietsch buntesten Farben, besaß sie einfach alles, was das Herz eines Models hätte höher schlagen lassen können. Mir hingegen ging es aber nun ganz allein um die Wimperntusche. Ich griff in den offenen Kasten und suchte mir eine ganze Reihe von diesen heraus. Auch hier hatte ich einige Farben zur Auswahl. Doch legte ich es eher auf die natürlichen Töne an. So musste ich einen geeigneten Braunton finden, der meinen zukünftigen Bart nicht zu künstlich aussehen ließ. Aber wie ich Patschuli kannte, hatte sie auch diesen in ihren Auslagen. Sie selbst war gerade dabei ihre Lippen mit einem Lila Gloss zu überziehen und begutachtete ihr Gesicht in einem kleinen Handspiegel. "Sag mal, für wen machst du dich eigentlich so hübsch?", fragte ich, nachdem ich endlich eine Entscheidung getroffen hatte. "Ach, für niemand besonderen. Nur hab ich halt mitbekommen, dass die kleinen Männer, bei denen du ja jetzt im Zelt pennst, eine Feier steigen lassen. Und zu Feiern geh ich nie ungeschminkt. Außerdem find ich den kleinen Blonden unglaublich süß", meinte sie und ein Hauch von rosa zierte dabei ihre Wangen. "Welchen kleinen blonden? Meinst du Fili?", fragte ich neugierig. "Nein, nicht der. Obwohl der auch ganz süß ist. Ich meine den anderen. Den Schüchternen mit dem Beatles-Haarschnitt. Der ist einfach goldig", erwiderte sie kichernd. "Ori?", platze es aus mir heraus und mir klappte vor Erstaunen der Mund weit auf. "Heißt er so? Klingt ja putzig. Jedenfalls wollte ich den Süßen heute fragen, ob er mit mir am Abschlussabend in unserer Zeltdisco tanzen geht. Ich hoffe wirklich, dass er ja sagt", meinte sie und korrigierte noch einmal den Sitz ihrer Kleidung. Sie trug ein schwarzes Top mit dazu passendem Rock. Alles war mehr in diesem Naturlook gehalten, was ihr aber definitiv gut stand. Ich schüttelte nur kurz lachend den Kopf und zog sacht die Wimperntusche über meine Wangen, das Kinn und um den Mund herum. In einem zweiten Handspiegel begutachtete ich meine Arbeit eingehend. Ich musste sehr vorsichtig mit dem Kram umgehen, da es sonst stark verschmierte und dann nicht mehr so Echt aussah. Es fiel mir allerdings schwer nicht zu schmunzeln, nachdem mir Patschuli von ihrer heimlichen Schwärmerei bezüglich Ori erzählt hatte. Nur wusste ich insgeheim, dass dieser sich wohl weniger für sie entscheiden würde, da er ja bereits ein Auge auf mich geworfen hatte. Und wenn ich Fili einmal richtig verstanden hatte, so war es dementsprechend, dass sich ein Zwerg keine neue Liebe suchen würde, wenn er dieser einmal verfallen war. Aber mit Sicherheit wäre es kein Ding für ihn, wenn die Beiden zum Tanzen gingen. Nachdem sie fertig war, musterte sie mich noch einen Moment. "Sag mal, du und dieser schwarzhaarige Typ. Seid ihr beide jetzt eigentlich zusammen oder lässt er dich zappeln?", fragte sie dann, nachdem ich die Bürste der Tusche wieder in ihren Behälter gepackt hatte. "Thorin? Also nein, er lässt mich nicht zappeln. Eigentlich kann man schon sagen, dass wir zusammen sind. Er ist denke ich nur noch ein bisschen schüchtern, was die Sache mit der Öffentlichkeit angeht. Er will vermutlich eher auf den richtigen Augenblick warten, um allen zu zeigen mit wem er zusammen ist", meinte ich ruhig und musterte mein Ergebnis im Spiegel. Allerdings musste ich feststellen, dass ich noch kurz etwas ändern musste. Man sah noch viel zu deutlich, dass meine Nase gebrochen war. Wenn ich diese nicht irgendwie abdeckte, brachte selbst der best gezeichnete Bart nichts. So vergriff ich mich noch schnell an etwas Abdeckcreme um das Gröbste darunter zu verbergen. "Also, ich muss ja zugeben, mit dem hast du dir ja auch ein echtes Sahnestück geangelt. Ich hab die anderen Mädels tuscheln hören. Die sind dermaßen eifersüchtig auf dich. Wie hast du es nur geschafft den rum zu kriegen?", fragte sie sichtlich neugierig. Ich zuckte nur gelassen mit den Schultern. "Um ehrlich zu sein. Ich weiß es selbst nicht so ganz. Ich hab ihn Online kennen gelernt und zunächst dachte ich, er wäre irgend so ein durchgeknallte Spinner. Aber seit ich ihn hier getroffen und näher kennen gelernt habe, hab ich festgestellt, dass er weniger von einem Irren hat als ich dachte. Wobei ich hier und da noch ein paar Probleme habe, was seine Gewohnheiten und Vorlieben angeht. Er ist ja schon ein bisschen eigenbrödlerisch", erklärte ich und und stellte dann die Abdeckcreme wieder weg. "Na, ich hoffe mal, dass ihr beiden miteinander glücklich werdet. Hast ihn dir wirklich mehr als alles andere verdient", meinte sie und kroch nun als ihrem Zelt heraus. Ich folgte und lösche ihre kleine Lampe. Danach gingen wir gemeinsam in Richtung Fisse Ma "Tent" chen. Unterwegs dort hin musste ich ihr natürlich noch einmal kurz klar machen, dass sie mich vorerst mit Gerwulf und nicht mit Jacky anzusprechen hatte. Vor dem Barzelt, in dem nun ordentlich die Post abging, weil Bofur gerade ein Lied zum Besten gab, standen meine Freunde beieinander. Richi rauchte gerade und Chu unterhielt sich mit Rainbow und Ani-chan. Als ich mit Patschuli näher kam, hoben sie verwundert die Augenbrauen. "Jacky?", fragte Rainbow und legte den Kopf schief, während sie mich musterte. Ich legte einen Finger an die Lippen. "Psst. Nicht so laut. Ich bin jetzt nicht Jacky, ich bin Gerwulf. Ich will unsere Freunde, die Zwerge ein bisschen schocken und auf den Arm nehmen", flüsterte ich ihnen zu. Chu und Richi grinsten breit. "Meinst du nicht, dass dein Herzblatt dir das Aussehen irgendwie übel nehmen wird?", warf Ani-chan ein. "Ach, der wird mir das schon verzeihen können. Vielleicht ist er aber auch der Erste, der mich erkennt", meinte ich schmunzelnd. "Wir dachten ja eigentlich, dass du schläfst. Zumindest hat man uns das gesagt", meinte Richi, als wir beschlossen rein zu gehen. "Habe ich auch. Aber nicht für lange. Dann hat mich nämlich ein gewisser Jemand wach geküsst", murmelte ich und fühlte, wie meine Wangen heiß wurden. "Weißt du eigentlich, dass du echt verdammtes Glück hattest. Ich hab dich bereits tot am Boden gesehen, als der Schuss los ging", kam es in besorgtem und vorwurfsvollem Ton von Chu. "Ja, es war auch knapp", sagte ich seufzend und schüttelte den Kopf. "Ich glaube wenn dein Schutzengel nicht gewesen wäre, dann hätten wir dich echt verloren. Zugegeben ich halte immer noch nicht viel von deinem Kerl, aber dass er bereit war, sein Leben für dich zu geben. Alle Achtung. Ich dachte solche Männer gibt es nur noch in Märchenbüchern", meinte Rainbow und ging uns voran. Ich grinste süffisant vor mich hin und zog noch einmal meine Samtmütze zurecht. "Weißt du, vielleicht steckt ja mehr Wahrheit hinter deiner Aussage, als du denkst", erwiderte ich und machte einen Schritt in das hell erleuchtete, volle Zelt. "Wie meinst du das denn jetzt damit Jacky? Äh Gerwulf?", korrigierte sich Ani-chan gerade noch rechtzeitig. "Ach, das sag ich euch nicht. Ist ein kleines Geheimnis zwischen mir und den Herren mit den Bärten. Aber jetzt denkt bitte alle daran, wenn ihr was von mir wollt, dann sprecht mich mit Gerwulf an", murmelte ich ihnen grinsend zu. Sie schüttelten alle etwas rat- und verständnislos den Kopf, aber schließlich nahmen sie mein Verhalten dann doch hin. Innerlich lachte ich mich schon ein bisschen kaputt über den kleinen Schabernack, den ich geplant hatte. Dass er mir aber eventuell noch einige Probleme einbringen konnte, hatte ich mal wieder nicht bedacht. - 52. Nach der Schlacht ist vor dem Fest / ENDE - Kapitel 53: 53. Der Fremde namens Gerwulf ----------------------------------------- Man konnte es nicht anders beschreiben als mit folgenden Worten. Die Bude war brechend voll. Außer an den Karaoke und Talentabenden war hier sonst nur bedingter bis mittelmäßiger Menschenandrang vor zu finden. Aber seit dem Sieg gegen Stiernackens Armee der hirnlosen Muskelprotze feierten Zwerge und Menschen ausgelassen und überschwänglich zusammen. Die kleinen, bärtigen Herren schickten sich dabei auch an, eine Lokalrunde nach der anderen zu schmeißen, was besonders die vielen Jugendlichen freute. Da ja unser "ROZ" eigentlich bis zum Talentabend keine Musik von sich gab, improvisierten die Herren, wie bereits einige Stunden zuvor mit ihren eigenen Instrumenten. Sicher, es waren keine besonders schmissigen, rockigen oder modernen Stücke. Dennoch sah man tatsächlich das ein oder andere Paar zu Gesang und Spiel tanzen. Bofur, der gerade wohl ein sehr alten Trinklied aus Mittelerde zum Besten gab, hatte sich auf einen Tisch gestellt, damit ihn alle sahen und trällerte es über die Menge hinweg. In dem Andrang fiel es gar nicht auf, dass sich jemand "Unbekanntes" durch die Massen in Richtung Theke schob. Natürlich war ich dieser mutmaßliche Unbekannte. Ich hatte meine Freunde stehen gelassen, um mir auch mal etwas zu trinken zu organisieren. Dabei kam ich natürlich der Zwergenband immer näher. Ich grinste leicht hinter meinem aufgemalten Bart und behielt alle so gut ich konnte im Auge. Doch nicht jeder hatten sich diesem musikalischen Treiben angeschlossen. So entdeckte ich Balin bei Thorin, die sich eindringlich an einem Tisch ganz in der Nähe miteinander unterhielten. Vermutlich fragte sich der Zwergenkönig schon wo ich ab geblieben war, denn sein besorgter und leicht ungeduldiger Gesichtsausdruck sprach Bände. Auch, dass er immer wieder den Kopf zum Zelteingang hob, wenn er vermutete, dass jemand herein kam, spiegelte dies deutlich wieder. Balin legte ihm unterdessen die Hand auf die gesunde Schulter und redete weiterhin sehr ruhig zu ihm. Ich überlegte hin und her, ob ich mich persönlich bei ihnen als Gerwulf vorstellen sollte oder ob ich wartete, bis mich einer der Zwerge entdeckte. Schließlich wollte ich mich ja nicht gleich verraten. Auserdem brauchte ich zusätzlich noch einen guten, sinnvollen Plan. Bei solchen Spontanaktion von mir, kamen mir meist immer im Nachhinein die besten Ideen. Aber es ließ sich bestimmt wesentlich besser denken, wenn ich meinen Durst gestillt hatte, überlegte ich vor mich hin. So suchte ich zunächst doch einmal den Thekenbereich auf und bestellte mir zur Tarnung ein alkoholfreies Malzbier. Je geringer ich meinen Alkoholpegel zu Anfang hielt umso besser. Später würde es sicherlich noch zu dem ein oder anderen Problem führen, doch bis dahin hoffte ich, dass ich die Sache aufgeklärt hatte und alles in Butter war. Gerade als ich die Flasche entgegengenommen und den ersten Zug daraus getan hatte, beendete Bofur seine Gesangseinlage und brüllte: "Die nächste Runde geht wieder auf mich!" Die Menschen jubelten und der Barkeeper seufzte. Ich grinste innerlich und nahm dies als Gelegenheit wahr, um meine "zwergischen" Fähigkeiten zu testen. Ich schraubte meine Stimme so weit nach unten, dass es sich selbst für mich so anhörte, als spräche ich gerade eher aus meiner Gebärmutter. "Was habt Ihr, guter Mann?", fragte ich in tiefer rauer Tonlage. Er musterte mich und schüttelte nur den Kopf. "Was ich habe? Das geht seit Stunden so. Wenn diese durchgedrehten Kerle so weiter machen, habe ich bald keine Getränke mehr in meinem Kühlanhänger. Wo kommt ihr Zwergenimitatoren eigentlich her?", erwiderte er und musterte mich abschätzig. "Mit denen habe ich nichts gemein. Ich bin eben erst hier angereist", antwortete ich ihm und verzog den Mund dabei zu einer düsteren Miene. "Oh bitte, nicht noch so ein Irrer", murmelte der junge Mann mehr zu sich selbst und wand sich von mir ab, um andere Gäste zu bedienen. Ich grinste kurz verschmitzt, als er mich nicht mehr ansah und nahm noch einen Schluck Malzbier. Gerade als ich angesetzt hatte, spürte ich wie sich jemand neben mir mit seinen breiten Ellenbogen Platz verschaffte. Ich keuchte kurz von dem unangenehmen Stoß in die Rippen. Meine Flasche fiel mir aus der Hand und verteilte sich sowohl über dem Boden, als auch auf meiner schwarzen Tunika. Grummelnd musterte ich den unhöflichen Rempler. Ausgerechnet Dwalin hatte sich bis zu mir durchgekämpft, um wohl wie andere auch ein normales Bier zu bestellen. Er hielt aber inne und drehte seinen kahlen Schädel in meine Richtung, als er mein unmissverständlich grantiges Grummeln hörte. Kurz drauf hob er verblüfft und gleichzeitig argwöhnisch die Augenbrauen. "Gibts ein Problem, Bursche?", raunte er und baute sich vor mir auf. "Das will ich meinen", erwiderte ich knapp und verschränkte die Arme vor der Brust, um mich breiter erscheinen zu lassen. Er tat es mir gleich, wobei er ja von Natur aus schon wesentlich breiter war als ich. Doch davon wollte ich mich nicht weiter beeindrucken lassen. "Ich kenn dich zwar nicht, aber wenn du hier Streit suchst, kannst du den gerne haben", meinte Dwalin barsch und machte einen Schritt in meine Richtung. Dabei fixierte er mich scharf mit seinen dunklen Zwergenaugen. Ich verzog keine Miene und blieb schön auf der Stelle stehen und schnaubte. "Wegen Streit war ich eigentlich nicht gekommen. Aber wenn Ihr darauf besteht, werde ich mich nicht zurück halten", antwortete ich ruhig und mit kühlem Blick. Da ich ja bereits schon von Anfang an wusste, dass man Dwalin einfach nur gekonnt die Stirn bieten musste, verwunderte es mich nicht, dass ihn mein Auftreten leicht verwirrte. "Du bist wohl lebensmüde Junge, was?", fragte er ein wenig verunsichert. "Keines Wegs", raunte ich ihn an. "Gut, wie du willst", sagte er und hob plötzlich die Faust. Damit hatte ich nun doch nicht sofort gerechnet. Ich weitete einen Moment die Augen und sah schon diese in Richtung meiner Magengrube rasen, als ihn Bofur mit seinem eigenen Rücken von hinten unachtsam schubste und er nach vorne fiel. Ich machte einen Schritt zur Seite und schon landete der Zwerg auf der Nase. Ich atmete kurz erleichtert auf und sah dann auf den Boden, wo sich Dwalin fluchend und stöhnend wieder auf die Knie drückte und auf stand. "Bei Durins Bart! Wer war das?", fragte er aufgebracht und warf einen wütenden Blick hinter sich. "Was hast du denn da unten auf dem Boden gemacht, Dwalin?", fragte Bofur, der sich grinsend hinter dem Kopf kratzte. Der Angesprochene funkelte ihn böse an und knurrte: "Was ich da gemacht habe? Du hast verhindert, dass ich dem unverschämten Burschen da eine Lektion erteilen konnte." "Welcher unverschämte Bursche?", fragte der Zwerg mit der Mütze und sah sich irritiert um. Ich konnte mir während der ganzen Sache leider ein Grinsen nicht verkneifen. Kurz drauf fühlte ich allerdings, wie mich ein kräftiger Männerarm am Krangen griff und direkt vor Bofurs Nase zog. Ich keuchte und musste dabei meinen Samthut festhalten, damit mir dieser nicht vom Kopf rutschte. "Den Knaben hier meine ich", knurrte der glatzköpfige kleine Mann neben mir und schüttelte mich dabei ordentlich durch. Ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien und fauchte ihn beleidigt an. "Ich? Ihr wart derjenige, der mein Bier verschüttet hat", knurrte ich und zerrte an seinen harten, wie festgewachsenen Fingern. Bofur kratzte sich fragend am Kopf und musterte mich eingehend. "Sag mal. Du kommst mir irgendwie bekannt vor, Junge. Haben wir uns schon mal gesehn?", fragte er und hob skeptisch die Augenbrauen. "Mit Nichten will ich meinen. An solche wie euch würde ich mich erinnern", knurrte ich und kam immer noch nicht frei. "Solche wie uns? Wie meinst du das?", fragte er ruhig und ein wenig verwirrt. "Ich bin bisher noch keinen anderen Zwergen hier begegnet", erwiderte ich langsam und beobachtete seine Reaktion darauf. Er weitete fast sofort die Augen und es war, als würde seine Miene vor Erstaunen und Freude strahlen. Das wirkte sich auch auf seine Stimme aus, die sich fast vor Euphorie überschlug, als er mich weiterhin mit Fragen bombardierte. "Andere Zwerge? Sag, stammst du von einem Zwergenvolk dieser Welt ab?" Ich nickte nur knapp, da mir Dwalin immer mehr den Kragen zu drückte. Doch bei einem kurzen Seitenblick stellte ich fest, dass er genauso verwundert drein schaute, wie sein Freund. "Sonderbar. Cuna hat uns immer gesagt, es gäbe hier keine anderen Zwerge. Wie ist dein Name, Junge?", fragte Bofur und lächelte mich freundlich an. "Ich werde ihn euch nennen, wenn mich Euer Freund los lässt", erwiderte ich und spürte, wie mir nun doch langsam die Luft weg blieb. "Pah. Das könnte dir so passen. Du nimmst doch die Beine in die Hand, wenn ich dich los lasse", knurrte mir Dwalin ins Ohr und drückte noch einmal fester zu. "Nein. Nein. Ich schwöre es euch. Ich werde hier bleiben", röchelte ich vor mich hin. "Nun lass ihn schon los, Dwalin. An einem ruhmreichen Tag wie heute, wollen wir doch nicht mit Anderen streiten", forderte der dunkelhaarige Mützenzwerg freundlich. Dwalin warf ihm einen kurzen Seitenblick zu bevor er mich wieder ins Visier nahm. "Ich behalt dich im Auge, Bursche", fauchte er mir mit scharfem Ton zu und stieß mich schließlich von sich weg. Ich keuchte und rang nach Luft. Das war gerade noch mal gut gegangen. Noch einmal sollte ich Dwalin nicht auf dem falschen Fuß erwischen, solange ich in dieser Verkleidung herum lief, die ich mir nun richtete. Neben mir wippte der Zwerg auch gerade ungeduldig mit besagtem Fuß herum und verschränkte die Arme vor der Brust. "Also? Wie lautet nun dein Name, Bürschlein?", fragte dieser dann, als ich mir für seine Begriffe zu viel Zeit ließ. "Man nennt mich Gerwulf", erwiderte ich knapp. "Gerwulf. Und wer ist dein Vater?", fragte Bofur neugierig. Nun musste ich kurz schlucken. Verdammt, darüber hatte ich mir ja überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich musste mir schleunigst etwas aus den Fingern saugen, was sich auf meinen Namen irgendwie reimte, da es bei Zwergen ja in vielen Fällen so üblich war. Doch das Einzige, was mir gerade in den Sinn kam, war die Sage über einen skandinavischen Helden, der zum König seines Volkes wurde, indem er einen Menschenfresser und dessen Mutter erschlug. Vermutlich wäre dieser am sinnvollsten, dachte ich, bevor ich ihn den Beiden nannte. "Mein Vater war, Beowulf", antwortete ich und versuchte meine Unsicherheit mit einem Husten zu überdecken. Wie zu erwarten sagte ihnen der Name natürlich nichts, worüber ich innerlich sehr dankbar war. Stattdessen nickten sie nur mehr oder weniger zufrieden. Wobei Bofur wesentlich zufriedener wirkte als Dwalin. "Also gut. Gerwulf, Sohn Beowulfs. Wie wäre es, wenn wir den Streit vergessen und ein paar Biere zusammen trinken. Dann kannst du uns von deinem Volk hier erzählen", meinte der Zwerg mit der Mütze und klatschte mir heftig auf die Schulter. Ich versuchte ein Keuchen zu unterdrücken und stimmte einfach nickend zu. Wenig später fand ich mich mit einem normalen Bier in der Hand auf dem Weg zum Tisch der Zwerge wieder, die alle samt lachend und trinkend beisammen saßen. Als wir sie erreichten, hob Bofur die Hand und schob mich nach vorne. "Freunde, seht mal her!", rief er aus und deutete mit seiner Bierflasche auf mich. Die Gruppe verstummte jäh und alle Augen richteten sich auf mich. Einige musterten mich mit zusammen gezogenen Augenbrauen, anderen klappte kurz der Mund vor Erstaunen auf. "Wen bringst du uns da, Bofur?", fragte Balin ruhig und lächelte mich freundlich an. "Freunde, wenn ich euch vorstellen darf. Das ist Gerwulf, Sohn Beowulfs. Denkt euch nur. Er gehört tatsächliche einem Zwergenvolk dieser Welt an. Wir sind hier nicht allein. Wir haben Verwandte gefunden!", rief er aus und drückte mir fest die Schulter. Sofort brach aufgeregtes Gemurmel am Tisch los. Einige Gesichter begannen zu strahlen und ehe ich es mich versah verfrachtete man mich auf einen Stuhl. Alle versammelten sich um mich herum und beobachteten mich, wie das letzte Stück einer köstlichen Torte. Doch wo mich alle so erwartungsvoll anstarrten, überkam mich das leidige Gefühl, dass ich vielleicht zu diesem Zeitpunkt schon irgendwo zu weit gegangen war. Leider konnte ich mich nun nicht mehr aus der Affäre ziehen. Ich musste also das Spiel so weiter treiben, bis ich mich von ihnen verabschiedete. Und das würde gewiss noch einige Zeit dauern. Der Einzige, der die Freude der anderen Zwerge allerdings nicht teilte, war zweifellos Thorin, dem ich gegenüber gesetzt worden war. Er hob skeptisch eine Augenbraue und musterte mich abschätzig über den Tisch hinweg, wobei er auch den Kopf leicht zur Seite neigte. Er nahm seine Bierflasche auf, nippte einmal kurz daran und stellte sie dann langsam wieder zurück auf den Tisch. Seine blauen Augen bohrten sich in die meinen und suchten nach der einen Spur von Lüge, die ich ihnen da zweifellos auftischte. Zunächst herrschte nur eiskaltes Schweigen zwischen uns und wir führten einen kleinen Anstarrwettbewerb, den er allerdings zuerst beendete, indem er ungewöhnlich ruhig und freundlich zu mir sprach: "Nun. Sei uns Willkommen Gerwulf, Sohn Beowulfs. Es ist uns eine große Freude hier in Terra-Gaia auf Mitglieder unseres Volkes zu treffen. Sagt, wo genau kommt Ihr her?" Wieder musste ich schlucken. Herr je, ich war gar nicht auf dieses Frage-Antwortspiel vorbereitet. Das hatte ich mir zuvor ganz anders vorgestellt. Nun musste ich mit einigen Sachen sehr improvisieren, sodass ich das Vertrauen aller hier für mich gewann. Aber vorher nahm ich einen kleinen Schluck aus der Bierflasche, damit ich etwas Zeit zum Nachdenken hatte. Ich unterdrückte es mein Gesicht angewidert zu verziehen, als der bittere Gerstensaft meine Zunge berührte und mir die Kehle hinab rann. Zum Glück hatte ich früher in Erdkunde immer die besten Noten. Von daher fand ich auch recht schnell ein passendes Gebirge, aus dem der gute Gerwulf stammen konnte. Nachdem ich das Bier dann abstellte, hatte ich schon die passende Antwort parat, auch wenn es die vermutlich Lächerlichste war, die man sich als Mensch nur ausdenken konnte. "Mein Volk stammt aus dem Siebengebirge", erzählte ich ruhig. Ich sah wie der Zwergenkönig ruhig nickte und mit seiner Fragerunde fort fuhr. "Das Siebengebirge also. Ist das weit von hier?", hakte er nach. "Nein, ein paar Tagesreisen zu Fuß. Von hier aus Südlich gelegen", meinte ich und zuckte dabei mit dem Kopf etwas nach rechts. "Ein weiter Weg für Euch, nehme ich an. Was genau führt euch her?", fragte Thorin und beugte sich dabei interessiert vor. "Ich erhielt die Kunde, dass sich hier fremde Zwerge aufhalten sollen. Also bin ich diesen Gerüchten gefolgt und fand schließlich euch hier", entgegnete ich bedächtig. Thorin nickte immer wieder während meinen Antworten. Er schmunzelte zwar von mal zu mal mehr, ließ aber dennoch nicht wirklich durchblicken, was er gerade dachte. Er hatte einfach das perfekte Pokerface entwickelt, auf das vermutlich der geschickteste Trickbetrüger stolz gewesen wäre. Anders erging es da mir. Ich wurde von Frage zu Frage nur noch nervöser und versuchte so gut es ging nicht unruhig auf meinem Stuhl herum zu rutschen. Den anderen Männern schien das gar nicht aufzufallen, da diese hinter meinem Rücken und neben mir in aufgeregtes Gemurmel ausgebrochen waren. Sie waren, von dem was ich an Wortfetzen mitbekam, mehr als nur begeistert davon Gerwulf kennen lernen zu dürfen. Thorin verfiel nach meiner letzten Antwort in ein nachdenkliches Schweigen, lehnte sich zurück und strich sich dabei über den dunklen Bart. Das sorgte allerdings dafür, dass sich nun die restlichen Zwerge in das Gespräch mit einmischten und mir fleißig Fragen um die Ohren warfen, die ich irgendwie beantworten musste. Darunter natürlich auch diese allgemein gehaltenen. "Wie alt seid Ihr?", "Gibt es noch andere Eures Volkes?" und so weiter. Dann gab es wiederum etwas tiefer gehende Fragen über meine beziehungsweise Gerwulfs Familie. So fragte Kili neugierig: "War dein Vater ein großer Mann? Also ich meine, hat er große Taten vollbracht?" Zum Glück hatte ich einmal eine kleine Abhandlung über den Helden Beowulf gelesen und hatte noch einige Textstellen im Kopf, die ich so umformulieren konnte, als würde ich tatsächlich über meinen Vater berichten. "Nun, mein Vater war der größte Held meines Volkes. Er zog einst in den hohen Norden mit Vierzehn seiner Gefolgsleute um einem befreundeten König zu Hilfe zu eilen, dessen Volk von dem blutrünstigen Troll Grendel nach und nach aufgefressen wurde. Die Bestie hatte bereits den halbe Hofstaat des Königs verschlungen, als mein Vater mit seinen Mannen eintraf. Sie entwickelten einen raffinierten Plan um den Troll in eine Falle zu locken. So warteten sie eines Nachts darauf, dass Grendel aus seinem Loch hervor gekrochen kam. Vater hatte sich mit seinen Männern zum Schlafen in den großen Thronsaal des Schlosses gelegt, um dort bis zu seinem erscheinen auszuharren. Als der Troll den Raum betrat, verschlang er zunächst einen unserer Männer, der eingeschlafen war. Daraufhin stürzte Vater sich auf ihn, ergriff den gewaltigen Arm der Bestie und rang mit diesem so unerbittlich, dass das ganze Schloss bebte. Seine Gefolgsleute versuchten ihm mit ihren Schwertern zu Hilfe zu kommen. Doch leider erfolglos. Irgendwann während dieser Rangelei, gelang es Vater dann der Bestie einen Arm aus zu reißen, welche danach tödlich verwundet in seinem Sumpf zurück kehrte und dort elendig verreckte", erzählte ich den staunenden Zwergen ruhig. "Er hat dem Troll den Arm mit bloßen Händen ausgerissen?", fragte Ori mit ehrfürchtiger Stimme. Ich nickte, räusperte mich kurz und leerte inzwischen meine dritte Bierflasche. Direkt bekam ich die Vierte zugeschoben, die ich mit einem eher widerwilligen "Danke" von Bombur entgegen nahm. Langsam musste ich vorsichtig sein, da ich bereits schon die leichten Auswirkungen des Alkohol zu spüren bekam. Ich konnte nur hoffen, dass ich mich bald von dort lösen und verschwinden konnte, ehe jemand merkte, dass ich ihnen da einen gewaltigen Bären aufgebunden hatte. Aber das war leichter gesagt als getan. Immer noch bestürmten sie mich mit Fragen, die ich klar und deutlich beantworten musste, um nicht aufzufallen. Die Schwierigkeit an der Sache war nur eben, dass ich einfach nicht mehr "Klar" im Kopf war. Ich lallte an einigen Stellen schon ein wenig vor mich hin und geriet auch immer wieder in vereinzelte Kicheranfälle, wenn irgendetwas in der Nähe passierte oder gesagt wurde. Meine Selbstbeherrschung rutschte mal wieder in Richtung Nullpunkt. Lange würde ich diesem Marathontrinken nicht mehr stand halten können. Vor allem, da ich mühe hatte meine Stimme so schön tief zu halten, dass sie mich nicht als Frau erkannten. Doch ich bemerkte am Rande, dass die Zwerge auch nicht mehr ganz die Nüchternsten waren, was sich auch in deren Verhalten widerspiegelte. Sie rangelten viel mehr untereinander, schubsten sich gegenseitig von den Barstühlen und lachten überschwänglich laut über die Missgeschicke der Anderen. Nun wäre eigentlich der passende Zeitpunkt erreicht gewesen, in dem ich mich hätte davon machen können, ohne das es auffiel. Doch der gute Bofur legte mir einen Arm um die Schulter und nuschelte mir so laut ins Ohr, dass ich fürchtete mein Trommelfell würde bald davon Platzen. "Sag mal, mein lieber Gerwulf. Wie is das eigentlich bei deinem Volk. Habt ihr ein paar schöne Traditionen, wie man Freundschaften besiegelt? Es würd mich wirklich interessieren", fragte er und grinste mich an. Ich legte den Kopf leicht schief und schielte ihn etwas verwirrt an. Ausgerechnet in diesem Augenblick kam er auf diese fadenscheinige Idee mich nach Freundschaftstraditionen zu fragen. Nun musste ich meine wenigen grauen Zellen, die noch arbeiteten dazu anhalten mir erneut etwas aus den Fingern zu saugen. Zum Glück kam mir noch eine Idee und dies war vielleicht das Gemeinste, was ich den Herren je antun konnte. Aber wenn sie Traditionen wollten, dann sollten sie diese auch bekommen. Und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Ich warf Bofur ein breites Grinsen zu und erklärte ihm dann die wohl beste Tradition, die meine Welt zu bieten hatte. "Also, mein Bester. Es gibt eine, die sich hier wahrlich großer Beliebtheit erfreut. Sie ist die Älteste aller Traditionen und gehört eigentlich zu jeder guten Feier dazu. Wir nennen dies das 'Bruderschafts-trinken' ", erklärte ich mit lallender Stimme. "Bruderschafts-trinken? Wie macht man das?", kam es von meiner anderen Seite an der Nori saß und unserem Gespräch lauschte. Ich kicherte und hob meinen ausgestreckten Finger ganz weit nach oben, wie in der Schule, wenn ich mich zu Wort melden wollte, bevor ich anfing meinen Plan zu erläutern: "Also, das is ganz einfach. Es stellen sich zwei Männer gegenüber. Jeder hat ein Bier in der rechten oder Linken Hand. Sie gehen aufeinander zu, verschränken die Arme über Kreuz und jeder trinkt aus seiner eigenen Flasche bis sie Leer ist. Dann wird es erst interessant. Die Beiden müssen die Arme senken ohne sich voneinander zu lösen und dann Küssen." Nachdem ich das letzte Wort gesagt hatte, wurde es mit einem Mal totenstill am Zwergentisch. Alle bärtigen Gesichter wanden sich mir zu und musterten mich, als hätte ich unwillkürlich meinen Verstand verloren. "Soll das jetzt ein Scherz sein, Junge?", fragte Dori mit ungläubiger Miene über den Tisch hinweg und legte den Kopf leicht schief. Ich schnaubte nur spöttisch und nippte an meiner Flasche. "Ihr habt mich nach unseren Traditionen gefragt. Wenn sie euch nicht zusagen, soll es mir persönlich egal sein. Aber wundert euch nicht, dass ihr hier weiterhin wie Fremde behandelt werdet, weil ihr diesen Ritus nicht durchgeführt habt", erwiderte ich schulterzuckend. Nun konnte ich beobachten, wie sich die Herren reihum fragende bis vielsagende Blicke zu warfen. Sie wogen offenbar die Eventualitäten zwischen dem Akzeptiert werden und ihrer eigenen Hemmschwelle bezüglich dem Küssen anderer Männer ab. Ich konnte schon fast hören, wie sie anfingen mit den Zähnen zu knirschen bei dieser Vorstellung. Manch einer schüttelte kurz den Bart und verzog angewidert das Gesicht. Ich amüsierte mich innerlich inzwischen sehr über das Unwohlsein der Zwerge und nahm einen tiefen Zug aus der Flasche. Irgendwann rang sich dann Bifur dazu durch das Wort an mich zu richten. "Also habe ich dich richtig verstanden, Bursche. Die Männer küssen sich, nachdem sie ihr Bier gemeinsam geleert haben?", hakte er noch einmal nach. "So ist es. Ihr habt es erfasst", erwiderte ich knapp. "Diese vermaledeite Welt mit ihren abartigen Traditionen. Wären wir doch nie her gekommen", raunte Gloin und erntete einige zustimmende Worte der Anderen. "Nun, auf Fremde wie euch mögen unsere Traditionen nicht gerade einladend wirken. Dennoch sind sie ein großer Bestandteil unseres Lebens hier. Aber vielleicht, um euch die Sache zu erleichtern, könntet ihr ja unseren Ritus zunächst untereinander durchführen", schlug ich vor und versteckte mein leicht böses Grinsen hinter dem Flaschenhals meines Bieres. Nun wurden wieder Blicke getauscht, die noch viel verwirrter waren als die vorherigen. Doch dieses mal fanden sie schneller wieder zu Wort. "Ich weiß ja nun wirklich nicht, was ich davon halten soll", grummelte Dwalin vor sich hin und drehte seine Flasche zwischen den schweren Händen. "Nun, freilich. Niemand zwingt euch dazu dies zu tun. Doch ich hatte von meinen Verwanden schon ein wenig mehr Aufgeschlossenheit bezüglich unserer althergebrachten Traditionen erwarten", meinte ich gelassen. Nachdem ich dies gesagt hatte, kam dann doch Bewegung in die Gruppe. "Also gut. Dann fangen wir am besten an", kam es von Kili, der sich erhob und seinen Bruder auffordernd ansah. Fili hob skeptisch die Augenbrauen. "Bist du dir da sicher, Bruder?", fragte er und warf mir dabei auch einen kleinen Seitenblick zu. "Ach, jetzt hab dich nicht so. Wir wollen Gerwulf doch nicht beleidigen", erwiderte der junge dunkelhaarige Zwerg. Sein Bruder gab ein langgezogenes Seufzen von sich und kam langsam auf die kurzen Zwergenbeine. Beide nahmen ihre Bierflaschen in die rechte Hand und sahen noch einmal fragend zu mir herüber. Ich erhob mich ebenfalls und begann ihnen für den "Ritus" die Instruktionen zu geben. "Verschränkt nun die Arme miteinander in der ihr die Flaschen haltet. Absetzen ist im übrigen nicht erlaubt. Das bringt Unglück", erklärte ich und sah dabei zu, wie die Jungs ihre Arme übereinander Schlugen. Beide sahen sich kurz schluckend an und setzten die Flaschen an die Münder. "Nun, dann lasst uns mit dem 'Bruderschafts-trinken' beginnen", verkündete ich recht laut, sodass sich einige Menschen in der Nähe zu uns umdrehten. Sofort warfen die Beiden ihre Köpfe so weit es ihnen unter diesen Gegebenheiten möglich war in den Nacken und sogen Zug um Zug aus den gläsernen Behältern heraus. Unter den umstehenden Schaulustigen brach binnen weniger Sekunden ein Schwall von Anfeuerungsrufen los, der lauter und lauter wurde je mehr sich die Flaschen leerten. Dann setzten beide ab und atmeten erst einmal tief durch. Wieder warfen sie mir fragende Blicke zu und ich erklärte den weiteren Verlauf. "So, da ihr nun gemeinsam euer Bier gehoben und geleert habt, ist es nun brauch eurem Gegenüber drei mal die Brüderlichkeit zu bekunden. So küsst euch einmal lauf die linke, dann auf die recht Wange und schließlich zu guter Letzt auf den Mund, um es zu besiegeln", sagte ich ein wenig lauter, da die Menge nun doch recht angeheizt war. Ich musterte die jungen Zwergenbrüder und sah wie sie beide kurz schluckten und seufzten. Dann ging alles recht schnell. Sie berührten sich einmal Links und einmal rechts auf den Wangen mit ihren Lippen. Zum Schluss schlossen beide die Augen und drückten ihre Münder fest aufeinander. Augenblicklich brach im halben Zelt Gekreische und Gegröle aus. Vor allem die Mädchen schienen bei diesem Anblick schier den Verstand zu verlieren. Doch das Vergnügen dieses Momentes währte nicht lange, denn schon lösten sich die Jungs wieder voneinander und sahen sich mit bedröppelten Gesichtern an. Ich grinste und verkündete dann: "Nun ist Bruderschaft geschlossen und wird bleiben zwischen euch immer dar." Sie atmeten erleichtert durch und bekamen von allen Seiten Schulterklopfen der Umstehenden. Als der Rest der Gruppe das bemerkte, wurden auch plötzlich diese vom Mut der Beiden angespornt und versuchten sich ebenfalls in diesem Ritus. Ich jubelte innerlich triumphierend, als ich sah, wer sich alles dazu durch rang dem Anderen seine Bruderschaft auf diese Art und Weise zu bekunden. Nicht einmal der sonst so widerspenstige Gloin entzog sich der Prozedur und vollzog die Abläufe mit seinem leiblichen Bruder Oin. Das ganze Zelt war nach der Vorstellung in absoluter Hochstimmung, bis ein vor entsetzen lauter Aufschrei über unsere Köpfe hinweg rauschte. "WAS IN DURINS NAMEN GEHT HIER VOR?!", brüllte jemand direkt hinter meinem Rücken und ließ mich heftig zusammen fahren. Unwillkürlich hielten alle inne und richteten ihr Augenmerk auf mich, beziehungsweise hinter mich, wo ich deutlich einen heißen Atem im Nacken spüren konnte, der in kurzen Abständen auf meine Haut traf. Ich schluckte einen Augenblick und drehte mich dann ganz vorsichtig um. Wutentbrannt blickten mir die eisblauen Augen des Zwergenkönigs entgegen. Während der ganzen Prozedur und den Stunden, die offensichtlich vergangen sein mussten, war mir gar nicht aufgefallen, dass er sich heimlich davon gestohlen hatte und nun wieder zu uns kam. Verschreckt von seinem plötzlichen Erscheinen hinter mir, wich ich ein Stück von ihm weg und stieß dabei mit dem Rücken gegen den Tisch. Er fasste mich scharf ins Auge und machte einen Schritt auf mich zu. Ich klammerte mich mit beiden Händen an der Tischkante fest und grinste ihm unsicher und verlegen ins Gesicht. "Was hast du hier mit meinen Männern angestellt, Bursche?", fragte er fauchend und mit sehr schneidendem Ton. Sein Auftreten hatte mich schlagartig nüchterner werden lassen, da ich einen Hauch von Gefahr in der Luft spürte. Ich musste Thorin so gut ich konnte mit einer Erklärung der Sachlage beschwichtigen, die ihm hoffentlich zusagte. Doch gelang es mir nicht wirklich meine Unsicherheit zu verbergen. "Ich ähm. Nun ja. Ich habe ihnen unsere Traditionen näher gebracht, Herr. Ein alter Brauch nachdem man mit den jeweils anderen einen brüderlichen Bund eingeht, der den Rest den Lebens bestehen bleibt", erklärte ich ihm kleinlaut und bemüht meine Stimme nicht höher zu schrauben. Er hob eine Augenbraue und straffte sein Gesicht. "Sieh an. Eine alte Tradition dieser Welt. Währt Ihr dann so gütig mir diese ausführlicher zu erläutern?", fragte er in einem sehr gefährlich klingenden ,sanften , süßlichen Ton. Meine Antwort kam nur sehr stotternd und verlegen aus meinem Mund, da er mir nun tatsächlich einmal mehr eine gewisse Angst einjagte. "Also. Also es ist so. Zwei Männer stehen sich gegenüber und. Und halten jeweils ein Getränk in der rechten oder der linken Hand. Dann gehen sie aufeinander zu, kreuzen diese übereinander und trinken jeweils aus der eigenen Flasche. Nachdem die Flasche in einem Zug geleert wurde nimmt man die Arme runter und küsst sein Gegenüber einmal auf die linke, dann die rechte Wange und schlussendlich auf den Mund um den Ritus abzuschließen", stammelte ich hastig vor mich hin. Der Zwergenkönig senkte seine Augenbraue langsam und sein Gesicht verfinsterte sich deutlich. "Und das ist alles? So ist es brauch bei euch?", hakte er nach. Ich nickte, wobei es eher nur ein kurzes Zucken mit dem Kopf war. "Wohl an. Wenn es brauch ist, dann will ich nicht gegen die Sitten Eures Landes verstoßen", gab er ruhig von sich, hob seinen nicht verwundeten Arm, um Bombur heran zu winken, der mal wieder das Bier in seinem Bart herum transportierte und nahm sich zwei Flaschen heraus. Die Eine behielt er selbst, die Andere streckte er mir entgegen. Verunsichert schaute ich zur Flasche, dann in sein ernstes Gesicht und wieder zur Flasche. Ich hielt kurz den Atem an. Nun hatte ich wortwörtlich verschissen. Er bot mir tatsächlich an auf Bruderschaft zu trinken. Doch ausnahmsweise verzehrte es mich dieses mal nicht danach von seinen Lippen kosten zu dürfen. Stattdessen hatte ich eher das Bedürfnis schreiend vor Panik aus dem Zelt zu rennen, aus Furcht was danach kommen würde. Denn zweifellos wäre dann meine Maskierung endgültig aufgehoben. Doch konnte ich mich unmöglich dem entziehen, was mir da bevor stand, wo aller Augen so erwartungsvoll auf mich gerichtet waren. "Was ist nun? Wollt Ihr Eurer eigenen Tradition nicht genüge tun Gerwulf, Sohn Beowulfs?", fragte Thorin langsam ungeduldig werdend. Ich räusperte mich kurz und hob dann unsicher und zitternd die Hand, um nach der Flasche zu greifen. "Ähm. Selbstverständlich nicht. Ich hatte nur nicht erwartet, dass Ihr Euch bereits jetzt schon dafür entscheiden würdet dieses Bündnis zu schließen", sagte ich mit einem Anflug von verzweifeltem Wagemut in der Stimme. "Warum sollte ich nicht? Dann lasst uns beginnen, Gerwulf", meinte er und hielt mir seinen linken Arm hin. Ich schaute noch einmal kurz darauf und schlang dann den Meinen langsam drum herum. So verhakten wir uns ineinander und setzten die Biere an den Mund. Ich sendete tausende von Stoßgebeten in den Himmel, dass ich das darauffolgende Donnerwetter überleben würde und begann das Zeug mit den erneut anschwellenden Anfeuerungsrufen hinunter zu kippen. Eigentlich wollte ich mir Zeit lassen mit dem Trinken, doch ich wusste, je schneller ich diese Prozedur hinter mir hatte, umso eher würde auch der bevorstehende Krach wieder vorbei sein. So setzten wir fast gleichzeitig die Flaschen wieder ab und sahen uns lange an. Nun kam der entscheidende Augenblick, aus dem es kein entkommen für mich geben würde. Ich musste noch einmal ganz tief durchatmen und neigte dann meinen Kopf nach vorne. Thorin tat es mir gleich und berührte mich erst auf der linken Wange, dann auf der rechten. Sein dunkler Bart strich mir sanft über die bemalte Haut und kribbelte an den Stellen, die er berührte. Sofort wurde mir wieder heiß und kalt. Nun kam das große Finale. Der Kuss, der den Ritus abschließen sollte. Ich hatte ihn zwar schon einige Male geküsst in den vergangenen Stunden, doch war ich bei keinem bisher so aufgeregt und nervös gewesen wie bei diesem. Nun näherten sich unsere Gesichter ein drittes Mal einander. Ich behielt die Augen offen, um ihn dabei zu beobachten. Dann drückten sich seine weichen Lippen ganz sanft und vorsichtig auf die Meinen. Um uns herum brach wieder Gegröle und Gekreische aus, wie zuvor bei den Anderen. In meinem Kopf schien alles zu verschwimmen. Mein Herz hämmerte wie wild in meiner Brust und ich versuchte verzweifelt dagegen anzukämpfen den Kuss nicht inniger werden zu lassen. Doch da brauchte es mich gar nicht für. Dafür sorgte mein Gegenüber. Thorins blaue Augen trafen auf meine und schlossen sich halb. Ich spürte, wie er an meinem Mund zaghaft lächelte. Das Nächste was ich mitbekam war, dass er mich plötzlich nach hinten an den Tisch drängte von dem ich mich eigentlich gelöst hatte. Mein Rücken stieß gegen die Kante und ich weitete erschrocken die Augen. Ehe ich mich versah, pochte da eine sanfte, aber fordernde Zunge gegen mich und bat stumm um Einlass. Ich keuchte kurz auf, was der Zwergenkönig nutzte, um sich mehr oder weniger gewaltsam Einlass in meinen Mund zu verschaffen. Schlagartig verdrehten sich meine Augen und meine Hand löste sich von der leeren Flasche die scheppernd auf den Boden fiel. Dies wurde von einem zweiten Scheppern gefolgt und schon spürte ich, wie sich Thorins Arm aus unserer Verknotung löste und meine Hüfte packte. Diese zog er fest an sich heran, sodass sich einmal mehr unsere Gürtellinien streiften. Meine Sinne spielten immer mehr verrückt. Oben war unten, links war rechts und schwarz war weiß. Ich nahm verschwommen war, wie seine Männer um uns herum anfingen entsetzt aufzukeuchen und sogar Flüche vor sich hin zu murmelten. Die Rufe der Menge wurden immer lauter, je länger dieser heiße, innige Kuss anhielt. Unterdessen hatte ich den Kampf mit meiner Selbstbeherrschung verloren. Mein rechter Arm schlang sich in Thorins Nacken, der andere legte sich sanft an seine Brust, knapp unter der verwundeten Schulter. Verdammt, dieser Mann hatte wirklich schnell gelernt, wie er jemanden um den Verstand bringen konnte. Und sein zufriedenes Brummen, als ich ihn sanft zu kraulen begann, machte es nur noch schlimmer. Doch im Gegensatz zu mir, war er wohl noch etwas mehr bei sich. Das merkte ich, als er seinen Mund nach dieser gefühlten Ewigkeit wieder von meinen Lippen löste und ich völlig erschöpft meinen Kopf auf seine gesunde Schulter verfrachtete. Meine Beine waren kurz davor nach zu geben, doch sein Arm um meine Hüfte hielt mich aufrecht und fest an sich gepresst. Meine Gedanken drehten sich. Ich war ausgelaugt und mit den Nerven mehr als nur am Ende. Ich hatte ihm einfach nichts entgegen zu setzen gehabt. Es war überdeutlich, dass ich diesem Mann, egal in welcher Form, einfach nur verfallen war wie keinem anderen. Inzwischen wurde Thorin von seinen eigenen Männern mit mehr als entsetzten Fragen bestürmt. "Thorin. Bei Durins Bart. Hast du den Verstand verloren?", fuhr ihn Dwalin an. "Ist dir nicht klar, was geschehen wird, wenn Cuna davon erfährt, dass du solche Zärtlichkeiten mit einem anderen Mann ausgetauscht hast?", kam es von Fili, dem sein Bruder nur beipflichtete. Ich hörte den Zwergenkönig sanft an meinem Ohr kichern und spürte, wie er den Kopf etwas anhob und leicht hin und her bewegte, um wohl alle einmal anzusehen. "Was ist daran denn nun so lustig?", fragte Bofur mit verwirrter Stimme. "Ich brauche es Cuna gar nicht zu sagen", meinte er knapp. "Aber sie wird es mit Sicherheit von irgendwem hier erfahren. Das wird ihr das Herz brechen", kam es aufgebracht von Ori. Thorin allerdings lachte nun etwas lauter und antwortete langsam. "Sie braucht es nicht zu erfahren. Sie weiß es schon längst", sagte er gelassen. "Sie weiß es? Woher? Wo ist sie denn? Ist sie etwa hier?", fragte Nori ungeduldig. Ich spürte, wie mir langsam wieder das Unbehagen durch die Adern floss und meine Arme ein wenig mehr verkrampfte. Doch der Zwergenkönig legte mir unerbittlich seinen Mund ans Ohr und sprach gerade so laut hinein, dass die Anderen es auch gut und deutlich hören konnten. "Oh ja, sie ist hier. Hab ich recht? Gerwulf?" - 53. Der Fremde namens Gerwulf / ENDE - Kapitel 54: 54. Wahrhaft Märchenhaft ------------------------------------ Da stand ich nun, stocksteif und eng an den Zwergenkönig gepresst, während sich hinter mir langsam ein dunkler Schatten aus Fassungslosigkeit aufbaute und mich in Gestalt von zwölf kleinen, bärtigen Männern anvisierte. Kalter Schweiß stand mir auf der Stirn. In meinem Kopf überschlug sich alles Mögliche und ich wusste, dass Thorin mir dieses mal nicht helfen würde, wenn ich mich der Wahrheit stellen musste. "Das ist doch jetzt nicht wahr, oder? Gerwulf?", hörte ich Bofur fragen, in dessen Stimme bei jedem Wort das pure Entsetzen stand. Ich schluckte kurz und ballte meine Hand hinter Thorins Rücken zu einer Faust. Doch dieser murmelte mir nur unerbittlich und kühl ins Ohr. "Stell dich deiner Verantwortung. Du bist kein Kind mehr, also trag gefälligst die Konsequenzen, die du mit deinem Handeln verursacht hast", meinte er trocken und versetzte meinem Kopf mit seiner kräftigen Schulter einen Schubs, der mir deutlich machte, dass es keinen Wert hatte, bei ihm Schutz zu suchen. Ich biss mir heftig auf die Unterlippe und kniff die Augen zu. Ich musste mich nun schwer zusammen reißen, um nicht direkt wieder in Tränen auszubrechen. Während die Sekunden so dahin schlichen, vernahm ich langsam das Anschwellen eines wütenden Brummens hinter mir, als sei gerade ein ganzer Schwarm zorniger Wespen ausgebrochen. Sie alle nahmen mein langes Schweigen als Eingeständnis. So musste ich ihnen gar nicht erst sagen, dass Thorin die Wahrheit über mich gesprochen hatte. Das Einzige was ich tun konnte, war mich in irgendeiner Art und Weise für mein Auftreten zu rechtfertigen und zu entschuldigen. Doch wusste ich zu diesem harten Zeitpunkt nicht, ob sie mir das auch wirklich verzeihen konnten. Aber ich musste irgendwo anfangen, auch wenn meine Worte nur ein hoffnungsloses Herumgestammel waren. "Ich. Ich kann das. Erklären", stotterte ich und öffnete leicht die Augen, um dem Zwergenkönig ins Gesicht zu sehen, der mich immer noch fest hielt. "Erklären? Erklären?! Pah! Da bin ich ja mal gespannt!", rief Gloin mit einem Wortlaut, der erahnen ließ, dass er wohl liebend gerne seine Axt nach mir werfen würde. Ich startete noch einmal einen verzweifelten Versucht, mir in Thorins Augen Mut und Trost zu schöpfen, doch seine Miene war wie versteinert und seine blauen Augen stachen mich wie Speere aus purem Eis. Sein Arm löste sich um meine Hüfte. "Mir bist du keine Erklärung schuldig. Ich habe dir deine Geschichte von Anfang an nicht geglaubt", sagte er so kalt, dass mich fröstelte. Es hatte keinen Zweck. Sein Urteil mir gegenüber schien er schon für sich gefällt zu haben und er würde es mir am Ende verkünden. Soviel war sicher. Nun war es Zeit, mir das der Anderen anzuhören. Ich seufzte kurz etwas wehmütig und drehte mich dann ganz langsam zu den Männern um. Restlos allen stand eine Mischung aus Wut, Entsetzen und Ratlosigkeit ins Gesicht gemeißelt. Langsam löste ich meine Hände von Thorin und zog meine Samtmütze ab. Ich wischte mir einfach damit über das Gesicht und schaffte es zumindest einen Teil meines aufgemalten Bartes zu entfernen. Die Augen der Herren wurden mit jedem Bisschen das verschwand immer Größer. "Cuna. Du. Du bist es ja wirklich", entfuhr es Kili dem, wie seinem Bruder, der Mund weit auf klappte. Ich nickte zuckend mit dem Kopf und atmete ein paar Mal tief durch, bevor ich mit meiner normalen, wenn auch leicht belegten Stimme, das Wort an die Männer richtete: "Ja, ich bin es. Nur. Kann ich das Ganze erklären." "Das sagtest du schon. Komm zum Punkt, Weibstück!", fuhr mich Dwalin heftig von der Seite, mit einem bösen Funkeln in den Augen an. Ich nahm noch einmal einen tiefen Atemzug und zerknautschte unterdessen meine Mütze in den Händen. "Also. Ich. Ähm. Es ist nicht so, dass ich damit eine böse Absicht verfolgt habe", stammelte ich und schon fiel mir der Nächste ins Wort. "Keine Böse Absicht?! Das ich nicht lache! Vor allen hier hast du uns lächerlich gemacht und beschämt! Von dir hätte ich am wenigsten erwartet, dass du so niederträchtig und falsch sein kannst!", rief Dori aus, dem seine beiden Brüder mit Kopfnicken beipflichteten. "Ihr versteht das falsch. So war das gar nicht beabsichtigt gewesen", startete ich einen neuen Versuch, doch wieder fuhr mir jemand über den Mund. "Wie war es dann beabsichtigt? Uns diese Lügengeschichten über deinen angeblichen Vater namens Beowulf aufzutischen und dieses an den Haaren herbeigezogene Trinkspiel durchzuführen. Wenn das nicht aus purer Niederträchtigkeit entstanden ist, dann braucht es schon eine wirklich gute Erklärung!", knurrte Bifur und schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass ich zusammen fuhr und einen Schritt rückwärts machen wollte. Doch da drängte sich schon wieder der Zwergenkönig hinter mich und gab mir einen sanften Schubs mit seiner breiten Brust. "Du brauchst gar nicht an Flucht denken. Dem hier entkommst du nicht", raunte er mir unerbittlich ins Ohr. Ich zerdrückte meine Mütze immer mehr in den Händen und spürte, wie mein Kinn zitterte. Ich kam mir so gefangen und allein vor, wie schon lange nicht mehr. Sonst war immer jemand da gewesen, der mich aus solchen Situationen heraus geholt hatte, doch diesmal waren nicht einmal meine besten Freunde in der Nähe, um mich aus meiner eigenen Miesere heraus zu ziehen. Trotzdem ließ ich hilfesuchend den Blick durch das Zelt wandern. Aber die gesuchten Personen waren wohl schon längst gegangen. Schließlich wand ich mich dann doch mit hoffnungslosem, frustriertem Blick den Zwergen zu, deren Ärger mehr und mehr anschwoll je länger ich schwieg. "Es. Es war wirklich nicht so gedacht. Ich wollte. Also ich wollte eigentlich nur", stotterte ich vor mich hin, doch wieder ließ man mich nicht ausreden. "Es hat keinen Sinn, dass du so weiter vor dich hin stammelst. Hier glaubt dir absolut keiner mehr ein Wort. Los. Lasst uns gehen", kam es von Nori und die Zwerge stimmten ihm mit grantigem Murmeln zu. Mir klappte der Mund auf und wieder zu. Einer nach dem anderen erhob sich von seinem Platz und machte Anstalten den Raum zu verlassen. In meinem Magen verdrehte sich alles. Ich musste es ihnen doch sagen. Sie durften nicht einfach gehen. Wenn sie nun verschwanden, dann würde ich es nie wieder gut machen können. Als sie mir die Rücken zu gewandt hatten, nahm ich noch einmal all meinen Mut und meine Kraft zusammen und rief ihnen meinen Grund so laut entgegen, dass sich selbst die Menschen um uns herum irritiert umdrehten. "Ich wollte einer von euch sein!", platzte es aus mir heraus. Sofort hielten alle gleichzeitig inne und verharrten in ihren Bewegungen, als wären sie gerade zu Salzsäulen erstarrt. Hinter mir hörte ich ein leises Schnauben von Thorin, von dem ich nicht sagen konnte, ob es nun zufrieden oder spöttisch klingen sollte. Langsam und zögerlich nahm ich wahr, wie die Männer sich wieder zu mir umdrehten. Es war ein Bild, wie in Zeitlupe und es machte mich immer nervöser. Meine Beine standen kurz davor einzuknicken, so sehr bebten sie bereits. Als ich dann noch ihre mehr als ausdruckslosen Gesichter erblickte, begann ich einfach weiter zu sprechen. Auch wenn ich wusste, dass es eigentlich keinen wirklichen Sinn hatte. Aber ich musste es einfach tun. Mir alles von der Seele reden, was mich derzeit einfach beschäftigte. "Nur für diesen einen Abend. Da wollte ich das Gefühl haben, ein wahrer Teil eurer Gemeinschaft zu sein. Nicht nur als 'Das Menschenweib' da zu stehen das ich bin. Ich wollte wirklich nicht, dass das Ganze so sehr in die Hose geht. Ich. Ich hab euch alle sehr. Sehr ins Herz geschlossen. Ja, sogar dich Gloin. Auch wenn ihr laut, ungehobelt und grob kantig seid, und mir des öfteren den letzten Nerv geraubt habt. So. So hab ich euch alle doch furchtbar lieb und. Und es bricht mir jetzt schon das Herz, dass. Dass ich vermutlich einen Großteil von euch nie mehr wiedersehen werde, wenn übermorgen die Zeltstadt aufgelöst wird", brachte ich gerade noch halbwegs klar heraus, bevor ich mich auf dem Bartisch abstützen musste, um zumindest ein bisschen Halt zu haben. Erneut biss ich mir auf die Lippen und kniff die Augen zu. Das Schweigen der Zwerge war mit das Schlimmste in diesem Augenblick. Doch dann rang sich Balin dazu durch, ein paar Worte an mich zu richten. "Der einzige Grund, weshalb Ihr Euch so verkleidet und verstellt habt, war dass Ihr uns näher sein wolltet?", fragte er in ruhigem Ton. Ich nickte nur und ballte meine Hände auf dem Tisch zu Fäusten. "Das hättest du doch nicht tun müssen. Wir haben dich doch auch so wie du bist sehr gern. Selbst wenn du kein Zwerg bist. Dafür hättest du uns doch nicht belügen müssen", kam es fast Tonlos von Ori. "Da sprichst du wohl nur für dich, Ori. Zumindest erklärt das, warum sie in diesem albernen Fetzen herum läuft. Aber was ist mit den anderen Sachen? Mit dem was sie uns erzählt und angetan hat?", fragte Gloin mit sehr barschem Ton in die Runde. Ich atmete tief durch und versuchte den Kopf zu heben, um sie erneut anzusehen. Doch es fiel mir unsagbar schwer. "Es. Es ist so. Die Geschichte oder vielmehr die Legende von. Von Beowulf entstammt einem sehr alten Gedicht aus dem hohen Norden meiner Welt. Sie geschah vor mehr als tausend vierhundert Jahren. Beowulf hat tatsächlich einem Menschenfressenden Troll den Arm ausgerissen. Danach tötete er dessen Mutter mit dem Schwert der Riesen. Nach seiner ruhmreichen Rückkehr wurde er zum König seines Volkes gekrönt und herrschte viele Jahre lang in Frieden, bis ein gewaltiger Drache über sie her fiel. Diesem hatte man seinen Schatz aus dem Hort gestohlen, weshalb er wütend auf die Menschen wurde und sie angriff. Beowulf schaffte es zusammen mit einem seiner Vettern das Tier zu erlegen. Allerdings wurde er dabei tödlich verwundet. Sein Grabmal wurde an den Hängen des Meeres errichtet. So gesehen, war lediglich die Tatsache, dass dieser Mann mein Vater gewesen sein soll falsch. Aber da es eine Legende ist. Kann man nicht unbedingt davon ausgehen, ob sie nun wahr ist oder nicht", erklärte ich so ruhig ich es eben noch konnte. "Und dieses Trinkspiel? Was wolltest du damit bezwecken?", fragte Nori immer noch aufgebracht. Wieder schnappte ich nach Luft, bevor ich zu dieser Erklärung kam. Zumindest hatte ich sie soweit, dass sie mich anhörten, ohne mir ins Wort zu fallen. Das war schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Wobei mich immer mehr meine Kraft in den Beinen verließ. Doch ich musste standhaft bleiben und es bis zum bitteren Ende durchhalten. "Jetzt sprecht schon", blaffte Oin sehr ungeduldig, nach ein paar Minuten, die ich mir Zeit nehmen musste, um klar zu bleiben. "Also. Also das Spiel. Oder vielmehr das Ritual. Das ist wohl das Einzige, das eine wahrhafte Tradition bei uns nach sich zieht. Seit vielen Jahrhunderten gilt es nicht nur in meiner Kultur, sondern auch in einigen Anderen auf dieser Welt als Zeichen für Verbundenheit und engen Zusammenhalt unter langjährigen Freunden, die schwere Zeiten gemeinsam überstanden haben. Die jedweden Hindernissen zum Trotz immer noch beisammen sind und miteinander lachen und weinen können. Denn das Band, was sie im Laufe der Zeit miteinander geknüpft haben, soll damit so stark gemacht werden, dass es von niemandem mehr zerrissen werden kann. Ich dachte, es wäre vielleicht das Richtige. Nach allem, was wir hier gemeinsam durchgemacht haben. Um unsere Freundschaft zu festigen. Ich weiß, es war falsch von mir euch das unter Vorgabe falscher Tatsachen nah zu bringen. Und ich weiß, ihr werdet mir das nie im Leben wieder verzeihen können. Trotzdem. Trotzdem muss ich euch sagen. Das. Das es mir unsagbar leid tut, dass ich euch damit so schwer verletzt habe", brachte ich gerade noch so eben hervor, als mir endgültig die Knie nachgaben. Fast sofort legte sich wieder ein kräftiger Arm um eine Hüfte und zog mich an sich. "Cuna!", brüllten einige und auch andere entsetzte Ausrufe kamen von allen Seiten auf mich zu. Stühle wurden verrückt, auf dem Holzboden war das Getrampel der schweren Stiefel zu hören. Ich warf unterdessen meine Arme nach hinten und umklammerte heftig schluchzend den Oberkörper des Zwegrenkönigs, der mir hastig beruhigende Worte ins Ohr murmelte. "Scht. Ganz ruhig. Das hast du gut gemacht. Ich bin sehr stolz auf dich", flüsterte er und seine Stimme war nun wesentlich wärmer und zärtlicher, als noch vor einigen Minuten. Ich allerdings hatte große Mühe, weiterhin so auf ihn gestützt stehen zu bleiben. Auch wenn er so stark war, konnte er mich nicht wirklich lange mit einem Arm halten. So begann ich langsam an ihm herab zu rutschen. Doch im nächsten Moment spürte ich schon einen Stuhl in meiner Kniekehle und hörte Balin sagen: "Setz sie schnell hier ab, bevor sie zu Boden fällt." Ganz bedächtig half man mir, mich hinzusetzen und zu stützen, damit ich nicht doch noch weg kippte. Meinen linken Arm ließ ich auf den Tisch fallen, damit ich mich selbst auch ein wenig aufrecht halten konnte. Wobei es nun eher ein Links nach Schräg war, denn mein Promillepegelt meldete sich wieder zurück, der mir deutlich klar machte, dass ich mich immer noch irgendwo in einem gewissen Rauschzustand befand. Es war daher nicht verwunderlich, dass mein Körper immer wieder unruhig schwankte. Dass mir unsagbar übel war schon mal ganz zu schweigen. Und das sah man mir auch offensichtlich an. Bofur fächerte mir schon mit seiner Mütze etwas Luft und der Rest murmelte mir eindringliche Worte zu. Der Zwergenkönig zog sich ebenfalls einen Stuhl heran und setzte sich mir gegenüber hin. Er hob mein Kinn mit seiner Hand etwas an und blickte mir tief in die Augen. Ich versuchte den Blick zu erwidern, aber es viel mir deutlich schwer. Unterdessen suchte ich auch noch unbeholfen mit meinem Arm auf dem Tisch herum, um die angefangene Bierflasche zu ertasten, die ich dort noch hatte stehen lassen. Nach dem ganzen Umstand war mir nun wirklich danach mich zu betrinken. Ich wollte im Augenblick nichts lieber als einen schönen Filmriss herbei führen, was sonst nie meine Art war. Doch dieses mal wollte ich schlichtweg mit all meinen Prinzipien brechen, die ich mir stets fest auf meine Fahne geschrieben hatte. Es gab da nur ein Problem. Die Zwerge ließen mich nicht. Als ich die Flasche fand und sie mir so schnell ich konnte an die Lippen setzten wollte, entriss man sie mir auch schon wieder. Ich begann zu maulen und wollte sie mir sofort zurück holen, aber ich hatte einfach nicht mehr wirklich die Kraft dazu mich aufzurichten. "Du hast genug für heute Abend", meinte Thorin ruhig und schickte eben Fili los, um mir etwas Wasser zu besorgen. Nachdem ich dieses erhalten und einige Schlücke aus der Flasche genommen hatte, fingen sich auch meine Gefühle und vor allem die Übelkeit wieder. Ich seufzte kurz, als ich absetzte und ließ den Kopf auf meinen ausgestreckten Arm sinken. Die Flasche wurde mir ebenfalls aus der Hand genommen, damit ich sie nicht zu Boden fallen ließ. Wieder hob ihn der Zwergenkönig auf Augenhöhe und musterte inzwischen mit sehr besorgter Miene mein Gesicht. Ich schielte ihn nur betrübt an und nuschelte dann:"Was hat mich eigentlich verraten, dass du mir von Anfang an nicht geglaubt hast?" Er seufzte einen Moment und schüttelte dann leicht den Kopf. "Zunächst einmal, bist du für einen Zwerg viel zu schmächtig und kraftlos und dein Bart ist milde gesagt für das Alter, was du uns genannt hast, einfach nur lächerlich kurz. Auch wenn ich zugeben muss, dass er fast im ersten Moment täuschend echt ausgesehen hat. Dann warst du uns gegenüber viel zu vertrauensselig. Zwerge sind seit jeher ein misstrauisches Volk und du hast geplaudert, wie ein Waschweib. Selbst wenn wir Verwandte treffen, bleiben wir eher zurückhaltend und verraten nicht jedem von wo wir gerade her kommen und welchen Geschäften wir an einem Ort nachgehen. Es sei den die Umstände gebieten es. Außerdem warst du, für jemanden der Tagelang zu Fuß unterwegs hier her war, viel zu unbewaffnet und sauber", erläuterte er belustigt. Ich gab nur ein schmerzhaftes Stöhnen von mir und wollte wieder meinen Kopf auf dem Arm werfen. Doch er ließ mich einfach nicht, weshalb ich also nur die Augen verdrehen konnte. "Ich bin ein schrecklicher Zwerg", murmelte ich vor mich hin. "Oh ja, das bist du, ganz ohne Zweifel", stimmte mir Dori noch ein wenig beleidigt zu. Die Anderen pflichtetet ihm da nur bei. Ich schloss kurz die Augen und erwartete, dass nun alles wieder von Vorne anfangen würde. Aber mit den nächsten Worten, hatte ich schon gar nicht mehr gerechnet. "Allerdings, so muss man beachten. Seid Ihr bisher der liebenswerteste Mensch, dem wir jemals begegnet sind", kam es mit ruhiger und freundlicher Stimme von Oin. Ich öffnete die Augen und hielt Ausschau nach dem alten Zwerg, der mich hinter Thorins Rücken freundlich anlächelte. "Du nimmst mich doch wohl auf dem Arm. Ich meine, was ich eben angerichtet habe...", murmelte ich leicht verbittert, doch schon unterbrach mich Dwalin mit seiner groben Ausdrucksweise. "Was du angerichtet hast, war alles andere als zuträglich, Weibstück. Vor allem da ich dir beinah erneut die Nase gebrochen hätte, wegen deinem frechen, vorwitzigen Mundwerk. Das war einfach nur dumm und einfältig. Trotzdem muss ich sowohl Dori als auch Oin zustimmen. Du bist ein absolut miserabler Zwerg. Aber für einen Menschen bist du ganz in Ordnung", meinte er und zustimmendes Gemurmel ging durch die Gruppe. Immer mehr Stimmen meldeten sich, die mir etwas zu sagen hatten. "Du bist eine hervorragende Köchin", meinte Bombur und gluckste ein bisschen. "Du hast eine Gesangsstimme, die selbst einen Elben übertreffen könnte", sagte Ori ein wenig verschüchtert. "Nun übertreib aber mal nicht. Ich bin bestimmt nicht so perfekt wie die", erwiderte ich mit gesenktem Blick obwohl mir zaghaft der Mund zu einem Lächeln hin zuckte. "Genau das ist es was dich ausmacht. Du brauchst dich unseretwegen gar nicht zu verkleiden und so tun, als wärst du einer von uns. Du bist gut, genau wie du bist. Anders wollen wir dich gar nicht haben", meinte Kili und legte mir seine Hand auf die Schulter. "Sieh dir an, was du alles in dieser kurzen Zeit erreicht hast. Du hast meinem Bruder und Ori das Leben gerettet, hast uns deine Welt gezeigt und mit uns zusammen die verrücktesten Pläne geschmiedet. Du bist unglaublich Stark. Du hast so viel mit uns ertragen und ausgehalten. Und schau einmal auf in das Gesicht des Mannes dir gegenüber", kam es von Fili, der mir eine Hand auf meinen Arm legte. Ich hob auf seinen Wink den Kopf in Richtung Thorin, der mir ein sanftes, aber ernstes Lächeln schenkte. "Du hast einen alten, sturen und blinden Zwerg dazu gebracht zu sehen, dass es noch irgendwo einen Sinn gibt wieder am Leben zu sein. Du hast ihm eine Aufgabe gegeben und er hat dir im Gegenzug das Wertvollste opfern wollen was er hat. In all den Jahrhunderten die vergangen sind, habe ich nie einen solchen Schatz in Händen halten dürfen wie dich. Fernab von jeglichem Gold oder Juwelen", sagte er ruhig und streichelte mir ganz vorsichtig mit dem Daumen über die Wange, wobei er die letzten Reste meiner Schminke abwischte. Ich keuchte einen Moment und mir blieb der Mund weit offen stehen. Seine Worte trafen mich mitten ins Herz, das vor Freude so heftig anfing zu pochen, als wollte es gleich zerplatzen. Sie prasselten auf mich ein, wie ein Schauer warmen Sommerregens. Nun spürte ich ganz deutlich, wie sich auf meinem Gesicht ein strahlendes Lächeln und in meinem Bauch ein zufriedenes Kribbeln ausbreitete. All die Übelkeit und die trüben Gedanken waren wie weggeblasen. Lediglich das leichte Schwindelgefühl des Alkohols war noch da, was mich dazu bewog nur die Hand zu heben, um die seine zu erfassen, welche ja immer noch zärtlich mein Gesicht streichelte. Obwohl ich deutlich den Drang verspürte aufzuspringen und ihn fest zu umarmen, beließ ich es doch lieber bei dieser Geste. Mühsam quälten sich Worte meine Kehle empor, die mir nun sehr tief aus dem Herzen sprachen. Auch wenn es sehr schöne waren, so waren sie dennoch nicht einfach für mich auszusprechen. "Ich bin so froh, dass ich euch alle kennenlernen durfte. Und ich werde euch bestimmt nie wieder vergessen, solange ich lebe", sagte ich und schon ging es in einem kleinen Sturm aus Gekicher und Gegluckse unter. Ja selbst Thorin konnte nun die Fassung nicht mehr bewahren und lachte. Verwirrt sah ich zwischen allen hin und her. "Was? Was ist denn so komisch?", fragte ich irritiert in die Runde. "Ich hab da wohl was nicht ganz mitbekommen. Das hörte sich nach einem 'Lebt wohl' an. Gerade so als wäre jemand gestorben", erwiderte Bofur erheitert und pflanzte mir seine Mütze auf den Kopf. Mir entgleisten einen Augenblick später die Gesichtszüge. "Oh, verdammt. Ihr habt recht. Das tut mir leid. So hab ich das gar nicht gemeint. Hier soll doch keiner sterben. Im Himmels willen", stammelte ich hektisch. Nun brach richtiges Gelächter los und man drückte mir die Mütze noch tiefer ins Gesicht. "Hör auf dich ständig zu entschuldigen. Ein Zwerg macht so was nicht. Hast du verstanden, 'Gerwulf'?", lachte mir Kili ins Ohr. Nun musste ich auch unwillkürlich kichern. Das Lachen der Männer war einfach nur ansteckend. Erst recht, wenn man nicht mehr so nüchtern war. Nach und nach erntete ich in den nächsten Sekunden einen Schulterklopfer nach dem anderen, womit deutlich war, dass sie mir meinen derben Scherz doch verziehen hatten. Dennoch erwartete mich noch eine sehr unangenehme Überraschung. Denn Thorin löste sich nämlich auf einmal von mir und stand auf. "Da wir das nun aus der Welt geschafft haben, kommen wir zu deiner Bestrafung", meinte er gelassen, aber sehr ernst. Ich zog mir die Mütze aus den Augen, reichte sie an Bofur zurück und sah verwirrt zu ihm auf. "Bestrafung? Aber. Aber ich dachte...", murmelte ich irritiert, doch er schüttelte den Kopf. "So leicht kommst du mir nicht davon. Mit einer Entschuldigung ist es noch lange nicht vergolten. Es wird mal wieder Zeit, dass man dir den Kopf wäscht", sagte er und schon fühlte ich wie mich, auf einen Wink von ihm, mehrere Arme von hinten unter den Schultern packten. Ich keuchte erschrocken und strampelte mit den Beinen. "Was? Mir den Kopf waschen?", fragte ich verwirrt und schon zog man mich auf die Beine. "Ganz recht. Du weißt, was jetzt kommt", sagte er und ein hinterhältiges Grinsen breitete sich hinter seinem dunklen Bart aus. Ich begann genervt zu stöhnen, als die Zwerge auch nach meinen Beinen griffen und mich über ihre Köpfe hoben. "Oh, nicht schon wieder! Könnt ihr euch denn nicht mal was Neues einfallen lassen? Das wird langsam langweilig", rief ich aus und wurde bereits aus dem Zelt getragen. "Das hast du dir selbst zu zu schreiben", kam es von Gloin, der sich meine rechte Seite geschnappt hatte und das wohl von allen am Meisten genießen würde. Natürlich ging es mal wieder zu den Freiluftduschen und wie schon an dem Tag, als sie den Kinderfilm gesehen hatten, bekam ich eine eiskalte Dusche verpasst. Nur verzichteten sie aufgrund der späten Abendstunden darauf mir noch einmal Zöpfe in die Haare zu flechten. Ich prustete und schüttelte mich etwas, als sie das Wasser wieder abgestellt hatten. Einen Vorteil hatte diese unfreiwillige Abkühlung ja schon gehabt. Ich war wieder richtig klar im Kopf. "So. Nun bist du sauber genug, um zurück in dein Siebengebirge zu verschwinden, Frau Gerwulf", gackerte Nori vergnügt. Ich schnaubte ihm beleidigt entgegen und klatschte mir meinen ebenso nassen Samthut auf den Kopf. "Nur damit ihr es wisst. Das Siebengebirge existiert und ist tatsächlich einige Tagesmärsche von hier entfernt", maulte ich trotzig. "Das wollen wir nicht einmal abstreiten. Aber dort gibt es mit Sicherheit keine anderen Zwerge", erwiderte Dori ruhig. "Nein. Nicht mehr. Die gab es dort einmal", sagte ich, als wir zurück zum Barzelt gingen. Plötzlich verstummte um mich herum das Gekicher. Im Schein des großen Lagerfeuers konnte ich bei einem kurzen Umherblicken erkennen, dass alle verblüfft die Augen geweitet hatten. "Du nimmst uns doch wieder auf den Arm, oder? Du sagtest doch, dass es hier keine Zwerge gibt und jetzt auf einmal doch?", fragte Dwalin sehr irritiert. "Ich habe gesagt, dass es heutzutage hier keine Zwerge mehr gibt. Aber wenn man der Geschichte glaubt, gab es damals welche hier in der Gegend", antwortete ich und kroch über den Erdwall, um mich am Feuer trocknen zu können. "Welche Geschichte denn? Wovon sprichst du?", fragte Ori und kam zusammen mit den anderen hinterher. "Na, die Geschichte von den Sieben Zwergen hinter den Sieben Bergen", erklärte ich. Unter den Männern brach mit einem mal ein leicht entnervtes Stöhnen aus. "Du redest von dieser lächerlichen Bildergeschichte, die ihr Menschen uns gezeigt habt", meinte Thorin mit leicht gefrusteter Stimme, als er sich wohl daran erinnerte. "Die Geschichte ist bei weitem nicht so lächerlich, wie sie dort dargestellt wurde. Sie ist die wohl bekannteste der Welt", sagte ich und rang ein wenig meine Tunika aus, damit sie schneller trocknete. "Also, wenn du mehr darüber weist wie in dieser Bildergeschichte dargestellt wurde, dann erzähl du sie uns doch", forderte Kili und die anderen Stimmten ihm murmelnd zu. Ich drehte mich zu ihnen um und hielt meinem Rücken ans Feuer. "Ihr wollt wirklich, dass ich euch die Geschichte erzähle?", hakte ich nach und sah dass alle nickten, und sich der Reihe nach auf dem Erdwall nieder ließen. Ich zuckte kurz seufzend mit den Schultern, als ich sie nacheinander gemustert hatte. "Also gut. Wie ihr wollt. Nun, die Geschichte ist jener sehr ähnlich, die ihr ja gesehen habt. Einst lebte in diesen Landen ein König mit seiner lieben Gemahlin. Natürlich wünschten sie sich wie jedes Paar zur damaligen Zeit ein Kind. Als der Winter über das Land herein brach und die junge Königin am offenen Fenster ein Tuch bestickte, stach sie sich in den Finger, wobei drei Blutstropfen in den Schnee fielen. Daraufhin äußerte sie den Wunsch, dass sie gerne ein Kind hätte, mit einer Haut so weiß wie Schnee, mit Lippen so rot wie Blut und den Haaren so schwarz wie das Ebenholz aus dem der Fensterrahmen bestand. Nun gesagt getan. Im Sommer brachte die Königin ein Mädchen zur Welt mit eben diesem gewünschten Aussehen. Leider verstarb sie direkt nach der Geburt und ließ ihre Tochter in dem Armen des Königs zurück. Da dieser aber sehr beschäftigt war und nicht wollte, dass sein Kind ohne Mutter aufwächst, hat er sich einige Zeit später eine neue Frau gesucht, die dem Mädchen als Mutterersatz dienen sollte. Nun begab es sich, dass Krieg über das Land zog und der König sein Reich verließ, um an der Front zu Kämpfen. Er kehrte nie von dort zurück. So wuchs das Mädchen allein bei ihrer Stiefmutter auf, die sich selbst und ihr Äußeres mehr liebte als alles andere. Sie besaß diesen Zauberspiegel, der ihr immer wieder zusicherte, dass sie die Schönste im ganzen Land war und ihr keine andere Frau gleich kam. Bis allerdings eines Tages die junge Prinzessin das heiratsfähige Alter erreichte. Daraufhin sagte der Spiegel, dass die Prinzessin nun die Schönste wäre und nicht mehr die Königin selbst. Zornig und gekränkt in ihrer Eitelkeit, schickte sie ihre Stieftochter mit dem königlichen Jäger fort, um sie zu ermorden. Doch der gute Mann kannte das Mädchen von klein auf und hatte sie so lieb, dass er es nicht über sich brachte und sie davon scheuchte. Er sollte zwar als Beweis ihr Herz mitbringen, aber stattdessen lieferte er ein Schweineherz ab. Dieses ließ sich die Königin braten und als Abendessen auftischen. Die Prinzessin rannte in dieser Zeit völlig verängstigt, frierend und hungrig durch die Wälder des Siebengebirges. Wie lange sie unterwegs war, weiß heute keiner mehr. Aber irgendwann erreichte sie an einer Lichtung ein kleines, verlassen wirkendes Häuschen. Dort brach sie mehr oder weniger ein, bediente sich an dem Essen, was die Bewohner dort für den Abend vorbereitet hatten und legte sich dann erschöpft in die ungewöhnlichen und viel zu kleinen Betten. Als es dann Abend wurde. Nun, was denkt ihr? Da kamen die Bewohner des Hauses wieder. Jene die wir als die sieben Zwerge kennen", erzählte ich ruhig und sah wie mir die kleinen Männer bei jedem Wort buchstäblich an den Lippen hingen. Ich machte eine kurze Pause und wartete ob sie vielleicht einige Fragen hatten, doch Thorin machte einen kurzen Wink mit der Hand und bat mich so mit stummen, ernsten Gesicht fort zu fahren. Ich räusperte mich und erzählte dann weiter. "Also. Die Herren kamen nach Hause und sahen, dass ihre Tür offen stand. Nachdem sie drin waren, merkten sie dass Jemand von ihrem Essen gestohlen hatte und schließlich entdeckten sie die junge Prinzessin schlafen in ihren Betten. Natürlich waren sie zunächst völlig erstaunt, weil sie eigentlich nicht mit so einem Einbrecher gerechnet hatten. Dennoch waren sie ein wenig ungehalten, da sie ja eben bestohlen worden waren und so weckten sie das Mädchen, um sie zur Rede zu stellen. Eigentlich wollten sie sie sofort hinaus werfen. Doch als sie erfuhren wer sie war und was alles geschehen war, beschlossen sie einstimmig sie da zu behalten. Allerdings musste sie im Gegenzug dafür, das Haus in Ordnung halten, ihnen Essen kochen, die Kleider waschen und so weiter. Aber das kennt ihr ja alles schon aus dem Film. Ab hier kommt nun aber der Unterschied. Und zwar, erfuhr die Königin, dass ihre Stieftochter noch lebte durch ihren Zauberspiegel. Sie ließ den Jäger für seinen Verrat hinrichten und dachte sich, wenn man Dinge nicht selbst erledigt, dann macht sie keiner richtig. So verkleidete sie sich drei mal als Krämersfrau. Die Prinzessin lebte inzwischen recht unbesorgt bei den Zwergen, die natürlich ihrer täglichen Arbeit in der nahegelegenen Mine nach gingen. Und jedes mal ermahnten sie die junge Prinzessin zur Vorsicht, wenn Fremde vorbei kämen. Sie sollte weder mit ihnen reden, noch sie in ihr Haus lassen oder irgendwelche Geschenke von ihnen annehmen. Aber was macht Prinzessin Einstein? Die Herren sind aus dem Haus, sie fegt den Waldboden. Warum auch immer man Waldboden fegen sollte. Der wird dadurch nicht sauberer. Wo war ich? Ach ja. Und ihre Stiefmutter, verkleidet als Krämersfrau, kommt daher und will ihr die mitgebrachte Ware feil bieten. Intelligent, wie die junge Dame ist, wird sie in ein Verkaufsgespräch verwickelt, in dem ihr die 'Fremde' Frau zunächst ein Mieder anbietet. Natürlich zieht die Behauptung bei ihr, dass sie eine uralte Freundin der Zwerge sei und sie auch öfters bei ihr kaufen würden. Klar, wer hat schon männliche Zwerge mit Korsett gesehn? Naja, sei es wie es sei. Das Mädchen soll eins anziehen und macht das auch gedankenlos. Daraufhin ergreift die Stiefmutter ihre Chance und zieht das Ding ordentlich zu, damit das Kind erstickt. Am Abend kommen die Zwerge Heim und finden die Kleine bewusstlos am Boden. Einer davon kommt auf die Idee das Mieder aufzuschneiden und schwupp, schon atmet sie wieder. Das selbe Spielchen dann eine Woche später, weil der erste Plan nach hinten los gegangen ist. Zwerge wieder auf der Arbeit und geben der Prinzessin die üblichen Anweisungen. Wieder kommt eine Krämersfrau daher und obwohl sie diesmal ein wenig skeptischer ist, lässt sie sich einen vergiftete Kamm in die Haare stecken. Zwerge kommen Heim. Finden das Mädchen wieder wie tot am Boden. Entfernen den Kamm. Mädchen lebt wieder. Alles super. So und die dritte Aktion dürfte euch ja auch aus dem Film bekannt sein. Also die Sache mit dem Apfel. Natürlich isst sie davon, als man ihn ihr anbietet und naja stirbt dann sogesehen. Doch dieses mal schaffte es die böse Königin nicht rechtzeitig den Wald zu verlassen. Die Zwerge nahmen ihre Spur auf, nachdem sie feststellten, dass sie der Prinzessin nicht mehr helfen konnten und jagten die Frau wortwörtlich zu Tode. Danach bauten sie einen Sarg aus Glas und Gold für die vermeintlich tote Prinzessin. Da sie es einfach nicht über sich brachten, diese Schönheit unter die Erde zu bringen. So flog die Zeit dahin, bis ein ganzes Jahr vergangen war. Und die Sieben hielten Tag und Nacht an ihrer Seite wache, um zu verhindern, dass ihr Leichnam gestohlen wurde. Bis schließlich der Prinz des Nachbarlandes von der Schönheit im Glassarg erfuhr und sie sich einmal selbst ansehen wollte. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Liebe auf den ersten Blick. Prinz will sie mitnehmen, weil im Schloss wäre sie sicherer. Die Zwerge stimmen dem zu, wollen den Sarg aber selber tragen. Einer Stolpert sie fällt raus und schwupp spuckt sie das Apfelstück aus und tadaa, Madame lebt wieder. Heiratet natürlich den Prinzen und lebt glücklich bis an ihr Ende im Schloss. Die Zwerge allerdings bekamen für ihren Verdienst, um den Schutz des Mädchens freie Handelsbevollmächtigung und durften fortan im ganzen Land das verkaufen, was sie mit ihrer Hände Arbeit herstellen konnte. So und das ist dann die ganze Geschichte", endete ich und drehte mich nun wieder mit dem Bauch zum Feuer, damit endlich auch mal die Front trocknete. "Das unterscheidet sich wahrlich nicht viel von dem was wir gesehen haben", murmelte Fili hinter mir. "Ach, es gibt noch weit mehr Auslegungen davon. Aber das ist sozusagen die Urform des Ganzen. Es gibt auch eine in der die Prinzessin mit einem Zwerg durchbrennt und mit dem glücklich wird", rief ich ihnen über die Schulter zu. "Ha, diese Geschichte würde mir dann doch besser gefallen", meinte Bofur und klatschte sich gut hörbar auf den Oberschenkel. "Genau. Warum sollen denn immer die feinen Herren die schönen Damen erhalten, wo doch die Zwerge alles dafür getan haben, um das Mädchen zu schützen?", fragte Ori und erntete zustimmende Worte. Ich zuckte mit den Schultern. "Tja, was wollt ihr machen? So ist das Leben halt. Die Zwerge sind die unscheinbaren Helden, aber am Ende bekommt immer ein anderer das Mädchen", antwortete ich gelassen. "Vielleicht aber auch nicht", rief Kili plötzlich aus. Ich drehte mich zu ihm um und hob die Augenbrauen. "Wie meinst du denn das jetzt?", fragte ich verwirrt. "Na, überlegt doch mal. Du hast selbst gesagt, dass es auch eine Geschichte davon gibt, wo die Prinzessin mit einem Zwerg durchbrennt. Wie wäre es, wenn wir den Menschen hier diese Geschichte erzählen würden?", fragte er freudestrahlend in die Runde. Meine Augenbraue wanderte noch weiter in meiner Stirn und ich legte den Kopf fragen schief. Wobei ich da nicht die Einzige war, die nur Bahnhof verstand. "Würdest du dich mal deutlicher ausdrücken, Kili", mahnte Thorin seinen Neffen an. Dieser lachte kurz und sprang auf den Erdwall, damit wir ihn alle gut sehen konnten. "Also, das ist doch ganz einfach. Morgen Abend soll doch dieser komische Talentwettbewerb stattfinden, den du erwähnt hast Cuna. Nun, was haltet ihr davon, wenn wir alle diese Geschichte nacherzählen und am Ende die Prinzessin, anstatt mit dem Prinzen, mit einem Zwerg verschwindet?", fragte er und sah alle der Reihe nach an. "Aber sonst gehts dir gut, oder was?", fragte ich und trat ein paar schritte näher. "Es ging mir noch nie besser", sagte er und schaute dann wieder zu den Anderen. Zu meiner eigenen Verwunderung aber, schienen die Männern tatsächlich über diese Haarsträubende Idee nachzudenken. "Also, warum eigentlich nicht? Schließlich hat man uns schon angeboten an diesem Wettbewerb teilzunehmen. Und eine Prinzessin haben wir ja auch schon", meinte Nori und fuhr sich durch den Bart. Noch ehe ich es mich versah, hatten sich alle dreizehn Augenpaare mir zugewandt und funkelten mich im Feuerschein vielsagend an. - 54. Wahrhaft Märchenhaft / ENDE - Kapitel 55: 55. Auftakt ins nächste Chaos ----------------------------------------- Völlig verblüfft von Kilis mehr als wahnwitzigem Vorschlag stand ich mit dem Rücken zum Lagerfeuer und konnte die Zwerge nur sprachlos anstarren, die mich gerade inoffiziell und stumm zu ihrem persönlichen Schneewittchen erklärt hatten. Unter nüchternen Umständen hätte mich ihr Vorschlag sicherlich irgendwie gefreut. Doch da mir eigentlich klar war, dass sowohl sie, als auch ich, trotz der kalten Dusche nicht mehr ganz beisammen waren mit den Gedanken, war mir das Ganze alles andere als recht. Oder um es mit den Worten zu sagen, die mir tatsächlich an jenem Abend durch den Kopf gingen. Waren die Herren vollkommen übergeschnappt oder hatte ich einfach zu viel getrunken und es mir nur eingebildet, dass sie wirklich vor hatten ein Märchen vor der versammelten Zeltstadt aufzuführen? Vermutlich nicht. Ihre vielsagenden Blicke auf mich sprachen ganze Brockhaus-Bände. Sie waren offensichtlich fest entschlossen die Sache durchzuziehen, ob ich ihnen nun widersprach oder nicht. Bis ich allerdings meine Stimme wiedergefunden hatte, dauerte es schon ein bisschen. In dieser Zeit begannen die Herren schon untereinander kleinere Pläne auszuarbeiten. Wer denn welche Rolle übernehmen sollte und wie das Stück denn nun abzulaufen hatte. Als man sich gerade darum stritt, wem denn die Rolle der bösen Königin am besten auf den Leib geschneidert war, platzte es dann doch aus mir heraus. "Ihr tickt doch alle nicht mehr ganz sauber!", rief ich aus und schon hatte ich wieder sämtliche Aufmerksamkeit gewonnen. "Was soll nicht mehr sauber ticken?", fragte Nori etwas verwirrt. Ich seufze einmal ganz tief, ging danach forschen Schrittes vor ihnen auf und ab und raufte mir etwas die Haare in der Stirn. Die richtigen Worte für das zu finden, was mir gerade durch den Kopf ging war wirklich nicht einfach. Vor allem, da ich mich ja erst vor einigen Minuten wieder mit ihnen gut gestellt hatte. Doch die Sache war so haarsträubend, dass ich es ihnen irgendwie beibringen musste. "Jungs. Im ernst. Ihr und schauspielern? Habt ihr denn überhaupt eine Ahnung, was ihr da machen sollt? Wie lange das dauert sich Text zu erarbeiten? Dann die Aufteilung der einzelnen Szenen, die Requisiten, die Kostüme und das Bühnenbild? Allein so etwas vorzubereiten dauert Wochen. Und wenn ihr wirklich eine ganze Geschichte vorspielen wollt, dann braucht man dafür schon den halben Talentabend. Und wir haben aller höchsten, wenn wir heute Nacht nicht schlafen, sondern durcharbeiten, achtzehn Stunden für alles", erklärte ich ihnen mehr oder minder ruhig. "Nun beruhige dich mal, Cuna. Ich bin sicher unter deiner Anleitung werden wir das bestimmt schaffen", meinte Fili zuversichtlich. "Nicht einmal ich bin in der Lage innerhalb eines so begrenzten Zeitraumes diese Idee umzusetzen. Und erst recht nicht euch Schauspielunterricht zu geben. Schon gar nicht zu dieser Tageszeit", erwiderte ich und deutete auf den dunklen Sommernachthimmel. "Ach nur keine Müdigkeit vorschützen. Wenn wir so wenig Zeit haben, dann sollten wir uns sofort an die Arbeit machen", meinte Bofur und sprang schon mal auf die Füße. Ich rollte genervt mit den Augen und wand mich dem Einzigen zu, von dem ich zumindest hoffte, dass er noch am vernünftigsten war. "Thorin. Jetzt sprich doch mal ein Machtwort", bettelte ich mit zusammengelegten Händen und machte ein paar Schritte auf ihn zu. Er sah mich kurz an und strich sich nachdenklich durch den Bart, dann sah er zu seinen Männern und nickte kaum erkennbar. "Ich muss Cuna voll und ganz recht geben. Dies ist wirklich nicht der rechte Ort noch die rechte Zeit um so etwas Großes zu planen", meinte er schlicht. Ich atmete erleichtert auf und wischte mir die Stirn, als die Zwerge in ihrer Unterhaltung inne hielten und ihren König ein wenig enttäuscht ansahen. "Danke", sagte ich schlicht und wollte mich bereits wieder umdrehen, als Thorin jedoch noch etwas hinzu fügte. "Wir legen uns jetzt erst einmal schlafen und dann werden wir Morgen mit allen Vorbereitungen beginnen", erklärte er und seine Männer murmelten reihum zustimmend. "WAS?!", rief ich entsetzt und drehte mich noch einmal entgeistert zu ihm um. Er war mit den Anderen aufgestanden und kam nun auf mich zu. Während die schon an mir vorbei zu ihren Zelten gingen, blieb er vor mir stehen und legte mir mit ruhiger Miene die Hand auf die Schulter. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. "Das ist doch nicht wirklich dein Ernst, oder?", hakte ich noch einmal kurz bei ihm nach. Er lächelte mich nur leicht erschöpft an und sagte: "Ich bin zuversichtlich. Außerdem wird es etwas sein, womit wir uns bei euch Menschen für eure Gastfreundschaft bedanken können." "Könnt ihr dafür nicht irgendwas anderes machen? Ein Bild malen? Oder Butterblümchen basteln? Aber gleich ein Theaterstück? Ich meine, das wird verdammt aufwendig. Und ich glaube nicht, dass die Leute hier sich den ganzen Abend nur dieses Schauspiel ansehen wollen", erwiderte ich und sah ihm dabei sehr ernst ins Gesicht. "Darüber können wir auch noch morgen ausgiebig sprechen. Komm schon. Lass uns gehen. Du brauchst ein wenig Schlaf", meinte er gelassen, ließ seine Hand von meiner Schulter zu meinem Arm hinunter wandern und zog mich dann mit sich. Ich folgte ihm und rollte dabei mit den Augen. Das konnte ja noch heiter werden. Die ganze Bande musste wohl binnen dieser kurzen Zeit den Verstand verloren haben. Einschließlich dem Zwergenkönig, in den ich eigentlich die Hoffnung gesteckt hatte, dass dieser sich zumindest dagegen aussprechen würde. Aber dass ihm die Idee seines Neffen auch noch zusagte, war für mich eindeutig zu viel. Damit war ich fast schon überfordert. Das Einzige woran ich noch glaubte war, dass die Zwerge wieder zu Vernunft gekommen sein würden wenn wir die Nacht darüber geschlafen hatten. So zog ich mich völlig matt und mit drehenden Gedanken hinter meinen Vorhang zurück, räumte meine Liege leer und ließ mich erschöpft auf den Bauch fallen, wo ich überraschender weise sofort einschlief. Am nächsten Morgen spürte ich, wie ich unsanft wach gerüttelt wurde. "Cuna. Los steh auf. Komm schon", forderte die Stimme von Kili über deutlich laut an meinem rechten Ohr, sodass mal wieder der kleine Mann mit dem Hammer in meinem Schädel aufgestanden war, um fröhlich auf mein armes Hirn einzuschlagen. Stöhnend und völlig verkatert zog ich das Kissen unter meinem zerknirschten Gesicht heraus und legte es mir auf den Hinterkopf. Doch dieses wurde mir umghehend wieder entrissen. Ich strampelte entrüstet mit den Beinen herum, während ich vor mich hin maulte: "Noch fünf Minuten, Mutti." Kili lachte auf und rüttelte noch energischer an mir herum. "Nun werd doch mal langsam munter. Die Sonne ist schon seit über einer Stunde aufgegangen. Wer sich betrinken kann, der kann auch am anderen Tag arbeiten", meinte er und hob meinen Kopf etwas an. Ich drehte ihm benommen mein Gesicht zu und schielte den jungen, grinsenden Zwerg genervt an. Mein Schädel fühlte sich an diesem Morgen nach der halb durchzechten Nacht an, als wäre er mit Watte gefüllt. "Wie kannst du nur zu dieser unmenschlichen Zeit so gut gelaunt sein? Das ist ja fast schon widerlich", brummte ich ihm entgegen. Wieder lachte er und klatschte mir mit der flachen Hand fest auf den Rücken, womit ich nun endgültig wach war. "Nun sei doch nicht so griesgrämig. Alle warten schon auf dich. Du musst uns doch immerhin helfen die Idee umzusetzen", sagte er und zog mich dann langsam in eine sitzende Position. Ich schüttelte kurz den Kopf und musterte Kili irritiert. "Wovon sprichst du da gerade?", fragte ich noch halb verpeilt. "Na, von der Geschichte mit den Sieben Zwergen, die du uns gestern Abend noch erzählt hast. Wir wollten die doch heute bei eurem Talentabend vorführen. Erinnerst du dich nicht mehr?", erwiderte er gut gelaunt. Ich schüttelte zunächst einmal meinen schweren Kopf und legte mir beide Hände an die pochenden Schläfen. Nur langsam kamen meine Hirnströme wieder in Schwung und versorgten meinen Verstand mit den Erinnerungen der vergangenen Nacht. Als ich alles wieder so halbwegs beisammen hatte, brach ich in ein leicht entrüstetes Stöhnen aus. "Sag mir bitte nicht, dass ihr immer noch vor habt diese Schwachsinnsidee durchzuziehen?", hakte ich bedröppelt nach. "Natürlich haben wir das immer noch vor. Aber dafür brauchen wir deine Hilfe. Du weißt alles über die Geschichte und ohne dich schaffen wir das bestimmt nicht", sagte er und hielt mir seine Hand als stummes Angebot vor die Nase, um mich auf die Beine zu ziehen. Ich sah ein wenig gequält zu ihm auf. "Gibt es nicht noch eine Möglichkeit, um euch davon abzuhalten das zu machen?", fragte ich ihn hoffnungsvoll. Doch noch bevor er antworten konnte, kam bereits der Nächste hinter meinen Vorhang getreten. Es war Nori, der ein wenig abgehetzt wirkte. "Hast du sie endlich wach, Kili? Draußen gibt es streit", sagte er hastig und schaute sich dann erst in meinem Schlafbereich um. Als er mich dort sitzen sah, fasste er mich sofort an den Schultern. "Du musst sofort mit raus kommen", meinte er hastig. Ich nickte einfach kurz, rollte seufzend mit den Augen und drückte mich schwerfällig auf die Beine. Tatsächlich hörte ich, wo Nori es erwähnte, dass einiger Tumult von draußen herein kam. Nur worum sich gerade gestritten wurde, war nicht ganz klar heraus zu hören, da sie lediglich ihre Muttersprache verwendeten, in der sie sich vielmehr anschrien, als ruhig unterhielten. Wobei es auch nicht lange bei schreien blieb, denn hin und wieder waren auch Geräusche zu hören, die wohl vom gegenseitigen Schubsten oder Gerangel her rührten. Ich ahnte schon, dass dies wieder ein sehr langer harter Tag werden würde, als ich mit den beiden anderen langsam aus dem Zelt trat. Draußen schien bereits die Morgensonne sehr grell auf den Platz. Es traf mich buchstäblich, wie ein Hammerschlag, sodass ich mich zunächst im Schatten hinter Kilis Rücken weg ducken musste und aufstöhnte, nachdem sie mir in die Augen stach. "Ach, kommt unsere Schlafmütze auch endlich einmal herbei", hörte ich Thorin sagen, der sich als einer der Wenigen aus dem Streit heraus hielt. "Worum gehts gerade eigentlich?", fragte ich mit gequälter Stimme und hob langsam wieder den Kopf. "Sie werden sich nicht einig, wer dich umbringen soll", meinte der Zwergenkönig trocken. Ich warf ihm einen kurzen verwirrten Seitenblick und ein leicht hohles Lachen zu, nachdem ich es endlich geschafft hatte die Augen auf zu bekommen. Inzwischen wälzten sich sogar einige der kleinen Männer auf dem harten Kiesboden herum und veranstalteten einen mehr als peinlich lauten Massenringkampf. Fast alle rollten querbeet über- und untereinander. Es war kaum auszumachen wo Bofur anfing und Gloin aufhörte. Die Einzigen, die sich bei dieser Schlägerei raus hielten, waren meine beiden Begleiter, Balin, Oin und natürlich Thorin. Ich schüttelte nur den Kopf und sah nun den Zwergenkönig vollends an. "Warum bringst du sie nicht zur Ruhe?", fragte ich langsam. Er schnaubte kurz und warf mir einen belustigten Blick zu. "Ich dachte mir, es wäre gerade dir nicht recht wenn ich mich dort mit meiner verwundeten Schulter einmische", sagte er und nickte auf seinen Arm in der Schlinge. "Ja. Auch wieder wahr", erwiderte ich ratlos und kratzte mir verlegen am Hinterkopf, da ich in meinem verkaterten Zustand wirklich vergessen hatte, das Thorin immer noch mit der Schusswunde herum lief. Dennoch half mir diese Erkenntnis nicht wirklich bei dem Problem weiter, welches sich gerade als ganzes Knäuel aus Bärten und Männern zu meinen Füßen herum wälzte. "Sollen wir warten, bis sie sich beruhigt haben oder gibt es irgendetwas womit man sie zur Ordnung rufen kann?", fragte ich nach einiger Zeit schulterzuckend, da mir partout in diesem Moment nichts einfiel, außer das mir das Geschrei und Gebrülle unglaublich in den Ohren weh tat und der winzige Mann in meinem Kopf mit seinem Hammer Amok lief. "Ich glaube wir warten lieber, bis sie sich von selbst beruhigen. Das hat so einfach keinen Zweck. Es sei denn, du willst selbst eins auf die Nase bekommen", meinte Kili seufzend. Wieder konnte ich nur hohl lachen. "Ihr habt wohl alle heute Morgen einen Clown gefrühstückt, was? Aber mal Spaß beiseite. Wenn die so weiter machen, stehen sie alle mit zu geschwollenen Augen auf der Bühne. Und wenn ihr nichts tut, dann mach ich das eben", sagte ich und wollte an den Pulk heran treten, doch schon hatte ich die kräftige Hand des Zwergenkönigs am Arm, die mich auf Abstand hielt. "Das ist zu riskant für dich. Sie könnten dich ungewollt verletzten", sagte er mit ernstem Ton, als ich fragend über meine Schulter hinweg blickte. "Dann mach nen besseren Vorschlag, bevor hier die Zeltplatzleitung aufschlägt und uns zur Rede stellt, was der Krach am frühen Morgen zu bedeuten hat", erwiderte ich seufzend. "Ich hätte ja gesagt, wir kühlen die Gemüter mit etwas Wasser ab. Aber so bekommen wir sie einfach nicht in die Nähe der Waschräume", kam es mit ernüchternder Stimme von Balin. "Und an den Schlauch kommen wir auch nicht. Der ist wieder eingeschlossen", grummelte ich nachdenklich und ließ meinen Blick über den restlichen Platz schweifen. Wie von einer unsichtbaren Kraft angezogen blieben meine Augen nach einigen Minuten an dem Kühlanhänger kleben, der neben dem Fisse Ma "Tent" chen friedlich vor sich hin brummte. Da ging mir buchstäblich ein ganzer Kronleuchter auf und ein breites, hinterhältiges Grinsen legte sich auf meine Lippen. "Was schaust du so selbstgefällig grinsend dort rüber?", fragte Thorin, dem mein Gesicht als erstes aufgefallen und meinem Blick kurzerhand gefolgt war. "Mir kommt da gerade eine Idee. Kommt mal alle mit", sagte ich, löste meinen Arm aus dem Griff des Zwergenkönigs und eilte zügig hinüber zu dem Anhänger. Der Rest folgte mir mit verwirrten Mienen. Als ich diesen erreichte, machte ich mich sofort an der Tür zu schaffen, die zu meinem Glück und großer Freude nicht mit einem Schloss versehen war. "Was hast du denn vor?", fragte Nori etwas ungeduldig. "Wartet bis ich die Tür hier auf habe, dann erklär ich es euch schon", meinte ich keuchend, da diese ein wenig klemmte. Mühsam und mit einigem, kräftigen Zerren brachte ich sie dann doch endlich auf und ein Schwall eiskalter Luft wehte uns aus dem inneren entgegen. Die Zwerge keuchten kurz verwundert, als sie den Luftzug auf ihren Gesichtern fühlten. Allerdings wagten sie es nicht mir ins innere des Anhängers zu folgen, nachdem ich zielstrebig hinein ging. Dieser war ihnen nun offensichtlich mehr als suspekt. Mich störte wenig was sie von dem merkwürdig kalten Raum hielten. Ich musste mir unterdessen einen Weg durch das halbdunkle Innere bahnen. Überall standen fein säuberlich sortiert und aufeinander gestapelt die unterschiedlichsten Getränkekisten herum, die mir ein ums andere mal ein kleines Hindernis dar boten. Manche waren noch Rand voll andere waren schon leer. Doch diese interessierten mich im Augenblick weniger. Mein Objekt der Begierde befand sich fast ganz hinten unter dem Kühlaggregat. Ich näherte mich langsam dem Gebläse, welches laut scheppernd an der Wand hing und mir meine Haare nach hinten wirbelte. Direkt darunter befand sich eine kleine Tiefkühltruhe. Auf deren Inhalt hatte ich es abgesehen. Vorsichtig schob ich den Deckel beiseite. Darin lagen portionsweise, in Plastikbeutel abgepackte Eiswürfel, die man hauptsächlich dafür verwendete um die Getränke unter der Theke kühl zu halten, wenn der Kühlschrank an der Bar schon voll war. Breit grinsend griff ich hinein und zog sechs der kleineren Beutel heraus, die ich zunächst auf den Boden stellte. "Cuna, was machst du so lange da hinten? Komm raus da. Es ist viel zu kalt hier drin", rief Thorin mir mit hallender Stimme durch den Lärm des Gebläses entgegen. "Ich bin schon fertig", erwiderte ich und schloss die Truhe. Ich packte mir die Beutel auf einen kleinen Stapel zusammen und versuchte sie so gut ich konnte durch den engen Pfad zurück zu den Zwergen zu bringen. "Was in Durins Namen schleppst du denn da an?", fragte Kili verwundert, als ich die Beutel draußen ablegte. "Das ist die Abkühlung für die Hitzköpfe", meinte ich grinsend. "Was ist denn da drin?", fragte Oin neugierig und nahm einen Beutel hoch. "Da sind Eiswürfel drin. Also, wenn das nicht kalt genug ist, dann weiß ichs auch nicht", erklärte ich und schloss nun auch die Anhängertür hinter mir. "Wie habt ihr Menschen es nur geschafft Eis in kleine Würfel zu pressen und gefroren zu halten? Es ist doch die vergangenen Tage viel zu heiß gewesen", meinte Balin mit erstaunter Miene. "Um dir das lang und breit zu erklären habe ich jetzt nicht die Zeit. Zunächst einmal müssen wir uns darum kümmern, dass wir die anderen Männer beruhigt bekommen. Nehmt euch mal jeder einen Beutel und dann zeig ich euch, was wir machen", antwortete ich kurz angebunden, schnappte mir einen und ging wieder einmal voraus. Wieder bei den Streithähnen angekommen, öffnete ich mein kleines, eisiges Überraschungspaket und deutete den anderen Fünf an es mir gleich zu tun. "Ich weiß wirklich nicht wozu das gut sein soll", murmelte mir Thorin zu, der immer noch Probleme hatte zu verstehen, was ich denn genau vor hatte. "Na, pass mal auf. Wir stellen uns jetzt alle um sie herum. Und zwar so dicht dran wie es geht. Auf mein Kommando hin entleeren wir dann alle Beutel gleichzeitig und sehen danach zu, dass wir schnellst möglichst wieder auf Abstand gehen", erklärte ich ruhig. "Ich wäre ja dafür, dass wir mit den durchsichtigen Säcken auf sie einschlagen, um sie zur Vernunft zu bringen", schlug Nori vor. "Willst du sie auseinander bringen oder noch mehr aufhetzten?", fragte ich ihn seufzend. "Tut einfach was sie sagt", warf Thorin dann ein, als Nori gerade den Mund öffnen wollte, um mir auf meine Frage hin zu antworten. Dieser schloss die Lippen wieder und nahm seine Position ein auf die ich ihn einwies. Kili stellte sich mit etwas Abstand rechts von ihm und Balin links daneben. Ich nahm den Platz neben Thorin und Oin ein. Die Beutel bereit haltend sah ich alle nacheinander an. Dann machte ich den ersten Schritt näher an den sich windenden Wust aus Armen, Beinen und Bärten heran. "Ich hoffe wirklich, dass du weißt was du da tust", kam es noch einmal mit skeptischem Unterton von Thorin, ehe er auch einen Schritt vor tat. Die Anderen folgen gleichsam. "Nur die Ruhe. Wir werfen gleich das Eis auf die und dann ziehen wir uns sofort zurück. Also. Auf Drei", sagte ich dann etwas lauter und sah nochmal alle flüchtig an. Sie nickten mir zu und blickten dann konzentriert auf ihre Freunde am Boden. Ich atmete tief ein und fixierte einfach mal einen Punkt in der Gruppe den ich treffen wollte, ohne jemand bestimmten ins Visiert zu nehmen. Danach zählte ich langsam runter. "Eins!" Die Beutel wurden höher gehoben. "Zwei!" Wir neigten sie ein wenig nach vorne. "Drei!" Schon prasselten die Eiswürfel unaufhaltsam auf die Gruppe ein. Binnen Sekunden gab es die ersten empörten Aufschreie, als sich der ein oder andere Brocken in der Kleidung der Herren verfing die oben auf lagen. Nachdem sich die Beutel zügig geleert hatten, machte ich einige Schritte rückwärts, um denen platz zu machen, die geschockt aufgesprungen waren und fast panisch verwirrt umher liefen, um ihre Leinenhemden und teilweise sogar Hose auszuschütteln, in die die Würfel hinein gerutscht waren. Bei dem eigenwilligen Tanz, den die Streithammel da aufführten, hielt ich es nicht mehr lange aus und brach in schallendes Gelächter aus. Meinen Mittätern erging es da nicht anders. Wir hatten wirklich diebische Freude daran, wie sich der Pulk so langsam auflöste. "Was in Durins Namen soll das?! Was ist das für eine Teufelei?!", brüllte Dwalin entrüstet und hampelte mit einer Hand im Nacken vor mir herum. "Na, kleine Erfrischung gefällig?", fragte ich gelassen und faltete meine leere Tüte zusammen. "Mahal! Das ist ja eiskalt!", rief Bofur und schüttelte die Hose aus. "So war es ja auch beabsichtigt", kam es ruhig von Thorin der mich verstohlen anlächelte. Er brauchte mir in diesem Moment gar nichts zu sagen. Mein Plan hatte ihm definitiv sehr gefallen. Das konnte ich gut an seinen Augen ablesen. "Unfassbar! So was hinterhältiges! Wo habt ihr diese Eisbrocken her?", rief Gloin empört aus und zog einige Würfel aus seinem Hemdausschnitt heraus. "Cuna hat sie uns gegeben", meinte Nori unbedacht und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. Sofort hielten die "tanzenden" Zwerge in ihren Bewegungen inne und drehten ganz langsam ihre haarigen Köpfe in meine Richtung. Ich schluckte kurz, als mich acht finstere Blicke gleichzeitig trafen. "Das bereust du, Weibstück!", rief Dwalin aus und begann mit den Knöcheln zu knacken. Ich zuckte kurz zusammen und machte noch ein paar Schritte rückwärts. Ungewöhnlich zügig setzten sich die Acht mit aufgebrachten Gesichtern in Bewegung und kamen zielstrebig auf mich zu. So hatte ich mir das Ende des Kampfes nicht vorgestellt. Die kurze Distanz hatten beinahe alle schnell überwunden. Dwalin streckte bereits seinen schweren, muskelbepackten Arm nach mir aus, um mich am Kragen zu packen, als sich Thorin gerade noch rechtzeitig vor mich positionierte und mich mit seinem breiten Oberkörper abschirmte. "Das reicht jetzt!", brüllte er sie an und die Finger des glatzköpfigen Zwerges zuckten umgehend zurück. "Was soll das, Thorin? Willst du sie etwa dieses mal ungestraft davon kommen lassen?", fragte Gloin aufgebracht. Der Zwergenkönig schnaubte ihm kurz entgegen. Ich konnte zwar nicht sehen, welchen Blick er gerade dem rothaarigen Zwerg zuwarf, doch dessen Miene versteinerte sich und er senkte rasch die Augen. Ich sah wie Thorin kurz noch einmal in dessen Richtung nickte und schließlich langsam einen Fuß vor den anderen setzte, um zwischen seinen Männern hindurch zu gehen, welche ihm bereitwillig eine Gasse bildeten. Ich blieb auf meiner Position stehen und starrte nur auf seinen Rücken. "Ihr habt mit eurem Streit schon genug unserer wertvollen Zeit vergeudet, die wir hätten nutzen können, um alles vorzubereiten. Von jetzt an will ich kein Gezanke und keine Missgunst mehr zwischen euch sehen, bis die Sache hier beendet wurde. Ihr werdet ab jetzt alles tun, was euch Cuna aufträgt und das ohne Wenn und Aber. Sie allein bestimmt wer was zu tun hat. Und sollte irgendeiner von euch damit ein Problem haben, bekommt derjenige eines mit mir. Habt ihr das verstanden?", fuhr er sie in barschem Ton an, der auch mich einen Moment zusammen fahren ließ. Er machte auf dem Absatz kehrt, nachdem er etwa das Zentrum der Gruppe erreicht hatte und musterte alle mit seinen kalten, eisblauen Augen. Nun strahlte Thorin wirklich seine ganze Macht als König unter dem Berg aus. In seiner ganzen Pracht und seiner Erhabenheit stand er dort und nicht einmal seine verwundete Schulter ließ ihn dabei irgendwie verletzlich aussehen. Im Gegenteil, sie gab ihm das entscheidende Fünkchen Ausstrahlung in seiner gesamten Haltung. Gerade so, als sei er eben erst von einem Lazarett wiedergekehrt, um seine mutlosen Männer auf dem Schlachtfeld daran zu erinnern, dass sie noch eine Aufgabe zu erfüllen hatten. Mein Herz begann wieder schneller in meiner Brust zu schlagen, während ich ihn so musterte und seine ganze Präsenz spürte. Sie hinterließ deutlich ein heißes und kalten Kribbeln auf meiner Haut und meine Nackenhaare stellten sich auf. Als er mit ernster Miene wieder auf mich zu kam, nachdem seine Männer ihm murmelnd zustimmten oder schweigend nickten, wehten ihm im Gehen seine langen, schwarzen Haare nach hinten und die grauen Strähnen darin glänzten im Sonnenlicht, wie reines, flüssiges Silber, was ihm endgültig wahre Größe verlieh. Mich überkam das Gefühl gleich in Ohnmacht fallen zu müssen, so überwältigt war ich von seiner Erscheinung. Ich wäre am liebsten vor ihm auf die Knie gefallen und hätte mein Gesicht in den Staub gelegt, da ich mich seiner nun gar nicht mehr würdig fühlte. Das eben jener Mann, der gerade mehr König war als alles andere, mit mir am Vortag noch in einem Maisfeld Zärtlichkeiten ausgetauscht hatte, war kaum noch denkbar. Er wirkte plötzlich verstörend befremdlich auf mich. So als würde ich nun zum ersten mal sein wahres Ich kennen lernen. Es war zum Einen das Atemberaubenste, was er je von sich gezeigt hatte, zum Anderen wünschte ich aber, dass er bald wieder aus dieser Haltung zurückkehrte, da sie mich fast völlig um den Verstand brachte. Und das brachte ich unglücklicherweise gerade dann zum Ausdruck, als er nach dem kurzen hin und her Gelaufe wieder vor mir stand und mich mit einem milden Lächeln bedachte. Meinen Lippen entsprang buchstäblich eine Mischung aus erregtem keuchen und stöhnen, während seine wunderschönen Augen auf meine trafen und er sanft den Kopf neigte. Er blinzelte kurz drauf und musterte irritiert mein Gesicht."Was in Durins Namen war denn das?", fragte er mit belustigter Stimme. "Cuna!", reifen die Männer empört aus, sodass ich erschrocken zusammen fuhr und mir die Hand auf den Mund klatschte. Himmel! Die Anderen hatte ich für diesen Augenblick ganz aus meiner Umgebung verbannt. Gott verdammt, war das aber richtig peinlich! Zum Glück hatte ich nur aufgestöhnt und nicht irgendetwas Dummes gesagt. Trotzdem schoss mir unwillkürlich sämtliches Blut in den Kopf und färbte mein Gesicht so rot, wie eine Signalleuchte. Thorin schüttelte nur lächelnd den Kopf und klopfte mir kurz auf die Schulter. "Du kannst sie jetzt übernehmen. Aber reiß dich ein bisschen zusammen, sonst verlieren wir noch mehr Zeit", murmelte er mir im vorbeigehen sanft ins Ohr. Ich zuckte kurz mit dem Kopf, um ein Nicken anzudeuten. Danach stellte er sich hinter meinen Rücken, worüber ich ihm im Nachhinein sehr dankbar war, weil er mich womöglich noch mehr abgelenkt hätte. So versuchte ich mich mit einigen Räuspern und straffen meiner Kleidung etwas zu mehr Fassung zu zwingen und sah die Zwerge vor mir ruhig an. Wobei sich der ein oder andere ein verstohlenes, wissendes Grinsen nicht verkneifen konnte. "Also, gut. Schön. Ähm. Ihr wollt also diese Geschichte mit den Sieben Zwergen vorführen. Und ihr denkt vielleicht das das alles ein Zuckerschlecken wird. Aber ich sage euch, das ist verdammt harte Arbeit. Ich weiß zwar das ihr harte Arbeit gewohnt seid. Aber ich gehe einmal davon aus, das kein einziger von euch Bühnenerfahrung hat. Wenn ich euch nun Anleiten soll damit wir das heute Abend reibungslos hin bekommen, muss ich zunächst einmal sehen was ihr denn so drauf habt", meinte ich und ging vor ihnen auf und ab. "Wie meinst du das? Was müssen wir denn drauf haben?", fragte Fili und legte den blonden Haarschopf schief. "Ganz einfach. Ihr geht paarweise zusammen und denkt euch, sagen wir mal eine Liebesszene aus. Sie muss nichts mit der Geschichte zu tun haben, die wir aufführen wollen. Es dient rein dazu, dass ich sehe ob ihr Talent habt, so etwas natürlich darstellen zu können oder nicht. Dann kann ich euch eure Rollen zuweisen. Ist das klar verständlich?", hakte ich kurz nach und musterte alle der Reihe nach. Diese sahen mich mit gehobenen Augenbrauen an und warfen sich gegenseitig fragende Blicke zu. "Muss das wieder mit Küssen sein oder geht das dieses mal auch ohne?", fragte Ori vorsichtig nach. Ich kicherte und nickte leicht. "Keine Bange, das müsste ihr nicht, wenn ihr es nicht unbedingt wollt. Wisst ihr. Auf der Bühne müssen Liebesszene nicht unbedingt damit dargestellt werden, dass sich ein Paar heiß und innig Küsst. Das ist lediglich die Krönung des Ganzen. Wenn euch das allerdings unangenehm ist, könnt ihr auch ein Drama darstellen", meinte ich ruhig. "Was ist denn ein Drama?". fragte Bofur und kratzte sich am Kopf, dass seine Mütze wackelte. "Ach, da gibt es verschiedenen Auslegungen. Es kann ein Wiedersehen nach ewigen Zeiten sein, wobei einer der Beiden merkt, dass sich der Andere so sehr verändert hat, dass er ihn nicht wieder erkennt, was ihn völlig verzweifeln lässt. Dann kann es sein, dass jemand stirbt. Oder dass der Eine erfahren hat, dass seine Frau ihn mit seinem Bruder oder besten Freund betrogen hat und er diesen dann in einem Streitgespräch zur Rede stellen will", erläuterte ich ihnen langsam und so einfach wie nur möglich. "Das klingt doch wunderbar. Können wir dann anfangen?", fragte Dori entschlossen und die restlichen Herren nickten zustimmend. Ich atmete tief durch und nickte dann ebenfalls, wenn auch nicht ganz so selbstsicher wie die Männer. Für mich war das alles immer noch ein großes, rotes Tuch. Aber bitte, wenn sie es so haben wollten, sollten sie es auch bekommen. Und ich musste mich fortan eben mit meinem Schicksal, als Laien-Regiesseurin abfinden. Doch blieb ich die ganze Zeit über skeptisch, ob ich diesem Job wirklich gewachsen war. Nun musste ich mich aber vorläufig nur mit den leichteren Sachen beschäftigen. Nämlich sie Paarweise zusammen stellen und ihnen zunächst einmal Zeit geben sich auszusuchen, was sie denn genau vorführen wollten. Ich ließ sie vorerst einmal alleine machen und beobachtete das Ganze von außen. Einige stellten sich gar nicht mal so schlecht an. Bei den Meisten sah die Darbietung sogar recht gut aus. Wobei ich hin und wieder eingriff wenn die Sache zu eskalieren drohte. Oder ich gab ihnen Tipps, wenn sie sich ein wenig zu Steif verhielten, um sie aufzulockern. Nach gut einer Stunde legte sich plötzlich von hinten ein Arm um meine Hüfte und ich fühlte, wie sich ein Kopf auf meine Schulter legte."Hast du nicht jemanden bei der Einteilung vergessen?", murmelte er mir leise und etwas vorwurfsvoll ins Ohr. Ich zuckte kurz erschrocken zusammen und drehte den Meinen etwas zu der Seite, auf die Thorin nun sein Kinn abstützte. "Oh, tut mir leid. Aber um ehrlich zu sein. Glaube ich nicht, dass du bei dem Stück mitmachen solltest. Das könnte deiner verletzten Schulter nicht gut tun", antwortete ich ihm. Er schnaubte kurz und ich sah wie er in meinem Augenwinkel beleidigt den Mund verzog. Er schloss die Augen und löste kurz seinen Arm um meine Hüfte, dann fasste er mich plötzlich fest am Arm und drehte mich schwungvoll zu sich um. Als er die Augen öffnete, bekam ich einen tierischen Schreck. Er sah auf einmal so beängstigend wütend aus, dass es mir die Sprache verschlug. Erst recht als er anfing laut zu werden, wodurch die anderen Grüppchen mit ihren winzigen Proben aufhörten und zu uns hinüber sahen. "Denkst du vielleicht, ich würde das zulassen?", fuhr er mich an und umklammerte schmerzhaft meinen Unterarm. "Wa-wa-was?", stammelte ich und machte einen Schritt zurück, doch er setzte nach. "Hast du auch nur die leiseste Ahnung davon, wie ich mich fühle? Allein der Gedanke daran, dich in den Armen eines Anderen zu wissen, macht mich Krank!", rief er aus. "A-a-ber. T-T-Thorin. D-d-das ist d-d-doch nur ein Stück. D-d-das ist doch nicht echt", stotterte ich mit geweitete Augen. "Nicht echt? Das ich nicht lache! Ich weiß doch genau, was du vor hast! Viel zu lange schon habe ich mich von deinem liebreizenden Lächeln und deinen zuckersüßen Worten täuschen lassen. In Wahrheit begehrst du ihn schon seit Jahren und wirfst ihm hinter meinem Rücken lüsterne Blicke zu", raunte er und zog mich enger an sich heran. "Ich werfe wem was zu? Und dann schon seit Jahren? Thorin, bist du noch bei Verstand?", fragte ich mit hoher Stimme. "In all der Zeit war ich so blind gewesen. Habe es stillschweigend über mich ergehen und an mir vorbei ziehen lassen. Nun sind meine Augen weit geöffnet und sehen klarer als je zuvor. Aber er wird dich nicht bekommen. Nichts und niemand wird dich meinen Armen entreißen. Du bist mein, Weib!", knurrte er und kam meinem Gesicht immer näher. Ein verängstigtes Keuchen entsprang meinem Mund, auf den sich wenig später gewaltsam seine weichen Lippen pressten. Seine blauen Augen bohrten sich energisch in meine und brachen bei mir sämtliche Widerstände. Nach einigen Sekunden schloss er sie dann, um den Blickkontakt zu unterbrechen. Sein Gesicht, welches sich verhärtet hatte, entspannte sich wieder. Zaghaft und ruhig atmend löste er sich von meinem Mund und lockerte den Griff um meinen Unterarm. Er zog sich einen Schritt zurück, öffnete dann langsam die Augen und hinter seinem dunklen Bart bildete sich ein ruhiges, sanftes Lächeln. Erst nachdem ich diesen Schock halbwegs überwunden hatte, erkannte ich was er getan hatte. Er hatte mir die ganze Zeit diese aufgebrachte Szene nur vorgespielt. Und ich war wirklich darauf herein gefallen. Fassungslos und noch am ganzen Leib zitternd vor Aufregung, starrte ich ihm entgegen. Eigentlich war mir danach ihm einen schallende Ohrfeige dafür zu verpassen, dass mich dieser verdammte Mistkerl so dermaßen in Panik versetzt hatte. Aber stattdessen besann ich mich eines Besseren und ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Was allerdings die anderen Zwerge offenbar nicht wirklich nachvollziehen konnten, da ich im Augenwinkel wahr nahm, wie sich der ein oder andere am Kopf kratzte oder gleichfalls ratlos wie verstört den Mund offen stehen hatte. Sie waren so überrascht von Thorins Ausbruch gewesen, dass sie der Sinneswandel ihres Königs am Ende des Schauspiels noch mehr verwirrte. "Und? Was sagst du?", fragte er, nachdem er mir ausreichend Zeit gelassen hatte seinen Auftritt zu verdauen und warf neckisch den Kopf zu Seite. "Das. Das. Verdammt! Das war absolut perfekt. Das war ein absolut gelungener Ablauf einer dramatischen Liebesszene. Woher kannst du das so gut? Wer hat dir das beigebracht?", fragte ich ein wenig euphorisch. "Das hat mir niemand beigebracht. Ich hatte eine ganze Stunde Zeit dich in Ruhe zu beobachten, habe mir deine Ratschläge genau angehört und zu Herzen genommen", meinte er schlicht und grinste mich breit an. "Soll das heißen, das war gar nicht ernst gemeint von dir, Thorin?", fragte Balin mit leicht verdrießlicher Miene. Der Zwergenkönig schüttelte nur den Kopf und betrachtete mich weiterhin. "Ich wollte sehen, ob ich mit deinen Ratschlägen etwas anfangen kann. Offenbar war ich so überzeugend, dass selbst du darauf herein gefallen bist, Cuna", meinte er schlicht. "Überzeugend? Soll das ein Witz sein?! Du hast mich halb zu Tode erschreckt und mir fast den Arm gebrochen! Ich dachte du willst mich umbringen!", schrie ich ihn entrüstet an. Völlig perplex weitete er die Augen, hob beschwichtigend die Hand und wich einen Schritt zurück. "Das habe ich nie gewollt. Ich könnte dir nie ein Leid antun", erwiderte er leicht überrumpelt. "Das ich nicht lache! Hör mal gut zu, du abgebrochener Riese, wenn du mir noch einmal so unangekündigt eine Szene machst, dass mir beinah das Herz stehen bleibt, dann Föhn ich dir den Scheitel auf Links!", brüllte ich und stapfte wieder näher an ihn heran. "Du machst was?", fragte er und hob verständnislos eine Augenbraue in die Stirn. "Du hast mich schon verstanden. So, wo wir das geklärt hätten denke ich, dass ich zur Verteilung der jeweiligen Rollen kommen kann", meinte ich und wand mich der gesamten Gruppe zu, die durch mein forsches Auftreten genauso erschrocken waren, wie durch jenes von Thorin zuvor. Der kleine Ausraster hatte mir nun wirklich gut getan und war aus meiner Sicht auch mal nötig gewesen. Doch nun wo das endlich raus war konnte ich mich wieder meiner eigentlichen Aufgabe widmen. So räusperte ich mich und musterte alle knapp, bevor ich dann meine endgültige Entscheidung verkündete. "Also, kommen wir zunächst zu den Nebenrollen. Fili, du spielst den Prinzen. Ich denke das passt auch am besten zu dir", erklärte ich und erntete von ihm eine kurze Verbeugung. Ich nickte und fuhr dann fort. "Dwalin. Dich will ich als Jäger haben", sagte ich und er nickte schnaubend mit verschränkten Armen vor der Brust. "Die Zwerge werden gespielt von Balin, Gloin, Bofur, Bombur, Ori und Bifur", sagte ich und deutete der Reihe nach auf die betreffenden Personen. Diese nickten mir ruhig zu und mancher versah mich mit einem freundlichen Lächeln. Bofur hob sogar kurz seine Mütze. Ich atmete noch einmal tief durch und widmete mich nun dem Wichtigsten. "So, nun komme ich zu den Hauptrollen. Ihr wolltet ja alle, dass ich die Prinzessin spiele. Also bitte. Dann mache ich das. Als nächstes möchte ich meine böse Stiefmutter erwählen. Kili, das wirst du sein", meinte ich und deutete auf ihn. "Ich?!", rief er entsetzt aus und sein Bruder neben ihm begann schallend zu lachen. "Ja, du Kili. Du hast leider den kürzesten Bart von allen hier und ich kann nicht meine eigene Stiefmutter spielen. Geschweige denn, dass die schönste Frau des Landes mit einem Bart bis zu den Knien herum stolziert", erklärte ich ihm und er rollte seufzend mit den Augen. "Na gut, wie du möchtest", erwiderte er und reihum verbreitete sich Gekicher. "Warte mal, Cuna. Ich habe grade mal nachgezählt. Uns fehlt noch ein Zwerg. Wir sind nur Sechs", warf Bofur ein. "Ja, das ich richtig. Nun komme ich zur wohl wichtigsten Rolle überhaupt. Der Zwerg, der das Herz der Prinzessin erlangen wird und mit ihr durchbrennt", sagte ich und sah all jene an, die ich bisher noch nicht zugeteilt hatte. Noch einmal ganz tief luftholend, drehte ich mich dann langsam zur Seite und sah den Einzigen an, der mich am Meisten von sich überzeugt hatte. "Thorin. Ich will, das du derjenige bist", sagte ich ruhig. Er legte fragend den Kopf schief und starrte mich kurz verständnislos an. "Hast du nicht vorhin gesagt, du wolltest mich nicht dabei haben?", hakte er kurz nach. "Ich habe meine Meinung eben geändert. Du hast mich mehr als alle anderen davon überzeugt, dass du es kannst. Außerdem glaube ich nicht, dass es dich lange auf deinem Stuhl im Publikum halten würde, wenn du siehst, dass ich in den Armen eines Anderen liege", erklärte ich und machte ein paar zaghafte Schritte auf ihn zu. Er ließ den Kopf etwas sinken und nickte dann vorsichtig. "Wohl wahr", meinte er schlicht, ergriff meine Hand und drückte sanft meine Fingerrücken an seine Lippen. Ich strahlte ihn liebevoll an und drehte meinen Kopf zu den verbliebenen Dori, Nori und Oin um, die ein wenig enttäuscht die Mundwinkel nach unten zogen. "Jetzt schaut doch nicht so. Für euch habe ich die wirklich allerwichtigste Aufgabe. Ihr werdet dafür sorgen, dass wir ein Bühnenbild haben. Sprich, ihr seid dafür verantwortlich, dass wir Kulissen und Requisiten vorhanden haben. Und, sofern es euch in der kurzen Zeit möglich ist, auch ein paar Kostüme", meinte ich freundlich lächelnd. "Also, wenn das alles ist, dann wollen wir das natürlich verrichten", meinte Dori und die anderen Beiden murmelten zustimmend. "Gut Freunde. Dann würde ich sagen. Ab an die Arbeit. Wir haben nur noch wenig Zeit. Aber vorher geht es erst einmal Frühstücken", meinte ich mit Blick auf die näher kommenden Zeltplatzbewohner, die sich aus ihren Zelten heraus quälten. Frohen Mutes jubelten die Herren und gingen zunächst einmal zu ihren Zelten zurück. Ich seufzte kurz und sah ihnen nach. "Du machst dich wirklich gut als Anführerin", murmelte mir der Zwergenkönig leise zu. "Ja. Vorerst zumindest. Danke. Aber ich fürchte, das wird noch ein verdammt langer Tag werden", erwiderte ich seufzend. Und ich wusste genau, dass ich mit dieser offenkundigen Mutmaßung recht behalten würde. - 55. Auftakt ins nächste Chaos / ENDE - Kapitel 56: 56. Aller Anfang ist schwer --------------------------------------- "Also noch mal von Vorne. Ihr kommt rein. Seht das alles durcheinander ist und dann sagst du, Bofur", wiederholte ich nun zum zehnten Mal innerhalb einer halben Stunde. "Es scheint jemand im Haus zu sein", erwiderte er und ich seufzte erneut. "Nein Bofur. Das ist Oris Text. Du sagst zunächst: 'Was ist denn hier geschehen?' Dann sagt Balin", meinte ich und deutete auf den alten Zwerg, der mich freundlich anlächelte. "Wer ließ die Türe offen stehen?", sagte er ganz ruhig und ich nickte zufrieden. Danach deutete ich auf Bifur, der vor sich hin grummelte und das Gesicht hinter dem langen schwarz-weißen Bart verzog. "Als ich ging war sie fest verschlossen", maulte er träge. Ich nickte ihm ebenso zu. Aber nicht ganz so zufrieden wie Balin, da ich ihm ansah, dass ihm das dauernde Wiederholen der Szene tierisch auf den Keks ging. Wie den meisten, anderen Zwergen auch. Aber was sollte ich tun? Sie hatten ja diese irrwitzige Idee gehabt und nun musste ich sie dort hindurch ziehen. Buchstäblich auf Gedeih und Verderb. Wir hatten sofort nach dem Frühstück angefangen und in der ersten Stunde danach zunächst ein paar Sprachübungen durchgenommen, damit sie sich bewusst wurden, auch klar und deutlich zu sprechen, wenn sie auf der Bühne standen. Außerdem hatte ich jedem ein kurzes Kantholzstück vom Brennholzplatz in die großen, groben Zwergenhände gedrückt. Damit sie zumindest schon einmal ansatzweise ein Gefühl für ein Mikrofon bekamen. Sie hatten mich natürlich zunächst mit Fragen bombardiert, warum sie denn ausgerechnet mit einem Stück Holz reden sollten. Aber echte Mikros wollte ich ihnen noch nicht in die Finger drücken. Davon abgesehen, dass ich auch keine hatte, also war improvisieren die einzige Möglichkeit. Doch bei dem, was sich derzeit ergab, würde ich sehr sehr viel bei unserem Auftritt improvisieren müssen. Es war nicht nur, dass sie mühe hatten sich ein paar einfache Sätze zu merken. Nein, auch wie man sie in der richtigen Stimmung auszusprechen hatte fiel ihnen ungemein schwer. So hatte Dwalin in den zuvor geprobten Szenen des Jägers, alles so trocken ausgesprochen, dass man hätte meinen können, ihm wäre die ganze Sahara zum Frühstück serviert worden. Sei es nun die mit der Königin gewesen, in der sich Kili wirklich allerhand mühe gab eine hohe Stimme zu imitieren, was unter der Gesellschaft für einiges an Gelächter sorgte. Oder eben jene in der er mich in den Wald schicken sollte, damit ich nie wieder kehrte. Aber gut, ich konnte nicht wirklich von ihnen verlangen, dass sie binnen dieser kurzen Zeit ein wahres Meisterwerk zustande brachten. Schließlich beließ ich es irgendwann dabei ihre Aussprache zu korrigieren und ließ sie einfach machen. Der Textinhalt war mir dann doch wesentlich wichtiger. Daher hielt ich mich auch sehr damit ran, dass die Zwerge, die auch im Stück Zwerge sein sollten, die Reihenfolge der Ereignisse genau einhielten. So musste ich mich öffter in Wiederholungen stürzen, da stetig einer seinen Einsatz verpasste oder den Text eines anderen aufsagte. Es fiel mir von mal zu mal schwerer geduldig zu bleiben. Aber auch bei den kleinen Männern spürte ich wachsenden Ärger, je häufiger ich sie mit einer Sache bedrängte. Schließlich warf Gloin irgendwann seine Axt zu Boden, als wir nun auch zum X-ten mal die Szene durchgingen, in der sie mich schlafend auf meiner Liege fanden, die wir dafür auf die Bühne räumen wollten. "Ich hab die Nase voll davon! Das ist absolut lächerlich! Wieso können wir das Prinzesschen nicht einfach in ihrem Bett erschlagen und damit wäre die Geschichte dann zu ende!", rief er aus und stampfte zornig herum. "Glaub mir das fände ich auch schöner. Aber es wurde sich dafür entschieden, dass wir das hier durchziehen, also tun wir das auch. Und jetzt heb deine Axt auf und bring dich in Position. Ich habe keine Lust mit euch zu diskutieren. Schon gar nicht mit dir, Gloin", meinte ich und knirschte schon gereizt mit den Zähnen. "Sie hat uns doch vorhin gesagt, dass es harte Arbeit wird. Also stell dich mal nicht so an", erwiderte Bofur ruhig. "Das ist doch keine Arbeit, das ist ein drittklassiger Zirkus. Und dann sollen wir auch noch diese albernen Mützen tragen", brummte er und schaute kurz rüber zu Dori, der bereits eifrig damit beschäftigt war aus einigen bunten Stoffetzen, die wir zufällig noch im kleinen Bastellager der Zeltstadt hatten, ein paar passgenaue Zipfelmützen her zu stellen. Er machte das für meinen Geschmack äußerst gut. Ich konnte nur immer wieder die geschickten Finger dieser Herren bewundern. Man erwartete gar nicht, dass sie mit ihren schweren, großen Hände eine solche Filigranarbeit wie Nähen zustande brachten. Wobei ich allerdings Gloin ein wenig recht geben musste, was die Bezeichnung "Albern" betraf. Da wir leider keine neutralen Farben gefunden hatten, waren in den Stoffen so bizarre Muster wie Herzchen, Blümchen und sogar Vögel vorhanden. Dennoch gab sich der etwas ältere Zwerg große Mühe, sie so gut wie möglich aussehen zu lassen. Allerdings blickte er Gloin nach dessen Aussage reichlich verstimmt an, da er so offenkundig seine Arbeit als albern bezeichnete. "Wenn du meinst es besser machen zu können, dann übernimm doch du das Nähen und ich tue das, was du tun sollst", maulte er und seine Augen funkelten dabei mahnend. "Pah, nähen. Das ist Weiberarbeit. Warum macht sie das eigentlich nicht", raunte Gloin, verschränkte die Arme vor der Brust und warf mir einen abschätzigen Blick zu. "Weil ich damit beschäftigt bin euch irgendwas beizubringen, damit wir bis heute Abend zumindest eine Kleinigkeit vorzeigen können. Und jetzt nimm deine gottverdammte Axt und geh wieder auf deine Position!", fuhr ich ihn sehr unwirsch an. Nun reichte es mir endgültig. Dieser Herr Hochwohlgeboren strapazierte wirklich mein sehr dünnhäutiges Nervenkostüm, welches ich an diesem Tag sowieso schon hatte. Ich hatte mich zwar auf deren Idee eingelassen, um so gesehen meinen Frieden mit den Männern bewahren zu können. Aber dieses Herumgezickt, war das Letzte was ich gebrauchen konnte. Schnaubend erhob ich mich von meiner Liege, auf der ich mich platziert hatte und bückte mich danach wieder, um die viel zu große und schwere Waffe am Stiel aufzuheben, die er selbst nach meiner deutlichen Aufforderung noch nicht einmal angesehen hatte. Dann stapfte ich leicht gebeugt auf den grantigen Zwerg zu, der mich plötzlich verblüfft und entgeistert ansah. Ich schleifte zwar die Klinge etwas unschön über den steinigen Boden, aber das war mir in dem Moment völlig egal. Auch wenn es noch so sehr knirschte, dass einem vom Zuhören schon die Zähne weh taten. Ich wollte, dass die Sache, die wir angefangen hatten, auch irgendwie zu ende gebracht wurde. Komme was da wolle. Als ich schließlich vor Gloin stand, fasste ich die Waffe etwas tiefer und näher an der Klinge, um das schwere Teil hoch zu wuchten. "Das würde ich nicht tun, wenn ich du wäre", hörte ich noch Thorin mahnend aus dem Hintergrund sagen. Doch da war es auch schon zu spät. Meine leicht feuchten Finger rutschten vom Holz der Stange und ich landete mit einem Ruck auf meinem Hintern. Der lange Stiel der Axt schwang dabei in die entgegengesetzte Richtung und traf den rothaarigen Zwerg ganz unvorbereitet an einer sehr unglücklichen Stelle unterhalb seiner Gürtellinie. Ich hörte wie er vor Schmerz aufkeuchte und es ihm die anderen Herren fast zur selben Zeit gleich taten. Erschrocken riss ich die Augen auf, als er vor mir auf die Knie ging. "Oh, Verdammt. Gloin, das tut mir leid. Das wollt ich nicht". stammelte ich entschuldigend. Ich rutschte auf die Knie und ging dabei etwas näher an ihn heran. Da hatte ich ihn wirklich nicht treffen wollen, egal wie wütend ich in den Moment auch gewesen war. Ich streckte langsam die Hand aus, um ihn vorsichtig an der Schulter zu berühren, doch schon schlug er diese weg und funkelte mich zornig mit seinen Zwergenaugen an. "Behalt deine Finger bei dir du Unglückswurm!", fauchte er mit einer Stimme die fast fünf Oktaven über seiner normalen lag. Ich zog meine Hand wieder zurück und seufzte. "Hättest du getan was ich dir gesagt habe, dann wäre das nie passiert", erwiderte ich trocken und stemmte mich wieder auf die Beine. "Pah. Red keinen Unsinn daher. Das machst du doch alles mit Absicht", fauchte er und kam ebenfalls in eine stehende Position zurück, nachdem er wieder Luft bekommen hatte. "Ja. Allerdings mit der Absicht, dass ihr euch ran halten sollt, wenn ihr den Quatsch hier heil über die Bühne bringen wollt. Ich verzichte schon darauf, dass ihr lernt, wie man sich auf der Bühne natürlich verhält. Das Einzige worauf ich es wirklich anlege ist, dass ihr konzentriert und diszipliniert arbeitet. Das ist wirklich nicht zu viel verlangt", meinte ich und schaute dabei reihum in die bärtigen Gesichter. "Und ich sage es noch einmal, das ist keine Arbeit. Ich hätte dem nie zugestimmt, wenn ich gewusst hätte, dass ich mich derartig lächerlich machen muss", knurrte er. "Das hab ich euch allen vorher gesagt. Aber ihr wollt ja nicht hören. Und dir hab ich vorhin gesagt, ich habe keine Lust zu diskutieren. Jetzt nimm endlich deine Axt und lass uns weiter machen. Herr im Himmel!", fluchte ich und stapfte zu meiner Liege zurück auf die ich mich fallen ließ. "Unglaublich, dass ich mich von einem Menschenweib herum kommandieren lassen muss", grollte der Zwerg ungehalten und schwang seine Axt über die Schulter. "Gloin. Du hast gehört was sie gesagt hat. Nun halte dich gefälligst auch dran", kam es ungeduldig von Thorin, der an meinem Kopfende stand und zu dem Angesprochenen hinüber sah. "Wenn es nicht auf deinen Befehl hin wäre, dann hätte ich ihr schon längst den Schädel gespalten, damit sie ihr freches Mundwerk hält", erwiderte er und trat näher. "Ja, Gloin. Wir wissen langsam, dass du mich und meine Existenz hasst, wie hunderte andere auf diesem Planeten. Aber darum geht es gerade nicht. So, jetzt ist ende mit der Diskussion. Nochmal alles von vorne", blaffte ich ungehalten Richtung Zeltdecke. Die restlichen Männer gehorchten freiwillig, auch wenn der rothaarige Zwerg noch ein wenig herum zickte. Wobei dies bis zum Mittagessen nicht die einzige Diskussion blieb. Geschweige denn der einzige Unfall. So musste ich hin und wieder unterbrechen, wenn die Herren, die für die Materialien, Kostüme und Requisiten eingeteilt waren, Fragen hatten und meine Meinung einholten, ob das was sie hergestellt hatten, denn nun so richtig und in Ordnung waren. Ich nickte das Meiste einfach ab. Zu beanstanden hatte ich in dieser Hinsicht wenig. Für die gering vorhandenen Arbeitsutensilien machten sie einen sehr guten Job. Wo es allerdings große Probleme gab, waren die Kleider der Frauen. Dafür reichten weder die Stofffetzen, noch das was ich dabei hatte. Mein blaues Bauernmädchenkleid mit den Silbernen Ärmeln war definitiv ruiniert. Auch wenn Nori sein bestes gab um die Blut und Dreckflecken dort heraus zu waschen. Eigentlich konnte ich es getrost in den Müll werfen. Doch für diesen Abend hatte ich kein besseres. Hinzu kam, dass auch Kili noch mindestens zwei benötigte, um als Königin durch zu gehen. Allerdings konnte man einmal mehr gut improvisieren, dass man ihm für die Lumpenkleider der Krämersfrau einfach ein paar Decken über warf und sein Gesicht mit einem Leinentuch verschleierte, sodass man ihn fast nicht erkannte. Die anderen Männer konnten ihre gewöhnliche Kleidung tragen, worüber sie sehr dankbar waren. Sie freuten sich allerdings weniger über die ständigen Unterbrechungen, die nun einmal auch sehr wichtig waren, damit alle voran kamen. Dann verloren sie sich wieder in schier endlosen Streitereien miteinander, in denen nicht nur mir der Krangen mehr als einmal platzte. Ich hatte wirklich Probleme sie alle so weit bei Laune zu halten, dass sie auch weiter motiviert mit machten. Wobei ich bemerkte, dass ich selbst immer weniger Lust darauf bekam, das ganze Theater weiter mit zu machen. Das machte sich umso deutlicher bemerkbar, als sie mich mit meiner Liege bei der Sargszene viel zu hoch über ihre Köpfe hoben und ich dabei extrem unglücklich auf dem Bauch landete. Grund war, dass Bifur unbeabsichtigt über einen Schemel stolperte und seine beiden Hintermänner mit sich riss, die sich nun ebenfalls auf dem Boden herum wälzten und lauthals Flüche aussprachen. "Ihr Papnasen! Passt doch mal auf!", rief ich ihnen entgegen und rollte mich keuchend auf den Rücken. "Tut uns leid, Cuna", stammelte Ori verlegen und setzte das Bett mit Balin und Bofur ab. Thorin, der dem Zug vorne weg gehen sollte, drehte sich um und hockte sich umgehend zu mir auf den Boden. "Bist du verletzt?", fragte er besorgt und versuchte mich mit einem Arm wieder hoch zu ziehen. "Nur mein Stolz", grummelte ich und klopfte meine Sachen vom Staub frei, nachdem ich wieder stand. "Ich finde wir sollten eine kleine Pause einlegen", schlug Balin mit ruhiger Stimme vor. "Der Meinung bin ich auch. Ich brauch jetzt umgehend ein Bier", kam es von Bofur, der sich mit seiner Mütze Luft zu wedelte. "Kommt ja gar nicht in frage! Hier macht keiner Pause bis es Mittagessen gibt. Und Alkohol ist bis nach der Aufführung gestrichen", fuhr ich sie an, worauf alle die Köpfe hoben und mir empörte Blicke zu warfen. "Kein Bier? Keine Pause? Bist du noch bei verstand, Cuna?", fragte Nori und erhob sich von seinem Schemel. "Ich bin mehr bei verstand als ihr wie mir scheint. Das ganze Stück sitzt Vorne und Hinten nicht. Weder der Text, noch die Abläufe. Außerdem fallt ihr ja schon nüchtern über eure eigenen Füße. Wie soll das denn aussehen, wenn ihr angeheitert seid? Wenn ihr mich dann fallen lasst, könnte ich mir da oben sämtliche Knochen brechen. Hier ist mir das vielleicht noch egal, weil die Erde etwas weicher durch das Gras ist. Aber die Bühne und der Boden davor bestehen aus hartem Holz und Metallschienen. Ihr müsst mehr bei der Sache bleiben", knurrte ich und ging dabei vor ihnen auf und ab. "Aber wir brauchen wirklich mal eine Pause. Wir üben jetzt schon seit Stunden. Und wir haben Durst", klagte Bofur. "Dann trinkt Wasser oder Limonade. Ist mir egal was. Aber es gibt weder Bier noch sonst irgendwas mit Alkohol. Und wie ich schon sagte. Ich bestimme hier wann Pause gemacht wird. Die bekommt ihr frühestens wenn es Mittagessen gibt. Ich will, dass vernünftig geübt wird! Aber wenn ihr euch weiterhin so saudämlich anstellt, streich ich das Essen auch noch! Habt ihr das endlich verstanden?!", brach es plötzlich aus mir hervor, obwohl ich es nicht hatte sagen wollen. In meiner Frustration und meinem Stress war ausgerechnet das aus meinem Mund entschlüpft. Doch als es ausgesprochen war, war es bereits zu spät. Ich konnte sehen, wie sich die Empörung der Gruppe in pure Fassungslosigkeit verwandelte. Meine Lippen und meine Hände begannen zu zittern, als eine schier endlose, angespannte Stille über uns alle herein brach. Nur Ori war der Einzige, der sich nach einigen Minuten traute schüchtern zu mir zu sprechen. "Cuna. Das meinst du doch nicht wirklich ernst, oder?", fragte dieser mit erschütterter Stimme. Mir klappte der Mund auf und wieder zu. Ein Schwall von Übelkeit und Ansätze einer Ohnmacht überkamen mich. Himmel was war nur in mich gefahren? Wie zum Teufel hatte ich so was nur sagen können? Vor allem ihnen, wo sie sich so sehr anstrengten? Ich musste das irgendwie wieder richtig stellen. Doch ehe ich Antworten konnte, kam mir Thorin zuvor und legte mir seine Hand auf die Schulter. "Das genügt. Ich habe genug gehört. Ihr legt eine Pause ein. Ich habe mit Cuna ein ernstes Wörtchen zu reden", sagte er und der Griff seiner Finger festigte sich, als er den letzten Satz beendet hatte. Die Zwölf nickten knapp und verstreuten sich dann über den Platz, um uns allein zu lassen. Der Zwergenkönig wartete bis er sich sicher war, dass keiner mehr in hörweite war, dann drehte er mich energisch zu sich um und starrte mir verbissen ins Gesicht. "Kannst du mir einmal verraten, was du dir dabei gerade gedacht hast?", fragte er umgehend und verengte die blauen Augen. "Ich. Ich hab. Ich hab nicht", begann ich zu stammeln, doch er führte meine Gedanken fort. "Du hast nicht nachgedacht. Kein Zweifel. Und falls du dich jetzt dafür entschuldigen willst, vergiss es. Das werde ich dir nicht abnehmen. Diese Bürde musst du nun tragen", sagte er und ging einen Schritt von mir weg, um mich etwas allein stehen zu lassen. "Das. Das hab ich wirklich nicht gewollt. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist", erwiderte ich völlig niedergeschlagen und atemlos. "Aber ich weiß es. Ich habe dir Macht verliehen über meine Männer und deren Handeln zu verfügen. Du hast versucht dieser Position gerecht zu werden, wie ich es eigentlich auch von dir erwartet habe. Zu Anfang verlief es recht gut. Du hast die nötige Härte und Strenge gezeigt, um alle dazu anzuhalten, sich ihrer Aufgaben bewusst zu sein. Das war gar nicht mal verkehrt. Allerdings unterliefen dir danach immer mehr Fehler. Auch wenn sie dir selbst nicht bewusst waren. Nun siehst du das Ergebnis daraus", erklärte er und umkreiste mich dabei mit langen Schritten. "Warum? Warum hast du nicht eingegriffen, bevor es soweit kam? Warum hast du mir überhaupt diese Macht anvertraut?", fragte ich und versuchte ihm mit meinen Augen zu folgen. "Weil ich sehen wollte, ob du ohne meine Hilfe fähig bist Verantwortung zu tragen. Das wird später sehr wichtig sein, wenn ich für unseren Lebensunterhalt sorge und du unsere Kinder hütest", meinte er und bliebt dann nach einer weiteren Umrundung vor mir stehen. Ich kniff die Lippen zusammen und starrte auf den Boden. In meiner Brust zog sich ein Knoten fest um mein Herz. Ich hatte seit gestern nicht mehr mit ihm darüber gesprochen. Geschweige denn, dass ich daran überhaupt noch gedacht hatte. Aber diese Sache mit den Kindern war ein Punkt, der mir sehr schwer im Magen lag. Verlegen kratzte ich mir über die Unterarme und versuchte mir in Gedanken schon einmal zurecht zu legen, wie ich es ihm so schonend wie möglich beibringen konnte, was mich in dieser Hinsicht beschäftigte. "Was ist mit dir? Denkst du über das nach, was ich dir gerade gesagt habe?", fragte er und kam wieder näher. Mir entfuhr ein tiefer Seufzer und ich hob mit einem sehr zerknirschten Gesichtsausdruck den Kopf, um ihn anzusehen. "Thorin. Es. Es tut mir leid aber. Aber das geht einfach nicht", meinte ich und er hob verwirrt die Augenbrauen. "Was geht denn nicht? Wenn du das mit meinen Männern meinst, das ist nicht weiter tragisch. Sie haben dich alle genauso ins Herz geschlossen wie du sie. Anderenfalls wären sie nach der letzten Aussage von dir mit ihren Waffen auf dich los gegangen", sagte er und legte mir mit einem sanften Lächeln seine Hand an die Wange. Ich schüttelte nur den Kopf und schob diese ganz sachte von mir weg. Im Augenblick empfand ich seine Streicheleinheiten alles andere als angenehm und passend. Es musste irgendwann raus. So oder so. Mit dem was mich beschäftigte, sollte ich gerade bei ihm nicht so lange warten, sonst wäre es womöglich beim nächsten Mal zu spät. Jedoch ließ mich sein ersterbendes Lächeln noch leicht zögern, nachdem ich seine Hand von meiner Wange nahm und diese einfach locker fest hielt. Als ich dann zu ihm sprach und ihm dabei in die Augen sah, klangen meine Worte sonderbar fremd und verunsichert. "Darum geht es gar nicht. Ich werde mich dafür noch bei den Jungs entschuldigen. Was mir im Kopf herum geht ist, das was du zuletzt gesagt hast", meinte ich und er schüttelte kurz mit dem Kopf. "Ich verstehe nicht", sagte er und sah mich genauso verunsichert an, wie ich mich fühlte. Doch so schrecklich ich mich danach auch fühlen würde, ich musste es ihm sagen. Also nahm ich all meinen Mut zusammen. "Thorin ich. Ich kann keine Mutter werden", presste ich hervor und schaute ihm gequält in die Augen. Was folgte war ein langes, angespanntes Schweigen. Ihm klappte der Mund auf und seine Augenbrauen schossen bis fast unter seinen Haaransatz. Dann schüttelte er den Kopf wie schon zuvor und auf seine Lippen trat ein eher steifes Lächeln. "Du machst Scherze nicht wahr? Ich meine, du bist doch für eine Menschenfrau noch jung und soweit gesund. Wie sollte es denn da nicht sein, dass du nicht Mutter werden könntest?", fragte er und legte den Kopf schief. Ich seufzte kurz und löste dann meinen Blick von seinen, um auf den Boden zu schauen, ehe ich fort fuhr. "Ja, das ist soweit auch richtig. Ich weiß, dass ich durchaus Kinder bekommen kann. So ist es ja nicht. Aber sieh doch mal. Ich war ja jetzt schon mit der ganzen Verantwortung, die mir übertragen wurden so sehr überfordert, dass ich es nicht mal bemerkt habe. Ich bin herrschsüchtig geworden. Und hättest du nicht zum Ende hin eingegriffen, dann wäre es vermutlich noch mehr eskaliert. Dann wäre ich vielleicht sogar gewalttätig geworden. Hätte ich es hier nicht mit dreizehn ausgewachsenen und überaus kräftigen Kerlen zu tun, die sich zu wehren wüssten, sondern mit hilflosen kleinen Kindern. Wer weiß wie das ausgegangen wäre", erklärte ich ihm und fuchtelte dabei unwirsch mit meinem freien Arm herum. Ich hatte mich so sehr in meine Worte hinein gesteigert, dass sie mich regelrecht aufwühlten und noch nervöser machten, als es die Gedanken daran schon taten. Mir war gar nicht wohl dabei ihm das so gesagt zu haben und Erleichterung stellte sich erst recht nicht bei mir ein. Schon gar nicht, weil mich ja Fili davor gewarnt hatte, ihm gegenüber nichts Falsches zu sagen, damit er nicht irgendwie ausflippte. Doch mit dem Nächsten hatte ich gar nicht gerechnet. "Cuna. Sieh mich an", drangen unverhofft schnell seine Worte an meine Ohren und ich hob meinen Kopf wieder auf Augenhöhe. Anders als ich erwartet hatte, war seine Miene ungewöhnlich sanft und ruhig. Er löste seine Hand aus meiner und griff mir damit liebevoll zwischen Nacken und Kiefer, um mein Gesicht aufrecht zu halten. Seine eisblauen Augen drangen tief in die meinen ein und strahlten dabei eine wohltuende Wärme aus, die mich einmal mehr sprachlos machte. Er war wirklich ein Mann mit tausenden von Gesichtern und Charakterzügen, die er alle bis ins kleinste Detail beherrschte und einzusetzen wusste wenn er wollte. Genauso wie er nun auch seine Worte mir gegenüber sorgsam wählte. "Cuna. Hör zu. Niemand verlangt von dir, dass du jetzt und hier alles richtig machst. Geschweige denn dass du später alles was du anfasst hin bekommst. Noch sind unsere Kinder nicht einmal gezeugt. Du wirst Fehler über Fehler machen. Aber du wirst daraus lernen. Ich habe vertrauen darin, dass du die beste Mutter werden wirst, die ich mir für meine Erben nur wünschen kann. Aber vorerst, solltest du versuchen aus den Erfahrungen zu lernen, die du jetzt machst. Und nun lass diese finsteren Gedanken los. Konzentriere dich zunächst darauf, was derzeit vor dir liegt. Aber vorher solltest du wie die anderen eine kurze Pause einlegen und deine Gedanken neu ordnen", sagte er und legte seine Stirn an meine. Nachdem er geendet hatte, schenkte er mir wieder ein aufmunterndes Lächeln. Meinen Lippen entrann ein leises Seufzen und ich schloss kurz die Augen, ehe ich leicht mit dem Kopf nickte. "Du hast recht. Ich hab es überstürzt. Am besten ist es. Wenn ich mich eben abkühlen gehe. Eine Dusche kann jetzt wirklich nicht schaden", murmelte ich mit leicht erschöpfter und matter Stimme. Er schnaubte kurz belustigt und ehe ich mich versah hatte er seine Stirn gelöst und legte seinen Lippen auf meine, bevor er mich nach ein paar Sekunden ganz los ließ. Ein wenig perplex und überrumpelt blieb ich zunächst auf der Stelle stehen und blinzelte ihm verwirrt entgegen. Der Zwergenkönig aber schritt schmunzelnd an mir vorbei und nahm auf einem der Schemel platz. Er zog seine Pfeife hervor, die er neben seinem Beutel am Gürtel befestigt hatte und begann diese zu reinigen. Wieder seufzte ich leicht und verzog mich dann hinter meinen Vorhang, um meine ganzen Duschutensilien einzusammeln. In der Zwischenzeit vernahm ich, wie sich das Zelt wieder mit Schritten und Gesprächen füllte. Die Männer waren wohl zurück gekehrt und eifrig in Plauderlaune. Ich schluckte kurz und kam dann langsam hinter meinem Vorhang hervor, woraufhin alle die mich erblickten sofort verstummten, bis auch der Letzte mich bemerkte und in Schweigen verfiel. Sie standen überall ein bisschen verteilt herum, aber sie bildeten dennoch vor dem Eingang einen Halbkreis, durch den ich wohl oder übel hindurch musste, wenn ich zu den Duschen wollte. Aber zuerst musste ich mich den Herren stellen, die mich ausdruckslos anstarrten. Ich biss mir kurz auf die Unterlippe und sah alle der Reihe nach an. Ganz sachte setzte ich einen Fuß vor den anderen, bis ich in der Mitte zwischen ihnen stand. Ich schnaufte und öffnete dann meinen Mund um zu sprechen. "Ich...", brachte ich gerade noch hervor, doch schon fuhr mir Thorin in die Parade. "Ich habe dir vorhin gesagt, ich will keine Entschuldigung von dir hören. Du gehst, sammelst dich und kommst dann wieder. Alles weitere überlässt du mir ", sagte er und stand von seinem Schemel auf. Wie auf Kommando schloss ich meinen Mund und nickte ihm knapp zu. Verwirrt warfen die übrigen Zwerge immer wieder Blicke zwischen mir und Thorin hin und her. Sie verstanden wohl nicht, was das Ganze zu bedeuten hatte und waren wohl eher darauf gefasst gewesen, von mir eine Rechtfertigung oder dergleichen zu hören. Aber wenn er es ihnen erklären wollte, so kam mir das nur gelegen. Dann brauchte ich mir zumindest darum keine Sorgen machen. Ich holte noch einmal tief Luft, nachdem mir der Zwergenkönig mit einem kurzen Kopfnicken andeutete endlich zu verschwinden und setzte meinen unsicheren Weg fort. Die Männer machten mir bereitwillig platz und schlossen den Kreis wieder, nachdem ich an ihnen vorbei geschritten war. Als ich sie hinter mir ließ, hörte ich wie sie Thorin mit allerhand Fragen bestürmten. Doch ich bekam nur Bruchstücke davon mit, da ich mich zügig daran machte zu den Duschen zu kommen. Dort angekommen schloss ich mich umgehend in der Kabine von "Marilyn" ein, wo ich im Halbdunkeln des Bretterverschlages zunächst einmal auf dem Stuhl zusammen sackte, wo ich für gewöhnlich meine Anziehsachen positionierte. In meinem Kopf drehte sich einiges. Vor allem ließen mich die Gedanken nicht los, was Thorin den anderen wohl über unser Gespräch erzählen würde und wie sie danach auf mich reagierten wenn ich zurück kam. Ich wusste zwar, dass ich ihm vertrauen konnte und dass er zu mir hielt. Dennoch war mir ein bisschen flau. Aber er hatte schon recht gehabt. Ich brauchte diese kurze Pause, um ein bisschen runter zu kommen und meine Kräfte zu sammeln, die ich für den Abend noch brauchte. Ich hatte mich wirklich wie ein riesengroßer Trampel aufgeführt. Doch er hatte mich noch im letzten Moment auf den rechten Weg zurück geleitet. Es war wieder einer dieser Augenblicke, in denen ich ihm mehr als nur dankbar dafür war, dass ich ihn kennen gelernt und an meiner Seite hatte. Auch wenn wir es beide nicht immer leicht miteinander hatten in den zwei Wochen. Aber zumindest war es hilfreich um dem jeweils Anderen näher zu kommen. Zumindest deuteten alle Anzeichen darauf hin, dass wir uns inzwischen sehr nahe standen. Ob man es nun Beziehung nennen konnte oder nicht, ließ ich dahingehend außen vor. Noch war die Sache zwischen uns viel zu frisch. Aber nachdem ich die letzten Minuten noch einmal Revue passieren ließ und mir dabei ein sanftes schmunzeln über die Lippen rann, erhob ich mich Kopfschüttelnd wieder von dem Stuhl und nahm mir ausgiebig Zeit damit mich unter dem warmen Wasser zu entspannen, und alle trüben Gedanken los zu lassen. Danach war ich wesentlich ausgeglichener und ging sogar munter Pfeifend zurück zum Zelt. Auf dem Weg dort hin stieß ich allerdings beinahe mit dem guten Rumpel zusammen, der gerade dabei war mit ein paar Bällen zu jonglieren. Wobei er sich recht ungeschickt anstellte und mir im Vorbeigehen fast einer seiner Bälle auf den Kopf knallte. Erschrocken machte ich einen Satz zur Seite und sah ihn vorwurfsvoll an. "Hey! Willst du mich erschlagen?", fragte ich ihn und hob seinen Ball auf. "Oh, tut mir leid Jacky. Ich bin nur ein wenig aus der Übung", meinte er und kratzte sich mit einem verlegenen Lächeln am Hinterkopf. Ich seufzte kurz und schüttelte dann meinen eigenen. "Ach, ist schon gut. Pass beim nächsten Mal besser auf. Probst du für deinen Auftritt heute Abend?", fragte ich ihn und beobachtete, wie er wieder anfing mit den Bällen zu jonglieren, als er alle beisammen hatte. "Ja, ganz recht. Und was planst du dieses Jahr? Wieder so eine Nummer, bei der du dich in mehrere Kostüme zwängst wie letztes Jahr?", erwiderte er und beobachtete dabei konzentriert, was er da bewerkstelligte. Ich verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln, als er mich daran erinnerte. Im Jahr davor hatte ich zum Talentabend eine Art Sailor Moon Parodie zusammen mit Rainbow und Ani-chan auf die Beine gestellt. Dafür hatten wir aber ein halbes Jahr geprobt und auch unsere Kostüme zusammen gestellt. Wir hatten es als "Aufstieg der Drachenkönigin" bezeichnet. Wir drei spielten die Kriegerinnen, die jeweils einen Aspekt der Drachen ausfüllen sollten. Mir fiel damals die Rolle des Feueratems zu. Rainbow hatte den Flügelschlag übernommen und Ani-chan war die Klaue gewesen. Am Ende der Vorstellung sollte es dann so aussehen, als wäre aus einer Fusion der drei Frauen eine Einzige geworden. Die von uns bezeichnete Drachenkönigin. Wir hatten damals Strohhalme gezogen, um zu entscheiden, wer diese am Ende spielen sollte und ich hatte da buchstäblich den Kürzeren gezogen. Ich hatte damals eine selbstgebastelte Blechkrone auf dem Kopf tragen müssen, die wir mit Goldlack bepinselt und mit Plastiksteinchen beklebt hatten. Das Kleid hatte Rainbows Mutter für mich genäht, die leidenschaftliche Hobby-Schneiderin war. Es hatte aus einem langem, wallendem dunkelrotem Stoff bestanden, dessen Ränder mit goldfarbenen Borten umsäumt waren und meine recht füllige Figur damals sehr gut kaschierten. Die Ärmel waren so lang gewesen, das sie über den Boden geschliffen waren. Auch eine Schleppe hatte ich besessen, über die ich fast jedes mal bei den Proben gefallen wäre. Ich erinnerte mich gut daran, wie mich alle Leute nach unserem Auftritt angestarrt hatten, als wäre ich das neunte Weltwunder. Eigentlich hätte ich es behalten sollen, aber ich hatte mich anders entschieden, weil ich es einfach nicht brauchte. Am Tag danach hatte ich es für gut Hundert Euro bei der traditionellen Zeltplatz-Auktion am Abschiedsabend an Rumpel versteigert, der dieses samt Krone für seinen Mittelalterverein haben wollte. Ich vermisste es nicht wirklich, da ich eigentlich genug Kleider im Schrank hatte, aber nun im Nachhinein betrachtet, hätte ich es für den kommenden Abend noch einmal gut gebrauchen können. Wehmütig beobachtete ich Rumpel, der weiter munter Bälle in die Luft warf und wieder auffing, wobei er die verschiedensten Techniken ausprobierte. "Was ist jetzt? Hast du etwas für heute Abend oder nicht?", fragte er dann und unterbrach für eine Weile seine Nummer. "Ja und nein. Ich studiere mit den Zwergen gerade eine Eigenkreation von Schneewittchen ein", meinte ich schulterzuckend und rieb mir verlegen den Arm. "Du klingst ja wenig begeistert. Läuft es denn nicht so gut?", hakte er nach. Ich seufzte kurz und nickte dann. "Es ist, sagen wir mal, eine mittelschwere Katastrophe. Sie sind nicht gerade Textsicher, haben noch nie auf einer Bühne gestanden und Kostüme haben wir auch nicht", erklärte ich ihm lang und breit. "Hrm. Das hört sich ja nicht so gut an. Aber vielleicht kann ich dir ein wenig helfen", sagte er und strich sich dabei nachdenklich mit seinem Zeigefinger über seinen kurzen Kinnbart. "Du? Wie willst du mir helfen? Außer du hättest noch irgendwo ein Wunder in deinem Zelt versteckt", erwiderte ich mit sarkastischem Unterton. Er aber begann zu kichern. "Ich glaube, das habe ich sogar. Komm doch mal mit zu meinem Zelt", sagte er, machte auf dem Absatz kehrt und ging mir voran davon. Ich legte fragend den Kopf schief und folgte ihm verwundert. Sein Zelt war eigentlich leicht zu erkennen. Nirgendwo sonst lagen so viele Sachen draußen, wie auch drinnen querbeet übereinander. Das er sich überhaupt darin zurecht fand, war allein schon das größte Wunder. Aber wie sagte man immer so schön. Das Genie überblickt das Chaos, oder so ähnlich. "Warte kurz hier. Ich hole eben was", meinte er dann und ließ mich vor seinem Sammelsurium stehen, ehe er sich mitten hinein stürzte. Ich ließ einen Moment den Blick umher schweifen und sah dann kurz auf meine Armbanduhr. Bald würde es Mittagessen geben und sicherlich fragten sich die Zwergen schon, wo ich ab geblieben war. Unruhe ergriff mein Gemüt und ich trippelte nervös mit dem Fuß auf dem Kies herum, während Rumpel in seinem Zelt wütete. Es schepperte und krachte gelegentlich. Mich hätte auch eine klischeehafte Bombenexplosion nicht verwundert, bei dem ganzen Krach. Doch dann kam er nach einigen Minuten endlich rückwärts zu mir zurück gekrochen. Er zog einen großen, blauen Kleidersack hinter sich her und drehte sich mit diesem um. "Was hast du da?", fragte ich neugierig und musterte das Ding lange. "Mach ihn mal auf", erwiderte er gelassen und mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Ich zuckte kurz mit den Schultern und griff dann nach oben, um den Reißverschluss runter zu ziehen. Als sich der Sack öffnete, sah ich bereits ansatzweise, wie mir etwas Goldenes und Rotes im Licht der Mittagssonne entgegen blitzte. Als ich bei der Hälfte angelangt war, ließ ich den Verschluss los und griff hinein. Meine Augen weiteten sich und meine Kinnlage rutschte mir mehrere Etagen nach unten, als ich den Inhalt hervor zog. Was sich mir dort offenbarte, vertrieb mir alle Sorgen und alle schlechten Gedanken des turbulenten Vormittags. Denn das was ich nun in Händen hielt, war wie Rumpel versprochen hatte, das Wunder welches ich gerade brauchte. - 56. Aller Anfang ist schwer / ENDE- Kapitel 57: 57. Kleine Geste großer Ärger ----------------------------------------- Ich war völlig außer mir. Man konnte beinahe sagen ich hätte aus dem Stand fünf Meter in die Luft springen können vor Freude. Der rote Stoff und die goldenen Bänder meines alten Kostüms glänzten so prachtvoll wie eh und je im Sonnenlicht, nachdem ich es aus dem Kleidersack befreit hatte. Mein Gesicht schmerzte schon von meinem breiten Grinsen und ließ sich auch so schnell nicht mehr vertreiben. "Rumpel!", rief ich aus ohne die Augen von diesem Prachtstück zu lösen. "Na. Hab ich zu viel versprochen? Ist noch so gut wie neu. War nicht einmal in Benutzung seit ich es dir abgekauft habe", erklärte er gut gelaunt. "Wieso das denn? Ich dachte du wolltest es unbedingt für deinen Verein haben?", fragte ich und hob leicht den Kopf. Er zuckte nur gelassen mit den Schultern. "Also, ich hab es rum gezeigt und meinem Vorstandsvorsitzenden vorgelegt. Aber der meinte das es viel zu sehr Fantasy ist. Deshalb können wir es einfach nicht brauchen. Und ich selbst zieh so was ja nicht an. Daher wollte ich es dir schon lange zurück geben. Habs aber immer wieder vergessen, wenn ich dich gesehen hab", meinte er und kratzte sich verlegen am Kopf dabei. Ich seufzte nur und schüttelte den Meinen. "Wenn deine Rübe nicht angewachsen wäre, würden die Kinder hier damit den ganzen Tag fußballspielen", sagte ich und er lachte. "Dann wäre er endlich mal zu etwas zu gebrauchen. Aber gut, dass das hier wenigstens jetzt wieder zu etwas nütze ist", sagte er und ich stopfte es wieder in den Kleidersack zurück. "Gott, Rumpel du bist echt meine Rettung. Aber ich kann dir dein Geld dafür jetzt nicht zurück geben. Ich hab derzeit nicht viel dabei und demnächst steht noch der Umzug an", erklärte ich und fühlte mich ein bisschen beschämt. Doch er grinste weiter und winkte nur ab. "Mach dir darum mal keinen Kopf. Das Geld kannst du mir jeder Zeit wieder geben. Bis dahin ist es, sagen wir mal, geliehen", meinte er und zog den Reißverschluss wieder zu. Ich war unterdessen so aufgedreht vor Freude über mein Kleid, dass ich gar nicht anders konnte, als ihm um den Hals zu fallen und ihn fest zu drücken. Zum Glück sah Thorin das nicht, sonst hätte ich mir eine ordentliche Moralpredigt von ihm anhören müssen. Noch hatte ich diesen ja nicht erlebt, wenn er einen Eifersuchtsanfall hatte und ich wollte auch eigentlich, dass das so blieb. Und wer weiß was er dann mit dem armen Rumpel anstellen würde, nur weil ich mich bedankte. "Oh, danke, danke, danke. Tausend dank Rumpelchen. Du bist ein wahrer Goldschatz!", rief ich, während ich ihn knuddelte. Er legte mir kurz einen Arm um die Schulter um den Druck zu erwidern. "Ach, ist doch kein Problem. Du weißt doch, dass ich gerne helfe, wenn jemand in der Klemme steckt. Und da ich sowieso damit zu dir wollte, warum also nicht. Aber jetzt entschuldige mich. Ich glaub das Mittagessen wird ausgeteilt", sagte er und ich ließ ihn los. Er drückte mir lächelnd den Kleidersack in die Arme und verschwand dann wieder, um auf der Suche nach seinem Essgeschirr erneut in seinem Zelt herum zu scheppern. Ich atmete erleichtert auf und machte mich schnurstracks auf den Weg zurück zu den Zelten der Zwerge. Die Stimmung dort hatte sich, wie es aussah, deutlich gebessert seit ich duschen gegangen war. Was wohl auch an der Aussicht auf ein warmes Mittagessen lag. Einige begrüßten mich schon von Ferne wieder mit einem Lächeln und einem Winken, als sie mich sahen. Was mich sehr beruhigte, da mich eine kurze Skepsis überkommen hatte als ich dort ankam. Die kleinen Herren hielten sich derzeit wieder in der Nähe ihre Schlafplätze auf und waren eifrig dabei ihre Schalen und die Bestecke hervor zu holen. "Da kommst du ja endlich. Wir dachten schon du wärst abgehauen", kam es prompt von Kili, der gerade dabei war, das provisorisch angefertigte Lumpenkleid auszuziehen. "Ja, ich hab mich ein bisschen fest gequatscht", sagte ich und setzte eine entschuldigende Miene auf. "Offenbar nicht nur das. Was trägst du da auf dem Arm?", fragte mich Thorin mit einem reichlich argwöhnischen Blick. Ich grinste ihm nur frech entgegen. "Das ist eine Überraschung. Das bekommt ihr alle später zu sehen. Zunächst einmal hab ich unheimlich Kohldampf. Ihr auch?", sagte ich munter und ging mit federnden Schritten und vor mich hin summend an den Herren vorbei, die mir alle samt mit großen Fragezeichen über dem Kopf nachsahen. Es ging mir einfach viel zu gut mit dem was ich im Arm hielt. Und ich war sehr neugierig, wie sich ihre Augen vor erstaunen weiten würden, wenn sie mich einmal in dem Kostüm sahen. Vor allem auf Thorins Reaktion war ich gespannt. Ich hoffte sehr, dass es ihm gefiel. Aber das würde ich erst sehen, sobald ich mich ihnen so präsentiert hatte. Wobei ich es wohl tunlichst unterlassen sollte mich ihnen als Drachenkönigin vorzustellen. Das Risiko, dass sie es falsch auffassen würden, war dann doch ein wenig zu hoch. Nach der Sache mit Smaug und dem Erebor, wäre ich damit schlecht beraten. Und bevor er etwas in den falschen Hals bekam, erwähnte ich die Drachenstory lieber nicht. So legte ich den Kleidersack zunächst auf den Boden, wo meine Liege sonst immer stand und suchte wie die Anderen mein Camping Geschirr heraus, damit wir geschlossen zum Mittagessen marschieren konnten. Am Küchenzelt angekommen, grinste mir Rainbow entgegen, die gerade zum Essenverteilen eingeteilt worden war. Es gab eines meiner absoluten Lieblingsgerichte. Leckere gegrillte Hähnchenschenkel und dazu ordentlich Pommes. Wobei ich dieses nicht ganz so favorisierte wie Hühnerfrikasee. Aber es kam knapp dahinter auf Platz Zwei. Ich seufzte daher ein bisschen wehmütig, als ich das sah. Eigentlich durfte ich mir gar nicht erlauben vor dem Abend zu viel zu essen, da ich sorge hatte nicht mehr in mein Kleid zu passen. Doch die gute Rainbow schien bereits mehr zu wissen als ich dachte. Sie gab mir im Gegensatz zu den Anderen nur eine halbe Portion, ohne dass ich sie darum bitten musste. Die Zwerge bekamen dafür fast das Doppelte, von dem was die Menschen aßen. Inzwischen hatte man sich sehr gut auf diese eigenartige, haarige Gesellschaft eingestellt und deren unglaublichen Appetit berücksichtigt. Gerade Bombur war da nun einmal Spitzenreiter. Auch wenn ich wusste, dass sein Bruder Bofur ihn immer wieder versuchte zu zügeln, damit auch wirklich alle etwas vom Essen hatten. Ich war an diesem Tag fast als Letzte an der Reihe, so war es nicht wirklich verwunderlich, dass mich Rainbow kurz in ein Gespräch verwickelte. "Ich habe gehört die Drachenkönigin kehrt zurück. Ist das richtig, Jacky?", fragte sie und zwinkerte mir zu. "Ja und nein. Woher weißt du?", fragte ich sie umgehend zurück, als ich mir gerade etwas Ketchup auf den Teller klatschte, wobei die fast leere Plastikflasche sehr obszöne Furzgeräusche von sich gab. Sie grinste mich breit an und meinte: "Sagen wir, es hat vorhin ordentlich gerumpelt." Ich begann schallen los zu lachen, worauf sich einige Köpfe zu mir umdrehten. Aber diese ignorierte ich konsequent, nachdem ich mich wieder beruhigt hatte. "Diese alte Quasselstrippe. Aber sag es nur nicht ganz so laut. Sonst machen die sich noch Hoffnungen, dass wir einen zweiten Teil unserer Show vom letzten Jahr präsentieren wollen. Und darauf hab ich keinen Bock", erwiderte ich und sie nickte. "Ja, ich erinnere mich gut an die kleine Panne beim Umziehen. Auch wenn es am Ende noch gut ausgegangen ist. Trotzdem wars echt unangenehm, als wir alle samt übereinander gefallen sind, nachdem wir den Vorhang hoch ziehen wollten, damit du in das Kleid schlüpfen konntest", seufzte sie leise. "Ja, wohl wahr. Zum Glück sind wir dabei nicht von der Bühne gesegelt, als das Ding am Podest hängen geblieben ist. Ich hoffe, das passiert mir heute Abend nicht. Muss eh noch sehen, wie ich das Kleid am besten auf der Liege platziere, wenn ich getragen werde", grübelte ich nachdenklich vor mich hin. "Wie? Du wirst getragen? Von wem denn?", fragte sie und beugte sich neugierig interessiert zu mir über den langen Tisch, den man als Durchreiche verwendete. Ich ruckte kurz mit dem Kopf in Richtung des Zwergentisches, wo bereits die Meisten ihr Essen in sich rein schaufelten. Rainbows Grinsen wurde noch breiter. "Ach, sieh mal an. 'Der Zwerrgenkönig und die Drachenkönigin'. Habt ihr auf die Schnelle ein kleines Rollenspiel verfasst?", hakte sie nach und schielte an mir vorbei. Ich wusste genau, dass sie gerade Thorin musterte und brauchte erst gar nicht zu fragen. Stattdessen wurde mein Grinsen ein bisschen steifer. Mit betretenem Gesichtsausdruck und beflissener Stimme erklärte ich ihr dann, was wir eigentlich vor hatten. Danach war sie es die in schallendes Gelächter ausbrach und fast die Saucenflaschen vom Tisch warf, während sie mit der flachen Hand darauf schlug. Ich rollte nur mit den Augen. "Ja, ja. Sehr witzig, Rainbow", sagte ich und zog beleidigt eine Schnute. Sie wischte sich die Lachtränen unter ihrer Brille heraus und gluckste noch, als sie mich wieder ansah. "Ganz ehrlich. Du? Und Schneewittchen? Ich hätte dir eher zugetraut, dass du den Prinzen spielst", meinte sie und hielt sich den Bauch. "Ich weiß, ich bin die wohl schlechteste Besetzung für die schönste Frau des Landes. Dafür hat meine böse Stiefmutter einen Bart. Aber ich muss zugeben Kili macht seine Sache gar nicht mal so schlecht. Ich hoffe nur, dass sie mich nicht wieder fallen lassen, wie vorhin bei der Probe", meinte ich. "Ja, das bleibt zu hoffen. Aber ich glaube, du solltest dich langsam mal zu deinem Angebeteten hin begeben. Der schaut schon die ganze Zeit mit verdammt finsterem Gesicht zu uns herüber", sagte sie und deutete dezent mit dem Zeigefinger zu ihm herüber. Ich warf einen kurzen Blick über die Schulter und nickte dann knapp. "Dann werd ich mal hin gehen, bevor er noch eifersüchtig wird", meinte ich trocken und verabschiedete mich von ihr. Zügig bewegte ich mich hinüber zu dem Haufen schmatzender und rülpsender Männer, die alle samt mal wieder großen Spaß am Essen hatten. Zumindest auf die eine oder andere Weise. Sofern einem fliegendes Pommes nichts ausmachten. Thorin versetzte Nori kurz einen kleinen Schubs, als er mich näher kommen sah, sodass ich direkt zu seiner Rechten platz nehmen konnte. Es war so gesehen, das erste Mal seit Tagen, dass wir zu Mittag alle zusammen saßen. Bisher hatte ich immer zwischen den Männern gesessen. Meistens bei Kili, Fili, Bofur und Ori oder eben mit den übrigen Zeltplatzbewohnern an einem der anderen Tische. Dieses mal war es recht neu und ungewohnt, dass ich direkt neben dem Zwergenkönig saß. Er machte damit mehr als nur deutlich, dass er mich an seiner Seite haben wollte und nicht akzeptierte, wenn ich bei solchen gemeinsamen Aktivitäten, wo andere dabei waren, außerhalb seiner Reichweite saß. Besonders fiel mir dabei auf, dass er noch nichts zu sich genommen hatte. Sein Essen war immer noch unberührt. Dafür warf er allerdings von Zeit zu Zeit wachsame Blicke am und auch neben dem Tisch umher. Erst als ich mich ordentlich hingesetzt hatte und selbst anfing zu essen, entspannten sich seine Gesichtszüge wieder. Dann nahm er ebenso einige Bissen zu sich. Dennoch hob er mit leicht verwunderter Miene die Augenbrauen, als er beim Herüberschielen sah, wie wenig ich im Vergleich auf meinem Teller hatte. "Hast du nichts mehr bekommen oder warum isst du heute nicht so viel?", fragte er mit ernster Besorgnis in seiner tiefen Stimme. "Ach nein. Ich will mich nur nicht über fressen vor heute Abend. Dann gibts auch das große Grillfeuer. Das wird euch bestimmt gefallen. Es gibt jede menge Steaks und Bratwürstchen. Außerdem will ich nachher noch in mein Kleid passen", sagte ich beiläufig und tunkte eine Pommes in den Ketchup. "Du wirst aber deine Kräfte brauchen. Hier", sagte er schlicht, hob seinen Teller und schob mir, ohne um Erlaubnis zu fragen, fast die Hälfte seiner Portion herüber. "Doch nicht so viel. Dann platzte ich ja aus allen Nähten!", schimpfte ich und sah ihn empört an. "Sei unbesorgt wegen deinem Kleid. Ich hab es mir vorhin noch einmal angesehen. Das ist so weit geschnitten, soviel kannst du hier gar nicht essen, damit du da nicht mehr rein passt", meinte Nori und knuffte mich kurz mit seinen Ellenbogen in die Seite. Von der anderen Seite kam ein kurzes, missbilligendes Knurren von Thorin, doch das überging ich vorläufig einmal. Mich überkamen nun allerdings doch kleine Gewissensbisse, da ich bisher noch nicht die Zeit hatte zu erwähnen, dass ich ein anderes Kostüm aufgetrieben hatte. Die Sache mit dem Kleid musste ich umgehend klären. Immerhin hatte der Zwerg den ganzen Morgen damit zugebracht es so gut er konnte her zu richten. Ich seufzte kurz und sah ihn ein bisschen entschuldigend an bevor ich versuchte ihn über den aktuellen Stand der Dinge zu informieren. "Ja, kann gut sein. Nur. Ähm. Ich nehme an die Blutflecken sind immer noch nicht raus gewaschen, oder?", hakte ich vorerst nach. Er schüttelte betreten den Kopf und antwortete: "Nein. Ich hab mein bestes getan. Aber die wirst du wohl heute Abend hin nehmen müssen." Ich nickte daraufhin lediglich knapp. "Schade eigentlich darum. Hat dir wirklich gut gestanden, als es sauber war", meinte er noch beiläufig und riss mit den Zähnen ein Stück Fleisch von seiner Keule ab. Ich atmete einmal tief durch und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Also, was das angeht. Naja. Eventuell hätte ich da vielleicht doch noch ein Anderes", nuschelte ich ruhig und stopfte mir gleichzeitig noch ein paar Pommes in den Mund. Nori legte fragend den Kopf schief, als ich seine Reaktion in meinem Augenwinkel beobachtete. "Was soll das heißen, du hast eventuell ein Anderes?", kam aber dann prompt die Frage von Thorin, noch ehe Nori den Mund aufgemacht hatte. Ich drehte mich ein wenig zu ihm um und zuckte mit den Schultern. "Naja, soll heißen es hat sich eventuell kurzfristig die Möglichkeit ergeben, dass ich ein anderes Kleid tragen kann", meinte ich ruhig. "War das dieses Ding, was du vorhin mit dir herum geschleppt hast, als du wieder kamst?", fragte mich Dwalin, der mir gegenüber saß und die Gesprächsfetzen wohl aufgenommen hatte. Ich nickte ihm nur ganz flüchtig zu, da ich bereits sah wie sich Thorins Augenbrauen zu Einem hoch schoben und zum Anderen zusammen zogen. Sein Blick verfinsterte sich und er presste die Lippen zusammen. Ich schluckte kurz und zwar nicht nur die Pommes runter, sondern auch irgendwie meine gute Laune, die dabei war mir gerade im Hals stecken zu bleiben. "Woher? Wer gab es dir?", fragte er dann ganz langsam und fixierte mich scharf mit seinen eisblauen Augen. "Ist das denn so wichtig? Ich meine, es ist ja nur geliehen. Es war jetzt kein Geschenk oder so", meinte ich und versuchte eine ruhige Stimme bei zu behalten. Doch da hätte ich auch mit meinem Teller reden können, der wäre genauso Aufnahme fähig gewesen wie der Zwergenkönig, dessen Miene sich von Sekunde zu Sekunde noch mehr verfinsterte. "Wer. Gab. Es. Dir?", wiederholte er sehr langsam, wobei er mit jedem Wort ein bisschen lauter zu werden schien. "Niemand den du kennst", antwortete ich rasch und versuchte mich mit Pommes und Hähnchen voll zu stopfen, um ihm nicht direkt antworten zu können. Doch da hielt er meine Hand vor meinem Mund auf und zog diese langsam, aber dennoch recht gewaltsam nach unten. "Wer? Sag es!", knurrte er mich sehr deutlich und direkt an. Mir wurde bang ums Herz. Wenn ich ihm sagte, dass ich es von Rumpel hatte, würde er gewiss durchdrehen. Andererseits übertrieb er gerade für meinen Geschmack bisschen. Immerhin hatte ich ja gesagt, dass es nur geliehen war. Von daher verstand ich gar nicht, warum er plötzlich so aufbrausend wurde. Dennoch wühlte ihn allein schon die Tatsache auf, dass ich hinter seinem Rücken, ohne sein Wissen und vor allem sein ach so königliches Einverständnis, einfach irgendetwas für mich besorgt hatte. Im nächsten Moment fiel es mir dann auch noch wie Schuppen aus den Haaren, dass ich mit dem Satz 'Niemanden den du kennst' schon zu viel gesagt hatte. Verdammt, ich musste das umgehend richtig stellen, bevor es noch ein Unglück gab. "Hör zu Thorin. Da ist nichts dabei. Ich würde es nur heute Abend anziehen und danach wieder zurück geben. Alles nur halb so wild", stammelte ich hastig vor mich hin und legte ihm meine freie Hand auf den Arm. Als er mich einige Zeit eingehend musterte, erhellte sich plötzlich seine Miene. Allerdings nicht im positiven Sinne. Nein. Er hatte wieder dieses eigentümliche, fast wahnsinnige Funkeln in den Augen, wie einst als ich seinen Arkenstein gefunden hatte. "Ein Mann, oder? Sag mir nicht, dass du es von einem anderen Mann hast!", fauchte er mich flüsternd mit erschütterter Stimme an. Mir blieben sämtliche Erklärungen in der Kehle stecken, die ich mir kurzfristig im Kopf zurecht gelegt hatte und mein Herz rutschte mir in die Hose. Dem konnte ich nichts mehr hinzu fügen. Er hatte mich definitiv durchschaut. Ich spürte wie mein Körper dagegen ankämpfte in sich zusammen zu schrumpfen, als er versuchte mich mit seinen blauen Augen nieder zu starren, um noch mehr aus mir heraus zu kitzeln. Aber ich konnte einfach nicht. Ich fühlte mich wie versteinert. Tausend Gedanken schossen mir auf einmal durch den Kopf und überfluteten meinen Verstand, dass ich gar nicht wusste, welchen ich zuerst greifen sollte. Vermutlich hätte es aber auch keinen Zweck gehabt. Thorin war nun buchstäblich kurz davor zu explodieren. Und mein viel zu langes Schweigen bestätigte ihn noch dazu, dass er die Wahrheit erkannt hatte. Zornig schob er meine Hand von seinem Arm runter und drückte dafür meinen, den er immer noch mit seiner Hand ergriffen hatte. Und zwar so fest, dass es schmerzte und mir binnen Sekunden die Finger taub wurden. "Wer ist Er? Spuck es aus! Mit wem betrügst du mich?!", fuhr er mich lauthals an und ich zuckte zusammen. Diesmal war es kein Spiel. Kein Theater wie am Morgen. Er meinte es gerade bitter ernst. Dummerweise wehte ausgerechnet in diesem Moment eine Stimme aus der Ferne zu uns herüber, bei der es mir eiskalt den Rücken runter lief, als ich sie vernahm. Das Einzige was ich dann noch dachte war, 'Oh bitte, nein'. "Ach, Jacky. Ich hab da vorhin noch das Krönchen zu dem Kleid gefunden. Muss mir wohl aus der Tasche gefallen sein. Ich bring dir das nach dem Essen vorbei", rief mir Rumpel gut gelaunt zu, als er mit seinem leeren Geschirr in Richtung der Spülküche verschwand. Das Nächste was ich mitbekam war, dass der kleine, dunkelhaarige Mann zu meiner Linken unwillkürlich von der Bank hoch fuhr, wobei er diese mit seinen Männern, die darauf saßen und inklusive mir fast um riss. Ich keuchte erschrocken und hielt mich gerade noch am Tisch fest. Auch wenn es nicht wirklich nötig war, da Thorin ja immer noch meinen Arm in seinem Schraubstock ähnlichen Griff hatte. Diesen nutzte er auch gleich aus, um mich mit auf die Füße zu ziehen, was ein erneutes Bankgewackel zur Folge hatte. Die anderen Zwerge, die sich von den unwillkürlichen Bewegungen unter ihren Hintern deutlich erschrocken hatten, drehten uns entrüstet die bärtigen Gesichter zu und beschwerten sich lauthals, was wir denn für einen wortwörtlichen Aufstand veranstalteten. Mir wurde unterdessen wieder einmal Angst und Bange vor dem Zwergenkönig. Sein Gesicht hatte sich so sehr vor Wut verzerrt, dass ich ihn nicht erkannt hätte, wäre er mir so an einem anderen Tag über den Weg gelaufen. Es war so maskenhaft vor lauter Eifersucht, die nun mehr als deutlich zu tage trat. Vor dem also hatte mich Fili erst am Vortag noch gewarnt und nun erlebte ich es unfreiwillig Live, in Farbe und drei D. Ich konnte mich bedauerlicherweise nur der Vorstellung nicht erwehren, wie ihm überdeutlich Dampf aus der Nase und den Ohren kam, so sehr brodelte es in ihm. Es war ein unmöglicher Zeitpunkt gerade in diesem Moment an so etwas zu denken, auch wenn es mit Sicherheit lustig ausgesehen hätte. Aber das war es nicht. Das war es ganz und gar nicht. Zumindest nicht für mich. Er war wirklich kurz davor richtig durchzudrehen. Trotzdem versuchte er zwanghaft seine Stimme ruhig zu halten, als er sich dazu durchrang mit mir zu sprechen. Obwohl ich mir nicht wirklich sicher war, dass er überhaupt merkte mit wem er gerade versuchte zu reden. "Der also? Dieser schmierige, kleine Hundesohn wagt es dir hinter meinem Rücken Geschenke zu machen? Und du lässt es dir auch noch gefallen?! Sogar eine Krone will er dir aufsetzen? Dieser Hänfling. Dieser Bettelknabe in seinem zerlumpten Hemd, dem nicht einmal ein Königreich gehört!", knurrte er und ich sah, wie sich seine breite Brust immer schneller hob und senkte, während er damit zu kämpfen schien mir nicht den Arm zu brechen, obwohl dieser sich bereits ansatzweise so anfühlte. "Thorin. Bitte. Hör auf. Du tust mir weh", japste ich und versuchte seine verkrampften Finger von meinem Arm los zu bekommen. Doch dafür sorgte er dann selbst schon. Mit den Worten, "Den werde ich lehren anderer Männer, Frauen zu umgarnen!" löste er seine Hand von meinem Arm und hechtete wie ein wilder Eber dem ahnungslosen Rumpel hinterher. Dabei schob er mich grob zur Seite und ich knallte gegen Nori, der mich gerade noch mit seinen Händen an meinem Rücken abfangen konnte, bevor ich noch gänzlich auf ihn fiel. "Thorin! Nein. Nein! Verdammt! Komm zurück!", rief ich ihm nach, doch er schien taub und blind geworden zu sein. Er war so schnell davon gerannt, wie ich es noch von keinem Gesehen hatte. Und das Schlimmste an der Sache war, ich konnte in dieser ungelenken Position, in der ich mich noch befand, nicht einmal hinter ihm her rennen, um ihn fest zu halten. Scheiße! Verdammte Scheiße nochmal! Was hatte ich da nur angerichtet?! Ich musste etwas tun. Zum Glück half mir der Zwerg mit der stacheligen Haarpracht in meinem Rücken mich schleunigst wieder aufzurichten. "Was in Durins Namen ist denn jetzt los?", fragte dieser und schob mich umgehend auf die Füße, nachdem er wohl diesen kleinen Schock verdaut hatte. Inzwischen waren auch Kili und Fili von anderen Ende des Tisches aufgesprungen, als sie den Tumult bemerkten. Sie warfen mir todernste Blicke zu und ich nickte verstehend. "Folgt mir! Schnell!", rief ich beiden zu und fing sofort an zu laufen, nachdem ich über die Bank gestiegen war. Diese setzten mir nach und waren bald mit mir gleich auf. Sie waren wohl neben mir die Einzigen in der gesamten Runde, die es schaffen konnten ihren vor Eifersucht rasenden Onkel noch zu beruhigen. Oder sie konnten es zumindest versuchen. Doch da waren wir uns alle drei nicht ganz sicher, ob wir es schafften. Der Zwergenkönig hatte wirklich schlimmere Stimmungsschwankungen, als eine hoch schwangere Frau auf Essensentzug. Nur war er eben keine Frau in anderen Umständen, sondern gerade ein äußerst kräftiger und wütender kleiner Mann, auch wenn er mit seiner Schusswunde ein bisschen gehandicapt war. Wir beeilten uns so schnell wir konnten zur Spülküche zu kommen, doch da hörten wir schon wie Rumpel panisch aufschrie: "Lass mich runter! Himmel! Lass mich runter!" Als wir um die Ecke bogen, hinter der unter normalen Umständen auf einem Campingtisch einige Plastikwannen mit Wasser und Spülmittel standen, in denen jeder sein Geschirr abwaschen konnte, sahen wir Thorin, Rumpel gegenüber stehen. Wobei stehen zumindest aus Rumpel Sicht die falsche Bezeichnung war. Dieser hing tatsächlich am funktionstüchtigen, ausgestreckten Arm des Zwerges einige Zentimeter in der Luft und strampelte hektisch mit den Füßen. Panisch stürzte ich auf Thorin zu, der den hilflosen Mann über sich anschrie: "WENN DU ES NOCH EINMAL WAGST MEINER FRAU GESCHENKE ZU MACHEN, HÄUTE ICH DICH BEI LEBENDIGEM LEIB! HAST DU VERSTANDEN?!" Kili und Fili beschleunigten noch einmal ihre Beine und waren knapp drei Schritte vor mir bei ihrem Onkel. "Thorin. Thorin lass ihn runter. Er hat nichts unrechtes getan", rief ihm der blonde junge zu und ergriff den ausgestreckten Arm. Sein Bruder packte Thorin vorsichtig an der verletzten Schulter und sah ihm besorgt und verstört ins Gesicht. Doch dieser ließ sich nicht von seinen Neffen beirren. Er behielt den armen Mann weiterhin an seinem Hemd gepackt über dem Boden. "Er soll mir schwören, dass er ihr nie wieder Geschenke macht! NIE WIEDER!", fauchte er und schüttelte Rumpel in dessen Gesicht die nackte Angst geschrieben stand. Und ich wusste, das er die zu recht haben konnte. Auch mir verzagte eigentlich jeglicher Mut, als ich den Zwergenkönig so ausrasten sah. Aber das konnte ich mir wirklich nicht leisten. Nicht in diesem Moment. Ich schob mich an den beiden Jungs vorbei, als ich endlich ankam und stellte mich vor ihn hin. "Thorin. Bitte. Lass ihn runter. Das ist ein Missverständnis", sagte ich mit vor Aufregung bebender Stimme. "Missverständnis nennst du das?! Wer schenkt einer Frau ein Kleid und eine Krone, wenn er nicht vorhat sie für sich zu beanspruchen!", brüllte er ohne mich anzusehen. "Thorin. Hör mir doch zu. Das Kleid und die Krone sind beide nicht von Ihm. Die haben schon immer mir gehört. Ich habe sie ihm letztes Jahr verkauft, weil ich Geld brauchte. Und nun hab ich sie mir wieder zurück geholt. Ich werde sie ihm auch wieder abkaufen. Aber bitte. Bitte hör auf mit dem Wahnsinn", bettelte ich keuchend, hob meine Hände und legte meine zitternden Finger seitlich an seinen Kopf, um diesen zu mir zu drehen, damit er mich zumindest ansah. Als er meine Hände auf seinen Wangen und hinter seinen Ohren fühlte zuckte er ganz kurz zusammen und gab dem sanften Druck nach, den ich ihm versetzte. Mir flatterten die Nerven, als ich nun seinen tödlichen Blick auffing, den er eigentlich für Rumpel reserviert hatte. Doch ich versuchte eine ruhige Miene aufzusetzen, während ich ihm ganz tief in die blauen Augen sah. Ich betete so sehr, dass ihn meine Worte erreicht hatten. Doch zunächst sagte er nichts. Er erwiderte lediglich den Blick und das ohne ein einziges Mal zu blinzeln. Schließlich öffnete er dann doch den Mund, um mich mit monotoner Stimme zu fragen: "Ist das wahr? Hast du es ihm wirklich verkauft?" Ich nickte ihm hastig zu. "Ja. Ja es ist wirklich wahr. Ich hab damals wirklich ganz dringend Geld gebraucht und er wollte es für seinen Mittelalterverein haben. Aber die haben es abgelehnt. Deshalb hat er es mir wieder gebracht. Weil ich es nicht gleich bezahlen konnte, hat er es mir nur ausgeliehen. Ich werde die Schuld bei ihm begleichen so bald ich kann. Aber dafür musst du ihn nur endlich los lassen", flehte ich ihn an. Wieder hüllte er sich danach in Schweigen. Allerdings wandelte sich sein Todesblick und wich einer sehr ausdruckslosen Miene. "Thorin, wir bitten dich inständig darum. Lass den Menschen endlich los. Er ist nur ein unbescholtener Kerl", kam es von Fili, der weiterhin bemüht war den Arm seines Onkals nach unten zu zwingen und auch Kili erhob plötzlich die Stimme. "Onkel. Bitte. Wenn du schon nicht auf uns hören willst, dann höre doch wenigstens auf Cuna", sagte er und versuchte dabei beruhigend auf ihn ein zu wirken. Doch nichts passierte. Er starrte mich nur weiterhin an. Langsam wurde ich ungeduldig und immer ratloser. Je weniger Reaktionen er zeigte, umso mehr hatte ich angst, dass er dem Ärmsten hinter mir doch noch irgendein Körperteil brechen würde. Als mir das Warten dann doch zu viel wurde, atmete ich einmal ganz tief durch und griff zu meinem letzten Trumpf den ich ausspielen konnte, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen. Ich ließ so zärtlich wie irgend möglich meine Finger durch sein langes schwarzes Haar in seinen Nacken wandern und näherte mich sachte seinem Gesicht. Er blieb immer noch unbeweglich wie eine Statue auf der Stelle stehen. Als ich ihm nah genug war, schloss ich leicht die Lieder meiner Augen und hauchte ihm ein zaghaftes aber aufrichtiges, "Ich liebe Dich" an die Lippen, bevor ich meine ganz behutsam auf seinen Mund legte. Dabei wurde mir ganz flau im Magen und mein Herz begann zu rasen wie verrückt. Ich hatte sie ausgesprochen. Die drei Worte, die ich bisher in meinem Leben nur zu einem Menschen so aufrichtig gesagt hatte, wie in diesem Augenblick. Es war, das erste Mal, dass ich sie zu ihm sprach. Und ich meinte es genauso, wie ich es sagte. Es gab keinen anderen für mich. Nicht hier oder sonst wo auf dieser Welt oder in Mittelerde. Nein. Für mich gab es nur ihn allein. Das zeigte ich ihm nun deutlicher den je. Von Kili und Fili kam ein kurzes, verblüfftes Pfeifen, wobei ich nicht sicher war, ob es die Worte waren, die sie so überrascht hatten oder die Tatsache, dass ich ihren Onkel so wagemutig in dieser unpassenden Situation küsste. Zumindest verfehlte meine spontane Aktion seine Wirkung nicht. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, ließ er ganz sachte und behutsam den strampelnden Rumpel wieder runter und löste die verkrampften Finger von seinem Hemd. Der Ärmste stolperte sofort ein paar Schritte zurück, um aus der Reichweite von Thorins kräftigen Armen zu kommen. "Himmel. Was ist nur in dich gefahren Mann?", fragte er schnaufend. Doch der Zwergenkönig ignorierte ihn nun völlig. Seine Hand landete umgehen auf meinem Rücken, wo sie zunächst einmal ruhig liegen blieb. Dann spürte, wie sich seine Lippen unter meinen vorsichtig bewegten und sein kurzer Bart mich dabei ein wenig unter der Nase kitzelte. Sein warmer Atem, der erst hastig, aber dann ruhiger werdend über mein Gesicht streichelte, berauschte umgehend all meine Sinne. Meine Finger kraulten ihn zärtlich und liebevoll im Nacken. Ich hörte wie in seiner Kehle ein entspanntes Brummen aufstieg und er ganz langsam den Kopf leicht zur Seite neigte, um mehr von mir kosten zu können. Er intensivierte kurz drauf den Kuss noch mehr, indem seine Hand von meinem Rücken an den Hinterkopf schoss, um mich noch mehr an seinen Mund zu pressen. Zaghaft spürte ich dann binnen weniger Sekunden, wie seine Zunge an meine Lippen pochte und vorsichtig um Einlass bat. Allerdings wollte ich ihn dieses mal nicht gestatten. Er war so eifrig bei der Sache, das er völlig vergaß, wo wir eigentlich gerade waren und dass uns einige zu sahen. Deshalb löste ich mich auch recht schnell von ihm, damit es nicht in spontanes Gefummel ausartete. Ich öffnete die Augen und bemerkte, dass er die seinen ebenfalls leicht geschlossen hatte und mich nun wieder mit diesem wunderschönen, verträumten Schlafzimmerblick betrachtete. Seine Hand strich mir immer noch durchs Haare und meine ruhten noch immer in seinem Nacken. Allerdings nun ohne ihn zu kraulen. "Geht es wieder?", fragte ich vorsichtig und versuchte zu erkennen, ob er wieder halbwegs bei Verstand war. Seinem Mund entkam kurz drauf ein erschöpftes Seufzen und er nickte etwas matt mit den Kopf. Ich seufzte ebenfalls, aber eher erleichtert und sah dann zu Fili rüber, der vorsichtshalber noch den Arm seines Onkels fest hielt. Er nickte mir mit einem vielsagenden Blick zu. Dann entfernte er sich von uns, um nach Rumpel zu sehen, der sich völlig fertig auf eine nahe Bierzeltgarnitur fallen ließ. Kili wich mit einiger maßen entspannten Gesichtszügen von unserer anderen Seite und gesellte sich zu seinem Bruder, der entschuldigende Worte zu dem großen, dunkelhaarigen Mann sprach. Ich hatte derweilen Zeit mich ausgiebig mit dem kleinen Mann vor mir zu beschäftigen. "Bei Durins Bart. Was ist nur in mich gefahren?", murmelte Thorin leise und schüttelte etwas benommen den Kopf. "Das war glaube ich ein Eifersuchtsanfall", erklärte ich ihm kurz und knapp, wobei ich etwas die Schultern hängen ließ. Er hob den Kopf und sah mich mit zusammen gezogenen Augenbrauen an. Seine Gesichtszüge erhellten sich wieder etwas, als er es erkannte."Mahal. Du hast recht. Ich war völlig außer mir. Hab ich dich vielleicht aus versehen verletzt?", fragte er hastig und musterte mich dann genau. Ich wog den Kopf leicht hin und her. "Naja, du hättest mir fast den Arm gebrochen", erwiderte ich aufrichtig. Sofort klappte ihm entgeistert den Mund auf. "Nein. Oh Nein. Nein. Cuna. Das hab ich nicht gewollt", sagte er und hielt mit seiner Hand in meinen Haaren inne. "Ich weiß, dass du das nicht gewollt hast. Und es war meine Schuld. Ich hätte dir direkt alles richtig erklären sollen, ohne drum herum zu reden. Ich hab es buchstäblich provoziert und einen Freund, den ich schützen wollte, damit mehr in Gefahr gebracht, als ursprünglich beabsichtigt. Ich werd das Kleid nicht anziehen, damit so was nicht noch einmal vorkommt", meinte ich bedrückt und wollte mich gänzlich von ihm lösen, damit ich zurück zum Zelt konnte, um den Grund für diesen ganzen Ärger weg zu schaffen. Doch dann hielt mich Thorin noch einmal auf, indem er mir tief und ernst in die Augen sah. "Das wirst du nicht. Bleib hier stehen", sagte er und ging dann ruhig an mir vorbei. Etwas verwirrt drehte ich mich um, als er genau auf Rumpel zu marschierte, der sich gerade durch die Worte der beiden Jungs wieder ein bisschen gefangen hatte. Er zuckte aber erneut verschreckt zusammen, als Thorin nun wieder vor ihm stand und auf ihn hinunter sah. "Bitte. Bitte nicht wieder hoch heben. Ich. Ich tue alles was du willst, aber...", stammelte er und hob abwehrend die Arme. "Sei unbesorgt Mensch. Ich werde dir kein Leid mehr zufügen. Ich will lediglich von dir wissen, wie viel du damals für das Kleid von Cuna gezahlt hast", sagte er ruhig und klang sogar ein bisschen entschuldigend dabei. Rumpel legte den Kopf mit verwirrter Miene schief und ließ die Arme langsam wieder sinken, bevor er antwortete. "Ähm. Ich. Also. Ich hab ihr hundert Euro dafür gegeben. Aber ich weiß nicht was das jetzt zu bedeuten hat", murmelte er unsicher. Thorin nickte knapp, als er den Betrag hörte und fummelte dann an seinem Beutel herum, den er am Gürtel hatte. Er nahm ihn vor und zog ein paar größere Scheine heraus, die er dem völlig überforderten Mann in die Finger drückte. "Ich denke, das wird genug sein, um ihre Schulden bei dir zu begleichen", sagte er und wand sich dann von ihm ab. Rumpel machte ein Gesicht wie ein Auto als er ganze zwei hundert Euro Scheine in die Luft hielt. "Aber das ist ja das Doppelte von dem, was ich ihr gegeben habe", sagte er ein bisschen überfordert mit der ganzen Situation. Er machte schon Anstalten einen davon an Fili zurück zu geben, doch da hob der Zwergenkönig erneut die Stimme in seine Richtung. "Ich sagte, das wird genug sein. Du hast ihre Kleidung immerhin über die Zeit hinweg verwahrt. Daher ist es nur gerecht, wenn du für diese Zeit eine höhere Entlohnung erhältst", sagte er streng und schon zog der Mann den Schein wieder zurück. "Ja. Ähm. Also. Danke. Ich. Weiß nicht was ich sagen soll ähm. Naja, ich denke ich bringe dann nachher noch die Krone vorbei und. Ja. Das tu ich dann mal. Bis später", sagte er, erhob sich rasch und nahm sein abgewaschenes Geschirr mit. Dann beeilte er sich, um von uns weg zu kommen. Ich atmete erleichtert auf und musterte den Zwergenkönig noch einmal von Oben bis Unten. "Warum hast du das gemacht?", fragte ich, als er wieder näher an mich heran trat. Er schnaubte belustigt und ein zaghaftes Lächeln trat hinter seinem dunklen Bart hervor. "Für die Frau, die mich liebt, würde ich alles tun. Aber nun ist es Zeit, dass wir wieder an die Arbeit gehen. In ein paar Stunden müssen wir fertig werden. Kili. Fili. Kommt", befahl er und seine beiden Neffen gehorchten. Auf dem Weg zurück zu unserem wohl inzwischen kalten Mittagessen, lief ich kurz zwischen den beiden Jungs und murmelte: "Das war verdammt knapp." "Ja. Das war es", meinte Kili und seufzte kurz. "Wenigstens ist dir noch die passende Idee gekommen, bevor er ganz durchgedreht ist. Lass dir das aber für die Zukunft eine Lehre sein. Diesmal waren wir beide noch dabei. Sollte es einmal dazu kommen, wenn du mit ihm allein bist, dann flehe besser die Götter um Hilfe an. Anderen falls. Nun ja du wirst es dir sicher denken können", sagte Fili und warf mir einen ernsten Seitenblick zu. Ich ließ den Kopf kurz hängen, als ich nickte. Damit hatte er nicht ganz Unrecht. Noch einmal so ein Fehler und es würde wirklich jemandem danach schlecht ergehen. Aber ich würde mich vorerst eh nicht mehr mit solchen Dingen beschäftigen können. Denn der Abend rückte näher und somit stieg nicht nur bei mir die Aufregung vor der Show, sondern auch bei den Zwergen. Es blieb nur noch abzuwarten. Wie dieser Tag nun enden würde. Denn schlimmer konnte es ja nicht mehr werden. - 57. Kleine Geste großer Ärger / ENDE - Kapitel 58: 58. Wenn der Vorhang vor der Vorstellung fällt ---------------------------------------------------------- "Jetzt halt doch mal still, Jacky! Du hüpfst ja herum wie ein kleiner Gummiball. Wie soll ich dir denn so eine anständige Frisur machen?", maulte Chu und fuhr mir mit ihrem Kamm und einer Brüste durch die langen Haare. "Tut mir leid Chu. Es ist nur. Ach, ich hab einfach Lampenfieber", erwiderte ich seufzend und musterte mein Gesicht in dem kleinen Spiegel des Klowagens. Inzwischen war es Abend geworden und alle waren mit den Vorbereitungen des Talentwettbewerbs beschäftigt. Auf dem Platz herrschte reges treiben. Einige studierten immer noch ihre Nummern ein, damit sie bis zur letzten Minute perfekt saßen. Andere liefen einfach nur ziellos herum und versuchten die letzten warmen Sonnenstrahlen zu genießen oder bereits einen Blick auf das Grillfeuer zu erhaschen, was entfacht worden war. Dafür hatte man einfach das große Lagerfeuer mit einem Dreibeingestell überdacht und eine riesige runde Metallplatte daran gehängt welche mit Alufolie ausgekleidet war. Immerhin sollte ja jeder, der nicht gerade Vegetarier war, etwas von dem leckeren Grillfleisch abbekommen, das im Küchenzelt vorbereitet wurde. Aber an Essen war in meiner Situation nicht zu denken. Nein. Mir war unendlich schlecht. Und das kam relativ selten vor wenn es um solche Auftritte ging. Dabei brauchte ich das eigentlich gar nicht zu sein. Seit dem Mittagessen war groß nichts mehr vorgefallen, was mir auf der einen Seite Hoffnung, aber auf der anderen doch wieder Sorgen machte. Unsere Proben am Nachmittag waren reibungsloser von statten gegangen als ich erwartet hatte. Was vermutlich auch daran lag, dass sich der Zwergenkönig der ganzen Sache angenommen hatte und wesentlich mehr eingriff als noch am Vormittag. Bei solchen Angelegenheiten war ich wirklich insgeheim froh, dass er mir Beistand. Vermutlich war es auch für seine Männer so wesentlich leichter nachzuvollziehen, was ich von ihnen verlangte. Gut zugegeben, schwierig war es noch immer, wenn es um die richtige Aussprache ging. Aber zumindest konnte beim letzten Durchgang jeder seinen Text endlich auswendig und wusste wann er dran war. Dennoch ließ mich einfach dieses Unwohlsein nicht los, dass das Ganze noch in einer Katastrophe enden würde, weswegen ich nicht still stehen konnte, während meine beste Freundin verzweifelt versuchte meine Haare in Ordnung zu bringen. Diese war davon natürlich weniger angetan, da sie gerade versuchte meine Krone mit in die Haare einzuflechten. Zu meinem bedauern hatte das alte, bemalte und mit bunten Plastiksteinchen beklebte Blechding doch einiges mehr an Macken als das Kleid. Ihr fehlten hier und da ein paar dieser Steinchen und der ein oder andere Zacken war reichlich verbogen und verbeult. Aber das konnte ich verschmerzen. Zumindest hatte Rumpel das Kleid gehütet wie einen Schatz und in dem stand ich nun im reichlich kleinen und weniger ansehnlichen Wagen. Gut er war soweit sauber und es stank nicht nach irgendwelchen Sachen. Aber selbst das tröstete mich nicht darüber hinweg, dass ich mich wie im Jahr davor ein bisschen Overdressed fühlte. Oder um es anders zu sagen, wie Schneewittchen auf der Dorfkirmes. Die viel zu lange Schleppe musste ich über dem Arm tragen, damit diese nicht schon vor dem Auftritt schmutzig wurde oder kaputt ging, weil vielleicht jemand versehentlich darauf trat. Von den Ärmeln ganz zu schweigen, die genauso über die Erde schliffen und als Stolperfalle für Hinz und Kunz dienen konnten, weshalb ich sie mehrfach um die Unterarme gewickelt hatte. Doch das half nicht sehr viel, da sie sich immer wieder lösten. Ich rechnete mir schon aus, dass ich wohl zwangsläufig als erste darüber fallen würde, da ich einfach ein Händchen, beziehungsweise ein Füßchen dafür hatte über solche Sachen zu stolpern. Gerade wenn ich vor Nervosität schon fast platzte. "Jacky! Verflixt und zu genäht! Du bist ja aufgeregter wie bei deiner Hochzeit", fluchte Chu hinter mir und pfriemelte an einer Strähne herum, die sich immer wieder löste, weil ich ununterbrochen auf meine Armbanduhr starrte oder zur Tür hinaus, um nachzusehen wo sich die Zwerge aufhielten. Nach der letzten Szene hatte ich mich sofort mit samt dem Kleid und der Krone zu Chu aufgemacht, um sie zu bitten mich ein bisschen ansehnlicher her zu richten. Ich wollte mich nicht direkt im Zelt der Männer in dieses Kleid schmeißen, da ich befürchtete an einem der Waffenständen hängen bleiben zu können, die mitten im Weg aufgestellt waren. Außerdem wollte ich, dass mein erstes Auftreten in diesem Kostüm für alle eine Überraschung sein sollte. Chu hatte also schon irgendwie recht damit, dass ich nervöser war wie bei meiner Hochzeit. Ich fühlte mich wieder wie kurz davor einen Bund zu schließen. Auch wenn er nur auf einer Bühne in einem kleinen Barzelt vor einigen Bekannten und Fremden vorgespielt wurde. Innerlich fühlte es sich allerdings mehr danach an, als würde ich zu einem Traualtar gehen. Wenn er auch nicht gerade Prunkvoll war. Noch konnte man es überhaupt Altar nennen. Am Ende war es ja nur meine Liege, von der ich aufstehen und dann mit Thorin Hand in Hand von dem Podest schreiten würde, nachdem ich mich zu ihm bekannt hatte. Einige Male hatten wir dies in den letzten Stunden durch geprobt und jedes mal hatte mein Herz stärker gepocht je näher der Abend rückte. Und nun war mir fast danach in Ohnmacht zu fallen oder schreiend weg zu laufen. Oder beides, aber nicht in dieser Reihenfolge. "Es ist nur ein Stück. Es ist nur ein verdammtes Stück", brüllte ich mich in Gedanken immer wieder an, um dort alles zur Ordnung zu rufen. Aber es half einfach nicht. Ständig schwirrten mir wieder diese wirren Bilder durch den Kopf. Eine Mischung aus meiner ersten Hochzeit zusammen gemixt mit Darstellungen von Thorin in seinem königlichen Gewand mit der Krone des Erebor auf dem Kopf. Diese Bilder waren so deutlich und klar, dass sie mir fast weh taten. Ich schüttelte mich kurz, was Chu dazu brachte mich an den Schultern zu packen und mir von hinten ins Ohr zu brüllen: "Jetzt hör doch mal auf, Jacky!" "Wa-was? Oh. Oh weh, tut mir leid", meinte ich und seufzte tief. "Du bist schlimm heute. Ich weiß ja, dass der Auftritt von dir und diesen übermäßig behaarten Kerlen eine große Herausforderung ist, nachdem was du mir eben schon beim Umziehen erzählt hast. Aber so hektisch habe ich dich noch nie erlebt wenn es ernst wurde", meinte sie und löste dann endlich ihre Frisier-Utensilien aus meinen fertigen Haaren. "Ach, Chu. Du hast ja nicht die leiseste Vorstellung davon, was gerade in mir vor geht. Es ist wie. Als ob. Verdammt ich könnte zum Einen heulen vor Frust und zum Anderen schreien vor Glück", stammelte ich und drehte mich zu ihr um. Meine beste Freundin hob kurz fragend die Augenbrauen hoch und zog ein langes Gesicht. "Also. Ich weiß echt nicht was du hast. Du spielst doch nur eine Rolle und er auch. In dem Fall spielt er sogar zwei. Aber was mich mal so langsam interessiert. Ihr beide seid ja inzwischen zusammen. Hat er dir denn endlich seinen richtigen Namen verraten?", fragte sie und musterte mich eingehend. Ich schluckte einen Moment. Oh weh. Mit dieser Frage hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht gerechnet. Daran hatte ich überhaupt nicht mehr gedacht. Zu sehr war ich schon in der Welt der Zwerge aus Mittelerde mit eingebunden, dass ich nicht einmal einen Plan zurecht gelegt hatte, wenn ich gefragt werden sollte, wer sie denn waren. Nun hatte ich den Salat. Und das gerade von meiner besten Freundin, die mich sofort durchschauen würde, wenn ich sie belog. Eigentlich konnte ich das auch nicht tun. Dass ich ihr gegenüber immer ehrlich gewesen war, hatte sie mir stets hoch angerechnet. Ich würde sie zu tiefst enttäuschen und womöglich sogar verlieren wenn ich dies auch nur wagen würde. Andererseits war da noch das Versprechen gegenüber den Zwergen, welches ich nicht brechen durfte. Das war mir fast noch wesentlich wichtiger. Schließlich ging es dabei um eine ganz fremdartige Welt, von deren wahrer Existenz eigentlich kein Mensch erfahren durfte. Nicht einmal meine besten Freunde. Auch wenn ich wusste, dass sie nichts und niemandem etwas erzählen würden. Es war immer noch eine Angelegenheit zwischen mir und dem Zwergenkönig. Und dessen Einverständnis brauchte ich immerhin dafür. Doch woher ihn in diesem Augenblick hervor zaubern, um ihn zu fragen? Schließlich war ich weder eine Hütchenspielerin noch ein weiblicher Gandalf. Folglich musste ich mich doch irgendwie für eine kleine Notlüge entscheiden. So schwer es mir viel. Wobei sie musste ja nicht ganz gelogen sein. Wenn ich nur den Teil wegließ, dass sie echte Zwerge waren und aus Mittelerde mit Hilfe des Arkenstein kamen. Ich versuchte mir in der Eile etwas aus den Fingern zu saugen, was zumindest halbwegs plausibel klingen konnte und die Wahrheit nur streifte, ohne sie ganz auszuplaudern. Und das musste ich schnell tun, weil Chus Blick immer eindringlicher wurde und meiner Nervosität alles andere als gut tat. "Also, Chu. Es ist so. Ich mein es ist schon lustig. Ähm. Ja, wie sag ichs dir. Weißt du Thorin. Also Thorin heißt tatsächlich Thorin. Und sogar Eichenschild mit Nachnamen, stell dir vor", stammelte ich und kicherte etwas überdreht. "Wirklich? Woher weißt du da?", fragte sie und ihr Blick wurde von mal zu mal argwöhnischer. Inzwischen brachen über all an meinem Körper kleine Schweißbäche aus, von denen ich nur hoffen konnte, dass sie mir nicht das Kleid vor dem Auftritt ruinierten. "Ähm. Ich also. Ja, das hab ich in seinem Personalausweis gesehen", meinte ich und setzte ein künstliches grinsen auf. "In seinem Personalausweis? Wirklich?", hakte sie nach. Mit einigem Unmut stellte ich fest, dass sich ihre Miene verfinsterte. Irgendetwas stimmte nicht. Auch ihre lockere Haltung versteifte sich zusehends. Es machte auf mich den Eindruck, als wüsste sie bereits viel mehr als ich nur erahnen konnte. Ich seufzte kurz als ich schließlich unter ihrem strengen Blick einknickte und schüttelte dann den Kopf. "Nein. Hab ich nicht", nuschelte ich und nun seufzte sie. "Wollte ich doch gerade sagen. Ich war nämlich dabei, als die Polizei ihn nach seinen Personalien ausgefragt hat, wo er angeschossen wurde und da hatte er nämlich gesagt, dass er so was gar nicht besitzt. Aber jetzt erklär mir mal, warum du mich belügen wolltest? Das ist doch nicht deine Art. Was ist das für ein Kerl, der dich zu so etwas bringt? Wieso um Himmelswillen nimmst du ihn in Schutz? Ist er vielleicht ein Krimineller auf der Flucht vor dem Gesetz, oder was?", bombardierte sie mich mit Fragen und ich schüttelte nur immer wieder hastig den Kopf, wobei ich schon darauf achtete, das mein Krönchen nicht runter fiel. "Nein. Nein Chu, so ist das nicht. Er ist. Er ist. Wie soll ich sagen...", murmelte ich und rieb in Panik meine klammen Hände aneinander. "Was ist es dann? In was hat der dich da rein gezogen? Bedroht er dich? Prügelt er dich oder hat er dich vielleicht sogar....", fragte sie und dann erhellte sich ihre Miene zu einer erschreckenden Erkenntnis, die sie blass werden ließ. Ihr entfuhr ein kurzes Keuchen, ehe sie anfing mich hysterisch zu schütteln und mit ihren Schlussfolgerungen fort fuhr: "Sag nicht, er hat dich. Doch nicht etwa als ihr beide unterwegs wart? Gestern Nacht oder am Nachmittag? Ich meine, als du so schmutzig warst. Was hat er dir angetan, Jacky? Mein Gott!" "Nein Chu. Dazu wäre er nie in der Lage. Das würde er nie tun!", rief ich aus und hob abwehrend die Arme. Doch ich konnte ihrem Gesicht ansehen, dass sie für sich selbst zwei und zwei zusammen gezählt hatte. "Dieses miese Schwein! Komm wir gehen zu Moe und rufen die Bullen, damit sie den Perversling abführen!", rief sie aus und ergriff mein Handgelenk, um mich hinter sich her zu ziehen. Mir blieb mein irre pochendes Herz im Halse stecken, als sie mich die metallenen Gitterstufen runter zerrte, um mich schnurstracks zur Zeltplatzanmeldung zu schleifen. Doch ich wehrte mich mit Händen und Füßen dagegen, was nicht so einfach wurde, da ich zusätzlich noch mein Kleid hoch halten musste, um nicht zu stürzen. Aber Chu war in ihrer Rage und aufgebrachten Art fast nicht zu bremsen. "Jacky! Jetzt komm schon. Wenn sie ihn einbuchten brauchst du keine Angst mehr vor ihm zu haben", mahnte sie mich und riss weiter an mir herum. "Nein, Chu. Das will ich nicht! Bleib doch stehen. Hör mir doch zu", sagte ich und versuchte verzweifelt aus ihrer Handumklammerung frei zu kommen. "Wie? Du willst das nicht? Hat er dich etwa schon so sehr in seiner Gewalt? Wie oft tut er es denn schon mit dir, dass du ihm so sehr verfallen bist?", fragte sie und sah mich empört an. "Er tut gar nichts mit mir. Ich sags dir doch. Wenn du mir doch nur einmal zuhören würdest", stammelte ich weiter vor mich hin und schaffte es endlich mich von ihrem fesselnden Griff zu lösen. "Jetzt hör aber auf. Noch nie warst du so sehr durch den Wind oder bereit einen Mann zu schützen, der derartig offenkundig Gewalt auslebt wie dieser. Der Bekloppte gehört hinter Gitter. Am besten für alle Ewigkeit. Aber schön, wenn du nicht willst. Dann gehe ich allein zu Moe und erzähle ihm, was hier vor geht", meinte sie, machte auf dem Absatz kehrt und wollte allein drauf los stiefeln. "Chu! Er ist echt!", platzte es dann aus mir heraus und binnen Sekunden blieb meine Freundin wie angewurzelt stehen. Ein langes, sehr unangenehmes Schweigen trat zwischen uns ein, während sie sich ganz bedächtig wieder zu mir umdrehte und mich völlig entgeistert ansah. Ich schluckte wieder einmal und hielt meine Schleppe fest in beiden Händen. Mir lief es eiskalt den Rücken runter. Ich hatte so eben ein sehr wichtiges Versprechen gebrochen. Ein Geheimnis ausgeplaudert, das ich geschworen hatte mit ins Grab zu nehmen. Allein diese Tatsache verpasste mir einen tiefen Schlag in die Magengrube. Wie konnte ich nur? Warum war mir das nur raus gerutscht? Thorin würde mich dafür erwürgen, wenn er es erfuhr. Und das würde er über kurz oder lang. Andererseits. Vielleicht würde er es mir ja noch einmal verzeihen können, da ich mit der reinen Wahrheit verhinderte, dass die Polizei ihn fest nahm und er dann gezwungen wurde die Wahrheit zu sagen. Nicht auszudenken, was sie alles mit ihm anstellen würden, wenn heraus kam, dass er ein echter Zwerg war. Die Vorstellung allein erschütterte mich so sehr, dass mir sofort die Tränen in die Augen schossen. Chu, die meinen innerlichen Konflikt nun mehr als deutlich in meinem Gesicht ablesen konnte, schien etwas zu erschrecken und machte zaghaft ein paar Schritte auf mich zu. "Er. Ist. Echt", wiederholte sie mit abgehackter Stimme und ich nickte knapp. "Ja. Chu. Er. Er ist der. Der echte Thorin Eichenschild", brachte ich stotternd und flüsternd über meine zitternden Lippen. Ganz zaghaft hob sie die Hände und legte sie mir zu beiden Seiten auf die Schultern. Ihre Augen sagten deutlich, wie verwirrend und unglaubwürdig das gerade klang, als ich es ihr gebeichtet hatte. Und ein bisschen mischte sich all das auch gepaart mit Angst in ihre Stimme, als sie beruhigend auf mich einredete. "Jacky. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Ich. Also ich weiß, dass er deinen Lieblings Charakter aus dem Hobbit Filmen spielt. Und ich fühle auch, dass du ihm verfallen bist. Aber. Aber denk doch mal nach. Thorin Eichenschild ist eine fiktive Figur. Nichts weiter als das Hirngespinst eines inzwischen toten Schriftstellers. Dieser Mann da. Ist nicht diese Figur. Er ist nur verkleidet. Und er ist sich dessen wohl gar nicht mehr so bewusst. Genauso wie du. Er hat dich jetzt auch offenbar mit seiner verdrehten Fantasiewelt angesteckt. Das ist schlimmer als ich erwartet habe. Ach, verdammt. Ich hätte dir nie raten dürfen, dich mit ihnen einzulassen", meinte sie und begann nun leise zu schluchzen. Ich schüttelte nur den Kopf und versuchte gegen meinen eigenen inneren Heulkrampf anzukämpfen. "Das stimmt nicht. Ich sage dir die Wahrheit. Ich. Ich kanns beweisen", meinte ich und versuchte ihr klar und deutlich in die Augen zu sehen. Sie erwiderte den Blick und schüttelte sachte mit dem Kopf. "Ist. Ist schon gut Jacky. Du brauchst mir nichts zu beweisen. Wir gehen jetzt gleich zu Moe und. Und dann klären wir das mit den Zwergen, ja?", sagte sie und drückte mich einmal fest an sich. Mir entrann ein schmerzhaftes Seufzen. Genau davor hatte ich mich die ganze Zeit über gefürchtet. Sie glaubte mir einfach nicht. Sie dachte wohl ich sei komplett übergeschnappt. Und ein Großteil in mir wollte ihr da sogar zustimmen. Dennoch sprachen all meine Beweise einfach dagegen und selbst mein Herz und mein Verstand waren sich dieser Sache mehr als sicher. Sie waren nicht gelogen. Sie waren einfach echt. Ich musste Chu nur davon überzeugen. Nur wie? Auf der Stelle und sofort war es unmöglich. Vor allem da sich uns bereits jemand näherte, der mir fröhlich entgegen rief: "Cuna! Wo bleibst du so lange?" Als ich meinen Kopf in Richtung des Rufers drehte erkannte ich, wie Bofur mit wedelnder neuer Zipfelmütze auf mich zu kam. Er war bereits mit seiner vollen Rüstung verkleidet und sah so aus, als wäre er geschickt worden mich abzuholen. Ich löste mich von Chu, die mich danach wieder an den Schultern fest hielt. Der Zwerg verlangsamte seine Schritte, bis er endlich vor uns zum Stehen kam. Er grinste sehr breit, als er mich von oben bis unten musterte. "Bei Durins Bart. Ich hätte dich ja fast nicht erkannt. Welch eine bezaubernde Prinzessin", meinte er und ergriff ungefragt meine Hand, um diese mit einem kleinen höflichen Kuss zu versehen, ohne meine Haut zu berühren. Unter anderen Umständen hätte mich dies zum Kichern gebracht. Aber es war mir gründlichst vergangen. Stattdessen konnte ich nur ein kurzes "Danke" über meine Lippen pressen. Ahnte er doch noch nicht einmal, dass ich sie gerade alle verraten hatte. Verrat. Als mir das in den Kopf stieg wurde mir schlecht. Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle übergeben. Doch dafür war meine Kehle viel zu zugeschnürt. Nicht auszudenken was geschah, wenn sie davon erfuhren. Denn dieses mal konnte ich es unmöglich verheimlichen. Noch war er ahnungslos und voller Vorfreude auf des bevorstehende Spektakel, wofür wir so hart gearbeitet hatte. Als er den Kopf hob, grinste er daher noch breiter. "Wahrlich. Wie eine echte Königin. Thorin wird überwältigt von deiner Erscheinung sein. Man schickt mich im übrigen dich zu holen, damit wir zusammen zum Schankzelt gehen können", meinte er fröhlich und sah zwischen Chu und mir hin und her. "Jacky. Bitte. Zieh das nicht durch", sagte sie mit mahnender Stimme und schüttelte mich noch einmal kurz an den Schultern. Doch ich seufzte einmal schwer und löste langsam ihre Hände. "Chu. Ich weiß du hältst mich für verrückt. Aber als meine beste Freundin bitte ich dich inständig. Warte bis nach dem Talentwettbewerb. Dann werde ich dir alles in Ruhe erklären. Ich muss aber vorher mit jemand bestimmten darüber sprechen. Wenn. Wenn das in die Hose geht, dann. Dann können wir das immer noch machen was du vor hast", erklärte ich ihr so ruhig wie es nur ging. Ich sah wie sie skeptisch und verzweifelt eine Augenbraue hob. Ich wusste, dass sie mich gerade lieber festgehalten und zur Anmeldung geschleift hätte. Aber sie behielt ihre Hände bei sich und nickte mir dann langsam zu. "Ich werde warten", meinte sie und klang sehr verbittert. Ich erwiderte ihr Nicken und wandte mich dann Bofur zu, der sich nun verwirrt am Kopf kratzte. Ich atmete einmal tief durch bevor ich mit angespannter Stimme zu ihm sprach. "Komm. Lass und gehen. Wir dürfen die Anderen nicht warten lassen", meinte ich und ging dann an ihm vorbei. "Ähm. Ja. Ich komm schon", sagte er und stolperte hinter mir her. Als er neben mir auftauchte bemerkte ich bei einem Seitenblick, dass er mich unentwegt fragend ansah. "Was ist denn?", fragte ich ungeduldig. "Sag mal. Worüber habt ihr gerade gesprochen?", hakte er nach und legte den Kopf schief. "Über nichts, was dich anbelangt", sagte ich knapp und fühlte wie sich mein Körper im Gehen etwas versteifte, je näher wir der Gruppe wuselnder, kleiner Männer kamen, die alle Sachen zusammen packten, um diese rüber zu tragen. "Aber. Cuna...", begann er, doch ich schüttelte nur den Kopf. "Konzentrier dich jetzt auf den Auftritt. Damit ja nichts schief geht", murmelte ich, wobei ich nicht wusste, ob es für ihn oder mich selbst bestimmt war. Nachdem ich ihn aber seufzen hörte, war mir klar, dass er die Sache zunächst auf sich beruhen ließ. Aber das nagende Gefühl in meinem Herzen wurde ich einfach nicht mehr los. Es wurde noch schlimmer, als ich die Zwerge erreicht hatte und ihnen reihum die Münder offen stehen blieben. Dennoch fehlte einer und das behagte mir gar nicht. "Wo ist Thorin?", fragte ich prompt, nachdem ich alle nacheinander angesehen hatte und sie sich vor lauter Komplimenten über mein Kostüm überschlugen. "Der ist gerade noch einmal los gegangen, um etwas zu besorgen", kam es trocken von Dwalin, der Kilis Bogen über der Schulter trug. "Los? Wohin? Was will er denn Organisieren?", fragte ich und in mir stieg wieder die Nervosität auf. "Hat er nicht gesagt. Er hat sich den Stein geschnappt und ist eben weg. Er meinte es würde nicht lange dauern", sagte Fili und zuckte mit den Schultern. "Moment. Er ist JETZT nach Mittelerde aufgebrochen?", rief ich aus und meine Schleppe fiel mir aus den Händen auf den staubigen Boden. "Nur die Ruhe, Cuna. Er ist rechtzeitig wieder zurück. Hab etwas vertrauen zu ihm", sagte Kili und legte mir eine Hand auf die Schulter. Mir gaben fast die Knie nach, als er das Wort "Vertrauen" verwendete. Ich konnte mich gerade noch so fangen, ehe ich fast in mich zusammen knickte. "Oh. Verzeih. Hab ich zu fest drauf gehauen?", fragt er und wollte mich festhalten. Ich schüttelte nur mit zusammengepressten Lippen den Kopf. "Ihr seht unglaublich blass aus. Fühlt Ihr Euch nicht wohl?", fragte Balin und trat mit besorgter Miene nähe. "Ich. Ja. N-nein. Bin ein bisschen. Nervös jetzt. Vor. Dem Auftritt. Hab nur etwas Lampenfieber", plapperte ich stotternd. "Was?!", riefen sie alle gleichzeitig aus. Sofort packte mich Kili etwas fester und sein Bruder ließ gerade die Waffen fallen, die er getragen hatte um zu mir zu eilen. Der Rest murmelte hastig vor sich hin und zwölf Augenpaare sahen mich verstört an. "Das ist ja schrecklich", kam es von Dori und seine beiden Brüder nickten beunruhigt. "Ist das vielleicht ansteckend?", fragte Gloin und dessen Bruder zuckte mit den Schultern. Ich verzog vor Verwirrung das Gesicht, als Fili sich genau vor mich stellte und mir seine rechte Hand auf die Stirn legte. "Deine Augen sind leicht gerötet. Du bist blass. Und warm ist deine Stirn auch. Aber ich verstehe das nicht. Wie bist du so schnell krank geworden?", murmelte er nachdenklich, als er mich forschend untersuchte. "Was tust du denn da? Ich bin nicht krank. Zumindest nicht mehr als sonst auch", erwiderte ich dem blonden Jungen und schob diesen etwas von mir weg. "Aber du hast doch gerade gesagt, dass du Fieber hättest. Und deine Freundin vorhin wollte dich doch auch davon abbringen, diesen Auftritt mit uns zu machen. Oder habe ich mich da verhört?", kam es von Bofur der skeptisch die Augenbrauen hob. Ich seufzte und schüttelte den Kopf. "Das versteht ihr mal wieder falsch. Lampenfieber ist keine Krankheit im eigentlichen Sinn. Es bedeutet lediglich, dass ich gerade sehr beunruhigt bin, mich auf die Bühne zu stellen, um dort etwas vor zu tragen", erklärte ich worauf sich allgemeines Unverständnis breit machte. "Wie kommt das auf einmal? Du hast uns doch in den letzten Stunden alles beigebracht. Wieso geht es dir plötzlich schlecht damit?", fragte Ori vorsichtig nach. "Ich. Es hat nichts mit dem Auftritt an sich zu tun. Es ist. Was anderes. Und das Thorin jetzt auch noch fehlt macht es nicht besser. Weiß jemand von euch ganz sicher, dass er pünktlich wieder da ist?", hakte ich nach, doch reihum erntete ich nur Schulterzucken. Meinem Mund entkam wieder ein tiefes Seufzen und ich legte eine Hand auf mein Gesicht, woraufhin mich Kili seinen Griff verstärkte. "Ich glaube du solltest dich setzen. Oder auf deine Liege legen. Du siehst wirklich nicht gesund aus", murmelte er mir sacht ins Ohr. "Es geht mir gut, Kili. Drück meinen Arm nicht so fest, das tut weh", erwiderte ich und versuchte mich von ihm zu lösen. Er lockerte zwar seinen Griff, blieb aber dennoch an meiner Seite. Genau wie sein Bruder, der sich auf der anderen postierte wie eine Leibwache. Offenbar hatten sie von ihrem Onkel vor seinem Aufbruch deutliche Anweisungen erhalten, sich um jeden Preis um mein Wohlergehen zu kümmern. Und ihnen würde mit Sicherheit eine ordentliche Schelte drohen, wenn sie diesem Versprechen nicht gerecht werden. Wieder durchzog mich ein nagender Schmerz in der Brust und ich schüttelte betreten den Kopf. Ich durfte nicht an so etwas denken. Das machte es umso schlimmer. Nur schaffte ich es nicht sie abzuschütteln. Es war wie in Edgar Allen Poes Roman, "Das verräterische Herz". Nur dass in meinem Fall nicht das Herz eines toten Menschen laut in meinen Ohren pochte, sondern mein Eigenes, das durch diesen Verrat einfach nicht mehr zur Ruhe kam. Diese permanenten Gewissensbisse plagten mich noch auf den ganzen Weg zum Fisse Ma "Tent" chen. Dort angekommen, waren bereits alle Bartische in die Ecke geräumt und wieder einmal lange Stuhlreihen aufgestellt worden. Neben der Bühne stand das Sofa der Jury, des heutigen Abends, die sich bereits munter plaudernd auf ihren Plätzen eingefunden hatte. Dazu gehörten unsere Heidi Krumm in ihrem typischen schwarzen Gothik-Samtkleid und den Hochgesteckten braunen Haaren, sowie der ebenso dunkelhaarige Don Mercedes Moped, der wie immer nur in Weste Schlips und Anzughose am rechten Rand saß. Als dritten hatten sie Nils den blonden Zeltstadtpraktikanten dazu gesetzt, der in seinem schwarzen Rock und dem nicht gerade dazu passenden, türkies-gelb-kartierten Hemd auf der anderen Seite von Heidi platz genommen hatte. Moe stand mit seinem Mikro auf der Bühne und machte noch den ein oder anderen Soundcheck, ehe es los ging. Nach und nach füllte sich das Zelt immer mehr und die Menschen kamen in Scharen herbei, um sich das Spektakel anzusehen oder gegebenenfalls selbst daran teil zu nehmen. Die Zwerge und ich nahmen in der ersten Reihe platz, damit wir schnellst möglichst aufbauen konnten, sobald wir dran waren. Das war allerdings nicht sofort, was zum Einen gut für die Aufführung, aber zum Anderen schlecht für meine Nerven war. Ich rutschte hibbelig auf meinem Stuhl herum und hatte mühe damit, mir nicht meine schöne Frisur mit den Fingern zu zerzausen, für die Chu so lange gebraucht hatte. Das Warten macht mich fast wahnsinnig und die ausgelassene, gute Stimmung unter Menschen und Zwergen quälte mich zusehends mehr. Schließlich sprang ich kurz vor beginn der Show einfach von meinem Platz auf und ging wortlos an den kleinen Männern vorbei Richtung Theke. "Cuna, wo willst du hin?", fragte Kili, als ich ihm entgegen kam. Er war los geschickt worden, um für die versammelte Mannschaft Getränke zu holen, damit sie sich wenigstens in der Zeit des Wartens mit etwas beschäftigen konnten. "Ich geh mir was zu trinken holen", murmelte ich ihm zu. "Brauchst du nicht. Ich hab für dich schon Wasser geholt", sagte er und wollte mir eine Flasche in die Hand drücken. Ich hob allerdings die Hand und schob sie ihm zurück. "Nicht das. Ich brauch was anderes", meinte ich trocken und ließ ihn mit ratloser Miene stehen. Aber anstatt zu den anderen zurück zu gehen kam er mir nach und stellte vorher die Flaschen auf einem der Tische am Rand ab. Ich war in der Zwischenzeit beim Barkeeper angekommen und bestellte mir ausgerechnet das was ich ihnen verboten hatte. Ein volles Glas Met. Das deutlichste Zeichen, dass es endgültig mit mir durch ging. Dass ich ausgerechnet so etwas zur Nervenberuhigung brauchte, erschütterte mich zu tiefst und im Nachhinein betrachtet kam ich mir sehr armselig vor. So etwas hatte eigentlich früher nur meine Mutter getan, wenn sie wieder in einer ihrer schweren Depressionsphasen gewesen war. Und nun lief ich Kopfüber in genau das selbe Verhalten hinein. Eines das ich bis aufs Blut immer abgelehnt und gehasst hatte. Nur wusste ich gerade in diesem Moment keinen Ausweg. Kein anderes Mittel um meinen Geisteszustand zumindest in eine Richtung zu lenken. Ich wollte vergessen, was ich getan und gesagt hatte. Ich kam mit dem Wissen, jemanden so betrogen zu haben einfach nicht klar. Es war unverzeihlich in beiderlei Hinsicht. Zum Einen, der Verrat an sich und zum Anderen, dass ich meine Prioritäten hiermit beinahe zu Grabe getragen hätte, wäre mir Kili nicht in die Parade gefahren und hätte mir das Glas aus der Hand gerissen, als ich es gerade an den Mund setzen wollte. "Hey! Gib das wieder her!", protestierte ich und wollte es mir zurück holen, doch als ich mir seinen strengen Blick einfing, zog ich unwillkürlich die Hand zurück. "Was in Durins Namen ist in dich gefahren, Cuna?", raunte er mich an und stellte das Glas kräftig auf die Theke, sodass es richtig knallte und sich ein paar Leute kurz empört umdrehten. "Ich. Ich. Gar nichts. Ich wollte nur", stammelte ich und schluckte dann, als er mich noch schärfer ansah. Diesen Ausdruck in seinen Augen kannte ich auch noch nicht. Und wie bereits bei seinem Bruder wurde mir die Familienähnlichkeit zu seinem Onkel deutlich bewusst. Diese harten, majestätischen Gesichtszüge waren unverkennbar. Hätte er nicht braune Augen gehabt, so wäre ich davon ausgegangen, Thorin in jungen Jahren vor mir zu haben. Ich schüttelte einen Augenblick den Gedanken ab und bekam dann eine ordentliche Standpauke von ihm. "Was tust du hier nur? Du hast uns untersagt Alkohol zu uns zu nehmen und selbst hältst du dich nicht dran. Das kann doch nicht wirklich dein Ernst sein. Ich bin maßlos enttäuscht von dir", knurrte er und funkelte mich wütend an. "Was ist denn hier los?", kam plötzlich die Stimme seines Bruders von der Seite, kurz bevor dieser bei uns auftauchte. "Was los ist? Cuna will sich vor unserer Nase betrinken", sagte er und deutet dann auf das Glas Met auf dem Tresen. Ich schluckte schwer, als auch Filis Gesicht den selben Ausdruck annahm wie sein Bruder. Schnaubend sah er mir ins Gesicht und fasste mich grob am Arm. "Komm mit", meinte er barsch und zog mich hinter sich her. "Wa-Warte. Wohin denn, Fili?", fragte ich und hob hastig meinen Rocksaum. "Nach draußen", knurrte er über die Schulter und schon waren wir zu dritt durch die Menge vor das Zelt gelangt und stellten uns mit einigem Abstand zu den kleinen Grüppchen Rauchern auf, die noch einmal ihren blauen Dunst in vollen Zügen genießen wollten. Der junge Zwerg zog mich neben das Häuschen vom "ROZ" und drückte mich mit dem Rücken an die Holzwand. Kili trat etwas versetzt hinter ihn. Beide sahen nicht nur wütend, sondern auch unendlich besorgt aus. "Was ist geschehen?", fragte der ältere von beiden gerade heraus. Ich atmete stoßweise und biss mir auf die Lippen. "Ich. Ich weiß nicht, worauf du hinaus", stotterte ich hastig, doch schon knallten links und recht neben mir zwei kräftige Hände auf das braune Holz, was einen ordentlichen Krach verursachte. "Versuch dich nicht raus zu winden. Ich hab eben mit Bofur gesprochen. Er meinte, du und deine Freundin. Diese Chu. Ihr hättet irgendwas besprochen und wolltet euch noch einmal darüber unterhalten, wenn das hier vorbei wäre. Du wolltest wohl auch noch mit jemand anderem sprechen. Also, red nicht lange drum herum sondern sag es einfach", fauchte er mich barsch an. Mein Herz bekam einige Aussetzer. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt musste ich in diese Konfrontation geraten. War der Tag denn nicht schon schlimm genug gewesen? Musste das auch noch auf mich ein prasseln? Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich verstand mich selbst nicht mehr. Ich konnte nichts anderes mehr tun, als dem Jungen vor mir verzweifelt um den Hals zu fallen und drauf los zu schluchzen, wobei ich mir alles auf einmal von der Seele redete. "Ich hab. Ich hab euch verraten. Ich hab euch alle verraten. Ich wollte das nicht. Ich hatte angst davor, man würde euch weg schaffen", klagte ich und krallte mich fest in die Lederweste des blonden Zwerges. "Cuna? Was ist? Was meinst du denn? Sprich deutlich!", fragte dieser sichtlich überrascht und überfordert mit meinem Heulanfall. Ich versuchte ruhiger zu atmen, um es ihm dann etwas verständlicher zu erklären. Aber das machte es nicht gerade weniger schmerzhaft. "Chu. Chu hat mich nach Thorins wahren Namen gefragt. Ich. Ich hab versucht ihr zu eine Notlüge aufzutischen. Die hat sie aber durchschaut. Und dann dachte sie Thorin hätte mir irgendwas angetan, weshalb ich ihn in Schutz genommen hätte. Und. Und dann wollte sie mit mir die Polizei holen, damit sie ihn einfangen und weg sperren. Ich. Ich hatte keine andere Wahl, Fili. Ich. Ich hab ihr gesagt, dass. Dass ihr echte Zwerge seid und auch wirklich die, die ihr eben seid. Und ich hab ihr Beweise versprochen", presste ich mühsam unter meinem Schluchzen hervor. "Du hast ihr Beweise versprochen? Was denn für Beweise?", fragte Kili entsetzt aus dem Hintergrund. "Des. Deshalb. Wollte ich vorher mit. Mit Thorin reden. Ich wollte, dass er es als erster erfährt, was ich getan habe. Ihr solltet davon nichts wissen. Keiner von euch. Ich hab heute und gestern schon zu viel Scheiße gebaut. Und jetzt auch noch das. Ich. Ich kann nicht mehr", jammerte ich und drückte den jungen Zwerg nur noch fester. "Was für Beweise, Cuna? Bleib bei der Sache", ermahnte mich dieser streng. Allerdings versuchte er trotz seiner forschen Worte, mich mit vorsichtigem Hinterkopf- und Rückenstreicheln zu beruhigen. Unter großer Anstrengung brachte ich dann, das über die Lippen, was ich ursprünglich für Chu vorgesehen hatte. "Ich. Ich wollte. Dass er sie Einweiht. Ich wollte. Dass er. Ihr den Arkenstein zeigt", stammelte ich. Nun trat Schweigen unter den Brüdern ein. Filis Hand hielt auf meinem Rücken inne. Sie waren wohl mehr als geschockt von meinen Worten. "Wie. Wie konntest du ihr nur so etwas versprechen?", fragte Kili leise, als er sich wieder gefangen hatte. Er war näher gekommen und eine weitere Hand legte sich auf meinen Rücken. "Ich. Ich wollte das nicht. Ich wollte euch nicht verraten. Ich wollte Thorin nicht verraten. Ich hatte nur so eine Angst, dass sie ihm etwas antun, wenn Chu die Polizei gerufen hätte. Ich wollte ihn doch nur beschützen. Und jetzt. Jetzt wird er mich auf ewig hassen, wenn er von meinem Verrat erfährt", sagte ich und hustete kraftlos. Einen Moment lang taten oder sagten beide nichts. Sie blieben einfach nur bei mir stehen und wussten nicht wirklich, was sie machen sollten. Dann ließen sie mich auf einmal ruckartig mit einem Keuchen los und ich hob verwirrt den Kopf, ohne die Augen zu öffnen. Ich wischte mir nur die Tränen weg und atmete tief durch. "Ich. Ich weiß, was ihr jetzt von mir denkt. Ich habs mir endgültig mit euch allen versaut. Es. Ich glaube es wäre besser wenn. Wenn ich verschwinde und euch nie mehr unter die Augen komme", nuschelte ich und wollte mich gerade zur Seite umdrehen, als sich von dort zwei kräftige Arme um mich schlossen. Der Jemand packte mit der einen Hand meinen Hinterkopf und drückte so mein Gesicht in ein weiches duftendes Fell. Die Andere verharrte umgehend auf meinem Rücken. Ich wusste erst gar nicht wie mir geschah, noch wer sich dazu erdreistete, mich so wortlos und bestimmend an sich zu drücken. Bis mir eine wohlig, warme, tiefer Stimme sanft ins Ohr flüsterte: "Du gehst nirgendwo hin. Nicht bevor dieser Abend endet." -58. Wenn der Vorhang vor der Vorstellung fällt / ENDE - Kapitel 59: 59. Ein Abend voller Ereignisse ------------------------------------------- Mein Körper versteifte sich. Mein Atem schien kurz aus zusetzten, genauso wie mein Herzschlag, als mir bewusst wurde, wer mich da gerade in die Arme gezogen hatte. Ich wusste nicht was ich sagen oder wie ich reagieren sollte. Noch war ich völlig Ahnungslos, was er alles mit angehört hatte. Daher stellten sich mir vor lauter Panik schon wieder die Nackenhaare auf und ich zitterte vor Anspannung. Er aber blieb vergleichsweise ruhig und strich mir vorsichtig über den Hinterkopf. Mein Gesicht ruhte im Fell seines langen Reisemantels, sodass ich dessen Duft mit jedem Atemzug inhalierte. Doch so herrlich es sich sonst für mich anfühlte, so unwillkommen war es mir in dieser prekären Situation. Ich fühlte mich wie in einer Falle. Hilflos in seiner Umarmung gefangen, die mich zwar nicht erdrückte, aber dennoch fest umschloss. Nachdem er mir die beiden Sätze zu gemurmelt hatte spürte ich, wie er den Kopf leicht hob, um seine Neffen anzusehen. "Ihr beide geht zurück zu den Anderen und gebt ihnen die Nachricht, dass ich zurück bin", sagte er in seinem altbekannten Befehlston, der mir inzwischen so vertraut war, wie sein betörend männlicher Duft , der mir fast den Verstand raubte. "Ähm. Ja, Onkel. Aber. Was ist mit dir und... ", stammelte Kili ein wenig perplex vor sich hin und ich wusste, dass er dabei zu mir schaute, auch wenn ich ihn selbst nicht sah. Doch der Zwergenkönig ließ ihn gar nicht erst ausreden. "Ihr geht. Alle beide. Ich habe hier noch eine Kleinigkeit zu erledigen", raunte er mit leichten Druck auf meinen Hinterkopf und schon vernahm ich von den beiden jungen Zwergen ein leises Seufzen, ehe sich zwei paar Stiefel knirschend auf dem Kies entfernten. Erst als sie verschwunden waren, schob mich Thorin langsam von sich weg und hielt mich auf Armlänge fest. Mein Körper fühlte sich trotz der sommerlichen Temperaturen auf einmal ganz klamm an, als er mich mit seinen eisblauen Augen prüfend musterte. Meine Lippen und Finger zitterten, während ich seine Begutachtung über mich ergehen ließ. Dann hob er endlich seinen Blick und schaute mir bitter ernst in die Augen, ehe er nach diesem längeren Schweigen wieder zu mir sprach. "Du bist so wunderschön, dass selbst das prächtigste Juwel Mittelerdes dagegen erscheint wie wertloses Glas", murmelte er vor sich hin. Mir blieb vor Erstaunen und Schreck die Spucke im Hals stecken, als ich dies von ihm hörte. Damit hatte ich in dieser Situation mal überhaupt nicht gerechnet. Das hatte wirklich noch kein Mann zu mir gesagt. Sicher, ein "schönes Kleid" und "Steht dir gut" hatte ich an diesem Tag oft gehört, aber so ein Kompliment? Und dann auch noch von ihm? Das überforderte und verwirrte mich schon sehr. Ich brachte nicht einmal ein Danke heraus. Was ich eher von mir gab, ähnelte mehr einen verzweifelten Gurgeln. Eine Mischung aus Kichern und Unsicherheit. Vermutlich auch ausgelöst durch meinen vorherigen Tränenausbruch. Doch ich wusste, dass das nicht das Einzige sein würde, was er sagen wollte. Und meine Vermutung bestätigte sich wenig später, nachdem er sich von meinen Augen und seine schweren Hände von meinen Armen löste. Als er weiter sprach, ging er langsam um mich herum. Wie ein hungriger Wolf um sein wehrloses Opfer. "Ich hoffe du hast dich gut auf den Abend vorbereitet, Cuna", meinte er mit beiläufigen Ton, der nichts Gutes zu verheißen hatte. Ich sagte nichts. Jedes Wort konnte im Augenblick zu viel des Guten sein. Stattdessen beobachtete ich ihn im Augenwinkel, wie er um mich herum schlich, während ich den Kopf zu Boden senkte. Er schien hingegen bereits zu merken, dass ich wusste, worauf er eigentlich hinaus wollte und fuhr dann nach kurzem wachsamen Schweigen mit dem eigentlichen Thema fort. "Ich hatte ja wirklich viel erwartet, als ich hier her zurück kam. Aber beileibe nicht das, was ich nun hier vorgefunden habe", sagte er und mit jedem Wort schwang in seiner Stimme ein verärgertes Knurren mit. Nachdem er die dritte Runde um mich herum gedreht hatte, schaffte ich es endlich den Spuckball runter zu schlucken, der sich in meiner Kehle festgeklammert hatte und bekam doch einige abgehackte Wörter aus meinem Mund. "Es. Tut. Mir. Leid", stammelte ich und krallte meine Finger in den luftig leichten, roten Stoff. "Leid tut es dir? Das will ich dir auch geraten haben. Nun muss ich aber gestehen. Was anderes habe ich auch nicht von dir erwartet. Um ehrlich zu sein, hatte ich schon am ersten Tag damit gerechnet, du würdest zusammen brechen und unser Geheimnis aus plappern. Du hast länger durchgehalten als ich vermutete. Dennoch war es wirklich nur eine Frage der Zeit, bis du mich dahingehend genauso enttäuschst, wie alle Mitglieder deines Volkes. Für derartige Versprechen seid ihr Menschen ja mehr als bekannt. Daher trauen wir euch fast nie über den Weg", sagte er und blieb dann vor mir stehen. "Ich. Wollte. Das. Nicht.", stammelte ich ihm weiterhin abgehackt entgegen ohne aufzusehen. Stattdessen begnügte ich mich damit seinen unruhig wippenden Fuß zu beobachten. Er gab einen tiefen Seufzer von sich. "Nein. Natürlich wolltest du das nicht. Das wollt ihr Menschen nie. Und glaube mir, ich war in meinem ganzen Leben noch nie so von jemandem erschüttert in meinem Vertrauen wie jetzt", meinte er mit wütendem Schnauben. Mit jeder Silbe machte er mir mehr und mehr deutlich, wie sehr ihn die Sache in diesem Augenblick traf. Er hatte ja allen Grund sich so zu fühlen. Wobei mich auch ein wenig das Gefühl einer ungerechten Behandlung in mein Gewissen stach. Immerhin hatte ich es nicht einfach so vor mich her geplappert, wie ein Wasserfall, sondern versucht gerade ihn mit der Wahrheit vor Schlimmeren zu beschützen. Nur war das meinem Empfinden nach für ihn, wie ein schwerer Treuebruch. Dabei wusste ich ja wie wichtig ihm gerade dieses eine Kredo war, dass er sich schon für seine Männer auf die Fahne geschrieben hatte. Und das es mir passiert war, war doppelt so schlimm. Dennoch versuchte ich ihm verzweifelt nach Worten ringend zu erklären, welche Absicht ich mit diesem schweren Verrat eigentlich verfolgt hatte. Auch wenn das hieß, dass er sich gegebenenfalls für immer von mir lösen würde. Denn ich fürchtete, dass es darauf hinaus laufen würde. "Hör. Hör zu. Ich. Ich hab Mist gebaut. Großen sogar. Und du hast jedes Recht dazu, mir dafür ordentlich eine rein zu würgen. Ich. Ich will nur, dass du weißt. Dass ich es getan habe, weil. Weil ich dich um jeden Preis schützen wollte. Ich wollte nicht, dass. Dass sie dich mitnehmen, wegsperren und. Und vielleicht sogar töten", presste ich mit zugeschnürter Kehle hervor und merkte nebenbei, wie meine Hände sich fester in dem Stoff meines Kleides hinein bissen, dass ich zusätzlich noch Angst hatte, wenn ich es los ließ, überall Löcher zu haben. "Du rechtfertigst dich schon wieder für deine Fehler und hoffst es damit ungeschehen zu machen. Doch es ist ausgesprochen worden. Zurücknehmen kannst du es nun auch nicht mehr. Und milde gesagt, sind mir deine Absichten in dieser Beziehung egal. Das Einzige was dir bleibt ist zu erdulden, was ich für dich ersinne", fuhr er mich kurz barsch an, sodass ich zusammen zuckte und den Kopf noch tiefer senkte. Er war unglaublich wütend. Doch das musste ich in kauf nehmen. Ich hatte mir diese Suppe richtig tief eingebrockt. Nun musste ich den Topf auch leeren oder jämmerlich darin ertrinken. "Ich werde jede Strafe akzeptieren, die du mir auferlegst", entgegnete ich knapp und reumütig. Weiter auf den Boden starrend, sah ich wie Thorins Stiefel sich langsam auf mich zu bewegten, bis er wieder wesentlich näher bei mir stand. Er schwieg und dachte wohl angestrengt über meine Worte nach, die ich ihm aufrichtig vorgetragen hatte. Ich konnte regelrecht hören, wie er sich mit einer Hand durch den kurzen Bart strich und hin und wieder vor sich hin schnaufte. Die Sekunden strichen mal wieder dahin wie Minuten und aus dem Fisse Ma "Tent" chen war bereits die Begrüßungsrede von Moe zu hören und der Applaus des Publikums. Endlich, nach einer ganzen Weile rührte sich der kleine dunkelhaarige Mann vor mir wieder, als er sich zu guter Letzt zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. Wobei man es nicht wirklich Entscheidung nennen konnte, denn er stellte mir lediglich eine Frage. "Sag mir, was soll ich mit dir anstellen?", sagte er in grüblerischem Ton. Nun war ich doch etwas baff und hob ruckartig den Kopf, sodass ich ein unangenehmes Knacken in meinen Halswirbeln spürte. "W-Was?", stotterte ich und musterte ihn verwirrt. Seine Miene war unergründlich. Er stützte seinen verwundeten Arm mit dem Anderen ab und strich sich mit einer Hand unter seinem Kinn entlang. Nun fiel mir auch auf, dass er seinen Arm aus der Schlinge genommen hatte, die er eigentlich immer noch tragen sollte. Es war zwar nicht wirklich wichtig in diesem Moment, dennoch regte es mich auf einer Seite ein wenig auf, dass er nicht auf seine Gesundheit achtete. "Ich habe dich gefragt, was ich mit dir anstellen soll", wiederholte er und löste diesen, um ihn an seiner Brust mit dem anderen Arm zu verschränken. Wieder musste ich schlucken, wobei ich kurz ratlos mit den Schultern zuckte. Er verlangte ausgerechnet von mir, die diesen Bock erst geschossen hatte, wie ich von ihm bestraft werden sollte und seiner Haltung nach zu urteilen meinte er es auch noch ernst. Mir klappte ein paar Mal der Mund auf und zu, doch anstatt etwas von mir zu geben schüttelte ich nur irgendwann matt den Kopf. Er seufzte leise und tat es mir gleich. Nun konnte ich ihm deutlich am Gesicht ablesen, wie enttäuscht er wirklich war. Dennoch atmete er einmal tief durch, löste dann beide Arme aus der Verschränkung und legte mir einen auf die Schulter. "Du musst mir nicht jetzt Antworten, wenn du es nicht kannst. Aber ich erwarte eine von dir, wenn wir diesen Auftritt heil hinter uns gebracht haben. Nun lass uns rein gehen, damit wir die Anderen nicht warten lassen", meinte er schlicht und zog mich an der Schulter gepackt neben sich her. Ich vermutete, dass er dies tat, damit ich nicht dem Fluchtreflex verfiel, der sich in meinen Beinmuskeln breit machte. Doch es wäre sowieso unmöglich gewesen. Er hielt mich dafür fiel zu fest und unter Beobachtung. Wieder im Barzelt, rutschten die restlichen Zwerge einen Platz auf, damit Thorin und ich nebeneinander sitzen konnten. Einige begrüßten ihn fröhlich, andere nickten nur etwas angespannt. Der Zwergenkönig drückte mich mehr oder weniger unsanft auf meinen Platz und schaute dann hinauf zum ersten Showelement. Auf der Bühne machte sich bereits der erste Artist zu schaffen. Es war Sauron, der die Menge mit einigen Tricks im Umgang mit dem Diabolo begeisterte. Dieses seltsame Teil hatten die kleinen Männer auch noch nicht gesehen. Ein aufgeschnittener Ball, der mit einer Metallstange in der Mitte verkehrt herum verbunden war und dann mit zwei Stöckchen, zwischen die sich ein Seil spannte, hin und her gewirbelt wurde. Sauron beherrschte dieses Gerät bereits seit Jahren, aber leider waren seine Tricks für den alten Zeltstadthasen mehr als nur bekannt. Aber jene, die ihn bisher noch nicht kannten, applaudierten fleißig. Mir persönlich ging die ganze Show inzwischen links im rechts an meinem Allerwertesten vorbei. Ich hatte gerade wirklich größere Probleme. Wie sollte ich Thorin nur eine geeignete Bestrafung für mich vorschlagen? Und würde er sie annehmen oder genau das Gegenteil von dem tun, was er von mir verlangt hatte? Ich zermarterte mir den Kopf wobei ich nicht bemerkte, wie ich immer unruhiger auf meinem Stuhl hin und her rutschte. Irgendwann spürte ich, wie sich eine warme Hand auf meine legte und diese fest umschloss. Erschrocken von dieser unerwarteten Geste, sah ich hinüber zum Zwergenkönig, der immer noch nach vorne blickte. Er sagte kein Wort, er hielt einfach nur meine Hand. Verwundert öffnete ich den Mund, um ihn nach dem Grund für sein Handeln zu fragen, doch dann schielte er zu mir herüber und murmelte: "Schweig und sitz still." Irritiert schüttelte ich kurz den Kopf und schaute wieder auf die Bühne. Was war nur los heute mit diesem Zwerg? Erst überließ er mir seine Männer, um meine Erziehungsqualitäten zu testen, dann wollte er Rumpel massakrieren, weil er mir das Kleid was ich trug zurück gegeben hatte, danach war er mir nichts dir nichts verschwunden und auch wieder aufgetaucht, wollte danach von mir, dass ich für ihn entschied, wie er mich bestrafen sollte. Und nun hielt er einfach so meine Hand ohne für mich deutlich ersichtlichen Grund. Einen Moment fragte ich mich wirklich, ob ich langsam Paranoid wurde oder der Zwergenkönig wohl eine Art Multiple-Persönlichkeit besaß, von der er selbst nichts wusste. Vielleicht wollte er aber auch nicht, dass ich mit meinem zunehmenen Gehampel die Anderen verrückt machte, die aufgrund des heran nahenden Auftrittes immer nervöser wurden. Je länger der Wettbewerb dauerte, umso unruhiger wurde es in unserer ersten Reihe. Nachdem sich dann Frodo ein wenig lächerlich gemacht hatte, indem er eine kleine Comedy-Nummer als erfolgloser Maler zum Besten gegeben hatte, stellte sich Moe wieder dem Publikum. "Ja. Danke dir Frodo für diesen überragenden Beitrag eines Landstreichers. Nun kommen wir zu einer etwas anderen Art von Kunst. Und zwar haben sich Jacky und ihre kleinen Freunde einem alten Märchen bemächtigt und wollen dieses hier neu erzählen. Darauf können wir nur gespannt sein. Aber zunächst machen wir eine kleine Verschnaufpause, damit sie hier ihre Sachen aufbauen können", sagte er und schon sprangen alle auf. Die Menschen gingen hinaus, um sich am Lagerfeuer eine Kleinigkeit vom Grill zu holen oder um ein paar Zigarettchen zu rauchen. Ich baute wie angekündigt mit den kleinen Männern das Bühnenbild auf. Lange dauerte es nicht, da wir nicht so viel aufzustellen hatten. Nur die Liege und einen Tisch mit ein paar Stühlen. Dennoch kam den Herren die Pause gelegen um ihrer Anspannung etwas Luft zu machen. "Diese Menschen hier sind einfach viel zu gut. Ich glaube nicht, dass wir dagegen ankommen können", klagte Ori und zog seine mit Fischen bedruckte Zipfelmütze gerade. "Nun verlier nicht den Mut. Cuna hat uns doch gesagt, es geht nicht darum, dass wir hier besonders glänzen. Es reicht voll und ganz wenn wir unser Bestes geben", meinte Bofur gelassen und lächelte mich an. Ich erwiderte dieses nur halbherzig. Ich hatte ordentlich Muffen sausen. Nicht vor dem Auftritt an sich, auch wenn es inzwischen eine immer größere Rolle spielte. Sondern da ich nicht wusste, wie sich Thorin nun verhalten würde, während wir spielten. Nein, ich hatte mich noch immer nicht dazu durchringen könnten, zu entscheiden, ob ich tatsächlich meine eigene Bestrafung wählen sollte oder nicht. Doch schon bekam ich einen leichten Knuff mit einem Ellenbogen in die Seite, der mich kurz erschrocken Aufkeuchen ließ. Es hatte nicht weh getan doch aufgrund dessen, dass dieser kleine Stoß von einem Zwerg gekommen war, blieb mir kurz die Luft weg. Als ich mich dann zu demjenigen umdrehte, sah ich Fili direkt ins Gesicht und er musterte mich zum Einen sehr ernst und zum Anderen äußerst bedrückt. "Ich weiß nicht was du und Thorin noch draußen besprochen habt. Aber egal wie es ausgegangen ist. Und was du auch falsch gemacht hast. Du sollst wissen, dass Kili und ich dich immer noch als unser Schwesterchen ansehen und das wird auch weiterhin so sein", murmelte er so leise dass nur ich es hörte. Ich biss mir kurz auf die Unterlippe. Es rührte mich ein wenig, dass die Beiden trotzdem noch immer auf meiner Seite standen. Zwerge konnten einem wirklich sehr treue Freunde werden, wenn man es schaffte sie für sich zu gewinnen. Das wurde mir durch diesen Zuspruch nun sehr bewusst. Ich nickte Fili nach einem Augenblick sachte zu und er schritt dann ebenso nickend an mir vorbei. Als er gerade hinter meinem Rücken verschwunden war, drehte ich mich noch einmal zu ihm um. "Fili?", fragte ich ganz vorsichtig und er drehte kurz den Kopf leicht über die Schulter, um zurück zu blicken. "Was gibt es noch?", hakte er nach. "Danke. Für alles", murmelte ich und er gab ein kurzes belustigtes Schnauben von sich. "Nichts zu danken", meinte er und half dann die restlichen Sachen zu sortieren. Wenig später hatte sich das Zelt nach der Pause wieder gefüllt und wir warteten in unseren Startlöchern bis Moe die Bühne frei gab. Kurzfristig hatten wir noch Oin als eine Art Erzähler eingebaut, damit die ganze Sache noch ein wenig mehr Atmosphäre bekam. Und für diese sorgte er tatsächlich, als wir unseren Einsatz bekamen. So begann er ruhig und langsam aus dem Hintergrund zu erzählen: "Es war einmal vor vielen Jahrhunderten, nicht weit von diesem Ort. Da lebte in jenen Landen ein König mit seiner Frau. Beide wünschten sich sehnlichst einen Thronfolger herbei, doch wurde es ihnen zunächst verwehrt. Bis die junge Königin eines Wintermorgens am offenen Fenster ihrer Stickarbeit nachging und sich in den Finger stach. Ihr Blut tropfte in den hellen, weißen Schnee auf dem Fenstersims und obwohl sie ihr verwundeter Finger schmerzte, sah sie fröhlich aus. Denn in ihr wuchs der Wunsch nach einem Kinde heran, dass genauso weiße Haut wie der Schnee, Lippen so rot wie das Blut und das Haar so schwarz wie das Ebenholz am Fensterrahmen haben sollte. Bald darauf erfuhren der König und seine Frau, dass sie beide guter Hoffnung sein konnten. Denn ihnen wurde eine Tochter geboren. Jenes Kind war genauso, wie es sich die Mutter erhofft hatte. Ihre Haut war so weiß wie der Schnee, die Lippen so rot wie Blut und ihr Haar so schwarz wie Ebenholz. Überschwänglich vor Glück nannte sie der König, Schneewittchen. Doch dieses Glück wart nicht von Dauer. Kurz nach der Geburt erkrankte die Mutter und verstarb. Der König grämte sich viele Jahre lang, bis er sich eine neue Frau nahm, die für seine geliebte Tochter als Mutterersatz dienen sollte." Das war mein Einsatz. Ich atmete einmal tief durch und bestieg die Bühne. Langsam trat ich von der rechten Seite auf das Podest und ging vorsichtig umher. Von der anderen Seite näherte sich Kili in meinem noch immer ziemlich bescheiden aussehenden Bauernmädchenkleid. Noch sagten wir beide nichts. Wir sollten uns nur kurz auf der Bühne begegnen und umeinander herum laufen, während Oin weiter erzählte. "Als der Vater in einer Schlacht um Leben kam, wurde die neue Frau, Schneewittchens Stiefmutter Königin und somit Herrscherin über diese Lande. Doch sie war von Eitelkeit und Neid erfüllt, und nutzte ihre neugewonnene Macht aus, um alles was schöner war als sie aus der Welt zu schaffen. Selbst ihre angenommene Stieftochter wurde mit den Jahren immer schöner und besaß anders als sie ein reines Herz, dass ungetrübt von jeglicher Gram und Eitelkeit war. Jeder der sie sah, war berauscht von ihrer jugendlichen Schönheit und angetan von ihrer Güte und Barmherzigkeit", fuhr er fort und Kili und ich zogen weiter unsere Kreise umeinander. Allerdings hatte ich nicht bedacht wie klein die Bühne war und dass meine Schleppe sich unglaublich träge hinter mir her zog. So kam es wie es kommen musste. Kili trat irgendwann darauf. Ausgerechnet an der Stelle wo Oin sagte: "Und sie ersann einen finsteren Plan, um die junge Prinzessin zu Fall zu bringen." Ich keuchte kurz erschrocken, als ich den nächsten Schritt machen wollte und feststellte, dass ich irgendwo fest hing. Doch da war es schon zu spät. Ich stolperte und landete krachend auf den Knien. Das Publikum lachte herzhaft auf. Kili kniete sich erschrocken zu mir runter. "Oh weh. Tut mir leid, Cuna", stammelte er und wollte mir auf helfen, doch ich murmelte:"Bleib bei deiner Rolle. Mir ist nichts passiert." Er nickte knapp und erhob sich. Mit knallroten Kopf stand ich ebenfalls auf und richtete mein Krönchen, das sich auf meinen Kopf verschoben hatte. Als nächstes kam die Szene mit Dwalin, der mich töten sollte. Wie zu erwartet stapfte er reichlich steif auf die Bühne und ratterte seinen Text herunter wie ein Roboter, während er mit einem Dolch nach mir ausholte, ich kurz aufschrie und in eine abwehrende, verängstigte Haltung über ging. "Oh. Prinzessin. Vergebt mir. Aber es ist nicht mein Wille Euch zu töten. Eure Stiefmutter hat mich dazu gezwungen. Doch ich bringe es einfach nicht übers Herz", sagte er und wieder kicherten die Leute vor der Bühne. "Meine Stiefmutter? Ja, aber warum denn lieber Jäger? Warum will sie das?", fragte ich ihn, wobei er plötzlich den Dolch sinken ließ und sich mit dessen Spitze nachdenklich seitlich am Kopf kratzte. Das war nun nicht geplant. Offenbar hatte er seinen Text vergessen. So murmelte er ziemlich laut ins Mikro, das er in der anderen Hand hielt: "Ja, wie war das den jetzt. Ähm. Hilf mir doch mal eben, Weibstück." Ich widerstand dem drang mir mit der flachen Hand gegen den Kopf zu hauen und überging das Gekicher aus der Menschenmenge. Ich wollte ihm aber nicht direkt vor soufflieren was er nun zu sagen hatte, sondern improvisierte schlicht und ergreifend. "Lieber Jäger. Wenn dem so ist, dass meine böse Stiefmutter durch deine Hand versucht mir das leben zu nehmen, sollte ich wohl besser fliehen", sagte ich und da ging ihm wieder ein Licht auf. Allerdings ein eher bescheidenes, denn er zuckte nur mit den Schultern und murmelte in Mikro: "Also, ganz wie du willst. Dann flieh eben. Aber komm ja nicht wieder hörst du." Ich versuchte mir das aufsteigende Seufzen zu verkneifen und wollte von der Bühne gehen, da spürte ich einen erneuten Widerstand auf meiner Schleppe, dieses mal aber ohne zu stürzen. Dwalin sah mir nach und hob eine Augenbraue, als ich mich zu ihm umdrehte. "Wolltest du nicht fliehen oder so ähnlich?", fragte er völlig aus dem Konzept. Nun war ich doch ein wenig gereizt, als ich ihm antwortete. "Mir würde das Fliehen leichter fallen, wenn Ihr nicht auf meinem Kleide stehen würdet", antwortete ich barsch und mit einen kurzen aber deutlichen "Oh" das über die Lautsprecher bis ganz hinten in den kleinen Zeltraum hallte, nahm er seine Füße von meinem Gewand und ich konnte mich wieder frei bewegen. Nun war das Publikum gar nicht mehr zu halten. Alle kugelten sich vor Lachen. Ein wenig gefrustet davon trat ich zu den Anderen, die noch auf ihren Auftritt warteten. Thorin stand vorne an und musterte mich eingehend. "Hast du dir etwas getan bei deinem Sturz?", fragte Bofur rasch von der Seite noch ehe der Zwergenkönig diesbezüglich den Mund aufmachen konnte. Ich schüttelte sacht den Kopf und vermied es die Herren anzusehen. Das fing ja nun wirklich gut an. Ein gelungener Einstieg in eine eigentlich ernsthaft geplante Aufführung und schon sorgte ich dafür, dass das Ganze zu einer Comedy-Nummer mutierte. Der Einzige, der seinen Job richtig machte war Oin, der munter die Geschichte weiter erzählte. Wir zogen die ganze Prozedur im Schnellverfahren durch, damit es den Leuten nicht langweilig wurde, weshalb ich zuvor die Szene mit dem Jäger und der Königin kurzfristig gestrichen hatte. Deshalb erzählte der alte Zwerg nur davon. "So floh das arme Mädchen tief in den Wald hinein und der Jäger überbrachte der ahnungslosen Königin die Nachricht vom tot der Prinzessin und das versprochene Herz, welches er einem erlegten Wildschwein entnommen hatte. Doch ließ sich die Königin nicht von der Lüge des Jägers täuschen und so befahl sie, ihn abzuführen und zu enthaupten. Dennoch wog sie sich in der Gewissheit, dass das arme Kind früher oder später den wilden Tieren zum Opfer fiel", sprach er und ich drehte mich wieder um. Ich hatte nicht wirklich Zeit zu verschnaufen und musste sofort auf die Bühne zurück, um die Szene im Zwergenhaus zu spielen, von der Oin ebenso munter berichtete. "Dann legte sich die Prinzessin erschöpft zu Bett und schlief tief und fest, bis gegen Abend die Tür des kleinen Häuschens erneut auf ging und sieben kleine, kräftige Männer mit Bärten eintraten", sagte Oin und schon hörte ich von meiner Liege aus, auf die ich mich mit dem Rücken zu den Männern gelegt hatte, wie sich mehrere schwere Stiefel auf den Holzplattformen bewegten und einer nach dem anderen seinen Text aufsagte, bis sie dann endlich zu mir kamen. "Schaut her! Hier liegt Jemand", rief Balin ein wenig zu laut ins Mikro, sodass es eine Rückkopplung gab, die alle stöhnend zusammen fahren ließ. Ich knirschte innerlich mit den Zähnen. Das Stück wurde von mal zu mal schrecklicher. Und als wenn es nicht schon schlimm genug gewesen wäre, dass ich bereits einmal ganz und einmal fast auf die Nase geflogen war. Nein, nun passierte es noch zu meinem Pech einem der Herren, als diese sich um mein provisorisches Bett herum schaarten. Ausgerechnet Bombur landete mit seinem gesamten Gewicht schwerfällig auf mir. Nur war dieses Mal nicht mein Kleid, sondern einer der Stühle, die wir um einen Tisch herum aufgestellt hatten, um das Abendessen der Zwerge nachzustellen daran schuld. Zum Glück zerbrach meine Liege nicht, als er urplötzlich auf mir landete. Schmerzhaft war es aber allemal. Mir war bei dem Aufprall so, als hätte mir der rundliche Zwerg die Hälfte meiner Rippen gebrochen. Aber es war glücklicher Weise mehr Schein als Sein. Ich keuchte und jappste heftig, als mir von dessen Gewicht die Luft weg blieb, ansonsten war ich zu nichts anderem im Stande. Erst als ich mich von dem Schreck erholt hatte, stöhnte ich schmerzlich vor mich hin. "Heiliges Maultier!", rief ich gepresst aus und versuchte den Zwerg von mir runter zu schieben, was bei dieser Masse allein schon völlig zwecklos war. Die Anderen halfen dabei, zogen mich unter ihm hervor und auf die Füße. "Bist du verletzt?", fragte Thorin sofort und sah mich mit erschrockener Miene an. Ich schüttelte nur sachte den Kopf. "Alles gut. Machen wir weiter", murmelte ich ohne ihn anzusehen. "Bist du sicher?", hakte er nach und fasste mich dabei fest am Arm. Ich nickte nur ohne ihm richtig zu antworten. Es war inzwischen so was von peinlich geworden. Alles was schief gehen konnte ging einfach nur schief. Doch mitten drin abzubrechen, kam für mich einfach nicht in Frage. Ich wollte den Moment hinaus zögern, indem ich mich dem Zwergenkönig mit meiner Entscheidung stellen musste, die ich zu allem Übel immer noch nicht getroffen hatte. Und das machte mich umso nervöser, als es darum ging mit ihm das Zwiegespräch über Schneewittchens verbleib im Zwergenhaus zu führen. Er stellte sich neben dem Tisch auf, nachdem er sich noch einmal leise versichert hatte, ob es mir auch wirklich gut ging, dann nahm er das Mikro zur Hand und sprach hinein. "Ganz gleich wer auch immer du sein magst, Mädchen. Es ändert nichts daran, dass du unerlaubt in unser Haus eingedrungen bist und uns bestohlen hast", sagte er in ernstem Ton. "Ach, bitte. Vergib mir, Herr Zwerg. Es lag nicht in meiner Absicht. Ich wollte euch gewiss nichts Böses. Ich war nur so hungrig und müde", sagte ich und fühlte, dass meine Stimme unerfindlicher Weise etwas flatterte. "Das sind wir auch. Dennoch gehen wir nicht in fremder Leute Häuser und vergreifen uns an deren Habe. Am besten wäre es, wenn du dich fort scherst, noch ehe der Tag anbricht", sagte er und warf mir einen vernichtenden Blick zu. Ich erstarrte kurz und mir klappte der Mund auf. Eigentlich hätte ich ihn nun anbetteln müssen, mich nicht fort zu jagen, doch mein Kopf war wie leer geblasen, als ich ihm direkt in die Augen sah. Auch wenn ich wusste, dass es eigentlich zum Stück dazu gehörte, dass er mich so ansah, und das hatten wir einige Male durchgespielt. So war es plötzlich nach diesem Vorkommnis einfach nur noch erschreckend Real. Ich hatte wirklich das Gefühl, als wollte er, dass ich tatsächlich noch in dieser Nacht verschwinde und nicht wieder komme. Meine Lippen begannen zu zittern und schon wurden mir wieder die Augen feucht. Das Publikum ignorierte ich völlig. Auch wenn ich den ein oder anderen erstaunten Kommentar herausfiltern konnte, da sie offenbar davon ausgingen, dass mein spontanes Weinen wohl dazu gehörte. "Cuna. Was ist? Sprich weiter", kam es plötzlich von Bofur neben der Bühne, was mich aus meiner kleinen Trance heraus riss. Ich schloss die Augen und senkte den Kopf. Nachdem ich dann noch einmal tief Luft geholt hatte, fielen mir meine Sätze wieder ein und ich legte los, ohne den Zwergenkönig dabei anzusehen. "Du hast alles recht der Welt mich davon zu jagen. Nur weiß ich einfach nicht wohin. Meine geliebte Mutter und mein Vater sind längst vergangen. Und meine Stiefmutter wollte mich töten lassen. Ich habe kein Zuhause mehr wohin ich gehen könnte. Ich bitte dich. Wenn du ein Herz hast, so lass mich doch bei euch bleiben. Ich will auch alles tun was ihr mir auftragt. Ich werde waschen, putzen, kochen und das Haus in stand halten. Ich bitte dich nur darum. Schick mich nicht dort hinaus in die Nacht zu den wilden Bestien", sagte ich mit stark belegter Stimme. Er schwieg kurz wie vereinbart, bevor er mir antwortete. "Also gut Prinzesschen. Ich gebe dir diese eine Chance, deine Schuld bei uns zu begleichen. Doch ich rate dir. Nutze unsere Gutmütigkeit nicht aus. Du wirst hier alle häuslichen Pflichten erledigen und das ordentlich. Sollte ich erleben, dass du dich auf die faule Haut gelegt hast oder zu viel herum weinst, dann schicke ich dich wieder fort. Hast du verstanden?", fragte er eiskalt. Ich nickte und versuchte freudestrahlend auf ihn zu zu gehen, um ihn zu umarmen und ihm einen Kuss auf die Wange zu pressen. Doch als ich es tat, kam ich mir unheimlich mechanisch vor. Ich reagierte einfach nur. Natürlich merkte er es. Doch bis wir nach dieser Szene von der Bühne herunter waren, sprach er mich nicht darauf an und auch danach verlor er kein Wort. Er ahnte wohl warum es mir die Sprache verschlagen hatte und wollte es erst einmal auf sich beruhen lassen. Darauf käme er sicherlich noch zurück, wenn der Auftritt vorbei war. Zunächst musste Kili seine Solo-Szene vor dem verzauberten Spiegel bringen, dessen Part kurzfristig Nori übernommen hatte, nachdem er mit seiner Arbeit an den Kulissen fertig geworden war. Besonders schwer war dieser Teil auch nicht. Man kannte ja das übliche "Spieglein Spieglein an der Wand" Sprüchlein und auch die Antwort des Spiegels war keine wirkliche Überraschung. Nur hatten wir die Sache wieder etwas abgekürzt und genauso wie in dem Zeichentrickfilm auf die beiden anderen Tötungsmomente verzichtet, damit sich alles nicht so sehr in die Länge zog. Außerdem wäre es zu viel des guten Gewesen, den jungen, dunkelhaarigen Zwerg in vier verschiedene Kostüme zu stecken. Zumindest hatten wir einen Apfel bekommen, der noch dazu wunderschön rot war. Wenigstens eine Sache die perfekt verlief, auch wenn es nur das scheinbar giftige Obst war. Als er diesen hervor nahm und so tat als würde er ihn verhexen, stand ich mit dem Rest schon wieder bereit, um nach oben zu schreiten. Oin erzählte munter weiter, als Kili den Platz geräumt hatte. "Viele Tage vergingen und die junge Prinzessin arbeitete von morgens bis abends in der kleinen Waldhütte. Sie kam ihren häuslichen pflichten besser nach, als es die Zwerge erwarteten und schon bald hatten sie sie sehr ins Herz geschlossen. Eines Tages gingen die Männer wieder in den Wald und wie jedes mal ermahnten sie Schneewittchen zur Achtsamkeit", endete er für den Augenblick. Die Männer hatten sich in einer Reihe aufgestellt und ich musste sie nacheinander verabschieden, während sie solche Sätze brachten wie: "Koch uns heute Abend was schönes" und dem allseits bekannten "Gib acht, wenn du Fremde im Wald siehst. Sprich mit niemandem und lass sie nicht herein". Als Letzter wartete noch der Zwergenkönig auf mich. Er ging an mir vorbei und warf mir einen schnellen Seitenblick zu während er sprach: "Denke bitte an unsere Warnungen. Wir werden bald zurück sein." Wieder sah ich ihn nicht an und sprach mit gesenktem Kopf zu Boden. "Ja. Das werde ich", erwiderte ich leise und schon stand ich dort oben wieder allein. Doch nicht für lange. Schon war Kili als altes Lumpenweib bei mir erschienen und begann mich mit hoher Stimme zu bezirzen, den Apfel entgegen zu nehmen, um den Zwergen daraus einen Kuchen zu backen, weil sie das früher noch selbst getan hatte und es nun nicht mehr konnte. Natürlich sollte ich auch zuvor einen probieren, was ich als dieses gutgläubige Naivchen, was ich spielte tat. Nur unterschätzte ich dabei das künstliche Fallen ein wenig, weshalb sich meine Füße beim Herumtorkeln mal wieder im Stoff meines Kleides verfingen und mein Kopf beim Fallen knapp an der Tischkante vorbei strich. Ich hörte erschrockenes Keuchen von der Seite, als ich auf die harten Holzplanken schlug. Gleichzeitig zu meinem eigenen Schrecken nach dem fast unplanmäßig verlaufenen Sturz, war ich bemüht, mich nicht tatsächlich an dem Stück Apfel zu verschlucken, welches ich für das Finale im Mund behalten hatte. Aber nicht nur mir wäre die Sache fast im Halse stecken geblieben, sondern auch Kili, der sich hastig zu mir runter gebeugt hatte, um nachzusehen ob ich nicht tatsächlich verletzt war. Das wirkte aufs Publikum allerdings so, als wollte er feststellen, ob das gute Schneewittchen noch lebte. Weil ich mit dem Rücken zu den Leuten lag, konnte ich gefahrlos ein Auge in seine Richtung öffnen und zwinkerte ihm zu, damit er verstand, dass alles in Ordnung war. Dann stand er erleichtert auf und lachte gespielt triumphierend. Im selben Moment sollten die Zwerge zurück kommen, da sie etwas vergessen hatten. Nun kam es zu einem kleinen Gerangel auf der Bühne, indessen die Herren, Kili ergriffen und hinunter trugen, während Oin vom tot der Hexe erzählte. Der Rest lief insoweit ab wie geplant. Die Zwerge nahmen mich auf, legten mich auf meine Liege und trugen sie einmal im Kreis herum, damit es so aussah, als würden sie einen Sarg schleppen. Ich hatte die Hände knapp unter der Brust gefaltete und wollte den Anschein erwecken, als würde ich schlafen. "Viele Tage und Nächte vergingen. Und die sieben Zwerge hielten stetig ihre Wacht. Jahreszeiten gingen vorüber und schon bald brach der Frühling herein. Aus einem der entfernteren Reiche hatte ein junger Prinz die Botschaft von der schlafenden Schönheit in ihrem Sarg vernommen und wollte diese nun eigenhändig in Augenschein nehmen", erzählte Oin weiter. Während er noch sprach, nahmen die Sieben an verschiedenen Enden um meine Liege platz, nachdem sie mich mit meiner rechten Seite zum Publikum hin abgestellt hatten. Danach kam Fili heran getreten. "Hey ihr da? Sagt mir, ist das der Wald, indem die schlafende Prinzessin ruht?", sagte er mit hochtrabender Stimme und seine Schritte kamen näher. "Wer seid ihr Fremder?", fragte Bofur und erhob sich vom Boden an meinem Kopfende. "Ich bin ein Prinz und bin von weit her gereist um die Prinzessin zu sehen. Sagt mir, ist sie es dort?", fragte er. "Ja, das ist sie Herr. Das ist unser Schneewittchen", kam es von Balin. Nun näherte sich Fili gänzlich, stand bald zu meiner Linken und beugte sich runter. "Meiner Treu. Welch ein Anblick. Ach, könnte ich sie ewig so betrachten", sagte er und ich fühlte, wie sich eine Hand auf meine Stirn legte. Doch schon wurde sie wieder weggerissen. "Wie könnt ihr es nur wagen sie unerlaubt anzufassen", fauchte ihn Thorin an und schon polterte es, als er seinen Neffen weg zog. "Vergebt mir, aber. Vom ersten Moment als ich von ihr hörte, da pochte mein Herz, wie von Sinnen. Und nun wo ich sie sehe, hat mich die Liebe fest in ihren Bann gezogen. Bitte, gestattet mir sie mit auf mein Schloss zu nehmen. Seit ich sie erblickte, will ich nicht mehr ohne sie sein. In meinem Schloss wird sie es gut haben. Und dort ist sie auch vor Räubern und wilden Bestien geschützt", sagte Fili und war wieder geräuschvoll aufgestanden. "Wir lieben sie ebenso!", rief Ori aus. "Ja. Was gibt Euch also das Recht sie uns weg zu nehmen?", fragte Bombur. "Nun denn. Ich bin nun einmal von adligem Geschlecht und ihr seid nur sieben lächerliche, kleine Männer. Wenn es sein muss, führte ich einen Krieg gegen euch, um in den Besitz dieser Schönheit zu kommen. Und ich wage zu bezweifeln, dass ihr diesen gewinnen könnt. Nun entscheidet ihr. Wollt ihr, dass sie unversehrt bleibt? Oder wollt ihr einen Krieg riskieren?", erwiderte der blonde Junge und ging langsam zwischen den Herren umher. Sie schwiegen einen Moment. Ich wusste, dass sie nun Blicke untereinander tauschten. Dann erhob Thorin leicht verbittert die Stimme. "Wir werden sie Euch überlassen, Herr. Aber erlaubt uns, dass wir uns noch von ihr verabschieden", sagte er. "Wie ihr wünscht. Aber beeilt euch", kam es ein wenig abwertend von Fili. Nun war der Augenblick gekommen. Einer nach dem anderen verabschiedete sich mit einem Lebewohl von mir. Nur Thorin, der als Letzter übrig blieb, kniete sich zu mir, strich mir sanft über das Stirnhaar und hauchte: "Wenn ich es dir doch noch hätte sagen können." Dann legte er behutsam seine Lippen auf meine Wange. Das war mein Zeichen. Ich schlug die Augen auf, begann zu husten und spuckte den Apfel aus. Natürlich brachen alle in Freudenschreie und gleichzeitig in Verwirrung aus. Fili schob Thorin beiseite, um dessen Platz bei mir einzunehmen. Ich sollte ja ihn als meinen Lebensretter anerkennen. "Wo bin ich?", fragte ich und sah ihn verwirrt an. "Du bist bei mir, schönes Prinzesschen", sagte er und grinste mich an. "Und wer seid ihr?", hakte ich nach. "Ich bin der Prinz, der Euch ins Leben zurück geholt hat. Nun da Ihr wieder am Leben seid, können wir gemeinsam in mein Schloss aufbrechen und dort zusammen glücklich werden. Fernab von diesem modrigen Wald und diesen ungehobelten Zwergen", erwiderte er und zerrte mich auf die Beine. Ich riss mich aber wieder los und rief empört: "Nein!" "Nein?", wiederholte er mit erschütterter Miene. "Nein. Ihr seid nicht derjenige den ich will", sagte ich und sah ihm entschlossen ins Gesicht. "Bin ich nicht? Aber. Wer ist es dann?", fragte er und ich sah mich um. Thorin war wieder auf den Beinen und stand mir dabei im Rücken. Als ich den Kopf kurz über die Schulter drehte, fing ich seinen Blick auf. Wieder verschlug es mir die Sprache. Ich hatte es so oft gesagt in den letzten Stunden. So lange durchgespielt und nun blieb mir dabei ein dicker Kloß im Hals stecken. Ich musste antworten. Irgendwie. Doch als ich die Lippen bewegte, brachte ich keinen Ton heraus. Der Zwergenkönig bemerkte meine erneute Unsicherheit sofort und brach dieses mal selbst den Blickkontakt ab, indem er einfach seufzend die Augen schloss. Das genüge für den Moment schon, damit ich weiter sprechen konnte. "Er ist es", sagte ich und schaute rasch wieder nach vorne. "Er? Dieser Zwerg?", fragte Fili entsetzt. "Ja, so ist es", antwortete ich und langte nach hinten, um Thorins Hand zu ergreifen, damit wir gleich zusammen gehen konnten. "Ihr. Ihr verschmäht mich und wählt diesen dahergelaufenen Zwerg? Warum? Was hat er, was ich nicht habe?", fragte er hastig, als ich einen Schritt auf ihn zu machte. Ich hob nur hämisch den Blick. "Ein reines, gütiges, ehrliches und vor allem treues Herz", sagte ich und zog an Thorin's Hand, damit er mir folgte. Doch nun tat er etwas, das so nicht geplant war. Er blieb wie angewurzelt auf der Bühne stehen und machte keine Anstalten mitzukommen. Ich drehte mich kurz um und fragte freundlich: "Was ist? Kommst du?" "Nein", sagte er und entriss mir seine Hand. Mir klappte der Mund auf. Und nicht nur mir allein, auch den anderen, die mit uns oben standen. Balin trat langsam an ihn heran und wisperte ihm fordernd zu: "Thorin. Nun geh schon mit ihr runter. Dann ist die Sache hier zu ende." "Die Sache ist noch nicht zu ende. Nein. So darf es nicht enden. Nicht auf diese Weise", meinte er barsch und ich zuckte zusammen, als mich erneut sein Blick traf. Er war eiskalt und brannte sich regelrecht in meine Augen, was meinem angekratzten Nervenkostüm einen heftigen Stich versetzte. Ich keuchte auf, als er seine schweren Stiefel in Bewegung setzte und langsam auf mich zu stapfte. Oh verdammt noch mal, sah er nun beängstigend aus. Auch wenn er keinen Spur von Wut in seinem Gesicht zeigte, so machte es dieser sehr ernste Ausdruck noch wesentlich schlimmer. Ich wollte mich schon hinter Fili verstecken, da ich Schlimmes befürchtete, doch da ergriff der Zwergenkönig mein Handgelenk und setzte mich buchstäblich fest. "Du bist mir noch eine Antwort schuldig", sagte er und fixierte mich sehr scharf. Ich schluckte kurz und merkte, wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht entwich. "A-Antwort?", fragte ich verwirrt. Das konnte er doch jetzt nicht ernst meinen? Doch nicht hier vor allen Menschen? Ich konnte ihm doch nicht in aller Öffentlichkeit verklickern, wie er mich bestrafen sollte. Wobei mir bisher sowieso noch nicht eingefallen war, was ich ihm hätte anbieten können. Also sog ich mir einfach das Einzige aus den Fingern, was mir in den Sinn kam. "Ich weiß du wärst mit nichts zufrieden. Also lege ich mein Schicksal einfach in deine Hände", sagte ich und bemerkte zu meiner eigenen Verwunderung, dass der kleine, dunkelhaarige Mann vor mir begann zu lächeln. Das war bei weitem noch beängstigender, als seine ernste, ausdruckslose Miene. Er kam mir etwas näher und hob erneut die Stimme. Doch was dann passierte. Hatte ich erst recht nicht mehr erwartet. Er reichte Fili das Mikro und griff dann mit der nun freien Hand an seinen Gürtel, wo sich sein lederner Geldbeutel befand und kramte kurz darin herum, ohne den Blickkontakt zu lösen. Als er offenbar etwas gefunden hatte, umschloss er es mit seiner Faust. Dann atmete er einmal ganz tief durch und sagte leise: "Also gut. Du legst dein Schicksal in meine Hände. So sei es. Du hast deine Wahl getroffen. Nur will ich, dass du mir zuvor noch diese eine letzte Frage beantwortest." Ich schluckte kurz und sah, wie sich seine geballte Hand in mein Blickfeld hob. Er öffnete sie ganz langsam, und zwischen seinen Fingern erschien ein silbrig glänzender Ring auf dessen Spitze ein dunkelblauer Edelstein, mit seinen scheinbar endlos vielen Facetten, glitzernd thronte, während er mir ruhig die eine letzte Frage stellte. "Willst du, Cuna, mich zu deinem Manne nehmen?" -59. Ein Abend voller Ereignisse / ENDE - Kapitel 60: 60. Das Herz des Zwerges ------------------------------------ Ich träumte. Ja, das war bestimmt nur ein Traum. Wie käme ich auch nur dazu zu glauben, dass das gerade alles wirklich vor meinen Augen passierte? Thorin Eichenschild, Sohn des Thrain, Sohn des Thror, König unter dem Berg und welche Titel er sonst noch haben mochte, stand doch nicht ernsthaft vor mir und hielt in aller Öffentlichkeit um meine Hand an? Und dann hob er mir auch noch den wohl mit Abstand schönsten Ring unter die Nase, den ich je gesehen hatte? Gut, ich hatte eigentlich keinen Fable für Schmuck, aber ich mochte schon immer Dinge, die schön im Licht glitzerten. Ganz gleich ob sie nun wertvoll waren oder nicht. Sei es klares Wasser, das auf dem Grund eines Flusses, Sees oder Teiches das Sonnenlicht wiederspiegelte, geschliffenes Glas oder eben jener edelsteinbesetzte Ring. Nein. Das war wirklich ein Traum. Ich musste wohl bei meinem Sturz nach dem Apfelbiss mit dem Kopf auf die Tischkante geschlagen sein und lag nun vermutlich im Koma. Das hätte auch die Totenstille erklärt, die sich im gesamten Zelt breit gemacht hatte. Nur vor dem Fisse Ma "Tent" chen waren Gespräche zu hören und das Knistern des Grillfeuers. Aber obwohl es so weit von mir entfernt war, glaubte ich dessen Hitze direkt auf meiner Haut spüren zu können. Gerade so als stünde ich mitten in den Flammen, die ich von meiner Position aus nur flüchtig, durch den Eingang, über die Schulter des Zwergenkönigs hinweg erkannte. Wobei ich später die Wärme vielmehr auf die grellen Scheinwerfer zurück führte, unter denen wir so regungslos standen, als hätte man uns beide in Stein gemeißelt. Wie gemacht für die Ewigkeit war dieser kurze Augenblick, indem ich einfach nur um Fassung ringend vor dem kleinen, dunkelhaarigen Mann stand und versuchte nach Worten zu ringen, die sich in der hintersten Ecke meines Schädels verkrochen hatten. Mein Verstand ging so langsam, dass ich dachte ich würde im nächsten Moment sogar rückwärts altern. Alles drehte sich in mir und um mich herum. Dabei wirkte es auf der anderen Seite wiederum als würde die Welt still stehen. Es war ein Gefühl, so schwer zu beschreiben, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt hatte. Das letzte Mal, als mein verstorbener Mann mir einen ähnlichen Antrag machte, war es fast genauso abgelaufen. Nur hatte ich es da irgendwie voraus geahnt, als er damals zu der Mittelalter-Band an die Freiluftbühne getreten war und mich hatte zu sich rufen lassen. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt musste ich mich daran zurück erinnern. Es war ein heißer Pfingstsonntag gewesen. Wir hatten den Tag mit Richi und Chu auf unserer Ritterburg verbracht und ließen den ereignisreichen Tag, mit dem alljährlichen Turnier und Spektaculum, auf einer kleinen Wiese hinter den Tribünen der Arena ausklingen. Es war so warm und schwül gewesen, dass ich mich kurzerhand aus meinem Kleid hatte schälen müssen, um stattdessen ein einfaches Leinenhemd und Kniehosen zu tragen. Wir hatten zu viert im Gras gesessen und uns eine der letzten Bands angehört, die noch mit ihren Trommeln und Dudelsäcken aufspielte. Mir fiel auch ein, dass wir zu diesem Zeitpunkt schon eine Kleinigkeit gebechert hatten, was bei den Temperaturen schon sehr schlauchte. Irgendwann war mein Mann aufgestanden und hatte meine Hand ergriffen. Wir hatten noch nie zuvor gemeinsam getanzt, doch schien der Alkohol ihn dazu bewegt zu haben, dies doch einmal mit mir zu versuchen. Wobei ich Tanzen als das falsche Wort dafür empfand. Es war mehr ein taktloses herum Geeiere, da er sich seinerzeit einmal lediglich mit einfachen Gesellschaftstanz beschäftigt hatte und nicht mit Volkstümlichen wie ich. Nach dieser mehr schlecht als rechten Einlage hatte er mich dann allein gelassen, um vorgetäuschter Weise etwas zu trinken zu besorgen. Als er dann nicht wieder kam und ich über den Platz spähte, konnte ich ihn seitlich am Bühnenrand stehen sehen, wie er mit einem der Männer sprach, die gerade eine Pause eingelegt hatten. Ich erinnerte mich noch, wie ich mit Chu darum gestritten hatte, dass er gewiss irgendeine Sache vor hatte, wobei sie es bis zu dem Zeitpunkt, als man mich herbei rief nicht glauben konnte. Aber so schön es damals auch war, so anderes war es nun hier. Es bereitete mir regelrecht starke Kopfschmerzen und ließ meine Gedanken immer weiter herum wirbeln, wie in einem endlosen Wasserstrudel. Und je länger ich darüber nachdachte, umso schwindliger wurde mir davon. Ich keuchte einmal ganz kurz und versuchte mit den Augen einen Punkt zu erhaschen an dem ich mich fest klammern konnte. Der Einzige, der wirklich gut zu erreichen war in diesem Moment, war schlichtweg und ergreifend, der schimmernde Ring, der im gleißenden Bühnenlicht funkelte. Wahrlich. Dieses Blau. Dieses undurchdringlich tiefe Blau. Dunkler als der Nachthimmel und doch weit heller leuchtend als der Tag. Jede Facette war so makellos geschliffen und verarbeitet, dass er einfach nicht von dieser Welt sein konnte. Das Silber der Fassung und des eigentlichen Ringes glänzte so milchig weiß und kräftig, dass man davon hätte erblinden können. Zugegeben er wirkte, für mich als Leihe, ein bisschen unecht, da ich so etwas bisher noch nie von Nahem betrachtet hatte. Und selbst ein Experte in Sachen Schmuck würde vermutlich bei erster Betrachtung denken, dass dieses Ding nichts weiter als ein billiger Modeartikel hätte sein können. Aber aufgrund der Tatsache, wer dieses Schmuckstück gerade so elegant in einen Fingern hielt, konnte er einfach nur echt sein. Da fiel es mir plötzlich wieder ein. Ich stand ja immer noch sprachlos vor Thorin und gaffte mit weit aufgerissenen Augen und Mund vor mich hin. Aber war das in einem Traum denn so schlimm? Wenn es denn ein Traum war. Ich musste es irgendwie herausfinden. Die beste Möglichkeit wäre wohl gewesen mich zu kneifen, aber da hatte mir Richi schon vor Jahren zu gesagt, dass so etwas selbst im Traum häufig keinen Sinn machte, da der eigene Körper wohl automatisch diesen Schmerzreiz imitieren würde, wenn man ihm diesen auch nur scheinbar zufügte. Mir blieb also nur noch eines. Ich musste zu Thorin sehen. Ich musste ihm direkt ins Gesicht sehen. Wenn ich dieses klar und deutlich erkannte, dann hätte ich vermutlich Gewissheit. So ließ ich meine Augen von dem blauen Edelstein in der silbernen Fassung zu den helleren, blauen Augen des Zwergenkönigs wanderten, die mich erwartungsvoll und ruhig ansahen. Als mich diese trafen durchströmte mich ein Kribbeln wie von tausend Ameisen unter meiner Haut. Das war der Moment, indem ich es wusste. Es konnte kein Traum sein. Ich fühlte ganz deutlich die raue, zerfurchte Handfläche des Zwerges an meinem Arm, den er immer noch ergriffen hatte. Konnte die Wärme seines Blickes spüren, die jeder Faser meines Körpers in Wallung versetzte. Ich bekam eine von Erregung geprägte Gänsehaut, die sich meinen Rücken hinunter zog. Meine Knie wurden weich und drohten unter der Macht des Augenblickes ein zu knicken. Dennoch blieb ich standhaft. Etwas gab mir kraft. Nein. Jemand gab mir kraft. Und dieser stand genau vor mir und wartete immer noch außergewöhnlich geduldig auf meine Antwort, die ich ihm früher oder später geben musste. Ich wusste zwar im Nachhinein nicht mehr wie, aber ich schaffte es dann doch in meinem Mund einige Worte zu sortieren. "Thorin. Nach allem was ich. Was ich getan habe. Was ich auch erst kürzlich noch angerichtet hab. Bittest du mich tatsächlich noch darum, einen gemeinsamen Lebensweg mit dir zu beschreiten?", fragte ich und fühlte, wie meine Stimme vor Aufregung flatterte, wie ein wildgewordener Schmetterling. Ganz zaghaft rührte sich im Mundwinkel des Zwergenkönigs eine kleine Falte, die sich zu einem ungewöhnlich schüchternen Lächeln hoch zog. Das kannte ich auch noch nicht von ihm. Es war so betörend und verführerisch, dass ich mich zusammen reißen musste, um nicht plötzlich ein erregtes Stöhnen von mir zu geben. Als er dann noch leise mit seiner tiefen, dunklen, warmen Stimme sprach, schien gleichzeitig das Eis, welches man sonst in diesem unergründlichen Hellblau seiner Augen vorfand, gänzlich geschmolzen zu sein. "Nur du und keine Andere. Also. Wie lautet deine Antwort?", hakte er noch einmal nach und ließ die Augenlider etwas sinken. Da war er wieder. Dieser unwiderstehliche Schlafzimmerblick, für den ich ihn einfach nur auffressen konnte. Mehr brauchte es nicht mehr, um mich rum zu kriegen. Ich wollte die Seine werden. Am besten sofort und auf der Stelle. Und dann einfach mit ihm durchbrennen. Die Welt der Menschen hinter mir lassen, um mit ihm ins Licht der Ewigkeit zu laufen. Nur wir beide, Hand in Hand. Seite an Seite. Zwei Herzen zu einem vereint. Ein König und seine Königin. Ein langes und unerwartetes Märchen, das nun wahr werden konnte. Nicht für irgendwelche aufgetakelten Weiber, die nichts weiter liebten als sich selbst. Nicht für diese künstlichen Schönheiten, die alles dafür taten anderen nur dadurch zu gefallen, wenn sie sich unter dem Skalpell verstümmeln ließen. Nein. Das war mein Märchen. Das Märchen einer unglücklichen Frau aus einfachen Verhältnissen, mit einem durchschnittlichen Aussehen und einem durchschnittlichen Leben in einer gewöhnlichen Vorstadt irgendeines Landes, die es aus dem Schatten ihres tristen Alltages geschafft hatte, wieder ein Licht in ihr Leben zu lassen. Ein Licht, so hell, dass es sämtliche Finsternis in die Flucht schlagen konnte. Und in diesem Licht, der Mann, der aus dem Tode zurück gekehrt war. Der ein Leben voller Schwermut und dicker Steine hatte überwinden müssen. Dem es nie vergönnt gewesen war die wahre Liebe zu finden, bis er schließlich in einem simplen Onlinegame auf sein Schicksal getroffen war. Und dieses forderte er nun ein. Das Einzige was die Frau nur noch tun musste, war ihm das zu geben, was er so sehnsüchtig begehrte. Und das tat ich auch. Ich schaffte es irgendwie meine steifen, zitternden Beine zu bewegen und machte einen zögerlichen Schritt auf ihn zu. Mein Mund war so trocken, wie die Sahara im Hochsommer und die Luft von Spannung erfüllt, dass man diese bereits mit einer kleinen, stumpfen Kinderschere zum Reißen hätte bringen können. Wie in Trance brachte ich nach einem kurzweiligen Schweigen wieder die Lippen auseinander und hauchte zärtlich aber dennoch entschlossen: "Ja. Ich will." Ich hatte nicht einmal den letzten Buchstaben vollends aussprechen können, da hielt es den Zwerg schon nicht mehr mit warten aus. Er riss mich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit an sich und presste mir mit aller Gewalt seine weichen Lippen auf meinen Mund. Ein wohltuender, knisternder Stromschlag fuhr mir durch den ganzen Körper und ich schloss genüsslich meine Augen, als ich seine Geste umgehend erwiderte. Für den Moment schienen wir ganz allein unter uns zu sein. Keiner, weder Mensch noch Zwerg rührte sich in der Umgebung. Aber das blieb nur von kurzer Dauer, bis der erste Überraschungseffekt verschwunden war. Was darauf folgte war ein donnernder Sturm aus Beifall und Fußgentrampel. Jubelrufe und Pfiffe erschallten aus der Menschenmenge. Von den restlichen Zwergen auf der Bühne war ebenfalls Geklatsche und eifriges Pfeifen zu hören. Da fiel es mir plötzlich wieder ein. Verdammt, ich hatte ja das Publikum und Thorins Männer ganz vergessen! Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitzeinschlag. Himmel! Ich hatte mich gerade vor der versammelten Zeltstadt mit dem Zwergenkönig verlobt! Ich war nun offiziell die zukünftige Braut von Thorin Eichenschild! Und das hatte vermutlich auch Chu gesehen, über die ich noch mit ihm sprechen wollte. Heiliger Strohsack! Was würde sie denn nun von mir denken? Sicherlich wäre sie unglaublich enttäuscht oder vielleicht sogar entsetzt über mein unüberlegtes Handeln. Da würde ich mir wohl eine kleine Moralpredigt einhandeln. Andererseits, konnte ich es so vielleicht schaffen den Zwergenkönig dazu zu bringen meine Freunde einzuweihen. Immerhin wollte ich sie definitiv als Trauzeugen für die nun anstehende Hochzeit haben. Das stand auf jeden Fall schon mal für mich fest. Dann hätte er sicherlich ein Einsehen. Oh Gott! Ich fing ja schon an Pläne zu schmieden. Aber bevor ich diese überhaupt in die Tat umsätzen konnte musste zunächst der Moderator des Abends wieder ruhe in den Saal bringen, nach diesem sensationellen Ereignis. Er hatte sich schon des Mikros bemächtigt, als Thorin und ich uns immer noch eng umschlungen vor aller Augen küssten und trat auf die kleine Bühne hinter uns. "Oh, oh, oh. Na das nenn ich mal ein Happy end. Respekt für die kürze der Zeit, eine solche Nummer einzustudieren", meinte er und klopfte mir auf die Schulter. Etwas erschrocken und widerwillig löste ich meine Lippen von Thorin, um den großen Mann mit Glatze verlegen anzusehen. "Ehrlich gesagt, der Schluss war so nicht geplant", rief ich ihm über den Tumult entgegen. "War es nicht? Dann war das also ein echter Antrag?", fragte Moe und zwinkerte uns beiden verschmitzt lächelnd zu. Dem Zwergenkönig war nun auch wieder eingefallen, als er über seine Schulter zu dem Mann auf blickte, dass wir ja nicht alleine waren und räusperte sich kurz. "Wonach hat es denn sonst für dich ausgesehen, Mensch", meinte er ein bisschen barsch und ich spürte, wie er seine Hand an meinem Arm lockerte und diese nach unten gleiten ließ, um die Meine hoch zu ziehen. Als ich meinen Kopf wieder in seine Richtung wand, legte er für einen Moment sachte die Lippen auf meine Fingerrücken und streifte mir dann mit der anderen Hand den Ring über. Er passte mir tatsächlich wie angegossen. Gerade so, als wäre er wie für mich gemacht worden. Ich lächelte und begutachtete das Ding nun genauer, als Thorin meine Hand los ließ. Wie schön er doch an meiner rechten Hand aussah. Nun erkannte ich auch, dass um den Stein herum auf der Einfassung schmuckvolle Runen eingraviert waren. Bedauerlicherweise war ich nicht wirklich im Stande diese zu entziffern. Zwergeninschriften wurden einem hier ja nun weniger beigebracht. Aber sicherlich wusste der Zwergenkönig mehr darüber Bescheid, was sie bedeuteten. Doch um ihn nun danach zu fragen, war einfach keine Zeit. Die Bewertung unseres Theaterstückes stand noch an. Ich schritt langsam unter eifrigem Schulterklopfen und Glückwunsch-Bekundungen zwischen die kleinen bärtigen Männer. Sie konnten sich gar nicht mehr ein kriegen. Ein paar von jenen, die auch auf der Bühne einen Zwerg gespielt hatten, warfen immer wieder ihre Zipfelmützen in die Luft und fingen sie auf. Der Einzige der trotz des ganzen Freudentaumels immer noch aussah, als hätte er in eine Zitrone gebissen, war Gloin. Ich wusste, dass es ihm am wenigsten passte, wo er mich nun an der Seite seines Königs akzeptieren musste. Aber so hatte ich auch meine Ruhe vor seinen kleineren Sticheleien, die er sich wohl oder übel in den langen Bart hinein murmeln musste. Aber es konnte mir ja auch egal sein. Dafür war ich einfach viel zu glücklich. Und der Mann, dem ich dieses Gefühl zu verdanken hatte, war es definitiv auch. Er kam aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. Seit ich ihn kannte, hatte ich ihn nie so strahlen sehen. Es war fast so, als sei in ihm endlich das Eis gebrochen worden. Die Kälte, die so lange sein Herz und seine Seele umschlossen gehalten hatte, schien aus ihm gewichen zu sein, wie ein flüchtiger Frühlingsregen, nachdem die Sonne aufgegangen war. Doch bei all dem Glück und der Freude musste nun doch langsam ruhe einkehren. Da es Moe nicht wirklich schaffte, die Leute zu besänftigen, nahm ich mir entschlossen das Mikro in die Hand, was Fili noch festhielt und brüllte einmal laut rein: "RUHE IM SAAL!" Es folgte mal wieder eine ordentliche Rückkopplung, die alle samt zum Stöhnen brachte, als sie uns in den Ohren schmerzte. Doch danach war zumindest wieder Stille. "Oh man. Danke Jacky für diese nette Einlage zum Schluss", kam es von Moe, der sich über die Glatze wischte. Ich grinste nur und hängte das Mikro auf einen Ständer im Hintergrund. Endlich konnte die Punktevergabe beginnen. Wir stellten uns in einer Reihe auf. Thorin und ich in der Mitte, er zu meiner Rechten, Kili zu meiner Linken. Neben ihm sein Bruder und dann Ori, Bombur, Bofur und Balin. Auf der Seite des Zwergenkönigs stand direkt neben diesem, Dwalin, dann Oin, Gloin, Dori, Bifur und Nori. Moe erteilte das Wort an die Jury und die sahen uns lächelnd an. "Das war wirklich eine außergewöhnliche Darbietung mit vollem Körpereinsatz. Auch wenn ich zeitweilen besorgt war, um das wohl der Prinzessin", meinte Heidi Krumm und zwinkerte mir zu. Reihum gab es Gekicher. Sie spielte da wohl auf den Vorfall mit Bombur an, über den ich nur kurz belustigt schnaubend den Kopf schütteln konnte. Nachdem sie die Andeutung sacken gelassen hatte, verkündete sie ihr Ergebnis. "Also, alles in allem war es sehr sehr schön und in der Kürze der Zeit wirklich gut organisiert. Daher geb ich euch volle zehn Punkte", meinte sie und das Publikum klatschte. Als es dann zum nächsten Jurymitglied über ging, legte sich von meiner rechten Seite ein starker Arm um meine Hüfte und zog mich näher zu sich rüber. Dann schaute Nils, der Praktikant zu uns auf und grinste breit: "Also ich kann mich Heidi da nur anschließen. Mir hats echt gut gefallen. Und ich hätte zu gerne eine dieser unglaublich stylischen Zipfelmützen, die ihr da tragt. Wirklich sehr originell. Von mir gibts auch volle zehn Punkte dafür", sagte er und wieder gab es munteren Applaus. "Das sieht nicht schlecht aus", murmelte mir Kili über die Schulter schielend zu. "Ja. Aber jetzt kommt Don. Dessen Ergebnis sagt uns ob wir gewonnen haben", erwiderte ich und sah hinunter zum Sofa. Dieser rückte seine Krawatte auf der blanken Brust zurecht und gab dann ein Räuspern von sich, als es zum letzten Mal ruhig wurde. "Ja, also. Was soll ich dem noch hinzu fügen? Das war ja schon fast Filmreif. Besonders der Schluss. Dann würd ich mich meinen Kollegen gerne anschließen und sagen. Zehn Punkte", meinte er und schon brach ein erneuter Jubelsturm los. Die kleinen Männer und ich waren ganz aus dem Häuschen. An diesem Abend hatte bisher noch keiner die volle Punktzahl erreicht. Also standen wir als Sieger schon fest, da nach uns eh keiner mehr kam. Kili und Fili lagen sich lachend in den Armen. Balin, Oin, Bombur und Bifur klatschten kurz anerkennend in die Hände. Dwalin und Gloin beschränkten sich darauf mit verschränkten Armen vor der Brust zu nicken. Dori, Nori und Ori bildeten einen Kreis und tanzten einmal um einander herum. Thorin ließ es sich nicht nehmen mich mit einem Arm hoch zu stemmen und um sich herum zu wirbeln, ehe er mich wieder absetzte und mir einen erneuten Kuss aufdrückte. Den absoluten Vogel schoss allerdings Bofur ab. Er war so überschwänglich, dass er gar nicht darauf achtete was er gerade tat. "Wir haben es geschafft! Wir haben gewonnen!", rief er aus und schlug dann doch tatsächlich aus dem Stand einen Salto auf der Bühne. Wobei er es irgendwie versäumte diesen zu vollenden, da er unsanft und laut krachend auf seinem Hintern landete. Ich hatte gerade die Arme um die Schultern des Zwergenkönigs gelegt, als ich es im Augenwinkel mitbekam. Meine Lippen lösten sich abrupt von Thorins, bevor ich anfing lauthals los zu lachen, worin die Anderen mit einstimmten. Einschließlich desjenigen, dem der Schlamassel erst passiert war. Endlich war es überstanden. Dieser unglaublich anstrengende, stresserfüllte Tag war vorbei. Nun hieß es für die Meisten entweder ins Bett oder munter weiter gefeiert, wie es die Zwerge taten. Schließlich mussten sie ja nicht nur ihren Sieg begießen, sondern auch auf ihren König und seine Braut anstoßen. Doch zuvor musste einmal alles, was wir nicht mehr brauchten zurück in die Zelte geräumt werden. Ich nahm mir nur ein paar Kleinigkeiten, da ich in dem weiten Kleid sowieso Mühe mit dem Laufen hatte und die Schleppe noch mit tragen musste. Normal hätte ich mich auch direkt umziehen können, als wir die Liege in meiner kleinen Kuschelhöhle abgestellt hatten. Doch stattdessen half ich lieber noch ein wenig die anderen Utensilien zu sortieren. Irgendwann schaffte ich es in dem ganzen Wirrwarr, mir meinen Zukünftigen zu schnappen und in eine etwas ruhigere Ecke hinter das Zelt, an die dunkle Wäldchengrenze von klein Mordor zu komplementieren. Denn eine Sache musste da doch noch geklärt werden. Ganz gleich wie kompliziert es auch sein mochte. In der Hochstimmung, in der er war, fiel eine Aussprache bestimmt wesentlich leichter als unter Anspannung. Es war schon reichlich finster dort, aber vom Platz her erleuchtete das große Lager- und Grillfeuer eine Hälfte seines Gesichtes, wofür ich dankbar war, denn dann wusste ich zumindest zu einem Teil, wie er auf meine Bitte reagieren würde. "Also. Was möchtest du von mir?", fragte er mit verschränkten Armen und legte nun wieder die ernste Maske auf seine Gesichtszüge. Ich seufzte kurz und zog mir die Blechkrone vom Kopf, welche ich danach in den Händen drehte, um ein wenig meine nervösen Finger zu beruhigen, bevor ich zu ihm sprach. "Nun. Weißt du. Da gibts noch was, um das ich dich bitten möchte", begann ich und musterte sein Gesicht im Halbdunkeln. Er nickte mir kurz zu, um mir zu zeigen, dass er mich anhören wollte. Ich nahm noch einmal einen tiefen Atemzug und schloss die Augen. "Du... hast ja mitbekommen, was ich getan habe. Und daher... Wollte ich dich fragen. Ob es möglich wäre... dass du. Meine Freunde... in euer Geheimnis mit einweihst", sagte ich und drückte die Krone ganz fest, die davon noch mehr dellen und Beulen bekam. Ich hörte wie er langsam von einem Bein aufs andere trat und nachdenklich vor sich hin brummte. "Du weißt was du da von mir verlangst. Je mehr davon wissen, umso schwerer wird es sein, unsere Herkunft zu verheimlichen", sagte er ruhig. Ich nickte nur und öffnete die Augen wieder. Er hatte den Kopf etwas zur Seite geneigt und warf mir einen äußerst skeptischen Blick zu. "Ich weiß es ist zu viel verlangt. Und ich hätte dich nie drum gebeten, wenn ich nicht in diese Zwickmühle geraten wäre. Aber ich wollte mir nicht einfach den Stein nehmen, um meinen Worten Chu gegenüber Nachdruck zu verleihen. Er gehört nun mal dir und daher musst du entscheiden, ob du meiner Bitte nachkommen kannst oder nicht", erwiderte ich ruhig aber nervös. Er gab einen sehr langgezogenen und tiefen Seufzer von sich. Danach kam er langsam auf mich zu. "Du verstehst sicher, dass ich deswegen immer noch sehr wütend auf dich bin. Andererseits rechne ich es dir aber sehr hoch an, dass du mich wenigstens von deinem Vorhaben in Kenntnis setzen wolltest und mich nicht einfach bestohlen hast. Sonst hätte ich womöglich erwogen dir nicht dieses Geschenk dar zu reichen", sagte er mit Blick auf meine Hand an dessen Ringfinger der dunkelblaue Edelstein immer noch durch das flackernde Feuer funkelte. Ich hob diesen auf Augenhöhe und musterte ihn noch einmal. Ein liebevolles Lächeln huschte mir dabei über die Lippen. "Er ist wirklich unbeschreiblich schön. Was ist das für einer?", fragte ich und sah ihn ebenfalls zaghaft lächeln. "Das ist Durins Herz", antwortete er schlicht. "Durins Herz?", fragte ich und blinzelte ihn verwirrt an, da ich eigentlich nur wissen wollte welche Art von Stein und aus welchem Edelmetall das Schmuckstück bestand. Er nickte, nahm meine beringte Hand in seine und strich sanft mit dem Daumen über den schweren Stein und die eingekerbten Runen. "Er ist seit Anbeginn der Zeit in der Familie. Es heißt, dass sich Durin einst in seinen Hallen einsam fühlte und er umgeben von Gold und Edelsteinen nicht Glücklich sein konnte, da ihm insgeheim etwas fehlte. Mahal soll seinen Kummer gesehen haben und schenkte ihm die Erste der sieben Zwergenfrauen. Durin war so voller Freude, als er sie sah, dass er ihr sein erstes, geschaffenes Schmuckstück, eben jenen Ring den du nun trägst , als Zeichen seiner Zuneigung schenkte. Seit dem wurde er stets von Generation zu Generation weiter gereicht. Immer vom Vater an den Sohn, welcher sich eine Braut erwählte, um die Linie fort zu führen", erklärte er ruhig. "Und warum hast du ihn erhalten und nicht deine Schwester? Ich meine, sie hat ja durch Fili und Kili die Linie fort gesetzt", meinte ich worauf ich mir nur ein spöttisches Schnauben einfing. "Sicher, das hat sie getan. Und ich liebe meine beiden Neffen, wie meine eigenen Söhne. Allerdings muss ich dir eine Sache vor Augen halten. Für Zwerge mögen Frauen für den Fortbestand unseres Volkes von großer Bedeutung sein, da es nicht viele von ihnen gibt. Man könnte sagen sie sind neben Gold und Edelsteinen unsere wichtigsten Schätze. Aber wenn es um die Erbfolge des Familienstammbaumes geht, sind sie eher als unwichtig zu betrachten. Sobald sie verheiratet sind, haben sie sich zu fügen und all ihre Geschäfte nieder zu legen, um für den Haushalt und die Familie da zu sein. Alle anderen Geschäfte fallen den Männern zu. So auch die Thronfolge, die ich inne hatte", erzählte er, senkte betreten den Kopf und ihm entfuhr ein tiefer bitterer Seufzer. Ich brauchte gar nicht fragen woran er gerade dachte. Ich konnte es ihm in seinem leicht verdrießlichen Gesicht ansehen. Er erinnerte sich wohl an den Vorfall, als er den Erebor von Smaug zurück gefordert hatte und kurz drauf durchgedreht war. Seine Erscheinung bedrückte mich in diesem Moment sehr. Er hatte so viel Leid erdulden müssen und auch selbst verursacht, als er unter der Drachenkrankheit gelitten hatte, dass es ihn immer noch zu tiefst schmerzte. Und diesen Schmerz spürte ich bei seinem Anblick gleichermaßen. Langsam hob ich die andere Hand und legte sie ihm ganz behutsam auf die Wange, wo ich ihn vorsichtig mit den Fingern streichelte. Ich hoffte es würde ihn ein bisschen trösten, da ich wusste, wie diese Wunde wohl immer noch von ihm zehren musste. "Thorin. Hör zu. Das ist vorbei. Das Böse hatte dein Herz ergriffen und du warst dem Wahnsinn verfallen. Aber glaub mir. Es wäre jedem so gegangen, der sich plötzlich vor diesem Haufen an Reichtümern befunden hätte. Doch sieh mal. Du hast es aus eigener Kraft geschafft dich dieser goldenen Hölle zu entziehen. Du hast bewiesen, dass du weit mehr Stärke besitzt, als sie dein Großvater und dein Vater jemals hatten. Mir ist es sowieso egal, was damals mit dir gewesen ist. Für mich ist nur der Mann wichtig, den ich jetzt hier vor mir habe. Der, der es geschafft hat innerhalb von zwei lächerlichen Wochen meinem verkorksten Leben wieder einen Sinn zu geben. Nur das zählt für mich", sagte ich mit sanfter Stimme und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Kurz legte sich Schweigen über uns. Nur der Lärm aus den Zwergenzelten und vom Grillfeuer hallte zu uns herüber. Auch das "ROZ" war nun wieder aktiv, was man deutlich am sonoren Wummern der fernen Lautsprecher hörte. Nachdem schon gefühlt fünf Minuten verstrichen waren, in denen der Zwergenkönig weiterhin mit dem Daumen über den Ring strich, zuckte er plötzlich ruckartig mit dem Kopf hoch. Dann hob seinen anderen Arm, schlang diesen um meine Hüfte und zog mich in eine feste Umarmung, die einmal mehr in einem sehr innigen Kuss mündete. Ich lächelte sanft und atmete einmal ganz tief seinen so betörend, männlichen Duft ein. Es war einfach unfassbar, wie gut er für einen Zwerg roch. Wo es eigentlich immer hieß, dass die kleinen Männer stanken, wie ein Haufen ungewaschener Unterhosen. Gut, aber wer würde das nach einem harten Tag in einer Mine oder Schmiede nicht? Ich dachte mir in diesen Moment nur immer wieder, man soll nicht alles glauben, was die Leute so von sich geben. So hätte man auch sicher nicht erwartet, und ich am allerwenigsten, dass dieser sehr kräftige und stämmige kleine Mann fähig war zärtliche Berührungen und Küsse zu vergeben, nachdem die ersten paar Male so unbeholfen von statten gegangen waren. Inzwischen war er in dieser Disziplin schon fast zum Meister geworden. Nur war es schade, dass wir schon bald wieder in unserer Zweisamkeit unterbrochen wurden. Gerade als er versuchte mit seiner weichen Zunge zwischen meine Lippen zu schlüpfen, als ich kurz ein entspanntes Stöhnen von mir gegeben hatte. Da räusperte sich neben uns jemand und wir fuhren erschrocken auseinander. Ich blinzelte kurz nachdem ich erkannte, dass Balin neben uns aufgetaucht war und uns freundlich entgegen lächelte. "Was willst du?" fragte Thorin recht forsch und ein bisschen beleidigt aufgrund der Unterbrechung. "Entschuldigt bitte ihr beiden, dass ich euch so unhöflich unterbreche. Ich wollte euch wirklich nicht belästigen. Aber wir sind mit dem Aufräumen fertig und würden nun gerne zur Feier aufbrechen", meinte der alte Zwerg freundlich. Der Zwergenkönig nickte sachte mit dem Kopf. "Gut. Geh schon mal mit den Männern vor. Wir kommen dann nach", sagte er etwas ruhiger. Balin erwiderte das Nickten und zwinkerte mir verstohlen grinsend entgegen, worauf ich spürte, wie mir ein bisschen die Schamröte ins Gesicht schoss. Man konnte ja sagen was man wollte, aber ihm konnte man nun wirklich nichts vor machen. Wobei ich mich selbst etwas wunderte, dass ich mich wie ein kleines Schulmädchen dafür schämte, wenn ich in aller Öffentlichkeit meinen neuen, zukünftigen Mann küsste. Aber vielleicht war es auch einfach noch so ungewohnt für mich, ihn nun als den zu sehen, der er fortan war. Es wirkte immer noch so unrealistisch und traumartig. Allein der Gedanke daran, dass ich mich wohl irgendwann mit Frau Eichenschild ansprechen lassen musste, war für mich so absurd, dass ich immer wieder den Kopf darüber schüttelte. "Ist alles in Ordnung mit dir?", hörte ich Thorin plötzlich fragen, als er dies auf einmal bemerkte. Ich zuckte kurz zusammen und kicherte ein bisschen. "Ach. Nein. Ist schon gut. Wir sollten jetzt besser den Anderen folgen, sonst machen sie sich noch Sorgen um uns", meinte ich und löste mich etwas von ihm, um Balin nach zu laufen. Er hielt aber weiterhin meine Ringhand fest und stoppte mich auf diese Weise noch einmal. "Warte. Eine Sache noch", sagte er und ich drehte mich wieder zu ihm um. "Was ist?", fragte ich ruhig. "Du wolltest doch eine Antwort auf deine Bitte", sagte er und ich nickte, als er es mir so wieder in Erinnerungen rief. "Ja. Hast du dich denn entschieden?", fragte ich und sah wie er sich kurz auf die Unterlippe biss. "Es passt mir zwar nicht. Aber, wenn du mir von ganzem Herzen versprechen kannst, dass sie vertrauenswürdig sind. Will ich ihnen eine Chance geben", meinte er entschlossen. "Es sind die besten Freunde, die ich mir vorstellen kann. Und wenn ich sie darum bitte Stillschweigen zu bewahren, dann halten sie sich auch daran. Bisher haben sie mich nie enttäuscht was das anging", erwiderte ich und er nickte mir knapp zu. "Dann ist es beschlossen. Bring sie Morgen Nachmittag zu uns und ich werde ihnen alles erklären. So und nun gehen wir erst einmal unseren Sieg feiern", gab er ruhig von sich und schritt weit aus, um an meiner Seite gehen zu können. Ich drehte mich um und verschränkte meine Finger mit seinen. Hand in Hand kamen wir zwischen den Zwergenzelten hervor und waren bereits auf dem Weg zum großen Lagerfeuer, als mir da doch noch eine Kleinigkeit einfiel. "Thorin. Warte mal", sagte ich und blieb stehen. Er stoppte ebenfalls und hob eine Augenbraue in die Stirn. "Was ist denn noch?", fragte er ruhig. "Da gibts noch eine Sache, die ich von dir möchte", erwiderte ich und musterte ihn eingehend. "Und die wäre?", seufzte er ein bisschen ungeduldig. "Ich will, dass du deine Schlinge umlegst", sagte ich und erntete dadurch mal wieder ein spöttisches Schnauben. "Die brauche ich nicht mehr. Meine Schulter ist so gut wie verheilt", antwortete er trotzig. Nun hob ich eine Augenbraue und legte den Kopf schief. "Ach was? Nach einem Tag? Wirklich?", fragte ich und erdreistete mich ihm umgehend einen kurzen Klaps auf die betreffende Stelle zu verpassen. Fast sofort keuchte er auf und biss die Zähne zusammen. "Mahal! Bist du von Sinnen, Weib?!", knurrte er mich an. "Das nennt der Herr Eichenschild also 'so gut wie verheilt' , was? Jetzt aber Abmarsch ins Zelt und leg dir deine Schlinge um. Ich hab keine Lust zu sehen, dass du morgen unter Schmerzen, wie ein Schluck Wasser in der Kurve aussieht", gab ich zum aller ersten Mal in einem Befehlston von mir. Daraufhin verzog er trotzig den Mund und verschränkte die Arme vor der Brust. "Und wenn ich mich weigere das zu tun?", fragte er mit beleidigtem Unterton. "Dann sag ich dem Barkeeper, dass du für heute Abend kein Bier ausgeschenkt bekommst. Und wenn dir einer der anderen eines mitbringt, dann nehm ich es dir sofort weg", erwiderte ich und stemmte meine Hände in die Hüften. Dem Zwergenkönig klappte vor entsetzen und erstaunen der Mund auf. Dann schüttelte er seine lange schwarze Haarpracht. "Das kannst du doch nicht machen", rief er empört aus und sah mich verzweifelt an. "Ich kann und ich werde. Und jetzt ab mit dir, und leg deine Schlinge an", setzte ich nach und deutete mit ausgestrecktem Arm auf unser Zelt. Das war das erste Mal, dass ich ihn mit den Augenrollen und wie einen geschlagenen Hund davon stiefeln sah. Während er so ging, grummelte er noch grantig vor sich hin: "Bei Durins Bart. Da steckt man dieser Frau einen Ring an den Finger und schon kommandiert sie einen herum. Nicht zu fassen." Ich gluckste ein wenig in mich hinein und wartete auf ihn, bis er mit eingepacktem Arm wieder bei mir war. Immer noch vor sich hin grummelnd trat er neben mich. "Besser so? Meine Heerfürherin?", raunte er hinter seinem dunklen Bart hervor. "Viel besser", meinte ich, ergriff seine freie Hand und verschränkte wieder die Finger ineinander. Endlich konnten wir zum Feiern gehen. Auch wenn Thorin den Rest des Weges grantig in seinen kurzen Bart murmelte, so wusste ich, dass er über unser beider Situation doch sehr glücklich war. Besonders als ich ihm im Gehen noch ein zärtliches Küsschen auf die Wange hauchte, worauf sein rüder Umgangston kurz ins stolpern geriet und er ein leises missbilligendes Brummen von sich gab. Ich kicherte wieder und schaute nach vorne zum näherkommenden Feuer. An jenem Abend feierten die Zwerge mit mir zusammen ihren Sieg beim Talentwettbewerb und die selbst für sie so überraschende Verlobung ihres Königs. Auch wenn es für die Meisten schon klar gewesen war, dass es irgendwann zu so etwas kommen sollte, hatte an diesem Tag niemand damit gerechnet. Die Feier zog sich noch über mehrere Stunden und dauerte bis tief in die Nacht hinein, ehe die Versammlung von der Zeltplatzleitung aufgelöst wurde und wir uns in die Zelte zurück zogen. Als ich jedoch gerade so glücklich in einem Halbschlaf versank, umklammerte plötzlich Wehmut mein Herz. Denn ich wusste mit einem Mal wieder, dass der kommende Tag, der letzte sein würde, den ich vorläufig zusammen mit den Zwergen auf der Zeltstadt verbringen durfte, ehe sie wieder zurück in ihre eigene Welt kehrten. -60. Das Herz des Zwerges / ENDE - Kapitel 61: 61. Anstoß für den FC Erebor ---------------------------------------- Der Vormittag brach schwerfällig und träge an. Die Feier am Abend und in der Nacht war für meine Begriffe einfach zu lang gewesen. Oder um es deutlicher zu formulieren. Mir brummte mal wieder gehörig der Schädel. Auch wenn ich dieses Mal nicht ganz so viel getrunken hatte, so war doch der Stress des letzten Tages deutlich zu viel gewesen. Das ganze Hin und Her. Das Auf und Ab der Emotionen. Alles in allem einfach nur katastrophal und Chaos pur. Aber am Ende hatte sich die ganze Aufregung für mich doch sehr ausgezahlt. Also, worüber sollte ich mich da noch großartig beschweren? Immerhin stand nun eines fest. Ich war nicht mehr länger allein. Ich hatte meine Trauer überwunden. Meinen seelischen Schmerz ein für alle mal hinter mir gelassen und würde nun wieder mit offenen Augen in die Zukunft sehen können. Zum Einen das und zum Anderen roch es überraschend vorzüglich in meiner kleinen Kuschelecke als ich erwachte. Da konnte mir selbst der kleine Mann mit dem Hammer, der mal wieder versuchte sich in meinem Schädel auszutoben, nicht die Laune verderben. Langsam öffnete ich die Augen und gähnte genüsslich, als ich mich vorsichtig von meiner Liege aufrichtete. Mein Blick fiel zuerst auf einen Schemel, den irgendwer zu mir hinein gebracht hatte. Auf dem stand nun eine kleine Schale, wo dieser wirklich köstliche Duft her rührte. Daneben lag eine Gabel und am Boden stand eine volle, unberührte Flasche mit Wasser. Ich musste schmunzeln, als ich die Schale vom Schemel nahm und den Inhalt musterte. Am letzten Tag der Zeltstadt gab es meist neben dem normalen Frühstück immer noch die Reste der Essensbestände vom Abend davor. So hatte mir jemand, zweifellos der Zwergenkönig selbst, etwas von dem selbstgemachten Kartoffelsalat und den letzten Bratwürstchen gebracht, die vom Grillen übrig geblieben waren. So konnte ich mich in aller ruhe daran verlustieren, ohne mich großartig abhetzten zu müssen, noch eine Kleinigkeit zu bekommen. Nachdem ich fertig war, schnappte ich mir wie gewohnt meine Duschsachen und trat hinaus in den sommerlichen Morgen. Die Zwerge waren mal wieder fast alle ausgeflogen. Nur der alte Balin saß vergnügt wie eh und je, sein Pfeifchen rauchend am Eingang auf seinem Schemel und beobachtete, das Treiben auf dem Platz. "Guten Morgen", grüßte ich ihn freundlich und er zuckte kurz erschrocken zusammen. Offenbar war er tief in Gedanken versunken gewesen und hatte mich gar nicht heran treten hören. "Oh. Ja. Ja der Morgen ist gut. Obwohl es vielleicht heute Abend regnen könnte", erwiderte er mit einem flüchtigen Blick zum Himmel und lachte etwas. "Das will ich mal nicht hoffen. Heute Abend ist die Zeltplatz-Auktion mit dem Abschiedstanz und dem großen Feuerwerk", meinte ich ruhig und warf ebenfalls einen kurzen Blick zum Himmel, wo sich einige Schleierwolken durch das helle Blau zogen. Ich verzog etwas den Mund. Balin hatte wohl nicht ganz unrecht. Schleierwolken am Morgen waren häufig ein Hinweis darauf, dass es Regen geben würde. Ich schnaubte kurz. Das fehlte gerade noch, dass ausgerechnet an diesem Abend noch mal ein Regenschauer auf uns nieder ging. So ein verdammter Mist, dachte ich bitter. Ich wollte so gerne mit Thorin draußen am Lagerfeuer sitzend, die bunten Knaller beobachten ohne Angst haben zu müssen, dass sich eine der Raketen aufgrund eines schweren Wassertropfens umdrehte und zu einem unberechenbaren Geschoss mutierte. Ich seufzte wieder und sah zurück zu Balin. "Wo sind denn die Anderen? Mal wieder auf Achse?", fragte ich und er lächelte. "Warum schaut Ihr nicht gerade aus auf den Platz. Da sind sie doch. Genau vor Eurer Nase", meinte er erheitert. Ich legte leicht den Kopf schief und hob die Augenbrauen, während ich meinen Kopf zum Platz hin drehte. Was mir dort vor Augen geführt wurde, ließ mir vor Erstaunen und Verblüffung die Kinnlage runter fallen. Ich musste mir mehrfach die Augen reiben um wirklich sicher zu gehen, dass ich gerade wach war. Doch ich konnte bereits nach wenigen Sekunden sicher sein, dass ich gerade nicht schlief und bei Verstand war. Da liefen zehn, der dreizehn kleinen Kerle kreuz und quer über den Platz und schossen sich einen Fußball zu. Und gegen meine eigene Erwartungen sogar noch äußerst geschickt. Auch kleine Tore hatten sie sich aufgebaut. Mit ein paar Ästen und Leinendecken, damit der Ball nicht irgendwohin in die Pampa flog. In denen stand auf der rechten Seite Nori und auf der linken Bofur, die versuchten die Schüsse zu halten, wenn einer der Anderen den Ball an ihnen vorbei treten wollte. Die anderen Acht hatten sich in zwei vierer Mannschaften aufgeteilt. Nachdem ich dies eine Weile betrachtet hatte, wurde mir auch klar wer miteinander und wer gegeneinander spielte. In der einen Mannschaft waren Kili, Fili, Dwalin und Thorin, die versuchten Bofurs Tor unsicher zu machen. Und auf der anderen Seite kamen ihnen Dori, Ori, Bombur und Gloin entgegen. Die älteren Zwerge der Gruppe hielten sich offensichtlich aus dem ganzen Brimborium heraus. Das war auch für sie gar nicht mal so schlecht. Denn die Herren schenkten sich keinen einzigen Zentimeter auf der Fläche. Es gab einige harte Tacklings und häufig landete einer bei einem Foul am Boden. Doch im Gegensatz zu menschlichen Spielern, steckten diese Kerle das Ganze weit besser weg. Was mir allerdings bei der Sache übel aufstieß, war dass sich der Zwergenkönig mal wieder seiner Schlinge entledigt hatte und genauso ohne Rücksicht auf Verluste spielte wie die Anderen. Ein wenig Zähneknirschend sah ich dabei zu, wie er viele Rempler austeilte, aber auch einstecken musste. Eigentlich war ich innerlich drauf und dran ihn an den Ohren gepackt vom Platz zu ziehen. Aber aufgrund der harten Spielweise entschied ich mich doch zu bleiben wo ich war. Wenn ich mich selbst wieder unnötig in Schwierigkeiten brachte, wäre er sicher wieder sauer. Immerhin hätte ich später noch genug Zeit ihn deswegen rund zu machen. Stattdessen sagte ich Balin kurz Bescheid, dass ich mich zu den Duschen auf machen wollte und verschwand mit einigem Abstand zum Trainingsspiel des FC Erebor. Während ich einen großen Bogen um das Spielfeld zog, blieben meine Augen trotzdem wachsam auf Thorin gerichtet. Ich wurde gelegentlich ein bisschen unruhig, wenn ich ihn kurz aufschreien hörte und sah, wie er das Gesicht verzog sobald er einen unschönen Seitenhieb auf seine verletzte Schulter bekam. Mich durchzuckte selbst beinah jedes mal ein Schmerz. Früher oder später würde er sicher mit dem Spielen aufhören müssen, weil er es übertrieben hatte. Dann durfte ihn vermutlich Oin wieder zusammen flicken. Ich seufzte kurz und riss mich Kopfschüttelnd von der Szenerie los. Ein bisschen schmunzeln musste ich aber schon über das Ganze. So etwas hatte diese Welt noch nie gesehen. Auch wenn der Anblick von Fußballspielenden Männern nicht wirklich was ungewöhnliches war, so war es an diesem Morgen ein absolutes Highlight, gerade Zwerge bei so einer Aktivität zu beobachten. Und ich war auch nicht die einzig Interessierte. Am Rand des nicht abgesteckten Spielfeldes hatten sich einige Fan-Girls versammelt, um ihrem jeweiligen Liebling Anfeuerungsrufe zu kommen zu lassen. Die Meisten hatten natürlich die beiden Sonnyboys Kili und Fili. Das war allerdings auch nicht verwunderlich. Egal auf welcher Internetseite man sie suchen würde, stets hieß es da, dass die Beiden gut Mitglieder einer Boy-Band sein könnten. Und damit hatten die Kommentatoren dieser Webseiten durchaus nicht unrecht. Thorins Neffen waren allseits beliebt und heiß begehrt, wovon man selbst auf der Zeltstadt nicht verschont blieb. Als ich die Mädels so musterte fiel mir auf, dass ganz hinten, hinter all den Weibern, die selbst für mich weit größer waren mit ihren durchschnittlichen ein Meter Siebzig, eine junge schlanke Frau stand, die sogar noch etwas kleiner war als ich und Fili heiter anfeuerte, obwohl sie selbst nicht mal etwas sehen konnte. Sie fiel mir gerade in diesem Moment besonders auf, da sie auf und ab hüpfte, wie ein durchgedrehter Gummiball und ihre hellblonden Haare dabei wie bei einem Heavymetal-Konzert herum wirbelten. Ich kicherte belustigt in mich hinein. So würden diese Mädels wirklich keinen Blumentopf bei den Herren gewinnen. Das war absolut sicher. Denn wie man es schaffte einen Zwerg herum zu bekommen, hatte ja nicht mal ich richtig verstanden. Dazu hatte ich Thorin bisher noch nicht befragt. Ich konnte daher vorerst wirklich mit Fug und recht behaupten, dass ich einfach nur Glück hatte. Oder war es doch mehr Glück im Unglück? Nachdenklich setzte ich meinen Weg fort und grübelte weiter über diese Frage. Als ich die Duschen erreichte, war dort bereits der Hochbetrieb vorüber und ich konnte mich bei warmen Wasser von oben entspannen. Als ich mich unter dem Wasserstrahl von "Marilyn" zurück zog, breitete sich ein belustigtes Lächeln auf meinen Lippen aus. Was hatte ich nicht alles in diesen zwei Wochen durchgemacht. Von Panikattacken bis hin zu heftigen Gefühlsausbrüchen. Es war ein ganzes Sammelsurium an Ereignissen, welche mir vor meinem inneren Auge durch die Gedanken kreisten. Überhaupt stecke mir immer noch der Schock des ersten Tages in den Knochen. Die allererste Begegnung. War das wirklich schon so lange her? Mir kam es gerade vor als sei es erst Gestern gewesen, wo fünf kleine, bärtige Männern in Kapuzenmäntel gehüllt im Eingang des Fisse Ma "Tent" Chens aufgetaucht waren und lauthals nach meiner Wenigkeit verlangt hatten. Und erst der Jagdausflug bei dem mich Dwalin das erste Mal unsanft aus der Hängematte geworfen hatte. Nun im Nachhinein, wo ich es hinter mir hatte, musste ich schon darüber lachen. Inzwischen tat mir auch der erlegte Hirsch nicht mehr ganz so leid. Immerhin hatte ich ja selbst davon gegessen. Doch vieles war wiederum nicht ganz so lustig in den Tagen gewesen. Dass der Zwergenkönig mich versucht hatte mit dem Schwert zu erschlagen, als ich versehentlich den Arkenstein aus seinem Rucksack geworfen hatte zum Beispiel. Himmel! Ich dachte schon, mein letztes Stündlein hätte da geschlagen. Und die Schlacht mit den scharfen Hunden. Meine liebe Güte. Was für eine Aufregung. Dass sich darauf im Geheimen noch eine viel größere Schlacht aufbauen würde, daran hatte ich auch nicht im Traum gedacht. Wirklich. Das waren die absolut schrägsten zwei Wochen meines Lebens. Und das Ergebnis aus den ganzen Scherereien war zweifellos der kleine, silberne Ring mit dem dunkelblauen Stein, der nun hoch oben auf meinem Wäscheberg thronte, da ich ihn zum Duschen lieber abnahm, ehe er mir versehentlich vom Finger rutschte und verloren ging. Wenn er tatsächlich so ein uraltes Erbstück war, wie mir der Zwergenkönig sagte, dann wäre er nicht nur unersetzlich sondern auch noch mehrere Milliarden schwer. Also, ganz gleich wer ihn danach finden mochte. Der oder diejenige hätte mit Sicherheit für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Wobei ich mir nicht sicher war, ob das Material, aus dem er bestand, in meiner Welt wirklich mit einem großem Wert berechnet werden konnte. Ich hatte mich am vorherigen Abend noch einmal beim alten Balin erkundigt, um was es sich denn nun handelte. Laut seiner Aussage war der Stein wohl ein sogenannter Mitternachts-Saphir. Ein sehr seltenes Exemplar, welches man wohl nur in sehr tiefen Regionen der Erde ihrer Welt finden konnte. Und die Fassung bestand aus Mithril. Vielleicht das Beste an dem Teil. Denn dadurch war dieser nicht nur besonders leicht, sondern auch quasi unzerstörbar. Ein großer Vorteil, da ich bei meiner vorherrschenden Schusseligkeit mit Sicherheit das ein oder andere Mal irgendwo anecken konnte. Wobei ich, seit ich dieses Teil hatte, peinlichst genau darauf achtete, dass ihm nichts passierte. Mit Sicherheit bekäme der Zwergenkönig einen kleinen Tobsuchtsanfall, wenn seinem Erbstück etwas zu stieß. Eines durfte ich ja schlicht und ergreifend nicht vergessen. Er war immer noch ein Zwerg, und denen gingen ja Schätze häufig sogar über ihre Liebschaften. Diese Tatsache ließ mich kurz aufseufzen und ich stellte das Wasser ab. Vermutlich war dies wohl der einzige Schatten, der auf unserer ungleichen Beziehung lag und immer liegen würde. Mit Gold und Juwelen konnte ich einfach nicht in Konkurrenz treten. Aber man musste sich schließlich immer irgendwo einschränken wo es gerade ging. Zumindest war ich mir sicher, dass er niemals mit einer anderen Frau etwas anfangen würde. Auch das hatte ich am vergangenen Abend kurz mit erlebt, als eine etwas angetrunkene Dame, um anfang Vierzig, versuchte sich ihn zu Eigen zu machen, indem sie mich beiseite stieß mit der Begründung, er brauche doch etwas reiferes, was seinem alter entspräche. Was er ihr darauf antwortete, würde ich nie vergessen. "Ich wage es zu bezweifeln, dass man hierzulande einen so gut gereiften Wein bekommen kann." Die Frau hatte empört den Mund aufgeklappt, nachdem er sie entschuldigend, aber grob beiseite geschoben hatte, um mir vorsichtig auf den Rücken zu klopfen. Ich hatte mich nämlich darüber so sehr amüsiert, dass ich mich glatt an meinem Glas Met verschluckte. Ich kicherte immer noch belustigt vor mich hin, als ich mich anzog und meine Sachen zusammen suchte. Als ich endlich fertig war und gerade hinaus in die Sonne treten wollte, klopfte es plötzlich hastig an die Tür. Ich öffnete und vor mir stand ein sehr abgehetzt wirkender Bofur. Ich hob verwundert die Augenbrauen und sah ihn ganz irritiert an, da er nach Luft schnappte. "Was ist denn los? Du schnaufst ja wie eine alte Dampflok", sagte ich ruhig. "Du. Du musst sofort kommen. Thorin", stammelte er und schon ergriff er ungefragt meinen Arm, um mich hinter sich her zu schleifen. "Hey! Du reißt mir ja den Arm aus! Was ist denn mit Thorin?!", fragte ich und konnte gerade noch meine Duschutensilien festhalten. "Nicht reden. Komm. Dann siehst du es", meinte er abgehetzt. Mir schwante Übles, als wir um den Sandybor herum kamen und sich eine kleine Menschenmenge versammelt hatte, in deren Mitte es deutlich zur Sache ging. Was auch immer passiert war, es verursachte einen Heidenlärm. Wie wir immer näher kamen, vernahm ich zwei Männerstimmen, die sich lauthals in einer fremden Sprache anbrüllten. Wir hatten große Mühe uns durch die versammelte Menschen, Hauptsächlich Fan-Girls, zu zwängen, die so dicht stand, wie ein Haufen junger Fichten. Schließlich erreichten wir den Mittelpunkt des Ganzen und schon sah ich die Bescherung. Die beiden Herren, die diesen infernalischen Lärm verursachten, waren keine anderen als Gloin und der Zwergenkönig selbst. Und den Gesichtern der Beiden nach zu urteilen, war dem anschreien eine kurze Schlägerei voran gegangen. Verschreckt und ein bisschen verärgert trat ich näher und versuchte mir erst einmal einen Überblick zu verschaffen. Der rothaarige Zwerg hatte ein deutlich sichtbares Veilchen am linken Auge und Thorin blutete etwas an der Lippe. Beide wurden von den drei Zwergen ihres vorherigen Fußballteams in Schach gehalten, die große Mühe damit hatten sie weiterhin von einander zu trennen. "Was ist denn hier passiert?", fragte ich Bofur neben mir, der immer noch nach Atem rang. "Also. Wir haben etwas gespielt und Gloin hat Thorin mehrfach hart an seiner verwundeten Schulter getroffen. Nachdem Thorin ihn dann aufgefordert hat das endlich einmal sein zu lassen, weil es unehrenhaft wäre seinen Schwachpunkt wissentlich zum Vorteil zu nutzen, hat Gloin gesagt, er bräuchte ihm nichts von Unehrenhaftigkeit erzählen, wo er sich eine Menschenfrau ans Bein gebunden habe. Daraufhin ist Thorin auf ihn los gegangen", erklärte er so ausführlich, wie er nur konnte. "Und was machen sie jetzt gerade wo man sie auseinander gebracht hat?", hakte ich noch einmal nach. "Nun, also. Jetzt werfen sie sich gegenseitig Beleidigungen und Schimpfwörter an den Kopf", meinte dieser schulterzuckend. Ich seufzte kurz und schüttelte nur den Kopf. Sicher ich hätte geschmeichelt sein müssen, dass Thorin nicht nur seine sondern auch meine Ehre gegen diese Verunglimpfung verteidigen wollte. Aber dass er gleich so ausrasten musste, war nun wirklich nicht nötig. Doch wie ich selbst inzwischen zu genüge wusste, erhitzte Zwergenblut wohl recht schnell. Und gerade beim Zwergenkönig stieg dieser Pegel wohl sehr rasant, wenn es um seinen Stolz ging. Vor allem wenn er Schmerzen hatte. Das konnte ich gut daran erkennen, wie er jedes mal das Gesicht verzog, wenn ihn Dwalin an seiner verletzten Schulter etwas zu fest packte. Schließlich reichte es mir. Ich hatte genug gesehen und gehört. Nun war langsam ein Einschreiten nötig. Ich nahm meine Duschsachen, drückte sie Bofur in die Hände und stapfte auf die Gruppe zu. "HEY!", brüllte ich laut und sah wie alle zusammen fuhren. Sämtliche Köpfe im Umfeld wanden sich mir zu. Auch die der beiden Streithammel. "Ha! Da ist ja dieses niederträchtige Weibsbild!", kam es barsch von Gloin, der mir einen hämischen Blick aus seinem zerschundenen Gesicht schenkte. "Nenn sie nochmal niederträchtig und ich schlag dir das andere Auge auch noch Blau!", rief ihm der Zwergenkönig entgegen und zerrte erneut an dem Armen seiner Neffen und denen von Dwalin. "RUHE!", brüllte ich erneut, worauf Thorin kurzzeitig aufhörte sich nach Leibeskräften zu wehren. Als ich mir sicher war wieder von den Herren Aufmerksamkeit zu bekommen, ging ich langsam zwischen ihnen auf und ab. "Ich weiß ja nicht, was der ganze Mist hier soll. Aber habt ihr beiden Flachpfeifen eigentlich noch Nerven euch hier am helllichten Morgen in aller Öffentlichkeit wegen nichts zu prügeln?", fragte ich aufgebracht und wendete immer wieder den Kopf hin und her. Doch mir hätte klar sein müssen, dass es nach dieser Frage in einer kindischen Zankerei enden würde. "Er hat damit angefangen", rief Gloin aus und deutete mit seinen kurzen dicken fingern auf Thorin der ihm darauf entgegnete, "Das ich nicht lache! Wer hat mich denn vorhin als unehrenhaft bezeichnet!" "Weil es die Wahrheit ist! Wärst du nur noch halb so viel Zwerg, wie du einst einmal warst, dann hättest du dich niemals mit Der da eingelassen!", brüllte der rothaarige Zwerg und deutete mit seinem Zeigefinger unnötigerweise auf mich. "Ich bin immer noch dein König, Gloin!", argumentierte Thorin daraufhin, was ich für einen sehr dürftigen Grund hielt und Gloin offensichtlich auch. "Der warst du einmal! Früher hättest du dich niemals zu so etwas herab gelassen. Was ist nur aus dir geworden Thorin?", entgegnete er und warf ihm einen überhablichen Blick zu. "DAS REICHT!", rief ich dazwischen, damit sie endlich wieder aufhörten. Was folgte war ein gegenseitiges, aggressives Anknurren. Sie benahmen sich wirklich wie zwei tollwütige Hunde. Ich atmete ein paar Mal tief durch und strich mir mit dem Arm über die Stirn. So konnte das nicht weiter gehen. Die Sache war doch weit verfahrener als ich geahnt hatte. Offenbar war eine ruhige, konstruktive Aussprache zwischen den Herren nicht mehr möglich. Sie wollten um jeden Preis Taten sprechen lassen. Und das mit ihren Fäusten. Aber so weit wollte ich es nicht mehr kommen lassen. Sie sahen nun schon schlimm genug nach dieser Kabbelei aus. Wenn das weiter ging, hätte ich nicht gewusst ob einer der beiden dies überleben würde. Vor allem da Thorin ja bereits einen erheblichen Nachteil hatte. Ich überlegte einen Moment hin und her und sah dabei auf den staubigen Zeltplatzboden. Da stach mir die Lösung des Problems buchstäblich ins Auge. Nicht weit von mir lag völlig unscheinbar und unschuldig der Fußball, mit dem sie zuvor noch munter zusammen gespielt hatten. Ich grinste kurz breit und beugte mich runter, um diesen aufzuheben. Die Idee, die in meinem Kopf heran gereift war, war vermutlich eine der dümmsten, die ich in den ganzen zwei Wochen hatten. Aber wenn es helfen konnte den Frieden unter den Männer wieder her zu stellen, dann sollte ich wohl auch mal ein Opfer dafür bringen. Immerhin ging es ja in dem Streit ebenso um mich. Langsam drehte ich die Pille in meinen Händen und sah mich zwischen den beiden Herren noch einmal um. Die Anderen hatten bemerkt, dass ich den Ball aufgehoben hatte und standen mit großen Fragezeichen im Gesicht vor mir. "Was hast du denn damit vor Cuna?", kam es von Kili, der seinen Onkel von hinten um die Hüfte gepackt hielt. Ich grinste ihn ruhig an und atmete noch einmal tief durch bevor ich den Männern meine Idee erläuterte. "Nun. Da ich sehe, dass ihr nicht bereit seit ruhig miteinander zu reden und stattdessen lieber Taten anstatt Worte sprechen lassen wollt. Fiel mir gerade ein, dass ihr ja auf kleine Wettkämpfe steht. Und was wäre gerade naheliegender, als ein kleines Elf-Meter-Schießen, um die Sache endgültig zu klären und aus der Welt zu schaffen", meinte ich und ließ die Kugel immer wieder auf meinem Finger drehend tanzen. "Ein was? Elb-Meter-Schießen?", fragte Dori und legte fragend den Kopf schief. "Elf-Meter-Schießen. Mit Elben hat das nichts zu tun. Auch wenn ich glaube, dass keiner von euch etwas dagegen hätte, Elben durch die Gegend zu treten", meinte ich lässig, titschte den Ball etwas auf und fing ihn immer wieder. "Und wie soll das funktionieren?", kam es von Kili, der aufgrund meiner Aussage ein bisschen beleidigt das Gesicht verzog. Ich ignorierte es für den Augenblick und begann weiter zu erklären: "Ist doch eigentlich ganz simpel. Für gewöhnlich stellt einer sich ins Tor und der andere schießt von einer Distanz von elf Metern darauf. Jeder hat fünf Versuche. Wer es schafft drei mal oder häufiger zu treffen, der hat gewonnen. Wenns Beide schaffen, dann wird so lange gespielt bis einer von beiden zwei Tore unterschied zum andern hat. Man kann es aber auch je nach Situation individuell gestalten. Habt ihr das denn nie bei euch so gemacht?" "Ehrlich gesagt, nein. Entweder man gewinnt oder verliert. Wir spielen immer so lange bis alle keine Lust mehr haben. Dabei geht es nie um irgendetwas. Es ist ein reiner Zeitvertreib", antwortete Fili ruhig. "Verstehe. Aber wärt ihr denn damit einverstanden es auf diese Art zu regeln?", hakte ich nach und sah jeweils einmal zu Gloin und dann wieder zu Thorin. "Ich für meinen Teil schon", sagte der Zwergenkönig barsch und der Rothaarige schnaubte nur. "Das war ja zu erwarten, dass du auf diese lächerlichen Vorschläge deines Liebchens eingehst", spottete er überheblich. "Hör auf sie so zu nennen!", knurrte Thorin und machte wieder Anstalten sich dem frechen Kerl entgegen zu werfen. Doch erneut schafften es seine Neffen und Dwalin ihn davon abzuhalten. Ich musterte unterdessen den rothaarigen Zwerg eindringlich und machte einen Schritt auf ihn zu. "Sag bloß, du hast Angst, davor zu verlieren, wenn eine Frau im Tor steht", sagte ich und grinste ihn breit an. "Was? Wieso Frau im Tor?", fragte er und kratzte sich irritiert dreinschauend an der Schläfe. Ich grinste nur noch breiter und starrte ihm mitten ins haarige Gesicht. "Du hast schon richtig gehört. Ich gebe dir Gelegenheit mir zu zeigen, was du auf dem Kasten hast. Ich werde im Tor stehen und versuchen deine Schüsse zu halten", erwiderte ich ruhig. Was auf meine mehr als deutliche Ansage folgte, war ein kurzer empörter Aufschrei von Thorin. "Was?! NEIN! Cuna bist du verrückt geworden?!", rief er und in jedem Wort schwang eine unhaltbare Fassungslosigkeit mit. Ich drehte mich langsam zu ihm um und lächelte ihn beschwichtigend an. "Ist schon gut Thorin. Ich hab das früher schon ein paar Mal gemacht. Ich weiß wie das geht", sagte ich langsam. "Du hast keine Ahnung worauf du dich da einlässt. Du könntest dabei schwer verletzt werden. Vielleicht sogar um kommen. Das lasse ich nicht zu. Ich verbiete dir, dass du das tust!", rief er mir drohend entgegen, doch ich lächelte ihn nur selbstbewusst an und wand mich dann wieder an Gloin, der ungläubig die nicht zu geschwollene Augenbraue hob. "Sag mir. Warum sollte ich gegen dich antreten wollen? Immerhin ist es eine Sache zwischen mir und Thorin", sagte er dann und wirkte sichtlich etwas verunsichert. "Ganz einfach. Weil es bei dieser Sache hier um mich gegangen ist. Und darum, dass du mich endlich akzeptieren lernst. Außerdem will ich eine Chancengleichheit zwischen dir und Thorin schaffen. Er hat eine Schulterverletzung. Kann sich also nicht so gut bewegen wie ich. Daher nehme ich für die Zeit wenn du schießt seinen Platz im Tor ein", entgegnete ich entschlossen, worauf er in schallendes Gelächter ausbrach. "Ha! Das will ich sehen! Du wirst es nicht schaffen, dass auch nur einmal zu verhindern", sagte er und sein Tonfall wurde immer spöttischer. "Und wenn doch?", hakte ich nach und hob den Kopf etwas an um ihm nun einen hämischen Blick zu schenken. Er schnaubte kurz und hob ebenfalls den Kopf auf die gleiche Weise, wobei er die Arme vor der breiten Brust verschränkte. "Wenn du das tatsächlich schaffst einen einzigen Schuss zu fangen, was ich bezweifle, dann nehme ich alles zurück, was ich je über dich gesagt habe", meinte er selbstsicher. "Gut. Machen wir es so. Du schießt fünf mal aufs Tor, während ich drin stehe. Halte ich einen deiner Bälle, hältst du dein Versprechen, nimmst alles zurück und verlierst auch nie wieder ein schlechtes Wort über mich oder Thorin. Auch eine Entschuldigung für dein respektloses Verhalten ihm gegenüber ist darin mit inbegriffen. Wenn ich es nicht schaffen sollte, dann poliere ich für ein Jahr deine Äxte, wasche deine Kleider und so weiter", sagte ich und streckte die Hand aus. "Abgemacht", sagte er und schlug extrem fest in meine wesentlich schmächtigere Menschenhand ein. Ich biss kurz die Zähne zusammen, als er zu packte und mich böse angrinste. Ein Raunen ging durch die Leute um uns herum. Zum Einen waren besorgte Stimmen zu hören und zum Anderen einige Ehrfürchtige. Unterdessen kam aus dem Hintergrund wieder ein Aufschrei vom Zwergenkönig, der es nach langem Gerangel mit seinen drei Bewachern endlich geschafft hatte sich zu befreien. Doch als er mich an den Schulter packte und zu sich herum drehte, war es bereits zu spät, um den Deal mit Gloin noch zu verhindern. "Wie konntest du nur?! Ich habe es dir vorhin deutlich verboten! Warum um alles in der Welt machst du das?!", fuhr er mich an und schüttelte mich dabei ordentlich durch. "T-t-thorin. Hör auf. Mir wird ja schlecht von deinem Geschüttel. Ich bin doch kein Wodka Martini", erwiderte ich und ließ dabei den Ball fallen. Er stoppte kurz drauf seine Schüttelbewegung, um mich mit zitternden Fingern steif vor sich zu halten. Sein Gesicht kam meinem hastig näher, aber diesmal nicht etwa um mich zu küssen, sondern um mich wutentbrannt anzustarren. "Du hast keine Ahnung was auf dich zu kommt. Gloin wird alles daran setzen zu gewinnen. Koste es was es wolle. Du überschätzt deine eigenen Fähigkeiten und ich werde dir jetzt, nachdem du so dumm warst das auch noch mit einem Handschlag besiegelt hast, nicht mehr helfen können, wenn du verletzt wirst, weil ich deinem Plan vorab zugestimmt habe", fauchte er und ich sah wie ein funken Verzweiflung durch seinen blauen Augen huschte. Ich schluckte kurz. Sicher, mein Handeln war sehr unbedacht und auch extrem überstürzt gewesen, dennoch gab ich mich zuversichtlich. Schließlich hatte ich schon als Kind immer mit meinem Bruder und seinen Kumpels Fußball spielen müssen, da ich keine anderen Mädchen in meiner Gegend zu spielen hatte. Meistens hatte ich da auch die Herrschaft über das Tor inne und musste den ein oder anderen harten Treffer einstecken. Sicher, meine Kindheit lag schon mindestens zwei Jahrzehnte zurück. Und Gloin war auch kein kleiner Junge, sondern ein ausgewachsener Mann. Naja Zwergenmann. Was aber nicht gleich hieß, dass ich ihm gegenüber völlig Chancenlos war, auch wenn Thorin das offenbar zu glauben schien. Ich musste es ihm eben nur klar machen, dass er nichts zu befürchten hatte. Ganz sachte legte ich ihm die halb tauben Finger auf die kräftigen Oberarme und lächelte ihn beruhigend an. "Vertrau mir einfach. Ich brauche nur einen seiner Schüsse zu halten. Nur einen. Danach wird er nie wieder was schlechtes über mich sagen. Das ist doch alles was du wolltest", sagte ich mit sanftem Ton. "Aber doch nicht so, in Durins Namen! Nicht zu diesem Preis. Dem bist du nicht gewachsen. Das schaffst du nie", sagte er zähneknirschend. Beleidigt verzog ich das Gesicht zu einer Schnute. "Na Bravo. Schön dass du so sehr an mich glaubst und mir Mut machst, Thorin. Jetzt bin ich ja wirklich motiviert", erwiderte ich sarkastisch. "Cuna. Er hat aber recht. Gloin ist von uns derjenige mit dem härtesten Tritt. Er kann dir damit schnell einige Knochen brechen", kam es von Fili, der sich mit besorgtem Blick neben uns stellte. "Genau. Selbst Nori hat vorhin große Probleme mit seinen Schüssen gehabt", meinte Kili aus dem Hintergrund. Nun war ich doch etwas perplex. Nachdem er das gesagt hatte überkamen mich doch einige Zweifel. Wenn sie wirklich recht hatten und Gloin so stark war und selbst ein gestandener Zwerg wie Nori diese Bälle nicht richtig halten konnte, wie stand es da um mich? Dann hatte der Zwergenkönig wohl mit Fug und Recht behauptet, dass mich das Ganze vielleicht sogar umbringen konnte. Himmel, wie ich in jenem Augenblick meine große Klappe verfluchte! Allerdings kam meine Einsicht einen riesen Fehler begangen zu haben nun ein bisschen spät. Denn schon rief der rothaarige Zwerg zu uns herüber. "Was ist jetzt? Bekommst du kalte Füße, Menschenweib?", lachte er spottend und ich schüttelte kurz schaudernd den Kopf. Ich atmete einmal tief durch und sah dann wieder zu Thorin, der mich immer noch fest an den Schultern packte und besorgt die Augenbrauen gehoben hatte. "Es wird Zeit", meinte ich mit matter Stimme und versuchte die Hände des Zwergenkönigs von mir zu lösen. Doch dieser hielt mich immer noch fest. Allerdings nur noch, um mir hastig seine Lippen auf meine Stirn zu pressen. "Ich wünschte ich könnte dir diese Bürde noch abnehmen. Aber der Vertrag ist leider bindend. Möge Mahal seine Hände schützend über dich halten", murmelte er als er sich von mir löste. "Über mir werden die wenig bringen. Er sollte sie lieber vor mich halten", sagte ich mit ein wenig Ironie in der Stimme und schritt langsam in Richtung des Torgestelles. Die Menge machte bereitwillig platz, sodass ich ungehindert zu dem selbstgebauten Teil gehen konnte. Ein bisschen schäbig sah es ja aus. Weder besonders hoch noch wirklich breit. Die Unterseite des Querbalkens reichte mir gerade mal bis an die Schädeldecke. Aber es war ja eben ein Zwergenfußballtor und es würde schon seinen Zweck erfüllen. Auch wenn mir immer mehr die Nerven flatterten. Noch ehe ich dort angekommen war hämmerte mir mein aufgeregter Herzschlag in den Ohren und machte mich fast taub. Immer wieder verfluchte ich mich auf dem eigentlich kurzen Weg zu meinem Platz. Den Ball, der mir aus der Hand gerutscht war, hatte ich wieder aufgehoben und mir unter den Arm geklemmt. Ich wollte Gloin nicht die Chance geben mich von hinten mit diesem Ding zu überraschen, hätte er ihn in die Finger bekommen. So hatte ich noch etwas woran sich meine zitternden Finger fest halten konnten, ehe ich mich meinem wohl oder übel sicheren Untergang zu stellen. Einer von so vielen, wie es mir plötzlich kurz schmerzhaft durch den Kopf flog. "Na los, Menschenweib! Ich werde nicht jünger", rief Gloin hinter mir und riss mich aus meinen Gedanken. Bedächtig drehte ich mich um. Der Zwerg stand schon in nicht ganz sechs Metern Abstand zu mir bereit und scharrte ungeduldig mit den Stiefeln im staubigen Kiesboden. Sicher es hieß eigentlich Elf-Meter-Schießen. Aber aufgrund der geringen Größe des Tores und des Platzmangels, war dieser Abstand bereits ausreichend. Wobei ich wusste, je näher er zu mir stand, umso heftiger würde der Schuss ausfallen. Aber da musste ich wohl oder übel einfach durch. Um uns herum wurde es bis auf die Musik aus dem "ROZ" ziemlich still, als ich den Ball über den Boden zu meinem gegenüber rollen ließ. Nur vereinzelt hörte ich die ein oder andere Stimme mir zu rufen "Zeigs ihm Jacky!" oder "Mach ihn platt!". Gut platt machen war leichter gesagt als getan. Ich musste ja nur einen verdammten Ball fangen um zu gewinnen. Und das gestaltete sich wahrhaft schwerer, als ich mir erhofft hatte. Gloin hatte sich gerade den Ball zurecht gelegt und ging ein paar Schritte rückwärts. Ich ging ein bisschen in die Hocke und hob die Arme. Sicher würde er ohne Vorwarnung los stürmen und drauf bolzen wie ein Berserker. Und mein Empfinden täuschte mich nicht. Ich sah ihn gerade noch böse hinter seinem Bart hervor grinsen, als er schon zu spurten begann und sein Fuß gegen die Pille hämmerte. Das Einzige was ich binnen weniger Sekunden vernahm, war ein zischendes Pfeifen an meinem linken Ohr und ein leicht brennendes Gefühl an dessen Läppchen. Erschrocken wand ich den Kopf um. Da kullerte der Fußball völlig unschuldig aus dem Leinentuch heraus und blieb neben meinem rechten Fuß liegen. In der Menge gab es sowohl ängstliche als auch überraschte Keuchgeräusche. Einige der Mädchen hatten die Hände vor die Münder geschlagen. Thorin war zusammen gezuckt und seinen beiden Neffen, sowie Ori und Bofur, stand der Mund weit offen. Die Anderen nahmen es dahingehend gelassen. Gut. Der Erste war ja bekanntlich bei allem der Schwerste. Bei den Nächsten hoffte ich bessere Chancen zu haben. Vorsichtig trat ich den Ball zurück zu Gloin, der sich erneut bereit machte. Diesmal wollte ich meine Augen genau auf den Ball halten, um zu sehen, in welche Richtung er wohl abdriften würde. Wieder nahm der Zwerg Anlauf und schoss genauso kräftig wie bereits zuvor. Er sollte in die linke untere Ecke gehen. Ich streckte also mein Bein danach aus um diesen so zu blocken. Doch hatte ich die Geschwindigkeit deutlich unterschätzt. Der Ball traf zwar mein Bein, aber dieses wurde von der Wucht so nach hinten gedrückt, dass ich stolperte und zum ersten Mal ungelenk im Staub landete. Der Ball selbst war wieder ins Tor gegangen. Erneut ging ein Raunen durch die Leute. Auch einige entsetzte Ausrufe meines Namen waren zu hören. Sowohl von den Zwergen, wie auch von den Menschen. Ich biss mir kurz auf die Unterlippe, als ich mein Schienbein schmerzhaft pochen fühlte. Scheiße. Das hatte aber mal ordentlich gezwiebelt. Trotzdem merkte ich, dass noch alle Knochen an ihrem Platz waren, sodass ich aufstehen konnte um weiter zu machen. Aber es wurde einfach nicht besser. Nach dem zweiten Tor hatte der rothaarige Zwerg offenbar Blut geleckt. Als ich wieder stand und er das dritte Mal auf mich einstürmte, um den Ball nach rechts oben zu zimmern, hob ich meinen Arm, um diesen so aufzuhalten. Diesmal klatschte es ordentlich und selbst ich konnte mir einen Aufschrei nicht verkneifen, als mir das Teil gegen den Unterarm schlug und diesen ruckartig nach hinten riss, sodass es böse in meinem Ellenbogen knackte. Wieder war der Ball in der Decke und ich um die Erfahrung reicher, dass ich nicht versuchen sollte diese Granaten einarmig abzufangen. Mit zugekniffenen Augen hielt ich mir nun diesen und musste mir von Gloin ein kurzes Hohngelächter anhören. "Was ist denn, Menschenweib? Tuts weh?", fragte er spottend. Ich hob langsam den Kopf und schüttelte zähneknirschend den Arm aus. Nun war ich ein bisschen sauer. Nicht nur auf ihn, sondern auch auf mich selbst. Ich hatte nur noch zwei Versuche. Zwei ganz lausige Versuche um meine und Thorins Ehre wieder her zu stellen. Diesen sah ich am Rand des Geschehens, wie er sich fahrig mit den Händen einmal über das Gesicht fuhr. Er musste gerade ordentlich was durchmachen. Vor allem weil er sich selbst unglaublich im Zaum halten musste um nicht doch noch dazwischen zu springen. Aber immerhin tat ich das ja auch für ihn. Für einen kurzen Augenblick tauchte ein uralter Spruch in meinem Kopf auf. "Was der Mensch nicht alles tut, wenn er verliebt ist". Und bei mir traf das mitten ins Schwarze. Genauso wie Ball Nummer vier, auf den ich wiederum nicht geachtet hatte und der einfach an mir vorbei gezischt war, wie der Erste, was Gloin erneut zum Spotten brachte. "Ha! Was hast du denn plötzlich? Ist dir die Lust vergangen oder denkst du bereits darüber nach, wie viel Wäsche du waschen musst, Weib!", rief er aus. Ich schnaubte und hob den Ball zum letzten Mal auf. Langsam drehte ich ihn in den Fingern. Jetzt oder nie, dachte ich. Nichts auf der Welt würde mich dazu bringen, dass ich mir die schmutzigen Unterhosen dieses kleinen haarigen Kerls betrachtete. Doch auf der anderen Seite schwand meine Hoffnung zusehends, die Sache noch zu meistern. Ein Versuch. Ein allerletzter Versuch. Mehr blieb mir nicht. Und diese Tatsache ließ bei mir jede Menge Zweifel aufkommen. Sollte ich weiter machen und es wirklich noch einmal wagen, einen dieser so gesehen unhaltbaren Bälle in die Finger zu bekommen? Oder sollte ich aufgeben, und mich dafür zur Arbeitssklavin diese Zwerges machen lassen? Daran hing so viel. Thorins Ehre, das Ansehen unter seiner Gefolgschaft und vor allem meine Gesundheit. Das ständige Für und Wieder meiner Gedanken wurde mir so zur Qual, dass ich kurz davor war wirklich alles hin zu werfen und aufzugeben. Bis. Ja bis ich schließlich aus der Menge vier sehr vertraute Stimmen hörte. "Los Jacky. Gib jetzt nicht auf!" "Du schaffst das! Du musst den nächsten nur halten!" "Du hast es ja schon vorhin fast geschafft! Mach einfach weiter so!" "Denk dran für wen du das hier tust!" Ich hob den Kopf um mich nach den Stimmen umzusehen und lange suchen brauchte ich nicht. Da standen meine vier ältesten Freunde genau hinter Thorin, Kili, Fili und Dwalin und riefen mir aufmunternde Worte zu, die irgendwann sogar zu einem regen "Go Jacky go!" Sprechchor mutierten. Ich atmete noch einmal tief durch. Dass sie nun auch ganz Vorne in den Reihen standen, um mich anzufeuern, machte mir noch mehr Mut. So rollte ich von der Menge angestachelt den Ball ein allerletztes Mal rüber zu Gloin und machte mich bereit. Dieser war wegen der Anfeuerungsrufe gar nicht beeindruckt und grinste nur noch breiter. "Bist du bereit für deinen Untergang, Menschenweib?", brüllte er mir entgegen, damit ich ihn auch ja hörte. "Jederzeit. Dann zeig mal endlich was du wirklich drauf hast!", rief ich ihm entgegen und atmete noch ein letztes Mal ganz tief durch. Wieder nahm er Anlauf. Wieder grinste er triumphierend. Ich hielt die Luft an, als er drauf los stürmte und dem Ball einen ordentlichen Drall verpasste. Er kam mit einer enormen Wucht genau frontal auf mich zu. Vor meinen Augen schien sich alles wie in Zeitlupe abzuspielen. Die Lederkugel flog und flog. Die Menge warf mir immer noch Anfeuerungsrufe entgegen. Das Ding kam näher und näher. Er würde mich mitten in den Bauch treffen. Das stand deutlich fest. Die Frage war nur, ob er mich umhauen würde. Aber diese beantwortete sich in dem Moment, als ich den dumpfen Aufschlag auf meinem Magen fühlte, der mir sämtliche Luft aus den Lungen presste. Mir klappte der Mund zu einem schmerzhaften Keuchen auf. Ich fühlte, wie mein Körper ein wenig nach hinten gedrückt wurde. Nein! Nein! Das durfte nicht passieren! Nicht so. Nicht auf diese lächerliche Art und Weise. So wollte ich mich nicht demütigen lassen. Erst recht nicht wegen seinem bereits triumphierenden Lachen, dass er nach dem frontalen Treffer sofort anstimmte. Mit meiner letzten Kraft, die ich noch aufbringen konnte, stemmte ich mich dieser geballten Wucht entgegen und umschloss die Pille mit beiden Armen. Mein ganzes Körpergewicht war von Nöten, um mich nach Vorne zu stürzen. Ich schloss die Augen und sendete noch ein kurzes Stoßgebet zum Himmel. Dann fühlte ich, wie ich auf dem Boden landete und um mich herum Stille eintrat. Ich meinte kurz ohnmächtig geworden zu sein, denn das Nächste woran ich mich erinnerte war ein hektisches Rüttelt an meinem Rücken und eine ungewöhnlich hohe männliche Stimme, die wohl verzweifelt versuchte festzustellen ob ich ansprechbar war. Langsam ließ ich meinen leicht tauben Körper zur Seite sacken und begann heftig zu husten, und nach Luft zu röcheln. "Cuna! Cuna! In Durins Namen, sag doch etwas!", fuhr mich die Stimme panisch an und ich merkte, wie mein Kopf auf einem warmen, weichen Schoß landete. Benommen und immer noch nach Luft schnappend öffnete ich die Augen. Über mein Gesicht gebeugt erkannte ich zunächst nur verschwommen und schattenhaft, die langen schwarzen Haare und den kurzen Bart des Zwergenkönigs, auf dessen Knien ich wohl gelandet war. Drum herum standen jeweils aufrecht ein paar andere, undeutliche Gestalten, die alle samt beunruhigt murmelten. Ich blinzelte ein bisschen und spürte dann, wie ich langsam wieder etwas mehr Gefühl in meine Glieder bekam. Dabei stellte ich fest, dass ich etwas Rundes Ledriges mit beiden Armen fest umklammert hielt. Ich senkte etwas den trüben Blick darauf und schon erhellte sich mein Gemüt. Ich hob meine Augen wieder um Thorin, der so kreide bleich aussah wie noch nie, ein triumphierendes Lächeln zu schenken. Und die einzigen Worte, die ich trotz meines Hustens, klar und deutlich über meine Lippen bringen konnte. "Thorin. Ich hab ihn gehalten." - 61. Anstoß für den FC Erebor / ENDE - Kapitel 62: 62. Versöhnung -------------------------- "Nun lass mich doch runter. Ich kann alleine gehen!", fauchte ich ein wenig beleidigt, als mich Dwalin über den Platz zurück zu den Zelten schaffte. "Das könnte dir so passen, Weibstück. Ich habe klare Anweisungen bekommen und an die halte ich mich auch", raunte der Zwerg mit der Glatze und packte mich noch fester. "Eure übertriebene Fürsorge ist nicht notwendig. Mir ist nur etwas die Luft weg geblieben. Ich lebe ja noch", schnaubte ich beleidigt, doch er grunzte nur belustigt und ging gar nicht erst auf meinen Kommentar ein. Er lief einfach nur schnurstracks geradeaus und manövrierte mich geschickt durch die Leute, denen immer noch vor Staunen und Verwirrung der Mund offen stand. Mir hingegen war der ganze Umstand mal wieder mehr als peinlich. Vor allem, da ich vor all diesen Menschen auch noch einen kleinen Einlauf von Thorin bekam, der mich ordentlich ausgeschimpft hatte. Für ihn war es absolut unverständlich, dass ich dumm genug gewesen war, den letzten Ball von Gloin aufzufangen. Gut, ich konnte seine Sorge in der Hinsicht ja nachvollziehen. Es war ordentlich Wums dahinter gewesen und ziemlich übel war mir nun auch, als das Taubheitsgefühl in meinen Gliedern nachließ. Aber bei all der Wut behandelte er mich trotzdem wie ein rohes Ei. So hatte er nicht lange nach der Standpauke gefackelt und mir umgehend seinen persönlichen Bodyguard an die Seite gestellt, der mich zu Oin bringen sollte. Dieser sollte sicherstellen, dass ich nicht schwer verletzt war. Allerdings sprang Dwalin nicht gerade sanft mit mir um. Er hatte mich einfach vom Boden aufgehoben, nachdem mich der Zwergenkönig in eine sitzende Position gebracht hatte und mich dann einfach über seine Schulter geworfen. Nun hing ich da wie ein Sack Kartoffeln und verzog beleidigt eine Schnute, während ich sah, wie sich Thorin mit meinen Freunden unterhielt. Diese hatten zuvor noch heftig protestiert, dass ich so ohne weiteres weg gebracht wurde. Gerade Chu hatte mehrfach darauf gepocht mich zu Moe bringen zu lassen, weil dieser immerhin für die Erste Hilfe zuständig war. Doch da hätte sie auch mit dem nächstbesten Baum reden können. Der hätte ihr vermutlich genauso viel Antwort gegeben. Aber das kannte ich ja ebenfalls zu genüge. Während ich mich also meinem Schicksal ergeben musste, beobachtete ich aus meiner hängenden Haltung, wie sich Thorin nun doch endlich dazu erbarmte auf meine beste Freundin einzugehen und soweit ich erkennen konnte mit halbwegs ruhiger Miene. Bedauerlicherweise war ich nicht gerade geübt im Lippenlesen, weshalb ich nur erahnen konnte worüber er sich gerade mit ihr und den anderen unterhielt. Sicherlich ging es dabei schon mal um die Sache mit dem Arkenstein, beziehungsweise eine Art Einladung für den Nachmittag, die Zwergenzelte aufzusuchen. Die anderen kleinen Männer machten sich währenddessen daran, das provisorische Fußballfeld aufzuräumen. Auch wenn es da nicht viel zum Aufräumen gab. Bis auf die selbst zusammen gebastelten Tore. Irgendwann verlor ich die Gruppe aus dem Sichtfeld, nachdem mich Dwalin auf einem der Schemel im Nachbarzelt absetzte und Oin heran trat, um mich eingehend zu musterten. "Was ist genau geschehen?", fragte er den Zwerg mit der Glatze und dieser raunte genervt: "Sie hat sich mit deinem Bruder angelegt und einen Ball in die Magengrube bekommen. Thorin will, dass du nachsiehst, ob sie sich was gebrochen hat." "Ich hab nichts gebrochen. Mir geht es wieder gut", warf ich ein, aber die Herren hören natürlich nicht auf mich. Stattdessen holte Oin seinen Rucksack herbei in dem er seine Medizin und Verbände aufbewahrte und stellte ihn zu meiner Rechten ab. Dabei schnalzte er mehrfach missbilligend mit der Zunge und schüttelte seine graue Haarmähne. "Also wirklich. Ich weiß bald nicht mehr, wen ich häufiger behandeln muss. Entweder Euch oder Thorin", grummelte er und griff ohne zu fragen an mein T-shirt, damit er sich meinen Bauch ansehen konnte. "Ich sagte doch, dass es mir wieder gut geht. Du brauchst da gar nicht nachsehen", erwiderte ich augenrollend, versuchte das Shirt seiner Hand zu entreißen und wieder runter zu ziehen. "Das lasst einmal meine Sorge sein. Nun stellt Euch nicht so an Mädchen und erlaubt mir Euch zu betrachten. Dann könnt Ihr auch gleich wieder verschwinden", meinte er bestimmt und zog das Shirt erneut hoch. Ich gab nun doch seufzend auf und ließ den alten Zwerg seine Arbeit machen. Vorsichtig aber dennoch mit genug Kraft ließ der kleine Mann seine Finger über meinen Bauch wandern und drückte gelegentlich. Hin und wieder gab ich ein kurzes Keuchen von mir, wenn er einen recht schmerzhaften Punkt erwischte. Als er nach geschlagenen zehn Minuten endlich mit der Untersuchung fertig war nickte er nur sachte und zog mein Shirt wieder runter. Dwalin hatte die ganze Zeit schweigend mit verschränkten Armen vor der Brust am Eingang gestanden und gewartet. "Wie sieht es aus, Oin?", fragte er ruhig. "Nun ja. Gebrochen ist nichts. Allenfalls eine schwere Prellung. Daher wäre es ratsam, wenn sie drauf achten würde heute nicht zu viel zu Essen. Das wird die nächsten Tage immerhin noch sehr unangenehm. Aber davon abgesehen. Wie kann man nur so töricht sein und sich mit Gloin anlegen?", fragte er zum Ende hin an mich gewandt. Ich zuckte nur locker mit den Schultern und erhob mich langsam von dem Schemel. "Hat sich so ergeben", erwiderte ich trocken. "Kindchen. So was ergibt sich nicht einfach. Ich habe den Lärm vom Platz ebenso vernommen wie jeder andere, obwohl mein Gehör nicht das Beste ist. Also, was hat Euch dazu bewogen so leichtsinnig zu sein?", hakte er noch einmal energisch nach, aber dieses mal war es Dwalin, der für mich antwortete. "Sie wollte Thorins Ehre wieder herstellen, nachdem dein Bruder ihn beleidigt hat. Deshalb ist sie mit Gloin eine Wette eingegangen, dass sie es schafft einen seiner Bälle aufzuhalten. Und ich muss zugeben, dass hat sie ganz ordentlich hin bekommen", meinte er und nickte mir kurz mit einer für ihn seltenen, anerkennenden Miene zu. Oin schüttelte unterdessen nur wieder den Kopf. "Wirklich sehr sehr unvernünftig. Wenn auch überaus beeindruckend. Trotz alledem. Nichts auf der Welt ist es wert, dass Ihr Euch so dermaßen in Schwierigkeiten bringt", sagte er mit einer Stimme, wie ein alter Erdkundelehrer. Ich seufzte kurz und nickte schlapp. "Ja, ich weiß Oin. Aber mir ist einfach nichts Besseres eingefallen. Ich wollte ja nicht, dass er und Thorin sich weiterhin prügeln. Ich trage schließlich irgendwo die Verantwortung für euer ganzes Verhalten hier. Und da heute der letzte Tag ist, hatte ich nicht wirklich Lust zu sehen, dass ihr jetzt schon abreist müsst", erklärte ich mal wieder rechtfertigend, doch Dwalin grunzte nur belustigt. "Solche Aktionen solltest du zukünftig unterlassen. Diesmal bist du vielleicht noch glimpflich davon gekommen, aber das hätte auch anders ausgehen können. Du kannst dir jetzt auf jeden Fall sicher sein, dass Thorin dir nicht mehr so leicht freie Hand lässt. So gut deine Absichten auch sein mögen. Als Frau unseres Königs hast du gefälligst besser auf dich zu achten", meinte er und trat ein paar Schritte auf mich zu. "Ja, ist ja gut. Ich habs verstanden. Ist angekommen und vermerkt. Darf ich jetzt gehen? Ich möchte schauen was der Herr König so treibt und ihm zeigen, dass es mir soweit gut geht", seufzte ich leicht Augen rollend. Oin nickte knapp und antwortete: "Selbstverständlich. Aber, solltet Ihr stärkere Schmerzen bekommen, sucht mich umgehend wieder auf." Ich erwiderte sein Nicken und trat dann gefolgt von Dwalin aus dem zweiten Zelt heraus. Draußen erwartete mich schon die übliche Traube an schwatzenden Zwergen, die nach den Aufräumarbeiten zurück gekehrt war und zu meiner Verwunderung, Chu, Richi, Ani-chan und Rainbow. Eigenartig, da sie doch eigentlich erst zum Nachmittag hier antraben sollten. Aber vielleicht hatte es sich ja im Verlauf, der letzten Minuten einfach so ergeben. Diese standen bei Thorin, welcher immer noch auf sie einredete. Chu und Rainbow waren, nachdem was ich an Wortfetzen verstehen konnte, immer noch ziemlich außer sich, weil man mich nicht zum Ersthelfer gebracht hatte. Nur Richi und Ani-chan hörten einfach nur zu. Langsam kam ich der Gruppe näher und als mich Dori und Nori in den hinteren Reihen bemerkten, drehten sie sich mit erleichterten Mienen um. "Cuna. Geht es dir schon wieder besser?", kam es lächelnd von Nori. "Ach. Könnte schlimmer sein. Unkraut vergeht nicht", erwiderte ich. gelassen während Dwalin wieder grunzte. "Mahal sei Dank. Tu uns einen Gefallen und mach so was nie wieder", ermahnte mich Dori, der mir einen sehr ernsten Blick schenkte. "Ja, ist ja schon gut. Ich schwöre es euch. Aber nun lasst mich bitte durch. Ich muss zu Thorin, damit der auch wieder ruhig schlafen kann", meinte ich etwas in Eile. "Na, da warte mal lieber kurz. Er hat offenbar etwas sehr Wichtiges mit deinen Freunden zu besprechen. Allerdings verstehe ich nicht ganz warum. Hast du vielleicht eine Ahnung?", fragte Nori neugierig und schielte immer wieder hinüber zu seinem König. Ich nickte kurz bevor ich ihm antwortete: "Ja, ich weiß worum es da geht. Und deshalb muss ich da jetzt auch hin." Die Beiden hoben irritiert die Augenbrauen und legten die Köpfe schief. Allerdings zu je einer anderes Seite, weshalb sie unweigerlich mit ihren Schädeln kurz aneinander stießen und nach dem Aufprall fluchten wie die Rohrspatzen. Ich kicherte belustigt, als ich sah wie sie sich die betroffenen Stellen rieben, woraufhin ich nun auch die Aufmerksamkeit des Zwergenkönigs erregte. "Was machst du schon wieder auf den Beinen?", rief er mir barsch über die haarigen Köpfe seiner Männer hinweg entgegen. Die restlichen Herren drehten sich zu mir um und bildeten auf diese weise eine kleine Gasse, sodass ich zu ihm hindurch gehen konnte. "Oin hat gesagt, dass ich gehen darf", meinte ich, als ich angekommen war. Thorin schüttelte nur missbilligend den Kopf. "Du solltest dich unter keinen Umständen überanstrengen. Es ist sehr unklug von dir, dich jetzt schon wieder so herum zu treiben", sagte er in seinem üblichen ernsten Ton. "Lass sie doch einfach, wenn sie sich gut fühlt. Sie muss nicht immer nur nach deiner Pfeife tanzen, Mann", fauchte ihn Chu von der Seite her an. "Was mischt Ihr Euch da ein? Ich habe mich immerhin um ihr Wohl zu sorgen. So wie sie sich um meines. Schließlich ist sie meine Frau", raunte der Zwergenkönig barsch. Ihm war deutlich anzusehen, dass er über Chus Verhalten alles andere als begeistert war. Überhaupt war ihm wohl die kommende Konfrontation sehr unlieb, was ich gut verstehen konnte. Vor allem da meine beste Freundin nicht die Einzige in der Gruppe war, die sich mit dem kleinen Mann anlegen wollte. Auch Rainbow hatte ihm da schon das Eine oder Andere zu sagen. "Ihr Wohl liegt dir also am Herzen? Das kann ich nach den letzten Tagen nur schwer glauben. So mies wie du sie die ganze Zeit über behandelt hast", meinte sie und hob mit skeptischer Miene die Augenbrauen. Ich musste einen Augenblick die Luft anhalten. Das war buchstäblich ein direkter verbaler Angriff auf sein Ego. Binnen Sekunden stellte ich fest, dass sich das Gesicht des Zwerges verhärtete und er sie böse an funkelte. Doch war er es nicht, der ihr die Meinung sagte, sondern Dwalin, der einige Schritte vor trat. "Was bildest du dir ein, wie du mit Thorin redest, Weib? Er hat wahrlich genug getan für sie. Meinem Ermessen nach zu viel. Aber um meine Meinung geht es hier nicht", knurrte er und blieb ein Stückchen vor mir stehen. "Ach ja? Und was bitte? Außer, dass sie mehrere Nervenzusammenbrüche und einen Gedächtnisverlust hatte?", hakte Rainbow nach und stellte sich Dwalin entgegen, der fast einen halben Kopf größer war als sie. "Er hat sich um sie gekümmert, als sie von zwei Bilwissen verletzt wurde, hat sie in unserem Zelt aufgenommen, nachdem sie ihren Schlafplatz verloren hat. Nennst du das nichts?", knurrte er sie an, baute sich vor ihr auf und fixierte sie scharf mit den Augen. Rainbow lachte etwas spöttisch. "Pah! Bilwisse. Ihr habt doch wirklich alle einen Dachschaden", meinte sie und ging auf den kleinen Anstarrwettbewerb mit dem kahlköpfigen Zwerg ein. Nun war es langsam an der Zeit für mich einzugreifen, ehe diese Sache noch eskalierte. Auch wenn mir diese Situation durchaus vertraut vorkam und mir ein kleines Schmunzeln entlockte. Vorsichtig schob ich meine Hände dazwischen, legte eine bei Dwalin auf die Brust und die andere auf Rainbows Schulter. "Leute. Leute. Bitte keinen Zank hier. Beruhigt euch. Wir können doch nun alles klären", sagte ich sachlich und musterte beide mit einem freundlichen Lächeln. Aber sie schienen irgendwie gefallen an ihrem heiteren, kleinen Wettbewerb gefunden zu haben und gafften sich weiterhin stur an. Dann meldete sich zum ersten Mal Ani-chan zu Wort. "Du, Jacky. Hör mal. Rainbow hat doch nicht ganz unrecht. Ich meine. Im Ernst.Wir haben doch die ganze Zeit über mitbekommen, was zwischen dir und diesen Kerlen hier abgeht. Ich mein, ich hab ja nun wirklich nix gegen die. Sind ja teilweise schon ganz drollig. Aber du warst an manchen Tagen einfach nur noch fix und fertig. Und du musst uns da auch verstehen. Es geht halt langsam etwas zu weit damit", erklärte sie mit verlegener Miene und rieb sich dabei den rechten Arm. Ich seufzte kurz und nickte etwas bedrückt. "Ich weiß das alles selbst, Ani-chan. Glaub mir, wer wüsste es besser als ich", erwiderte ich schulterzuckend, sah danach entschuldigend zu Thorin, der meinen Blick auffing und kurz ernst nickte. Ich brauchte ihm gerade nicht sagen was mir im Kopf herum ging. Er wusste es und auch ihn hatten diese Wochen sehr mitgenommen und viele Nerven gekostet. Trotzdem musste ich mir innerlich eingestehen, dass diese ihr Mühe wirklich wert gewesen waren. Denn sonst wären wir niemals zu diesem Punkt angelangt, an dem wir uns nun befanden. Doch mussten an diesem tag ja noch weitere Punkte geklärt werden, was schlecht ging, wenn meine Freunde immer noch mit den anderen Zwergen zankten. So trat Thorin langsam auf mich zu und schob mich etwas beiseite, damit er die Beiden ins Anstarren vertieften Kontrahenten auseinander bringen konnte. "Schluss jetzt. Ich habe die Menschen nicht her geholt, damit sie uns weiterhin Misstrauen entgegen bringen", sagte er im scharfen Ton an Dwalin gewandt, der kurz zusammen zuckte, als habe er eine Kopfnuss erhalten. "Aber, Thorin. Ich verstehe nicht. Was genau hast du denn mit denen vor?", fragte er barsch in Richtung Rainbow. Der Zwergenkönig seufzte kurz um Fassung ringend. Ich spürte dass ihm die Worte, die nun auf seiner Zunge lagen schwer über seine Lippen kommen mochten, aber mit einiger Mühe und etwas Kopfschütteln schaffte er es doch sie auszusprechen. "Sie. Werden eingeweiht", sagte er knapp. Dem Zwerg mit der Glatze klappte vor Entsetzen der Mund auf und er weitete die Augen. "Das ist nicht dein Ernst", keuchte er. Aber der Zwergenkönig sah seinen Freund nur kurz streng an und da schüttelte dieser den Kopf. Unter den Männern breitete sich reihum Empörung aus. Bis auf Kili, Fili und Thorin wusste ja keiner von meinem Ausrutscher und dieser wurde nun auf diese eigentümliche Art öffentlich gemacht. Nachdem der erste Schock von den Herren verdaut worden war, brach ein heftiges Protestgewitter über allen herein. "Wieso auf einmal?", kam es von Ori. "Thorin, das kannst du doch nicht tun!", rief dessen Bruder Dori aus. "Wir wissen doch gar nicht ob wir diesen Menschen da trauen können. Was ist wenn sie uns danach auch bestehlen wollen?", fragte Bifur aufgebracht und verschränkte die Arme vor der Brust. Balin schritt zögerlich an Thorin heran und sah ihn dabei irritiert an. "Bist du dir sicher, dass du das tun willst?", fragte der alte Zwerg leise. "Ruhe!", rief Thorin einmal kurz aus und schon verstummten seine Männer. Wieder ging von ihm diese einmalige Präsens aus, die ihn deutlich als König unter den Herren hervor hob. Zum Einen sehr gefährlich und zum Anderen erhaben und gewissenhaft. Ich konnte gar nicht anders, als ihn für dieses unsagbar starke Charisma zu bewundern. In solchen Momenten sehnte ich mich manchmal innerlich danach auch nur halb so viel davon zu haben wie er. Aber sicher waren es Jahre voll harte Arbeit, um sich derartig Respekt verschaffen zu können. Jahre die ich in meinem kurzen Menschenleben niemals haben würde. Aber wenn ich ehrlich zu mir war, brauchte ich das eigentlich auch gar nicht. Immerhin hatte ich ja irgendwo meine eigenen Methoden entwickelt, um mir Respekt zu erarbeitet. Schließlich konnte nicht jeder ein Thorin Eichenschild sein. Das wäre auch viel zu langweilig auf die Dauer gesehen. Dennoch konnte ich mir einen kleinen Funken Neid nicht verkneifen. Vor allem als sich der kleine Mann ruhig um sah und alle sehr scharf musterte, sodass es auch ja keiner wagen würde ihn zu unterbrechen bei dem was er ihnen zu diesem haarsträubenden Thema zu sagen hatte. "Mir ist bewusst, dass euch diese Lage alles andere als gefällt. Für mich selbst ist sie das auch nicht. Allerdings ist es zu spät dafür. Sie wissen bereits über uns Bescheid. Wären sie nicht Cunas Freunde, hätte ich schon etwas unternommen. Und ihr zuliebe will ich, so bitter das auch für uns alle ist, versuchen diesen Menschen zu vertrauen", schloss er seine Erklärung ab und warf nun meinen Freunden seinen ernsten Blick zu. Ich schluckte kurz und ließ den Kopf hängen. Betreten sah ich auf meine Füße. Ich spürte ein unangenehmes Kribbeln im Nacken, was sicherlich davon kam, dass die Augen der Männer immer wieder zwischen Thorin, meinen Freunden und mir hin und her wanderten. Niemand sprach ein Wort. Die Stille unter uns wurde lediglich durch den Wechsel eines Liedes aus dem "ROZ" unterbrochen. Eine sehr unangenehme Spannung lag in der Luft, die einen fast erdrücken konnte. Man konnte vereinzelt verärgertes Knurren unter den Zwergen hören und das auch zurecht. Aber nicht einer von diesen erhob das Wort, sondern mein Freund Richi, der mutig ein paar Schritte auf Thorin zu machte. Er sprach zwar etwas zögerlich und zurückhaltend, aber dennoch sehr überzeugend, als er vor dem Zwergenkönig stand und auf diesen hinab schaute. "Also. Mir ist natürlich auch so klar, wie den Mädels da drüben, dass die ganze Sache hier einen sehr üblen Beigeschmack hat. Aber wenn es Jacky wirklich ernst ist und du es genauso ernst mit ihr meinst, wie du gesagt hast, dann möchte ich für meinen Teil hören was du zu sagen hast. Danach kann ich immer noch entscheiden was ich von euch allen hier halte", sagte er sehr sachlich und förmlich. Ich hob langsam den Kopf und musterte die Beiden neben mir. Thorin sah ihn einen Augenblick mit vor Erstaunen geweitete Augen an, als sein Gegenüber ihm mit einem leichten Kopfneigen noch zusätzlich Respekt bezeugte und tat dies danach auch. "Also gut. Aber du hast nur für dich gesprochen, Mensch. Was ist mit den Anderen?", fragte er und schiele an ihm vorbei zu Chu, Rainbow und Ani-chan, welche mit verblüfften Gesichtern, aufgrund von Richis Vorstoß, in der Gegend herumstanden, wie bestellt und nicht abgeholt. Als der Zwergenkönig sie ansprach zuckten alle kurz zusammen und warfen sich gegenseitig fragende Blicke zu. Offenbar hatten sie auch nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Richi sich trauen würde, dieser Idee eine Chance zu geben. Aber ich kannte zumindest Chu insoweit, dass, wenn ihr Herzblatt so viel Zuversicht hatte, sie auch nachziehen würde. Und das tat sie schließlich. Wenn auch mit einem leichten grollen in der Stimme. "Na, also gut. Ich bin dabei. Aber nur weil mir Jacky am Herzen liegt und wehe deine Antwort schafft es nicht mich zufrieden zu stellen", meinte sie und gesellte sich neben ihren Lebensgefährten. Nach ihr gaben dann auch Rainbow und Ani-chan klein bei und stimmten mit einem Kopfnicken zu. Ich atmete erleichtert durch. "Danke Leute", murmelte ich und strich mir eine Haarsträhne aus den Augen. Thorin schaute unterdessen noch einmal zu seinen Männern, um sich zu vergewissern, dass niemand von ihnen Einwände erhob oder dem Ganzen widersprach. Ich bemerkte zwar, dass der ein oder andere den Mund kurz öffnete und wieder schloss, um gegebenenfalls irgendetwas zu sagen. Aber sobald denjenigen die Augen des Königs trafen, nahm er sich zurück und senkte den Blick. Es fiel den Meisten sichtlich schwer, die Worte, die ihnen auf den Zungen lagen herunter zu schlucken. Aber sie waren dann doch bemüht, sich mit dieser unangenehmen Situation abzufinden. Bald nickte Thorin zufrieden drein und sah schließlich zu mir. "Bring sie rein. Ich geben hier noch einige Anweisungen, dann bin ich bei euch", sagte er, legte mir kurz eine Hand auf die Schulter und drückte diese leicht. "Ist gut", erwiderte ich knapp und winkte meine Freunde hinter mir her ins Zwergenzelt. Als wir das leicht schattige Innere betraten, hörte ich wie man Thorin draußen noch einmal kurz bestürmte. Allerdings auf Zwergisch, sodass keiner von uns verstand, was sie gerade besprachen. Ich nahm unterdessen hinter dem Waffenständer auf dem zertrampelten Gras platz und deutete den Vieren an sich in einem Kreis zu mir zu setzen. Auf meinen Wink hin ließen sie sich zu Boden sinken und harrten der Dinge, die bald in Form des Zwergenkönigs zu uns stoßen würden. "Ich halt davon immer noch nichts", murmelte Chu irgendwann Richi entgegen, als Thorin auf sich warten ließ. "Hör es dir einfach mal an", meinte er geduldig und legte ihr eine Hand auf die Knie. Schließlich hörte ich, wie hinter mir an den Leinentüchern des Zeltes gewerkelt und es insgesamt im Innern dunkler wurde. Bald drauf kamen ein paar schwere Stiefel näher und blieben kurz zu meiner Rechten stehen. "Ich habe meine Männer angewiesen die Ausgänge des Zeltes zu bewachen, damit wir hier drin ungestört sind", hörte ich die tiefe, dunkle Stimme Thorins über mir. "Soll das heißen, wir sind hier drin gefangen?", fragte Ani-chan unruhig von links. "Nein. Dann hätten wir euch gefesselt und geknebelt. Es steht euch allen Frei jederzeit zu gehen. Aber diese Vorsichtsmaßnahme ist nötig, da ich vermeiden will, dass noch mehr Ohren unsere kleine Unterredung hier mitbekommen oder gar stören", sagte er angespannt und setzte seinen Weg hinter mir vorbei fort, um zu seinem Rucksack zu gehen. "So, nun bist du auch da. Dann kannst du uns jetzt langsam mal erklären, was wir hier sollen und warum das so wichtig ist", hörte ich Rainbow sehr barsch ins halbdunkel hinein fragen, doch Thorin brummte ihr nur verärgert entgegen. "Hört zu, Menschen. Ich biete euch hiermit die einmalige Gelegenheit unsere wahre Identität kennen zu lernen und das geschieht weder auf meinen Wunsch hin, noch hat es jemals in meinem Interesse gelegen euch diese preis zu geben. Das tue ich allein nur wegen Cuna und weil wir von nun an gemeinsame Wege miteinander bestreiten werden", meinte er schlicht und trat dann von seinem Rucksack wieder weg, um seinen zwergischen Hintern auf meine rechte Seite zu pflanzen. Als ich zu ihm rüber sah, stellte ich fest, dass er ein kleines Bündel in der Hand hielt, von dem ich genau wusste, dass er darin den Arkenstein aufbewahrte. "Aber, warte erst mal, Thorin oder wie auch immer du heißen magst. Wenn das irgendwas Illegales ist, dann sag uns das vorher. Ich hab keinen Bock irgendwelche Bullen ins Haus zu bekommen", warf Chu mit vorsichtiger, aber auch eindringlicher Stimme ein, als sich der Zwergenkönig schon anschickte das Bündel zu öffnen. Ein schwacher Schimmer drang bereits durch den Stoff und erhellte leicht seine Gesichtszüge, als er noch einmal inne hielt und auf sah. Der sanfte Schein ließ seine Züge irgendwie gespenstisch wirken, was meinen Freunden reihum ein kurzes, erschrockenes Keuchen entlockte. "Seid versichert, dass keinem von euch irgendeine Gefahr droht, die aus eurer Welt stammt. Es sei denn ihr hätten vor dies hier irgendeiner anderen Seele zu verraten, was ich euch hier offenbaren will. Und es sei euch noch einmal gesagt, dass ich es nur Cuna zuliebe tue, weil sie mir eure Verschwiegenheit zugesichert hat", sagte er langsam und schielte einmal kurz mit ernster Miene zu mir herüber. Dann machte er sich daran das Leinenpäckchen weiter zu entpacken, bis der Schein des faustgroßen Edelsteines unsere Mitte erhellte, als er diesen ins Gras legte. Ich faltete angespannt die Hände auf meinem Schoß und atmete einmal tief durch. Zunächst herrschte Schweigen unter uns. Aber ich konnte in dem schwachen, wogenden Licht des Arkensteines sehen wie allen Vieren der Mund weit auf klappte. Nun bekam ich in etwa eine Vorstellung davon, wie ich damals ausgesehen haben musste, als ich diesen zum aller ersten Mal zu Gesicht bekam. Nachdem sich die kleine Gruppe allerdings wieder gefangen hatte, kamen die ersten Fragen auf. "Was zur Hölle ist das?", fragte Rainbow mit leiser, aber sehr ehrfürchtigen Stimme. "Das ist der Arkenstein", antwortete Thorin knapp in ihre Richtung. "Wie machst du, dass das Ding da leuchtet?", fragte Ani-chan von meiner linken Seite her und streckte die Finger danach aus. Sofort hörte ich den Zwergenkönig neben mir knurren und sah wie er blitzartig die Hand nach ihrem Arm ausstreckte, bevor sie ihn berühren konnte. Er packte ihn sichtlich fest und zog diesen langsam zurück."Nicht. Anfassen", fauchte er sie barsch an und musterte sie wachsam. Erschrocken fuhr sie zusammen und entriss sich seinem Griff. "Also, ich bin noch nicht ganz überzeugt. Wer sagt uns, dass das Ding da echt ist? Kann auch immerhin so ein billiger Leuchtstein sein, den du im Discounter gekauft hast", kam es von Chu, die die Arme vor der Brust verschränkte. "Das ist kein billiger Stein, Chu. Ich hab ihn selbst überprüft. Der ist echt", erwiderte ich auf ihren Einwand. "Wie hast du das denn feststellen können?", hakte Rainbow bei mir nach und konnte die Augen nicht von dem Ding abwenden. Ich schluckte einen Augenblick und rutschte nervös auf dem Gras herum, während ich kurz verlegen zu Thorin hinüber schielte. Verdammt. Der wusste ja auch noch nicht, wie ich das einst festgestellt hatte. Er war wohl davon ausgegangen, dass es für mich hätte klar sein müssen, was ich für einen Gegenstand gefunden hatte, als er mich während dem ersten Gewittersturm damit erwischte. "Also. Das war so. Ähm. Als ich das erste Mal hier im Zelt unfreiwillig übernachtet hab, da war ich morgens schon vor allen anderen wach. Und ich hatte Durst. Eigentlich wollte ich zu meinem Schlafplatz, aber mein Button war weg, also musste ich da bleiben und hab in Thorins Rucksack nach dem Wasserschlauch gewühlt. Ich weiß, das hätte ich nicht ungefragt machen sollen. Aber ich hatte nunmal einen unglaublichen Durst. Jedenfalls. Dabei bin ich dann rein zufällig auf den Stein gestoßen. Ich dachte erst es wäre ein Handy oder eine Taschenlampe. Als ich ihn raus geholt hab, hab ich ihn halt genauer untersucht. Ich hab nen Schalter gesucht, hab ihn abgeklopft, geschüttelt und um ganz sicher zu sein da... ", erzählte ich und spürte wie mir der Zwergenkönig von der rechten Seite mit jedem Wort mehr auf den Pelz rückte. Seine Augen hatten sich geweitet und er hatte beide Augenbrauen sich hoch gehoben, sodass sie fast mit seinem Haaransatz verschmolzen. Ich schluckte wieder und wich ein wenig von ihm zurück. "Da hast du was getan?", fragte er leise mit einem leichten Anflug von Schärfe im Ton. Sofort schoss mir die Hitze in den Kopf, als mich seine eisblauen Augen trafen und ich hob zur Sicherheit abwehrend den Arm, bevor ich antwortete: "Also. Ich ähm", stammelte ich und beugte mich immer weiter in Ani-chans Richtung, als Thorin mich weiterhin bedrängte. "Ja. Ich höre?", sagte er und lag dabei schon bald auf mir. "Ich. Ich hab. Rein gebissen", stammelte ich und zuckte zusammen, als er mich plötzlich anfuhr. "WAS HAST DU?!", rief er aus und schaffte es damit mich endgültig auf den Rücken zu zwingen. " 'Tschuldigung", japste ich in dieser Haltung und starrte ihm verlegen grinsend ins Gesicht. Was diese Szenerie jedoch für Auswirkungen auf die anderen Anwesenden hatte, nahmen wir erst war, als Chu, Rainbow, Ani-chan und Richi lauthals anfingen zu lachen. Thorin war allerdings weniger nach Lachen zumute. Er war furchtbar empört darüber was ich mit seinem besten Stück gemacht hatte. Doch dazu sagte er vorerst nichts, sondern schüttelte nur grollend den Kopf, erhob sich wieder von mir und sah alle über die Schulter hinweg kühl an. "Was ist denn bitte so lustig?", fragte er barsch, nachdem er sich aufgerichtet hatte. Chu war die Erste, die wieder zu Atem kam nach ihrem Lachanfall und wischte sich die Tränen aus den Augen. "Das war mal eine typische 'Jacky-in-Action' Situation. Wenn man etwas nicht versteht. Einfach rein beißen", gluckste sie. "Soll das heißen so etwas kommt öfter vor?", fragte der kleine Mann und sah mit irritiertem Blick zu mir hinunter. Ich zuckte nur verlegen mit den Schultern. "Zeitweillig. Ich war wohl in meinem ersten Leben Nagetier", sagte ich mit bedröppelter Stimme und versuchte mich langsam hoch zu drücken. Dabei keuchte ich ein wenig, weil ich meinen Bauch sehr anspannen musste, worauf hin der natürlich anfing schmerzhaft zu pochen. Sofort schob mir der Zwergenkönig seinen Arm hinter den gebeugten Rücken, um mir wieder in eine sitzende Position zu helfen. "Verzeih. Das hatte ich ganz vergessen", murmelte er hastig und ernsthaft besorgt. Ich schüttelte nur den Kopf. "Alles gut. Mach dir darum keine Sorgen. Jetzt ist erst einmal wichtiger, was meine Freunde zu all dem zu sagen haben", erwiderte ich und wand mich endlich wieder sitzend an die Vier, die immer noch kicherten. Richi räusperte sich kurz und atmete einmal ganz tief durch, bevor er zu meinen Einwurf Stellung nahm. "Also. In Anbetracht der Tatsache, dass du wohl gefahrlos da rein beißen konntest, ohne dich zu vergiften oder mögliche Elektronik zu zerstören, gehe ich mal davon aus, dass es sich nicht um etwas handelt, das man mit Strom betreiben kann. Nur frage ich mich dann, wie kommt dieses Leuchten zustande?", fragte er und hob dabei in fachmännischer Haltung den Zeigefinger. Thorin, der mich immer noch stützend im Arm hielt, schüttelte nur den Kopf. "Das wissen wir selbst nicht. Als der Stein gefunden wurde, haben wir ihn seinerzeit eingehend untersucht. Aber wir kamen zu keinem Ergebnis. Was wir allerdings heute mit Sicherheit wissen ist, dass er geheimnisvolle Kräfte besitzt, die es unter anderem mir ermöglicht haben mit meinen Männern zu euch zu gelangen", erklärte er ein wenig nachdenklich. "Das klingt alles total bekloppt. Sogar zu bekloppt für meinen Geschmack. Aber ich bin auf der anderen Seite doch irgendwo überzeugt, dass an der ganzen Sache was Wahres dran ist", warf Rainbow ein und erntete dabei von allem Umsitzenden ein leichtes Kopfnicken. "Es ist so wie wir es euch gesagt haben. Ich weiß zwar nicht, wie wir euch das sonst noch beweisen sollen. Aber es wäre schön, wenn ihr uns da einfach vertrauen könntet", erwiderte ich und sah alle nacheinander flehend an. Sie schwiegen kurz und tauschten nur hin und wieder skeptische Blicke untereinander aus. Sicher, ich konnte ja schlecht erwarten, dass sie die Geschichte auf Anhieb glaubten, wo ich sie ja selbst immer noch nicht ganz begreifen konnte. Allerdings war es auch wiederum zu real, wie der kleine, dunkelhaarige Mann neben mir saß und gerade nachdenklich über den Rücken streichelte. Nach einigen ungezählten Minuten rang sich Richi dazu durch etwas zu sagen. "Wisst ihr. Ich mag ja bekloppte Ideen und Sachen. Und wenn Jacky hier tatsächlich mit einem echten Zwergenkönig sitzen sollte. Dann ist das so bekloppt, dass ich es einfach mal glaube", meinte er und grinste uns an. Ich atmete erleichtert auf und grinste zurück. Wenn er schon den Vorreiter machte, dann würden die anderen sicherlich auch mit ziehen. Das bestätigte sich auch kurz drauf, als Chu schlapp mit dem Kopf nickte. "Also. Also ja. Gut. Ich denke ich schließe mich Richi voll und ganz an. Jacky hatte immer schon was übrig für solche Geschichten und Männer. Und ich sehe ja jetzt auch mal wie fürsorglich und umgänglich du sie behandelst. Von daher. Ja, ich glaube dir, Thorin", sagte sie und der Zwergenkönig neigte leicht den Kopf. Rainbow und Ani-chan sagten dazu gar nichts, sie nickten einfach nur zustimmend, was mir persönlich auch schon reichte. Das war aus meiner Sicht mehr als genug. Nur der kleine Mann neben mir hatte in der Hinsicht noch etwas auf dem Herzen. "Eine Sache wäre da aber noch", warf Thorin ein. "Was gibts denn noch?", fragte Rainbow ruhig. "Ich muss euch allen das Versprechen abnehmen, dass ihr über uns und das was wir hier besprochen haben kein Sterbenswörtchen verliert. Und zwar niemandem gegenüber. Egal wer euch auf unsereins anspricht. Ich kann nicht riskieren, dass noch mehr von unserer Existenz erfahren. Ich hatte das selbe Versprechen zwar auch Cuna abgenommen, welches sie leider nicht einhalten konnte. Aber im Gegensatz zu ihr, besitzt ihr vier dahingehend nicht das Privileg mir gegenüber, dass ich euch verschone werde, solltet ihr mich oder einen meiner Männer verraten", raunte er ziemlich streng. "Thorin", keuchte ich und sah ihn empört an. "Es tut mir leid, Cuna. Aber dieses mal kann ich keine derartige Ausnahme machen wie bei dir. Mit deinen Freunden wissen es bereits fünf Menschen aus dieser Welt. Das sind mir persönlich zu viele. Bedenke immerhin die Konsequenzen", ermahnte er mich und versetzte mir einen seiner strengen Blicke, mit denen er normalerweise seine Neffen belehrte. "Aber du wirst sie doch nicht umbringen oder so was?", hakte ich vorsichtig nach. "Nicht, wenn es sich vermeiden lässt und sie ihre Lippen versiegelt lassen", sagte er und musterte einen nach dem anderen noch einmal scharf in dem fahlen Licht. "Also. Thorin. Du kannst zu hundert Prozent darauf zählen, dass keiner von euch Leutchen erfährt. Mal im Ernst. Das glaubt uns doch sowieso keiner", sagte Richi mit belustigtem Unterton. "Genau. Ich glaubs ja selbst immer noch nicht", kam es offenherzig von Chu. "Ob euch das jemand nun glaubt oder nicht ist mir egal. Ich will euer Wort darauf", raunte Thorin beharrlich. "Also gut. Zwergenkönig. Wenns dir so wichtig ist, dann versprechen wir es dir. Geht ja dabei auch um Jacky", meinte Rainbow und hob beschwichtigend die Hände. "Gut. Dann habe ich euer aller Wort darauf?", hakte er noch einmal nach und meine Freunde antworteten ihm wie im Chor: "Ja wir schwören es dir hoch und heilig. Kein Wort zu irgendwem." Zufrieden neigte Thorin leicht den Kopf und streckte die Hand nach dem Arkenstein aus, um diesen wieder einzupacken. "Nun gut. Ich denke das wäre nun alles", sagte er während er das Leinenpäckchen schnürte. Daraufhin kam wieder Bewegung in die Gruppe, als meine Freunde der Reihe nach aufstanden, um zum Zelteingang zu gehen. Thorin stand ebenso auf, um den Arkenstein wieder in seinem Rucksack zu verstauen. Doch gerade als Richi die Leinenplane beiseite ziehen wollte, hörte ich den kleinen Mann kurz seufzen und die Stimme erheben. "Wartet noch einen Moment", sagte er hastig, ehe einer von ihnen verschwinden konnte. "Was ist? Was möchtest du denn noch?", fragte Ani-chan neugierig. Wieder hörte ich Thorin seufzen und sich langsam auf dem zertrampelten Gras umdrehen. Ich versuchte im Halbdunkeln zu erkennen, was genau mit ihm los war, doch ich erkannte bedauerlicherweise nicht viel. Stattdessen sah ich nur, wie seine Silhouette an mir vorbei auf meine Freunde zu schritt und mit dem Rücken zu mir gewandt vor ihnen stehen blieb. "Also. Was ist denn jetzt?", hakte Chu ungeduldig nach. Offenbar hatte der kleine Mann Schwierigkeiten die passenden Worte für das zu finden, was er ihnen sagen wollte. Aber schließlich schaffte er es doch sich so kurz zu fassen wie er konnte. "Ich. Werde morgen vor Sonnenaufgang mit meinen Männern hier abreisen. Und da ist es mein Wunsch an euch, dass ihr bei Cuna seid, wenn wir uns verabschieden", erklärte er dann schließlich schlicht. Mir rutschte in dem Moment ein ganzer Packen Eis in den Magen. Mir wurde leicht übel, als er mir plötzlich durch seine Aussage bewusst machte, dass wir nicht mehr viel gemeinsame Zeit hatten. Zumindest bis er zurück aus Mittelerde kam. Sicherlich würde das einige Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern, ehe wir uns wiedersahen. Verdammt. Ich hatte das alles völlig verdrängt und beiseite geschoben. Aber nun, nachdem er es ausgesprochen hatte, stach es mir wie einer von Filis Dolchen ins Herz. Bedrückt sah ich nun zu den Fünfen auf und musterte ihre dunklen Gestalten, die sich zunächst noch einmal an schwiegen. Dann ergriff Rainbow das Wort. "Klar Thorin. Du kannst auf uns zählen", meinte sie ruhig und freundlich. Die Anderen murmelten zustimmen und der Zwergenkönig atmete hörbar erleichtert auf. "Ich danke euch", sagte er schlich zur Verabschiedung und schob dann selbst den Vorhang zur Seite. Ein blendender Sonnenstrahl erleuchtete das Zeltinnere, weshalb ich die Augen zu kneifen musste. Meine Freunde verschwanden unterdessen mit einigen Abschiedsfloskeln auf den Lippen und ließen mich mit dem Zwergenkönig allein zurück. Alles in allem war die Aussprache sehr gut verlaufen. Aber dennoch zog sich nun trotz der wiederkehrenden Helligkeit im Raum ein dunkler Schatten durch mein Bewusstsein. Ein Schatten der mir immer wieder zu flüsterte: "Ihr habt nicht mehr viel Zeit." -62. Versöhnung / ENDE - Kapitel 63: 63. Heiß-Kalte Momente ---------------------------------- Mit aufgestütztem Arm und nachdenklicher Miene stocherte ich in meinen Spaghetti Bolognese herum, die es an diesem Mittag für alle zu essen gab. Ich hatte mir aus gegebenem Anlass und auf anraten des alten Oin nur eine kleine Portion aufgeladen. Aber selbst die ließ ich gerade unverrichteter Dinge kalt werden und starrte sie nur an, in der Hoffnung, sie würde sich von selbst in Wohlgefallen auflösen. Ich hatte zwar versucht hin und wieder einen Bissen davon zu nehmen, doch jedes mal wenn ich die vollgepackte Gabel zum Mund führen wollte, hielt ich auf der Hälfte der Strecke inne und ließ sie wieder auf den Teller sinken. Aber niemand hätte es mir wohl verübeln können, warum mir buchstäblich sämtliche Lust auf Essen vergangen war. Mir war unsagbar schlecht und das hatte beileibe nichts mit dem Treffer in die Magengrube vom Vormittag zu tun. Selbst wenn der eine oder andere am Tisch mir das wohl so auslegen mochte. So auch der Zwergenkönig, der neben mir saß und mich immer wieder an stupste. "Nun komm schon. Iss etwas", drängte er beharrlich und schob sich selbst dabei immer wieder etwas in den Mund. Ich schluckte dabei jedes mal und versuchte es dann von neuem. Aber vergebens. Ich brachte einfach nichts runter. Irgendwann stand ich seufzend auf und nahm das erkaltete Essen unberührt mit in Richtung Mülleimer. Hinter mir hörte ich, wie der Zwergentisch dabei kurz verstummte und ein leicht unangenehmes Kribbeln im Nacken ließ mich erahnen, dass sie mir alle nachsahen, als ich an ihnen vorbei schritt. Aber das war mir im Moment egal. Ich konnte einfach nichts essen. Egal wie sehr ich mich dazu zwingen wollte. Es ging nicht. Nicht ums verrecken hätte ich es geschafft. Selbst wenn das meine Henkersmahlzeit gewesen wäre. Wobei mir gerade bei diesem Gedanken kurz durch den Kopf schoss, wie unsinnig es doch war, dass man sich vor seinem Tod bis oben hin voll stopfen musste, wenn man diesen mit Gewissheit zu erwarten hatte. Eine von vielen Sachen, die mir im Leben einfach immer unbegreiflich waren. Genauso wie es für mich im Augenblick unbegreiflich war, dass ich mich am kommenden Tag, zumindest für einen unbestimmten Zeitraum von Thorin trennen musste, damit er seine Männer heil zurück ins Reich der Götter oder wohin auch immer brachte. Diese Gewissheit fraß sich mehr und mehr in mein Bewusstsein und nagte schwer an meinem angekratzten Nervenkostüm. Dabei war es doch eigentlich nur logisch, dass sie gehen mussten. Ich konnte sie ja schlecht alle einpacken und bei mir zuhause zusammengefaltet in die Umzugskartons packen. Oder sie auf ein Regal stellen, von dem ich sie gelegentlich herunter nehmen konnte, wie Sammlerpüppchen. Doch wo mir der Gedanke kam, konnte ich nicht umhin mir vorzustellen, wie sie alle etwa Dreißig Zentimeter groß und aus Stoff mit kleinen Knopfaugen irgendwo in einem winzigen Regal, an der Wand meines neuen Apartments saßen und mich Tag täglich beobachteten. Was allerdings auf der anderen Seite auch wieder ein bisschen Unheimlich wirken konnte, weshalb es mich nach einem leichten Schmunzelanfall kurz schüttelte. Nein. Nicht auszudenken, wie das aussehen würde, wenn ich mich mitten in meiner Bude umzog und dreizehn Knopfaugenpaare mich sabbernd von der Wand her angaffen würden. Gut ich hatte noch nie eine Puppe sabbern sehen. Zumindest keine, die ich je besessen hatte. Trotzdem wollte mir das Bild von einigen Not geilen Zwergenpuppen nicht aus dem Kopf gehen. Egal wie vehement ich diesen auch schüttelte, als ich meinen Teller leerte und mich auf den Weg zum Abspülen machte. Allerdings gefiel mir auf der anderen Seite wieder die Vorstellung, eine süße kleine Thorin-Puppe im Arm zu halten, die ich in den einsamen, kalten Nächten knuddeln und an meine Brust drücken konnte. Aber auch da kam ich nicht umhin mir auszumalen, wie dieses kleine unscheinbare Ding plötzlich lebendig wurde und anfing an mir herum zu grabbeln. Ich schluckte kurz, als mir dabei ein glühend heißer Schauer über den Rücken lief. Eigentlich war es ein wenig gruselig sich von einem Stoffpüppchen irgendwie erregt zu fühlen. Aber schließlich würde es sich dabei nicht um eine x-beliebige Puppe handeln. Nein, so ein Thorin-Püppchen hätte schon was. Vor allem wenn sie auch genauso wundervoll roch wie er. Doch allein bei der Vorstellung ging mal wieder meine Fantasie völlig mit mir durch. Ich musste einen Moment die Zähne zusammen beißen, um nicht auf zu keuchen, als ich mich zusätzlich noch daran erinnerte, wie ich an dem Morgen nach dem zweiten Gewitter, bis auf eine Leinenplane unbekleidet neben dem Zwergenkönig erwacht war und mein Po seine tieferen Regionen getroffen hatte. Mir schoss sofort sämtliches Blut in den Kopf, weil ich nicht umhin konnte die Erinnerung künstlich auszuschmücken und insgeheim weiter zu spinnen, obwohl es nie zu mehr gekommen war. Mir war als spürte ich immer noch seinen warmen Atem im Nacken und auf meiner Haut, der mich sanft streichelte und sämtliche Kälte vertrieb. Ich fühlte wieder, wie seine Lippen ganz langsam über mein Gesicht wanderten und dieses forschend erkundeten. Genau wie in der stürmischen Nacht vor dem unangenehmen erwachen. Ein angenehmes Brennen breitete sich auf meiner Haut aus, was nichts mit dem Spülwasser zu tun hatte, in dem ich nun meinen Teller einweichte. Ich kniff verzweifelt meine Lippen und vor allem meine Beine zusammen. Himmel! Wieso nur kam ich ausgerechnet zu so einem Zeitpunkt darauf mich erneut in dieser verfänglichen Situation zu sehen? Unter der Dusche, wo mich niemand hätte sehen können, wäre das sicherlich angebrachter gewesen. Doch bei diesem Thema fiel mir gleich mein letztes Fantasiegebilde ein, welches ich mir zusammen gesponnen hatte, wo ich noch nicht einmal ansatzweise wusste, wie sich Thorins Berührungen und Küsse anfühlten. Doch nun wo ich es wusste, drehte mein Körper völlig am Rad. Erinnerungen und Traumgebilde mischten sich so sehr miteinander, dass ich fast völlig vergaß wo ich mich befand. Ich musste mich sogar an der Bierzeltgarnitur festkrallen, auf der die Schüsseln mit dem Abwaschwasser standen. Verdammt noch mal! Ich konnte einfach nicht aufhören daran zu denken. Warum musste ich ausgerechnet in diesem unpassenden Augenblick meine Dollen fünf Minuten bekommen? In solchen Momenten hasste ich es wirklich Frau zu sein. Es war einfach nur schrecklich und ich wusste nicht, wie ich das Ganze auf der Stelle beenden konnte. Schließlich nahte dann doch Rettung in meiner Not. Und zwar in Gestalt von Moe, der mir unvermittelt und plötzlich auf die Schultern klopfte, weswegen ich kurz aufkeuchen konnte ohne, dass man es auf meine amourösen Gedanken hätte beziehen können. Dummerweise stieß ich dabei meinen Teller vom Tisch, den ich bereits abgetrocknet hatte, welcher klappernd zu Boden fiel. Ein Glück, dass ich nur Plastikgeschirr mit mir führte. Ich schnaufte erschöpft und griff mir mit einer Hand an die Brust, als ich mich zu ihm umdrehte. "Moe. Verdammt. Erschreck mich doch nicht so", raunte ich mit hoch rotem Kopf. "Entschuldige, aber ich habe dich gerade eben mindestens sechs mal gerufen und du hast nicht reagiert", meinte er ein wenig eingeschnappt wegen meinem aufbrausenden Verhalten. Ich seufzte kurz und schüttelte dann matt den Kopf. "Ach. Sorry. Ich war grade nicht da. Was gibts denn?", fragte ich und hob den Teller wieder auf. Moe musterte mich kurz und legte leicht den Kopf schief, dennoch behielt er seinen Gedankengang für sich und kam gleich zum Punkt. "Also, es geht um folgendes. Dein neues Herzblättchen, der ja angeschossen wurde, weigert sich vehement, sich von mir oder einem der anderen Ersthelfer untersuchen zu lassen. Darüber hinaus hält er sich auch nicht an die Anweisungen des Notarztes, seine Schusswunde täglich auszuwaschen. Ich habe es ihm gestern gesagt und heute Morgen auch noch mal. Aber der feine Herr ignoriert einfach sämtliche Bitten und Anweisungen wo es nur geht. Ich hab vorhin noch mal versucht es ihm klar zu machen, dass das verdammt wichtig ist, damit sich das nicht entzündet. Aber er hat mich nur angeschnauzt, ich soll mich um meinen eigenen Kram kümmern", meinte er etwas gereizt und mit verhärteten Gesichtszügen. Ich erkannte deutlich, dass er sich definitiv von dem kleinen Mann auf den Schlips getreten fühlte, obwohl er es ja offensichtlich nur gut mit ihm gemeint hatte. Aber ein solches Verhalten kannte ich inzwischen zu genüge von dem sturen Zwerg. So nickte ich langsam und grinste leicht verbissen. "Ja, das ist typisch für Thorin. Ich hab ihn auch schon mehrfach angebettelt, er möge seine Schlinge weiterhin tragen und er weigert sich immer noch. Aber sag, warum kommst du damit zu mir?", hakte ich nach und Moe seufzte. "Weißt du. Ich dachte, wenn ich und die anderen wenig Erfolg bei ihm haben, wärst du die letzte Option die wir hätten. Daher fände ich es nicht schlecht, wenn du ihn dazu überreden könntest, sich mal zu den Duschen zu bequemen", meinte er und strich sich durch den roten Bart am Kinn. Ich grummelte kurz und trat von einem Bein aufs andere. "Hrm. Na ich weiß nicht, ob er sich auch von mir dazu überreden lassen würde. Er hat da wirklich einen enormen Dickschädel. Ich meine, ich müsste ihn schon in die Kabinen zerren und bei ihm bleiben, damit ich sicher gehen kann, dass er das auch macht", erklärte ich seufzend. Daraufhin grinste der große Mann breit und sah mich vielsagend an. Ich musterte ihn nur irritiert und hob eine Augenbraue, da ich mir auf seine Mimik keinen Reim machen konnte, bis er mir einen neueren Vorschlag unterbreitete, bei dem mein Kopf noch roter aufleuchtete, als ohnehin schon. "Und wie wäre es, wenn du dich bereit erklärst seine Wunden zu reinigen? Ich bin sicher, er als Mann wird kaum widerstehen können mit seiner Frau allein unter der Dusche zu sein", murmelte er mir zwinkernd zu. "Moe!", fuhr ich ihn empört und erschrocken zugleich an. Aber er zuckte nur mit den Schultern. "Was denn? Ich denke ihr beiden seid ein Paar? Außerdem geht es ja nicht darum, dass ihr dort übereinander her fallt, sondern nur darum, dass du ihm etwas in Aussicht stellst, was er hier nicht bekommt. Vergiss nicht, dass hier ist eigentlich eine Veranstaltung für Jugendliche. Und auch wenn ihr beide durchaus erwachsen seid und das selbst entscheiden könnt, werde ich es euch nicht gestatten, dass ihr hier herum korpuliert. Schon gar nicht so öffentlich in den Duschen. Das könnt ihr von mir aus auf dem Parkplatz in irgendeinem Auto machen oder im Wäldchen dahinter. Da juckt es von uns keinen. Aber auf dem Platz herrscht Sexverbot", sagt er und warf mir dabei einen sehr strengen Blick zu. Ich schluckte einen Moment und nickte dann. "Ja, sicher. Du hast ja recht. Trotzdem schaffst du mir da gerade selbst eine unwiderstehliche Aussicht. Außerdem wird er bestimmt stink sauer, wenn ich ihn mit so etwas reinlege", grummelte ich aufrichtig und drehte verlegen den Teller in den Händen. Er seufzte kurz und legte mir dann eine Hand auf die Schulter. "Ich weiß, dass es sicher nicht einfach für euch Beide wird. Aber bitte, versucht euch ein bisschen zusammen zu raufen. Trotzdem wäre es schön, wenn du versuchst ihn dazu zu bringen sich seinem Schicksal zu fügen. Ich gebe dir auch die Verbände und die Kompressen, damit du ihn hinterher richtig verarzten kannst", meinte er und lächelte mich aufmunternd an. Mit einem langsamen Kopfnicken und einem tiefen Seufzer bestätigte ich ihm dann, dass ich mein bestmögliches tun würde, um den Zwerg dazu zu bringen sich von mir versorgen zu lassen. Daraufhin nahm Moe mich mit zum Anmeldehäuschen, in dem man den Erste-Hilfe-Kasten der Zeltstadt aufbewahrte und reichte mir aus diesem einen Verband, mehrere Kompressen und eine Rolle Tape zum festmachen. Danach verabschiedete ich mich mit den Sachen auf dem Arm und suchte umgehend die Zwergenzelte auf. Mir war innerlich gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass sich meine zuvor noch überschwängliche Fantasie nun irgendwie verselbstständigen könnte, wenn ich Thorin tatsächlich dazu bringen konnte mich unter die Duschen zu begleiten. Wenn er es denn überhaupt tat, war da die Frage. Sicher musste ich den kleinen Mann irgendwie überlisten. Aber ob er darauf herein fallen würde? Und wenn ja, wie sollte ich ihm dann erklären, was ich eigentlich von ihm wollte? Grübelnd schritt ich langsam durch das noch verlassene Zelt zu meiner Kuschelecke und kramte in meinem Rucksack nach ein paar Handtüchern, die ich mitnehmen konnte und vorsorglich auch noch ein paar trockenen Sachen für mich, sollte der Herr sich dazu anschicken, sich zu wehren und mir dabei selbst eine Dusche verpassen. Was komischerweise recht häufig vorkam, wenn ich ihn zu sehr ärgerte. Als ich alles zusammen hatte, hörte ich auch schon heiteres Geplaudert und schwere Stiefeln näher kommen. Ich nahm einen tiefen Atemzug und kam dann mit allen Sachen hinter meinem Vorhang heraus, wobei ich fast mit Kili zusammen stieß, der an mir vorbei gehen wollte. "Oh. Vorsicht Cuna. Wohin des Wegs?", fragte er und musterte mich eingehend. "Ähm. Ich wollte noch mal duschen", sagte ich hastig und verbarg kurz meine leicht rosa werdenden Wagen hinter dem kleinen Wäschehaufen. "Noch einmal? Wozu? Wie oft wascht ihr Menschen euch denn bitte?", hakte er belustigt kichernd nach. "Ach, weißt du. Es geht da weniger um Sauberkeit, als um eine kleine Abkühlung. Es ist heute wieder so furchtbar heiß", erklärte ich und fächerte mir dabei mit einer Hand Luft zu. "Ja. Du hast recht. Es ist wirklich sehr warm heute. Und du siehst auch irgendwie erhitzt aus. Man könnte fast denken du hättest Fieber", meinte er und legte den Kopf ein wenig besorgt zur Seite. Ich lächelte nur verlegen und schüttelte leicht den Kopf, doch ließ ich beinahe alle meine Sachen fallen, als ein Aufschrei neben mir ertöne, der nur vom Zwergenkönig kommen konnte. "WAS HAT SIE?!", brüllte er und stand binnen eines Wimpernschlags an meiner Seite, zog meine überladenen Arme nach unten und legte mir sofort eine Hand an die Stirn. Zeitgleich suchte er meine Augen, um diese eingehend nach irgendwelchen Anzeichen einer Erkrankung zu erforschen. "Thorin. Lass das. Es geht mir gut. Mir ist nur warm vom Wetter", meinte ich und entzog mich seinen Berührungen. Er schnaubte einen Moment spöttisch und verschränkte die Arme vor der Brust. "Glaubst du vielleicht, du kannst mich zum Narren halten? Du hast vorhin keinen Bissen zu dir genommen. Als ich dich habe um die Ecke verschwinden sehen hast du leicht geschwankt. Und nicht nur, dass du einen roten Kopf hast, dein Gesicht ist auch ungewöhnlich warm. Sei ehrlich zu mir. Du hast dich zu sehr verausgabt", fuhr er mich streng an und presste ernst die Lippen zusammen. Ich seufzte und rollte genervt mit den Augen. "Nein. Habe ich nicht. Mir ist einfach nur verdammt heiß. Deshalb will ich einfach noch mal duschen", erklärte ich beharrlich. "Das könnte dir so passen. Du legst die Sachen weg und legst dich gefällst eine Weile hin. Ich will nicht, dass du mir heute noch zusammen brichst", raunte er und machte bereits Anstalten mich zu meiner Liege zurück zu drängen. Doch ich blieb eisern stehen. "Jetzt glaub mir doch einmal im Leben. Es geht mir gut. Ich will mich nur was abkühlen gehen", sagte ich und blickte ihm fest in die eisblauen Augen. Wieder schnaubte er und seine Miene verfinsterte sich leicht. "Bilde dir ja nicht ein, dass ich dich einfach so in diesem Zustand draußen herum spazieren lasse"; knurrte er und versuchte mich ein wenig mit seiner Haltung einzuschüchtern, nur diesmal schaffte er es nicht. Damit bot er mir gerade die einmalige Gelegenheit ihn mit mir zu nehmen. Und diese ergriff ich auch prompt in der Hoffnung, dass der Fisch den Köder schluckte. "Also, wenns dir nicht passt, dass ich mich alleine herum treiben in meinem, von dir so schön betitelten, Zustand. Dann komm doch einfach mit und überzeug dich selbst", erwiderte ich forsch. Nachdem ich es ausgesprochen hatte, brauchte ich nur noch auf seine Reaktion zu warten, die umgehend und ziemlich barsch folgte. "Darauf kannst du dich verlassen, Weib. Aber wehe dem, dass du dann doch zusammen brichst", fauchte er mich scharf an, drehte sich zur Seite und deutete mir an voraus zu gehen. So tat ich es auch und marschierte gefolgt von dem kleinen, dunkelhaarigen, und inzwischen wieder ziemlich grantigen Mann über den Platz zu den Duschen hin. Innerlich freute ich mich sehr über meinen kleinen Triumph. Der erste Schritt war erfolgreich abgeschlossen. Nun musste der Zweite folgen. Aber zunächst einmal brauchte ich die passende Kabine, in die ich mich mit ihm verziehen konnte. Da war die Auswahl recht schwer. Zum Einen wäre natürlich warmes Wasser besser um Wunden zu reinigen. Aber zum Anderen gab es in den Warmwasserduschen spärliches bis gar kein Licht. Folglich müssten es schon die Freiluftduschen werden, wobei mich dort das kalte Wasser und die größere Öffentlichkeit, die da herum lief sehr störte. Aber da musste ich wohl in den sauren Apfel beißen. Also hielt ich schlussendlich geradewegs auf die kleinen Holzverschläge der Freiluftduschen zu. Doch als ich schon meine Hand nach dem Griff ausstreckte um die Tür zu öffnen, erklang hinter mir ein kurzes Räuspern, was mich dazu bewog inne zu halten und mich umzudrehen. "Was ist denn?", fragte ich ruhig. Thorin trat langsam auf mich zu und legte den Kopf mit einem mahnenden und leicht hämischen Gesichtsausdruck schief. "Erinnerst du dich nicht? Du hast mir mal versprochen, dass du da nicht mehr rein gehst ", sagte er mit einem leichten Singsang in der Stimme. Ich nickte leicht und erwiderte schulterzuckend: "Ja. Ich weiß. Solange euer Turm da gestanden hat, damit keiner deiner Männer rein schauen kann. Aber der Turm ist ja weg. Folglich kann ich da jetzt ungesehen rein. Außerdem bin ich ja nicht alleine da drin." "Wie? Was soll das heißen, du bist nicht alleine da drin?", hakte er nach und ergriff ohne meine Antwort abzuwarten recht forsch den Türgriff, um diese aufzustoßen um hinein zu schauen, ob sich dort irgendwer versteckte, den er so nicht sehen konnte. Ich kicherte belustigt, als er sich wieder zu mir wandte und irritiert die Augenbrauen hob. "Was lachst du denn jetzt?", fragte er barsch und musterte mich forschend. "Ich habe da drin keinen anderen Mann versteckt. Ich meine dich", erwiderte ich und hatte mühe nicht los zu prusten, als ihm vor Verblüffung der Mund offen stehen blieb. Ich bereute in dem Moment wirklich, keine Kamera dabei zu haben, da es einfach viel zu drollig aussah, wie er verwirrt begann mit den Armen herum zu fuchteln und dabei leise herum zu stammeln. "Wieso... ich? Was? Warum? Das. Aber", nuschelte er und wendete immer wieder den Kopf zu mir, dann zur Kabine und zurück. Ich gluckste ein bisschen und versuchte ihm dann irgendwie sachlich zu erklären, warum er mit hinein kommen sollte. "Pass mal auf, Thorin. Ist doch ganz einfach. Du kommst mit rein, damit du dich überzeugen kannst, dass ich nicht zusammen breche. Aber sollte ich es aus unerfindlichen Gründen doch, dann bist du sofort bei mir und musst nicht erst den Holzverschlag auseinander nehmen, um zu mir zu kommen", sagte ich und schon erhellte sich seine Miene etwas. Auch wenn ich verstohlen bemerkte, dass sich hinter seinem dunklen Bart das Gesicht vor aufkommender Scham leicht verfärbte. Einen Moment lang legte sich ein peinliches Schweigen über uns, bis er sich dann noch einmal räusperte: "Also. Gut. Gut. Dann. Dann geh hinein." Ich neigte leicht den Kopf mit einem Lächeln und ging ihm voran. Er folgte mir ein wenig zögerlich, zog die Tür zu und verschloss diese dann, damit sonst niemand herein kommen konnte. Nun begann mein Herz ein klein wenig zu rasen, als ich meine Sachen auf dem kleinen Stuhl in der Kabine ablegte. Nun war auch die zweite Hürde genommen. Nämlich den Zwerg in die Kabine zu locken. Die Nächste, würde die wohl Schwerste. Nämlich ihn dazu zu bringen sein Hemd abzulegen, damit ich mir seine Wunde ansehen konnte. Um das fertig zu bringen, musste ich mir wirklich was Glaubhaftes einfallen lassen. Aber zunächst sortierte ich meine Sachen, damit ich noch kurz Zeit hatte mir etwas einfallen zu lassen. Allerdings vernahm ich bald das ungeduldiges Wippen eines Stiefel auf dem holzigen Boden hinter meinem Rücken. "Brauchst du noch lange oder ist es dir jetzt doch nicht recht, dass ich hier bei dir stehe?", hakte er kurz nach, als ich mich immer noch nicht dazu herab ließ, meine Kleidung auszuziehen, was er wohl erwartete. Ich schluckte ein bisschen und spürte mein Herz im Hals pochen, während ich mich langsam zu ihm umdrehte. Ich verzog leicht verlegen grinsend das Gesicht, als ich ihn ansah und vor mich hin nuschelte, wie ein kleines, aufgeregtes Schuldmädchen. "Ähm. Weißt du. Ich. Äh. Ich bräuchte vielleicht ein klein wenig. Hilfe", nuschelte ich und spielte nervös mit meinen Fingern herum. "Hilfe", antwortete er mehr feststellend als fragend und ein bisschen Tonlos, während er bedächtig die Augenbrauen hob. Ich nickte ihm nur bestätigend zu und zog verlegen den Kopf etwas ein. Er seufzte kurz und sah mich ungläubig an. "Du brauchst nicht ernstlich Hilfe beim Ausziehen, oder? Das kannst du doch sicherlich alleine", sagte er und ich vernahm in seiner Stimme eine kleine Spur von Aufregung. Doch wieder nickte ich und ihm klappe der Mund weit auf. Erneut stammelte er nur verwirrt und entsetzt vor sich hin. "Das. Ist. Cuna. Was verlangst du da von mir?", fragte er völlig fassungslos. "Ich würde es ja gerne selbst tun. Aber mir schmerzt der Bauch vom vielen Strecken und Bücken zu sehr. Und du hast selbst gesagt, ich soll mich nicht überanstrengen", nuschelte ich vor mich hin "Ja. Habe ich. Aber das bisschen Kleidung ist doch wirklich nicht der Rede wert", meinte er und hob abwehrend die Hände. "Ach komm schon. Es ist mir ja selbst unangenehm dich darum zu bitten. Aber es geht gerade nicht anders", sagte ich dann abschließend und sah ihm flehend ins Gesicht. Ich hörte ihn deutlich schlucken und sein Gesichtsausdruck war noch nie so verdattert, wie im Augenblick. Aber auch mir ging es innerlich nicht viel anders als ihm. Ich musste wohl oder übel zu diesem Mittel greifen, um an ihn heran zu kommen. Anders würde es wohl nicht gehen. Auch wenn es das mit Abstand hinterhältigste war, was ich je mit einem Mann anstellte. Und das nur um seine Verletzung behandeln zu können. Sicher würde er mir bestimmt bald auf die Schliche kommen, warum ich dieses Schmierentheater mit ihm abgezogen hatte. Aber bevor ich ihn nun oben herum ausziehen konnte, war er zunächst an der Reihe, das mit mir zu tun. Er zierte sich gerade schon ein bisschen. Obwohl er ja bereits in einem Maisfeld dazu übergegangen war meine entblößten Beine unter dem Rock zu streicheln. Aber da war die Situation auch eine wesentlich andere gewesen. Da waren wir wild küssend übereinander her gefallen und hatten völlig vergessen, was wir mit dem anderen taten. Dieses mal musste der Zwergenkönig genau wissen, was er tat und es schien ihm doch ein bisschen mehr aus zu machen, als er zugeben wollte. Aber schließlich schob er sein stolzes Ego wieder nach Vorne, um seine Unsicherheit zu verbergen und machte sich daran mir zuerst an den T-shirt Saum zu fassen, welchen er dann ein wenig fahrig und unbeholfen, nach oben über meinen Kopf hinweg streifte und in die nächstbeste Ecke klatschte. Danach folgte sofort mein Unterhemd, wo ich zum ersten Mal spürte, wie seine Finger vor Aufregung zitterten. Als er dieses weg geschafft hatte, hielt er plötzlich inne und weitete kurz die Augen während er mich sehr eindringlich musterte. Ich legte vorsorglich meinen Arm vor die Brüste, sodass er nicht alles sehen konnte. Aber das was er wohl sah schien dem Herrn mehr als deutlich zu gefallen, denn seiner Kehle entkam ein leises, aber dennoch gut vernehmbares Keuchen. Welches er natürlich schnellstmöglich versuchte mit einem vorgetäuschten Hüsteln zu verbergen. Ich biss mir auf die Lippen und senkte den Blick etwas. Es war mir zum Einen selbst unheimlich peinlich, aber zum Anderen wollte ich nicht drauf los lachen, weil er sich plötzlich so unbeholfen und schüchtern anstellte. Schließlich rang er sich mit unerwartet heiserer Stimme dazu durch, mir noch einmal kurz eine kleine Anweisung zu kommen zu lassen, bei der er wohl selbst verzweifelt um Fassung ringen musste. "Den. Den Gürtel und die Hose kannst du wohl selbst öffnen nehme ich an", meinte er und löste sehr widerwillig seinen Augen für eine Zeit von mir. Ich ließ bereitwillig die Arme sinken, öffnete den Gürtel und den Knopf an meiner Jeans. Um es ihm leichter zu machen, schob ich diese so weit ich es im aufrechten Zustand konnte nach unten. Doch dann fiel sie schon von selbst zu Boden, weshalb er sich nur noch danach bücken musste, um meine Füße aus dem schweren Stoff zu befreien. Nachdem er auch diese etwas lieblos in die Ecke mit den anderen Sachen knallte, trennte mich nur noch mein Unterhöschen von der völligen Nacktheit. Ohne zu zögern und mit gesenktem Blick trat der Zwergenkönig ein letztes Mal auf mich zu, ging in die Knie und riss mir dann das letzte Stückchen Stoff absichtlich zügig nach unten, sodass ich hinaus steigen konnte. Ich spürte inzwischen, wie mein Herzschlag heftig in meinen Ohren pochte und sah, wie Thorin kurz nach Luft schnappte und die Augen weitete, als er mich von unten, ungewollt, eingehend musterte. Ich legte sofort reflexartig meine Hände an die betroffene Stelle, die nun offenkundig vor ihm lag und biss mir weiterhin auf die Lippen. Doch das half wirklich nicht viel. Man konnte inzwischen deutlich die knisternde Anspannung zwischen uns beiden fühlen. Eine Mischung aus schüchternen, aber vielsagenden Blicken und verhaltenem Schweigen. Vorsichtig kam er auf die Beine. Inzwischen atmete er nur noch keuchend mit leicht geöffnetem Mund und schaffte es fast gar nicht seine Augen ruhig zu halten, die jeden einzelnen Millimeter meiner Haut zu erkunden versuchten. Er ballte angespannt die zitternden Finger zu Fäusten und biss sich heftig auf die Unterlippe, dass diese fast anfing zu bluten. Noch eine ganze Weile standen wir da, so erstarrt, wie die Salzsäulen und keiner von uns machte anstellten sich in irgendeiner Weise zu bewegen. Das Einzige, was mir neben wieder aufwallenden, amourösen Gefühlen durch den Kopf strich war, "Verdammt! Das war eine absolut bescheuerte Idee!" Aber um sie zurück zu nehmen, war es zu spät. Alles Meckern und Schimpfen auf mich selbst und meine tadellosen Einfälle half nichts. Ich musste das bis zum Ende durchziehen. So schaffte ich es unter enormer Anstrengung mich von der Stelle zu bewegen und an ihm vorbei, in die provisorische Duschwanne zu steigen, wo ich den Schlauch aufnahm. Er folgte mir weiterhin mit seinen geweiteten, blauen Augen und verbarg auch nicht mehr, wie sehr ihm dieser Anblick doch etwas ausmachte. Aber gerade deswegen stellte mich mit dem Rücken zu ihm, damit er nicht die ganze Zelt nur meine Front im Blick hatte. Vorsichtig drehte ich nun den Hahn auf und ließ das eisige Wasser aus dem Duschkopf kommen. Eigentlich wäre gerade dieses bei solchen erhitzten Gemütern wie unseren, eine ziemliche Wohltat. Aber dummerweise hatte das Zeug auch in den ersten Minuten immer die leidige Angewohnheit, Gänsehaut an jenen Stellen zu verursachen, die sich mehr als alles andere nach Berührungen sehnten. Aber ich musste stark sein. Ich durfte mich nicht von meinem Plan abbringen lassen. Nicht einmal von meinen durchgeknallten Hormonen. So bespritze ich zunächst nur meine Beine mit dem kalten Wasser, ehe ich mich dem Rest zu wand. Thorin brach unterdessen hinter mir in heiseres Fluchen aus. Zum einenTeil auf Zwergisch und zum anderen Teil in meiner Sprache. Offenbar konnte er sich gerade nicht wirklich darüber einig werden, wie er mit seiner unangenehmen Lage klar kommen sollte. Da hatten wir zumindest mal wieder etwas gemeinsam. Aber im Gegensatz zu ihm, wusste ich noch halbwegs was ich tat. So warf ich einen kurzen Blick über die Schulter und rief ihm mehr oder weniger schüchtern zu. "Du, hör mal", sagte ich um zumindest seine Aufmerksamkeit zu bekommen. "Was?", fauchte er und knirschte deutlich hörbar mit den Zähnen. "Ich, ähm. Ich brauche nochmal kurz deine Hilfe", erwiderte ich verlegen und schon hörte ich ihn entsetzt auf keuchen. "Was denn noch?", fragte er dann mit angestrengt ruhiger Stimme. "Ähm. Also. Könntest du. Wenn es dir nichts ausmacht. Vielleicht mal nach meinem linken Fuß sehen?", stammelte ich. "BITTE WAS?!", schrie er fast panisch auf. Ich zuckte kurz zusammen und drehte mich dann leicht zu ihm um. "Also. Naja. Ich glaube. Ich bin da vorhin in irgendwas rein getreten. Das schmerzt wirklich sehr. Und ich kann mich so schlecht danach bücken. Würdest du... vielleicht", nuschelte ich und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. "Du. Du machst wohl Scherze, Weib! Kann ich das nicht auch machen wenn. Wenn du wieder angezogen bist?", fragte er und sah sich hilfesuchend um. "Es ist nur so... wenn da wirklich etwas sein sollte und da ne Wunde ist oder so. Dann kann ich die jetzt sofort auswaschen. Verstehst du?", murmelte ich und mein Kopf schien schon fast zu explodieren, so knall rot musste er inzwischen sein. Thorin entkam ein tiefes genervtes Stöhnen. "Dann werde ich ja auch patsch nass", sagte er und versuchte damit wohl anzudeuten, dass er in diesem Augenblick doch lieber woanders wäre, als hier bei mir. Der Kampf mit seiner Männlichkeit schien ihm jede menge Kraft zu kosten, weshalb er schnaufte, als hätte er gerade einen zehn Kilometer Marathon hinter sich. Ich schluckte kurz etwas, als ich ihn so fertig sah. Ich hatte ihm das Ganze wirklich nicht antun wollen. Und mir erst recht nicht. Aber trotzdem konnte ich die nächsten Worte nicht vermeiden, die mir auf der Zunge lagen. "Dann. Zieh doch dein Hemd aus. Dann bleibt das trocken", meinte ich und versuchte gezwungen locker zu klingen. Doch nun wurde er langsam aufbrausend. "Hast du vergessen, dass ich selbst eine Wunde an der Schulter habe? Wenn der Verband nass wird, brauche ich einen Neuen", fauchte er mich barsch an. Nun war es soweit. Ich musste meinen Plan aufzulösen. Und es gab nur zwei Möglichkeiten, wie er ausgehen konnte. Entweder fiel er weiter auf meine Scharade herein, oder es würde ihm dämmern und er wäre danach unheimlich stinkig auf mich. So oder so. Jetzt oder nie, schoss es mir durch meine Gedanken. Ich zuckte gespielt ruhig mit den Schultern und legte den Kopf mit versucht unbekümmerter Miene schief. "Du kannst den Verband doch auch ablegen. Dann Wasch ich deine Wunde gleich mit und versorge sie danach", meinte ich und nun wartete ich auf den bevorstehenden Knall. Dieser kam tatsächlich. Allerdings wesentlich anders als erwartet. Zunächst aber erhellten sich nur seine angespannten Gesichtszüge. Seine Miene zeigte mir mehr als deutlich, dass er mir tatsächlich auf die Schliche gekommen war. Langsam trat er an mich heran und schüttelte nur verständnislos den Kopf. Ihm klappe mehrfach der Mund auf und zu, aber er konnte nicht wirklich die Worte zusammen bringen, die er mir wohl an den Kopf werfen wollte. Entweder war er zu wütend oder zu entgeistert um sie über die Lippen zu bringen. Jedenfalls ließ er anstatt Worten, umgehend Taten sprechen. Blitzschnell ergriff er meinen Arm in dem ich den Duschkopf hielt und drehte mich vollends zu sich um. Als nächstes fasste er mir mit seiner anderen Hand in den Nacken und presste mir dann unverhohlen seine Lippen auf den Mund. Ich weitete die Augen. Spürte, wie der Schlauch meiner Hand entglitt und scheppernd auf den Boden fiel. Ich nahm seinen warmen Atem auf meinem Gesicht war, fühlte seinen Bart unter meiner Nase kitzeln und sah, wie er seine Augen sanft schloss, als er begann den Kuss zu intensivieren, in dem er mich mit dem Rücken an die hintere Wand der Duschkabine drückte und seinen breiten, stämmigen kleinen Zwergenkörper an mich presste. Mir blieb buchstäblich die Luft weg. Nicht nur wegen seiner geballten Kraft und dem Gewicht auf meinem Körper, sondern auch wegen dem, was ich gerade in der Nähe meiner Hüfte abspielte. Scheiße verdammt noch mal! Das war schöner und schlimmer, als ich es mir jemals hätte ausmalen können. Schöner, weil ich es mir niemals so intensiv vorgestellt hatte. Und schlimmer, da ich deutlich merkte, dass er wohl den Kampf mit seiner Selbstbeherrschung zu verlieren drohte. Denn plötzlich waren seine groben, schweren Hände einfach überall. Sie streichelten mir über die Schultern, die Arme hinab, den Rücken bis zu meinem Po und weiter die Beine hinunter. Jedenfalls so weit sie in dieser stehenden Position kamen. Das alles kam mir unendlich vertraut vor. Es war wie in meinem Tagtraum vor wenigen Tagen. Nur dieses mal war es echt. Alles war echt. Die ruppigen, aber nicht gewaltsamen Berührungen. Seine Lippen, die von neuem anfingen nicht nur meinen Mund sondern auch den Rest meines Gesichtes zu erkunden. Sein kürzer Bart, der jede einzelne Faser meines Körpers in Aufruhr versetzte, als er mir über die Wangen stricht und sich langsam meinem sehr empfindlichen rechten Ohr näherte. Das hatte er wohl nicht vergessen. Im Gegenteil. Er würde es sicherlich nun voll ausnutzen. Doch zunächst keuchte er mir nur leise fluchend hinein. "Cuna. Du hinterhältiges, verlogenes Miststück", raunte er mit einer extrem tiefen, sonoren Stimme, bei der mir fast die Knie weich wurden, hatte er mich nicht so fest an die Wand gedrückt. Ich wusste gar nicht, was ich tun sollte. Ich war so überrumpelt von seinem ganzen Wesen, seinem lieblichen Duft und den Berührungen, dass meine Arme immer noch schlapp zu beiden Seiten meines Körpers herab hingen, wie ein paar leere Schläuche. Da passierte es. Er öffnete den Mund ein klein wenig und schloss dann seine Lippen um mein Ohrläppchen. Umgehend durchzog mich ein heftiger Stromschlag an Emotionen und ich stöhnte extrem laut auf. Es war einfach nur unglaublich. Ich drohte regelrecht in dieser Berührung zu ertrinken. Und was es noch schlimmer machte, war sein tiefes, gehässiges und gleichzeitig amüsiertes Lachen. "Warum schreist du denn so laut?", murmelte er mir zu, als er sich einen Augenblick löste, um mir kurz drauf mit der Zunge hinter der Ohrmuschel entlang zu fahren. "Oh. Oh Gott. Thorin. Bitte", rief ich aus und war bereits am Rande eines Nervenzusammenbruches. Allerdings nicht aus Frust, sondern weil ich ihm bald genauso wenig standhalten konnte wie er mir. "Was bitte? Soll ich aufhören? Soll ich weiter machen? Was wünscht du von mir?", fragte er und brummte dabei verführerisch genüsslich. "Ich. Ich", gab ich stotternd von mir und biss mir auf die Unterlippe. Es war gerade die schwerste Entscheidung, die ich treffen musste. Schwerer noch als zu sagen was ich mittags essen wollte. Und noch dazu wusste ich nicht, ob er dann auch auf meinen Wunsch eingehen würde, weil ich eigentlich beides wollte. Doch hielt ich es für weitaus schlimmer, wenn er weiter machen würde, sobald ich sagte er solle aufhören. Was ich ihm unterbewusst sogar ein wenig zutrauen konnte, denn er wartete meine Atnwort nicht erst ab, sondern arbeitete sich langsam aber zielstrebig nach unten und ließ seine Lippen gnadenlos meine Halsbeuge erkunden, während er singend murmelte: "Ich warte." Ich ließ ihn dort erst einmal machen und zerbrach mir weiterhin den Kopf, bis er langsam weiter südlich wandern wollte. Dann endlich bekam ich wieder Gefühl in meine Arme und hob sie an seine breite Brust um ihn weg zu schieben. "Hör auf!", keuchte ich und kniff die Augen zu. Sofort hielt er in seinem Tun inne. Ich spürte, wie er langsam den Kopf hob und sich der Druck auf meinen Körper verringerte. Langsam öffnete ich die Augen und sah ihm nun ins Gesicht, auf dem seine altbekannte, ernste Miene lag. Ruhig neigte er sein Haupt und murmelte gelassen: "Wie du wünscht." Daraufhin löste er sich gänzlich von mir und drehte mir unter mehrfachem tiefen durchatmen den Rücken zu. Ich schluckte schwer und wusste nicht wirklich, was ich sagen oder denken sollte. Zum Einen war ich ihm sehr dankbar, dass er auf meine Bitte oder vielmehr meinen Befehl hin tatsächlich aufgehört hatte. Zum Anderen tat mir die ganze Situation unglaublich leid. Nun standen wir wieder einmal da. Ganz tief in peinliches Schweigen gehüllt und wussten nichts miteinander anzufangen. Doch ich erkannte, dass ich an der ganzen Sache definitiv schuld hatte. Also musste ich den ersten Schritt machen. Zaghaft streckte ich eine Hand nach ihm aus, um sie ihm auf die Schulter zu legen. Nachdem ich ihn dort berührte zuckte er verschreckt zusammen doch er blieb stehen. "Thorin?", fragte ich vorsichtig, woraufhin er mir mit einem leisen Brummen bestätigte, dass er zuhören wollte. Ich rang einmal kurz noch nach Atem, ehe ich weiter sprach: "Glaub mir. Ich. Ich wollte das so auf diese Weise nicht provozieren. Ich wollte. Lediglich eine Möglichkeit finden, dich dazu zu bringen mir hier her zu folgen, damit ich deine Wunde reinigen und versorgen kann." "Und warum fragst du mich dann nicht einfach?", unterbrach er mich kurz drauf, wobei er ziemlich monoton klang. "Sei mal ehrlich zu dir selbst. Wärst du wirklich mit mir gekommen, wenn ich gefragt hätte, ob ich deine Wunde reinigen und behandeln darf, oder hättest du darauf gepocht, dass das Oin sowieso besser könnte als ich?", erwiderte ich und er zuckte mit den Schultern, wobei ihm gleichzeitig ein hohles aber belustigtes Schnauben entfuhr. "Stimmt. Da hast du recht. Das hätte ich vermutlich gesagt, ja. Aber nun sei du auch einmal selbst ehrlich zu dir. War dir dieser hinterhältige Trick es wirklich wert, dass ich die Beherrschung verliere und dich wie ein Tier anfalle?", hakte er nach ohne mich anzusehen. Mir entkam ein kurzes seufzen und ich nickte matt. "Ja. Ist auch soweit richtig. Das wollte ich nicht. Nicht so jedenfalls. Irgendwann bestimmt. Aber. Naja. Du denkst nun sicherlich, wer-weiß-was, von mir. Ich bin so ein verdammter Trottel. ", fluchte ich leise vor mich hin und wollte meine Hand von seiner Schulter ziehen. Doch da schnellte seine nach oben und packte diese Fest. Erschrocken und verblüfft sah ich, wie er sich langsam wieder zu mir umdrehte, dabei meine Hand weiterhin hielt und mir ein zaghaftes, sanftes lächeln schenkte. "Cuna. Du bist kein Trottel. Du magst vielleicht in vielen Dingen wahrlich sehr ungeschickt sein. Ob nun in dem was du sagst oder dem was tust. Aber trotzdem stecken dahinter, wie ich immer wieder festgestellt habe, nur gute Absichten. Und die habe ich sehr an dir zu schätzen gelernt. Immerhin, mache ich es dir ja auch nicht einfach. Ich fragte mich in den letzten Stunden immer wieder. Wie schafft es diese Frau nur einen so sturen Bock, wie mich die ganze Zeit zu ertragen", grübelte er nachdenklich und streichelte dabei mit seinem Daumen über meine Fingerrücken. Ich musste schmunzeln, als ich das hörte und musterte ihn noch einmal kurz bevor ich antwortete: "Weil ich schon einmal einen so sturen Bock wie dich habe zähmen mussen." Verwundert hob er den Blick und sah mich irritiert, aber belustigt lächelnd an. "Ach? Ist dem so?", fragte er und kam mir wieder näher. Ich neigte leicht den Kopf und grinste nun breit. "Weißt du. Was das angeht. Bist du Ihm sehr ähnlich", erklärte ich und legte meinen freien Arm vorsichtig an seine Hüfte. "Du meinst deinen ersten Mann?", hakte er nach, woraufhin sein Lächeln doch kurz etwas ins Wanken geriet. "Also. Ja. Schon. Vermutlich ist das einer der Gründe, weshalb ich so gerne in deiner Nähe bin. Ich weiß, er lebt nun schon seit zwei Jahren nicht mehr. Und ich hätte nie gedacht jemals wieder mit jemandem so glücklich zu werden wie ich es jetzt bin. Aber das wäre vermutlich alles nicht so gekommen, wenn ich nicht zumindest ein winziges Stück von ihm in dir sehen würde. Also, was den Charakter angeht jedenfalls. Aber trotzdem bist du, wie jeder andere auf der Welt, einfach nur einmalig in deiner Art. So wie du mich immer wieder aufs Glatteis führst und dann auch wieder sicheren Fußes von da runter holst. Ich denke, das ist eine der wichtigsten Eigenschaften, die ich so sehr an dir liebe", hauchte ich zärtlich, näherte mich ganz zaghaft seinem Gesicht und legte ihm dann ganz behutsam meine Lippen auf den Mund. Ich hörte ihn kurz scharf die Luft einziehen, ehe er meine Geste ruhig erwiderte und leicht die Augen dabei schloss. Dabei legte er seine andere Hand an meine Wange und streichelte diese ein wenig. Aber er hielt den Kuss diesmal nicht ganz so lange aufrecht, wie jenen zuvor. Denn er löste sich recht zügig und legte seine Stirn an meine, bevor er murmelte: "Du solltest dich besser anziehen, ehe ich es mir anders überlege und dich noch einmal anfalle." Ich nickte kurz verhalten und schritt dann an ihm vorbei, um meine frischen Sachen anzulegen. Als ich mich wieder zu ihm umdrehte, klappte mir kurzzeitig der Mund auf. Da hatte der Mann, im wahrsten Sinne des Wortes hinter meinem Rücken sein Hemd ausgezogen und machte sich oben ohne daran, den Wundverband zu lösen. Allerdings fluchte er dabei immer wieder wie ein Rohrspatz, wenn er sich verhedderte. Schließlich erbarmte ich mich lachend ihm zu helfen, damit er das Ding los wurde. Danach gestattete er mir, dass ich doch noch eine Verletzung begutachten, auswaschen und versorgen durfte. Sie sah dafür, dass sie erst zwei Tage alt war doch ziemlich gut aus. Fast so als würde sie sehr schnell verheilen. Doch während ich ihn behandelte kümmerte mich das wenig und ich schob es einfach auf sein zwergisches Blut, dass vermutlich stärkere Selbstheilungskräfte hatte als meines. Am Ende des Ganzen, schritten wir schließlich Arm in Arm aus der Kabine und machten uns auf den Weg zurück zum Zelt. Und niemand der dort Anwesenden hatte auch nur die leiseste Ahnung, welche heiß-kalten Momente wir gerade hinter uns hatten. -63. Heiß-Kalte Momente / ENDE - Kapitel 64: 64. Immer ärger mit den Fan-Girls --------------------------------------------- Was für ein Vormittag. Erst dieses makaberes Fußballspiel, dann die Aussprache zwischen meinem Freunden und Thorin, und direkt nach dem Mittagessen meine wohl heißeste Kaltwasserdusche, die ich seit Jahren genießen durfte. Wobei diese im Nachhinein betrachtet noch das Schönste war. Was allerdings hinterher ein wenig störte war, dass der kleine, dunkelhaarige Mann sichtlich Probleme hatte, den Rest des Tages seine Finger bei sich zu behalten. Woran ich selbst ja nun nicht wirklich unschuldig war. Egal wo ich auch stand und ging, umarmte er mich unversehens fest und zärtlich von hinten und murmelte mir immer wieder einige unanständige Sachen ins Ohr, die mein Gesicht aufleuchten ließen, wie einen Feuermelder. Dabei machte er sogar kleinere Andeutungen, die den kommenden Abend betrafen. Eigentlich hatte ich ja nichts dagegen, dass er mir so etwas zu flüsterte. Nur gerade von seiner Seite her war es etwas vollkommen Neuartiges, was ich an ihm entdecken durfte. Es war auch die erste Zeit sehr amüsant, doch hatte ich an diesem Nachmittag etwas anderes im Sinn, als mich ständig in einer seiner vielsagenden Umklammerungen zu befinden und von ihm auf diese Weise geneckt zu werden. So schade das auf der anderen Seite für mich war, wo mir seine Nähe doch sehr gefiel und meiner Seele richtig gut tat. Aber leider hatte Frodo wenig später, nachdem wir wieder zu unserem Zelt zurückgekehrt waren, über das "ROZ" verkündet, dass man sich bereits die ersten Aufräumarbeiten auf dem Platz vorzunehmen sollte, damit man diesen am nächsten Tag schneller verlassen könne. "Ach ja. Und vergesst nicht. Heute Abend nach der Auktion ist unsere allseits beliebte Zeltplatzdisco im Fisse Ma "Tent" Chen. Und dieses Jahr ist Damenwahl. Also Mädels. Nur nicht so schüchtern sein. Schnappt euch euren Mann oder Frau, oder was auch immer und legt eine heiße Sohle aufs Parkett. Danach könnt ihr dann mit dem oder derjenigen gemeinsam unser Abschiedsfeuerwerk bewundern", kam es von ihm aus den Lautsprechern. Ich seufzte kurz, nachdem ich das hörte. Ich stand an meiner Liege und war dabei meine T-shirts und die Kleider zu falten, damit ich diese in meine vielen Rucksäcke packen konnte, die ich ja nur allein wegen dem Zwergenkönig dort hin geschleppt hatte. Das würde sicherlich eine ordentliche Tortur werden, die alle wieder alleine in den dritten Stock zu schaffen. Aber so wirklich machte ich mir darum noch wenig Sorgen. Ganz bei der Sache war ich nach der Durchsage sowieso nicht. Ausgerechnet dieses Jahr gab es Damenwahl. Was für eine großartige Idee, dachte ich zynisch. Nicht, dass ich mich selbst zu sehr davon betroffen gesehen hätte. Thorin würde mit Sicherheit kein Angebot der anderen Frauen und jungen Mädchen annehmen. Ich war mir noch nicht einmal sicher, ob er mit mir tanzen würde, wenn ich ihn fragte. Aber das war ein ganz anderes Thema. Viel schlimmer würde es wohl dem Rest der Truppe ergehen, die sich ja nun alle über ihre Beliebtheit unter der Bevölkerung meiner Welt erfreuen durften. Auch wenn ich mir wiederum ganz sicher war, dass sich darüber eigentlich keiner von ihnen wirklich freute. Dafür hatten sie nun sowieso keine Zeit. Sie waren, ebenso wie ich, viel zu beschäftigt damit, ihre Sachen zusammen zu suchen, da sie am nächsten Tag schon vor Sonnenaufgang abreisen wollten oder vielmehr gesagt mussten, um nicht zu riskieren, dass noch mehr Menschen sie verschwinden sahen. Obwohl es bestimmt dem ein oder anderen nichts ausgemacht, hätte früher zu gehen, nachdem Frodo das Thema des Disco-abends so offenkundig in die Welt hinaus posaunt hatte. Nun kam nämlich von überall her lautes Gekreische der Mädels zu uns herüber geweht, was sogar mich in meinem Tun inne halten ließ. Auch die Herren der Schöpfung waren reichlich verwirrt, sodass das Geklapper ihrer Werkzeuge, Waffen und dergleichen für einen Augenblick verstummte. "Was ist das für ein Aufruhr da draußen?", warf Dwalin in den Raum. Neugierig schaute ich kurz hinter meinem Vorhang hervor, um zu sehen, wie weit die Zwerge mit dem Aufräumen waren und ein bisschen Pause bei meiner Arbeit zu machen. "Mach dir keine Sorgen, das sind nur ein paar durchgedrehte Nazgûl", meinte ich lässig und streckte mich ausgiebig. Auf meinen Kommentar hin erntete ich von allen Männern panische Blicke. "Nazgûl?!", riefen sie fast gleichzeitig entsetzt und wollten sofort wieder zu ihren Waffen greifen. Ich grinste unterdessen nur süffisant und ergänzte: "Ja. Die sind sauer, weil sie keine Kekse mehr haben und sind gekommen um Nachschub zu holen." Daraufhin stoppten die Männer in ihren Haltungen, die sie eingenommen hatten und begriffen sehr langsam, dass ich sie gerade mal wieder ordentlich auf den Arm genommen hatte. So kam es reihum zu einem erleichterten, aber auch leicht gereiztem Aufstöhnen. Offenbar hatten sie inzwischen verstanden, wann ich Scherze machte. Aber fanden sie diesen, im Gegensatz zu mir, alles andere als komisch. "Haha. Sehr witzig. Mach dich ruhig über diese ganze Morgulbrut lustig, Weibstück. Sei lieber dankbar darüber, dass du nie mit so etwas zu tun hattest. Sonst würde dir das Lachen im Hals stecken bleiben", raunte der glatzköpfige Zwerg zynisch und barsch, ließ die Äxte, die er gegriffen hatte sinken und zog stattdessen seinen Rücksack wieder heran, und die Lederbänder daran zu. "Jetzt seid nicht immer so beleidigt, wenn ich mal nen kleinen Scherz mache. Dafür muss ich mich mit anderen Sachen herum schlagen, von denen ihr dankbar sein könnt, sie niemals erlebt zu haben. Aber nun mal im Ernst. Wenn ihr wisst, was gut für euch ist, haltet euch bis zum Abendessen lieber vom Fisse Ma "Tent" Chen fern", erklärte ich, woraufhin sich mehrere paar Augenbrauen hoben. "Warum denn wenn ich fragen darf?", kam es vom alten Balin, der sich kurz am Kopf kratzte. "Na, ihr habts doch gerade gehört. Heute ist für den Tanzabend Damenwahl angesetzt. Heißt sämtliche Frauen hier im Umkreis, die nicht bereits vergeben sind, werden versuchen sich irgendwie einen Mann zu krallen, mit dem sie dort hin gehen möchten. Dabei kommt es so gut wie jedes mal zum Streit. Und glaubt mir. Wenn eine oder mehrere von denen sich zanken, wollt ihr nicht dazwischen geraten. Dagegen sind Orks wie kleine Plüschhäschen", meinte ich und sah sie nacheinander langsam nicken. "Was Weibsbilder dieser Welt angeht sind wir ja bereits bedient genug", sagte Kili belustigt, woraufhin ich ihm einen beleidigten Blick schenkte. "Dankeschön", schnaubte ich sarkastisch und der Junge lachte. "Ich rede doch nicht von dir. Ich meine diese durchgedrehten Billwissinzuchten, sofern du dich erinnerst", entgegnete er und holte die Plastiktüte mit den Kleidungsstücken heran, die immer noch mit einem Preisschild und allem drum und dran ausgezeichnet, zusammengefaltet und unberührt waren. Als er die Geschichte erwähnte, musste ich mir kurz an die Nase fassen. Das hatte ich wirklich verdrängt. Und aus gutem Grund. Was diese gazellenschlanken Modezombies mir angetan hatten und was ich danach hatte durchleben müssen, ging auf keine Kuhhaut. Dieses Debakel mit dem Richten meines Riechorgans war nach dem ersten Einkaufsausflug wirklich die Krönung gewesen. Doch wäre es nicht dazu gekommen, hätte ich bestimmt niemals mit der Fürsorge eines gewissen Herren bekanntschaft gemacht, der sich hinter mir seelenruhig mit seinem eigenen Kram beschäftigte. Er war wohl der Einzige unter den Anwesenden, der die Ruhe weg und meine Anspielung auf die Ringgeister von Anfang an nicht geglaubt hatte. Die Anderen schienen dahingehend ein klein wenig nervöser geworden zu sein, was ich durchaus nachvollziehen konnte. Immerhin würden sie ja bald wieder mit diesen tödlichen Kreaturen zusammen treffen, auf die wohl nach diesen, für ihre Verhältnisse ruhigen zwei Wochen, keiner von ihnen mehr Lust hatte. Diese Gefahren waren im Übrigen einige der Gründe, weswegen es mir Thorin, auch ohne dass ich ihn danach fragte, bereits im Voraus strickt untersagte einmal mit ihm zu reisen, um seine Welt kennen zu lernen. Nachdem, wie ich ihn und seine Männer erlebt hatte, war es durchaus verständlich, weil sie zum Teil immer noch bei jeder unbekannten Kleinigkeit zusammen fuhren und sich erst einmal hektisch nach allen Seiten umdrehten. Nur die Jüngeren eher weniger, die sich, im Gegensatz zu den Alten, in meiner Welt richtig wohl fühlten. So hörte ich Kili und Fili gelegentlich aufseufzen, während sie sich leise an ihren Schlafplätzen unterhielten. Sie hatten hier sehr viel erlebt und gesehen, das sie in diesem Moment bereits sehr vermissten. Vor allem hatten es ihnen wohl die Getränke angetan, die sie in ihrer Welt nicht hatten. Besonders die Limonaden waren bei den Beiden wirklich heiß begehrt. So wunderte es mich auch nicht, dass hin und wieder die ein oder andere Flasche im Gras lag oder im Zelt herum rollte, wenn einer von Beiden unachtsam dagegen stieß. Wie auch dieses mal, als Kili nachdenklich einen Schritt zur Seite machte und dabei seine halbleere Cola erwischte, die daraufhin gänzlich auslief und seine Schlafdecken völlig besudelte. "Nicht schon wieder!", stieß er hervor und gab zusätzlich noch einige zwergische Flüche von sich, als er die Flasche vom Boden auf hob. "Wie kann man nur immer so ungeschickt sein?", spottete sein Bruder lachend, der im selben Moment sein eigenes Getränk nicht beachtete und so bei sich selbst das gleiche Marleur auslöste. Nun lachte Kili, als er den blonden Zwerg ebenso fluchen hörte. "Ha. Ungeschickt sagt ja mal wieder der Richtige. Jetzt hast du auch nichts mehr", meinte der dunkelhaarige Junge und streckte seinem Gegenüber frech die Zunge raus. Daraufhin packte Fili seine zusammengerollte Decke, die er für gewöhnlich als Kopfkissen benutzte und klatschte sie seinem Bruder mitten ins Gesicht. Der sah nach dem Schlag völlig verdattert aus und griff schnaubend nach seinem improvisierten Kissen, um es Fili vor den Latz zu knallen. Und er traf auch. Nun ging das eine Zeitlang hin und her, bis schließlich die ganze Sache zu einer kleinen Kissenschlacht ausartete, bei der sich beide irgendwann über den Boden wälzten und versuchten den jeweils Anderen zu übertreffen. Ich stand nur lachend daneben und hielt mir den Bauch, der davon in zusammenhang mit der Prellung ziemlich schmerzte. Aber allein dise Showeinlage war es mir wert diese in kauf zu nehmen. Sie machten so einen ungeheuren Lärm dabei, dass sich irgendwann ihr Onkel erbarmen musste und zielstrebig dazwischen ging. "Jetzt reicht es aber!", fauchte er und packte beide mit seinem eisernen Griff an den Ohren. "Ach. Lass die Jungs doch toben, solange sie es noch können", meinte ich und wischte mir kurz die Lachtränen aus den Augen. "Nein, lasse ich nicht. Sie können noch genug herum tollen, wenn sie ihre Rucksäcke gepackt haben", sagte er streng und zog seine Neffen an den Ohren auf die Beine. Diese quietschten unterdessen kurz mit schmerzverzerrten Gesichtern und machten sich, nachdem sie Thorin endlich wieder los gelassen hatte, mit betrübten Gesichtern, weiter ans einzupacken. Der Zwergenkönig schritt unterdessen mit zufriedenem Nicken zu seinem eigenen Kram zurück. "Ich finde du bist etwas hart mit den Jungs", sagte ich, als er an mir vorbei kam. "Das muss ich auch sein. Schließlich sind sie in meiner Obhut. Davon abgesehen würde ich ein solches Verhalten nicht mal bei meinen eigenen Kindern für gut heißen. Und das solltest du auch nicht", erwiderte er ohne mich anzusehen. Ich schnaubte nur kurz. Diese zwergischen Erziehungsmethoden waren für mich einfach zu rückständig. Sicher, in Mittelerde gab es bestimmt keine Form der Antiautoritärenerziehung. Weder bei Menschen noch bei Elben und bei Zwergen schon mal gar nicht. Und selbst ich zweifelte diese Methode in unserer neumodischen Gesellschaft mehr als an. Aber trotzdem sträubte sich in mir alles dagegen, einem Kind irgendwie Schmerzen zu zu fügen. Auch wenn es einem doch das ein oder andere Mal in den Fingern jucken konnte, wenn die Eltern ihre Bälger in den örtlichen Straßenbahnen oder Bussen nicht unter Kontrolle hielten und diese dann schreiend mit ihren Zucker und Speichel verklebten Fingern Alles und Jeden antatschten, oder die ganzen Fahrgäste zusammen brüllten, weil sie ihren Willen nicht bekamen. Eigentlich war ich ja immer ein sehr toleranter Mensch, der auch einiges ertragen konnte. Aber in den vergangenen Jahren hatte gerade dieses umdenken der Menschheit wirklich überhand genommen. Und wenn man den Mund aufmachte, um die Eltern darum zu bitten, sich doch um ihre kleinen Monster zu kümmern, die einem Gerade mehr als eindeutig das Schienbein oder die Kniescheibe mit ihren neuen Turnschuhen zertrümmerten, weil sie auf der Sitzbank meistens mir gegenüber saßen und eine diebische Freude dabei empfanden mir weh zu tun, wurde man noch als schlechter Mensch hin gestellt. Für gewöhnlich ließ ich dann solche Sachen auf sich beruhen. Aber jedes mal wenn ich ernsthaft darüber nachdachte, wurde mir nur eines bewusst. Die Menschheit brauchte weder solche Eltern, noch die Kinder dieser Eltern. Auch wenn es für Außenstehende sehr kalt und unbarmherzig klang, sobald ich es nur ansatzweise erwähnte. Einige würden bestimmt zu meinen Gedanken sagen: "Sie haben ja gar keine Ahnung, was es bedeutet Kinder zu haben. Daher können Sie sich auch nicht erlauben so darüber zu denken." Stimmt. Ich hatte keine Kinder. Noch keine. Das eigentlich aus gutem, persönlichem Grund, wie ich mir wieder bitterlich ins Bewusstsein rief. Bei den Gedanken daran, dass ich auch irgendwann einmal zu dieser Sorte von verzweifelten Müttern gehören sollte, die einige dumme Sprüche rein gedrückt bekam und böse Blicke erntete, weil ich unfähig wäre meine Brut um Zaum zu halten, stellten sich bei mir die Nackenhaare auf. Den Einzigen, den ich mit meiner Einstellung vermutlich am meisten enttäuschen würde, war wohl Thorin, der sich im Geheimen bereits sehr darauf freute, seine Erben im Arm zu halten. Nur sollte es so eintreten, wie er es mir prophezeite, dann würde ich die meiste Zeit alleine mit den Kindern sein und es käme da mit Sicherheit irgendwann zu einer Katastrophe. Und vor den Konsequenzen fürchtete ich mich so sehr, dass es mich am ganzen Leib heftig schüttelte. "Cuna? Ist alles in Ordnung?", fragte mich Fili plötzlich, der in dem Moment zu mir herüber schaute. Ich seufzte kurz und schüttelte nur noch einmal den Kopf. "Nein. Alles bestens. Ich hatte nur gerade wieder einige sehr wirre und abstoßende Gedanken im Kopf", erklärte ich kurz angebunden und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. Der blonde Zwerg legte den Kopf leicht zur Seite und nickte knapp. "Na. Wenn du meinst. Aber wo du gerade schon hier stehst. Kannst du Kili und mir vielleicht noch einmal etwas zu trinken holen?", fragte er und hob die leeren Flaschen aus dem Gras auf. Ich zuckte locker mit den Schultern. "Klar, kann ich machen. Das Gleiche noch mal oder was anderes?", erkundigte ich mich freundlich und er lächelte ein bisschen. "Lieber noch einmal die Selben, wenn du sie beschaffen kannst", meinte er und drückte sie mir in die Hand. Ich nickte ihm langsam zu, drehte mich um und verließ das Zelt in Richtung Fisse Ma "Tent" Chen. Hätte ich da nur gewusst, dass das Ganze für mich ein regelrechter Spießrutenlauf werden würde, dann wäre ich vermutlich bei den Männern geblieben. Aber so war ich nun allem ausgesetzt, vor dem ich die Herren einschlägig gewarnt hatte. Ich hatte den Platz noch nicht einmal halb überquert, da stürmten bereits die erste kleinere Gruppe von Mädels auf mich zu. Drei an der Zahl. Ein Mädel fiel dabei besonders auf mit ihrem eher dunklem langem Haar und weil sie knapp einen Kopf größer als ich. Ich blieb natürlich stehen und musterte sie zusammen mit ihren beiden fast gleich großen Freundinnen. Die eine davon mit kurzem, rot gefärbten Haaren, die andere Natur dunkelblond und mittellange Haarpracht. Alle drei waren im Gegensatz zu mir Gertenschlank und kicherten fast ununterbrochen aufgedreht. "Hallo! Hey du warte doch mal. Hey!", rief die Rothaarige. "Was gibts denn?", fragte ich ruhig, wobei ich es mir eigentlich schon hätte denken können. Für gewöhnlich wurde ich ja von solchen Frauen eher weniger heimgesucht, außer sie wollten wie in diesem Fall nichts von mir persönlich, sondern von jemandem den ich gut kannte. So eilten die gackernden Weiber rasch auf mich zu und musterten mich neugierig. Ich verschränkte unterdessen die Arme vor der Brust und beobachtete eine nach der anderen, während die sich immer wieder verstohlene Blicke zu warfen und wohl in einer fast endlosen Kicherschleife gefangen waren. Als sie mich nach einigen Minuten immer noch anstarrten wie ein leckeres Stück Kuchen, ohne wirklich zu sagen, was sie von mir wollten, rollte ich genervt mit den Augen und hakte noch mal nach. "Also. Was wollt ihr drei denn jetzt von mir?", fragte ich so geduldig es ging. Dann meldete sich die Blonde zu Wort, die es zu meiner Verwunderung schaffte, trotz dem Kichern klare Sätze hervor zu bringen. "Also. Also du bist doch Jacky oder?", fragte sie mich und grinste breit. "Sischer dat. Den ganzen Tag und nachts mit Beleuchtung", erwiderte ich genervt. "Und. Und du schläfst doch bei den beiden süßen Typen da drüben mit im Zelt, nicht?", kam es von der dunkelhaarigen die aufgeregt herum hopste. "Da gibt es zwar mehr als nur zwei. Aber ihr meint bestimmt Kili und Fili", sagte ich und sah die drei so heftig nickten, dass ich Sorge hatte, ihnen würden die Köpfe von den Schultern fallen. Ich rollte kurz mit den Augen und seufzte leise. "Und lasst mich raten. Ihr drei Wackeldackel wollt jetzt mich darum bitten, sie zu fragen, ob sie mit euch heute Abend in die Disco gehen. Richtig?", hakte ich nach und die Drei nickten noch viel heftiger, was ich zuvor für unmöglich hielt. "Oh. Ja, ja, ja. Bitte, bitte, bitte. Du würdest uns damit echt einen riesen Gefallen tun", sagte die Rothaarige und warf mir einen Blick zu, den sie wohl viele Male bei ihrem Vater angewandt haben musste, um immer das zu bekommen, was sie sich schon immer wünschte. Na klasse, ausgerechnet diese Gattung Frau musste mir über den Weg laufen. Solche Mädels mochte ich wirklich genauso gerne wie Fußpilz. Deshalb war es für mich von Vorneherein klar, dass ich sie abblitzen lassen wollte. Schon allein um den beiden Brüdern einiges zu ersparen und um nicht schon wieder eine Meinungsverschiedenheit mit ihrem Onkel zu haben, der bestimmt alles andere als begeistert von solchen kicherndes Weibern wäre. Von Dwalin mal abgesehen, welcher sich auch erst an mich gewöhnt hatte. Nicht auszudenken, wie sie auf eine oder gleich mehrere von denen reagieren würden. "Was ist denn jetzt? Fragst du die beiden Jungs für uns nach nem Date?", kam es irgendwann ungeduldig von der Dunkelhaarigen, als ich sie immer noch warten ließ. Ich grinste nur leicht und tippte mir mit dem Finger ans Kinn, so als wollte ich ernsthaft darüber nachdenken. Was ich natürlich nicht tat. Wozu auch? Meinem Ermessen nach hatten die Jungs schon etwas besseres verdient. Etwas, was nicht ununterbrochen kicherte und quietschte, wenn sie mit ihnen sprachen. Auch wenn ich ihnen die Entscheidung eigentlich nicht abnehmen sollte. Doch in diesem Fall handelte ich wirklich nur im gut gemeinten Interesse der jungen Zwerge. So murmelte ich dementsprechend absichtlich laut meinen künstlichen Gedankenganz vor mich hin. "Lasst mich kurz überlegen, nein", sagte ich blitzschnell und setzte dazu an weiter zum Fisse Ma "Tent" Chen zu laufen. "Hey! Was? Wieso? Bleib hier!", rief die Blonde empört aus und griff nach meinem Arm. Ich seufzte leise und drehte meinen Kopf etwas über die Schulter zurück. "Mädels. Könnt ihr rechnen?", fragte ich ganz unverblümt und alle drei legten irritiert die Köpfe schief. "Hä? Rechnen? Wieso rechnen?", kam es von der Rothaarigen. "Ganz einfach. Ihr seid zu dritt und wollt mit zwei Jungs tanzen. Klingelt es da nicht irgendwie bei euch?", hakte ich nach und noch mehr Unverständnis trat auf ihre Gesichter. "Ja und? Wir können uns doch immer abwechseln. So ist jede mal dran. Was ist denn da für ein Problem?", meinte die Dunkelhaarige und sah mich schon leicht gereizt an. "Dann gibts da natürlich kein Problem. Aber warum soll ich die Beiden denn fragen? Wenn ihr euch so einig bei den Jungs seid, dann könnt ihr doch auch selbst hin gehen und sie um ein Date bitten", erwiderte ich schulterzuckend und wollte wieder weiter gehen, doch sie hielten mich weiterhin davon ab meinen Weg fort zu setzen. "Weil wir uns nicht da hin trauen, wegen diesem groben alten Glatzkopf. Deshalb brauchen wir dich", sagte die Blonde und quetschte meinen Arm ordentlich durch. Wobei ich darüber eigentlich innerlich nur lachen konnte. Seit ich mich unter Zwergen befand, fühlte sich Klammergriffe dieser Art im Vergleich eher lächerlich schwach an. So war es auch ein Kinderspiel mich daraus zu befreien, wobei ich aufpassen musste die leeren Flaschen nicht fallen zu lassen, ehe ich antwortete: "Tja, dann habt ihr Mädels Pech gehabt. Ich helf euch nämlich nicht." Bestürzt und empört kreischten sie im Chor auf: "Wieso das denn?!" "Ganz einfach. Erstens springt für mich nichts dabei raus. Und Zweitens bin ich euch keinen Gefallen schuldig für irgendwas", sagte ich und ging weiter. Was mir folgte war eine Ansammlung von Schimpfworten und Beleidigungen, die weit unter die Gürtellinie gingen. Ich hingegen schnaubte nur belustigt. Sollten sie nur fluchen. Die würden sicherlich andere finden, die sie zur Disco einladen konnten. Ich hatte nun doch was besseres zu tun, als mich um liebestolle Fan-Girls zu kümmern. Nämlich die Getränke besorgen und dann so schnell ich konnte wieder zurück zu gehen. Doch als ich das Zelt betrat hatte ich bereits die nächsten Fan-Girls an den Hacken kleben. "Hey! Du! Jacky!", riefen dieses mal ganze fünf Mädels, alle samt mit dunklen Haaren in unterschiedlichen Längen und in verschiedenen Körpergrößen. Genervt drehte ich meinen Kopf in ihre Richtung. Sie standen an der Bühne und winkten mich aufgeregt heran. Allerdings wollte ich mich nicht darum bemühen zu ihnen hin zu gehen und blieb einfach da stehen wo ich war. "Was wollt ihr denn?", fragte ich gezwungen ruhig. "Wir wollen dich um einen kleinen Gefallen bitten", kam es von der Kleinsten der Gruppe. Ich stöhnte kurz auf und rollte mit den Augen. "Was denn bitte?", hakte ich nach und schon ging das ganze Theater von vorne los. "Wir wollten dich fragen, ob du Kili und Fili bittest mit uns heute Abend tanzen zu gehen", sagte eine der größeren mit aufgeregt flatternder Stimme. "Boah. Leute. Warum fragt ihr denn alle mich und nicht die beiden selbst?", erwiderte ich sichtlich gereizt. "Weil du grade da bist. Also geh bitte los und frag sie", meinte eine der mittelgroßen Mädchen. "Nein. Geht selber hin, wenn ihr was von ihnen wollt", raunte ich und wand mich ab, um endlich zu Theke zu gehen. Dort angekommen fand ich den guten Achim vor, der sich eine Cola gönnte. Als er mich sah und vor allem mein verärgertes Gesicht, lachte er kurz auf. "Oh, Jacky. Was ist denn dir für eine Laus über die Leber gelaufen?", fragte er als ich meine Bestellung aufgab. "Ein Haufen liebestoller Weiber", antwortete ich und ruckte mit dem Kopf in Richtung Bühne, wo die zweite Mädelsgruppe eifrig am Diskutieren und Fluchen war, über mein barsches Auftreten. Achim nickte nur vielsagend. "Ja. Jedes mal das selbe Theater bei der Damenwahl. Ich musste auch schon einige damit vertrösten, dass ich selbst Ausschau nach knackigen Männerhintern halte. Aber da wir gerade davon reden. Glückwunsch zu deinem Sahneschnittchen", sagte er zwinkernd und klopfte mir anerkennend auf die Schulter. Das entlockte mir dann doch wieder ein kleines, verlegenes Grinsen und ein genuscheltes Danke. Er seufzte unterdessen wehmütig. "Du hast ja keine Ahnung, was du für ein Glück mit dem Süßen hast. Wärst du nicht so schnell gewesen, hätte ich mir den unter den Nagel gerissen. Aber man kann ja nicht alles haben. Vielleicht hab ich bei seinem Freund ja mehr Glück", fuhr er nachdenklich fort. Etwas verdutzt und ein bisschen amüsiert legte ich fragend den Kopf schief. "Welchen meinst du denn?", hakte ich nach und er begann süffisant zu lächeln. "Ich meine den mit der Glatze. Dieser absolut großartig gebaute Kerl. Einfach herrlich anzusehen. Diese Muskeln und diese Kraft", säuselte er vor sich hin, ehe er wieder ein sehnsüchtiges Seufzen von sich gab. Ich konnte mir in dem Moment leider nur schwer ein lautes Lachen verkneifen. Ach du liebe Zeit. Da hatte sich der gute Achim doch tatsächlich in den grantigen, groben Klotz Dwalin verguckt. Und ich konnte mich nicht erwehren mir vorzustellen, wie der gute Zwerg schreiend über den Platz rannte, um vor dem zwei Meter großen Mann reiß aus zu nehmen, der mit Rosen und Pralinen bewaffnet hinter ihm her rannte und die ganze Zeit über rief: "Liebe mich!" Natürlich hoffte ich für den Zwerg, dass er davon doch verschont blieb. Er hatte zwar viel verdient, aber bestimmt keinen Schock fürs Leben, wie von Achim. So gern ich den großen, blonden Mann auch hatte. "Hey du! Willst du jetzt deine Getränke oder nicht?", raunte mich der Barkeeper an, der bereits darauf wartete, dass ich endlich bezahlte und das Zeug wieder mit nahm. "Ja. Ist ja gut.", erwiderte ich mit unterdrücktem Lachen und nahm ihm die Flaschen ab. Ich verabschiedete mich von Achim, der weiterhin verträumt vor sich hin seufzte und machte mich auf den Rückweg. Doch wie zu erwarten wurde ich auch auf diesem wieder aufgehalten. Gerade als ich zum Zelt raus wollte, kamen die nächsten liebestollen Weiber auf mich zu. Und wie ich bereits erwartet hatte, wollten auch sie mich dazu bringen Kili und Fili nach einem Date für sie zu fragen. Nun riss mir aber endgültig der Geduldsfaden. "Hört auf mir mit eurer Scheiße auf den Sack zu gehen! Wenn ihr was von denen wollt, geht gefälligst selber hin und nervt mich net mit dem Rotz!", schrie ich sie an, worauf alle erschrocken zur Seite wichen und ich knurrend davon stapfen konnte. Nicht zu fassen. Warum kamen die auf einmal alle zu mir und waren so unselbständig, die betreffenden Leute selbst zu fragen? Wütend vor mich hin grummelnd stapfte ich über den Kies und war gerade mal am großen Lagerfeuer vorbei, als schon wieder eine Stimme hinter mir vernahm, die mich bat anzuhalten. "Ähm Tschuldigung? Hallo?", hörte ich diese sagen, doch schon drehte ich mich um und fing an zu brüllen: "Himmel Gesäß und Nähgarn! Nein, nein und nochmal nein! Ich frage die Beiden nicht ob sie mit dir heute Abend zur Disco gehen! Verschwinde und lass mich in ruhe!" Erschrocken fuhr die junge, blonde Frau, zusammen und machte ein paar Schritte rückwärts, wobei ihr etwas aus der Hand fiel. Da erkannte ich sie plötzlich. Es war das Mädchen was ich bereits bei dem Fußballspiel gesehen hatte, als sie hinter den anderen Fan-Girls herum gestand und gehüpft war, wie ein Gummiball. "Tut. Tut mir leid. W-Wirklich. Ich. Ich wollte was ganz anderes von dir", quietschte sie hastig und versuchte den Gegenstand wieder aufzuheben. Ich schnaufte kurz und wischte mir mit einem Arm die Stirn. "Und was möchtest du, wenn es nicht ein Date mit irgendwem ist?", fragte ich und versuchte mich zu beruhigen. Die junge Frau sah mich leicht verängstigt und unsicher an. Doch dann strecke sie die Hand aus, in der sie den Gegenstand hielt, der zu Boden gefallen war. Ich legte fragend den Kopf schief und schaute auf das Ding. Es war ein eher altertümliches Messer. Genau so eins, wie es die Zwerge verwendeten, wenn sie zum Essen gingen. Auf dem hölzernen Griff waren Runen eingeschnitzt, die ich nicht lesen konnte. Kein Zweifel, das gehörte einem der kleinen Männer. Vorsichtig hob ich meinen Blick und sah die junge Frau ruhig an. "Wo hast du das her?", fragte ich nun wesentlich entspannter. Ich sah, wie sie schluckte und verlegen auf den Boden starrte. "Ich. Also. Ich hab gesehen, wie der blonde Junge, ich glaube Fili heißt er, das verloren hat, als er vom Abwaschen kam. Wärst du so nett und bringst es ihm. Bestimmt vermisst ers schon", nuschelte sie und hielt mir das Teil immer noch hin. Ich schluckte kurz und schüttelte matt den Kopf. "Hör mal. Sorry, dass ich dich so angeranzt habe. Hab gedacht du wärst eine von den Bekloppten, die gerade alle hinter mir her sind. Was hältst du davon, wenn du mit mir kommst und Fili das Messer selbst gibst?", fragte ich sie leicht betreten, doch sie schüttelte nur den Kopf. "Nein. Das geht nicht. Gib du es ihm bitte", sagte sie und hielt es mir fordernd unter die Nase. "Warum geht es denn nicht?", fragte ich sie ruhig. Verlegen biss sie sich auf die Unterlippe und auf ihrer Wange bildeten sich zarte, rosane Flecken, ehe sie mir antwortete: "Also. Weil. Weil ich mich nicht traue. Ich will nicht, dass er denkt, ich hätte es geklaut." Ich musste kurz kichern, als ich sie genauer betrachtete. Sie war ein paar Zentimeter kleiner als ich, hatte eine eher durchschnittliche Figur und schien ansonsten nur wenige Jahre jünger zu sein. Und obwohl sie noch bei dem Fußballspiel so eifrig mit dem Anfeuern war, war sie nun deutlich schüchterner und zurückhaltender. Vielleicht sollte ich ihr einen kleinen Gefallen tun, nachdem ich sie so barsch behandelt hatte, um mich damit zu entschuldigen, dachte ich mit einem mal beflügelt. Allerdings, hatte ich bei diesem Gefallen eher etwas anderes im Sinn, als ihr den Gegenstand abzunehmen, welchen sie mit sich führte. Ein kleiner freundlicher Schubs für ihr Ego wäre bestimmt das Richtige, dachte ich weiter so bei mir und kicherte noch mehr. Dieses verunsicherte sie jedoch etwas, weshalb sie leicht irritiert blinzelte. "Was. Was ist jetzt? Bringst du es ihm oder nicht?", fragte sie noch einmal und versuchte deutlich mutiger zu klingen als sie sich gerade fühlte. Ich schüttelte nur matt den Kopf und schenkte ihr ein freundliches Lächeln. "Nein. Werde ich nicht", erwiderte ich und sah wie sie große Augen bekam, und zeitgleich die Augenbrauen hob. "Aber. Aber wie soll er es denn dann zurück bekommen?", fragte sie verwirrt und ein bisschen verzweifelt. "Ganz einfach. Du wirst es ihm selbst geben", meinte ich ruhig. "Wie. Wie soll ich es ihm denn selbst geben?", keuchte sie völlig entsetzt. "Ganz einfach. Du kommst eben mit mir und reichst es ihm persönlich. Mach dir keine Sorgen. Er wird schon nicht sauer auf dich sein. Falls doch, verpass ich ihm ne ordentliche Kopfnuss", erklärte ich entschlossen. "Aber. Aber. Aber. Ich. Ich. Ich. Ich kann das nicht", stammelte sie verzweifelt um sich schauend herum. "Oh doch. Du kannst. Na los komm schon mit. Die beißen nicht, und wenn sie es versuchen sollten, dann beiße ich zurück", sagte ich und ergriff kurzerhand ihren Arm, um sie mit mir zu ziehen. Völlig überrascht von meiner spontanen Aktion tapste sie erschrocken aufkeuchend hinter mir her und machte auch keine Anstalten sich von mir los zu reißen. So ging ich mit ihr im Schlepptau zum Zelt zurück. Dort angekommen blieb ich zunächst am Eingang stehen und deutete ihr an dort erst einmal zu warten. Nachdem sie kurz leicht zitternd nickte und das Messer fest in der Hand umschlossen hielt, ging ich hinein um besagten Zwerg zu finden, der gerade wieder seinen Rucksack entleerte, um hektisch all seinen Kram zu durchsuchen. "Cuna? Was macht dieses fremde Menschenweib vor unserem Zelt?", fragte Thorin, der mich anhielt, als ich zu seinem Neffen hinüber stiefeln wollte. Ich lächelte ihn nur kurz an und antwortete: "Das siehst du gleich. Keine Sorge. Es ist nichts was euch gefährlich werden könnte. Tu mir nur lediglich den Gefallen und verscheuch sie nicht." Langsam hob sich eine seiner Augenbrauen in die Stirn und er versah mich mit einem sehr verwirrten Blick, ehe er mir dann sachte zu nickte. Nun konnte ich endlich an den blonden Jungen heran treten. "Was machst du denn da Fili?", fragte ich und blickte ihm forschend über die Schulter. Er zuckte unwillkürlich zusammen und murmelte: "Ach, du bist es. Hast du vielleicht mein Messer gesehen? Du weißt schon. Das was ich jeden Tag beim Mittagessen verwende. Es ist irgendwie verschwunden." Ich grinste nur breit. "Also. Ich habs nicht. Aber da ist Besuch für dich vor dem Zelt. Ich glaube der kann dir mehr über dein verschwundenes Messer sagen", erklärte ich ruhig. "Besuch? Für mich?", hakte er nach und stand vorsichtig auf, um an mir vorbei zum Zelteingang zu schauen. Ich machte ein paar Schritte zur Seite, um den blick auf die junge Frau frei zu geben, die inzwischen mit beiden Händen, sein Messer fest an ihre Brust drückte. Die Miene des jungen Zwerges erhellte sich und er lächelte breit. Mit großen Schritten ging er auf sie zu und streckte die Hand aus. Ich kicherte hinter vorgehaltener Hand und schlich mich etwas näher an die Szenerie heran, die ich etwas unorthodox eingefädelt hatte. Das Mädchen zitterte deutlich am ganzen Leib, als er direkt vor ihr stehen blieb. "So. Du hast also mein Messer?", fragte er und neigte mit freundlichen Ton den Kopf. Sie schluckte und begann zu stottern: "Ich. Ich. Ich. Ich. Ja. Ja. Ich. Ich habs gefunden. H-Hier. B-bitte." Sie streckte beide Hände aus und hielt es ihm damit unter die Nase. Er lachte ein bisschen und nahm es ihr aus den Fingern. "Vielen Dank. Ich habe es schon überall gesucht. Nett dass du es mir her bringst und... oh", meinte er und senkte den Kopf etwas tiefer um ihre Hände zu betrachten. "Wa-Was?", fragte sie leicht verstört, als er plötzlich nach ihren Fingern griff. "Du blutest ein bisschen. Hast dich wohl an der Klinge verletzt. Warte, das haben wir gleich", sagte er, nahm des Messer zwischen die Zähne und kramte etwas aus der Tasche seiner Leinenhose hervor. Aus meiner Position konnte ich kurz eine Art Stofftaschentuch erkennen, welches er ihr um die Stelle wickelte, an der sich wohl die Schnittwunde befand. Nachdem er fertig war hob er wieder den Kopf und entfernte das Messer zwischen seinen Zähnen. "So. Das hätten wir. Wie heißt du eigentlich?", hakte er freundlich nach. Das Mädchen hob langsam ihre verbundenen Hand schützend zwischen ihre Brust und nuschelte ohne ihn anzusehen: "Jana." "Schöner Name. Gefällt mir. Also Jana. Vielen Dank noch mal, dass du mir mein Messer gebracht und gut drauf aufgepasst hast. Wenn ich im Gegenzug etwas für dich tun kann, dann sag es einfach", meinte er schlicht. Jana zuckte kurz erschrocken über dieses Angebot zusammen und schüttelte wenig später heftig den Kopf. "Ach. Ach nein. Ist schon. Ist schon gut. Ich brauch nichts. Ich finds nur gut, dass ich das Messer endlich los bin. Tu mir nur den Gefallen und verlier es nicht wieder. Ich muss auch jetzt wieder los", sagte sie und wirkte dabei ein bisschen panisch. "Nun. Ganz wie du möchtest. Vielleicht sehen wir uns heute Abend ja noch einmal", meinte er und verabschiedete sich dann von ihr mit einer leicht angedeuteten Verbeugung, ehe er sich von ihr abwandte und wieder zu seinem Rucksack ging, den er von neuem packen musste. Jana blieb noch einen Moment am Eingang stehen und warf mir flüchtig ein zaghaftes Lächeln zu ehe sie "Tschüss" rief und wie der Wind davon stürzte. Nachdem sie weg war, legten sich wieder einmal zwei kräftige Arme von hinten um meinen Bauch und schlossen sich sehr fest darum, während sich ein Kinn auf meine rechte Schulter legte und mir eine sehr tiefe Stimme leise ins Ohr murmelte. "Was sollte das denn werden, Cuna?", fragte Thorin mit belustigtem Ton. Ich kicherte kurz und drehte leicht den Kopf. "Sagen wir, das war ein Entschuldigungsgeschenk, weil ich sie vorhin angebrüllt habe", erwiderte ich und streichelte mit meiner freien Hand zaghaft über seine muskulösen Arme. "Ach? Interessant. Darüber musst du mir später mehr erzählen", raunte er und kam mit seinem Mund gefährlich nahe an mein Ohrläppchen. "Ja, Thorin. Später. Jetzt lass mich mal los. Ich muss deinen Neffen ihre Getränke geben, sonst verdursten die noch deinetwegen", sagte ich und versuchte mich von ihm zu lösen. Er seufzte kurz ein bisschen enttäuscht und entfernte sich dann von mir. Nun konnte ich mich wieder frei bewegen und mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen drehte ich mich um und verteilte endlich die Getränke. Kili nahm mir seines direkt ab und zwinkerte mich grinsend an. "Das hast du doch absichtlich gemacht, oder?", fragte er leise, damit nur ich ihn hörte. Ich zuckte sachte mit den Schultern und setzte eine Unschuldsmiene auf. "Ich weiß nicht was du meinst. Sie hat ihm doch nur sein Besteck wieder bringen wollen", erwiderte ich und ging weiter zu Fili, der munter pfeifend alles was er hatte, mehr schlecht als recht in seinen Rucksack stopfte. "Hier", meinte ich und stellte ihm sein Getränk hin. "Danke", erwiderte er schlicht ohne mich anzusehen. "Gern geschehen. Freust du dich, dein Messer wieder zu haben?", fragte ich ruhig und bemerkte, wie sich ein leicht verträumter Ausdruck auf seinem Gesicht bildete. "Ja. Das auch", antwortete der blonde Junge und packte weiter ein. Ich kicherte belustigt vor mich hin und verschwand dann zu meiner Liege, um selbst mit dem Packen fertig zu werden. Dieses Mal mit dem guten Gefühl wohl endlich etwas richtig gemacht zu haben. - 64. Immer ärger mit den Fan-Girls / Ende - Kapitel 65: 65. Die kuriose Zeltplatz-Auktion --------------------------------------------- Wenn ich dachte, dass wir während dem letzten, gemeinsamen Abendessen ungestört beieinander sitzen könnten, dann hatte ich definitiv mal wieder falsch gedacht. Gerade als wir uns mit Brot, Brötchen und allerlei Aufschnitt eingedeckt hatten, packten einige der aufdringlichen Damen vom Nachmittag die Gelegenheit beim Schopf. Oder vielmehr die werten Herren Zwerge an ihren Bärten und versuchten sie nacheinander dazu zu bewegen, wenigstens mit einer von ihnen später zum Tanzen zu gehen. Überraschenderweise war sogar ich das ein oder andere Mal genötigt, einige der Weiber von Thorin weg zu scheuchen, die ihn bereits an der Essensausgabe mit recht billigen Flirtsprüchen dazu bringen wollten, mich in den Wind zu schießen und stattdessen lieber mit ihren sehr tief angelegten Ausschnitten vorlieb zu nehmen. "Boah, die nerven", knurrte ich barsch, nachdem ich mich endlich auf die Bierzeltgarnitur pflanzen konnte. Der Zwergenkönig zuckte nur mit den Schultern und schmunzelte ein wenig erheitert hinter seiner Scheibe Wurstbrot hervor. "Du bist unnötig besorgt, Cuna. Ich würde niemals den Heucheleien und dem Geliebäugel dieser Dirnen verfallen", meinte er trocken, als sich die Nächste bereits versuchte an ihn heran zu pirschen und ich sie mit einem überdeutlichen Knurren auf Abstand hielt. Für gewöhnlich war ich nie dermaßen besitzergreifend. Aber da an diesem Abend sowieso sämtliche Frauen durchdrehten, war mir Vorsicht doch lieber als Nachsicht. "Ich weiß, dass ich nichts zu befürchten habe, aber beim Essen hätte ich doch lieber meine Ruhe", meinte ich und strich mir etwas Butter auf mein Brötchen. Auf der rechten Seite, neben mir hörte ich kurz Nori gefrustet schnauben, sodass ich mich mit fragendem Blick zu ihm umdrehte. "Was ist los? Haben sie dich auch schon belästigt?", fragte ich ihn, wobei er mich nur mit schälem Blick ansah und den Mund etwas verzog. "Einige. Aber um ehrlich zu sein, ich bin keiner von diesen wirklich zuneigt. Ich mag Frauen, die fast doppelt so groß sind wie ich selbst einfach nicht", murrte er und ich nickte ihm ruhig zu. "Verständlich. Das muss für euch irgendwie erniedrigend sein", erwiderte ich sachlich. "Das nicht. Aber weißt du eigentlich wie anstrengt es ist, ständig mit dem Gesicht am Bauch der Frau zu hängen, während du mit ihr tanzt?", fragte er mich mit argwöhnischem Ton. Nun musste ich doch ein wenig kichern, woraufhin ich mir einige fragende Blicke von ihm einfing. "Was ist denn so lustig daran?", hakte er kurz nach und hob dabei eine Augenbraue. Ich grinste nur bevor ich ihm antwortete:"Eigentlich weiß ich wie sich das anfühlt." "Du weißt das? Woher?", kam es von der anderen Tischseite wo sich Dori mit in das Gespräch einklinkte. Mein Grinsen wurde noch ein klein wenig breiter, wobei ich doch kurz einen verstohlenen Blick zum Zwergenkönig warf, der ganz in seit Brot vertieft war. "Nun, sagen wir es so. Mein Verflossener war an die zwei Meter groß. Für den Kuss bei meiner Hochzeit musste ich mich auf einen Stuhl stellen, damit ich bei ihm auf Augenhöhe war. Das sah für alle Beteiligten unglaublich lächerlich aus. Vom Tanzen ganz zu schweigen. Ich hatte noch nie so ein steifes Genick vom vielen Hochschauen. Und das Handfasting war die Hölle", erklärte ich und erntete damit noch mehr fragende Blicke. Thorin grummelte unterdessen missbilligend neben mir herum. Es war abzusehen gewesen, dass ihm die Geschichte meiner ersten Hochzeit alles andere als gefiel. Zur Beschwichtigung legte ich ihm deswegen unter dem Tisch eine Hand auf seinen kräftigen Oberschenkel und streichelte diesen etwas. Ich hoffte dass es ihn ein wenig milde stimmen würde, wenn er fühlte, dass ich ihn während meiner Erzählung natürlich nicht vergas. Er gab daraufhin ein kurzes zufriedenen Schnauben von sich und aß kommentarlos weiter. Während dessen waren die beiden Brüder sehr interessiert daran zu erfahren, was sich hinter der Bezeichnung Handfasting verbarg. "Also. Das Handfasting ist eine wirklich sehr sehr sehr alte Hochzeitstradition. Sie ist schon so alt, dass sich niemand mehr wirklich daran erinnert, wann sie erfunden wurde. Aber sicher ist, dass es sie schon mindestens zweitausend Jahre gibt. Dabei geht es darum, dass die Familien und Freunde des Brautpaares ein meist selbst genähtes, sehr langes Samtsäckchen mit verschiedenen Kräutern füllen, die gute Wünsche auf dem gemeinsamen Lebensweg darstellen sollen. Dann wird das Paar von einem Druiden in den sogenannten heiligen Hain gebracht, wo sie sich den Segen abholen und ihre Hände in der Mitte mit dem Säckchen verknotet werden. Dieses dürfen sie erst dann wieder entfernen, wenn die Feierlichkeiten abgeschlossen sind und die Hochzeitsnacht beginnt", sagte ich woraufhin mich die beiden neugierig lächelnd ansahen. "Eine eigenwillige Tradition. Noch dazu sehr fraglich, wie die beiden während der Feierlichkeiten ihr Mahl zu sich nehmen sollen", kam es von Dwalin, der auf Thorins anderen Seite saß und sich sein Bier schmecken ließ. Ich zuckte nur mit den Schultern. "Ist doch ganz einfach. Sie füttern sich gegenseitig", meinte ich ruhig. Wieder fing der Zwergenkönig neben mir an zu grummeln und versah mich mit einem ganz kurzen missbilligenden Blick, als ich mich umdrehte, damit ich zu Dwalin schauen konnte. Da half es diesmal auch nicht, dass ich ihm das Bein streichelte. Ihm wurde diese kleine Geschichte wohl langsam zu viel. Allein die Vorstellung, dass ich einen solchen Moment vor ihm mit jemand Anderem geteilt hatte, schien sein Zwergenblut zum Kochen zu bringen. Gut, er wusste es ja eigentlich schon, seit wir uns kennen gelernt hatten. Trotzdem war nun, da wir uns als Paar offenbart hatten, seine Anhänglichkeit und somit auch seine Eifersucht noch ein wenig größer geworden. Und erst recht seit dem Mittagessen. Ich hatte ja schon irgendwie geahnt, dass es soweit kommen würde und seine Besorgnis, dass ein anderer Mann es wagen könnte mich anzufassen oder ihm weg zunehmen, rührte mich schon ein bisschen. Dennoch hoffte ich sehr, dass das Ganze nicht irgendwann zu einer überdrehten Paranoia mutierte, die im weiteren Verlauf meine Beziehung zu ihm belasten könnte. Aber da ich mich selbst gut genug kannte, wusste ich, dass ich ihn früher oder später darauf ansprechen würde, wenn ich das Gefühl bekam von ihm erdrückt zu werden. Doch vorerst war es wohl eher ratsamer, ihn nicht all zu sehr zu reizen. Schon gar nicht mit zu langen Geschichten aus meiner Vergangenheit, die mit Männern zu tun hatten. "Aber ich glaube wir sollten das Thema wechseln", seufzte ich dann einmal kurz, ehe ich meine Hand wieder zurück zog und weiter mein Brötchen bearbeitete. Als ich ihn dabei leicht anschielte, nickte er mir kaum merklich zu. Damit war er nun endlich beschwichtigt. Aber eine Frage brannte Nori dann doch noch unter den Fingernägeln. "Wie ist es eigentlich heute Abend bei euch Beiden? Werdet ihr miteinander zum Tanz gehen?", hakte er vorsichtig nach, was mir allerdings nur ein Schulterzucken entlockte. "Nur wenn er will", sagte ich trocken, woraufhin sich Thorin neben mir an seinem Bier verschluckte, das er gerade an die Lippen gesetzt hatte. Dwalin klopfte ihm auf einige Male den Rücken, als er anfing zu husten. Nachdem er sich wenige Minuten später beruhigt hatte, hob er die Augenbraue und sah mich an, als hätte ich gerade etwas sehr Beleidigendes gesagt. "Was soll das heißen? 'Nur wenn er will'?", fragte er leicht empört. Ich zuckte nur weiter mit den Schultern und biss ein Stück von meinem Brötchen ab. "Woher soll ich denn wissen, ob du mit mir tanzen willst?", entgegnete ich ruhig und seine wunderschönen blauen Augen verengten sich verständnislos. "Selbstverständlich werde ich mit dir tanzen. Was wäre ich für ein Mann wenn ich es nicht täte? Vorausgesetzt dass man an diesem Abend einmal Musik aufspielt, zu der man dies auch kann", meinte er und fing sofort wieder an vor sich hin zu grollen. Ganz zwergentypisch, wie es sich eben für sein Volk gehörte. Man konnte es ihm aber auch einfach nicht recht machen. Aber zumindest kam bald etwas, was ihn aus seinem Schmollenden Zustand wieder hervor lockte. "Also, wenn du euer mittelalterliches Gedudel von neulich meinst, muss ich dich leider enttäuschen. Bei uns gibts keine CDs mit Zwergenmusik. Stattdessen wird euch wohl jede menge Techno-, Metal-, Ballermann- und Schlagerhits um die Ohren fliegen", drang plötzlich eine vertraute Frauenstimme an mein Ohr. Ich sah mich kurz um und entdeckte dann Ani-chan, die mit einem Klemmbrett und Stift bewaffnet an unserem Ende des Tisches auftauchte. "Hey Ani. Was hast du denn da?", fragte ich neugierig und nicht nur ich musterte sie interessiert. Sie lächelte uns an und drehte des Brett um, auf dem eine Liste fest gemacht war. "Naja, also, Frodo hat mich gebeten die Liste für die Teilnehmer der Auktion rum zu zeigen und noch mal alle zu fragen, ob sie Lust haben was zu verkaufen. Bisher haben sich nämlich nur wenige gemeldet", erklärte sie und deutete unnötiger Weise auf die fünf einsamen Namen auf dem bedruckten Blatt Papier. "Was ist denn eine Auktion?", kam es von Bofur, der herangetreten war, um sich die Sache genauer anzusehen. "Ich glaube du kennt es mehr unter dem Begriff, Versteigerung. Wenn du irgendwelche Sachen hast, die du verkaufen möchtest, dann kannst du dich da anmelden und sagen wie viel sie dir Wert sind. Dann wird das irgendwann vorgelesen und nach und nach steigt dann der Preis, den die Leute für diesen Gegenstand zahlen wollen, indem sie darauf bieten", erklärte ich ihm sachlich. "Ja. Das ist besonders gut, wenn man gerade mal Geld brauch. Und wertvoll muss es nicht unbedingt sein. Rumpel hat vor ein paar Jahren ein paar Zettel mit einem selbstgeschriebenen Lied für fünfhundert verkaufen können", fügte Ani-chan hinzu. "Das hört sich nach einem sehr guten Geschäft an. Ich hätte bestimmt das Ein oder Andere, was ich dort veräußern könnte", meinte der Zwerg mit der Mütze, nahm Ani-chan des Klemmbrett aus der Hand und begann sich dann mit einzutragen. Danach reichte er es an sie zurück. Doch ehe sie es greifen konnte, hatte sich bereits der nächste, interessierte Herr das Ding geschnappt. Diesmal war es Fili. Dem folgte sein Bruder und Balin. Der Rest winkte dankend ab. Zum Schluss wand sich Ani-chan noch kurz an mich. "Wie siehts eigentlich bei dir aus, Jacky? Ich meine du hattest doch mal erwähnt, dass du umziehst und nicht genug Kohle hast, um ein Unternehmen zu beauftragen", sagte sie, woraufhin ich mit den Augen rollte und ein leises Seufzen von mir gab. "Das erwähne ich eigentlich recht häufig und ich hätte zu gerne was mitgemacht, das ich liebend gern verhökern wollte. Aber dafür hatte ich weder Zeit noch Nerven. Außerdem hab ichs schlichtweg vergessen", meinte ich und biss noch ein Stück von meinem Brötchen ab. "Ja, verständlich. Aber gut, wenn sonst niemand etwas hat, dann...", sagte sie und wollte sich schon entfernen, doch da riss ihr urplötzlich und unerwartet der Zwergenkönig das Brett samt Stift aus der Hand. Verwundert musterte ich ihn, wie er seinen Namen mit einer äußerst flinken und eleganten Handbewegung auf die Liste setzte. Seine Schrift war wirklich unbeschreiblich schön. Am liebsten hätte ich mir diese auf meinen Arm tattooviert oder auf meinen Rücken. Aber dafür hatte ich erst recht kein Geld. Das Geld für das eigentlich erste Tattoo, was ich mir vor Jahren hatten stechen lassen wollen, ging leider für die Kosten einer Autoreparatur drauf, da mir ein angetrunkener Rentner in meine geparkte Karre gedonnert war und dabei einen Herzinfarkt erlitt. Zu meinem Leidwesen hatte dieser noch nicht einmal eine Versicherung,weil er gar nicht hätte fahren dürfen. Weshalb ich einen gewissen Teil der Kosten selbst zu tragen hatte. Verbittert über diesen Gedankengang biss ich erneut in mein Brötchen und beobachtete Thorin, der nach seinem Namen noch die Sache eintrug, die er wohl versteigern lassen wollte. Es machte mich ja schon ein bisschen neugierig. Darum ich versuchte zu erhaschen, was er denn genau auf das Blatt geschrieben hatte. Doch als er merkte, dass ich meine Nase zu weit in seine Angelegenheiten streckte, drehte er das Brett so, dass ich es nicht sehen konnte. "Was willst du denn schönes los werden?", fragte ich ihn dann ganz offen und freundlich, doch er setzte mal wieder sein mir bereits gut vertrautes Pokerface auf, das wie immer nicht durchblicken ließ, was er gerade im Schilde führte. "Sei nicht immer so neugierig, Weib", raunte er mich an und reichte das Klemmbrett an Ani-chan zurück, die etwas belustigt kicherte, weil ich eine beleidigte Schnute zog. "Also gut. Wenn das alles ist und sonst keiner mehr möchte, dann lass ich euch mal wieder allein", sagte sie und verabschiedete sich damit. Als sie weg war, sah ich Thorin immer noch leicht schmollend an. Er schenkte mir dahingehend nur ein kurzes ernstes Zucken mit dem Mundwinkel. "Schau nicht so und iss auf", meinte er irgendwann, als ich nicht aufhörte ihn anzustarren. "Warum verheimlichst du mir denn, was du verkaufen willst?", fragte ich ihn im versucht ruhigem Ton. "Weil meine Geschäfte dich nichts angehen", erwiderte er schlicht. "Wieder so ein Zwergending, was?", hakte ich mürrisch nach und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf meinem Abendessen. "Sei gefälligst nicht immer so abfällig gegenüber den Gepflogenheiten meines Volkes, Frau. Aber wenn es deine Art ist mir zu sagen, dass es zu unseren Lebensarten gehört, dann sage ich dir. Ja, das ist wieder so ein Zwergending. Und wie ich dir bereits mehrfach erklärt habe, bewahren wir unsere Geheimnisse stets für uns. Betreffen sie nun die Familie, unser Volk oder eben unsere Geschäfte. Also hör auf alles zu hinterfragen, was ich tue", raunte er barsch und zog mit leicht beleidigter Miene die Augenbrauen zusammen. Ich schnaubte kurz und stopfte den Rest meines Brötchens in den Mund. Während ich so auf dem letzten Bissen herum kaute, fiel mir im Zusammenhang mit dem, was Thorin mir gerade gesagt hatte, ein alter Spruch meines Vaters ein. Er sagte immer: "Du darfst alles Essen und Trinken. Darfst aber noch lange nicht alles wissen." Wie gut er zu dem Zeitpunkt auf diesen Zwerg passte, war schon leicht erschreckend. Aber daran musste ich mich wohl oder übel auch noch gewöhnen. Vermutlich würde es dann jeden Tag so aussehen, wenn ich ihn fragte, wie sein Tag auf der Arbeit war, er darauf antwortete, dass ich ihn nicht fragen solle, sondern ihm das Essen vor zu setzen hatte. Bei der Vorstellung verdarb es mir dann doch ein bisschen den Appetit. So weit durfte ich es unter keinen Umständen kommen lassen. Nie im Leben würde ich mich dazu erniedrigen lassen und für ihn einen Haushaltssklaven abgeben. Das konnte der edle Herr mal ganz schnell wieder vergessen. Nicht mit mir, Monsieur! Gut zugegeben, ich steigerte mich vermutlich in irgendetwas rein und ich könnte auch eigentlich noch die eine Stunde warten bis die Auktion begann um zu sehen, was er denn los werden wollte. Dennoch war ich unterbewusst ziemlich beleidigt, dass er es mir nicht einfach sagen wollte. So saß ich noch eine ganze Weile vor mich hin schmollend zwischen den kleinen Männern und beobachtete diese, wie sie sich ihren Wegproviant für die Abreise zusammen stellten. Sie stapelten einzeln belegte Brote, hatten sich hier und da auch Obst organisieren können und wickelten alles in große Leinentücher ein. Nebenher plauderten sie heiter darüber, wie froh sie doch waren, endlich wieder nach Mittelerde zurück zu kehren. Ich konnte es ihnen durchaus nachempfinden wieder Heim zu wollen. Auf einer Seite war ich ja auch irgendwie froh am nächsten Tag wieder in meinem gemütlichen großen Bett schlafen zu können. Und das es auf meiner linken Seite leer sein würde, war für mich nun auch nichts Neues. Das Einzige, was in diesem Zusammenhang nur etwas schmerzte war, dass mir womöglich ihre kleinen Spinnereien fehlen würden, mit denen sie mich das ein oder andere Mal zum Lachen gebracht hatten. So seufzte ich irgendwann kurz und stand dann langsam auf. Von meiner unangemeldeten Bewegung etwas aufgeschreckt, drehte sich der Zwergenkönig zu mir um, als ich gerade über die Bank stiegt. "Wo willst du denn schon wieder hin?", fragte er immer noch leicht grantig, was mir ein erneutes Seufzen entlockte. "Ich geh ein bisschen ins Fisse Ma 'Tent' chen. Vielleicht kann ich da beim Aufräumen helfen für nachher", meinte ich kurz angebunden und setzte einfach meinen Weg fort, ohne mich noch einmal umzusehen. Im Barzelt angekommen sah ich bereits einige Leutchen fleißig beim Sortieren der Stühle für die Auktion und andere an den Pinnwänden, die jedes Jahr aufgestellt und an denen die Fotos, die in den zwei Wochen gemacht worden waren, dran geheftet wurden. Neugierig näherte ich mich denen, die schon fertig bestückt waren. Bereits aus der Entfernung sah ich, dass die Herren Zwerge auf fast jedem Bild zu sehen waren. Besonders viel Aufmerksamkeit bekamen allerdings jene Fotos, die gemacht worden waren, als die Herren ihre Oben-Ohne-Wachturmbau-Aktion durchgezogen hatten. Ich musste mir fest auf die Unterlippe beißen, um nicht plötzlich einfach drauf los zu sabbern, als ich ein Bild von Thorin darunter erspähte, wie er in seiner vollen Lebensgröße, das Haar nach hinten wehend einen ganzen Stapel Bretter unter den muskulösen Armen trug und dabei einen eher unbeteiligten Blick in Richtung seiner Männer warf. Man konnte sogar deutlich sehen wie seine Haut vor Arbeitsschweiß in der Sonne glänzte. Verflixt und zugenäht noch mal! Wieso musste dieser Zwerg nur so verdammt heiß aussehen, bei allem was er tat? Ich verfluchte diese elendigen, digitalen und hochauflösenden Spiegelreflexkameras, die auch wirklich jedes Detail auf HD Basis wieder gaben. Nun hatte ich schon wieder diese amourösen Gedanken im Kopf. Doch diesmal schaffte ich es zum Glück sie rechtzeitig wieder daraus zu verbannen, weil Frodo hinter mir auftauchte und mir kurz auf die Schulter klopfte. "Na. Dir gefällt der Anblick wohl sehr, Jacky", meinte er und grinste mich frech an. Ich schluckte kurz ein Keuchen runter und ersetzte es stattdessen durch ein Seufzen. "Also. Nun ja. Welcher Frau nicht? Aber sag mal. Könnte ich ein Paar von den Bildern haben?", fragte ich ruhig und sah wie der große, dunkelhaarige Junge noch breiter grinste. "Klar kannst du. Such dir schon mal welche raus, die dir gefallen und häng sie ab. Aber bitte nicht mehr als fünf. Die Anderen wollen auch noch was zu sehen bekommen. Wenn du sie hast, leg sie einfach neben dran auf den kleinen Tisch und schreib deinen Namen hinten drauf. Ich gebe sie dir dann nach der Auktion", meinte er und verschwand schon wieder, als ihn jemand zur Bühne rief, um bei der Technik zu helfen. Nachdem er irgendwo zwischen den Mischpulten verschwunden war, die man für die Musik und die Mikros benötigte, wand ich mich wieder den Fotos zu. Nur fünf Bilder. Da war die Auswahl sehr schwer. Es gab einige die ich liebend gern genommen hätte. Gut, in die engere Auswahl kam sowieso das Bild, was mir bereits vor einigen Minuten das Wasser im Mund zusammen hatte laufen lassen. Das Nächste war Jenes, auf dem mich Thorin, auf seinen Armen vom Schlachtfeld am Piratentag trug. Dann entdecke ich doch tatsächlich eines, auf dem ich als Gerwulf zu sehen war und gerade heiß und sehr innig vom Zwergenkönig geküsst wurde. Wer auch immer dieses geschossen hatte, hatte uns wirklich gut getroffen. Auf der anderen Seite war es allerdings auch wiederum sehr lustig anzusehen, weil im Hintergrund Dwalin stand, dem die Kinnlage noch nie so weit nach unten gefallen war. Das Vierte war jenes, wo ich mit meinem selbstgemachten T-shirt auf der Bühne am Karaokeabend gestanden und für Thorin ein Lied gesungen hatte. Das letzte Foto allerdings, war das wohl besonderste von allen. Es war auch das Neuste, da es erst beim Talentabend geschossen worden war. Dort stand ich zusammen mit allen Zwergen in einer Reihe und wir bekamen die Ergebnisse der Jury mitgeteilt. Es war das Einzige unter all den ganzen Aufnahmen, wo wirklich alle zu sehen waren. Es war das, was ich wohl am längsten musterte. Und je länger ich dies tat, umso mehr fingen meine Augen an zu brennen und feucht zu werden. Nun brach es wirklich sehr deutlich aus mir heraus. Ich hatte sie restlos alle tief ins Herz geschlossen. Und es tat weh daran zu denken, sie am nächsten Tag verschwinden sehen zu müssen. Genauso wie der kräftige Schulterklopfen, den ich mir einhandelte, als sich Bofur unbemerkt an mich heran geschlichen hatte, um nachzusehen, was ich tat. "Na, hier bist du also Cuna. Sag mal was machst du... ", begann er kurz erheitert zu sagen, doch dann musterte er mein Gesicht, als ich den Kopf zu ihm drehte und ihm entgleiste das Lächeln zu einem eher besorgtem Ausdruck, ehe er hastig erkundigte, "Bei Durins Bart. Hab ich dir etwa weh getan?" Ich schüttelte nur schniefen den Kopf und wischte mir mit einem Arm über das Gesicht. "Nein, Bofur. Alles in Ordnung. Ich hab nur gerade die Bilder der vergangenen Tage gesehen und... und da hat es mich einfach überkommen", erklärte ich und zeigte ihm die Fotos. Er nahm sie mir aus der Hand und ging sie mit fasziniertem Blick nacheinander durch. Als er sie durch hatte reichte er sie mir zurück mit den Worten: "Du musst mir unbedingt einmal eure Künstler und Maler vorstellen. Wer es schafft solche kleinen Gemälde auf so dünnes Papier zu bringen, der versteht sein Handwerk wirklich." "Das waren keine Maler oder Künstler. Die hat man mit einer Kamera geschossen und dann ausgedruckt", erklärte ich mit leicht verschnupfter Stimme. Der Zwerg mit der Mütze sah mich nur noch verwirrter an. "Also, wenn das Kamera Ding geschossen hat, dann können wir ja froh sein, dass es nur diese Gemälde hergestellt und uns nicht getroffen hat. Nicht auszudenken, wenn sie uns dabei tödlich verwundet hätte", meinte er erleichtert. Nun musste ich doch wieder anfangen zu lachen, woraufhin er noch viel verwirrter drein schaute als ohnehin schon. Aber seine Unwissenheit über die technischen Gerätschaften meiner Welt war einfach zu köstlich, als dass ich es hätte zurückhalten können. "Warum lachst du denn plötzlich so?", fragte er und wieder schüttelte ich nur den Kopf. "Ach. Ist schon gut. Das würdest du eh nicht verstehen", sagte ich und wischte mir noch einmal mit dem Arm über die Augen. Er schnaubte kurz belustigt und lächelte mich fröhlich an. "Zumindest siehst du jetzt wieder glücklich aus. Auch wenn ich nicht wirklich weiß warum. Komm. Setzten wir uns rüber zu den Anderen. Die Versteigerung wird gleich beginnen", sagte er und deutete hinter sich, wo sich die Stuhlreihen langsam gefüllt hatten, ohne dass ich es bemerkt hatte. Die Zwerge hatten sich irgendwo in eine der mittleren Reihen verzogen und warteten bereits ungeduldig darauf, dass es los ging. Ich wollte gerade schon mit Bofur los gehen, als mir meine Fotos wieder einfielen, die ich noch beschriften musste. So schickte ich ihn schon einmal vor und suchte mir aus einer Grabbelkiste in der Nähe einen schwarzen Permanentmarker, damit ich hinten drauf meinen Namen schreiben konnte. Erst dann gesellte ich mich zu den Herren und nahm meinen inzwischen vorgesehenen Platz an Thorins rechter Seite ein. Nachdem das Barzelt dann endlich gut gefüllt war, trat Moe zusammen mit Frodo auf die Bühne und verkündete, dass die Auktion nun beginnen durfte und erklärte zunächst die Regeln. "Also, für alle die neu hier sind. Es darf jeder auf jeden Gegenstand bieten. Voraussetzung ist dabei allerdings, dass der oder diejenige den gebotenen Betrag auch in bar mit sich führt. Es werden weder Schecks noch ausländisches Geld, EC oder Kreditkarten akzeptiert. Nur Euros bitte. Ihr dürft auch gerne Gemeinschaften bilden, wenn ihr etwas zusammen haben wollt. Aber sprecht euch bitte vorher genau mit den Leuten ab. Die Höhe der Gebote ist unbegrenzt, sofern das Bargeld dieser Art vorhanden ist. Ich denke mal das haben alle soweit verstanden. Dann beginnen wir mit dem ersten Gegenstand", sagte er und deutete auf Frodo, der in seinem pinken Anzug kurz neben die Bühne ging, um das erste Teil zu holen. Währenddessen spielte der Mann an den Mischpulten die uralte "Der Preis ist Heiß" Melodie ab. Das sorgte natürlich für einiges Gegröle im Saal unter der Generation, die in den frühen Neunzigern aufgewachsen war. Auch ich kannte diese Spielshow noch aus meiner Kindheit, bei der ich immer wieder Spaß hatte mit zu raten, wie viel denn die Gegenstände kosteten, die angeboten wurden. Und Moe und Frodo taten auch noch ihr Bestes, um die damaligen Moderatoren, Walter Freiwald und Harry Wijnvoord, so gut sie konnten zu imitieren. "So Frodo, was haben wir denn als erstes?", fragte Moe und schon holte dieser freudestrahlend rufen. "Eine uralte Blumenvase!", erwiderte er und stellte sie auf den Tisch, den man für sie vorne auf der Bühne positioniert hatte. Die Vase an und für sich war die Hässlichste, die ich je gesehen hatte. Sie war in einem ganz widerlichen grün-braun bepinselt und mit übergroßen, verschnörkelten Mustern versehen. Noch dazu wirkte sie wie eine verbeulte Blechdose. Ich wusste nicht ob sie selbst gemacht oder gekauft worden war, aber es würde bestimmt einige geben, die auf das Ding boten. Als Frodo sie uns allen gut sichtbar mit einigen überschwänglichen Handbewegungen präsentiert hatte, nahm er einen Zettel zur Hand und las vor. "Dieses wunderschöne Exemplar einer uralten Vase kann nicht nur verwendet werden, um das allgemeine Gartengemüse zu präsentieren, sondern auch um die unliebsame Schwiegermutter zu vergraulen. Bereitgestellt wurde diese von der guten Hard-Cora. Das Einstiegsgebot liegt bei fünf Euro. Und es kann los gehen. Ihr dürft bieten", sagte er und deutete ins gackernde Publikum. "Eins Fufzig", rief ich nach oben, woraufhin noch mehr Leute lachten. "Jacky! Wir bieten rauf nicht runter!", kam es von Moe, der ebenfalls kurz kicherte. "Cuna. Was tust du denn da?", fragte mich Kili, der auf der anderen Seite seines Onkels saß und mich angrinste. "Was wohl? Das nennt sich bieten", erwiderte ich schulterzuckend. "Also soll man einfach nur rein rufen, wenn man etwas von diesen Gegenständen haben möchte?", fragte Fili, der neben seinem Bruder in meinem Blickfeld erschien. "Ja. Vorausgesetzt natürlich, wie Moe schon sagte, dass ihr das passende Geld dabei habt", erklärte ich noch einmal, während um uns herum fleißig auf das makabere Kunstwerk geboten wurde. Die Beiden nickten langsam und wandten sich dann wieder der Versteigerung zu. Auch ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder darauf. Die Vase war relativ schnell vergriffen. Als nächstes wurden ein selbst genähter Teddybär, eine CD der Kelly Family, ein unbenutzter Pack Staubsaugerbeutel und ein Plakat des Karaoke Wettbewerbs versteigert. Dann waren die Gegenstände der Zwerge an der Reihe. Balins Gegenstand war zuerst an der Reihe. Er hatte eine sehr alte, handgeschnitzte Pfeife zur Verfügung gestellt. Diese kam besonders bei den Herren um die vierzig gut an, die fleißig den Preis von den angesetzten zwanzig Euro auf über dreihundert hoch puschten. Am Ende bekam er ganze dreihundert sechsundvierzig dafür und wurde, wie alle Anderen darauf hingewiesen, dass er sich das Geld nach der Auktion bei Moe und Frodo abholen konnte. Danach war Kili dran. Dieser hatte ein paar Handschuhe von sich bereit gelegt. Als sein Name verkündet wurde, brach ein gewaltiger Sturm von Gebots-Rufen los, der natürlich hauptsächlich von den Frauen kam. Sie rissen sich regelrecht um diese ledernen Dinger. Einige fingen sogar an Jene nach Geld anzubetteln, die nicht mit darauf boten, weil sie nicht genug dabei hatten. Am Ende bekam sie, wie sollte es auch anders sein, die glückliche Käuferin für rund sechshundert. Ich blies zum einen vor Begeisterung und zum anderen vor Respekt die Backen auf. Das war bisher der höchste Preis des Abends und Kili jubelte auf seinem Platz. Doch ahnte er da noch nicht, dass ihn sein Bruder wenig später übertreffen würde. Er hatte seine geschnitzte Figur angemeldet, die er hier angefangen und schließlich auch vollendet hatte. Das nächste Mädel bekam sie freudestrahlend für ganze sechshundert fünfzig überreicht. Aber das alles war nichts, verglichen mit dem, was Bofur von sich hatte erübrigen können. Als Frodo es vor dem Publikum ausbreitete, fingen alle an zu schreien vor Lachen. Er hatte tatsächlich seine wohl abgegriffenste und durchlöchertste Ganzkörperunterwäsche eingereicht und verlangte dafür auch noch mit zehn Euro vergleichsweise viel Geld. Ich hatte, während für dieses Teil wirklich geboten wurde, große Mühe nicht vor lauter Lachen ohnmächtig zu werden und vom Stuhl zu fallen. Zu meinem Glück, aber seinem Pech, hielt mich der Zwergenkönig so gut er konnte fest, als ich laut gackernd von seiner Schulter auf seinen Schoß rutschte und dort mit meinem Kopf liegen blieb. "Cuna. Bei Durins Bart. Jetzt reiß dich doch ein wenig zusammen", grummelte er wobei ich merkte, dass es ihm schwer fiel nicht auch noch zu lachen. Schließlich und endlich wurde der Zwerg mit der Mütze seine Unterbekleidung dann doch zumindest für siebzig Euro los und war damit auch vergleichsweise zufrieden. Ich schnappte unterdessen nach Luft und blieb erst einmal auf Thorins Oberschenkeln liegen, bis ich mich soweit beruhigt hatte, dass ich von selbst aufrecht sitzen konnte. Nachdem nicht nur ich, sondern auch der Rest des Saales sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, verkündete Moe den letzten Gegenstand. Nämlich den, den der Zwergenkönig selbst heraus geben wollte. Auf diesen war ich ja besonders gespannt gewesen. Nun würde ich erfahren, was er denn dem Zeltplatzpublikum anzubieten hatte. "So, bevor wir die Auktion mit dem letzten Gegenstand beenden, gibt es dazu noch eine Kleinigkeit anzumerken", sagte Moe und schob etwas den Tisch auf die Seite, ehe er fort fuhr, "Und zwar, ist es so, dass die folgende Sache für einen sehr guten Zweck versteigert werden soll. Das Geld soll nämlich nicht demjenigen zu gute kommen, der es angeboten hat, sondern einer besonderen Person, die ihm sehr am Herzen liegt. Allerdings muss ich dazu sagen, dass das Ding nicht so Handlich ist, wie die Anderen, die ihr gesehen habt. Trotzdem wäre es schön, wenn ihr ebenso ausreichend bieten würdet, wie ihr es vorher getan habt." Mit diesen Worten gab er Frodo ein Zeichen, der Thorins großes Geheimnis mit Hilfe einer weiteren Person auf die Bühne hievte. Ich brauchte gar nicht lange um zu erkennen, was da gerade herein geschleppt wurde, da klappte ich schon empört den Mund auf. Wie hatte er das nur tun können?! Was zur Hölle war in diesen Mann gefahren?! Das konnte er doch nicht machen! Wieso ausgerechnet das?! Wieso ausgerechnet meine Liege??!! - 65. Die kuriose Zeltplatz-Auktion / ENDE - Kapitel 66: 66. Die letzten Stunden ----------------------------------- Empört stand mir der Mund weit offen und mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ich sah, wie Frodo und ein weiterer, junger Mann meine Liege auf die Bühne schleppten, und vor dem neugierigen Publikum aufstellten. Moe verlor auch gar nicht viel Zeit mein provisorisches Bettgestell anzupreisen, während ich mich noch mitten in meinem Schockzustand befand. "Also, wie ich bereits sagte, soll dieses charmante Campingbettchen für einen guten Zweck versteigert werden. Und zwar kommt dieses Teil hier von Thorin, der es für seine Herzallerliebste versteigern will, damit sie genug Geld hat, um sich einen Umzug leisten zu können. Also meine Herrschaften. Es darf geboten werden. Der Einstiegspreis liegt bei fünfzig Euro", rief er ins Mikro und schon ging das muntere Bieten los. Ich drehte unterdessen den Kopf so langsam in Richtung des kleinen dunkelhaarigen Mannes zu meiner Linken, dass man meine Halswirbel hätte knirschen hören können. Doch besagter kleiner Mann würdigte mich keines Blickes, während nach und nach die doch recht kargen Gebote in den Raum gerufen wurden. Das machte ihn sichtlich unzufrieden, da er offenbar weit mehr und höhere Beträge erwartet hatte. Doch bei weitem nicht so sehr, wie ich mich gerade fühlte. Unzufrieden war da schon kein Ausdruck mehr für. Ich war auf gut Deutsch gesagt tierisch angepisst. Er hatte einfach, ohne mein Wissen und ohne mich um Erlaubnis zu fragen, meine Schlafgelegenheit an sich gerissen. Auch wenn er es mit der gut gemeinten Absicht getan hatte, mir meinen Umzug zu finanzieren, was ich im übrigen sogar strickt ablehnte. Ich wollte nicht, dass er ständig irgendwelche Sachen für mich bezahlte oder kaufte. Geschweige denn, dass er nun einfach daher kam, um sich auch noch wegen dieser Banalität zu Sorgen. Das hatte ich ihm auch schon kurz nach dem Rückkauf meines Kleides versucht klar zu machen. Doch leider schien ich mit meiner Bitte da auf taube Zwergenohren gestoßen zu sein. Er war immer noch davon überzeugt, dass er sich allein um mein Wohlergehen zu kümmern hatte und nahm mir damit sämtliche Verantwortung für mein eigenes Leben ab. Andere Frauen wären dafür bestimmt sehr dankbar gewesen und hätten ihm mit Sicherheit dafür fest umarmt und abgeknutscht. Nur ich tanzte, was das anging, mal wieder aus der Reihe. Ich wollte einfach nicht zu einer dieser verwöhnten Tussies mutieren, die ihrem Mann nur schöne Augen machen musste, um alles von ihm zu bekommen was sie nur wollte. Nein. Nie und nimmer. So ein Mensch war ich nicht und würde es auch nie sein. Und egal wie viel er jetzt für meine Liege auch raus holen mochte, ich würde es nicht annehmen. Sicher, ich liebte ihn. Und das sogar abgöttisch. Nur sah ich langsam durch seine fürsorglichen Gesten meine Unabhängigkeit in Gefahr, die immer noch mein größtes Heiligtum war und die ich mir nicht einmal von ihm nehmen lassen wollte. Noch dazu, weil ich sie über viele beschwerliche Jahre hart erarbeitet hatte. Aber einmal von meinem gekränkten Ego abgesehen, gefiel mir persönlich die Aussicht nicht, in dieser Nacht auf der blanken Erde schlafen zu müssen, wenn ihm jemand dieses Teil auf der Bühne abkaufte. Wonach es spätestens nach dem eher bescheidenen Gebot von knapp über hundert Euro aussah, was mich endlich dazu veranlasste meine Zunge aus ihrer Schockstarre zu holen, damit ich den Mann neben mir eine ordentliche Standpauke halten konnte. "Thorin!", fauchte ich den Zwergenkönig flüsternd an, als Moe gerade den Zuschlag für meine Liege an einen Herrn in den hinteren Reihen erteilte, der gut hundertzehn Euro geboten hatte. Dieser zuckte neben mir zusammen und warf mir einen kurzen, irritierten, aber auch leicht argwöhnischen Blick zu, als er meine wütende Miene eingehend musterte, mit der ich ihn versah. "Was willst du, Frau?", hakte er mit ebenso barschem, wie leisen Ton nach. "Was ich will? Das fragst du noch? Kannst du mir mal sagen, was der Scheiß da gerade soll?", erwiderte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Er zog nur die Mundwinkel nach unten, als er mir knapp antwortete: "Das hast du doch vernommen, Weib." Ich schnaubte kurz und drehte mich vollends zu ihm um. "Ja. Das habe ich. Aber verdammt noch mal, warum bitteschön verschleuderst du aus heiterem Himmel meine Liege?", fragte ich energisch, aber trotzdem immer noch leise, damit nicht der ganze Saal auf uns aufmerksam wurde. Beleidigt begann der kleine, dunkelhaarige Mann ebenfalls zu schnauben und verschränkte gleichsam die Arme vor seinem breiten Oberkörper. "Ich habe dir vorhin schon gesagt, dass dich meine Geschäfte nichts angehen, Frau. Außerdem gehörte diese Lagerstadt nicht dir, sondern immer noch mir. Denn alles woraus sie gemacht, wurde entstammt meinem Besitz. Es war dir lediglich gestattet darauf zu nächtigen, solange du in unserer Mitte verweilst. Und einen Grund dich darüber zu beschweren hast du wahrlich nicht. Immerhin tat ich dies zu deinem Wohlergehen", erwiderte er und wurde von Wort zu Wort immer grantiger. Aber auch in mir brodelte es nun langsam richtig, weshalb meine nächsten Worte reichlich wenig durchdacht waren. "Zu meinem Wohlergehen? Schließt das nun ein, dass ich auf dem Boden schlafen soll oder du mich gleich aus dem Zelt wirfst?", maulte ich sofort drauf los, doch da fuhr er mir schon dazwischen. "Weder noch, Cuna. Davon abgesehen, dass du gewiss eine einzige Nacht auf der Erde liegend überstehen würdest. Nein. Es ging mir darum, dass ich sie loswerden wollte, weil keiner meiner Männer sich auf der Rückreise damit belasten könnte. Und dir wollte ich diese Last erst recht nicht auferlegen, nachdem was mir Dwalin über die Räume berichtet hat, in denen du für gewöhnlich lebst. Du hast schon mit zwei Rücksäcken genug zu tragen, was ich ebenso wenig zulassen würde, wenn ich könnte. Aber so etwas wirst du, selbst wenn ich da wäre, wohl kaum noch die vielen Treppenstufen nach oben bekommen", sagte er und blickte wieder nach vorne, wo die beiden Moderatoren nun das Ende der Auktion verkündeten und das Publikum darum baten fleißig beim Aufräumen zu helfen, damit umgehend die Tanzfläche frei wurde. Ich war allerdings immer noch nicht zufrieden mit dem, was ich vom Zwergenkönig gesagt bekommen hatte und raunte ihn weiterhin flüsternd an. "Es geht doch nicht darum, dass ich das Ding hätte mitnehmen wollen. Sondern um die Tatsache, dass du ohne zu fragen meine Liege hinter meinem Rücken verkaufst", setzte ich nach, doch er würdigte mich nun keines Blickes mehr, als er ziemlich genervt antwortete: "Cuna. Mir liegt es fern mit dir in diesem Augenblick zu streiten. Und ich kann auch wirklich nicht verstehen, wieso du darüber so verärgert bist, wo das Geld auch noch dir und deiner Unternehmung zu gute kommt." Ich atmete einmal tief durch und schloss kurz meine Augen, um nicht gänzlich die Fassung zu verlieren. Es stimmte schon. Auch für mich war das Letzte, was ich an diesem Abend wollte einen riesen Streit mit ihm vom Zaun brechen, den ich vermutlich sowieso verlieren würde. Dennoch konnte ich mich nicht erwehren, ihm eine Kleinigkeit zu diesem Thema zu sagen, ehe wir aufstehen mussten, um die Stühle weg zu räumen. "Damit eins herrscht. Nämlich Klarheit. Ich werde das Geld nicht von dir annehmen. Ich will mir meinen Umzug selbst finanzieren und nicht von dir Zucker in den Allerwertesten geblasen bekommen. Ich bin eine unabhängige Frau und das möchte ich bitteschön auch bleiben. Ob es dir Passt oder nicht, Herr Eichenschild", meinte ich bestimmt und erhob mich, um meine Sitzgelegenheit zu ergreifen. Doch wie immer hatte der kleine, bärtige Mann das letzte Wort in diesen Angelegenheiten. "Schön. Wie du willst. Ich kann dich nicht dazu zwingen mein Geschenk anzunehmen. Ich wollte dir damit nur ein wenig das Leben erleichtern. Aber wenn du es strickt ablehnst, dass ich dir helfe, was zu meinem Pflichten dir gegenüber gehört, dann sei es drum. Dennoch wärst du besser damit beraten dies zu tun. Mein Angebot bleibt weiterhin bestehen. Solltest du dich um entscheiden, du findest mich am großen Lagerfeuer", sagte er und verbarg nicht einmal den leicht verbitterten Unterton in seiner tiefen, dunklen Stimme. Damit verschwand er zusammen mit einigen Rauchern und anderen Leuten, die nicht mit halfen aufzuräumen, nach draußen und drehte sich auch nicht wieder zu mir um. Ich seufzte einmal schwer, als er aus meinem Blickfeld verschwunden war und schüttelte den Kopf. "Was in Durins Namen war denn gerade los, Cuna?", fragte Kili, der neben seinem Bruder Fili, Bofur, Ori und Nori, mit zurück geblieben war, um ebenso Hand anzulegen. Ich zuckte nur bedrückt mit den Schultern und ergriff den Stuhl, auf dem der Zwergenkönig noch vor wenigen Sekunden gesessen hatte. "Was soll denn los gewesen sein? Eine Meinungsverschiedenheit zwischen mir und deinem Onkel. Weiter nichts“, erwiderte ich halbwegs ruhig. "Worum ging es denn, wenn du mir die Frage erlaubst?", kam es von Fili, der schon einige der Stühle zu einem kleinen Turm zusammen gestapelt hatte und zum Zeltrand schleppte. Ich verzog nur das Gesicht zu einer beleidigten Schnute. "Klar, fragen darfst du, Fili. Und ich gebe dir auch Antwort darauf. Es ging nämlich um meine Liege, die er so wunderschön verschachert hat, ohne mir was davon zu sagen", erklärte ich ihm und verfrachtete meine Stühle auf seinen Turm. "Und weswegen bist du ihm da gram drum? Hättest du sie denn gerne behalten?", fragte Ori, der von der anderen Seite an mich heran trat. "Nein. Darum ging es nicht. Und bevor ihr fragt, auch nicht darum, dass ich jetzt am Boden schlafen muss. Die Sache ist so gesehen ganz einfach. Er hätte es mir ruhig sagen können, was er vor hat. Noch dazu die Sache, dass er mir dafür Geld für meinen Umzug beschaffen wollte, ohne das mit mir abzuklären", meinte ich und sah ihm dabei ernst ins Gesicht. "Ich glaube du solltest nicht so undankbar ihm gegenüber sein. Schließlich hat er dies getan, um dir eine Freude zu bereiten", kam es von Nori, der nun auch ein paar Stühle zusammen steckte. "Ja, ich weiß. Nur, versteht mich da nicht falsch. Ich bin ihm ja dankbar, dass er sich so um mich und meine Sorgen bemüht. Ich möchte aber einfach nicht, dass er denkt, er müsste sich jetzt für alle kleinen und großen Probleme die ich habe, gezwungen sehen einzuspringen und mich mit seinem Geld aushalten. Ich bin nicht so eine Frau. Ich möchte schon meine Angelegenheiten selbst klären und in die Hand nehmen", meinte ich und stricht dabei etwas gedankenverloren über meine Unterarme. "Cuna. Natürlich verstehen wir das. Aber hier geht es nicht um uns. Es geht um dich und Thorin. Und darum, dass er sich dir gegenüber verpflichtet sieht, alles dafür zu tun, dass du ausgesorgt hast. Du hast ihm immerhin auch das Versprechen abgenommen dich zu ehelichen. So etwas gehört dazu. Und das solltest du doch wissen, wo du dieses Versprechen schon einmal einem Anderen gegeben hast", meinte Fili in ruhigem Ton, wobei er mich aber doch mit einem sehr ernsten Blick musterte. Ich holte einem tief Luft und ließ nach seinen Worten die Schulter hängen. Der blonde Junge hatte ja nun wirklich recht mit dem was er sagte. Für gewöhnlich musste eine gute Beziehung so funktionieren. Nur bekam ich in diesem Punkt meinen inneren Schweinehund einfach nicht gebändigt. Bisher hatte ich immer versucht für die Personen die ich liebte da zu sein und mich für sie verantwortlich zu fühlen. Selbst als mein Verflossener seinen Job bekommen hatte, den er vor seinem Tod nicht lange hatte ausüben können, sah ich mich immer noch in der Verantwortung, mich um ihn zu kümmern, als umgekehrt. Dass nun mit Thorin jemand daher kam, der mein Leben auf den Kopf stellte und mir vielleicht sogar jedweden Wunsch von den Augen ablesen und erfüllen konnte, damit musste ich mich nun wirklich zum aller ersten Mal konfrontiert sehen. Und es war mir unangenehm. Wirklich sehr unangenehm. Noch dazu auch sehr peinlich, da ich nun ein schlechtes Gewissen bekam, weil ich ihn wegen seiner heimlichen Aktion so vor den Kopf gestoßen hatte. Ich ertappte mich just dabei, wie ich mich an die kleine Flucht erinnerte, als ich mit seinen beiden Neffen und Bofur den Supermarkt unsicher gemacht hatte, um ihm etwas zu Essen zu machen. Gut, er hatte zunächst auch ablehnend und aufbrausend darauf reagiert, aber im Nachhinein, als er von den Anderen erfuhr, dass ich es extra für ihn her gerichtet hatte, hatte er dem ja doch eine Chance gegeben. Aus diesem und anderen Gründen, waren wir uns in jener gewittrigen Nacht zum ersten Mal im Unterstand eines Bootsverleihs näher gekommen als jemals zuvor. Nun fühlte ich mich wirklich elend zumute. Wieso war ich nur so eine hohle Nuss? Ich hätte es ihm gleich tun sollen und mich darüber wirklich freuen müssen, anstatt seinen guten Willen so mit Füßen zu treten. Von meinen eigenen düsteren Gedanken überwältigt, fluchte ich einmal wütend und trat mit voller Wucht gegen den Stuhlturm, woraufhin ich ein unschönes Knacken in einem meiner Zehen spürte und von dem Schmerz überrascht, noch mehr fluchend, auf einem Bein herum hopste. Scheiße, das hatte nun aber ordentlich gezwiebelt. Und bessere Laune bekam ich davon auch nicht wirklich. Erschrocken von meiner unverhofften Reaktion, klappten den kleinen, bärtigen Mannern in meiner Umgebung nach und nach die Kinnlage drei Stockwerke tiefer. Nur Bofur konnte sich einmal mehr einen leidigen Kommentar nicht verkneifen. "Warum trittst du denn auf einmal die armen Stühle? Die haben dir doch gar nicht getan", meinte er und legte mit verwirrtem Gesichtsausdruck den Kopf schief. "Jetzt schon", presste ich durch meine zusammen gebissenen Zähne und hinkte von dem Stapel weg in Richtung Theke. Zum Glück merkte ich, dass der Zeh nur weh tat und spürbar nicht gebrochen war. Das hätte mir an diesem Abend ja nun auch noch gefehlt. Es war immerhin schon peinlich genug, dass die kleine, haarige Truppe um mich herum meinen flüchtigen Ausraster mitbekommen hatte. Würde der Zwergenkönig davon noch Wind bekommen, würde er mich mit Sicherheit dafür auslachen oder schelten. Aber wie sagte man doch immer so schön. Wer den Schaden hat braucht für den Spott nicht zu sorgen, den es zwangsläufig nach sich zog, obwohl die Zwerge sich mühe gaben nicht los zu prusten, als sie mich wie ein angeschossenes Tier zum Tresen begleiteten. "Warum tust du denn plötzlich so was?", fragte Kili, der mich leicht an der Schulter fasste, um mich bis dort hin zu stützen. "Weil ich doof bin", erwiderte ich und stellte mich mit dem Rücken an des Holzgestell. "Wieso bist du denn doof?", hakte Bofur mal wieder irritiert nach. Ich seufzte einmal kurz und zuckte matt mit den Kopf. "Weil ich Thorin so vor den Kopf gestoßen habe, obwohl er es doch tatsächlich nur gut gemeint hat. Deshalb", erklärte ich ihnen ruhig. "Ach. Ich bin sicher, er wird bei dir darüber hinweg sehen. Ich hab ja mitbekommen, dass du dich jeder Zeit wieder an ihn wenden kannst, wenn du sein Angebot doch annehmen willst", meinte Fili und klopfte mir ruhig auf die Schulter, welche er dann auch noch kurz aufmunternd drückte. Ich aber sah den blonden Jungen betreten an und schüttelte nur den Kopf. "Nein, Fili. Das wäre ja wie betteln und bei ihm zu Kreuze kriechen. Das werde ich nicht tun. So viel Stolz habe ich dann doch. Ich habe seine Hilfe nun einmal abgelehnt, also sollte ich auch zu meinem Wort stehen und es dabei belassen. Außerdem will ich mir von ihm keinen genug tuenden Blick einfangen, wenn ich ihm doch damit kommen sollte", sagte ich und starrte vor mich auf den blanken, abgenutzten Holzboden. "Was hältst du denn davon, wenn ich mit ihm darüber rede? Dann brauchst du dir keinen unschönen Blick einzufangen", fragte Kili freundlich, doch erneut schüttelte ich den Kopf. "Nein. Lass gut sein. Dann würde er vermutlich noch denken, dass ich zu feige wäre um mit ihm vernünftig zu reden und deshalb einen Unterhändler schicken muss. Das wäre ja noch schlimmer", meinte ich, hob meinen Kopf und sah mich wieder im Zelt um, dass nun bereit für den finalen Akt einer zweiwöchigen Zeltstadt war. Die Tanzfläche war frei geräumt und der Mann hinter dem Mischpult bereits dabei das Licht etwas zu dimmen, und die bunten Leuchter nacheinander an und aus zu schalten. Dann ergriff dieser das Mikro und brummte in einer Stimme, die viel gute Laune versprach, hinein um die Disco zu eröffnen. "So meine lieben Zeltstädtler. Die Zeit ist reif für euch eine heiße Sohle aufs Parkett zu legen. Viel Spaß beim heutigen Abend wünscht euch natürlich euer DJ Socke", sagte er und schon drehte er langsam die Anlage auf, aus der zunächst einige Ballermann Hits dröhnten. Fast gleichzeitig strömten mit der Ankündigung sämtliche Menschen und auch teilweise Zwerge zurück ins Zelt. Die ersten, die sich während des Tages zu Paaren zusammen gefunden hatten, waren bereits fleißig dabei miteinander zu tanzen. Da ja nun einmal Damenwahl war, sah man hin und wieder immer noch manche, die ohne Partner waren herum gehen und fragen, ob der ein oder anderen nicht Lust hatte auch etwas das Tanzbein zu schwingen. Zu meiner eigenen Überraschung sah ich auf einmal, wie sich die gute Patschuli bis zu uns durch kämpfte, freudestrahlend auf Ori zu rannte und ihm winkte. Dieser hob ein wenig schüchtern die Hand, als er sie sah und lächelte verlegen. Sie hatte sich wirklich fein raus geputzt mit ihrem schwarzen Spaghettiträgertop, dem gleichfarbigen Fransenrock und den zu einem Dutt hoch gebundenen, geflochtenen Zopf. Und natürlich zog sie ihre übliche Wolke wohlriechenden Parfums hinter sich her. "Hallo Ori. Da bin ich", sagte sie, nachdem sie vor dem jungen Zwerg stand, der mindestens einen Kopf kleiner war als sie. "Ja. Ja. Hallo. G-guten Abend. Du. Du siehst bezaubernd aus", stammelte dieser extrem nervös und mit leicht geröteten Wangen. Nun musste ich doch ein bisschen grinsen, als ich die beiden vor mir musterte und sie ihm eine Hand hin hielt mit den Worten: "Wollen wir dann tanzen?" Der kleine Ori ruckte leicht mit dem Kopf, was wohl ein Nicken oder ähnliches sein sollte und ergriff dann mit zitternden Fingern ihre Hand, woraufhin sie den schüchternen Jungen hinter sich her zerrte, wie ein altes, aber liebgewonnenes Stofftier. Sein Bruder begann indessen bei dem Anblick laut los zu lachen und mit der flachen Hand auf den Tresen zu hauen, der eigentlich für ihn viel zu hoch war. Doch das blieb ihm wenig später im Hals stecken, als eine ganze Kolonne partnerloser Frauen mit langen, spinnenartigen Fingern und gefletschten Zähnen auf die Zwerge um mich herum zu steuerten. Gut, vielleicht ging in diesem zwielichtigem Geflimmer der Discobeleuchtung auch meine überschwängliche Fantasie mit mir durch, aber die Vorstellung traf auf das Verhalten, der durchgeknallten, tanzwütigen Tussies hundertprozentig zu. So brauchte es gar nicht lange, bis ich mehr oder weniger alleine an der Bar stand, während die Herren sich fast widerstandslos von den Ladies auf die Tanzfläche zerren ließen. Auch wenn sie noch so sehr protestierten und zeterten, es half ihnen in diesem Moment gar nichts. Eigentlich hätte mich dieses Bild allein schon zu einem oder mehreren Lachflashs hingerissen, doch mir war schlichtweg nicht danach. Mein schlechtes Gewissen meldete sich einmal mehr und so drehte ich mich zum Barkeeper, um mir mal wieder ein Glas Apfelmet zu bestellen, welches ich hin und wieder zögerlich nippend an den Mund führte und nicht das Einzige bleiben sollte. Ich wollte mich an diesem Abend einfach mal ordentlich gehen lassen. Den ganzen, vorangegangenen Streit und die trüben Gedanken und Gewissensbisse ausschalten die mich plagten. Und natürlich auch, um ein wenig den Schmerz zu verdrängen, den ich wegen dem kommenden Morgen immer wieder empfand. Dabei musterte ich in dem flackernden, bunten Licht, wie sich die kleinen Herren auf der Tanzfläche so schlugen. Zumindest sofern ich sie in dem engen Gedränge irgendwie mal kurz heraus spähen konnte. Kili und Fili hatten natürlich erwartungsgemäß ihren Spaß, auch wenn man ihnen ansah, dass unsere modernen Tänze eindeutig gewöhnungsbedürftig für ihre kurzen Beine waren. Bofur war der auffälligste unter ihnen. Dieser watzte mit seiner hilflos schreienden Tanzpartnerin, wie eine angeschossene Wildsau durch die Menge und bekam einige böse Worte an den Kopf geworfen, wenn er andere Paare in seiner Überheblichkeit auseinander riss. Nori hingegen hatte es richtig übel erwischt. Dieser hatte nun die wohl größte, wie auch breiteste Frau vor sich, welche ihn wie eine Puppe herum warf. Der Einzige, der mit seiner Partnerin wirklich zufrieden aussah war Ori, auch wenn er aufgrund seiner Schüchternheit in den Bewegungen sehr sehr angespannt blieb. Irgendwann nach gefühlt zwei Stunden, als DJ Socke gerade von Schlager zu deutschem Punkrock switchte, gesellte sich auch der Rest der Truppe wieder ins Zelt und natürlich zu mir an den Tresen. Wobei es mich wirklich erstaunte, wie sie es unbeschadet und ohne in den Fängen einer tanzwütigen Frau zu laden, dieses Wunder vollbracht hatten. So warf ich ihnen einen sehr erstaunten Blick zu, als sie mich durch das Gedränge erreicht hatten. Doch mal wieder fehlte die eine Person, die ich insgeheim gerne unter ihnen gesehen hätte. Aber ich brauchte sie auch nicht zu fragen, wo der Zwergenkönig wieder steckte. Sicher war dieser immer noch verbittert und beleidigt draußen am Lagerfeuer und starrte ins Leer. Oder wartete vermutlich vergeblich darauf, dass ich mich zu ihm gesellte. Nun, sicherlich würde ich dies auch noch tun. Spätestens, wenn das Feuerwerk abgeschossen werden sollte, aber vorerst musste ich mit einem reichlich mürrischen Dwalin vorlieb nehmen, dem diese Musikrichtung gar nicht schmeckte, weshalb er sogar mit angewiderter Miene an seiner Bierflasche herum nuckelte. "Du machst ein Gesicht, als hätte dir jemand Salat anstatt Schweinesteak vor die Nase gesetzt", meinte ich schlicht, als ich ihn musterte. Dieser sah zu mir hinüber und verzog nur den Mund. "Ich weiß ja nicht, was du mir damit sagen willst, Weibstück. Aber wenn du diese grauenhafte Musik meinst, die ist einfach nur scheußlich. Da ist selbst der Gesang der Orks im Nebengebirge noch eine Wohltat für die Ohren", raunte er und nahm einen erneuten Schluck aus der Flasche. "Ach, es könnte schlimmer sein. Zumindest spielen die hier kein Trash Metal. Oder zumindest hoffe ich, dass sie das nicht machen werden. Falls doch gehe ich freiwillig aus dem Zelt", sagte ich und nippte an meinem dritten Metglas. Inzwischen spürte ich schon wieder, dass ich dieses dämliche Teufelszeug einfach nicht vertrug. Ich war schon leicht betüdelt und daher auch redseliger als gewöhnlich. So geriet ich mit dem kahlköpfigen Zwerg zwangsläufig in ein Gespräch über Thorin. "Euren König habt ihr wohl draußen irgendwo verloren wies aussieht", meinte ich irgendwann trocken und nahm einen etwas größeren Schluck von der goldenen Flüssigkeit. Dwalin musterte mich eingehend und schnaubte dann. "Verloren haben wir ihn nicht wirklich. Er sitzt draußen am Lagerfeuer und raucht eine Pfeife nach der anderen. Im übrigen ist er nicht gerade gut auf dich zu sprechen", meinte er mit beiläufigen Ton, der mich doch etwas hellhöriger werden ließ. "Ach? Ist er?", hakte ich nach und versuchte ebenso beiläufig zu klingen wie er, wobei ich es nicht schaffte zu verhindern, eine gewisse Neugierde mit klingen zu lassen. "Ja. Er versteht nicht, warum du sein Geschenk abgelehnt hast", erklärte er mir mit kargem Wortschatz. Ich seufzte tief, als er mich in meinem bereits benebelten Zustand wieder daran erinnerte. Na großartig. Nun kamen alle Gefühle wieder hoch, die ich bisher mit dem bisschen Alkohol hatte unterdrücken können. Und dieser sorgte nun dafür, dass sie stärker da waren als je zuvor. So musste ich mir sogar zwangsläufig die ein oder anderen Tränen verdrücken, die sich umgehend in meinen Augenwinkeln bildeten. Das löste hingegen wieder den Effekt aus, dass meine Nase ein wenig verschnupfte, weswegen mir Dwalin nach einer Weile einen leicht fragenden und irritierten Blick zu warf. "Was ist denn jetzt schon wieder mit dir los, Weibstück? Wieso in Durins Namen heulst du denn jetzt?", fragte er etwas verwirrt und gleichzeitig überfordert mit meinem Gefühlsausbruch, der sich da gerade anbahnte. Ich wischte mir mit einem Arm über die feuchten Augen und nuschelte dabei: "Weil ich eine absolut dämliche. Nein, saudumme Kuh bin. Deshalb." "Kannst du auch einmal deutlicher sprechen Weibstück oder bist du jetzt schon zu betrunken?", hakte der Zwerg grantig nach und rollte genervt mit den Augen. "Weil ich Thorin so vor den Kopf geschlagen habe, obwohl ers ja doch von ganzem Herzen für mich getan hat. Aber ich bin es verdammt noch mal nicht gewöhnt, dass mich ein Mann versucht auf Händen zu tragen und dass auch noch Wörtlich nehmen könnte, wenn ich bedenke, wie oft er das tatsächlich gemacht hat. Und jetzt isser ausgerechnet an diesem Abend sauer auf mich, wo wir nicht mal mehr zehn Stunden miteinander haben ehe ihr geht. Ich bin einfach nur grottendämlich. Dabei hätte ich so gerne mit ihm getanzt. Aber das wird er nun nicht mehr machen wollen", klagte ich und stürzte den letzten Rest Met hinunter, stellte das Glas auf den Tresen und bestellte mir gleich schon das nächste. Danach atmete ich einmal ganz tief ein und brachte ebenso ein solches gefrustetes Stöhnen über die Lippen, während ich immer wieder mit meinem Arm über meine Augen wischte. "Das ist kein Grund dich hier um den Verstand zu trinken und in Selbstmitleid zu versinken. Davon abgesehen, so wie es aussieht bekommst du vielleicht eine Chance deinen Fehler wieder gut zu machen", meinte Dwalin, der geradeaus über die Tanzfläche schaute, woraufhin ich ihm einen sehr irritierten Blick schenkte. "Wie meinst du das?", fragte ich verwirrt. "Weil Thorin gerade zur Schenke herein gekommen ist und dort drüben mit dem Menschen spricht, der diese scheußliche Musik macht", erklärte er und nickte mitten durch das Menschengewusel, in dem auch hier und da einige Zwergenbärte aufblitzten. Ich musste mich anstrengen um bis an das andere Ende des Raumes sehen zu können, da inzwischen auch hin und wieder die Nebelmaschinen angeworfen wurden, was jemandem der eh schon im eigenen Nebel schwamm noch zusätzlich die Sicht erschwerte. Doch als sich, Bofur sei dank, eine größere Lücke in der Menschenmasse auftat, sah ich tatsächlich, den Zwergenkönig mit DJ Socke am Mischpult ein Gespräch führen. Der Mann an den Reglern nickte immer wieder und zeigte ihm irgendetwas auf einem Blatt Papier. Ein bisschen Argwöhnisch zog ich die Augenbrauen zusammen, nachdem der kleine, dunkelhaarige Mann irgendwann auf das Papier drauf tippte und DJ Socke nickte, ehe sich Thorin von ihm löste. Daraufhin bewegte er seine Stiefel in Richtung Theke und wurde auch schon von der Menge verschluckt. Ich zog die Augenbrauen noch mehr zusammen und sah hinüber zu Dwalin, der sich allerdings in ein Gespräch mit seinem Bruder vertieft hatte. Ich seufzte wieder und schaute nach vorne auf die Tanzfläche. Allerdings bekam ich abrupt einen riesen Schreck, sodass mir fast mein frisches Metglas aus der Hand fiel. Wie ich nämlich feststellte, hatte es Thorin binnen weniger Sekunden geschafft sich zu mir durch zu kämpfen und stand nun seelenruhig mit seiner typischen, ernsten Miene vor mir. Ich blinzelte kurz und war mir in diesem Augenblick nicht sicher, ob er wirklich vor mir stand. Der Eindruck änderte sich allerdings, als er den Mund öffnete und seine ruhige, tiefe, dunkle Stimme durch den Lärm aus der Musikanlage an mein Ohr wehte. "Ich möchte mit dir reden", sagte er und trat näher an mich heran. Ich zuckte nur kurz etwas bedrückt mit den Schultern und nickte ihm dann zu. Ich brauchte ihn gar nicht erst zu fragen worüber er mit mir reden wollte. Sicherlich ging es um unseren kleinen Zwist vor ein paar Stündchen, den er nun klären wollte. Worum auch sonst? So seufzte ich einmal tief und stellte mein Metglas auf den Tresen. "Gehen wir dafür nach draußen?", fragte ich, als ich mich wieder zu ihm umdrehte. Er aber schüttelte den Kopf und hielt mir locker seine offene Handfläche entgegen. Im selben Moment wurde die laufende Musik unterbrochen und DJ Socke ergriff erneut das Mikro. "So ihr lieben Tanzwütigen. Es ist bald Zeit für das Abschlussfeuerwerk, aber zuvor gibt es noch einen kleinen Musikwunsch, den ich erfüllen möchte. Und gebt acht, es wird schön kuschlig, also greift euch eure Liebste oder euren Liebsten. Denn hier kommen die Toten Hosen mit 'Alles aus Liebe'. Viel vergnügen", sagte er, steckte das Mikro wieder weg und schon legte er den Song auf. Als die ersten Akkorde der E-Gitarre an mein Ohr drangen, entfuhr meinen Lippen ein Keuchen und ich sah Thorin mit großen erstaunten Augen an, der mir immer noch seine offene Hand hin hielt. Das hatte er also drüben am Mischpult gemacht. Er hatte sich für uns beide ein Lied ausgesucht. Und nicht mal irgendeines. Nein. Es war mein Lieblingslied der Toten Hosen. Auch wenn es vom Text schon sehr grenzwertig war. Doch dafür waren die Herren um Campino und Co. allseits bekannt. Aber woher zum Henker kannte er es? Hatte er sich vom DJ beraten lassen, was man in einem solchen Moment aufspielen konnte oder war jemand mit einem Hinweis zu ihm gegangen, der meinen Musikgeschmack kannte? Ich wusste es beileibe nicht für mich zu beantworten. Und offen gesagt war es mir gerade zu diesem Zeitpunkt scheiß egal. Das war neben dem Antrag am vergangenen Abend, die schönste Geste mir gegenüber. Und immer noch stand er ganz erwartungsvoll vor mir und musterte mich eingehend, bis er dann doch die Stimme hob und wohl aus lauter Ungeduld fragte: "Darf ich um diesen Tanz bitten?" Mir steckte plötzlich ein richtig dicker Kloß im Hals. Meine Beine wurden weich, was nicht nur vom Alkohol kam, und meine Finger zitterten, als ich diese ganz zögerlich und langsam nach seinen ausstreckte. Nachdem meine Hand vorsichtig in seiner landete, drückte er diese ganz sanft und ruckte mit dem Kopf auf die Tanzfläche, auf der sich nun nur noch Paare tummelten, die eng umschlungen miteinander hin und her schwankten, wie Schiffchen bei ruhigem Seegang. Ganz langsam und behutsam ließ ich mich von ihm in mitten dieses ganzen Gewusels aus Menschen von ihm führen. An einem freien Platz angekommen, drehte er sich wieder zu mir um, legte eine Hand an meine Hüfte und die andere hielt er ausgestreckt zur Seite weg. Ich schluckte als sich unsere Augen kreuzten und ließ meine freie Hand ganz behutsam an seine kräftige Schulter sinken. Natürlich darauf bedacht nicht seine Wunde zu berühren. Als wir diese Haltung eingenommen hatten, begannen wir uns ganz langsam zum Takt der Musik zu bewegen. Zwar nicht besonders viel, da wir dafür nicht ausreichend Freiraum um uns herum hatten, aber doch konnten wir uns so auf der Stelle umeinander drehen, während Campino die erste Strophe zum Besten gab. Ich hatte meinen Blick unterdessen wieder von seinem gelöst und schaute leicht zu Boden, während ich bemüht war bei dem leichten Geschwanke einen Fuß neben den anderen zu setzen. Man sollte nicht glauben, wie schwer es sein konnte, sich im leicht angetrunkenen Zustand auch nur langsam zu bewegen. Aber dafür hatte ich ja zusätzlich ein bisschen Hilfe des Zwergenkönigs, der mich hin und wieder mit dem leichten Druck seiner Hand an der Hüfte herum führte. Wie ich feststellte, war er ein erstaunlich guter Tänzer, auch wenn das Drehen auf der Stelle nicht wirklich als Tanz bezeichnet werden konnte. Aber zumindest schaffte er es, mir nicht mit seinen schweren eisenbeschlagenen Stiefeln auf die Füße zu treten, was ich schon einmal im Hinterkopf als kleine Meisterleistung quittierte. Alles in allem gar nicht mal so schlecht, doch waren wir ja nicht allein zum Tanzen auf die Fläche gegangen. Nun schwiegen wir uns schon einige Sekunden an, obwohl wir eigentlich miteinander hatten reden wollen. Und ich wusste auch gar nicht ob ich anfangen sollte, oder ob er den ersten Schritt wagte. Aber irgendwann mussten wir ja nun endlich auf einen Punkt kommen. Und nicht nur mir kam im selben Augenblick der Gedanke, sondern auch ihm, weshalb es dazu kam, dass sich unsere beiden Stimmen überlagerten. "Thorin, ich..." "Cuna, ich..." Von dieser plötzlichen Syncronität überrascht weiteten wir verblüfft die Augen und sahen uns an. Doch blieb es nicht nur während des Einleitungssatzes dabei. Nein. Es zog sich sogar noch ein bisschen weiter. "Ich wollte dir nur sagen..." "Also ich wollte... " "Jetzt lass mich doch mal..." "Also gut du zuerst." Irgendwann merkte ich, wie sich auf meinen Lippen ein verlegenes Lächeln bildete und in meiner Kehle ein Kichern erklang. Thorin schaubte nur belustigt und hinter seinem Bart zog sich auch ein ganz leichtes Schmunzeln. Schließlich, war er es dann, der wieder ansetzte zu reden. Und dieses mal hielt ich den Mund geschlossen um ihm zu zu hören. "Cuna. Ich möchte dich um Vergebung bitten", sagte er schlicht, woraufhin mir die Augenbrauen bis unter die Haarwurzeln schossen. "Was? Wie? Wofür?", fragte ich verwirrt und er seufzte leise. "Es war falsch von mir, dich nicht über mein Vorhaben aufzuklären, wo es immerhin dein Wohlergehen betraf", erklärte er und warf mir einen reumütigen Blick zu. Nun seufzte ich und schüttelte erschöpft den Kopf. "Nein, Thorin. Ist schon okay. Ich. Ich hab einfach nur scheiße darauf reagiert. Ich. Ich bin es schlichtweg nicht gewohnt, dass sich mal ausnahmsweise jemand um mich kümmert. Bisher war das immer nur anders herum. Und es macht mir sehr zu schaffen, dass das jetzt auf einmal so ist. Weißt du, eigentlich freut es mich, dass du mir damit eine Freude bereiten wolltest. Nur muss ich mich immer noch an dich und deine besonderen Lebensweisen und Einstellungen gewöhnen", erklärte ich ruhig, woraufhin sein Mund sich immer mehr von einem Schmunzeln zu einem strahlenden Lächeln formte. "Ich denke, da bist du nicht die Einzige, die sich von jetzt an, an einiges gewöhnen muss", meinte er und in seiner tiefen Stimme schwang neben einer Spur Belustigung auch ein gewisser Hauch von Zärtlichkeit mit, der mir einen wohligen Schauer über den Rücken trieb und meinen Lippen ein leises Keuchen entlockte. Wenig später legte er dann seine Stirn an meine und sah mir tief in die Augen. Ich erwiderte den Blick und lächelte auch ein wenig breiter. Nun wurde mir erneut klar, was für sture kleine Dummköpfe wir eigentlich beide waren. Aber trotzdem, fanden wir nach unbestimmter Zeit wieder auf einen gewissen Nenner, um uns zu vertragen. Allerdings blieb da noch eine Sache offen, die er in dem Zusammenhang natürlich noch ansprach, während die Toten Hosen in den Lautsprechern erstarben und ein weiterer Kuschelsong erklang, der nicht Besser hätte passen konnte. Es war 'Ti Amo_ in der Version von Umberto Tozzi und Monica Bellucci aus dem Film 'Asterix Mission Kleopatra', zu dem wir uns weiter in dieser langsamen Drehung bewegten. Eigentlich viel zu schnulzig für diese Veranstaltung und erst recht nach den rockigen Hosen. Aber für den Augenblick, den ich mit dem Zwergenkönig auf der Tanzfläche verbrachte, einfach nur perfekt. So fragte mich Thorin, während die italienischen Floskeln auf uns nieder gingen: "Hast du es dir mit meinem Angebot vielleicht doch noch einmal überlegt?" Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Ich musste ganz tief in mich gehen, um meinem inneren Schweinehund einen Maulkorb anzulegen. Dann öffnete ich die Augen wieder und sah ihn ruhig an als ich ihm antwortete: "Ja. Ich nehme es liebend gerne an Thorin." "Wirklich?", hakte er noch einmal nach und warf mir einen sehr überraschten und ungläubigen Blick zu. Ich nickte nur mit einem sanften Lächeln und erwiderte: "Du hast schon richtig gehört. Ich nehme es an." Was mich dann traf, war der unvergesslichste Moment des ganzen Abends. Während die Musik zu ihrem Höhepunkt anschwoll, blieb der Zwergenkönig abrupt auf der Stelle stehen, umschlang mich sanft, aber dennoch fest mit seinen kräftigen Armen und hauchte mir das schönste aller Wörter in seiner Sprache zu das ich je gehört hatte. Und für das ich definitiv keine Übersetzung von ihm benötigte. "Amrâlimê", drang es von seinen Lippen, ehe er mir diese, sanft, weich und warm auf den Mund presste. Sein Kuss war in diesem Augenblick so intensiv, dass er mich mehr berauschte, als die drei Gläser Apfelmet, die ich zuvor in mich rein gekippt hatte. Meine Augen überschlugen sich in ihren Höhlen, nachdem ich zusätzlich seinen wohltuenden Duft mit jedem Atemzug in meine Lungen sog. Vorsichtig rutschten meine Hände über seine Schultern hinweg, durch sein dichtes dunkles Haar und schließlich an seinen Nacken, wo ich sofort anfing ihn zu kraulen. Das tiefe, sonore Brummen, was daraufhin in seiner breiten Brust erklang, ließ mich leise aufstöhnen. Mein Mund öffneten sich daraufhin und er verinnerlichte den Kuss noch mehr, indem er seine weiche, warme Zunge über den Rand meiner Lippen schob, um die meine zu erreichen. Wenig später fühlte ich wie sich eine seiner Hände verselbstständigte und mich fest an meinem Gesäß packten, woraufhin unser beider Hüftregionen gegeneinander stießen. Was ich dort spürte, ließ meine Augen sehr weit auf springen und ich starrte ihm doch etwas erschrocken ins Gesicht. Heiliger Strohsack! Das Gerät konnte ich ja selbst durch den dicken Jeans-Stoff fühlen. Er schenkte mir unterdessen seinen entspannten Schlafzimmerblick und auf seinen Lippen formte sich, während dem Kuss ein wissendes Schmunzeln. Aber da war mehr. Viel mehr. In seinen hellen, blauen Augen brannte es plötzlich, wie ein Feuer im ewigen Eis. Keuchend blickte ich tief in diese hinein. Ich erkannte, dass es ohne Zweifel das pure Verlangen war. Und ich hoffte tatsächlich, dass eben jenes in dieser Nacht auch noch von mir besitzt ergreifen würde. Doch bis es soweit war, gaben wir uns zunächst nur unseren Küssen und Berührungen hin. Während bereits draußen am Sternenklaren Himmel zum Klang von Ti Amo, knallend das leuchtend bunte Abschiedsfeuerwerk erstrahlte. - 66. Die letzten Stunden / Ende - Kapitel 67: 67. Aufklärungsunterricht ------------------------------------- Ob es nun am Alkohol lag oder an der Tatsache, dass mir bereits seit dem Mittagessen der Sinn nach inniger Zweisamkeit mit den Zwergenkönig stand, so war dieses Gefühl nach dem kleinen Tänzchen und dem heftigen Herumknutschen mit ihm nur noch stärker geworden. Wobei ich nun doch fast sicher war, dass der Apfelmet, den ich intus hatte, seinen Hauptanteil daran trug, dass ich mehr und mehr meine Hemmungen verlor. Allerdings nicht so viel, dass ich den kleinen bärtigen Mann vor mir angefallen hätte, wie ein durchgeknalltes Karnickel. Und auch er schien insgeheim etwas dagegen zu haben, dass wir uns einander direkt in der aller Öffentlichkeit hingaben. So war es nicht verwunderlich, dass er sich nach einer gefühlten Ewigkeit von meinen Lippen löste und zunächst etwas atemlos schnaufte. "Mahal steh mir bei. Du treibst mich in den Wahnsinn, Weib", murmelte er und legte wieder seine Stirn an meine. Auch ich musste einige Male tief Luft holen, wobei ich wieder seinen betörenden Duft in meine Lungen zog, der es mir nicht leicht machte weiter bei klarem Verstand zu bleiben. Auch dass sich unsere Hüftregionen immer noch eng und fest aneinander pressten, weil er den Griff an meinem Allerwertesten kein bisschen lockern wollte, machte es nur umso komplizierter. Hinzu kam, dass mich ein heftiges Schwindelgefühl heimsuchte, dem ich mich nur schlecht entziehen konnte. Einerseits war es unglaublich schön so nah bei ihm zu sein, aber andererseits drängte es mich danach einen Augenblick an die frische Luft zu gehen. Denn nicht nur Thorin's Duft stiegt mir in die Nase, sondern auch noch ein anderer, der wesentlich unangenehmer war. Nämlich der der Nebelmaschine, die inzwischen das Zelt so mit ihrem süßlich riechenden, künstlichen Dunst durchzogen hatte, dass einem richtig übel davon werden konnte. Vor allem wenn man schon extrem beschwipst war. Ich schloss leise stöhnend die Augen und versuchte meinen wabernden Geist wieder unter meine Kontrolle zu bringen. Was allerings leichter gesagt als getan war. Auber es musste gehen. Irgendwie. Doch es war unglaublich anstrengend dagegen anzukämpfen. Das merkte spätestens auch der Zwerg, der mich immer noch schützend und wohl behütet in seinen Armen hielt, als mein Körper leicht anfing zu zittern. "Cuna?", fragte er leise, doch ich gab zunächst keine Antwort, da ich mich bemühte auf meinen wackligen Beinen stehen zu bleiben, wobei ich einen Ausfallschritt zur Seite machte, weil mir die Knie nachgaben und mich Thorin automatisch fester zu packte. " Was in Durins Namen? Cuna, ist dir nicht wohl?!", fragte er etwas lauter, als mein Kopf während meines beinahe Sturzes von seiner Stirn rutschte, aber weich an seiner Schulter landete. Meine Hände lösten sich wenig später in seinem Nacken und hingen danach nur noch schlaff zu beiden Seiten seines Körpers runter. "Es ist nichts schlimmes. Mir ist nur übel", nuschelte ich und versuchte mich wieder gerade hin zu stellen, was mir mehr schlecht als recht gelang. "Dir ist übel? Wovon?", hakte er nach und legte eine Hand an meinen Hinterkopf, um diesen zu streicheln. "Ich hab glaube ich zu viel Met getrunken", erklärte ich und versuchte den Kopf wieder etwas anzuheben. "Wie viel hattest du denn?", fragte er etwas energischer, während er mich so gut er konnte von der Tanzfläche führte. Was zumindest noch ansatzweise funktionierte, da ich durch seine Hilfe nicht mit meinem vollen Gewicht die Beine belastete. Auf seine Frage hin zuckte ich nur unwillkürlich mit den Schultern und seufzte. "So drei oder vier Gläser. Denke ich", gab ich kurz und knapp zur Antwort. Ich spürte, wie sich sein Kopf leicht zu einem Nicken bewegte und er ein leidiges Seufzen von sich gab. "Du bist wahrlich nicht trinkfest", brummte er mir beiläufig ins Ohr. Langsam aber sicher schafften wir es aus dem Gedränge heraus zu kommen, dass sich inzwischen etwas gelichtet hatte, weil viele nach draußen gerannt waren, um das Feuerwerk zu bewundern. Die "Oh" 's und "Ah" 's waren selbst bei der Musik im Zelt deutlich zu hören. Genau wie das platzende, pfeifende und knallende Geräusch der Raketen, die gen Himmel schossen. Und ich bemerkte, dass es von mal zu mal lauter wurde, je weiter mich der Zwergenkönig mit sich schleppte. "Wo bringst du mich hin?", fragte ich leicht verwirrt, da ich irgendwann nicht mehr wusste wo wir uns genau im Zelt befanden. "Nach draußen. Raus aus dieser widerlich, stinkenden Luft. Damit du wieder nüchtern wirst", meinte er knapp und zerrte weiter an mir herum. Inzwischen hatte er einen kleinen Stellungswechsel vorgenommen, indem er sich einen meiner Arme über die Schulter gelegt und mich an der Hüfte gepackt, an der Seite seines stämmigen Körpers fest hielt. So wankte er mit mir behutsam und einen Fuß vor den anderen setzend aus dem Fisse Ma "Tent" Chen. Sofort nachdem wir den Eingang passiert hatten, schlug mir die wesentlich kühlere, frische Abendluft entgegen. Ich fühlte im ersten Moment große Erleichterung, als ich einmal ganz tief Atem holte. Doch im Nächsten bereute ich es zutiefst. Der Wechsel von warm zu kühl und von stickig zu frisch, traft meinen Kreislauf so hart, wie ein Amboss, den man aus dem zehnten Stock nach mir geworfen hatte. Dieser plötzlich Klimaschock und das bereits vorhandene Schwindel- und Übelkeitsgefühl fuhren mir bis tief in die Magengrube, die umgehend begann mahnend zu grummeln und zu rumoren. Sofort klatschte ich mir eine Hand vor den Mund und presste die Zähne fest zusammen, während ich noch kurz einmal "Scheiße" zischen konnte. Dann konnte ich mich gerade noch ruckartig von Thorin los reißen, der völlig perplex von meiner Reaktion am Zelteingang stehen blieb. Ich stolperte fast panisch neben und hinter das Barzelt, wo ich mich unter einem riesen "Hallo" in den erst besten Busch übergab und somit meinem Abendessen wieder Guten Tag sagen durfte. Na bravo! Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ausrechnet nach diesem atemberaubenden, wundervollen und denkwürdigen Moment musste mir DAS passieren! Dabei erinnerte ich mich sogar nun schmerzlich daran, dass man mich einst davor gewarnt hatte im angetrunkenen Zustand aus einem stickigen Raum an die frische Luft zu gehen, weil eben DAS genau DANN geschehen würde. Zum Glück hatte ich schnell genug auf das kurze Warnsignal meines Körper reagiert, sonst hätte das sehr unangenehm werden können. Und zwar in dem Fall für meinen Begleiter, der sich wenig später zu mir gesellte, als ich vornübergebeugt und die Hände auf den wackligen Knien abgestützt, über den dunklen Busch hing. Ich bemerkte allerdings erst, dass er da war, nachdem eine Hand meine Haare zusammen fasste und eine andere sanft gegen meine Stirn drückte, damit ich nicht plötzlich das Bewusstsein verlor. "Bei Durins Bart. Hättest du mir nicht irgendetwas sagen können, bevor du einfach Bildlinks drauf los stolperst?", fragte er sowohl vorwurfsvoll als auch besorgt, als ich mich endgültig allem entledigt hatte, was sich noch in meinem Magen befand. "Dafür hatte ich nun wirklich keine Zeit mehr. Ich hätte dich ja auch voll kotzen könne, wenn dir das lieber gewesen wäre, Herr Eichenschild", keuchte ich erschöpft und spuckte noch ein paar mal auf den Boden. "Nun sei nicht gleich wieder so abweisend, Weib. Ich war in größter Sorge. Du hättest stürzen und dich schwer verletzen können", meinte er, ließ mein Haar los und streichelte mir anschließend beruhigend über den Rücken. Mein ganzer Körper zitterte vor Anstrengung und kalter Schweiß bildete sich auf meiner Haut. Es war mir so unendlich peinlich, dass er das hatte miterleben müssen. Ich hasste es wirklich wenn mir jemand bei so etwas zu sah. Vor allem wenn es Personen waren, die ich sehr liebte. Auch wenn es ihm offensichtlich wenig ausmachte, denn er beugte sich etwas später langsam bis auf Augenhöhe runter und murmelte leise: "Geht es wieder? Brauchst du vielleicht etwas?" Ich ruckte nur unwillkürlich mit dem Kopf und den Schultern, während ich versuchte mich vorsichtig wieder aufzurichten. "Ich glaube, ich muss mir den Mund ausspülen", gab ich knapp von mir und atmete ein paar Mal tief durch, während ich nach meinem Gleichgewichtssinn suchte, der sich weiß Gott wo verkrochen hatte. Der Zwergenkönig klopfte mir unterdessen ruhig und seufzend auf den Rücken. "Gut. Ich werde dir etwas geben. Aber zuerst bringe ich dich zum Zelt, wo du dich hinlegen kannst. Das ist das vorerst wohl ratsamer", meinte er, warf er sich wieder einen meiner Arme über die Schulter und legte seinen eigenen als zusätzliche Stütze an meine Hüfte, für den Fall, dass ich mich doch noch auf die Nase legte. Natürlich empfand ich seine Bemutterung mal wieder mehr als unnötig. Obwohl ich sie ja dieses mal ausnahmsweise tatsächlich etwas nötig hatte. Aber in dem Fall war ich ihm mit meinem kleinen Sturkopf wohl auch ein bisschen ähnlich. Weshalb ich mir dementsprechend ein protestierendes gemecker nicht verkneifen konnte. "Ich brauche nicht zu liegen. Ich kann auch sitzen, Thorin", maulte ich ein bisschen, als ich auf ihn gestützt und schlaff wieder einen Fuß vor den anderen setzte. "Keine Widerrede. Du tust jetzt gefälligst, was ich dir auftrage. Ich möchte nicht, dass du endgültig zusammen brichst. Hast du verstanden?", sagte er in strengem Ton und mit ernster Miene, die von den bunten Lichtern am Himmel schwach erleuchtet wurde. Ich nickte nur mit einem matten Seufzen, während wir gemeinsam in Richtung des Großen Lagerfeuers schritten. An dem standen oder saßen nun alle, die sich noch im Fisse Ma "Tent" chen aufgehalten hatten, um beim Finale des Feuerwerkes zu zu sehen, welches über dem allgemeinen Platzgeschehen erstrahlte. Im langsamen Vorbeigehen erhaschte ich hier und da einen Blick auf meine Freunde, die eng beieinander standen und mit offenen Mündern nach Oben schauten. Vereinzelt sah ich auch Zwerge, die entweder miteinander ins Gespräch vertieft waren, Pfeife rauchten oder wie beispielsweise in Ori's, und zu meiner Überraschung auch Fili's Fall, ein Menschenmädchen im Arm hielten. Ich blinzelte ein paar Mal und musste dann breit grinsen als ich erkannte, wen der blonde Junge sich da geschnappt hatte. Da saß nun Jana, die junge Frau vom Nachmittag ganz dicht und völlig verschüchtert neben ihm auf dem Erdwall und starrte auf den Boden anstatt in den Himmel, wobei er immer wieder auf sie einredete und nach oben zeigte. "Was ist los, Cuna? Warum bleibst du stehen?", fragte mich eine tiefe, dunkle Stimme an meinem linken Ohr. Damit registrierte ich erst wieder, dass ich den Mann an meiner Seite vor lauter Neugier und Faszination völlig vergessen hatte. Ich zuckte kurz zusammen und drehte meinen Kopf zu ihm. "Ach nichts. Ist schon gut", sagte ich, doch schon hob er argwöhnisch die dichten Augenbrauen in die Stirn und warf seinen strengen Blick an mir vorbei, auf das Geschehen, was ich bis eben noch betrachtet hatte. Wenig später entfuhr ihm ein verächtliches Schnauben und er schüttelte ungläubig den Kopf. "Dieser dumme Junge. Er sollte sich bloß keine Frau aus dieser Welt nehmen. Die bringen einem nur Scherereien", sagte er ein wenig abfällig ohne mich anzusehen. "Hey!", warf ich ihm protestierend entgegen, doch schon legte sich ein leicht gehässiges Schmunzeln auf seine Lippen, ehe er mich mit einem sanften Druck an meiner Hüfte weiter zum Zelt führte. Am Eingang schnappte sich der kleine Mann eine Laterne, die sie angebracht hatten, weil sie in der letzten Nacht kein Lagerfeuer mehr brennen lassen wollten, aber trotzdem ihr Zelt irgendwie wieder finden mussten. Danach brachte er mich sicher hinter den Vorhang, wo zuvor noch meine Liege gestand hatte und mich nun eine kleine Überraschung erwartete. Na gut, ich hatte schon damit gerechnet, dass ich mein Schlaflager am Boden vorfinden würde, aber nicht, dass dort noch ein Zweites genau neben meinem errichtet worden war. Ich blinzelte verdutzt, hob die Augenbrauen weit in die Stirn und sah den Zwergenkönig mit fragender Miene an. Er aber vermied es meinen Blick zu kreuzen, stellte die Laterne am Kopfende zwischen den beiden Plätzen ab und setzte mich so behutsam er konnte auf der linken Seite ab, ehe er sich auf der anderen nieder ließ und nach seinem Rucksack griff, der sich ebenfalls dort aufhielt. Er zog den Wasserschlauch hervor, den er mir schon ein Paar mal gereicht hatte, wenn es mir richtig schlecht gegangen war und hielt ihn mir auch dieses mal auffordernd unter die Nase. Zaghaft nahm ich einen kleinen Schluck daraus. Das köstliche Wasser oder was auch immer sich darin befand, benetzte unwilkührlich meine Kehle, die sich nach der kleinen Kotzaktion ziemlich kratzig anfühlte und leicht schmerzte. Aber als die Flüssigkeit diese Stellen berührte, stellte sich nach einigen Augenblicken eine wohltuende Linderung ein, die auch dabei half, dass ich wieder wesentlich nüchterner und klarer im Kopf wurde. Nachdem ich einen ordentlichen Zug genommen hatte, reichte ich Thorin seinen Schlauch zurück, den er wieder weg steckte. Daraufhin sah er mich ruhig und erwartungsvoll an. "Fühlst du dich schon besser?", fragte er und musterte mein Gesicht eingehend. "Ja. Schon wieder wesentlich besser. Aber sag mal, was hast du eigentlich da drin? Das ist doch kein gewöhnliches Wasser oder doch?", erwiderte ich und er nickte leicht. "Das ist richtig. Es ist kein gewöhnliches Wasser. Es stammt aus den Quellen des Götterreiches und besitzt aufgrund seiner Reinheit besondere Kräfte, die nicht nur Wunden besser und schneller verheilen lassen, sondern auch Schmerzen lindern und Krankheiten verhindern", erklärte er ruhig. Meine Augen wurden immer größer als ich ihm zuhörte. Am Ende gab ich ein anerkennendes Pfeifen von mir. "Also deshalb musste ich kaum noch Schmerzmittel nehmen, nachdem Oin meine Nase gerichtet hat. Ori's Gesicht sah nach drei Tagen auch wieder so aus, als wäre nie etwas passiert. Und als ich deine Schusswunde heute Mittag untersucht habe, war die schon so gut wie verschwunden", platzte es aus mir heraus und Thorin nickte bestätigend. "So ist es. Jeder von uns besitzt einen Schlauch voll davon, sollte es zu unerwarteten Zwischenfällen kommen. Allerdings ist es unwirksam bei tödlichen Wunden", ergänzte er nachträglich. "Wow. Das ist ja wirklich ein wahres Wunderwasser. Wenn man das in Flaschen abfüllen und dann hier verkaufen würde, dann wäre man binnen Wochen Millionär", meinte ich etwas unachtsam und fing mir daraufhin von ihm einen leicht schälen und sogar beleidigten Blick ein. "Ich hoffe für dich, dass das nur ein dummer Scherz war, Cuna. Das Wasser ist eine Gabe der Götter. Einen solches Geschenk verkauft man nicht einfach um sich zu bereichern. Das ist respektlos", raunte er wieder sehr barsch und verschränkte grantig die Arme vor der Brust. Ich seufzte kurz und ließ den Kopf etwas hängen. "Tut mir leid. So war das gar nicht gemeint", gab ich etwas tonlos von mir und zupfte dabei verlegen an dem Fell herum auf dem ich saß. Mir war völlig entfallen, wie konservativ die Zwerge eigentlich waren, auch wenn es da bei Thorin etwas hinfällig war, seit wir zusammen waren. Vermutlich konnte ich es mir aber auch nicht vorstellen, wie es war Götter zu haben und diesen auch selbst begegnet zu sein. Bei mir war es mit dem Glauben an solche übernatürlichen Wesen sowieso ziemlich weit her, da ich Religion als eher unnötig und langweilig empfand. Aber trotzdem hatte mich das Schicksal eines Besseren belehrt. Denn wie käme ich sonst dazu, allein mit einem leibhaftigen Zwergenkönig in einem Zelt zu sitzen und dessen Nähe genießen zu dürfen? Oder eine ganze Truppe draußen vor den Zelten und auf dem Platz herum laufen zu sehen? Um so etwas zustande zu bringen, hätte ich entweder im Koma liegen oder eben unter starken Drogen stehen müssen. Da Beides definitiv ausfiel, aufgrund der Tatsache, dass ich mir selbst in meinen kühnsten Träumen nicht so einen Schwachsinn hätte einbilden können, war es wohl eiskalte Realität. Auch wenn ich immer wieder hoffte, dass es doch ein Traum war. Und sei es nur um dem nächsten Morgen entgehen zu können, der nun wo ich wieder klar im Kopf war deutlich schmerzhaft an meinem Herzen herum nagte. Während ich reuevoll und bedrückt vor Thorin saß, entfuhr ihm nach einem längeren Schweigen zwischen uns ein tiefes Seufzen und seine raue, warme Hand legte sich ruhig auf meine, die er ganz sanft drückte. "Ich weiß, dass du es nicht so gemeint hast. Sei einfach etwas vorsichtiger mit den Gedanken die du aussprichst. Außer du meinst es wirklich so", sagte er und rutschte etwas näher an mich heran. Ich hob den Kopf und sah ihm bedröppelt in sein ernstes Gesicht, ehe ich ihm zu nickte und sich hinter seinem dunklen Bart die Gesichtszüge langsam entspannten. "Gut. Und jetzt schau nicht mehr so betrübt. Schließlich haben wir nur noch wenig zeit miteinander. Und die wollen wir doch nicht in solch einer niedergeschlagenen Stimmung verbringen", sagte er dann und schenkte mir ein leichtes Schmunzeln. "Hast du deshalb deine Sachen hier hin gelegt?", fragte ich und er nickte knapp. "Ich wollte dir in diesen letzten Stunden die schönste Nacht deines Lebens schenken. Das heißt, wenn du mir dies gestattest", meinte er und rückte noch näher an mich heran. Schlagartig fühlte ich, wie sich in meinem Bauch wieder dieses Kribbeln ausbreitete, als würden die Worte seiner tiefen, dunklen Stimme, wie ein Schwall heißes Wasser meine Kehle hinunter fließen und mich von meiner Körpermitte aus erwärmen. Auch wenn mir dadurch erneut ein bisschen Flau im Magen wurde, da es ja eigentlich immer noch untersagt war, sich auf dem Platz so einander hinzugeben. Außerdem fürchtete ich, dass wir jeden Moment hätten unterbrochen werden können, wenn der Rest der haarigen Mannschaft beschloss schlafen zu gehen. Andererseits sorgte allein die Vorstellung in so einer verfangenen Situation erwischt zu werden, nun wieder dafür, dass es mich unterbewusst doch sehr reizte es mit ihm zu tun. Doch sollte ich den Zwergenkönig definitiv über dieses für und wieder aufklären, ehe ich mich endgültig entscheiden konnte. So rutschte ich leicht unruhig hin und her, während mein Kopf die Farbe einer überreifen Tomate annahm und ich meine andere Hand auf die von Thorin legte, welche immer noch auf der ersten lag. "Also. Also versteh mich nicht falsch. Es ist nicht so, dass ich das nicht wollen würde. Nein, ich will es eigentlich schon seit. Naja, ist unwichtig seit wann. Aber ich habe mich bisher nur dagegen ausgesprochen, weil man es nicht hier auf dem Platz machen sollte, da es die Zeltplatzleitung nicht gerne sieht. Außerdem hab ich angst, dass deine Männer uns hier erwischen könnten und eventuell dazu dumme Fragen stellen. Das wäre mir mehr als peinlich", nuschelte ich und sah ihn dabei reichlich verlegen an. Doch er gab nur ein ganz kurzes, belustigtest Schnauben von sich. Als ich ihn deswegen fragend ansah, lag in seinen wunderschönen, blauen Augen viel Zuversicht und eine Spur des Verlangens, welches mir bereits während dem innigen Kuss auf der Tanzfläche aufgefallen war. "Mach dir keine Sorgen. Niemand wird je von dem erfahren, was hier geschieht. Die Nacht ist noch jung. Und meine Männer werden sicherlich vorläufig nicht zurück zu den Zelten kommen. Dafür habe ich bereits gesorgt", murmelte er, legte seine noch verbliebene Hand an meine Wange und näherte sich dann ganz langsam meinem Gesicht. Doch gerade als er zu einem Versuch ansetzte, um mich zu küssen hob ich rasch zwei Finger zwischen meine und seine Lippen, woraufhin er mit verwirrtem Blick erstarrte. "Warte", sagte ich und er zog noch viel verwirrter den Kopf zurück. "Was hast du? Möchtest du nun doch nicht mehr?", hakte er nach und legte den Kopf schief. "Nein. Ich meine, Ja. Ähm, ich meine ich möchte schon, Thorin. Nur geht es mir gerade nicht darum. Ich. Ich will nur nicht, dass du mich auf den Mund küsst, wo ich mich doch eben erst... Ich meine. Es müsste dich doch eigentlich abstoßen", stammelte ich hastig und spürte, wie meine Wangen anfingen stärker zu glühen. Thorin schnaubte erneut belustigt und hauchte zärtlich, während er sich mir wieder näherte und dabei meine Finger hinab zog: "Nichts von dem, was eben geschehen ist, könnte mich davon abhalten deinen lieblichen Lippen fern zu bleiben. Nicht einmal so ein unglückliches Missgeschick. Denk einfach nicht daran." Damit war vorerst das letzte Wort zwischen uns gesprochen. Schon fühlte ich den sanften, weichen Druck, als sich sein Mund auf meinen legte und sein dunkler Bart mich leicht unter der Nase kitzelte. Seine Hand, welche meine auf dem Fell festgehalten hatte, löste sich rasch und umschlang wenig später meinen Rücken. Auf diese Weise drückte er mich endgültig an seinen breiten warmen Körper. Zunächst war es mir zwar noch etwas unangenehm, von ihm auf den Mund geküsst zu werden. Doch als ich sein Streicheln an meinem Rücken, seinen warmen Atem auf meiner Haut und den hämmernden Herzschlag in seiner breiten Brust fühlte, nachdem ich meine Hand darauf legte, war es schon wieder um mich geschehen und ich gab mich seinen Berührungen willenlos hin. Aber beim zärtlichen Beieinandersitzen sollte es nicht lange bleiben. Ehe ich mich versah, hatte er mich schon mit sich nach unten gezogen, sodass ich seitlich neben ihm lag und wir anfingen uns gegenseitig neugierig zu erkunden. Meine Hände, die inzwischen beide wieder frei waren, streichelten ihm sanft durch sein dunkles Haupthaar und den Bart entlang, während er sich schon daran machte hinter meinem Rücken unter mein T-shirt zu fahren, wo ich wenig später seine schweren rauen Handflächen auf meiner Haut spüren konnte. Zunächst blieb es nur bei diesen angenehmen Streicheleinheiten, die dafür sorgten, dass die Stellen, die er mit seinen Fingern berührte, leicht anfingen zu kribbeln und zu brennen. Ich ließ meine Hand einmal mehr durch sein dichtes schwarzes Haar in seinen Nacken wandern um ihm zu kraulen. Sein genüssliches Brummen, das mir aus seiner breiten, kräftigen Brust an meine Ohren wehte verschaffte mir eine heftige Gänsehaut, die sich vom Kopf bis zu meinen Zehenspitzen ausbreitete. Inzwischen war der kleine Mann schon eifrig dabei seine Hand nicht nur meinem Rücken sondern auch meine Taille und meinem Bauch zu zu wenden. Als er dort angelangt war schmunzelte er leicht an meinen Lippen und murmelte: "Ich kann es kaum erwarten, dort meinen Erben heranwachsen zu fühlen." Schlagartig bekam ich ein Gefühl, als hätte man mich aus einem angenehm warmen Schaumbad in einen Bottig mit Eiswasser geworfen. Na liebes Lieschen. Wollte der Herr tatsächlich schon damit anfangen mir Kinderchen zu machen? Und das obwohl ich nicht wusste, wann ich ihn wiedersehen würde? Gut, ich war mir ziemlich sicher, dass es noch innerhalb eines halben Jahres sein würde. Trotzdem widerstrebte es mir bereits zu diesem unpassenden Zeitpunkt damit anzufangen. Und man mochte mich für sehr altmodisch halten, aber es war mir wichtig, dass ich zuvor mit ihm verheiratete war, ehe ich überhaupt daran dachte mich zu vermehren. Was mir im übrigen immer noch leichtes Unbehagen bereitete. "Cuna?", drang plötzlich seine Stimme fragend an meine Ohren. Ich zuckte unwillkürlich zusammen, als ich diese leise und besorgt vernahm, da ich in meiner kleinen Grübelei meine Hände hatte inne halten lassen, was er natürlich sofort bemerkte. "Stimmt etwas nicht?", fragte er und hob irritiert die Augenbrauen, weil ich mich dem Kuss entzog und mir leicht auf die Unterlippe biss. Verlegen senkte ich die Augen, blickte unruhig hin und her rutschend nach unten und versuchte die passenden Worte für das zu finden, was gerade in mir vor ging. Es fiel mir ziemlich schwer. Auch aufgrund der Tatsache, dass wir so eng aneinander gekuschelt waren und ich ein ganz deutliches Pochen an meiner persönlichen Vordertür spürte, das mit Sicherheit nicht der Postbote war. Auch wenn es in beiden Fällen unangenehme Fracht mit sich führen konnte. Aber bevor er diese austragen konnte, wollte ich lieber sicher gehen, dass es vorläufig nichts Unerwünschtes war. So räusperte ich mich kurz und sah Thorin leicht verlegen an, ehe ich versuchte meine Worte passend auszuwählen. "Hör mal. Thorin. Ich weiß, du wünscht dir unbedingt Kinder. Aber. Bitte versteh mich da nicht falsch. Ich finde es ist noch viel zu früh dafür", murmelte ich leise, woraufhin er mir einen leicht unverständlichen Blick zu warf. "Was soll daran zu früh sein? Bis es heran gewachsen ist, werden noch viele Monate ins Land ziehen. Oder fürchtest du dich davor, dass ich nicht rechtzeitig wieder bei dir sein könnte, wenn du es bekommst?", fragte er und musterte mich ruhig. "Nein. Nein. Es geht nicht darum. Ich. Ich möchte nur eben bis nach der Hochzeit warten, bevor wir jetzt schon dazu über gehen Kinderzimmer einzurichten, die ich vorläufig sowieso nicht habe", erklärte ich leicht angespannt, worauf hin er mürrisch den Mund hinter seinem dunklen Bart verzog. "Du möchtest also diese Nacht nicht mit mir teilen", sagte er schlicht und wollte sich schon wieder von mir lösen, doch fasste ich ihn just am Arm und hielt ihn fest. "Doch, Thorin. Das will ich", meinte ich hastig. Nun trat völlige Verwirrung und Unverständnis auf sein Gesicht. "Kannst du dich mal entscheiden, Frau? Erst willst du, dann willst du nicht. Und nun willst du doch wieder", fuhr er mich sehr ungehalten an, sodass ich zusammen zuckte. Aber ich hatte bereits einen Plan im Hinterkopf, von dem ich ihn nur noch überzeugen musste. Ich hoffte nur, dass es nicht all zu schwer werden und an seinem Trotzkopf scheitern würde. "Jetzt hör mir doch endlich mal zu und schrei mich nicht gleich wieder an. Ich möchte dir die Sache in Ruhe erklären", maulte ich zurück, woraufhin ihm der Mund zwar kurz aufklappte, um mir wohl zu widersprechen, er sich aber eines Besseren besann und diesen wieder mit einem leichten Nicken schloss. Nachdem ich mir sicher war, dass er mir zuhören wollte, begann ich ihm vorsichtig meine kleine Idee näher zu bringen und somit schmackhaft zu machen. Denn mehr als Nein konnte er dazu schließlich nicht sagen. "Also pass auf. Du hast mich ja schon einige Male gefragt, wozu dieses Päckchen gut sein soll, das ich am Piratentag Moe in die Hände gedrückt habe", sagte ich und er nickte erneut bevor ich fort fuhr, "Nun in diesem Päckchen sind noch eine Menge von kleineren und darin befindet sich etwas, was man genau für so einen Augenblick nutzen kann. Es handelt sich dabei um. Nun ja sagen wir, kleine Überzieher für deinen. Ähm. Also, das da unten meine ich. Und damit können wir dann trotzdem eine schöne Nacht haben, ohne dass ich gleich in freudiger Erwartung bin", erklärte ich so einfach es nur möglich war. Sicherlich hatte man in Mittelerde noch nicht die Wörter Kondom und Verhütung erfunden und mit Fachbegriffen, sowie allgemeiner Umgangssprache für das männliche Geschlechtsteil, wollte ich ihn genauso wenig überfordern. Außerdem kam ich mir schon innerlich ziemlich albern vor, wie ich versuchte einem zweihundert Jahre alten Zwerg, wie einem kleinen Kind das Ganze so schonend wie möglich beizubringen. Und wie nicht anders zu erwarten, wurden mit jedem Wort seine Augen ein Stückchen größer. Nachdem ich meine Erläuterungen beendet hatte, stand ihm der Mund ein klein wenig offen und man sah seinem Gesicht deutlich an, dass sein Zwergenhirn wohl angestrengt versucht zu begreifen, was ich ihm genau für ein Angebot unterbreitete und wie er dies für sich abzuwägen hatte. Nach einigen geschlagenen Minuten fand der kleine Mann endlich seine Stimme wieder und fragte: "Also. Diese. Diese Überzieher oder wie du sie nanntest. Sind für mein Gemächt gedacht, damit du nicht sofort Mutter werden kannst? Sehe ich das richtig?" "Mehr oder weniger, ja. Die haben zwar noch andere Funktionen und nicht alle davon haben mit dem eigentlichen Zweck zu tun. Aber ja. Doch. Das wäre in diesem Fall der Sinn", meinte ich und lächelte etwas süffisant. Langsam aber sicher hob sich skeptisch eine seiner dunklen Augenbrauen in Richtung Haaransatz, was mich fast dazu veranlasste ihn auszulachen, da ihm das einen durchaus dümmlichen Gesichtsausdruck verlieh. Aber so wirklich zum Lachen war ihm dabei nicht, was sich auch sehr in seiner angespannten und argwöhnischen Stimmlage nieder schlug, als er mich sehr direkt fragte: "Warum in Durins Namen trägst du so etwas mit dir an einem Ort wie diesem herum?" Ich schluckt und spürte wie meine Wangen wieder heiß und knall rot wurden. "Naja. Also. Die waren eigentlich dafür gedacht, um am Piratentag Wasserbomben zu bauen. Weißt du, obwohl die relativ klein aussehen, passt da eine ordentliche Menge Wasser rein", nuschelte ich und zupfte verlegen an dem Fell herum auf dem ich lag. Der Zwergenkönig gab ein kurzes abfälliges und unglaubwürdiges Schnauben von sich, bevor er erneut dazu ansetzte nachzudenken. Ich zupfte unterdessen weiter vor mich hin und biss mir auf die Unterlippe. Ich war mir wirklich nicht sicher ob ihm meine Idee nun gefiel. Bestimmt hielt er das Zeug für den größten Schwachsinn, von dem er je gehört hatte. Aber ich sah es als einzige Alternative um in dieser Nacht doch noch etwas schönes erleben zu dürfen. "Zeig mir diese Dinger", sagte er plötzlich und ich schreckte überrascht aus meinen Gedanken hoch. "Du. Du willst sie sehen?", hakte ich nach und er nickte mir zu. Ich hob leicht erstaunt die Augenbrauen in die Höhe und nickte ihm dann mit leicht geöffnetem Mund entgegen. "Warte kurz", sagte ich hastig, löste mich aus seinen kräftigen Armen und kroch zu einem meiner Rucksäcke, wo ich die Kondomschachtel in einer der Seitentaschen verstaut hatte. Diese war nach der ganzen Tortur auf der Zeltstadt schon gewaltig ramponiert, weshalb ich mir sofort einen der Gummiringe, die portionsweise in kleinen silberfarbenen Päckchen verschweißt waren, hervor ziehen konnte. Danach kroch ich wieder zu dem erwartungsvoll drein blickenden Zwerg zurück, der sich auf einen Arm gestützt hatte, damit er sehen konnte was ich da an schleppte. Schließlich hielt ich ihm das Teil einfach unter die Nase. Diese rümpfte er wenig später und riss es mir aus der Hand. "Das ist es also?", hakte er nach und drehte es von links nach rechts. "Nun ja. Nicht wirklich. Es ist da drin. Du musst es schon auspacken", erklärte ich ihm, was er prompt versuchte. Worin er sich aber sehr ungeschickt anstellte, sodass es ihm hin und wieder aus den Händen rutschte. Irgendwann fluchte er sehr laut und riss es schließlich einfach aus lauter Frustration mit den Zähnen auf. Umgehen landete das kleine unscheinbare, zusammengerollte Latexding auf der Felldecke und grinste uns beide von unter her an. Thorin spuckte die Verpackung aus dem Mund und besah sich das Teil zunächst ohne es zu berühren. Dann langte er vorsichtig mit einer Hand danach und zuckte jäh zurück, als er es zum ersten Mal berührte. Etwas angewidert verzog er das Gesicht, wo er zum zweiten Mal danach ausholte und es sich in die offene Hand legte. "Was für ein abstoßendes, glibbriges Ding. Und du verlangst wirklich von mir, dass ich DAS an meinem Gemächt tragen soll?", fragte er mit angewidertem Ton, als er es einige Sekunden richtig in Augenschein genommen hatte. "Zunächst einmal, verlange ich gar nichts von dir, Thorin. Es war ein Vorschlag, den ich dir machen wollte, damit wir trotzdem untereinander Vertraulichkeiten austauschen können. Wenn du es aber ablehnst, muss ich dich leider auf reines Kuscheln vertrösten, was mir im übrigen genauso wenig passt", sagte ich zwar ruhig aber dennoch leicht beleidigt. Wieder trat Schweigen zwischen uns ein, als der Zwergenkönig weiter auf das wabernde, glitschige Teil in seiner Hand hinab starrte und sich sein Gesicht immer mehr verfinsterte, je länger er darauf schaute. Schließlich rang er sich allerdings doch zu einer eindeutigen Entscheidung durch. "Mahal. Also meinetwegen. Wenn es dich zufrieden stellt, soll es mir recht sein. Aber du zeigst mir gefälligst, wie ich dieses kleine Ding da anzuziehen und zu tragen habe", maulte er und ehe ich mich versah, drückte er mir den Gummiring zurück in die Hände und machte sich an seiner Hose zu schaffen. Wenig später hatte er es geschafft sich dieser halbwegs zu entledigen und gab nun den verborgenen Inhalt frei, welchen ich des öfteren nur durch die ganzen Lagen von Stoff zu spüren bekommen hatte. Erschrocken fiel mir fast meine Kinnlage einige Stockwerke tiefer und beinahe auch meine Augen aus dem Kopf. Heiliger Strohsack! Das war ja bei weitem mächtiger, als ich erwartet hatte. Es war schon kein einfacher Schmiedehammer mehr, sondern ein wahrer Totschläger. Anders konnte ich es in diesem Augenblick einfach nicht beschreiben. Denn mein Kopf war bis auf das, was ich da sah, wie leer geblasen. Und das kam wirklich reichlich selten vor. So war es auch nicht verwunderlich, dass mir zum einen das Wasser im Mund zusammen lief und zum anderen einige sehr wirre Worte aus dem Mund schlüpften. "Es gibt doch einen Gott", stammelte ich und spürte, wie mein Herz anfing zu rasen und mir das Blut bis in die Haarspitzen trieb. Thorin seufzte unterdessen nur leicht genervt. "Ja Cuna, es gibt sogar mehr als nur einen. Nun beeil dich, dass du dieses Ding da drüber bekommst. Ich weiß nicht wie lange wir tatsächlich noch alleine hier sind", maulte er grantig und rollte sich auf den Rücken. Ich schluckte meinen See aus Speichel runter, der kurz davor war über zu laufen und kroch dann ehrfürchtig und mit dem Kondom bewaffnet zu seiner Hüftgegend. Nun war der große Moment für mich gekommen. Ich durfte mich zum aller ersten Mal erdreisten meine Hände an sein Heiligtum zu legen. Ich zitterte sehr vor Aufregung und mein Atem ging wesentlich schneller, als ich ganz vorsichtig mit meinen Fingern danach langte. Als ich es schließlich berührte zuckte es leicht und Thorin zog unwillkürlich scharf die Luft ein. Offenbar hatte er nicht erwartet, wie es sich anfühlen würde, wenn ihn dort eine fremde Hand anfasste. Ich schluckte erneut und schüttelte leicht den Kopf, damit ich bei Verstand blieb, als ich den Gummiring oben auf setzte und ganz vorsichtig und bedächtig nach unten rollte, woraufhin ihm ein sehr inbrünstiges Stöhnen entfuhr. Ich keuchte einen Moment, als es mir an die Ohren wehte und bevor ich noch etwas anders tun konnte, hatte er sich ruckartig aufgerichtet, mich an den Armen gepackt und zu sich nach unten auf die Decken gezogen, wo er umgehend anfing mich wie ein Besessener zu küssen und zu liebkosen. Bald waren in dem kleinen Handgemenge, in dem wir aufgrund dieser nun sehr angeheizten Stimmung gefangen waren, unsere Kleider in sämtlichen Ecken hinter dem Vorhang verschwunden und er stützte sich bereits über mir liegend mit seinen kräftigen Armen ab. Ich keuchte ein wenig vor Aufregung und sah zu ihm nach oben. In seinen wunderschönen, eisblauen Augen brannte nun mehr denn je das Verlangen, was er schon seit dem Mittag zurück gehalten hatte. Jeden Augenblick würde es soweit sein. Der Moment an dem wir uns zum allerersten mal miteinander vereinigen würden. Doch bevor es soweit war, griff er noch einmal kurz nach der kleinen Laterne, hob das Glas etwas an und blies die Kerze aus. Danach konnte ich in der eingetretenen Dunkelheit nur noch fühlen, wie er sich wieder auf mich senkte und mir noch einmal ganz zärtlich seinen Liebesschwur ins Ohr raunte, ehe wir uns endgültig miteinander vereinten. - 67. Aufklärungsunterricht / ENDE - Kapitel 68: 68. Bis wir uns wiedersehen --------------------------------------- In dieser Nacht bekam ich nur sehr wenig Schlaf. Auch weil sich der Zwergenkönig hin und wieder nach einem ganz kurzem Nickerchen dazu anschickte mir noch einige wundervolle Momente seiner Anwesenheit zu schenken. Doch als wir hörten, dass seine Männer zu den Zelten zurück gekehrt waren, kuschelten wir uns innig aneinander und versanken in einem warmen vernebelten Traumgebilde. Zumindest war es bei mir der Fall. Ich genoss während meines Wegdämmerns immer noch die zärtlichen Streicheleinheiten seiner schweren, rauen Hand auf meiner Haut, die mir den Rücken entlang fuhr und seinen warmen, ruhigen Atem auf meinem Gesicht. Doch kam es mir so vor, als hätte ich nur einen Moment die Augenlider geschlossen, bevor ich schon seine tiefe Stimme sanft in mein Ohr flüstern hörte. "Cuna. Cuna wach auf", murmelte er mir zu und rüttelte mich behutsam an der Schulter. Ich gab ein leises Murren von mir und nuschelte: "Nee. Mag noch nicht aufstehn." Er gab ein leicht belustigtes aber auch wehmütiges Seufzen von sich, was mich dann doch allmählich in die Realität zurück holte. Diese traf mich natürlich umgehend und sehr unvermittelt. Denn nicht nur meine Lebensgeister, sondern auch mein Verstand und mein Gedächtnis erwachten langsam wieder. Und damit verbunden eine Erkenntnis, die mir schmerzhaft ins Herz fuhr. Es war der Morgen des Abschiedes. Der Tag an dem ich Thorin vorläufig zurück nach Mittelerde ziehen lassen musste. Woran er mich auch prompt erinnerte, als er weiterhin versuchte mich zum Aufwachen zu bringen. "Cuna. Bitte. Es wird Zeit", sagte er und nun vernahm ich auch eine leichte Bitterkeit in seiner Stimme, die zuvor etwas an mir vorbei gegangen war. Vorsichtig und unter enormer Anstrengung öffnete ich die Augen und versuchte in die Dunkelheit unseres kleinen Liebesversteckes hinein zu spähen, was mir mehr schlecht als recht gelang. Es war einfach viel zu dunkel. "Wie spät ist es?", murmelte ich ihm bedröppelt entgegen und versuchte mir den Schlaf aus den Augen zu reiben, ehe ich lange gezogen gähnte. "Es ist kurz vor Dämmerungseinbruch. Wir sollten uns sputen. Das Wetter draußen scheint mir an diesem Morgen nicht das Beste zu sein", meinte er und richtete sich schon auf. Ich rollte mich auf den Rücken, fuhr mir einmal mit beiden Händen leise stöhnend über das Gesicht und blieb noch eine Weile so liegen. Dabei hörte ich auch, was er zuvor wohl gemeint hatte. Um uns herum vernahm ich das stetige, aber unregelmäßige Klopfen von schweren Regentropfen auf den Planen des Zwergenzeltes und denen der anderen Schlafgelegenheiten. Balin hatte mit seiner Aussage vom Vortag recht behalten. Schlechter konnte so ein Morgen gar nicht anbrechen. Ausgerechnet heute musste es schütten wie aus Eimern. Als wenn es nicht allein schon reichte, dass meine eigene Stimmung bereits mit "Zum Heulen" bezeichnet werden konnte. Nun weinte auch noch der Himmel um den Abschied. Zumindest gewittert es nicht, lief es mir kurz durch den Kopf, bevor mir Thorin mein T-shirt aufs Gesicht warf, damit ich doch endlich aufstand. Ein wenig murrend richtete ich mich auf und kam leicht wacklig auf die Beine. Junge, Junge. Die Nacht hatte mich mehr ausgelaugt, als ich dachte. Nicht nur, dass ich trotz dem heilenden Götterwasser einen leichten Kater verspürte. Nein, mein Körper war schon lange nicht mehr derartig beansprucht worden, dass es mir sichtlich schwer fiel aufrecht stehen zu bleiben, während ich meinen Kram zusammen suchte, den ich anziehen wollte. Noch dazu war ich hin und wieder leicht verpeilt, weshalb ich aus versehen ein falsches Kleidungsstück ergriff, das eigentlich Thorin gehörte. Das merkte ich aber erst, als er mich ruhig drauf ansprach, wo zum Beispiel seine Hose war, die ich in meiner verkaterten Stimmung angezogen hatte. Schließlich hatten wir es aber dann doch geschafft uns anständig zu sortieren. Gerade rechtzeitig, als sich der Vorhang aufschob und ein Zwerg mit Glatze und Laterne in der schweren Hand zu uns hinein bequemte, der ruhig aber dennoch ziemlich grantig fragte: "Seid ihr beiden fertig?" "Bald. Wir räumen noch die Decken zusammen. Dann können wir mit dem Abbau beginnen", kam es von Thorin, der sich schon wieder auf den Knien hockend befand und sein Schlaflager ordentlich zusammen rollte. Dwalin nickte und stellte das Licht bei uns ab, damit wir wenigstens sehen konnten, was wir dort anstellten. Nun erkannte ich auch, wie zerzaust und leicht mitgenommen der Zwergenkönig nach dieser Nacht aussah, was aufgrund seines ohnehin schon leicht wirren Haares eine Meisterleistung war. Doch wo seine schwarzen Locken sonst noch halbwegs ordentlich um seinen Kopf herum fielen, sahen sie dieses mal so aus, als hätte er in eine Steckdose gegriffen. Ich musste leicht belustigt kichern, als ich sah, wie er immer wieder versuchte die Strähnen, die ihm ins verschlafene Gesicht rutschten, weg zu pusten oder mit den Händen aus den Augen zu halten musste. Irgendwann knurrte er sogar genervt, trat einfach hinter dem Vorhang heraus ins Zelt und verschwand zunächst aus meinem Blickfeld. Ich hatte auch vorerst andere Dinge zu erledigen, da ich ebenso wie er versuchte meinen Schlafplatz ordnungsgemäß zu räumen. Als er aber wiederkam und ich aufblickte klappte mir der Mund auf. Sofort kehrte dieses Verlangen der letzten Nacht zurück, welches mir ein heißes Kribbeln im Unterleib bescherte. Thorin hatte sich nämlich aus lauter Frust in den Regen gestellt, damit sein Haarwust wieder gebändigt war und nun klatsch nass auf die Erde tropfend um sein majestätisches Gesicht herum viel. Doch nicht nur das ließ meinen Kopf wieder wie eine Warnleuchte erröten und sorgte für einsetzen einer heftigen Schnappatmung. Sondern auch die Tatsache, dass sein dunkles Leinenhemd oben herum ebenso feucht war und wie seine dunklen Locken fest an seiner Haut klebten. Das setzte dementsprechend seine breite Brust enorm in Szene, die sich deutlich unter dem Stoff anspannte, während er sich bewegte. "Alter! Sag mal musste das jetzt sein?", fuhr ich ihn unbedacht und leicht fahrig an, als er auch noch mit lässigen Schritten die nassen Strähnen nach hinten warf und sich wieder daran machte einzupacken. "Wovon sprichst du?", fragte er und überging damit mit einem leichten Augenrollen meine sehr moderne und für ihn doch recht unhöfliche Ausdrucksweise. Ich ignorierte das aber zunächst, schnaubte allerdings kurz und verzog beklommen den Mund. "Ich meine das. Na so wie du jetzt aussieht. Gott. Thorin. Trockne dich bitte ab", stammelte ich und schüttelte den Kopf um meine Worte zu sortieren. Er hob leicht die Augenbrauen und warf mir einen etwas verwirrten Blick zu. "Ich verstehe nicht, was du willst. Das wird von selbst trocknen. Und mach dir keine Gedanken. Ich werde mich schon nicht erkälten", sagte er und band seine Decken zu einer Rolle zusammen. "Das meine ich gar nicht. Es ist nur. Herr je. Mann. Du siehst gerade so unwiderstehlich aus, dass ich am liebsten die letzte Nacht mit dir auf der Stelle wiederholen will!", fauchte ich zähneknirschend, während ich ihn immer noch musterte. Nun schien er zu begreifen und ein leicht hinterhältiges Grinsen tauchte hinter seinem ebenso tropfnassen, schwarzen Bart auf. Langsam kroch er näher an mich heran, fasste mich an den Schultern und zog mich energisch an seine Lippen, was mir einige heftige Stromstöße durch den Körper trieb. Mir war klar was er damit bezwecken wollte. Doch das Spielchen konnte man wirklich wortwörtlich auch zu zweit spielen. Es verleitete mich nämlich dazu meine Hände zu heben und über seine Schultern in seinen Nacken wandern zu lassen, wo ich ihn liebevoll kraulte und er anfing genüsslich vor sich hin zu brummen. Seine Lippen fühlten sich von der spontanen Dusche im Regen ein wenig kühl und leicht klamm an, doch reizte mich das noch mehr. Genauso wie seine feuchten langen Haarsträhnen, in denen sich meine Finger verloren. Aber leider hielt er den Kuss nicht lange aufrecht, sondern löste ihn nach einem Moment wieder und fasste mir dann mit einer Hand unters Kinn, sodass mein Atem etwas aussetze, als er mir seinen liebevollen Schlafzimmerblick schenkte. "Du bist einfach unersättlich, meine Liebste", raunte er mit einer Stimme, die sich anhörte, wie frisch geschmolzene, warme Zartbitterschokolade. Mir entfuhr ein leises Keuchen und ich zog schnaubend vor aufwallender Hitze in meinem Bauch eine kleine Schnute. "Und du bist unmöglich, Thorin", erwiderte ich, griff nach der Leinendecke, die ich zusammen gerollt hatte und klatschte sie ihm dreist mitten ins Gesicht. Völlig perplex und überrumpelt wich er von mir zurück und begann leicht beleidigt zu grummeln. Ich kicherte etwas, als er die Rolle von seinem Gesicht runter nahm und mich verärgert musterte. Doch wenig später tauchte hinter seinem dunklen Bart wieder dieses hinterhältige Grinsen auf und er hob die Leinendecke etwas an. "So. Du wagst es also deinen König anzugreifen, Weib?", sagte er mit einer gefährlich klingenden, leisen Stimme, die nichts Gutes verhieß. Ich hörte umgehend auf zu kichern, als er sich ein wenig straffte und die Stoffrolle fest in beiden Zwergenhänden hielt. Etwas beunruhigt rutschte ich von ihm weg und grinste verunsichert. "Ähm. Ich. Also. Nein", stammelte ich, doch da war es schon zu spät. Der Zwergenkönig hob bereits die Rolle an und rief: "Mach dich auf meine Rache gefasst!" Schon begann er mit dem Ding auf mich ein zuhauen, aber nicht so fest, dass er mir weh getan hätte. Ich hob schützend den rechten Arm und begann aufgeregt zu schreien. "Thorin! Nein! Hilfe! Das ist unfair! Ich bin unbewaffnet!", rief ich ihm entgegen und versuchte ihm seine Waffe zu entreißen, was mir zu seiner eigenen Überraschung gelang. Daraufhin ging ich zum Gegenangriff über, doch auch er bewaffnete sich wieder und zwar mit dem was er zusammen gelegt hatte. So führten wir einige Minuten lang eine heftige Schlacht mit unserem Bettzeug, während dieser mich der kleine dunkelhaarige Mann aufgrund seiner kämpferischen Erfahrung irgendwann überwältigte, unter sich begrub und meine Arme fest auf den Boden neben meinem Kopf drückte. Triumphierend sah er mich von Oben herab grinsend an. "Willst du weiter aufbegehren oder hast du genug?", fragte er und senkte seinen Kopf zu mir hinunter. Ich schnaubte nur und zog eine Schnute. "Niemals! Von dir werde ich bestimmt nie genug bekommen", entgegnete ich, woraufhin er schmunzelte und mir noch einmal hastig einen flüchtigen Kuss aufdrückte. "Etwas anderes habe ich auch nicht von dir erwartet. Nun ist aber gut. Wir verlieren nur unnötig Zeit", sagte er und erhob sich endlich von mir. Ich seufzte leise und kam auch wieder in eine aufrechte Position. Thorin sammelte unser beider "Waffen" ein und schnallte sie an seinen Rucksack. Danach machte er sich am Vorhang zu schaffen, den er vom Zeltgerüst löste und somit den Blick auf das restliche Zelt preis gab. Die vier anderen Männer, die unsere kleine Rangelei konsequent ignoriert hatten, waren bereits dabei sich ihre Rüstungen über zu werfen und die echten Waffen an ihre Gürtel zu schnallen. Beziehungsweise, wie in Filis Fall irgendwo an verschiedenen Stellen seines Körper zu verstauen. Dieser sah ein wenig missmutig drein, als er die Schlafdecken an seinem Gepäck befestigte. Auch sein Bruder schien wenig begeistert von der bevorstehenden Abreise zu sein, was ich ihnen durchaus nachempfinden konnte. Den Einzigen, denen es wohl am leichtesten fiel, waren Balin und Dwalin, wo letzterer munter pfeifend die Waffenständer abbaute. "Endlich wieder zurück in die Heimat. Das wurde langsam wirklich Zeit. Diese Menschenwelt ist einfach nicht mehr zu ertragen", sagte dieser zu seinem Bruder gewandt. "Du hast recht. Ich freue mich auch wieder nach hause zu kommen. Wobei ich die Ruhe, die wir hier hatten sehr vermissen werde", meinte der alte Zwerg erheitert. Ich seufzte kurz, nachdem ich das hörte. Tja, Ruhe hatten sie hier wohl im Vergleich zu Mittelerde genug gehabt. Wo man sich ja augenscheinlich vorsehen musste, dass einem nicht mal die Bettwanzen im Schlaf massakrierten. Aber vermutlich war diesem rastlosen Völkchen ein bisschen mehr Abwechslung in der Tagesplanung lieber, als Tag ein Tag aus mit nichts tun beschäftigt zu sein. Wobei es in diesem Fall ja nun auch nicht so ganz stimmte. Sie hatten hier viel getan. Sie hatten gekämpft, einen Wachturm errichtet, einen Wall aus ihrem erichteten Wachturm gebaut und bei dem ein oder anderem Spiel fleißig mitgewirkt. So gesehen konnten sie sich eigentlich nicht darüber beschweren, dass bei ihnen Langeweile aufgekommen war. Aber mit Sicherheit hatte ich da ein anderes Empfinden als die Zwerge. Sie waren nun doch wesentlich fleißiger und Arbeitswütiger, wie wir Menschen. Jeder Arbeitgeber wäre sicher Stolz mindestens einen Zwerg dieser Truppe in seinem Handwerksbetrieb als Meister angestellt zu haben. Nur würde das wohl bedeuten, dass sie höhere Kosten aufgrund ihrer langen Lebenserwartung verursachten. Von den Rentenbezügen einmal abgesehen. Wobei ich auch nicht wusste, ob Zwerge überhaupt in Rente gingen, nachdem was ich von ihnen erlebt hatte. Aber sicher käme selbst bei ihnen irgendwann der Zeitpunkt, an dem sie sich zur Ruhe setzen mussten. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihnen das Alter nicht doch irgendwann zusetzte. Und auch bei ihnen würde irgendwann einmal der Gevatter mit der großen Sense an die Tür Klopfen, wenn es für sie Zeit war das Leben zu verlassen. Dieser Gedanke allerdings verunsicherte mich mit einem Mal etwas. Vor allem da ich wusste, dass alle von ihnen eigentlich schon einmal früher oder später den Tod gefunden hatten. Und wäre vermutlich nicht der Arkenstein gewesen, dann hätte es niemals diese schicksalhafte Begegnung in meinem Online Rollenspiel gegeben, welche mich nun stärker an sie band, als alles andere. Wo ich an mein Spiel dachte, fiel mir plötzlich siedend heiß ein, dass ich Thorin unbedingt noch meine neue Adresse geben musste. Natürlich für den Fall, dass ich ihn erst wiedersah, wenn ich bereits mein neues Quartier bezogen hatte. So stellte ich noch einmal meine Rucksäcke ab, die ich gerade beiseite räumte, damit besagter Mann weiter die Tücher abhängen konnte. "Du. Thorin?", fragte ich und er brummte kurz, um mir zu signalisieren, dass er zu hörte. "Sag mal, Werdet ihr eigentlich in euer richtiges Mittelerde zurückkehren oder in das, wo ich euch kennen gelernt habe?", hakte ich nach und musterte ihn fragend. "Wir kehren zunächst in unsere wahre Heimat zurück. Wo wir danach hin gehen werde, kann ich dir noch nicht sagen. Aber dieses andere Mittelerde wäre sicherlich ein guter Ort, um als vorläufige Bleibe für meine Sippschaft zu dienen. Doch sag, warum fragst du?", erwiderte er und faltete den Leinenvorhang zusammen. Ich seufzte kurz und biss mir etwas auf die Unterlippe, ehe ich ihm antwortete: "Ich wollte es nur wissen, weil ich irgendeine Möglichkeit brauche, damit wir in Kontakt bleiben. Immerhin musst du ja auch wissen, wo du mich finden kannst, sollte es bei dir mit deinen Angelegenheiten länger dauern." Er seufzte kurz und sah mich nachdenklich an. "Du hast recht. Es wäre schlecht, wenn ich wieder hier hin zurück käme und dich nicht mehr auffinden könnte", meinte er und begann die Decken zu stapeln. "Wie wäre es, wenn Ihr uns eine Notiz mit gebt, wo Ihr euren Aufenthaltsort und die Zeit darauf vermerkt. Dann wüsste Thorin immer, wann er euch dort antreffen kann", warf Balin ein, der unserem Gespräch gelauscht hatte. "Das ist natürlich eine Idee. Trotzdem könnte es schwierig werden, wenn ich gegebenenfalls in naher Zukunft einen Job bekomme. Dann müsste ich noch einen Tag vermerken, an dem ich mit Sicherheit da bin", meinte ich und kratzte mir am Hinterkopf. "Dann solltest du das tun, Weibstück. Noch sind wir da", kam es von Dwalin, der sich schon seinem Umhang über die breiten Schultern warf. "Ja. Hat den Jemand von euch irgendwas womit ich so was aufschreiben kann?", fragte ich woraufhin sich aber sämtliche Bärte schüttelten. "Bedauerlicherweise nicht, Cuna. Aber vielleicht haben ja deine Freunde etwas bei sich", meinte Kili und warf einen Blick nach draußen in den verregneten frühen Morgen. Ich folgte diesem und bemerkte, dass sich uns mehrere paar Taschenlampen näherten, die schlussendlich am Zelteingang stehen blieben und hinein leuchteten. "Guten Morgen", hörte ich die Stimme von Richi gut gelaunt unter der Kapuze seines dicken Trenchcoats hervor rufen. Die Mädels brummten nur leicht verpennt. Gerade Rainbow und Ani-Chan waren keine besonders begeisterten Frühaufsteher. Trotzdem freute es mich sehr, dass sie gekommen waren, um mit mir zusammen die Zwergen zu verabschieden. Diese baten sie auch umgehend ins Zelt hinein, was sie dankend annahmen. "Morgen ihr Vier", sagte ich als sie ihre Köpfe von den Kapuzen befreiten und trat ihnen entgegen. "Bah. Was für ein Sauwetter. Das ist die reinste Sintflut da draußen", maulte Rainbow und schüttelte sich etwas. "Nichts gewöhnt diese Menschen", raunte Dwalin woraufhin er sich von ihr einen vernichtenden Blick einfing. "Können wir euch vielleicht bei irgendwas helfen?", warf Chu ein, als Rainbow schon den Mund aufmachen wollte, um den Zwerg mit der Glatze an zupflaumen. "Uns nicht. Aber Cuna hätte da ein Anliegen an euch", kam es von Fili. "Worum gehts denn, Jacky?", fragte mich Ani-chan mit freundlichem Lächeln. Ich seufzte kurz und ließ etwas die Schultern hängen. "Also, ich wollte fragen ob einer von euch was zu schreiben dabei hat. Ich muss Thorin noch meine Adresse geben, damit er weiß wann ich wo zu finden bin", erklärte ich ihnen. Schon nickte Richi. Er hatte für solche Notfälle immer etwas dabei und griff in die Innenseite seines Trenchcoats, wo er einen Kugelschreiber, einen Schreibblock und zu meiner Überraschung auch die Fotos hervor holte, die ich am Vorabend beiseite gelegt hatte. "Hier hast du. Im Übrigen hat mir Frodo die Fotos gegeben, die du gestern Abend vergessen hast", sagte er und grinste mich an. "Danke dir fürs bringen", sagte ich und musterte die Bilder noch einmal der Reihe nach. Alle waren da. Genauso wie ich sie ausgesucht hatte. Doch als ich sie mir so besah kam mir eine kleine Idee und ich klickte einmal auf den Knopf des Kugelschreibers, damit sich die Mine ausfuhr. Ich schnappte mir dann das Bild auf dem mich Thorin am Piratentag auf seinen Armen trug, drehte dieses um und kritzelte dann auf die Rückseite meinen Namen, meine alte und neue Adresse, sowie die Uhrzeit und die Tage darauf, an denen ich mit Sicherheit zuhause war. Auch das Datum von meinem Umzug mit entsprechender Information durfte da nicht fehlen. Nachdem ich damit fertig war, reichte ich Richi seinen Kram zurück und drehte mich zum Zwergenkönig um, der sich nun den Rest seiner Sachen überwarf, nachdem er endlich mit unserem Schlafplatz fertig war. "Hier. Da hast du", sagte ich und hielt es ihm unter die Nase, während er sich seinen wunderschönen, warmen Fellmantel über warf. Er nickte mir dankend zu, nahm es in die Hand und las zunächst was ich darauf geschrieben hatte. Das nickte er ebenfalls ab, ehe er das Bild umdrehte und mit zunächst argwöhnischer, aber dann mit aufhellender Miene musterte. "Was ist das?", fragte er und deutete darauf. Ich kicherte kurz. "Das sind wir. Erinnerst du dich noch an den Piratentag? Als wir um den Schatz gekämpft haben? Da wurde dieses Foto gemacht", erklärte ich leicht amüsiert, woraufhin er mich wissend ansah. "Ich erinnere mich. Aber wer hat dieses Bildnis von uns gemalt?", hakte er nach. "Gemalt hat das niemand. Das macht alles ein Gerät mit dem man innerhalb von Sekunden solche wichtigen Momente einfangen kann. Damit man sie nicht vergisst und sich immer wieder an eine schöne Zeit erinnern kann", sagte ich woraufhin ihm vor erstaunen der Mund etwas aufklappte. Dann schloss er diesen wieder, als sich für einen Moment unsere Augen trafen und steckte es mit ernstem Gesicht unter seinen Plattenharnisch. Genau auf Herzseite, wo er noch einmal kurz die Hand drauf legte. "Ich werde gut darauf acht geben", sagte er mit einer ungewöhnlich belegten Stimme. Seine wunderschönen, eisblauen Augen begannen im Licht der Laternen etwas zu glitzern und er schluckte gut sichtbar seine gerade aufkommenden Emotionen runter. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte ließ er, wenn auch indirekt und um Fassung ringend, seine sonst so starke Maske fallen und dabei durchblicken, dass ihm der bevorstehende Abschied mehr zusetzte, als er zuvor hatte zugeben wollen. Dieser Anblick, wie er so da stand, mit seiner edlen Rüstung, den Waffen an seinem Gürtel und dem Rucksack zu seinen Füßen, wo sein Umhang drauf lag, reichte bei mir schon aus, dass ich ebenfalls kurz davor war in Tränen auszubrechen. Doch zu einem Gefühlsausbruch wollte ich mich in diesem Augenblick nicht hin reißen lassen. Das konnte ich auch nicht, denn der Zwergenkönig brach den Blickkontakt ab, um seinem Umhang aufzunehmen, den er sich umlegte. "Du solltest dir auch etwas über werfen. Wir werden jetzt das Zelt abbauen. Ich will nicht, dass du nass wirst", meinte er leise mit immer noch rauer und belegter Stimme. "Ja. Ist gut", erwiderte ich und schluckte kurz einen Teil meines Wasserstandes in den Augenwinkeln runter. Ich ging zu meinem Gepäck und suchte dort meine Regenjacke heraus, die ich mir anzog. Danach verlief eigentlich alles für meine Begriffe viel zu schnell. Meine Freunde und ich verließen das Zelt zusammen mit meinen Rucksäcken, während die kleinen Männer das Gestell abbauten, alles so gut sie konnten zusammen räumten und fachmännisch aufteilten, damit jeder etwas von den Gerätschaften zu tragen hatte. Das zweite Zwergenzelt war kurz drauf ebenfalls soweit. Auch dort waren alle schon in ihre Kapuzen-Umhänge gehüllt, lösten die Halteseile aus dem Boden, entfernten die Planen und banden die Stangen, des Gestells zusammen. Danach kontrollierte der Zwergenkönig noch einmal den kompletten Lagerplatz, dass auch ja nichts wichtiges von ihnen zurück blieb, ehe er seine Männer, meine Freunde und mich zum Eingang des Zeltplatzes hin komplementierte. Jeder Schritt den wir machen, fiel mir schwerer und schwerer. Nachdem wir den Sandybor hinter uns gelassen hatten und ich mich erinnerte, wie ich am aller ersten Tag mit Kili und Fili dort in der Nähe der Duschen eine kleine Wasserschlacht abgehalten hatte, bevor uns Thorin abduschte, weil wir ihn aus versehen mit erwischt hatten. Danach hatten wir auf dem Sandberg unsere Kleidung und uns selbst zum Trocknen ausgelegt. Umgehend entkam meiner Kehle doch ein leises Schluchzen. Eine Hand legte sich behutsam auf meine Schulter, als wir immer weiter gingen und ich sah verwundert zur Seite. Neben mir ging Gloin daher, der eine der vielen Laternen in der Hand hielt, und warf mir wunderlicher Weise einen tröstenden Blick zu. Offenbar hatte er, nachdem ich ihm am vergangenen Morgen im Elfmeter schießen die Stirn geboten hatte, die Meinungsverschiedenheit zwischen uns begraben. Und auch wenn wir kein Wort miteinander sprachen, während wir weiter gingen, erkannte ich doch in seinen recht harten Zwergenaugen, dass er mir damit sagen wollte: "Sei nicht traurig. Du wirst ihn schon wiedersehen." Ich nickte nur kommentarlos, wischte mir mit meinem nassen Jackenärmel über die Augen und schaute wieder nach Vorne. Wir erreichten bereits den Parkplatz. Doch blieben wir dort nicht stehen, sondern marschierten weiter an den Saum des kleinen Wäldchens heran, wo ich am ersten Morgen mit den Zwergen zum Jagen gegangen war. Erst dort blieb Thorin stehen und hob die Hand zum Zeichen, dass dies der Punkt war, an dem sich unsere Wege nun für erste trennen sollten. "Wenn ihr euch alle noch verabschieden wollt. Dann könnt ihr dies jetzt tun", rief er uns durch den prasselnden Regen entgegen. Nun drehte sich ein Zwerg nach dem Anderen zu meinen Freunden und mir herum. Einige hatten durchaus betrübte Mienen aufgesetzt und die Köpfe etwas gesenkt. Ich musste ein paar mal tief durchatmen, bevor ich meine bebende Stimme erhob, um noch ein paar letzte Worte zu sagen. "Ich. Ich danke. Euch allen. Dass. Dass ihr her gekommen seid. Ich weiß. Es war nicht immer einfach hier. Aber wir haben viel. Viel miteinander durchgemacht und. Und sind damit zusammen gewachsen. Es. Es hat mich. Wirklich sehr gefreut, dass. Dass ich euch alle kennen lernen durfte. Und. Ich. Und ich wünsche euch. Einen. Einen sicheren und. Und guten Weg nach Hause", brachte ich stotternd und zitternd hervor. Mein ganzer Körper bebte unter der Anstrengung meine Tränen weiter zurück zu halten, was mir immer schwerer fiel. Besonders, nachdem sich jeder einzelne noch einmal persönlich bei mir verabschieden wollte. Zuerst waren Oin und Gloin, die mir am Nächsten standen dran, wo der Älteste den Anfang machte. "Alles gute Euch, mein Kind. Und seid nicht lange traurig um den Abschied. Es kann immer noch ein Wiedersehen geben", sagte der alte, schwerhörige Zwerg lächelnd und nahm meine Hände welche er drückte. Ich nickte ihm Ruhig zu und widmete mich dann seinem Bruder, der mir ja schon zuvor auf die Schulter geklopft hatte. Auch dieser reichte mir die Hand, welche ich ergriff. "Pass auf dich auf, Menschenweib", bemerkte er trotz des nassen Wetters sehr trocken. "Werde ich", erwiderte ich knapp. Dann traten Bifur, Bofur und Bombur vor. Der Ältere von dreien schüttelte mir ruhig und eher wortkarg die Hand, während seine beiden Cousins mich einmal umarmten. Auch wenn es mir bei Bombur so vor kam, als wolle er mich zerquetschen, da der rundliche Zwerg heftig anfing zu heulen. Offenbar mochte dieser Abschiede genauso wenig wie ich. "Sieh zu, dass du immer genug zu essen im Haus hast", meinte er, nachdem Bofur es geschafft hatte ihn von mir weg zu ziehen. "Dafür werd ich schon sorgen", keuchte ich atemlos und wand mich dann dem Zwerg mit der Mütze zu, welche er dieses Mal allerdings trotz des straken Regens abgezogen hatte und in beiden Händen hielt. Mit beflissener Miene stand er nun vor mir und versuchte mir freundlich ins Gesicht zu lächeln, was ihm aber genauso wenig gelang wie mir. "Cuna. Es war mir ein großes Vergnügen dich kennen lernen zu dürfen", sagte er ruhig. "Ich werde dich wohl mit am meisten vermissen, Bofur. Vor allem deine gute Laune", erwiderte ich und umarmte nun auch ihn kurz. "Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt", murmelte er mir zu, bevor er sich zurück zog. Danach stellte sich die nächste Dreiergruppe, bestehend aus Dori, Nori und Ori vor mir auf. Auch diese drückten mich einmal fest. "Danke, dass du unseren kleinen Bruder damals gerettet hast", sagte Dori. "Du warst uns wirklich eine große Hilfe. Wir werden dich nie vergessen", meinte Nori, den ich auch noch nie so nah am Wasser gebaut gesehen und gehört hatte. Ori tat sich mit am schwersten von den dreien. Dieser hatte den Blick zu Boden gesenkt und scharrte zunächst mit seinen Stiefeln im aufgeweichten Boden. "Alles gute, Cuna. Ich. Ich hoffe du denkst auch ab und an, an uns", stammelte er verlegen. Ich seufzte leise und drückte ihn dann einfach an mich. "Das werde ich, Ori. Und ich vergesse dir nie, was du alles für mich getan hast. Du magst zwar der Kleinste hier sein. Aber hast von allen wohl das größte Herz", sagte ich offenherzig woraufhin er kurz schniefte. Als diese Drei sich noch einmal vor mir verneigt hatten, ging ich über zu Balin und Dwalin. Auch da trat zunächst der Ältere an mich heran und drückte meine Hände fest, die ich ihm reichte. "Seht es nicht als 'Lebewohl' an, meine Liebe. Sondern mehr als ein 'Auf wiedersehen' ", meinte er und zwinkerte mir aufmunternd lächelnd zu. "Ja. Auf wiedersehen, Balin", erwiderte ich knapp. Nachdem dieser den Weg für seinen Bruder frei machte, musterte ich den Zwerg mit der Glatze noch einmal streng, bevor auch wir zu unseren Abschiedsfloskeln kam. "Gib gut auf dich acht, Weibstück", sagte er knapp und reichte mir ebenso die Hand. "Pass du mir gut auf Thorin auf", meinte ich und er grunzte kurz bevor er mir zu nickte. "Werde ich. Darauf kannst du dich verlassen", sagte er noch ehe Kili und Fili an mich heran traten. Den Beiden fiel es mit am schwersten, sich von mir zu verabschieden. Und offenbar wurden sie sich nicht einig wer anfangen sollte, denn beide fielen mir buchstäblich gleichzeitig um den Hals, sodass es mich fast von den Füßen haute und wir um Haaresbreite im Schlamm landeten. "Machs gut, Schwesterchen", schluchzte Kili in mein linkes Ohr. "Du wirst uns sehr fehlen", murmelte mir Fili ins andere. "Ihr zwei seid die besten Brüder, die ich je hatte. Kommt gut nach hause", murmelte ich ihnen zu und spürte, wie sie an meinen Schultern nickten. Als sie sich lösten und Kili zur Seite trat, blieb allerdings sein Bruder noch kurz bei mir stehen und zog etwas aus seiner Fellweste. Er ergriff meine Hand und drückte mir ein langes Etwas in die Innenfläche mit den Worten: "Gib das Jana von mir und richte ihr bitte aus, dass es mir leid tut, dass ich mich nicht selbst von ihr verabschieden konnte. Aber das soll ein Zeichen sein, dass ich wieder komme." Ich schloss meine Finger um den Gegenstand und musterte diesen. Es war das Messer, was er am Vortag verloren und von ihr zurück erhalten hatte. Ich musste leicht schmunzeln. Offenbar hatte noch ein Zwerg sein Herz hier in dieser Welt an eine Menschenfrau verloren. Und das ohne, dass ich es bemerkt hatte. Von daher wollte ich der Sache auch nicht im Wege stehen und steckte das Ding in die Tasche meiner Regenjacke, bevor ich ihm zu nickte. "Das werde ich ausrichten", sagte ich und er erwiderte das Nicken. Nachdem er auch zur Seite getreten war, gab es nur noch einen kleinen Mann von dem ich Abschied nehmen musste. Meine Körper begann schon heftig zu zittern, als er einen Fuß vor den anderen setze, um sich direkt vor mir aufzubauen. Ich schluckte wieder und nicht nur einmal, sonder mehrmals, während sich meine Augen endgültig mit Tränen füllten, die ich bis zu diesem Moment noch hatte aufsparen und zurück halten können. "Thorin", hauchte ich und sah ihm tief in die eisblauen Augen, in denen ich nun sehr deutlich seinen eigenen Abschiedsschmerz erkannte. "Cuna", murmelte er fast Tonlos. Mehr brauchte es nicht um alle Dämme bei mir brechen zu lassen. Wehklagend warf ich mich um seinen Hals und vergrub heulend mein Gesicht in seiner gesunden Schulter. Behutsam aber doch fest legte er seine kräftigen Arme um mich und streichelte mit einer Hand meinen Rücken und mit der anderen meinen Hinterkopf. "Sch. Cuna. Ruhig. Nun wein doch nicht so. Ich bin bald wieder zurück. So schnell ich kann. Ich verspreche es dir", murmelte er mir ins Ohr, aber auch ihm fiel es sehr schwer dabei aufmunternd zu klingen. "Ich. Ich weiß. Ich weiß aber. Aber es tut so weh, dich gehen zu lassen ", schluchzte ich. "Mir tut es genauso weh dich zurück zu lassen. Aber ich bitte dich. Warte auf den Tag an dem ich wieder komme und an deine Tür klopfen werde", sagte er halbherzig entschlossen, schob meinen Kopf von seiner Schulter, um mir noch einmal ins Gesicht zu sehen und dieses mit seinen warmen rauen Händen zu streicheln. Ich konnte ihn schon gar nicht mehr richtig erkennen, da mir meine Tränen und der Regen jegliche Sicht auf ihn nahmen. Ich merkte zwar, dass er versuchte mit seinen Fingern die feuchten Rinnsale weg zu wischen. Aber es gelang ihm einfach nicht. Wir standen noch eine ganze Zeit so regungslos beieinander, während ich vor mich hin schluchzte und verzweifelt versuchte noch einmal sein Gesicht sehen zu können, bevor wir auseinander gehen mussten. Doch dafür war es irgendwann zu spät. Denn Dwalin trat an uns heran und verkündete mit ernster Stimme, dass es nun an der Zeit wäre und sie nicht mehr länger warten sollten, ehe die Sonne hinter den Wolken aufging. Ich biss mir fest auf die Unterlippe, welche beinahe anfing zu bluten. Der Zwergenkönig fasste noch einmal mein Gesicht fest mit den Händen, hauchte mir einen kurzen Liebesschwur zu und presste mir ein allerletztes Mal seine Lippen auf den Mund, bevor er sich dann schlagartig von mir los riss und mich bei meinen Freuden zurück ließ, die von hinten an mich heran getreten waren. Chu legte mir von Rechts einen Arm um die Schultern und Richi stellte sich Links daneben. Rainbow und Ani-Chan flankierten uns. Schweigend und andächtig beobachteten wir fünf, wie sich die Zwerge um ihren König herum versammelten, welcher aus der Innenseite seines Mantels den Arkenstein hervor zog. Der Steun leuchtete heller als sämtliche Laternen, die sie mit sich trugen und tauchte ihre Gesichter in ein geisterhaftes Licht. Nacheinander hoben sie jeweils eine Hand danach, als Thorin ihn zwischen sie alle hielt und dabei leise vor sich hin murmelte. Während er dies tat, wurden die wogenden Wellen, die von dem Stein ausgingen immer intensiver und die Abstände dazwischen kürzer. Bis sie irgendwann alle in diesen Wellen eingehüllt waren. Dann hob er noch einmal den Blick, um zu mir hinüber zu schauen. In diesem letzten Augenblick sah ich, wie ihm tatsächlich eine einsame Träne aus seinen blauen Augen über die Wangen in den dunklen Bart ran und er mir noch ein aller letztes Mal zu rief: "Amrâlimê!" Und mit dem nächsten Wimpernschlag, standen meine Freunde und ich ganz allein am dunklen Waldrand. - 68. Bis wir uns wiedersehen / ENDE- Kapitel 69: 69. Good Bye Zeltstadt ---------------------------------- "Jacky. Nun hör doch auf zu weinen. Sonst fang ich auch noch an", meinte Rainbow und streichelte mir beruhigend über den Rücken. Wir saßen nun schon seit über einer Stunde im verlassenen Fisse Ma "Tent" Chen, um uns vor dem Regen zu schützen, der zugenommen hatte, nachdem sich die Zwergengemeinschaft einfach vor unseren Augen in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Wir hatten uns die Sofas heran geholt, die während der Disco in irgendeine Ecke verschoben worden waren und saßen nun alle ruhig im Schein unserer Taschenlampen beisammen, da wir sonst keinerlei Möglichkeit hatten Licht zu bekommen, bevor nicht die Sonne richtig aufgegangen war. Wobei Ruhig zu diesem Zeitpunkt bei mir ein wirklich dehnbarer Begriff war. Ich hatte zwar aufgehört zu Wehklagen, aber dennoch schüttelte es mich weiterhin. Hin und wieder kam auch ein etwas lauteres Schluchzen aus meiner bereits heiseren Kehle. Ich hasste Abschiede wirklich sehr. Vor allem diese, wo ich jemanden gehen lassen musste, den ich über alles liebte. Und selbst die Aussicht auf ein baldiges Wiedersehen brachte mir in solchen Momenten eher wenig Trost. Meine Freunde bemühten sich wirklich sehr, mich wieder aufzumuntern, aber sie selbst wirkten auch sehr bedrückt. Hatten sie sich ja zunächst tierisch erschrocken, als wir alle samt Mutterseelen allein dort vor dem Wäldchen zurück gelassen wurden. Besonders Richi hatte es die Sprache verschlagen, was bei ihm genauso häufig vorkam, wie eine Diät bei Bombur. Also nie. Er war ziemlich steif und angespannt um den Platz herum gegangen, an dem man nur noch die Abdrücke der Zwergenstiefel im Schlamm hatte sehen können. Seit dem stammelte er wild vor sich hin, ging vor uns auf und ab und murmelte permanent, dass er sich einfach keinen Reim drauf machen konnte, wie um alles in der Welt das Ganze möglich hatte sein können. Irgendwann reichte es Chu allerdings, die mich seit dem Abschied immer noch im Arm hielt und wie Rainbow versuchte zu trösten. "Richi. Herr im Himmel, jetzt sei doch mal still", fauchte sie ungehalten, woraufhin dieser etwas seufzte. "Tut mir leid. Es ist nur. Du weißt, ich muss alles immer logisch erklären können, Chu. Und zum ersten Mal habe ich wirklich keine Antwort auf dieses ungewöhnliche Phänomen. Weder physikalisch noch chemisch oder sonst irgendwie wissenschaftlich", meinte er nachdenklich. "Na dann gibts eben mal ausnahmsweise etwas, wofür wir alle keine Erklärung haben. Fakt ist, sie sind weg. So oder so. Und kommen vorläufig nicht wieder. Also anstatt dass du dir Gedanken darum machst, solltest du uns lieber helfen Jacky aufzuheitern", meinte sie recht barsch. Ich schniefte kurz und rieb mir mit meinem gefühlt fünfzigsten Taschentuch über die roten und leicht wunden Augen. "Ist. Ist schon. Ist schon gut. Ich. Es. Es geht gleich", murmelte ich mit rauer Stimme. "Bist du dir sicher, Jacky?", fragte Ani-Chan, die vor mir auf dem Boden hockte und mir über die Knie streichelte. Ich versuchte leicht mit dem Kopf zu nicken, doch ich kam mir dabei sehr mechanisch vor. Es war alles noch so unwirklich und frisch. Vor allem ließ mich auch die vergangene Nacht nicht los, die eine der Schönsten war, die ich seit Jahren erleben durfte. Auch wenn sie einiges an Kraft gekostet hatte. Sicher ich hatte schon einige Erfahrungen mit Matrazensport, aber so etwas mit einem unglaublich kräftigen Zwerg zu machen und nach einigen Jahren meiner unfreiwilligen Abstinenz, konnte man es mir wohl durchaus verzeihen, dass ich nun ziemlich kaputt und erschöpft war. Und nach meinem heftigen Heulkrampf erst recht. So entkam mir recht bald, nachdem ich mich doch wieder beruhigt hatte, ein sehr ausgiebiges Gähnen und ließ meinen schweren Kopf, in dem sich der kleine Mann mit dem Hammer nach langer Zeit wieder meldete, an Chus weiche Schulter sinken. "Meine Güte, Jacky. Du siehst wirklich fix und fertig aus", meinte diese dann, als sie mich musterte. "Wunderts dich etwa?", erwiderte ich matt und seufzte. Sie kicherte nur leicht und schüttelte dann den Kopf. "Nein. Nicht wirklich. Ich hatte mir schon gedacht, dass ihr beiden die letzte Nacht zusammen richtig auskosten wolltet. Erst recht nachdem mich dieser komische Zwerg mit der Glatze, wie hieß er noch mal? Dwalin, oder?", hakte sie nach und ich nickte, ehe sie fort fuhr, "Jedenfalls, ich wollte eigentlich an dem Abend noch mal zu dir. Da hab ich mich nach dem Feuerwerk bei den Kerlen schlau gemacht und erfahren , dass du und Thorin zum Zelt gegangen seid. Ich wollte euch dann nach stiefeln, weil ich mir ja noch die Uhrzeit aufschreiben musste, wann wir heute Morgen zu euch hätten kommen sollen. Kennst ja mein Gedächtnis. Und da hat mich dieser Dwalin plötzlich angehalten und gemeint, es wäre besser, wenn ich nicht zu euch gehe, weil ihr wohl sehr miteinander beschäftigt sein würdet und es unpassend wäre, wenn ich in diesem Moment rein platze." Dabei zwinkerte sie mir zu, als sie es mir erzählte und ich konnte mich zu einem sanften Lächeln hinreißen lassen. Eins musste man Dwalin wirklich lassen, auch wenn er augenscheinlich nicht die besten Manieren und Gepflogenheiten an den Tag legte, so war er dennoch perfekt als Türsteher zu gebrauchen und schütze die Privatsphäre seines Königs mit wohl allen Mitteln. Nicht auszudenken, wie es wohl abgelaufen wäre, wenn Chu mitten in mein kleines Techtelmechtel herein geplatzt wäre. Es wäre nicht nur unsagbar peinlich geworden, sondern hätte auch noch die knisternde Stimmung des letzten Abends versaut. Wobei die Bezeichnung Flächenbrand wohl doch viel eher zu traf. Denn mir brannte und zwickte noch ein klein wenig der Rücken von den winzigen, aber doch gut erkennbaren Kratzern, die mir der Zwergenkönig in seinem Eifer begebracht hatte. So konnte ich dem breitschultrigen Grobian doch einmal ordentlich dankbar dafür sein, dass er mir den nun sehr geschundenen Rücken frei gehalten hatte. Unsere persönlichen Verhältnisse zueinander hatten sich ja sowieso in den letzten zwei Wochen enorm gebessert und erst recht seit ich ihn mehr oder weniger vernichtend beim Outdoor-Schrubberfußball geschlagen hatte. Aber ich vermutete, dass sein Respekt mir gegenüber erst richtig angestiegen war, nachdem ich mich so offenkundig zu seinem König bekannt hatte. Auch wenn er es wohl insgeheim wie Gloin hielt, der bis kurz vor Schluss zwar ein Einsehen zeigte, aber sich dennoch dachte, dass eine Menschenfrau und ein Zwerg einfach nicht zusammen passten. Nun gut, ob sie damit Recht behielten oder nicht, würde ich wohl selbst herausfinden können, wenn Thorin und ich längere Zeit zusammen lebten. Aber bis es soweit war, fiel mir ein, dass ich ja noch einiges zu erledigen hatte. So schoss mir plötzlich die Erinnerung an den Trödelmarkt durch den Kopf, der ja am Sonntag nach der Zeltstadt nicht weit von meiner Wohnung stattfinden würde. Und die Tatsache, dass ich nur noch höchstens sechs Tage hatte um die Sachen, die ich verkaufen wollte, heraus zu suchen und mit entsprechenden Preisen zu versehen. Himmel, da würde noch eine Heidenarbeit auf mich zu kommen. Und danach hieß es dann sich auf den Umzug vorbereiten. Denn nach dem Trödelmarkt wären es noch gut vier Wochen bis zu diesem Stichtag und zwei Wochen vor dem Einzug bekam ich erst den Schlüssel für das Apartment. Gesehen hatte ich es zwar schon mal, aber dennoch war das eine ganze Weile her. Damals hatte ich es für meine Verhältnisse akzeptabel gefunden. Aber nun, da sich eine neue Beziehung bei mir aufgetan hatte, war ich mir nicht mehr ganz so sicher ob meinem Zukünftigen so etwas zuzumuten war. Vor allem da er ja immerhin nicht ein x-beliebiger Zwerg war, den man in Mittelerde irgendwo unter einem Haufen Steinen und Geröll hervor buddeln konnte. Nein, er war immerhin ein waschechter König und somit wohl weit mehr Luxus gewohnt, den er mit Sicherheit einer Wohnung von nicht einmal vierzig Quadratmetern vorziehen würde. Noch dazu war die Gegend in die ich ziehen musste nicht gerade das, was man unter einer gepflegten und sauberen Nachbarschaft verstand. Nein. Es war ein Ort, den man, wenn man schlau war, weder bei Tag noch bei Nacht betrat, sondern weiträumig umging. Oder um es klar und deutlich zu sagen. Meine neue Wohnung befand direkt inmitten des kleinstädtischen Ghettos. Nicht nur, dass sich dort Tür an Tür auf den viel zu engen Außenbalkonen der Plattenbauten reihten, die man wohlweislich auf den höchsten Punkt des Ortes gebaut hatte, damit sie einem schön die ohnehin schon bescheidene Aussicht verschandelten, sie waren auch Brennpunkt für viele mittellose Familien, frisch eingebürgerte Migranten und natürlich auch Leute wie mich, die einfach nicht wussten, wo sie noch eine vernünftige Bleibe in diesem Land finden sollten, ohne mit dem Vorurteil "Schmarotzer" und "Taugenichts" gebrandmarkt zu werden. Was wie ich immer fand, viel zu leicht und viel zu häufig vorkam und von den privaten Fernsehmedien, sowie einer Landesweit bekannten Klatschzeitung, die ich ein ums andere Mal selbst auch aus Langeweile las. Dort noch mehr aufgebauscht wurde und wirklich aus nicht weiter bestand als Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht, um den Songtext einer meiner Lieblingslieder von der Band "Die Ärzte" wieder zu geben. Womit diese sehr sozialkritischen Jungs durchaus recht hatten. Was anderes konnte man da auch nicht finden. Mal abgesehen von gerade mal halbwegs anständigen Witzen, die sich alle fünf Jahre wiederholten. Aber gut, sicher verkaufte sich dieses Schundblatt nicht umsonst so verdammt gut. Es war eben anders, als die sehr stupide Regionalzeitung, die mit ihren sehr trockenen Artikeln einen eher zum Einschlafen als zum Lachen brachte. Wobei mir diese von meinem Standpunkt her betrachtet, dann doch wesentlich lieber war, da sie weniger darauf aus war, derartig aufgebauschte Geschichten in die Welt zu setzen. Denn gerade diese Geschichten waren es, die mir bei meiner Wohnungssuche Steine in den Weg gelegt hatten. Viel zu häufig war ich bereits schon am Telefon von potenziellen Vermietern beschimpft worden oder man hatte einfach direkt aufgelegt wenn ich erwähnte, dass ich einer von diesen vielen hunderttausenden "Hartzern" war, wie man solche wie mich bezeichnete. Dabei spielte es nie wirklich eine Rolle, dass ich bereit war Arbeit anzunehmen. Solange ich immer wieder nur Zeitverträge bekam, die inzwischen allgemeiner Standard in der Welt waren, würde ich nie im Leben eine ganz normale Wohnung beziehen können. So war mir der letzte Strohhalm geblieben, den ich eigentlich nie hatte greifen wollen. Nämlich die Endstation, Sozialbau. Zugegebener weise, die Wohnung, die ich dort beziehen würde, war wirklich wunderschön. Sie lag relativ weit oben, weshalb ich eine recht nette, weite Aussicht auf die Kleinstadt haben würde. Aber dennoch störten mich die rund acht Schlösser, mit denen ich sowohl die Türe zur Wohnung, als auch die des recht kleinen Balkons bei Nacht zu verriegeln hätte, bevor ich schlafen ging. Und damit würde man dort auch höchst wahrscheinlich nur vermeintlich sicher sein. Aber sie waren immerhin besser als nichts. Das Einzige wovor ich mich nun allerdings ein wenig fürchtete, war die wohl bevorstehende Diskussion mit dem Zwergenkönig, ob es wirklich seinen Ansprüchen gerecht würde und darüber hinaus auch meine Sicherheit wirklich gewährleistete war. Ich malte mir bereits aus, wie entsetzt er reagieren würde, wenn er allein schon das Gebäude von außen sah. In Mittelerde gab es ja nun definitiv keine Plattenbauten. Herr je, ich mochte gar nicht daran denken, wie ich ihm das so schonend wie möglich beibringen sollte, dass wir vorläufig gemeinsam dort drin leben sollten. Ich sah ihn schon vor mir, wie er sich seinen Rucksack schnappte und auf dem Absatz kehrt machte mit den Worten: "Da schlafe ich lieber in einem Trollhort". Was ihm aufgrund seiner recht direkten Art durchaus zuzutrauen war. Aber sicher würde ich mich dahingehend noch irgendwie mit ihm arrangieren können. Und solange ich es irgendwie schaffte ihn davon zu überzeugen weiterhin die Verhüterlies zu verwenden, wenn wir unsere Zweisamkeit genossen, würde nicht irgendwann die Frage im Raum auftauchen, wohin mit dem Kind. Doch bis dahin würde noch viel Wasser vom Himmel fallen, was es auch zu dem augenblicklichen Zeitpunkt tat. Denn das Plätschern und Gluckern des Regens vor dem Barzelt wollte und wollte nicht aufhören. Vermutlich hatte es bald keinen Zweck mehr dort zu bleiben und auf besseres Wetter zu warten. Denn zumindest Chu und Richi mussten ja ihr eigenes Zelt noch abbauen. Rainbow und Ani-Chan waren dahingehend aus dem Schneider. Diese mussten lediglich ihre Taschen aus dem großen Mädchengruppenzelt holen, in dem sie bis dato geschlafen hatten. Aber zunächst einmal kümmerten sie sich noch um mich und darum meine Wenigkeit wach zu halten, da ich für einen Moment, als ich in meine Gedanken an die kommenden Wochen versank, tatsächlich weg gedöst war. Was ich allerdings zu meinem eigenen Leidwesen auch feststellte, da ich mehr oder weniger im Halbschlaf fühlte, dass ich verdammt laut schnarchte. Es war ein wirklich widerliches, kribbelndes Gefühl, das sich in meinem vom Heulen leicht gereiztem Hals ausbreitete. Und sehr nervig war es auf Dauer obendrein. Aber schlussendlich waren es nicht meine Freunde, die mich dazu brachten aufzuwachen, sondern eine sehr laute Männerstimme, die vom Zelteingang kam. "Was macht denn ihr fünf schon so früh hier drin?", fragte die Stimme überrascht und ein wenig barsch zugleich. Wir zuckten alle gemeinsam hoch und drehten unsere Köpfe erschrocken in diese Richtung. Dort stand Moe in seiner dünnen, dunkelgrünen Regenjacke, die Kapuze noch tief ins Gesicht gezogen und mit einer Taschenlampe bewaffnet, die er für die letzte Nachtwache benötigt hatte und nun draußen nicht mehr brauchte, da es bereits hell geworden war. Nun ja, so hell wie es bei einem solchen Wetter eben werden konnte. Dafür benutzte er sie nun um den leicht abgedunkelten Raum noch mehr zu erleuchten und musterte uns alle in dem schwachen Lichtkegel. Richi war der Erste, der vor trat und ihn ruhig begrüßte. "Morgen Moe. Sorry wenn wir einfach hier rein gegangen sind ohne, dass wir einem von euch Bescheid gesagt haben. Aber Jacky hatte sonst keine Möglichkeit irgendwo unter zu kommen", meinte er und ich erkannte, dass Moe leicht die Stirn runzelte. "Ja, ich hab schon gesehen, dass die Zwergengruppe weg ist. Aber hab wirklich nicht bemerkt, wann die gegangen sind", sagte er und kam etwas näher an uns heran. "Sie sind auch erst seit knapp zwei Stunden weg. Wollten los bevor es so anfängt zu schütten wie jetzt", kam es von Chu, die inzwischen ihren Arm um meine Schulter gelöst hatte. Der große kahlköpfige Mann nickte knapp. "Kann ich verstehen. Trotzdem hättet ihr was sagen müssen, bevor ihr hier einfach rein geht. Ihr wisst genau, dass ich es nicht haben kann, wenn sich Leute unangekündigt an solchen Orten wie hier aufhalten, an denen sie zu diesen Uhrzeiten gar nichts verloren haben. Aber gut. Ich will es euch mal nachsehen", meinte er etwas entspannter und wandte sich dann unversehens mir zu. "Du siehst ganz schön mitgenommen aus, Jacky. Hast wohl wenig geschlafen diese Nacht was?", fragte er und grinste mich hinter seinem rostroten Bart zwinkernd an. Ich zuckte nur matt mit den Schultern. "Wie mans nimmt. Die Nacht war schon irgendwie viel zu kurz. Aber mir macht vielmehr der Abschied ordentlich zu schaffen", erklärte ich ruhig. Wieder nickte der große Mann und legte mir eine Hand auf die Schulter. "Na, das ist doch immer so. Und du weißt ja sicher, dass du dein neues Herzblatt irgendwann wieder sehen wirst. Aber da wir gerade dabei sind. Er hat mich gestern nach der Auktion darum gebeten, dir den Erlös für das Campingbett persönlich zu geben, da er meinte, du würdest das Geld von ihm ablehnen wollen", erklärte Moe und lächelte tröstend. Ich zuckte nur wieder mit den Schultern. "Tja. Wo er nicht ganz unrecht hat. Ich hab es ja auch erst abgelehnt. Aber was soll ich sagen. Der Mann hat erstaunliche Methoden, um jemanden dazu zu bringen, doch die Angebote, die er einem macht, anzunehmen", nuschelte ich und spielte dabei verlegen mit einer meiner Haarsträhnen. Moe lachte und schüttelte nur den Kopf. "Euch beide muss es ja schlimm erwischt haben. Da bleibt nur zu hoffen, dass das auch mit euch gut geht. Du weißt ja, nicht viele der Zeltplatz-Paare bleiben auch lange genug zusammen. Besonders, wenn beide recht weit voneinander entfernt wohnen. Zumindest gehe ich mal davon aus, dass die ganzen Kerle nicht hier aus der Gegend gekommen sind. Aber ich hoffe für euch beide, dass ihr doch miteinander glücklich werdet. Im übrigen kannst du dir das Geld nachher im Anmeldehäuschen abholen bevor ihr geht. Aber jetzt lass ich euch mal allein. Ihr könnt ja raus kommen, wenn der Regen nach lässt", meinte er dann und verschwand wieder aus dem Barzelt. Wir atmeten alle erleichtert auf, dass wir nicht aus unserem trockenen Aufenthaltsort raus mussten und nahmen dann erneut auf dem Sofa platz. Es verging noch mindestens eine Stunde, in der wir uns ruhig über die vergangenen Wochen unterhielten. Es war wirklich unglaublich viel passiert, was wir alles noch gar nicht richtig begreifen konnten. Aber über eines waren wir uns alle fünf mehr als einig. Es war die kurioseste Zeltstadt seit Jahren, die wir nun hinter uns hatten. Beziehungsweise hatte es gerade so eine noch nie gegeben. Wer hätte denn auch schon erwartet auf echte Zwerge zu treffen? Geschweige denn sich mit diesen anzufreunden. Und hätte mir einer zuvor noch gesagt, dass sich ausgerechnet ein Zwergenkönig an mich binden würde, so hätte ich diesen vermutlich zum nächsten Psychiater geschickt. Aber nun war es definitiv so gekommen und er würde sich auch nie wieder von mir trennen oder eine andere Frau in seinem Leben haben wollen. Zumindest wenn ich Fili weiterhin glauben schenken durfte. Da ruckte ich plötzlich wieder hoch und kam auf die Beine. Ebenso erschrocken von meinem unwillkürlichem Aufsprung war auch Chu, die mich verwirrt ansah. "Jacky. Was ist denn jetzt plötzlich los?", fragte diese leicht empört. "Ich hab was ganz Wichtiges vergessen. Ich muss Jana finden und ihr ein Geschenk von Fili geben, bevor sie weg ist", sagte ich und ging zügig zum Zeltausgang. Dort angekommen spähte ich zunächst einmal über den Platz. In der Zeit, wo wir uns noch im Zelt aufgehalten hatten, hatte der Regen langsam nach gelassen und die ersten anderen Zeltplatzbewohner waren auf dem Platz erschienen, der nun zu einer einzigen Seenlandschaft mutiert war. Inzwischen nieselte es nur noch weshalb ich nicht einmal meine Kapuze über ziehen musste als ich hinaus ging. Doch die Frage war nur, wo sollte ich Jana finden? Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sie sich befand und ob sie überhaupt letzte Nacht auf dem Zeltplatz verbracht hatte. Aber sicher würde es helfen sich einmal bei den Leuten umzuhören, die mir gerade entgegen kamen und sich verschlafen und leicht schaudernd durch das miserable Morgenwetter kämpften. Allerdings gestaltete sich die Sache als fast noch schwieriger, da meine Personenbeschreibung wohl nicht ganz ausreichte. Diese passte nämlich auf mindestens fünf Mädels, die sich noch auf dem Platz aufhielten und keinem waren die Namen der jeweiligen Damen bekannt. Ich musste mich also wohl oder übel damit begnügen jede einzeln ab zuklappern und in Augenschein zu nehmen. Sicher würde sie mir dann schon irgendwann ins Auge springen. Doch saß mir buchstäblich etwas die Zeit im Nacken. Denn während der Regenpause sahen sehr viele hastig zu, dass sie ihre Zelte abbauten um das Lager so schnell wie möglich verlassen zu können, solange es wenigstens noch halbwegs trocken blieb. Zuerst begann ich meine Suche mit dem Hinweis, dass sich Jana eventuell in einem Zelt auf der "Schlozallee" befand. Doch leider war ich da an der falschen Adresse. Auch die nächsten beiden, die sich in der "Ryan-House-Straße" aufhalten sollten stellten sich als Fehlschlag heraus. Die Vorletzte sollte sich in "Klein Mordor" befinden, doch auch da stellte sich zu meinem wachsenden Frust heraus, dass all meine Hinweise im Sande verliefen. Gefrustet verließ ich auf meinem altvertrauten Weg das kleine Wäldchen, um nach der letzten potentiellen Jana Ausschau zu halten. Doch zu meiner Überraschung brauchte ich diese gar nicht mehr suchen. Als ich nämlich den Pfad entlang ging, der mich sonst immer zu den Zwergenzelten geführt hatte, fand ich an diesem Punkt, der nun leer war und aufgrund dessen sehr trostlos wirkte, eine kleine zierliche Gestalt in eine dünne, hellblaue Regenjacke gehüllt vor. Als ich näher an diese heran trat konnte ich ein sehr deutliches Schluchzen von ihr ausgehen hören und sah, wie sie sich leicht schüttelte. Fast im selben Augenblick bildete sich auch in meiner immer noch rauen Kehle ein ziemlich dicker Kloß, den ich nicht wirklich runter schlucken konnte. Doch ich musste mich nun zusammen reißen, damit ich nicht auch wieder in Tränen ausbrach, während ich die Gestalt ansprach. Aber das war wie immer leichter gesagt als getan. "J-Jana?", hakte ich vorsichtig und stotternd nach. Die Gestalt zuckte jäh zusammen und fuhr erschrocken zu mir herum. Unter der hellblauen Kapuze tauchten einige feuchte Strähnen ihres relativ langen blonden Haares auf. Und als sie mir ihr Gesicht völlig zu wandte erkannte ich sie trotz ihrer vom Weinen stark geröteten Augen wieder. Kein Zweifel. Das war Jana. Ich hatte sie gefunden. Auch wenn ich mir im Nachhinein auf diese Situation betrachtet, die lange Suche eigentlich hätte sparen können. Ich hätte ahnen müssen, dass sie bestimmt dort hin gehen würde, um Fili vielleicht noch ein letztes Mal zu sehen und ihm auf wiedersehen zu sagen. Doch nun stand sie da, allein und völlig verlassen im Nieselregen und musterte mich mit sehr betrübten und leicht fahrigem Blick, als sie mich erkannte. Das Bild allein reichte für mich aus um zu verstehen, was gerade in ihr vor ging und wie grausam nun der Abschiedsschmerz an ihr nagen mochte. Ich hatte zumindest die Gelegenheit erhalten meinen Zwerg zu verabschieden. Doch sie war nun mit ihren Gedanken und Gefühlen alleine zurück geblieben und hatte nichts weiter, als die schöne Erinnerung an den vergangenen Tanzabend. Es war irgendwie sehr grausam sie so leidend anzusehen und das brach mir genauso das Herz. Ich konnte mich gut in ihre Situation hinein versetzen. Auch ich hatte es mal erlebt, dass sich ein potenzieller, fester Freund einfach mir nichts dir nichts aus dem Staub gemacht hatte, ohne sich von mir zu verabschieden. Und danach war aus dieser Beziehung nichts geworden. Doch in diesem Fall standen für sie die Aussichten gar nicht mal so schlecht. Trotzdem verstand ich sehr gut, dass in ihr gerade eine kleine Welt zusammen fiel. So atmete ich einmal ganz tief durch, schloss die Augen einen Moment und weitete dann die Arme, um ihr zu zeigen, dass sie bei mir etwas Trost finden konnte. Auch wenn ich selbst gerade bemüht darum war meine Fassung bei zu behalten. Es dauerte gar nicht lange bis ich aufkeuchen musste und fasst im schlammigen Boden den Halt verlor, als sie sich schwungvoll und laut schluchzend mit ihrem doch eher geringen Gewicht gegen mich warf. Ich schloss meine Arme um sie und drückte sie fest, während sie mich umklammerte. "Er ist weg. Er ist einfach weg. Und ich hab ihm nicht mal Tschüss sagen können", gab sie stockend und tränenerstickend von sich. Ich seufzte leise und drückte sie nur noch fester. Ich wollte etwas sagen. Irgendetwas was sie hätte aufmuntern können. Doch ich konnte es einfach nicht. Nicht so unter diesen Umständen. Nicht wo ich selbst wieder so nah am Wasser gebaut war und es mir vorkam, als hätte ich meine Zunge verschluckt. So war das Einzige was ich tun konnte sie festzuhalten und zaghaft zu nicken, während sie sich ihren Schmerz von der Seele weinte. "Wieso? Wieso ist er einfach gegangen und hat nicht mal auf mich gewartet? Ich. Ich hätte ihm so gerne noch meine Handynummer gegeben, dass wir den Kontakt nicht verlieren. Und jetzt ist er weg. Einfach so. Ohne ein Lebenszeichen. Ich verstehe das nicht. Hat er mich denn auch nur verarscht wie all die Anderen? Warum fall ich nur immer wieder auf solche Schweine herein?! Ich begreife das nicht!", klagte sie und krallte sich noch fester an mich, dass es schon richtig weh tat. Doch ich ertrug es einfach mal. Sie hatte ja immerhin allen Grund so zu denken. Schließlich war es für keine Frau leicht einfach vor dem Nichts zu stehen, wenn es einen Mann gab, den man wohl sehr mochte. Welcher sich dann aber einfach mir nichts dir nichts am nächsten Tag in Luft auflöste. Was bei Filis Verschwinden durchaus wörtlich genommen werden konnte. Dennoch hatte ich etwas um ihre finsteren Gedanken ein wenig zu zerstreuen, dass der junge Zwerg sie eben nicht einfach im Stich gelassen hatte. So schaffte ich es, unter einiger Anstrengung, meine Zunge langsam wieder zu lockern und murmelte der unglücklichen, jungen Frau leise zu. "Jana. Das ist doch nicht wahr", begann ich aber schon unterbrach sie mich. "Doch ist es. Er ist weg. Vermutlich für immer. Ich habe nichts von ihm. Keine Nachricht. Gar nichts!", quietschte sie und ihr Klammergriff schnürte mir schon fast die Luft ab. Keuchend und leicht schmerzhaft aufstöhnend versuchte ich sie etwas von mir weg zu schieben, damit ich sie ansehen konnte. "Jana. Jana bitte. Du erdrückst mich. Außerdem stimmt das nicht ganz. Fili hat dir eine Nachricht hinterlassen. Deshalb hab ich dich gesucht, um sie dir zu überbringen. Aber dafür musst du mich los lassen", krächzte ich, woraufhin sie dann doch etwas lockerer ließ und ein paar Schritte zurück trat. Erleichtert, nun etwas freier atmen zu können, musterte ich ihr verweinten Gesicht, mit dem sie nun entschuldigend zu mir auf sah. "Ist. Ist das wahr? Er hat dir eine Nachricht für mich gegeben?", fragte sie mich leicht heiser. Ich nickte kurz seufzend und legte ihr dann behutsam beide Hände auf die Schultern. "Ja. Er hat heute Morgen noch mit mir gesprochen, bevor sie nach hause gegangen sind. Er hat mir sogar eine Kleinigkeit für dich mitgegeben und gemeint, dass ich es dir geben soll, als Zeichen dafür, dass er zu dir zurück kommen wird", erklärte ich ihr sachlich, worauf ihre Augen mit jedem Wort immer größer wurden und begannen trotz der Tränen und des trüben Wetters hoffnungsvoll zu strahlen. "Wirklich? Er hat dir etwas gegeben?", hakte sie nach und ich nickte ruhig. Dann nahm ich meine Hände wieder von ihren Schultern, öffnete meine Regenjacke und zog das Messer heraus, welches mir der blonde Junge übergeben hatte und hielt es nun Jana hin. Ihre Augen weiteten sich noch ein Stück mehr und mit zitternden Fingern begann sie ihre Hände danach auszustrecken. "Er hat. Dir wirklich. Das für mich. Gegeben? Wa-Warum?", stammelte sie und nahm es mir, wie in einem Trancezustand ab. Ich nickte ihr ruhig zu und schaffte es meinen Mund zu einem zaghaften aber dennoch tröstenden Lächeln zu verziehen, ehe ich ihr antwortete: "Ja. Er hat es mir gegeben. Es soll für dich ein Zeichen sein, dass er zu dir zurück kommen wird. Und obwohl wir beide uns eigentlich gar nicht kennen, kannst du mir aufrichtig glauben, dass er sich an sein Versprechen halten wird." Bei diesen Worten fing die junge Frau richtig an zu strahlen und drückte das Messer vorsichtig, aber fest an ihre Brust. "Dann. Dann werde ich auf ihn warten. Aber. Weißt du vielleicht, wann er wieder kommen wird oder zumindest, wie ich ihn erreichen kann? Hast du vielleicht seine Handynummer, oder so?", fragte sie nun wesentlich glücklicher als zuvor. Doch leider musste ich ihrer aufwallenden Euphorie wieder einen kleinen Dämpfer verpassen, indem ich den Kopf schüttelte, worauf ihr Lächeln ein klein wenig erstarb. "Tut mir leid, Jana. Aber das hab ich leider nicht. Allerdings gibt es da eine andere Möglichkeit, wie du ihn erreichen könntest. Und zwar gehe ich sehr stark davon aus, dass er mit Thorin zusammen bei mir auftauchen wird. Vielleicht können wir ja unsere Nummern tauschen und sobald ich Bescheid weiß, wann sie zu mir kommen werden, melde ich mich bei dir. Natürlich nur wenn du nichts dagegen hast", schlug ich vor und sie begann wieder zu strahlen. "Ja. Ja, klar können wir das machen", meinte sie, griff umgehend in ihre Jackentasche und zog ihr Handy heraus. Auch ich bewaffnete mich mit meinem und so tauschten wir unsere Nummern aus. Nachdem das gerade erledigt war, hallte ein lauter Ruf zu uns herüber und ich drehte mich nach rechts, von wo dieser gekommen war. "Jacky. Wir sind fertig mit Zeltabbau. Kommst du? Wir wollen die Bahn nicht verpassen!", rief Chu, die sich schon fast in der Nähe des Zeltplatzeingangs befanden. Ich seufzte kurz noch mal und sah wieder zu Jana, die Filis Messer sorgsam neben ihrem Handy in der Jackentasche verstaute. "Also dann. Ich muss jetzt los", meinte ich und machte schon mal ein paar Schritte in Richtung meiner Freunde. "Ja. Ist gut. Aber. Aber du meldest dich doch ganz sicher bei mir, wenn er wieder kommt, ja?", hakte laut nach, als ich schon etwas weiter entfernt war. Ich drehte mich noch einmal um und hob meine Hand zum Abschied. "Werde ich garantiert. Immerhin warten wir ja beide auf Jemanden. Nun machs gut und komm sicher nach hause", rief ich zurück. Sie strahlte breit und hob ebenfalls die Hand, um mir zu winken. "Danke Jacky! Vielen Dank für alles! Machs gut!", rief sie mir nach. Dann drehte ich ihr den Rücken zu und beschleunigte meine Beine um meine Freunde zu erreichen. Wobei ich vorher noch einen ganz kurzen Abstecher machte, um im Anmeldehäuschen das Geld abzuholen, welches Thorin für mich bei Moe hinterlegt hatte. Erst danach konnte ich den Platz mit meinen Freunden verlassen. Diese warteten schon sehr ungeduldig mit ihren und auch meinen Rucksäcken auf die Abreise und musterten mich mit fragenden Mienen. "Wer war denn das Mädchen?", hakte Rainbow nach und schaute noch mal kurz an mir vorbei. Ich schnaufte einmal kurz und auf meinem Gesicht trat ein ruhiges Lächeln. "Nur eine weitere Seele, die ihr Herz an einen Zwerg verloren hat. Und dieser wohl auch an sie. Aber jetzt lasst uns gehen. Ich will unbedingt nach Hause und mich dort etwas aufs Ohr hauen. Ich bin verdammt kaputt", antwortete ich, ergriff die Riemen meiner Rucksäcke, schnallte mir einen auf den Rücken und trug den Anderen immer wieder abwechselnd in beiden Händen neben mir her. So schwer bepackt und mit dem Gefühl ausgerüstet, zumindest noch einmal jemanden Glücklich gemacht zu haben, verließ ich für dieses Jahr die Zeltstadt, auf der ich in mein Herz her gegeben und dafür die Liebe eines sehr ungewöhnlichen Mannes für mich gewonnen hatte. Auf dem Weg zur Bahn schaffte ich es sogar wieder ein klein wenig über den Blödsinn zu lachen, den Richi von sich gab und auch im Zug selbst war ich noch bester Laune. Als ich dann aber nach dem letzten Abschied von meinen Freunden, den Bahnhof der Kleinstadt verließ in der ich lebte, die vielen Stufen zu meiner Wohnung mit Mühe erklomm und schlussendlich die Tür hinter mir ins Schloss fiel, wurde mir von Neuem wieder bewusst, dass ich nun zunächst eine ziemlich lange Zeit alleine in meinen leeren vier Wänden verbringen musste. -69. Good Bye Zeltstadt / ENDE - Kapitel 70: 70. Der sonderbare Trödelmarktbesucher -------------------------------------------------- Ich hatte mich ja irgendwo schon darauf eingestellt, dass ich lange und ausgiebig schlafen würde, wenn ich mich einmal in mein heiß ersehntes Bett gelegt hatte. Doch zum Einen kam ich nicht einmal bis dahin und zum Anderen schlief ich ganze zwei Tage durch. Das war mir auch noch nicht untergekommen. Wobei es definitiv verständlich war. Ich hatte mich die zwei Wochen hinweg nicht wirklich erholen können. Und in der letzten Nacht sowieso nicht. Es war auch ungemein anstrengend gewesen. Aber Thorin hatte damit definitiv sein Versprechen mir gegenüber gehalten und mir die schönste Nacht meines Lebens geschenkt, die ich so schnell nicht wieder vergessen konnte. Die netten, kleinen Blessuren, die er mir im Wahn seiner Begierde auf dem Rücken hinterlassen hatte, waren noch lange sehr deutlich spürbar. Erst recht nachdem ich ungeduscht und am Ende meiner Kräfte, meine Sachen ins Wohnzimmer gestellt und mich danach einfach aufs Sofa geworfen hatte, da ich es vor Erschöpfung nicht mehr fertig brachte mein Bett aufzusuchen. Die tiefen Kratzer, die sich nun dort befanden, brannten und zwickten mich leicht, als ich auf dem Bauch liegend in meinen langen Dornröschen ähnlichen Schlaf gefallen war. Geträumt hatte ich in dieser Zeit nichts. Ich erschrak nur unheimlich, als ich am Dienstag Mittag gegen zwei Uhr auf mein Handydisplay starrte und feststellte, dass ich meine ganze Zeit mit Schlafen verplempert hatte. Es gab ja auch noch so viel zu tun. Meine Waren für den Trödelmarkt mussten vorbereitet werden und das recht bald. Außerdem wartete noch meine Schmutzwäsche von der Zeltstadt, die ganz ganz dringend gewaschen werden musste, bevor sie mir noch mehr die Wohnung zu miefte. Also raffte ich mich schwerfällig und leicht benommen vom Sofa auf, gähnte einmal ausgiebig und beschloss zunächst einmal mich selbst zu reinigen, ehe ich mich um den anderen Kram kümmerte. So lenkte ich meine Schritte erst in mein Schlafzimmer, wo immer noch einige meiner Mittelalterkleider auf dem Bett herum lagen, die ich nach meinem Kurzbesuch Zuhause nicht mehr weggeräumt hatte und suchte mir frische Unterwäsche sowie ein Handtuch heraus. Nachdem ich mich schließlich in mein winziges Badezimmer begeben und meiner Klamotten entledigt hatte, war ich umgehend unter das warme Wasser geschlüpft. Wobei ich kurz aufkeuchen musste, als ich spürte, wie die heißen Tropfen auf meine Liebeswunden trafen. Wodurch die alte Redewendung, dass Liebe manchmal weh tat, eine völlig Andere, wenn nicht gleich auch schöne Bedeutung bekam. Ich lächelte unwillkürlich, als ich mich erinnerte. Es waren so herrliche und sinnliche Momente, die er mir in jeder einzelnen Minute gegeben hatte. Doch wollte ich nicht in Schwärmereien versinken, die mir nur umso deutlicher machten, wie sehr ich ihn bereits zu diesem Augenblick schon in meiner Nähe vermisste. Mir fehlten seine Stimme, seine Berührungen, ja sogar sein wachsamer, ernster Blick, der zeitweise auch etwas nerven konnte. Vor allem wenn er gerade einmal wieder einen Anflug von Eifersucht gezeigt hatte. Diese Exstreme hatte ich Gott sei dank bisher nur einmal von ihm zu spüren bekommen. Beziehungsweise der arme Rumpel, der danach immer noch stundenlang total verstört war. Aber trotz dieser Unannehmlichkeiten, hatte ich den Zwergenkönig, soweit es ging, gut unter Kontrolle gehalten. Wobei ich seinem temperamentvollen und gelegentlich sehr ungehaltenen Auftreten wohl am wenigsten hinter her weinte. Auch wenn es mich insgeheim doch sehr anmachte, wenn er auf diese Weise seine Position und Stellung innerhalb seines Volkes hervor hob. Ich seufzte leise, als ich die Augen schloss, während ich mir das Shampoo aus den Haare wuscht und mir dabei erneut das Bild vor Augen führte, wie er einst durch die Reihen seiner Männer geschritten war, um diese auf den bevorstehenden Theaterauftritt vorzubereiten. Ein genüssliches Stöhnen entkam meinem Mund, als ich mich an seine schwarzen Haare erinnerte, die in einer leichten Brise nach hinten geweht waren. Wieder so ein unglaublicher Fetisch von mir, dass ich Männer begehrte, die etwas mehr Haare auf dem Kopf hatten. Ich konnte diesen Moment einfach nur als episch bezeichnen. Aber irgendwie war alles, egal was er tat, was er sagte und wie er sich verhielt episch. Besonders sein unglaublich verführerischer Duft, der mir inzwischen leider nur noch wie ein Schatten in meinen Gedanken herum geisterte. Eine andere Leidenschaft war wohl die, dass ich besonders gerne ungewöhnliche Augenfarben mochte. In der Beziehung war Thorin mit seinem undurchdringlichen, klaren Eisblau einer der Spitzenreiter. Gefolgt von Chu, die mit ihren eher Ockerfarbenen Augen gerade für einen Menschen eine sehr außergewöhnliche Farbe besaß. Wieder seufzte ich bei dem Gedanken an seine wirklich betörende Erscheinung und stellte das Wasser ab. Nachdem ich mich dann abgetrocknet und angezogen hatte, ging ich dazu über meine schmutzige Wäsche zu sortieren, die ich noch aus den Rucksäcken räumen und in einen Wäschekorb packen musste, bevor ich mich nach unten in den Keller machte. Auf dem Weg nach Unten begegnete mir Susi, die derzeit im Urlaub war und mich freundlich begrüßte. "Ah. Hallo. Wieder zurück?", fragte sie lächelnd. "Wie du siehst. Alles klar bei dir?", erwiderte ich und sie zuckte nur mit den Schultern. "Naja das Übliche. Altes wird aufgewärmt. Und selbst? Was hast du so alles erlebt?", hakte sie nach und begleitete mich dabei nach unten. Ich lächelte sie nur verträumt an und zog schon mal den Kellerschlüssel aus meiner Hosentasche. "Ach weißt du. Es ging mir schon lange nicht mehr so gut", meinte ich und klimperte mit dem Bund herum, bis ich den passenden Schlüssel hatte. Dann standen wir auch schon vor der Kellertür und ich öffnete mit einer Hand. Susi musterte mich in der Zeit mit großen Augen. "So? Wie kommt das denn? Ich meine. Also, ich weiß nicht. Du strahlst auf einmal wieder so wie früher", sagte sie und schaltete schon mal für mich das Licht an. Als sie das erwähnte, spürte ich wie meine Wangen ein klein wenig warm wurden und sich ein verlegenes Lächeln auf meine Lippen legte. "Weißt du, ich hab da jemanden kennen gelernt", erklärte ich ihr knapp und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie ihr vor Erstaunen der Mund aufklappte. "Was? Wirklich? Du hast echt wieder einen Mann kennen gelernt? Nach der langen Zeit? Wie ist er denn? Wie sieht er aus? Hast du ein Foto?", bestürmte sie mich umgehend, während ich meine Maschine belud, Waschpulver einfüllte und dann anschmiss. Ich lachte kurz auf und schüttelte leicht bedröppelt den Kopf, bevor ich versuchte ihr zu antworten. "Ja, ja. Mach mal langsam. Also ein Bild hab ich von ihm. Sogar mehrere. Aber die muss ich erst mal wieder aus meinem Gepäck hervor kramen. Ich zeig ihn dir später", meinte ich und machte mich mit ihr auf den Weg nach oben. Als wir dort angekommen waren, ging sie sofort zur Tür unseres Hinterhofes. Die Hand an der Klinke, drehte sie sich zu mir herum und fragte: "Kommst du mit mir aus und erklärst mir alles bei einer Zigarette?" Ich nickte lächelnd und folgte ihr dann. Zwar rauchte ich selbst schon eine ganze Weile nicht mehr, aber nach ein klein wenig Plauderei war mir schon zu mute. So standen wir schließlich draußen in dem engen, mit Steinen gepflasterten Hinterhof und ich berichtete ihr, natürlich mit einigen Einschränkungen, was mir alles auf der Zeltstadt passiert war. Irgendwann pfiff sie mit sehr beeindruckter Miene aus, als ich ihr von Thorins Antrag mir gegenüber erzählte. "Meine Güte. Das muss ja ein unglaublicher Mann sein, wenn er dich nach so kurzer Zeit schon fragt, ob du ihn heiraten willst. Aber 'Ja' hast du doch noch nicht gesagt, oder?", hakte sie nach woraufhin ich mir etwas verlegen auf der Unterlippe herum kaute und betreten mit den Füßen auf dem Stein herum schabte. "Ähm, also weißt du... Was soll ich dir sagen...", stammelte ich und kratzte mich am Hinterkopf. "Du hast doch schon zugesagt? Aber du kennst ihn noch nicht mal richtig", rief sie empört aus. "Hrm. Ja, Susi. Ich weiß. Aber. Aber dieser Mann. Er hat einfach einige sehr überzeugende Argumente", erklärte ich und wurde dabei noch röter im Gesicht als eh schon. Susi musterte mich genau und verzog den Mund zu einer skeptischen Miene. "Sag mir nicht, dass der Typ Kohle hat und du ihn deshalb nimmst", gab sie schließlich von sich, als sie ihre Zigarette aus drückte. Ich schnaubte kurz und sah sie ungläubig an: "Herr je. Nein! Du kennst mich doch schon so lange. Wegen Kohle würde ich nie einen Kerl nehmen. Er hat einfach andere Potentiale. Aber gut, wenn du sein Bild mal gesehen hast, verstehst du vielleicht warum." Gut ich wusste insgeheim, dass Thorin durchaus irgendwo in Mittelerde noch Reichtümer besaß, aber das musste ich ja gerade ihr nicht auf die Nase binden. Wo ich vor allem selbst nicht mal wirklich wusste, ob er an diese überhaupt noch ran kam. Aber das sollte mir vorerst einmal egal sein. Ich würde kein Gold der Welt von dem kleinen, dunkelhaarigen Mann annehmen. Höchstes wenn wir es uns beide hart verdient hätten. Ja, ich sah es noch immer sehr Klassisch und wollte mich von Unten nach Oben arbeiten. Wobei mir doch eher der gute Durchschnitt am Herzen lag. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Eben dass man gerade so gut und mittelständisch leben konnte. Was anderes war mir nicht wichtig. Aber auf so etwas konnte ich ja auch nicht direkt hoffen. Dafür brauchte es heute schon sehr viel und selbst mit einem simplen Realschulabschluss kam man nicht mehr besonders weit. Nun musste ich mir plötzlich einmal die Frage stellen, wie denn der Zwergenkönig meinte in meiner Welt die Brötchen verdienen zu wollen, wo er weder einen Schulabschluss, falls es so was in Mittelerde überhaupt gab, besaß, noch sonstige Dinge bei ihm vorhanden waren, die ihn als guten Angestellten auszeichneten. Sprich Arbeitszeugnisse und dergleichen. Ob sie wohl in der anderen Welt zumindest auch Meisterbriefe besaßen? Immerhin hatte ich ja über ihn schon gelesen, dass er zumindest ein besonders guter Steinmetz und Schmied war. Doch würde das für diese hochmoderne Welt reichen? Mit Sicherheit nicht, wie ich mit Erschrecken darüber nachdachte. Er kannte sich womöglich nur mit den gewöhnlichen mittelalterliche Schmieden aus. Und ich geriet innerlich schon tierisch in Panik bei dem Gedanken, dass er an einer der neumodischen Hammer und Amboss Maschinen gegebenenfalls zerquetscht werden konnte. Oder zumindest schwer verletzt wurde, wenn er sich dabei auch nur einmal unachtsam verhielt. Wobei "Thorin" und "Unachtsam" wirklich nicht in ein und dem selben Satz gesagt werden konnten. Ich kannte so gesehen keinen Mann, der so aufmerksam oder vielmehr wachsam war wie er. Doch würde ihm das etwas bringen? Oh verdammt. Das hätte mir früher klar werden sollen. Aber vielleicht wollte er ja auch gar nicht in meiner Welt eine Anstellung finden, sondern dies lieber in seiner alten Heimat tun. Allerdings wäre dann wieder die Frage, wie oft ich den feinen Herren überhaupt zu Gesicht bekam. Oh man, oh man. Da hatte ich mir was eingebrockt. Und darüber musste ich mir auch noch was einfallen lassen. Sonst hätte ich irgendwann akute Probleme. Ich musste mich definitiv mit ihm noch einmal vorweg unterhalten und ihm einiges über meine Welt erklären, bevor ich ihn auf die hiesige Menschheit los ließ. Da hieß es nur Toi, Toi, Toi. Aber zunächst musste ich nun Susi vertrösten und so gut es ging belügen, die mich weiterhin mit tiefer gehenden Fragen nach ihm löcherte. Besonders bei der Frage wo er her kam war ich so gut ich konnte ausgewichen. Im Gegensatz zu Chu und Richi wusste ich, dass sie gelegentlich ein viel zu großes Plappermaul war und nicht wirklich etwas für sich behalten konnte. Das war besonders heikel, weil sie auch noch zufällig in der Stadtverwaltung arbeitete. Weshalb sie die besten Kontakte ausnutzen konnte, um gegebenenfalls heraus zu finden, ob ein Thorin Eichenschild tatsächlich irgendwo mal existiert hatte. Und selbst wenn es aktuell einen gab, war es bestimmt aufgrund der vorherrschenden Seltenheit dieses Namens, sehr einfach zu erfahren, ob er auch genau derjenige war. Nicht auszudenken, was dann alles passieren könnte. In dem Fall hatte ich in manchen Punkten wirklich die falschen Bekannten. Ich hoffte nur, dass sie ihm wirklich nie persönlich begegnete um ihn selbst zu fragen. Aber bis ich ihn wieder sah, vergingen sicherlich noch einige Tage. Vorher würde ich mich nicht mit ihm in Verbindung setzen können, um ihn vor meiner neugierigen Nachbarin zu warnen, die inzwischen sogar recht heiß drauf war, den "jungen" Mann kennen zu lernen, der mein Herz so im Sturm erobert hatte. Na Bravo. Den Tag wollte ich wirklich nicht erleben. Damit säße ich dann richtig in der Tinte. Aber gut. Vorläufig würde ja nun nichts passieren. Da lohnte es sich auch nicht irgendwelche Gedanken daran zu verschwenden. Und je später er wieder kam umso besser für ihn, beziehungsweise uns beide. "Hey! Jacky? Alles in Ordnung mit dir?", fragte Susi plötzlich und wedelte mir mit einer Hand vor dem Gesicht herum, weshalb ich erschrak. "Oh, ich. Sorry. Ich war am nachdenken wegen Sonntag", erklärte ich hastig, woraufhin sie kurz nickte und noch eine zweite Zigarette anzündete. Ich atmete innerlich erleichtert auf, dass sie mir dies abnahm. Denn eigentlich dachte ich immer noch an Thorin, mit dem ich während diesem Gespräch noch einige andere Probleme auf mich zu kommen sah. Vor allem was die geplante Hochzeit betraf. Ich hatte nämlich nicht die leiseste Ahnung, wie ich es schaffen sollte den Herren auch in meiner Welt rechtskräftig zu heiraten, wo er ja so gesehen, gar nicht existieren durfte. Das musste dann wohl oder übel zusätzlich noch auf meine Checkliste. Na dann musste ich mir also selbst herzlich gratulieren. Ich hatte mir einen Zwerg geangelt und mit ihm einen ganzen Batzen an Sorgen und Ängsten, die ich nun bewältigen musste. Aber mit etwas Hilfe würde ich das vielleicht sogar halbwegs unbeschadet hinter mich bringen können. Doch zuvor stand als Punkt Numero Eins auf meiner Liste, der Trödelmarkt. Und darum sollte ich mich auch langsam mal kümmern. Nachdem Susi dann endlich mit ihrer zweiten Zigarette durch war und aufhörte mich mit Fragen über Thorin zu bombardieren, zuckte ich einmal lässig mit den Schultern und meine ernüchternden Gedanken ab, als wir wieder ins Haus gingen und die Treppe nach oben stapften. An Susi's Tür angelangt hatte ich mich gerade von ihr verabschiedet, als sie mich noch einmal zurück rief, nachdem ich schon am Ende des Ganges angelangt war. "Du, hör mal. Mir ist gerade noch was eingefallen", meinte sie und ich drehte mich mit fragendem Blick zu mir um. "Was ist denn noch?", hakte ich nach und sie räusperte sich. "Also, es ist so. Unser Hausmeister hat mir gesagt, dass ich dir sagen soll, dass wir zukünftig nachts die Haus und Wohnungstüren besser abschließen sollen. Es hat in der Nachbarschaft mehrere Einbrüche gegeben in den letzten zwei Wochen und wir sollen etwas wachsamer und umsichtiger sein. Außerdem sollen wir der Hausverwaltung Bescheid geben, wenn wir etwas Verdächtiges in der Nähe bemerken", erklärte sie mir kurz und bündig, woraufhin ich ruhig nickte. "Danke für die Warnung. Ich werde mich dran halten", sagte ich und verschwand endgültig nach oben, wo ich mich sofort an meine anstehende Arbeit machte. Denn die Trödelmarktware musste noch ausgewählt werden. Ich schnappte mir umgehend einige Kisten, in denen sich Sachen von meinem verstorbenen Mann und teilweise auch von mir befanden und begann eifrig zu sortieren. Da hatte ich die Qual der Wahl. Ich konnte nicht wirklich alles mitnehmen. So verzichtete ich zum Beispiel gänzlich auf die scharfen Dolche, für die ich definitiv eine besondere Verkaufsgenehmigung brauchte. Was die Schaukampfwaffen und LARP Gegenstände betraf, die ich nicht mehr verwenden konnte, fiel es mir wesentlich leichter Abstriche zu machen. Ich wollte aber nicht nur einen Teil meines Mittelalterkrams los werden, sondern auch einige andere Sachen, die lediglich meine Schränke voll stopften. Wobei ich gründlichst darüber nachdachte, ob es sinnvoll war die Klamotten meines Verblichenen her zu geben, wo ich doch nun wieder einen bei mir hatte, der diese mit Sicherheit gut brauchen konnte. Schließlich würde er ansonsten mit seiner gewohnten Kleidung auffallen wie ein bunter Hund. Allerdings würden ihm die Hosen wohl weniger passen. Die konnten definitiv weg. Aber die T-shirts, Hemden und auch die Unterwäsche konnten ja gut und gerne noch da bleiben. Unwillkürlich lief mir schon das Wasser im Mund zusammen und ein Schnurren stieg in meiner Kehle auf, bei der Vorstellung, wie Thorin sich in Boxershorts auf meinem Bett machte. Sicher, manche mochten dahingehend sagen, dass ich mit ihm auch gut und gerne neue Sachen hätte kaufen gehen können. Aber warum unnötig Geld ausgeben, wenn doch bereits noch Sachen vorhanden waren, die weder Kaputt noch schmutzig waren? Nun ja, ein bisschen abgegriffen waren sie hier und da schon. Aber Kohle wächst ja auch nicht auf Bäumen. Und zunächst wäre es eh besser, wenn sich der feine Herr in unseren zukünftigen, gemeinsamen vier Wänden mit diesen Kleidungsstücken anfreundete. Auch wenn ich schon wusste, dass es eine einzige Tortur werden würde. Nun gut. Noch ein wichtiger Punkt auf meiner Checkliste. Danach konnte das muntere Sortieren und Auszeichnen weiter gehen. So saß ich nicht nur am Nachmittag dieses Dienstages da, sondern auch jeden weiteren Tag. Von morgens bis abends tat ich nichts anderes als über meinen Kartons und Gegenständen, ehe ich am Samstag Abend, den letzten Preis befestigt hatte und mit zufriedener Miene schlafen gehen konnte. Wobei zufrieden schlafen gehen, bei mir in dieser Woche doch sehr relativ war. Denn sobald ich nichts mehr zu tun hatte, kamen mir die Erinnerungen an den Zwergenkönig wieder in den Sinn und die Sorgen darum, dass er heil zu mir zurück kehrte. So hatte ich in der Nacht auf den Marktsonntag einen unglaublich hässlichen Alptraum, der eigentlich sehr schön begonnen hatte. Ich tanzte wieder einmal mit Thorin, wie am Discoabend vor mich hin und wir lächelten uns glücklich an, als könne uns keinerlei böse Absicht voneinander trennen. Ich konnte seine Stimme hören, die mir zärtlich kleine Liebesschwüre ins Ohr flüsterte, sah ihm besonders tief in seine wunderschönen eisblauen Augen, bevor sich unsere Gesichter einander näherte und wir kurz davor standen uns zu küssen. Doch ehe wir uns versahen bebte der Boden unter unseren Füßen und eine tiefe Kluft tat sich zwischen uns auf. Völlig unter Schock und ratlos wie wir darauf reagieren sollten, wurden wir schließlich auseinander gerissen. Wir streckten noch die Hände nacheinander aus und schrien uns gegenseitig unsere Namen zu. Doch dann geschah es plötzlich. Unter Thorin brach der komplette Boden weg und er stürzte aus meiner Reichweite in das unendliche Dunkel. "NEIN! NEIN! THORIIIIIIN!", schrie ich lauthals und schreckte schweißgebadet von meinem Kissen hoch. Gerade in dem Moment klingelte mein Wecker, der mir fast sofort deutlich machte, dass ich das Ganze lediglich nur geträumt hatte. Dennoch spürte ich, wie mein Gesicht nicht nur nass von meiner Transpiration war, sondern auch vor Tränen, die mir in Sturzbächen aus den verschlafenen Augen rannen. Es war so erschreckend Real gewesen, sodass es mich permanent schüttelte, als ich eher beiläufig den piepsenden Wecker zum Schweigen brachte und dann langsam aufstand, um mich fertig zu machen. Mit stark getrübter Laune verrichtete ich schnellst möglichst meine Morgentoilette, schmierte mir ein paar Brote zurecht, da ich gewiss keine Gelegenheit bekommen würde eine Pause zu machen, packte mir etwas zu trinken mit ein und schaffte dann nach und nach all meine Klamotten nach unten. Die anstehende Arbeit war eine willkommene Abwechslung, um meinen Alptraum vorläufig zu vergessen, der mich so unverhofft heim gesucht hatte. Als ich mit dem ersten Teil meiner mühsamen Schlepperei fertig war, betrat ich den Hinterhof, wo bereits eine Kleinigkeit auf mich wartete. Für den Tag hatte ich nämlich den Hausmeister gefragt, ob er mir seinen alten Bollerwagen auslieh. Dieser hatte ihn unter der Vorraussetzung an mich heraus gegeben, dass ich gut auf ihn aufpasste und abends eigenständig in den Keller zurück brachte. Für mich so gesehen kein Problem. Zumindest für gewöhnlich nicht. Nachdem ich mich noch kurz damit abmühte, die richtige Stapeltechnik für die ganzen Waren zu finden, konnte ich mich auch schon umgehend auf den Weg machen. Dieser führte mich von den Hinterhof, über den etwas versteckt gelegenen Privatparkplatz, durch eine winzige Häuserunterführung, die Straße entlang bis ich nach gut einer halben Stunde den kleinstädtischen Marktplatz betrat, auf dem sich bereits einige Händler seit den früheren Morgenstunden tummelten. Natürlich waren auch einige Platzanweiser zugegen, die die ankommenden Leute nacheinander entweder ihren traditionellen oder angemeldeten Plätze zuwiesen. Manche verteilten sie wohl auch willkürlich. Eben dahin wo noch etwas frei bleib. Es kam nur zu häufig vor, dass sich Aussteller nicht meldeten und einfach den Markt unbegründet fern blieben. Ich hatte mich in weißer Voraussicht schon sehr früh angemeldet und versucht mir somit einen besonders guten Platz zu sicher. Doch wo ich dachte, dass ich genau den bekam, den ich haben wollte, war ich mal wieder auf dem Holzweg. Als ich mir nämlich einen der Zuständigen hatte krallen können und diesen ansprach, musterte er mich aus seinem sehr übermüdeten Gesicht. "Wat wolln se? Nen Platz für ihrn Verkaufsstand?", fragte er mich ziemlich grantig und musterte seine Liste, die er auf einem hölzernen Klemmbrett mit sich führte. Dabei strich er sich über seinen ungepflegten Drei-Tage-Bart. "Ich sollte den in der Nähe der großen Kastanie bekommen. Bei der Kirche hinten", erklärte ich ihm etwas ungeduldig. "Ham se denn auch nen Namen für mich?", hakte er nach und musterte mich argwöhnisch mit hochgezogenen buschigen Augenbrauen. Ich nickte ihm zu und nannte meinen Namen. Der Mann verzog kurz noch einmal nachdenklich das Gesicht und grummelte dann. "Ja. Nee. Also muss Ihn sagn, dass der Platz an der Kastanie für jemand anderen bestimmt is", meinte er, woraufhin mir der Mund auf klappte. "Aber ich habe explizit gesagt, dass ich mich da hin stellen muss, weil ich außer meinen Sachen nichts habe. Nicht mal einen Unterstand. Wo soll ich denn dann hin?", fragte ich völlig verständnislos. Der Mann brummte und klemmte sich seine Liste unter den Arm. "Na dann foljen se mir ma. ich zeich ihn wo", sagte er und ging mir voraus über den Platz. Ich seufzte kurz und ging ihm einfach nach. Hatte ja auch keine andere Wahl. Bestimmt, war derjenige, der mir meinen ausgesuchten Platz weggenommen hatte, einer der vielen Stammhändler. Diese wurden ja überall bevorzugt. So hieß es für mich mal wieder in den sauren Apfel beißen und darauf hoffen, dass mein anderer Platz mindestens genauso schattig war. Denn sollte es gegen Mittag zu heiß in der Sonne werden, würde ich wohl oder übel meinen Kram einfach wieder einpacken müssen. Doch während ich mich dem falschen Glauben hin gab, dass ich doch einmal im Leben vielleicht Glück haben könnte, so musste ich sehr ernüchternd feststellen, dass das Schicksal mich mal wieder von Vorne bis hinten verarschte. Denn der Platzanweiser brachte mich schnurstracks genau ins Zentrum des Marktplatzes. Auf dem nichts weiter war, als der recht moderne Designerbrunnen, der in unregelmäßigen abständen Wasserfontänen in die Luft schoss. Und ich weder Schatten, noch die Möglichkeit hatte einen Sonnenschirm auf zu stellen. Ungläubig klappte mir der Mund auf und ich sah den Herrn empört an, als er mir in seiner kurz angebundenen Art erklärte, dass ich diesen dort direkt am Brunnen haben konnte. "Das soll wohl ein Witz sein. Ich habe extra gesagt, ich brauche einen Platz im Schatten, weil ich keinen Unterstand habe", sagte ich frustriert und wedelte dabei unwirsch mit den Armen. Der Mann zuckte gleichmütig nur mit den Schultern. "Dat is mir ejal. Ich bin dafür net zuständig. Entweder se nehmen dat jetz. Oder sie verschwindn. Ich hab nich den janzen Tag Zeit", meinte er und sah mich erwartungsvoll und noch weit grantiger an als ohnehin schon. Mir entkam ein tiefer Seufzer und ich musterte noch einmal die Stelle auf den harten Betonplatten, die ich auf keinen Fall dem schönen, kühlen, schattigen und vor allem weichen Plätzchen im Gras unter der Kastanie vorgezogen hätte. Aber ich brauchte unter allen Umständen Geld. Also hatte ich keine Wahl. Ich seufzte erneut und rollte genervt mit den Augen, ehe ich den Mann vor mir geschlagen an raunte: "Also gut. Wenns denn sein muss. Aber für diesen Scheiß hier zahle ich nur die Hälfte der Standmiete, dass das mal klar ist." Der Mann zuckte nur wieder mit den Schultern. "Mir is dat ejal, wie gesagt. Machen se dat mit den Kassierern aus. Ich muss weiter. Hab noch andere die wat von mir wolln", grunzte er und schon war er aus meinem Umfeld verschwunden. Grummelnd und unglaublich frustriert stellte ich den Bollerwagen ab, hob die Kisten herunter und breitete auf dem harten Boden eine meiner Wolldecken aus, die ich mitgebracht hatte, damit meine Waren nicht sinnlos auf dem Boden herum lagen. Nach und nach begann ich meinen eher kümmerlichen Stand zu errichten. Wobei das alles andere als leicht war, da meine "Nachbarn" mit ihren eigenen Ständen permanent über meinen Bereich drüber latschten und mich von Zeit zu Zeit sogar anrempelten. Das waren die sogenannten Stammhändler, die Alles und Jeden aus ihrer Nähe vertreiben wollten, wenn diese nicht dem gewerblichen Markthandel nachgingen, sondern so wie ich dies rein aus der Not heraus taten. Quasi das Verkaufen als Hobby sahen. Besonders einer hatte es da sehr auf mich abgesehen. Es schien ihm eine diebische Freude zu bereiten, einfach meine Sachen, die ich gerade erst ordentlich hin gelegt hatte, beiseite zu treten mit den Worten: "Steh hier nicht allen im Weg, Süße." Ich grummelte nur vor mich hin und ließ ihn einfach reden. Ich wollte unter keinen Umständen so einen groben Klotz provozieren. Er war ein etwas älterer Kerl, gerade so schätzungsweise um die fünfzig. Also einer der alten Hasen. Aber vom Erscheinungsbild alles andere als Seriös. Das zeigte sich schon an seinem extrem breiten Körperbau, den fettigen zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebundenen rotblonden Haaren, den billigen Rolex-Imitaten an seinem Arm und den hässlichen, zu groß geratenen Goldketten um seinen Hals. Ansonsten war dieser glatt rasiert und trug einen dieser abartigen Anzüge deren Hemdkragen mehr an die siebziger Jahre erinnerte. Sprich, wenn sie noch größer gewesen wären, dann wäre selbst dieser Klotz bei einer Brise vom Boden weg geblasen worden. Und genauso billig wie er aussah, waren auch seine Verkaufsgegenstände. Er hatte einen gewaltigen Stand mit Unmengen an Modeschmuck und Lederfälschungen, wie Gürtel und Geldbörsen, die schon vom reinen Ansehen auseinander fielen, da sie lediglich geklebt waren und die Nähte eher der Zierde dienten. Leider wusste dieser schmierige Kerl auch genau, wie er diese Sachen an den Mann oder die Frau bringen konnte. Er war Verkäufer durch und durch. Aber von der schlimmsten Sorte. Er log, betrog und schleimte was das Zeug hielt, nur damit die Leute ihm alles abkauften und das teilweise sogar bevor der eigentliche Markt geöffnet hatte. Solche Maschen hasste ich wie die Pest. Ich war im Gegensatz dazu ehrlich und aufrichtig, und hätte meine Kunden niemals so ausgebeutet, wie er es tat. Selbst als ich noch direkt an der Verkaufsfront in einigen Supermärkten gearbeitet hatte, wäre mir so etwas nie eingefallen. Deshalb war ich so gesehen auch im Verkauf der modernen Zeit absolut fehl am Platz. Da passte es schon besser, dass ich ins Büro ging um dort lediglich an Daten herum zu arbeiten, die mir keine Wiederworte geben konnten. Aber zunächst musste ich mich doch einmal wieder um das eigenständige Verkaufen kümmern, welches los ging, sobald es kurz vor zehn Uhr war. Doch aufgrund dieses arroganten Schnösels neben mir, gingen meine Geschäfte alles andere als rosig von statten. Vor allem, da ich hier und da heraus hörte, wie er dem ein oder anderen Kunden sagte, dass meine Sachen absoluter Mist waren. Das schreckte einige der Gutgläubigen deutlich ab, weshalb sie mich und mein Zeug von oben herab mit angewiderten und teils höhnischen Blicken bedachten. Kurz vor Mittag merkte ich, wie die Sonne anfing etwas intensiver zu brennen und ich zog zum ersten Mal meine Wasserflasche aus dem Rucksack. Zu diesem Zeitpunkt näherte sich außerhalb meines Blickfeldes ein seltsamer, großgewachsener, älterer Mann dem Stand des Schnösel und blieb vor den Auslagen stehen. Ich bemerkte auch nur, dass jemand wieder an den Verkaufstischen stand, als ich die widerliche, schmalzige Stimme des Verkäufers hörte, welcher wieder versuchte seine Masche bei ihm anzuwenden. "Einen wunderschönen guten Morgen", trällerte er gekünstelt. Doch was dann kam, darauf waren weder ich noch der Mann gefasst. Denn was der sonderbare Besucher auf den Gruß erwiderte, ließ mich erschrocken zusammen fahren, sodass ich mich heftig an meinem Wasser verschluckte. "Wie meint Ihr das? Wünscht Ihr mir einfach einen wunderschönen guten Morgen oder meint Ihr es ist ein wunderschöner Morgen egal was ich wünsche? Oder Ihr wolltet sagen, dass Ihr an diesem Morgen alles Wunderschön und gut findet? Oder wolltet Ihr sagen, man müsse an diesem Morgen Gut oder Wunderschön sein?", fragte er in meiner sanften, alten und recht rauen Stimme, die ziemlich erheitert klang. Ich gab mich inzwischen meinem kleinen Hustenanfall hin und hörte nur, wie der Schnösel neben mir anfing ins Straucheln zu geraten. "Also. Ich ähm... äh. Einfach einen wunderschönen guten Morgen, würde ich sagen. Wie kann ich Ihnen denn behilflich sein?", fragte er und versuchte dabei wieder um Fassung zu ringen. "Das bleibt abzuwarten", erwiderte der alte Mann ruhig und in seiner Stimme lag ein sonniges Lächeln. In meinem Kopf drehte sich auf einmal alles und mein Magen schien sich auf links zu drehen. Das konnte doch nicht wirklich wahr sein? Stand da wirklich derjenige von dem ich dachte, dass er es war. Oder hatte ich bereits aufgrund des mangelnden Schatten einen Sonnenstich erlitten? Aber verdammt noch mal. Diese Stimme kam mir extrem bekannt vor. Doch hatte ich keine Zeit nachzusehen, da sich ein interessiertes Gothikpaar meiner Auslage an Schaukampfdolchen näherte und besonders jene in Augenschein nahm, die nach Werwolf oder Vampir aussahen. Trotzdem konnte ich dem Gespräch am Nachbarstand weiterhin folgen, da es ziemlich laut geführt wurde. "Ha! Ich glaube ich weiß genau was Sie suchen. Bestimmt haben Sie großes Interesse an einem meiner herrlichen Ledergürtel. Natürlich alles echte Handarbeit und feinste Ware aus Italien. Wie wäre es denn mit diesem hier", sagte der Schnösel und musste dem Herren wohl etwas vorgelegt haben, denn er antwortete heiter: "Oh, danke, danke. Aber deswegen bin ich nicht hier." Doch dann versuchte es der Verkäufer mit etwas anderem. "Ah, ich sehe schon. Sie interessieren sich da mehr für eine dieser herrlichen Geldbörsen aus echtem Krokodilleder. Afrikanisch. Alles nur die feinste Ware", meinte er, doch wieder antwortete der Mann amüsiert. "Nein, mein Bester. Auch danach steht mir nicht der Sinn", erklärte er gelassen. Nun wurde der Schnösel langsam ungeduldig und wurde von Mal zu Mal barscher und grantiger. Doch trotzdem versuchte er dem ungewöhnlichen, abstrakten Kerl weiterhin etwas anzudrehen. Aber jedes Mal wenn er meinte etwas gefunden zu haben, wurde die Stimme des Besuchers nur noch belustigter. "Ich bedaure, werter Herr. Aber ich bin keines Wegs an irgendeiner Eurer auserlesenen Habseligkeiten interessiert", meinte er ruhig, wodurch dem Verkäufer endgültig der Kragen platzte. "Verdammt noch mal, Mann! Was willst du denn von mir, wenn du nichts kaufen willst?!", schrie er, sodass sich auch meine Kunden zu dem Stand umdrehten und missbilligend mit den Köpfen schüttelten. "Seht her. Ich bin auf der Suche nach jemanden und hoffte bei Euch eine Auskunft zu erhalten, wenn Ihr so freundlich wärt", erklärte der Alte dann kurz und bündig. Nun war es dem Schnösel endgültig genug und er schrie dem Mann wutentbrannt entgegen: "SEH ICH AUS WIE DIE VERDAMMTE AUSKUNFT, ODER WAS?! VERSCHWINDE DU ALTES GERIPPE! ABER DALLI!!!" Mit diesen Worten trat er hinter seinen Tischen hervor und latschte mal wieder genau über meine Verkaufsdecke, wobei er eine Vase weg trat, die natürlich aufgrund dessen zerbracht. Nun war es auch für mich genug. Ich ließ meine Kunden stehen, um mir den arroganten Kerl endgültig zur Brust zu nehmen. Ich ging ihm knurrend hinterher und klopfte ihm aufgebracht auf die künstlichen, breiten Stoffschultern, die ihn aufgeblasener erscheinen lassen sollten. "Hey! Du Lappen! Hast du sie noch alle meine Klamotten kaputt zu machen?!", fuhr ich ihn an, worauf er sich mit hochrotem Kopf umdrehte und seine Schweiß und Blutunterlaufenen Augen auf mich richtete. "Halt du dich da raus, du dumme Pute und zieh endlich Leine mit deinem Rotz, sonst klatscht es! Aber kein Beifall!", brüllte er mir entgegen und wollte sich wieder mit dem unverschämten, kaufunlustigen Kunden beschäftigen. Doch ließ ich in dem Punkt nicht locker. Ich wollte mein Zeug ersetzt haben. Auch wenn ich mich dafür auf sehr gefährliches, dünnes Eis begeben musste, was es definitiv war. "Hey! Ich bin noch nicht fertig mit dir. Du hast mir gefälligst mein Zeug zu ersetzen, du Saftsack!", raunte ich, fasste ihn am Oberarm und wollte ihn wieder zu mir herum drehen, um ihn weiter anzuschreien. Doch hatte ich nicht damit gerechnet, dass er tatsächlich sofort in aller Öffentlichkeit gewaltsam reagieren würde. Ich hatte ihn kaum berührt, da schnellte er zu mir herum und schrie: "Halts Maul!" Im nächsten Moment holte er mit dem Arm aus und wollte mir eine saftige Ohrfeige verpassen. Doch hatte der Schnösel nicht mit dem äußerst reaktionsschnellen, alten Mann gerechnet, der seinen Schlag lässig mit einem sehr langen, weißen Stab abfing, woraufhin ich lediglich den Luftstoß der Hand auf meiner rechten Wange fühlte und erschrocken weg zuckte. Was im nächsten Moment geschah, war kaum zu beschreiben. Der alte Mann hob mahnend die Stimme, die plötzlich nicht mehr ganz so heiter und sonnig klang wie zuvor. "Was sind das bitte für Gepflogenheiten? Eine wehrlose, junge Frau schlagen zu wollen, die von Euch ihr recht einfordert. Ich glaube ich muss Euch einiges an Manieren beibringen", grollte er mit einer Stimme wie Donnerhall und ehe es sich der verwirrt drein schauende Verkäufer versah, hatte ihn der alten Mann in einem wahren Bruce Lee Style mit dem Stab zunächst herum gewirbelt und dann mit nur zwei Schlägen zu Boden befördert. Erschrocken wich ich von der Szenerie zurück und blickte auf den Mann am Boden, der vor Schmerzen aufstöhnte und leicht bedröppelt zum Himmel auf schaute. Wohl in der Hoffnung da zu erfahren, wer oder was ihn gerade getroffen hatte. Ich schluckte heftig, als ich mir weiter die Szenerie betrachtete und bemerkte dadurch erst später, dass der alte Mann in einer ungewöhnlich langen, weißen Robe mit darüber liegendem grauen Mantel neben mir auftauchte. Ich hob langsam den Kopf und musterte nun den Fremden von den Füßen an aufwärts, bis ich schlussendlich bei seinem Gesicht angelangt war. Bereits an seiner Brust, die genauso mit feinem, weißen Stoff bedeckt war und in der Sonne glitzerte, erkannte ich den langen grauweißen Bart. Und als ich mich daran weiter nach oben Kämpfte bis mein Kopf gänzlich in meinem Nacken lag, klappte mir entsetzt der Mund auf. Denn der Mann, der nun vor mir stand war niemand anderes als... "Gandalf...", hauchte ich tonlos. - 70. Der sonderbare Trödelmarktbesucher / ENDE - Kapitel 71: 71. Auf einen Earl Grey mit Gandalf dem Weißen ---------------------------------------------------------- Mit weit aufgerissenen Augen und heftig um Fassung ringend, stand ich nun vor diesem wirklich riesenhaften alten Mann, der mich freundlich mit seinen ungewöhnlichen, grauen, rauchigen Augen musterte, während sich vor meinen Füßen immer noch dieser unhöfliche Schnösel auf dem harten Marktplatzboden herum wälzte. Ich war völlig perplex und total verstört. Passierte das gerade wirklich oder hatte ich binnen der kurzen Zeit in der Sonne einen kleinen Stich bekommen, weswegen ich mir das gerade alles einbildete? Wobei es so gesehen gar keine Einbildung sein konnte. Immerhin hatte ich ja schon vor gut einer Woche noch mit anderen ungewöhnlichen Gestalten aus Mittelerde zu tun gehabt, die ebenso plötzlich aufgetaucht und in mein Leben getreten waren wie er. Nur was wollte ausgerechnet der mächtigste Zauberer Mittelerdes auf einmal hier? Und wie kam er in meine Welt? Eine ungute Vorahnung umklammerte mein Herz, als ich daran dachte und mich an den Traum der vergangenen Nacht erinnerte. Scheiße. Nein! Die einzige Möglichkeit, beziehungsweise das einzige Mittel wie er hätte herkommen können, war der Arkenstein und diesen besaß Thorin. Um Himmels willen! Ihm war doch wohl hoffentlich nichts passiert?! Nein! Nein, bitte nicht! Das wäre sicherlich ein Grund, weshalb der Zauberer hier war. Er war stets am besten dafür geeignet, wenn es um das schonende überbringen von schlechten Nachrichten ging. Oh Gott! Ich mochte mir in dieser kurzen Zeit gar nicht ausmalen, was alles schief gegangen sein konnte. Und dazu kam ich auch nicht, denn Gandalf riss mich umgehend aus meiner Gedankenwelt heraus, indem er mich ruhig ansprach. "Oh, Ihr kennt offensichtlich meinen Namen. Das erspart es mir natürlich, mich Euch vorzustellen. Aber mich interessiert zunächst ob Ihr wohl auf seid, meine Liebe?", fragte er sachte und legte mir behutsam eine Hand auf die Schulter. Ich zuckte erschrocken zusammen und machte einen kleinen Schritt zurück. "Ich. Ich. Ja. Ja. Ab-aber was..?", stotterte ich und schaffte es zunächst nicht meine Gedanken zu sortieren. Das war gerade einfach ein bisschen viel für mich. Besonders, da immer noch dieses Gefühl von Angst an meinem Herzen nagte, wie ein kleiner Parasit. Völlig verwirrt und fahrig warf ich immer wieder meinen Blick zwischen dem Zauberer und dem Schnösel hin und her, ohne auch nur einen von beiden richtig anzusehen. Doch Gandalf lächelte nur freundlich hinter seinem langen grau-weißen Bart hervor und drückte seine Hand auf meiner Schulter etwas fester, damit ich meine Aufmerksamkeit wieder ganz ihm widmete. "Immer mit der Ruhe. Das war wirklich unerfreulich mit diesem unverschämten Spießgesellen. Aber wenigstens ist Euch nichts weiter zugestoßen. Das hätte mir Thorin sicherlich nicht verziehen", meinte er ein bisschen leiser und beugte sich mit einem Zwinkern zu mir runter. Unwillkürlich zuckte ich erneut zusammen, als er den Namen meines Zukünftigen erwähnte und ich keuchte auf. "Wo ist er? Ist er verletzt? Braucht er Hilfe? Geht es ihm gut?", schossen die Worte hastig binnen Sekunden aus meinem Mund, wobei es mich wunderte, dass sich meine eigene Stimme nicht überschlug. Ein Schwall von Panik fuhr mir durch den Körper, doch der Zauberer schüttelte nur mit einen Lachen den Kopf, was mir in dieser emotional aufgewühlten Situation wirklich nicht weiter half. Aber das merkte er sichtlich schnell und redete beruhigend auf mich ein. "Ganz langsam. Nichts überstürzen. Ich gehe zunächst einmal aufgrund Eurer heftigen Reaktion davon aus, dass Ihr Cuna sein müsst. Habe ich recht?", fragte er und ich nickte nur bestätigend. "Ja, bin ich. Aber würden Sie, ich meine, würdest du, ähm, nein. Würdet Ihr mir mal erklären, was...?", begann ich doch ein Blick des alten Mannes reichte, um mich zum Schweigen zu bringen. "Langsam. Langsam. Es gibt immer die richtige Zeit und den richtigen Ort um Fragen zu stellen und diese zu beantworten. Aber ich würde vorschlagen, dass wir uns dafür einen anderen Platz aussuchen sollte", meinte er und hob den Kopf um sich nach irgendetwas umzusehen. Ob es nun ein Plätzchen war, an dem man sich ungestört unterhalten konnte oder zunächst mal einen Weg aus dem ganzen Trödelmarkt Getümmel. Das war mir voll und ganz egal. Ich wurde in meiner Panik langsam sehr sehr ungeduldig und knurrte daher den Zauberer von unten herab ziemlich unfreundlich an. "Das mag ja alles schön und gut sein, HERR Gandalf. Aber ich kann nicht von meinem Stand weg. Wer soll denn bitte auf meine Sachen aufpassen?", knurrte ich und schon sah mich der Zauberer wieder mit diesem reichlich freundlichen Lächeln, aber sehr durchdringenden Blick an, der mir den Mund erneut zu schnappen ließ. "Ich denke, was Euer Problem anbelangt, habe ich genau den richtigen Mann, der Euch während Eurer Abwesenheit hier vertreten kann", sagte er plötzlich, woraufhin ich die Augenbrauen weit in die Stirn hob, als er langsam beiseite ging. Nachdem sich seine weiße Robe mit dem grauen Umhang aus meinem Blickfeld geschoben hatte, sah ich, wie sich durch die Masse an Leuten, ein kleiner Kerl mit Mütze durch schob. "Verzeihung bitte. Darf ich mal eben vorbei. Danke!", sagte er und stolperte unversehens zu uns. "Bofur!", rief ich aus und schüttelte ungläubig lächelnd den Kopf, während der Zwerg seine Mütze vom Kopf hob und mir damit im Laufen zu winkte. Unterdessen versuchte sich auch der Schnösel wieder auf die Beine zu Kämpfen und grummelte: "Na warte, du dämlicher, alter Sack. Dich mach ich fertig." Doch gerade als er sich auf den Knien zu uns umdrehen und hoch drücken wollte, rannte der gute Bofur ihn von hinten um und er lag wieder auf der Nase. Einige der Umstehenden lachten belustigt über diese Szene und der Zwerg drehte sich kurz etwas erschrocken um, als er wohl diesen ungewöhnlichen Zusammenstoß fühlte. "Na so was. Was macht denn der Mann dort am Boden?", fragte er und kratzte sich mit verwirrtem Blick seitlich am Kopf. Ich riss mich unterdessen von einem amüsiert glucksenden Gandalf los und fiel dem Zwerg unversehens um den Hals. "Oh Gott. Bofur. Wo kommst du denn her?", fragte ich hastig und er legte kurz lachend einen Arm um meine Hüfte, wo er mich kurz drückte. "Na, mach mal langsam. Du erwürgst mich", sagte er und ich lockerte meinen Griff etwas. Er hielt mich daraufhin mit etwas Abstand von sich weg und musterte mich lächelnd. Ich hatte wirklich nicht erwartete auch nur einen von den kleinen bärtigen Männern so schnell wieder zu sehen. Und mit Bofur hatte ich schon gar nicht gerechnet. Doch so sehr ich mich auch freute, dass er da war, umso schneller holte mich meine ungute Vorahnung wieder ein, weshalb ich mich gar nicht lange mit Begrüßungsfloskeln aufhielt. "Also. Was ist? Wo kommst du her, Bofur? Was ist passiert? Was machst du mit Gandalf hier? Wie geht es Thorin?", bestürmte ich ihn umgehen und er lachte noch einmal, ehe er antwortete. "Ganz ruhig, Cuna. Erst einmal ist es schön dich wieder zu sehen", meinte er und klopfte mir wie üblich sehr fest auf die Schultern, sodass ich mir ein Keuchen einfach nicht verkneifen konnte. "Au. Au. Nicht so fest. Wie oft muss ich dir das noch sagen? Nun möchte ich aber endlich wissen was ihr hier so unerwartet zu suchen habt", maulte ich hustend und schon trat der große Zauberer wieder zwischen uns. "Wie ich Euch schon sagte. Alles zu seiner Zeit, meine Liebe. Das werdet Ihr schon erfahren. Zu erst einmal, ist Bofur hier um auf Eure Habe acht zu geben, während ich mit Euch unter vier Augen sprechen möchte. Danach könnt ihr beide euch untereinander austauschen", meinte Gandalf knapp und legte jedem von uns behutsam eine Hand auf die Schulter. Ich schaute zu dem hoch gewachsenen Mann auf und hob fragend die Augenbrauen. "Sie, ich meine, Du, ich, ähm. Nein. Ihr wollt mit mir sprechen? Worum geht es denn bitte?", hakte ich nach, wobei die Frage sich von selbst erklärete. Weshalb hätte er sich sonst her bemühen sollen? Bestimmt nicht um einige billige Jeans, eine Sonnenbrille und ein kitschiges T-shirt mit der Aufschrit "It's magic, Baby" zu kaufen. Auch wenn mich die Vorstellung schon rechlich amüsierte. Doch obwohl meine Frage eher hinfällig war, nickte dieser mit einem freundlichen Lächeln. "Ihr seid wahrhaft ungeduldig. Aber wenn es Euch keine Umstände macht, zeigt doch Eurem Freund Bofur erst einmal, was er für eine Arbeit zu verrichten hat", meinte er belustigt und schob uns beide behutsam zu meiner Verkaufsdecke. "Hey! Was wird das denn hier wenns fertig ist?!", brüllte uns unwillkürlich eine sehr barsche Stimme von hinten an, weshalb wir uns alle drei wieder umdrehten. Etwas erschrocken stellte ich fest, dass mein schmieriger Standnachbar es endlich geschafft hatte auf die Beine zu kommen. Ein paar Strähnen seines fettigen langen Haares waren ihm aus dem Pferdeschwanz gerutscht und hingen nun in seinem dunkelroten Gesicht. Himmel! Den hatte ich ja ganz vergessen. Und er schien nun noch aufgebrachter zu sein als vorhin. Zornig, mit geballten Fäusten und nicht mehr ganz so akkurat sitzendem Anzug stapfte er heftig atmend auf uns zu. Ich schluckte verängstigt und suchte umgehend Schutz hinter Bofurs Rücken, was zwar wenig nutzte, da er ein bisschen kleiner war als ich, aber dennoch fürs Erste wohl seinen Zweck erfüllen konnte. Dieser schien instinktiv zu spüren, dass sich gerade gewaltiger Ärger anbahnte und murmelte mir vorsorglich zu: "Bleib schön hinter mir." Ich nickte kurz und beobachtete dann, wie der Kerl schnaufend auf uns zu steuerte. Doch bevor er uns erreicht hatte schob sich der große Zauberer vor Bofur und mich, und erhob sich beeindruckend zu seiner vollen Größe. Hätte ich schätzen müssen, so wäre ich vermutlich davon ausgegangen, dass Gandalf mindestens zwei Meter zehn groß war. Daher hatte ich auch leichte Schwierigkeiten zu sehen, was er tat, nachdem er sich mit wehendem, grauen Umhang vor uns aufgebaut hatte. Doch konnte ich seine Stimme hören, die wieder einmal nicht mehr ganz so freundlich klang und an ein unheilvolles Donnern erinnerte, dass von einer verirrten Gewitterwolke hätte her rühren können. Dabei war der Himmel an diesem Tag fast durchgehend Blau und Wolkenfrei. "Schluss damit! Ihr habt hier bereits genug Schaden angerichtet! Also überdenkt Eure nächsten Schritte und besinnt Euch darauf, Euch zu entschuldigen oder seht zu, dass Ihr von hier verschwindet, bevor ich mich gezwungen sehe Euch eine weitere Lektion in Sachen Manieren zu erteilen", meinte der Zauberer und meiner Kehle entkam ein beeindrucktes Keuchen. Ach du liebes Lieschen! Nie hätte ich es je zu träumen gewagt, einmal den echten Gandalf derartig in Aktion zu sehen. Sicher, in den Filmen war es bereits sehr beeindruckend, wie er seine Präsens einzusetzen wusste, doch das alles Live und in Farbe zu erleben, war noch viel erstaunlicher. Und hätte ich nicht zuvor schon mit Leuten aus Mittelerde zu tun gehabt, so hätte ich mich bestimmt, wie einst bei Thorins Auftauchen, hunderte Male in den Arm gezwickt, um sicher zu gehen, dass ich gewiss nicht träumte. Denn genauso schien es nämlich dem Schnösel in diesem Moment zu gehen, der auf die Worte des Zauberers vorerst nichts erwiderte, sondern ihn wohl nur anstarrte. Doch als ein paar Minuten des angespannten Schweigens vergangen waren, hörte ich den Mann nur gefrustet und beleidigt knurren: "Also gut. Ich verschwinde von hier. Aber ich bin noch lange nicht fertig mit euch Bekloppten! Ihr werdet noch von mir hören!" Damit sah ich, wie der Kerl von Gandalf zurück trat und wütend begann seinen Stand mit den billigen Produkten abzubauen. Der Zauberer drehte sich unterdessen erleichtert wieder zu dem Zwerg und mir um und lächelte erneut mit sonnigem Gemüt auf uns herab. "Ich denke, der Herr wird Euch nun keinen Ärger mehr machen", meinte er schlicht. "Wow. Das war echt cool", meinte ich bewundernd, wenn auch ein wenig unbedacht über meine Ausdrucksweise. Doch dem Zauberer schien das nur noch mehr zu amüsieren. "Wenn das in Eurem Sprachgebrauch ein Kompliment sein sollte, dann danke ich dafür recht herzlich, meine Liebe. Aber nun haben wir denke ich genug Zeit vergeudet", meinte er mit einem belustigten Glucksen, woraufhin mir etwas die Schamröte ins Gesicht schoss. Aber er hatte recht. Wir hatten genug wertvolle Zeit verloren und ich brauchte dringend Antworten, zu diesem ungewöhnlichen Auftreten. Immer noch total überrumpelt und überfordert von der Situation, erklärte ich nach kurzem Durchatmen dem guten Bofur so sachlich und schnell wie nur möglich, was er an meinem Stand zu tun hatte und welche Dinge zu verkaufen waren. Der Zauberer wartete geduldig und schaute sich hin und wieder mit wachsamen Blick zu meinem beleidigten Standnachbarn um, der immer wieder unter wütendem Scheppern, die Auslagen in seinen Lieferwagen feuerte. "Also. Hast du das verstanden oder muss ich es dir nochmal erklären?", hakte ich schließlich nach. "Ja. Nein. Ich denke ich habe es verstanden. Also alles was auf den Decken liegt wird zu den Preisen verkauft, die du drauf geschrieben hast. Weder die Decken noch die Sachen die nicht darauf liegen sollen weggegeben werden", wiederholte der Zwerg mit der Mütze grinsend und ich nickte. "Gut. Dann denke ich, können wir dich hier allein lassen, Bofur", sagte Gandalf und legte mir von hinten eine Hand auf die Schulter. Der Zwerg mit der Mütze grinste und verneigte sich kurz. "Macht Euch keine Sorgen, Herr Gandalf. Ich werde schon zurecht kommen", meinte er zuverlässig. "Davon bin ich überzeugt mein Bester. Aber nun zu Euch, Cuna. Ich denke Ihr kennt Euch hier besser aus als ich. Vielleicht wisst Ihr ja ein ruhigeres Plätzchen, wo man sich ungestört unterhalten kann", meinte der Zauberer und ich blickte fragend zu ihm auf, als er mich ansprach. Ich musste kurz schlucken als ich in die ungewöhnlichen grauen Augen das alten Mannes sah und nickte dann hastig. "Ja. Ja ich denke schon. Hier in der Nähe gibt es ein nettes kleines Café. Da gibt es wirklich leckeren Kuchen und so was. Wenn Sie, äh, du, ähm. Verdammt. Wenn Ihr mögt?", stammelte ich etwas fahrig vor mich hin. "Das hört sich ja wirklich verlockend an. Aber ich denke mir stünde mehr der Sinn nach einem guten Tee, sofern es diesen hier gibt", meinte er freundlich. "Ja. Ja. Tee gibts da auch. Also wenn. Wenn Ihr mir dann bitte folgen wollt", sagte ich hastig, verabschiedete mich kurz von Bofur und führte Gandalf, dann durch die Menschenmenge hindurch, bis wir am Rande, des Marktplatzes angelangt waren, wo sich das kleine Café mit den bunten Sonnenschirmen befand. An diesem Tag war natürlich ordentlich was los. Zumindest was die Plätze draußen anging, wo sich die ganzen Sonnenanbeter gegenseitig schon die Füße platt traten. Mir stand allerdings mehr der Sinn danach im weit kühleren Innern platz zu nehmen. Aber es dauerte, bis ich mich zusammen mit meinem ungewöhnlichen Begleiter durchgekämpft hatte und schließlich eine Ecke fand, wo wir uns an ein rundes Bistrotischchen setzen konnten. Kurz drauf stöckelte auch schon eine der jungen Kellnerinnen geradewegs auf uns zu und musterte uns mit abschätzigem, gestresstem Blick. "Guten Tag. Was darf ich Ihnen denn bringen?", fragte sie ohne viel Zeit zu verlieren. "Also ich hätte gerne einen Kakao und für den Herren hier einen Tee", sagte ich mit einem freundlichen Lächeln. "Welcher Tee darf es denn sein?", hakte sie nach und musterte Gandalf eingehend, der gerade seinen langen Stab gegen die Wand lehnte. "Das ist mir eigentlich gleich. Was habt Ihr denn hier anzubieten?", fragte er ruhig. "Also, wir haben Jasmin, Roibusch, Hagebutte und Earl Grey", erklärte sie und der Zauberer runzelte leicht nachdenklich die Stirn. "Hrm. Also ich würde sehr gerne den Letzteren einmal versuchen", sagte er dann und die Frau notierte dies. "Mit oder ohne Zitrone?", hakte sie noch einmal nach, doch Gandalf hob Kopfschüttelnd die Hand. "Ohne bitte", meinte er knapp und schon verschwand die Frau trippelnd von dannen und ließ uns allein. "Wahrlich. Eine wirklich bemerkteswerte Welt in der Ihr hier lebt", meinte er schließlich und wand sich endlich mir zu. "Also. Sie, äh. Du. Äh. Ihr wolltet mir Antworten auf meine Fragen geben", sagte ich ohne mich lange von seinem Kommentar ablenken zu lassen. Gandalf nickte langsam und musterte mich eingehend mit seinen grauen, wachsamen Augen, ehe er sprach: "Das ist richtig. Und die werdet Ihr auch bekommen. Aber wenn Ihr erlaubt, würde ich Euch gerne zu Eurer bevorstehenden Hochzeit beglückwünschen, meine Liebe. Es kam für mich wahrlich unerwartet, dass sich ausgerechnet Thorin in seinem Alter noch eine Braut erwählt. Und erst recht hätte ich nicht gedacht, dass es sich dabei um eine so junge, bezaubernde Menschenfrau, wie Euch handelt", meinte er höflich, woraufhin mir kurz etwas die Hitze in mein Gesicht schoss und sich auf meinen Lippen ein verlegenes Lächeln bildete. Dennoch versuchte ich so gut wie möglich ein geschmeicheltes Kichern zu unterdrücken, da mir persönlich nach all dem nicht wirklich danach war, mir Honig ums Maul schmieren zu lassen. Weshalb ich natürlich schnellstmöglich wieder zum eigentlichen Punkt kommen wollte. Nämlich was mit meinem Zukünftigen los war und warum vor mir ein übernatürlich großer, alter Zauberer hockte. Trotzdem versuchte ich dennoch so höflich zu bleiben wie es eben ging. "Also. Gut. Ja. Danke. Aber was ist denn jetzt?", raunte ich und rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her. "Nun gut. Um Euch endlich Eure Sorgen zu nehmen, seid versichert, Thorin ist wohl auf. Er befindet sich Gegenwärtig im Reich der Götter und ist bereits sehr damit beschäftigt eure gemeinsame Heirat vorzubereiten. Und deswegen bin ich auch zu Euch gekommen", erklärte er ruhig, woraufhin sich der Knoten, der in meiner Brust entstanden war, deutlich lockerte. "Gott sei dank. Es geht ihm gut. Ich glaube ich wäre durchgedreht, wenn ihm was passiert wäre", murmelte ich erleichtert aufatmend und ließ mich an die metallene Rückenlehne meines Stuhles sinken. Mir fiel buchstäblich ein ganzer Steinbruch vom Herzen. Dabei war ja Gandalf nun weniger bekannt dafür, dass er gute Nachrichten zu überbringen hatte, wenn er irgendwo auftauchte. Aber dieses eine Mal schien es wohl die Ausnahme von der Regel zu sein. Inzwischen kam auch die völlig überforderte Kellnerin zu uns zurück und verteilte den Tee und den Kakao, ehe wir unser Gespräch fort führten. "Also. Sind Sie, Du. Oh man. Wie soll ich dich denn jetzt eigentlich ansprechen, Gandalf?", murrte ich etwas unbeholfen und der Zauberer lachte amüsiert auf. "Ich denke ich kann dir das Du anbieten, wenn es dir leichter fällt", sagte er schließlich und ich nickte leicht. "Also. Du bist her gekommen, um mit mir über die bevorstehende Hochzeit von Thorin und mir zu sprechen. Oder ist da noch was anderes?", hakte ich nach und sah wie der große alte Mann vorsichtig einen Schluck des heißen Tees zu sich nahm. "Mh. Wirklich köstlich", murmelte er anerkennend, bevor er sich wieder an mich wand und in einem weit ernsteren Ton als zuvor fort fuhr, "In der Tat. Da ist noch etwas mehr. Das hast du richtig erkannt." "Also. Worum geht es?", fragte ich und hob meinen Kakao an die Lippen. Gandalf musterte mich noch einmal wachsam mit seinen grauen Augen, bevor er einmal tief durchatmete und mir schließlich offenbarte, was ihn zu mir geführt hatte. "Es ist so. Nach allem, was ich über dich und diese Welt hier in Erfahrung habe bringen können, bin ich wahrlich beunruhigt über die Verbindung, die ihr beide versucht einzugehen", meinte er schlicht und beugte sich dabei etwas über das Tischchen zu mir herüber. "Was weißt du denn bitte alles über mich und meine Welt, wenn ich mal so fragen darf?", hakte ich nach und fühlte mich ein bisschen beleidigt von seiner sonderbaren Anmerkung. Gandalf räusperte sich kurz und hob beschwichtigend eine Hand. "Sei dir gewiss, dass ich persönlich nichts gegen dich und deine Verbindung zu Thorin einzuwenden habe. Im Gegenteil. Es freut mich sogar sehr für euch. Nur beruhen meine Bedenken viel mehr auf den Tatsachen, dass du nun einmal ein Mensch bist. Und nicht irgendeiner. Du bist einer der Menschen aus Terra Gaia. Und ich muss dir sicherlich nicht erklären, dass ihr euch von den Menschen Ardas im wesentlichen unterscheidet. Nicht nur was die Lebenserwartungen angeht, sondern auch von den Gepflogenheiten und dem über deutlichen Fortschritt, dem deine Welt verfallen ist", meinte er und nahm noch einen Schluck Tee. Ich zuckte nur gelassen mit den Schultern. "Ja. Gut. Das ist mir natürlich klar. Es ist für euch Leutchen wirklich sehr gewöhnungsbedürftig hier zu leben. Aber ich verstehe nicht so ganz, worauf du mit deinen Andeutungen hinaus willst, Gandalf", erwiderte ich ruhig. "Ganz einfach. Diese Welt ist für einen Zwerg, wie Thorin äußerst gefährlich. Sicher er lernt recht schnell und schafft es sich, wenn es sein muss, auch gut an seine Umgebung anzupassen. Aber selbst dir dürfte wohl schon aufgefallen sein, dass sein Temperament ordentlich mit ihm durch gehen kann, wenn er seinen Stolz angegriffen fühlt. Das würde nicht nur ihm sondern auch dir auf kurz oder lang einen ganzen Haufen Schwierigkeiten einbringen", sagte Gandalf und seufzte wieder etwas. "Ja. Das ist mir ja auch klar. Und ich hab mir auch schon nen Kopf darum gemacht. Nur. Um ehrlich zu sein. Ich wollte die ganze Sache erst mal gedanklich vertagen, bis ich die Gelegenheit bekomme selbst wieder mit ihm darüber zu reden. Ehrlich gesagt, bin ich zur Zeit noch ein bisschen ratlos, wie ich ihm hier in meiner Welt weiter helfen soll. Ich dachte ja auch schon mal insgeheim daran, ob es nicht möglich wäre mit ihm in eure Welt zu kommen. Aber bevor ich ihn überhaupt fragen konnte meinte er, es sei zu gefährlich und er wolle mich diesem Risiko nicht unnötig aussetzen", erklärte ich aufrichtig und der Zauberer nickte. "Da hat er nicht ganz unrecht. Arda und das Reich der Götter sind kein Ort für dich. Nicht einmal Thorin und seine Männer hätten dort sein dürfen, da sie eigentlich alle bereits tot waren. Wenn sie nicht so überraschend aufgetaucht wären, als wir gerade aus den grauen Anfurten abreisen wollten, dann hätten sie womöglich auch niemals einen Fuß nach Valinor gesetzt. Und ich musste damals vor Manwe und dem Rat der Valar dafür bürgen, dass sie keinerlei Gefahr oder Bedrohung für diesen Ort mit sich brachten. Aber seit Thorin heraus gefunden hat, wie man den Arkenstein verwendet um ferne Welten zu besuchen, geriet mein Wort immer mehr ins wanken. Und als ich davon erfuhr, dass er dort auch noch sein Herz an jemanden verloren hatte, erst recht", meinte er und sprach nun wesentlich leiser und eindringlicher zu mir. Ich schluckte kurz und sah Gandalf etwas bedrückt an. Ich hatte ja nun wirklich nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass jemand anderes durch unsere unverhoffte Liebe in Schwierigkeiten gebracht wurde. Verlegen, drehte ich meine Tasse in Händen und nuschelte bedröppelt: "Es tut mir leid, dass du meinetwegen jetzt Probleme mit den Göttern eurer Welt hast, Gandalf. Ich hab mir darüber auch echt keine Gedanken gemacht. Und ich weiß auch nicht, wie ich das wieder gut machen oder ändern könnte. Immerhin liebe ich Thorin von ganzem Herzen." "Na. Na. Na. Nun schau nicht gleich derartig betrübt drein. Es ist nicht deine Schuld. Gegen die Liebe kann nicht einmal der mächtigste Zauber etwas ausrichten. Sie kommt und geht wann immer sie es für richtig hält. Und wenn es in eurer beider Fall nun einmal dazu kommen musste, dann freut euch darüber. Ich bin auch nicht hier um euch beide wieder auseinander zu reißen. Das liegt mir fern. Ich möchte lediglich dafür sorge tragen, dass Thorin hier gut aufgehoben ist und du auch tatsächlich eine vertrauenswürdige Person bist", meinte er und versuchte mich aufmunternd anzulächeln. "Das bin ich, Gandalf. Wirklich. Ich. Ich würde niemals irgendeinem Fremden verraten, wer du bist oder wer die Zwerge wirklich sind, oder woher ihr alle kommt. Auch meine Freunde nicht. Das schwöre ich dir. Nur weiß ich leider nicht, wie ich dir oder den Göttern das beweisen soll oder kann", erwiderte ich hastig und fuhr mir nervös mit einer Hand durch die langen braunen Haare. "Darüber brauchst du gar nicht nach zu denken. Beweisen musst du dich weder vor mir, noch vor den Valar. Ich bin lediglich hier um mir selbst ein Bild von dir zu machen. Und ich muss sagen ich bin damit mehr als nur zufrieden. Daher nehme ich dich beim Wort, dass du keiner anderen Menschenseele von uns berichten wirst. Immerhin ist es ja auch nicht in deinem Sinne, denke ich", sagte er schlicht und leerte seine Tasse. Ich atmete erleichtert auf und leerte ebenso meinen Kakao. "Na zumindest etwas", meinte ich und schaute dann auf meine Armbanduhr. Wir saßen schon eine ganze Zeit lang in dem Café und so langsam begann ich mir doch etwas Sorgen darum zu machen, was Bofur gerade an meinem Stand alles fabrizierte. Sich ich vertraute dem Zwerg mit der Mütze. Aber Vorsicht war immer noch besser als Nachsicht. Und Gandalf schien meinem Gedankengang ebenso zu folgen, denn dieser erhob sich mit den Worten: "Ich denke, ich habe nun genug von dir in Erfahrung gebracht. Wir sollten jetzt zurück gehen." Ich nickte kurz, zog meinen Geldbeutel und legte den Betrag, der auf der Rechnung neben meiner Tasse lag hin, bevor ich mich mit dem weißen Zauberer auf den Rückweg zum Trödelmarkt machte. Allerdings geriet ich unterwegs doch etwas in Plauderlaune. Immerhin hatte man nicht oft die Gelegenheit dem mächtigsten Zauberer Mittelerdes zu begegnen. "Also, Gandalf. Mich würde aber schon so einiges interessieren. Wenn du mir erlaubst, dass ich dich frage", begann ich und sah zu dem großen alten Mann auf der mir von oben herab ein freundliches Lächeln schenkte. "Nur zu. Was liegt dir auf dem Herzen, Cuna?", hakte er nach. "Also. Zunächst einmal. Wie ist man oder viel mehr, wer ist auf den Namen Terra Gaia gekommen?", fragte ich und er lachte kurz. "Nun ja. Das ist eine sehr gute Frage. Die Namen der Welten haben nämlich nicht die Valar gewählt, sondern Thorin selbst, damit er sich besser zwischen den Ebenen zurecht finden wollte. Dabei muss er wohl mehr zufällig mal auf Schriftstücke und dergleichen gestoßen sein, wo man diesen Ort hier auch in einer der geläufigen Sprachen als Terra bezeichnet. Ich habe aber nicht die leiseste Ahnung was es bedeutet. Jedenfalls hat er wohl auch in dem Zusammenhang erfahren, dass es hier wohl eine Göttin mit dem Namen Gaia gebe, die diese Welt wohl geschaffen haben soll. Aber ich denke, da wirst du weit mehr darüber wissen als ich. Jedenfalls ist das alles was ich dir sagen kann", meinte er gut gelaunt und ich nickte. "Aber noch mal was anderes. Wie hast du mich eigentlich gefunden. Beziehungsweise überhaupt von mir erfahren?", hakte ich nach und wieder lachte der Zauberer. "Das war gar nicht mal so einfach. Ich wusste zwar, dass Thorin vor mir etwas zu verbergen hatte, nachdem er und die anderen Zwerge so unerwartet verschwunden und wieder aufgetaucht waren. Doch es brauchte einiges meiner besonderen Überredungskünste, bis ich es endlich aus ihm heraus gekitzelt hatte. Du musst wissen. Zwerge sind sehr stur und über ihre Frauen reden sie nie. Schon gar nicht vor anderen. Teilweise nicht mal vor Ihresgleichen. Aber nachdem ich ihn in einer vermeintlich unbeobachteten Stunde erwischte, wie er ein kleines Bildnis von dir und ihm hervor holte, hatte er keine andere Wahl, als mir alles zu erzählen. Auch wenn es ihm noch so sehr missfiel", erzählte er und nun musste ich auch lachen. "Er hat bestimmt ein ziemliches Theater deswegen gemacht", erwiderte ich und Gandalf nickte. "Das kann ich dir sagen. Und du wirst nicht glauben, wie er reagiert hat, als ich sagte, ich müsse unbedingt mit dir sprechen", sagte er, woraufhin mir ein tiefes Seufzen entkam. "Doch, Gandalf. Ich glaube ich weiß, wie er reagiert hat", meinte ich und konnte mich noch gut daran erinnern, wie er einst wegen Rumpel ausgeflippt war. Ich glaubte allerdings nicht daran, dass er mit dem Zauberer genauso umgesprungen war. Nein. Bestimmt hatte ihm Gandalf diesen Zahn bereits gezogen noch bevor er zu seinem Schwert hatte greifen können. Auch wenn es sicherlich witzig ausgesehen hätte, wenn Thorin schwertschwingend hinter dem riesigen Mann her gejagt wäre, um ihm für die Frechheit, mit mir reden zu wollen, den Kopf von den Schultern zu trennen. Die Vorstellung war in meinen Gedanken so lebendig, dass ich einfach drauf los prusten musste. "Du hast wirklich ein sehr warmherziges Gemüt, Cuna. Es wundert mich gar nicht, dass Thorin und die Anderen dich deswegen so sehr schätzen", meinte Gandalf plötzlich, als er mich lachen hörte. Ich zuckte nur mit den Schultern und grinste verlegen. "Ach. Ich habe auch meine Schattenseiten. So wieder jeder Mensch", meinte ich schlicht, ehe wir uns endlich durch die Menge gekämpft hatten um zu meinem Stand zu kommen. An dem Bofur es irgendwie geschafft hatte massenweise Kunden zu locken, die ihm buchstäblich meine Sachen nur so aus der Hand rissen. Als ich meine inzwischen fast leer geräumten Decken musterte, konnte ich nur anerkennend nicken. Vermutlich hatte der plötzliche Ansturm zusätzlich etwas damit zu tun, dass der Schnösel sich inzwischen vom Markt verzogen hatte. Aber auch Bofur schlug sich beim verkaufen sehr gut. Das musste man einem Zwerg schon lassen. Aufs Handel treiben verstanden sie sich weit besser als jeder Mensch dem ich je begegnet war. Und das sogar ohne dem Kunden ein Märchen über die Beschaffenheit der Waren zu erzählen. Allein seine ehrliche, freundliche und witzige Frohnatur reichte aus, um die Leute zum Kaufen zu animieren. Ich war wirklich schwer beeindruckt davon und trat schließlich mit Gandalf zu ihm, während er ein junges Paar mit einem Armband glücklich machen konnte. "Ah. Da seid ihr ja wieder. Und? Habt ihr euch gut ausgesprochen?", fragte er unverblümt und ich grinste breit. "Ja. Ich denke wir haben alles geklärt. Aber hör mal, dass ist ja der Wahnsinn, was du hier alles los geworden bist in der kurzen Zeit", meinte ich und klopfte ihm anerkennend auf die breiten Schultern. "Ach. Nicht der Rede wert. Ich hab das doch gerne für dich gemacht. Schließlich bist du ja bald unsere Königin", sagte er und zwinkerte mir verschmitzt lächelnd zu. "Ja, ich weiß. Aber fang jetzt nicht wieder an mit diesem Königinnen quatsch. Ich bin und bleibe für dich und die anderen immer noch Cuna", sagte ich und er lachte auf. "Ja. Das weiß ich doch. Aber da wir gerade bei Königen sind, ich habe da noch eine Kleinigkeit für dich fällt mir ein", sagte er und langte umgehend in die Innenseite seines braunen Reisemantels, der wie ich fand für diese sommerlichen Temperaturen eigentlich viel zu warm war und mich schon allein vom Ansehen schwitzen ließ. "Du hast etwas für mich? Was denn?", hakte ich neugierig nach, ehe mir der Zwerg mit der Mütze ein fein säuberlich gefaltete Stück Papier vor die Nase hielt, dass mit einem roten Wachs versiegelt worden war. Ich nahm es entgegen und musterte dies erst genau von Außen. Auf dem Wachs, dass die vier Ecken des Papiers zusammen halten sollte, war ein Siegel eingedrückt worden. Eines, wie man es damals bei uns verwendete, wenn Adlige oder Kirchenoberhäupter Post verschickten. Es wirkte beinahe wie eine Blume aus vier Schwertklingen. Und ich meinte dieses Symbol auch schon einmal irgendwo gesehen zu haben. "Den soll ich dir von Thorin geben", meinte Bofur schlicht, als ich weiterhin stumm das Siegel betrachtete und hob überrascht den Kopf. "Das ist von Thorin?", fragte ich und er nickte lächelnd. "Ja. Er meinte es wäre wichtig, dass du ihn bekommst, bevor ich mit Gandalf wieder zurück reise", erklärte er mir. Ich schluckte kurz und drehte den Brief in meinen Händen, die nun ein wenig vor Aufregung zitterten. "Du. Weißt nicht zufällig, was drin steht oder?", fragte ich, doch der Zwerg schüttelte nur den Kopf. "Nein. Diese Nachricht ist ganz allein für dich bestimmt. Und ich soll dir sagen, dass du sie lesen sollst, wenn du wieder allein bist. Scheint etwas sehr persönliches zu sein", meinte er und zwinkerte mir zu. Ich nickte ein wenig steif und ließ meinen Blick wieder über den Brief und das Siegel wandern. Wehmut überkam mich und meine Augen begannen leicht zu brennen als ich ihn musterte. Fragen über Fragen überfluteten mein Gehirn, was er mir wohl alles geschrieben haben konnte. Doch damit musste ich mich später beschäftigen. Zunächst einmal verstaute ich den Brief behutsam in meiner Hosentasche. "Danke, Bofur", meinte ich und umarmte den Zwerg mit der Mütze einmal kurz. Er seufzte leise und drückte mich ebenso. "Nicht der Rede wert Cuna. Das hab ich doch gerne getan", murmelte er mir freundlich und aufmunternd zu. "Nun. Ich denke, dass wir nun hier alles geregelt haben. Bofur, es wird Zeit, dass wir uns von hier verabschieden", kam es plötzlich von Gandalf, den ich für einen Moment ganz vergessen hatte. Ich löste mich von dem Zwerg mit der Mütze und sah leicht fragend und betrübt zu dem großen alten Mann auf. "Ihr beide wollt schon gehen?", fragte ich und der Zauberer nickte mit einem Seufzen. "Es muss leider sein. Ich habe das erledigt, was er zu erledigen gedachte. Aber nun müssen wir wieder zurück nach Valinor. Man erwartet uns sicherlich schon ungeduldig", meinte er ruhig. Ich zuckte nur matt mit den Schultern und verzog leicht betrübt das Gesicht. "Schade. Aber gut, es ist wohl besser, wenn ihr nach Hause geht. Hat mich auf alle Fälle sehr gefreut dich kennen gelernt zu haben, Gandalf", meinte ich und streckte ihm die Hand hin. Er nahm diese mit einem sehr freundlichen, warmen Lächeln und sagte: "Mir war es ebenso ein großes Vergnügen. Pass gut auf dich auf, Cuna. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder." Ich nickte knapp und versuchte ihm ebenso ein Lächeln zu schenken. Auch wenn es sich einmal mehr sehr steif anfühlte. Dann löste er seine Hand wieder von meiner und winkte Bofur hinter sich her. Allerdings hielt ich diesen noch einmal kurz auf. "Warte, Bofur", meinte ich und der Zwerg drehte sich noch einmal zu mir um. "Ja? Was ist denn noch, Cuna?" fragte er freundlich. Ich schluckte kurz und versuchte nach Worten zu ringen. "Kannst. Kannst du Thorin auch etwas von mir ausrichten?", fragte ich und er nickte knapp. "Natürlich. Was denn?", hakte er nach und wartete ruhig. "Bitte. Bitte sag ihm. Dass. Dass ich ihn unglaublich vermisse und. Und dass ich es kaum erwarten kann ihn wieder zu sehen. Und. Und sag ihm. Dass ich ihn über alles liebe, ja?", meinte ich und Bofur lächelte. "Ich glaube das weiß er, Cuna. Aber ich werde es ihm trotzdem sagen", erwiderte er und lächelte noch breiter, bevor Gandalf ihn endgültig zur Eile aufrief. Und mit einem letzten, kurzen Winken seiner Mütze verschwanden er und der weiße Zauberer dann inmitten der Menschenmenge, und waren an diesem Tag nicht mehr zu sehen. -71. Auf einen Earl Grey mit Gandalf dem Weißen / ENDE- Kapitel 72: 72. Das etwas andere Umzugsunternehmen -------------------------------------------------- "An meine Liebste Cuna, wenn du diese meine Zeilen liest, hat Bofur es geschafft dir meine Botschaft zu überbringen. Ich möchte dich hiermit wissen lassen, dass wir es alle heil zurück geschafft haben und es uns gut geht. Meine Wunde an der Schulter verheilt allmählich, doch ist es nicht ihr Schmerz, der mich des Nachts kein Auge zu tun lässt. Auch wenn erst wenige Tage seit unserem Abschied verstrichen sein mögen, vergeht für mich doch keine einzige wache Minute, in der ich nicht in Gedanken bei dir bin. So oft ich es erübrigen kann, lege ich meine Geschäfte nieder und betrachte unser gemeinsames Bildnis, welches du mir geschenkt hast. Dabei frage ich mich stets, was du gerade tust, wie es dir wohl gehen mag und wo du dich gegenwärtig aufhältst. Leider kann ich derzeit noch nicht absehen, wann ich dich wieder in meine Arme schließen kann, denn es sind einige Schwierigkeiten aufgetreten, die meine Abreise aus dem Reich der Götter unnötiger Weise hinaus zögern. Aber sei dir bewusst, dass ich alles in meiner Macht stehende unternehmen werde, um so bald wie nur möglich zu dir zurück zu kehren. Ich hoffe zumindest, dass Bofur mir freudige Kunde von dir übermittelt, wenn er zurückkehrt. Allerdings bin ich mir nicht im Klaren darüber, was Gandalf mit dir zu besprechen ersuchte. Ich denke aber nicht, dass er eine Gefahr für unsere Liebe darstellen könnte. Das sollte sich der Zauberer auch ja nicht wagen. Anderenfalls wird er mich von einer ungemütlichen Seite kennen lernen, so viel sei sicher. Aber darüber möchte ich zu dieser Stunde nicht nachdenken. Zunächst einmal möchte ich dich auch noch darüber in Kenntnis setzen, dass ich dich bei meiner Rückkehr eingehend in den Traditionen meines Volkes unterrichten werde. Dies ist notwendig, damit du gut auf die Heiratszeremonie vorbereitet bist. In diesem Zusammenhang möchte ich dich auch dazu anhalten, dass du ein Treffen mit deiner Familie arrangierst, bei dem ich mit deinem Vater über die bevorstehende Verbindung sprechen und die Mitgift aushandeln kann. Da mir durchaus bewusst ist, dass du nicht einem wohlhabenden Hause entstammst, erwarte ich auch nicht die üblichen Gaben und Reichtümer, welche für gewöhnlich zu einem solch freudigem Anlass erbracht werden. Umso notwendiger erscheint es mir daher, dass die Unterredung mit deinem Vater recht bald von statten geht. Ich bitte dich daher, dass du dies bis zu meiner Rückkehr erledigt und deine Familie auf unsere gemeinsame Ankunft vorbereitet hast. Alles weitere werde ich mit dir dann besprechen, sobald ich kann. Ich möchte dich nur noch einmal wissen lassen, dass ich dich mit jeder Faser meines Herzens vermisse und bereits die Stunden zähle, bis ich wieder deinen lieblichen Duft atmen und deine sanften weichen Lippen liebkosen kann. Leider wird es nun langsam Zeit für mich den Brief zu enden. Sei dir aber gewiss, dass dein Lied stets in meiner Brust erklingt und auch auf ewig erklingen wird. In tiefster Ergebenheit und Liebe, Thorin Eichenschild, Sohn des Thrain. P.S.: Kili und Fili lassen herzlichst grüßen und freuen sich gleichsam dich wiederzusehen." "Jacky! Legst du jetzt endlich den verdammten Brief beiseite und packst mal mit an?! Ist immerhin deine Lampe, die du an die Decke haben willst!", maulte Chu und ließ mich von meinem Stuhl aufschrecken. "Oh, Ja. Sorry. Warte, ich komme", meinte ich, faltete den Brief ordentlich zusammen und verstaute diesen in der Brusttasche meines Blaumanns, der inzwischen über und über mit weißer Wandfarbe bedeckt war. Danach beeilte ich mich um meine Deckenlampe festzuhalten, die Chu gerade installieren wollte. Es war bereits über ein Monat vergangen, seit ich Gandalf und Bofur auf dem Trödelmarkt begegnete und Thorins Nachricht erhalten hatte. Seit dem hatte ich auch nichts mehr vom Zwergenkönig, seinen Männern oder dem Zauberer gehört oder gesehen. Das einzige was ich mir immer wieder und wieder durchgelesen hatte, war dieser einfache Brief den ich eigentlich inzwischen schon auswendig hätte rezitieren können. Und trotzdem wurde ich es nicht müde ihn immer wieder und wieder zu lesen. Wann bekam eine Frau wie ich denn schon einmal einen waschechten Liebesbrief eines Königs? Wobei man sagen musste, dass er ja nun in manchen Punkten doch sehr geschäftsmäßig verfasst war. Vor allem was die Sache mit unserer Hochzeit anging, wurde er bezüglich meiner Eltern und der Mitgift sehr deutlich. Dabei hatte ich ihm ja schon klipp und klar gesagt, dass man bei uns keine Mitgift und dergleichen mehr von den Eltern verlangte. Aber wie man den Herrn Eichenschild kannte, lebte er lediglich nach seinen eigenen Regeln und Vorstellungen. Nun ja, er als König durfte sich das auch durchaus erlauben. Zumindest in seiner Welt. Aber hier würde er damit gewiss nicht weiter kommen. Schon gar nicht bei meinen Eltern, die ich, trotz meiner enormen Bedenken in dieser Sache, angerufen hatte um ihnen zu berichten, dass ich einen neuen Mann kennen gelernt hatte. Sie waren natürlich sehr interessiert daran gewesen, wer er denn war und dementsprechend auch hoch erfreut zu hören, dass dieser sie so bald wie möglich persönlich treffen wollte. Allerdings hatte ich wissentlich verschwiegen, dass es sich bei besagtem Mann beziehungsweise Zwerg, um einen doch relativ wohlhabenden oder viel mehr adligen Kerl handelte. Diese Story würden sie mir unter Garantie niemals abkaufen. Auch wenn sie nun mal der Wahrheit entsprach. Ich wusste zwar insgeheim, dass meine Familie für vieles sehr sehr offen war. Unter anderem was gegebenenfalls übernatürliche Dinge betraf. Aber ein waschechter Zwergenkönig, ging ja selbst zu Anfang komplett über meinen Verstand. Und meine beiden Elternteile waren schon auf dem besten Wege zur siebzig. Sicherlich würde es sie eh schon überfordern, überhaupt mit ihm konfrontiert zu werden, sobald ich mit ihm dort aufschlug. Ein weiteres Hindernis würde wohl mein verehrter Bruder darstellen, der neben mir auch ein unheimlicher Mittelerde-Fan war und genauso sämtliche Bücher, Geschichten und Filme verschlungen hatte. Sollte er zu diesem Zeitpunkt ebenfalls zugegen sein, könnte das in einer mittelschweren Katastrophe enden, da er ihn mit größter Wahrscheinlichkeit aus dem Filmen wiedererkennen würde. Deshalb war es für mich nur umso wichtiger, dass ich mit Thorin an einem Wochenende dort aufschlug, wo er nicht da war. So konnte ich gewiss tiefer gehenden und peinlichen Fragen bezüglich seines Aufzuges und seiner Erscheinung entgehen. An dieser musste ich zuvor ja auch noch arbeiten. Dass er nämlich in voller Schlachtmontur, sprich in Waffenrock, Harnisch und Schwertgarnitur dort vor sprach, kam für mich überhaupt nicht in frage. Doch damit musste ich mich erst beschäftigen, wenn er wieder da war. Erst einmal half ich Chu, meine Beleuchtung im neuen Apartment anzubringen. Ein Glück, dass sie einst eine Ausbildung zur Elektrikerin gemacht hatte. So brauchte ich zumindest keinen engagieren, der mich zu viel Geld kostete. Denn auf der hohen Kante hatte ich es wirklich nicht mehr. Nicht mal nachdem sich Bofur und zum Ende des Marktes auch ich so ins Zeug gelegt hatte, um meinen Kram zu verkaufen. Nach Abzug der Standmiete, hatte ich gerade so rund fünfhundert eingenommen. So gesehen reichlich, aber dennoch zu wenig, um mir für den Tag einen geeigneten Transporter leisten zu können. Schließlich musste ich, zu meinem eigenen Bedauern feststellen, dass mir meine neue Wohnung unrenoviert überlassen worden war und deswegen beim ersten Betreten nach den ganzen Monaten aussah, als hätte dort der dreißigjährige Krieg getobt. Wobei selbst ein Schlachtfeld dagegen noch aufgeräumt ausgesehen hätte. Überall hatten halb herunter gerissene Tapeten an den Wänden gehangen. Der Bodenbelag war so dreckverschmiert gewesen, dass ich mich ernsthaft fragte ob es Kunst war oder weg konnte. Das Badezimmer war noch die Krönung des Ganzen gewesen. Der werte Vormieter oder irgendjemand anderes hatte es sich nämlich nicht nehmen lassen, dort seinen ganzen Müll und Unrat zu stapeln, sodass von der Badewanne mit Dusche, dem Klo und dem kleinen Waschbecken gar nichts mehr zu sehen gewesen war. Stattdessen wäre ich fast in Ohnmacht gefallen, als ich die Tür öffnete und mich um Haares breite ein ganzer Berg von stinkenden, alten Restmüllbeuteln unter sich begraben hätte. Ich hatte ja viel von dieser Wohngegend erwartet. Aber dass ich mir da eine ordentliche Messi-Bude angelacht hatte mit Sicherheit nicht. Dabei hatte bei der Erstbesichtigung alles noch halbwegs ordentlich und vernünftig ausgesehen. Aber wer weiß, wer sich in der Zwischenzeit zu diesem Ort heimlich Zugang verschafft hatte, um dort seinen Krempel als Zwischen oder sogar als Endlager einzurichten. Einfach nur scheußlich und ekelerregend. Ein weiterer Grund, weshalb ich eigentlich dankbar war, dass Thorin sich derzeit im Reich der Götter befand und nicht bei mir. Es war kaum auszudenken, wie er darauf reagiert hätte. So sehr ich ihn auch vermisste, aber einen wütenden, kleinen Mann konnte ich in all dem Chaos und dem Stress partout nicht gebrauchen. Erst recht, da ich selbst enorm ausgerastet war, nachdem ich das vorgefunden hatte. Ein kleines Trostpflaster hatte ich allerdings doch von der Hausverwaltung bekommen, die selbstverständlich sämtliche Kosten für die Entsorgung und Reinigung des Ganzen übernommen hatte. Doch was die Renovierung selbst anging, musste ich sehr sehr tief in die eigene Tasche greifen. Ich musste neue Tapeten, Wand- und Deckenfarbe sowie allerhand zusätzliche Utensilien heran schaffen und organisieren, mit denen ich dann von Früh bis Spät zum größten Teil auch bis mitten in die Nacht hinein herum hantierte. Damit war schon mal gut die Hälfte meines sauer verdienten Ersparten dahin. Folglich musste ich mich wohl damit abfinden, dass ich es irgendwie selbst schaffen musste, die ganzen Kartons in meine neuen vier Wände zu schleppen. Doch nicht nur die Kartons waren mein Problem. Da musste ja auch noch mein Kleiderschrank, mein Sofa und vor allem das wichtigste, mein Bett hin. Dabei war bereits die ganze Renovierung so anstrengend gewesen, dass ich am Ende eines jeden Tages unendlich erschöpft in meine alte Wohnung zurück kehrte, um einige Stunden Schlaf zu finden. Dabei fand ich noch nicht einmal Zeit mich um meine Bewerbungen zu kümmern, geschweige denn auch mal zum Arzt zu gehen, damit dieser meine Nase untersuchen konnte. So hatte ich die ganzen zwei Wochen nach Schlüsselübergabe nichts anderes getan als renoviert und gelegentlich, wenn ich mal eine ruhige Minute hatte, in meinem Herr der Ringe Online Spiel eingeloggt, in der Hoffnung vielleicht doch schon etwas von den Zwergen zu hören. Aber meine Bemühungen dahingehend waren genauso vergebens, wie schon einige Umzugskartons herüber zu schaffen. Denn ich hatte bis zum Vorabend des Umzuges noch fleißig gestrichen und wollte daher nicht, dass meine Klamotten schmutzig wurden. Nun ja abgesehen von denen, die ich aus arbeitstechnischen Gründen trug. Aber wenigstens hatte ich meine Freunde, die mich am letzten Tag so gut sie konnten unterstützten, auch wenn sie mir bei meinem direkten Umzug wegen ihrer Arbeit nicht mehr helfen konnten. Richi war gerade dabei die restliche Malerfolie in die Müllsäcke zu packen und Chu schraubte noch die Abdeckung der Lampe fest, bevor sie sich über die Stirn wischte und dann zu mir herunter sah. "Geh und schalt mal die Sicherung ein. Ich will sehen ob es läuft", sagte sie und ich eilte zu dem kleinen Kasten der ganz unscheinbar in einer Wand in der winzigen Diele gegenüber der Badezimmertür angebracht war. Vorsichtig öffnete ich das Ding und legte den Hauptkippschalter um. Binnen weniger Augenblicke wurde mein Wohn-, Ess-, Küchen- und Schlafbereich erhellt und Chu stiegt zufrieden nickend von der Leiter runter. "So. Das wars schon. Ich denke, jetzt kannst du zumindest etwas sehen. Aber sag mal. Willst du dir nicht doch irgendwo noch Hilfe holen? Ich meine, den ganzen Kram allein hier hoch schleppen ist doch wirklich zu viel für dich", meinte sie, sah mich leicht besorgt an und griff dabei nach ihrer Wasserflasche. Ich seufzte kurz und schüttelte nur den Kopf. "Woher denn bitte? Denkst du echt, dass ich hier jemanden aus dem Haus fragen könnte, ob er mir hilft? Nie im Leben. Die sind dafür viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Davon abgesehen, seid ihr die Einzigen hier in der Nähe, die ich wirklich gut kenne. Mal von Rainbow und Ani-chan abgesehen. Aber die wohnen dafür doch etwas zu weit weg. Und so wirklich zutrauen kann ich denen die Schlepperei auch nicht. Folglich hab ich keine andere Wahl. Vielleicht kann ich ja meinen alten Vermieter um ein oder zwei Tage Aufschub bitten, wegen dieser widrigen Umstände. Die neuen Nachmieter sollen ja eh erst dort in drei Wochen einziehen. Daher werden bestimmt zwei oder drei Tage mehr sicher nicht weh tun", erwiderte ich und setzte mich wieder auf meinen Stuhl. "Na, wenn du das hin bekommst. Ich hab irgendwie angst, dass du uns zusammen klappst. Und vergiss nicht, wir haben deinem Herzblatt versprochen, gut auf dich auf zu passen", kam es von Richi aus dem Hintergrund, der weiterhin fleißig herum raschelte. "Ja. Ja ich weiß", grummelte ich und strich nachdenklich über die Brusttasche meines Blaumanns. "Hast immer noch nichts weiter von ihm gehört, oder?", fragte Chu und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich schüttelte nur den Kopf. "Nein, kein Sterbenswörtchen. Das Einzige was ich aktuell von ihm habe, ist dieser Brief, den ich ständig mit mir herum trage. Und der ist auch schon fast vier Wochen alt. Oh, hoffentlich gehts ihm gut", seufzte ich und Chu tat es mir gleich. "Das hoffe ich für dich auch. Wo du nach so langer Zeit wieder glücklich geworden bist. Aber zumindest hast du das Ding als Lebenszeichen von ihm. Und ich bin fest davon überzeugt, dass er sich bestimmt bald wieder hier blicken lässt. Hab einfach etwas vertrauen darin", murmelte sie mir zu und reichte die Wasserflasche weiter. Ich nickte sachte und nahm einen tiefen Schluck daraus. Chu hatte wirklich recht. Ich sollte mich nicht von meinen Sorgen derartig erdrücken lassen. Im Reich der Götter war er sicher und das war die Hauptsache für mich. Aber dennoch konnte ich nicht umhin mich permanent zu fragen, wo er denn so lange steckte. Sicher ich hätte geduldiger sein sollen, doch nachdem ich mit meinen Freunden das fertig renovierte Apartment an diesem Abend verließ und zum vielleicht letzten Mal in meine alte Wohnung zurück zu kehren, musste ich mich einfach noch einmal an meinen immer noch angeschlossenen PC dran setzen und meine kleine Zwergin aufsuchen, die sich inzwischen ein nettes Questquartier in Bruchtal gesucht hatte. Doch auch an diesem Abend wurde ich wieder einmal zu tiefst enttäuscht. Keine Ingame-Post und auch kein anderes Lebenszeichen war zu erkennen. Gefrustet drückte ich wieder auf "logout" und machte mich danach endlich daran, das Gerät vom Netz zu nehmen und alles in die letzten übriggebliebenen Kartons zu verstauen, bevor ich mich bedrückt schlafen legte. Doch war mir in dieser Nacht so hundeelend zu mute, wie schon lange nicht mehr. Vor lauter Aufregung und Unmut wälzte ich mich von einer Seite zur Anderen, stand dann wieder auf, legte mich wieder hin und versuchte irgendetwas einschläferndes, wie Schafe zählen zu machen. Was man bei meiner relativ kleinen Ansammlung von knapp fünfhundert Plüschtieren dieser Art durchaus wörtlich nehmen konnte, wenn sie nicht auch schon in Kisten verpackt gewesen wären. Doch egal was ich tat. Ich konnte einfach nicht einschlafen. Bis es mir dann doch irgendwie gelang gegen vier Uhr kurz ein zunicken und in einen sehr makaberen Traum hinein zu rutschen. Denn als ich die Augen geschlossen hatte, träumte ich, dass plötzlich überall, egal wo ich auch in meiner Wohnung oder dem bisschen, was ich vom Schlafzimmer aus sehen konnte, Zwerge herum liefen, die munter pfeifend und singend meine Kisten und Kartons aufeinander stapelten, Gegenstände mit sich herum trugen und gelegentlich fluchten, wenn ihnen etwas aus den Händen auf die Füße gefallen war. Irgendwann erkannte ich in all dem durcheinander sogar Thorin, der sich zu mir ans Bett gesetzt hatte und mir liebevoll über das Stirnhaar strich, während er mir zu murmelte: "Ruh dich aus meine Liebste. Wir schaffen das schon alleine." Ich musste schmunzeln, da mir seine Stimme und die Berührungen so unglaublich echt vorkamen, weshalb ich schlaftrunken vor mich hin nuschelte: "Thorin. Du biss wieder da." In diesem Moment meinte ich sogar tatsächlich mitten im Halbschlaf sein dunkles erheitertes Lachen zu hören und glaube zu spüren, wie er sich über mich beugte, um mir in Ohr zu flüstern: "Sicher bin ich das. Denkst du ich würde meine Braut so lange alleine lassen?", fragte seine Traumgestalt und ich fühlte kurz darauf, wie sich seine weichen warmen Lippen behutsam auf meine Wange legten und mich sein dunkler Bart liebevoll und rau an der Stelle kitzelte, die er streifte. Ich atmete einmal seufzend ein und konnte buchstäblich seinen unwiderstehlichen Duft wahr nehmen, den ich so lange vermisst und fast schon wieder vergessen hatte. Aber in diesem Traum war er plötzlich da. So lebendig. So frisch. Als säße Thorin im selben Moment neben mir. Doch das konnte für mich einfach nicht sein. Er hatte weder einen Schlüssel für meine Wohnung, noch zu meinem Haus. Wie hätte er da nur rein kommen sollen? Und doch begann ich innerlich irgendwie daran zu zweifeln, dass ich tatsächlich träumte. So verdammt realistisch hatte ich bisher noch nie geträumt. Denn immer wenn ich von ihm träumte, konnte ich weder seinen Duft so deutlich riechen, noch fühlen, wie mich sein Bart kitzelte wenn er mich küsste. Was mich dann schlussendlich aber wirklich aus meinem angeblichen Traum riss, war ein ungemein heftiger Stoß, der durch mein Bett ging, als sei gerade irgendjemand unvorsichtiger Weise gegen die Füße des Gestelles getreten. Völlig erschrocken und wie vom Donner gerührt fuhr ich mit einem kurzen Aufschrei hoch und knallte dabei mit der Stirn sehr unsanft gegen etwas hartes, das kurz drauf ein ebenso erschrockenes wie schmerzhaftes Stöhnen von sich gab. Und darauf einen leicht dumpfen Aufschlag auf dem Boden neben meinem Bett verursachte. Der Zusammenstoß hatte zum Einen zur Folge, dass ich nun endgültig wach war und zum Anderen, dass ich erst mal wieder mit zugekniffenen Augen in mein Kissen zurück sinken musste, um mich zu fragen gegen was für eine Backsteinmauer ich da gerade gerannt war. Unterdessen konnte ich plötzlich aufgeregtes Stimmengewirr wahr nehmen, dass aus meinem Flur, dem Wohnzimmer und auch meinem Schlafzimmer direkt kam. Dabei erkannte ich nun über deutlich die Stimme von Nori, der lauthals verkündete: "König am Boden!" Kurz drauf spürte ich ein heftige Erschütterung, wie von einer wilden Horde Nashörner, die vor meinem Schlafzimmer anhielt und ein leicht beleidigtes Grollen, dass sich neben meiner rechten Bettseite erhob. "Mahal! Die Frau hat einen Schädel, wie eine Minenlore", fluchte Thorin und zog sich dabei langsam an meinem Bett auf die kurzen Beine. Noch leicht benommen rollte ich mich zu ihm herum und knurrte: "Das sagt ja mal genau der Richtige. Thorin Eisenstirn!" Wenig später hörte ich auf meinen Kommentar hin ein vielstimmiges Männerlachen, dass durch das komplette Zimmer ging und mich endgültig zurück in mein Bewusstsein holten. Ich rollte mich wieder auf den Rücken, hob den Kopf und riss die Augen auf. Da standen sie. Die ganze Bande aufgereiht wie die Orgelpfeifen und noch dazu mitten in meinem Schlafzimmer. Teilweise trugen sie noch Gegenstände oder Kisten auf den kräftigen Armen, während sie mich unverhohlen auslachten. Völlig perplex und starr vor Schreck klappte mir der Mund bis zum Anschlag auf. Meine Augen musterten ungläubig jeden einzelnen von ihnen, bis ich schließlich bei dem Herrn angelegt war, der sich mit einer beleidigten Miene immer noch die Stirn rieb, wo ich ihn wohl sehr unvorbereitet erwischt hatte. Das konnte doch einfach nicht wahr sein?! Wie zur Hölle war das möglich?! Erst Wochenlang kein einziges Lebenszeichen der kleinen, bärtigen Männer und dann standen sie einfach wie selbstverständlich in meiner Wohnung herum und räumten quietscht fidel meine Sachen, wie es ihnen gerade passte, von A nach B! Hätte ich in diesem Moment nicht schon derartige Kopfschmerzen bekommen, hätte ich mich vermutlich hunderte Male gezwickt. Doch bis ich meine Stimme wieder gefunden hatte, die sich irgendwo anders hin verkrochen hatte, nachdem ich mit dieser haarigen Tatsache konfrontiert worden war, dauerte es einige Minuten in denen ich mir allerhand Spötteleien von den Männern anhören musste. "Da ist die Königin nun endlich aus ihren süßen Träumen erwacht und schlägt kurz drauf ihren Gemahl nieder", gackerte Dori, der sich am hölzernen Türrahmen festhalten musste. "Bei Durins Bart. Das ist einfach zu köstlich", meinte Balin und rieb sich die Lachtränen aus den alten Augen. "Was? Wer? Wie? Warum? Aber? Was?", stammelte ich völlig entgeistert und spürte dann, wie sich Thorins kräftige Hand behutsam auf meine Schulter legte, um mich wohl zu beruhigen. "Das reicht jetzt Männer. Genug gelacht. Macht euch wieder an die Arbeit. Und kommt nicht eher wieder hier rein, bis sich Cuna angezogen hat", befahl er in ernstem Ton und sofort hörten seine Leute auf zu lachen und verschwanden zurück in den Flur oder das Wohnzimmer, wobei sie meine Schlafzimmertür hinter sich schlossen. Ich hörte wie er erleichtert seufzte und murmelte recht trocken: "Ich glaube ich sollte es unterlassen dich zu küssen während du schläfst. Das ist auf Dauer sehr schmerzhaft." Unwillkürlich fuhr ich zu ihm herum und machte einen gewaltigen Satz aus dem Bett, um mich ihm schier Bildlinks vor Freude an den Hals zu werfen. "Thorin!", rief ich aus und drückte ihn so fest ich nur konnte. Von meinem Schwung ebenso überrascht, wie von meinem plötzlichen Erwachen, wäre er fast wieder zu Boden gestürzt, als er mich auffing und etwas empört an raunte: "Cuna! In Durins Namen, doch nicht so stürmisch! Du wirfst mich ja schon wieder um." Doch das war mir in diesem Augenblick völlig egal. Er war wieder da. Er war hier bei mir. Mein Herz platzte beinahe und wollte mir aus der Brust springen, so sehr erfüllte mich dieses Glücksgefühl, als ich mein Gesicht in seiner kräftigen Schulter vergrub. Mein ganzer Körper zittrete so vor Erleichterung und Aufregung. Meine Tränen liefen mir in Sturzbächen über die Wangen und ich lachte so herzhaft auf wie seit Wochen nicht mehr. Es war die Erfüllung all meiner Träume. Das Ende des unendlichen Wartens auf seine Rückkehr. Ich konnte mich gar nicht mehr ein kriegen und stammelte wild und beinahe ohne Verstand vor mich hin. "Du bist es! Du bist es wirklich! Oh Gott, Thorin. Ich kanns nicht fassen! Ich. Ich dachte. Ich. Ich weiß nicht. Ich. Oh Gott. Ich kann nicht mehr!", rief ich irgendwann schwer atmend. "Ja, Cuna. Ich. Ich weiß. Ich freue mich ja auch so sehr wieder bei dir zu sein. Auch wenn ich nicht erwartet hätte, dass du mich gleich zu beginn zu Boden schlägst. Nun beruhige dich aber wieder", raunte er, doch ich spürte, dass darin eine kleine Spur Belustigung in seiner Laune mit schwang. Auch ihm schien es deutlich gut zu tun endlich wieder seine Arme um mich zu schließen und er wog mich dabei leicht hin und her. Irgendwann schaffte ich es dann mich leicht von ihm zu lösen, damit ich ihm zumindest in das so wohlvertraute Gesicht blicken und in seinen eisblauen Augen versinken konnte, die mir den lang vermissten, wohligen Schauer über meinen Rücken trieben, als sie die meinen trafen. Ein sanftes Lächeln erschien hinter seinem dunklen Bart, welches ich nur zu gern erwiderte. "Ich hab dich so vermisst", hauchte ich, hob eine Hand und streichelte ihm dabei sanft über die Wange und den Bart. Er schmiegte bereitwillig sein Gesicht dort hinein und flüsterte: "Und ich dich auch." Ganz langsam näherten sich unsere Gesichter einander und ich schloss sanft die Augen. Wenig später fühlte ich nach so langer Zeit wieder seine weichen warmen Lippen auf meinen und seinen warmen Atem über mein Gesicht streichen. Doch lange hielten wir ihn nicht aufrecht, denn er löste ich wenig später schon wieder und murmelte mit aufgesetztem Schlafzimmerblick und seiner Stirn an meine gelegt: "Athune." "Was?", fragte ich und blinzelte leicht verwirrt. "Athune", wiederholte er amüsiert und ergänzte, "Das bedeutet in deiner Sprache: Meine Königin." Ich verzog etwas den Mund, als ich seine Übersetzung hörte. "Nenn mich doch nicht so", maulte ich und er lachte kurz auf. "Warum denn nicht? Es entspricht doch der Wahrheit", sagte er und stupste dabei ungewöhnlich neckisch mit seiner Nase gegen meine. "Ob es wahr ist oder nicht interessiert mich null, Thorin. Ich will so nicht genannt werden. Egal was ich irgendwann sein werde. Ich bin und bleibe Cuna. Punkt aus", meinte ich und wieder lachte er. "Du wirst dich wohl oder übel daran schon gewöhnen. Aber nun beeil dich. Du solltest dich anziehen. Wir wollen gleich aufbrechen", erwiderte er und löste sich dann nach einem kurzen Kuss auf die Wange ganz von mir. Etwas verwirrt drehte ich mich zu ihm um, während er sich unverhohlen daran machte mein Bettzeug einzusammeln. "Ähm. Aufbrechen?", fragte ich und kratzte mich irritiert am Kopf. "Ja. Aufbrechen. Hast du es denn schon vergessen? Du wolltest doch an diesem Tag diesen Ort hier verlassen, um an einen Anderen zu ziehen. Oder täusche ich mich da?", hakte er nach und mir klappte wieder der Mund auf. Verdammt! Er hatte ja recht! An diesem Tag wollte ich ja umziehen! Herr im Himmel! Das hatte ich in dem ganzen durcheinander, dem Halbschlaf und der Wiedersehensfreude völlig vergessen. Und nun fiel mir auch erst wieder auf, dass er und die anderen eigentlich gar nicht hätten da sein dürfen. Geschweige denn, dass sie schon gar nichts in meiner noch Wohnung zu suchen hatten. "Was? Ja. Aber. Thorin. Wie?", stammelte ich doch er hob nur eine Augenbraue als er meine Kissen zu Boden warf. "Was ist nun, Cuna? Zieh dich endlich an, damit wir los können", forderte er mit verständnislosem Blick, der deutlich fragte, warum ich immer noch wie eine Salzsäule da stand. "Ja. Aber hör mal. Wie um alles in der Welt bist du. Ich meine wie sind denn alle hier auf einmal rein gekommen? Ihr. Ihr hatten doch gar keinen Schlüssel", stammelte ich und er begann kurz drauf wieder mit seiner wundervollen tiefen Stimme aufzulachen und schüttelte nur seine schwarze Haarmähne. "Ich brauche keinen Schlüssel, Cuna. Der Arkenstein bringt mich, wenn ich es will, genau an den Ort wo ich hin will. So kann es nun mal auch sein, dass ich mitten in einem Haus auftauche, wenn es mein Wunsch ist. Ganz einfach. Und jetzt sieh endlich zu, dass du dich fertig machst", meinte er deutlich erheitert. Mit leicht skeptischer Miene griff ich kurz drauf nach einigen Sachen, die ich für diesen Tag bereit gelegt hatte und zog sie mir über mit den Worten: "Sag das nur nicht so laut. Sonst hält man dich noch für den besten Einbrecher aller Zeiten." "Du kannst mir glauben. Zu stehlen liegt mir fern. Aber vielleicht verstehst du ja jetzt, weshalb ich diesen höchst ungern aus der Hand gebe oder jemandem zeige. Die Kräfte die er birgt, sind in fremden Händen zu unberechenbar. Daher habe ich ihn damals auch lediglich Bofur gegeben und nicht Gandalf, als sie dich aufsuchten. Dem Zauberer traue ich nämlich nur so weit wie meine Arme reichen können", erklärte er mir und machte sich nach meinem Bettzeug dann am kompletten Gestell zu schaffen. Zum Glück war es ein Boxspring-Bett, das zwei getrennte Liegeflächen hatte, weshalb man es sehr leicht auseinander nehmen konnte. Doch eine Sache beschäftigte mich da noch. Aber ihn danach zu fragen schaffte ich einfach nicht, denn kurz drauf klopfte Kili an die Schlafzimmertür, um zu fragen ob ich angezogen sei, da sie wohl im Wohnzimmer Hilfe brauchten. So musste ich meine Fragerunde bis auf den Moment vertagen, an dem wir uns alle dazu auf machten, den Kram nach unten durch den langen Hausflur und über die Treppen zu schaffen. Zwischen drin öffneten sich sogar einige Wohnungstüren aus denen dann ein paar völlig überforderte Mieter heraus schauten. Unter anderem auch die gute Susi, die an diesem Morgen zuhause war und mich mit offenen Mund anstarrte. "Jacky? Was ist denn hier los?", fragte sie und ich grinste verlegen. "Ähm. Umzug?", erwiderte ich und blieb kurz mit einer der leichteren Kisten bei ihr stehen. Sie schaute dabei völlig verwirrt auf die Armbanduhr. "Um halb sieben Uhr morgens?", hakte sie nach und ich zuckte mit den Schultern. "Wer früh seine Arbeit beginnt, hat diese schneller verrichtet", kam es mit einem breiten Grinsen von Fili, der sich an mir vorbei drängte und meiner Nachbarin eine leichte Verbeugung schenkte, während er zur nächsten Etage hinunter stapfte. Ich konnte meiner Nachbarin daruafhin deutlich ansehen wie verwirrt und überfordert sie mit dem plötzlichen Aufmarsch an kleinen bärtigen Männer war. "Und. Und wo kommen bitte diese ganzen Kerle her?", fragte sie dann entsetzt, als sich einer nach dem anderen an mir vorbei schob. "Ähm. Ja. Also. Ich. Ich glaube, dass erkläre ich dir vielleicht später in einer ruhigen Minute", sagte ich mit entschuldigendem Unterton, als von unten schon Dwalin in barschem, lautem Ton nach oben brüllte, dass davon auch noch der letzte Hausbewohner wach wurde: "Weibstück! Komm endlich runter und schließ die Tür auf!" Ich seufzte kurz und ließ die ratlose Susi allein mit sich und ihren Fragen, während ich mich mit meiner Kiste bis ganz nach unten kämpfte, wo die Herren sich der Reihe nach mit Teilen meines Krams im Flur zusammen drängten. "Was hältst du da oben so lange Schwätzchen mit dieser anderen Menschenfrau? Wir sind in Eile", meinte der Zwerg mit der Glatze, als ich es irgendwie geschafft hatte mich zur Vordertür zu arbeiten. "Nu mach mal halblang, Herr Dwalin. Wir haben den ganzen Tag Zeit um den Kram den Berg zu meiner neuen Wohnung zu schaffen. Und den werden wir wohl auch brauchen. Wenn wir das zu Fuß schleppen wollen", meinte ich und öffnete dann hastig. "Wer sagt, dass wir das alles zu Fuß tragen?", fragte Bofur, der mit Vorne stand und grinste mich breit an. Ich blickte irritiert zu ihm herüber. "Na, wie denn sonst? Ich habe keinen Wagen womit ich den Kram transportieren könnte", erwiderte ich und schon sorgte ich wieder für allgemeines Gelächter. Was hatten die Männer denn nun schon wieder? Sie schienen an diesem Morgen ja wirklich bester Laune zu sein. Ich schüttelte nur den Kopf darüber und ging dann mit meiner Kiste voran nach draußen, wo ich kurz drauf mit offenen Mund mitten auf dem Bürgersteig stehen blieb. Denn dort stand, mitten auf der Straße vor dem Haus, ein recht großer, altertümlicher Wagen, vor dem vier sehr kräftig wirkende Ponys gespannt waren. Und auf dem Kutschbock saß ein freundlich grinsender Bombur und winkte mir freudestrahlend zu. Mir war in dem Trubel gar nicht aufgefallen, dass er fehlte. Und das obwohl er gar nicht zu übersehen war. Während ich dieses abstruse Bild noch einige Minuten lang wie besessen anstarrte, legte mir schließlich der Zwergenkönig von hinten einen Arm um die Schulter und murmelte gut gelaunt. "Du magst vielleicht keinen Wagen besitzen. Wir allerdings schon." - 72. Das etwas andere Umzugsunternehmen / ENDE - Kapitel 73: 73. Fesselspielchen, Kosenamen und Wahrheiten --------------------------------------------------------- Ob es nun die Übermüdung oder die Anstrengung der vergangenen Tage war. Es zog mir fast buchstäblich den Boden unter den Füßen weg, als ich immer noch mit weit aufgerissenem Mund die offensichtliche Transportkutsche vor meinem alten Wohnhaus musterte, die zu allem Überfluss den morgendlichen Pendlerverkehr ein wenig behinderte. Was die Autofahrer, die daran vorbei wollten, mit eindeutigem Hupen und gebrüllten Beschimpfungen bestätigten. Doch störte das Ganze weder die Ponys, die für meine Begriff doch ungewöhnlich still standen, noch die Zwerge, die sich hinter meinem Rücken vorbei drängten, um eine Kiste nach der anderen auf die relativ große hölzerne Ladefläche zu packen. Ich war unterdessen wie zur Salzsäule erstarrt und bemerkte fast gar nicht, wie mir Kili mit einem breiten Grinsen die Kiste abnahm, die ich sowieso beinahe fallen gelassen hätte. Thorin blieb derweilen bei mir stehen und hielt mich weiterhin an den Schultern fest. Wohl mehr aus Sorge, ich könne im nächsten Moment tatsächlich umfallen. Denn ich hatte irgendwie ein recht schwaches Gefühl in meinen Beinen, das dementsprechend nicht von ungefähr kam. Schließlich hatte ich derartige Umzugshilfe an diesem Morgen überhaupt nicht erwartet. Da musste ich einmal mehr neidlos anerkennen, dass der Zwergenkönig mir mal wieder einen ordentlichen Schritt voraus war. Doch warf die ganze Sache auch einige Fragen auf, die ich irgendwie versuchte in meinen erschöpften Gedanken zu sortieren. Allerdings führte meine Zunge aufgrund spontaner Überforderung ein reges Eigenleben, weshalb ich nur vereinzelt Worte hervor stieß. "Was? Wie? Woher? Warum?", stammelte ich und drehte wie ein Zombie meinen Kopf in seine Richtung, damit ich ihm ins Gesicht sehen konnte. Er wand nun ebenso den Kopf in meine Richtung, da er zunächst seinen Männern Befehle zu gerufen hatte, wie sie die Kisten am besten stapeln sollten, ehe er mir mit einen reichlich verächtlichen Schmunzeln in die Augen sah. "Ich hatte dir doch in meinem Brief geschrieben, dass ich ein wenig aufgehalten wurde. Nun, da ist das Ergebnis", meinte er schlicht und deutete unnötigerweise wieder auf den Wagen. "Ja. Schon. Aber. Woher wusstest du..?", begann ich, doch er unterbrach mich mit einem kurzen, missbilligend klingenden Zungenschnalzer, den man eigentlich nur verwendete, wenn man kleinen Kindern versuchte zu sagen, dass sie etwas unanständiges machten. "Was denkst du, Cuna? Natürlich von Bofur. Er hat mir, nach seiner Rückkehr alles ausgerichtet und mir erklärt, was auf diesem eigenartigen Markt so vorgefallen ist. Auch, dass die Waren, die du angepriesen hast, nicht gerade von besonders hohem Wert waren. Aber um ehrlich zu sein, war ich mir schon nach meinem Aufbruch nicht sicher, ob du in der Lage wärst, das Ganze hier alleine zu schaffen. Und wie ich feststellen musste, lag ich mit meiner Vermutung gar nicht mal so falsch", antwortete er ein bisschen überheblich, woraufhin ich ihm einen ziemlich angesäuerten Blick schenkte. Natürlich. Was hätte ich auch anderes von ihm erwarten können, als die Tatsache, dass er mir nicht zutraute etwas von selbst zu schaffen. Gut, es stimmte in diesem Fall. Aber trotzdem war es nicht gerade nett von ihm mich derartig vorzuführen, was ihm durchaus mit dieser Aktion gelungen war und ich ins besondere auch noch neidlos anerkennen musste, dass er mich damit buchstäblich sprachlos gemacht hatte. Dennoch konnte ich mir ein kurzes gemurmeltes: "Mistkerl." nicht verkneifen. Genauso wie einen leichten Rempler mit dem Ellenbogen gegen seine Rippen. Was ihm aber eher wenig auszumachen und stattdessen dafür sorgte, dass er kurz lachte, während ich mich von ihm los riss und grummelnd half, die weiteren Kisten und Kartons aufzuladen. Nicht nur, damit es schneller voran ging, sondern auch um aufzupassen, dass sie nicht irgendetwas unachtsam herum warfen, das zufällig hätte kaputt gehen können. Wie zum Beispiel meinen relativ großen Flachbildfernseher. "DWALIN! NORI! NICHT!", rief ich, als diese gerade dabei waren genau das zu tun, was man mit einem Fernseher unter keinen Umständen tun sollte, nämlich werfen. "Warum? Was ist denn?", fragte Nori und hielt das Gerät gerade noch fest, als ich auf sie zu stapfte. "Geht etwas sorgsamer damit um. Das Ding ist kein Hobbitgeschirr und war verdammt teuer", erklärte ich woraufhin Dwalin allerdings skeptisch eine Augenbraue in die kahle Stirn schob. "Wie viel kann denn so ein ungewöhnlich schwarzes Gemälde schon sein? Und vor allem, warum hängst du dir ausgerechnet so was an die Wand, Weibstück", fragte er kopfschüttelnd. Ich seufzte nur auf und entsann mich dann, dass es in Mittelerde wohl keine Fernsehgeräte gab, weshalb sie das auch nicht kennen konnten. So musste ich mich wohl oder übel wieder in Erklärungen stürzen, die zumindest halbwegs verständlich für die Zwerge waren. "Also, zunächst mal ist das kein Gemälde, sondern ein Gerät mit dem ich mir Bildergeschichten ansehen kann oder eben Aufnahmen von entfernten Orten. Quasi so was wie ein Palantir, nur eben ohne die Möglichkeit mit anderen zu kommunizieren, die auch so etwas haben. Wobei es das inzwischen ja auch gibt und man allerdings noch ein paar weitere Gerätschaften für braucht bis das Funktioniert. Aber fragt mich nicht welche und wie", sagte ich so knapp es eben ging und die Beiden tauschten irritierte Blicken, bevor sie einfach nickten und das Gerät nun weitaus vorsichtiger behandelten. Auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass sie lediglich dachten, Vorsicht mit Cunas Sachen, sonst gibt es ärger mit dem König, der wenig später mit zwei Kisten an mir vorbei kam und diese ebenfalls auf dem Wagen abstellte. "Ich hoffe, das war bald alles. Oder besitzt du noch mehr Dinge?", fragte er mich geraume Zeit später, als er an mir vorbei kam um eine weitere aus dem Flur zu holen. "Nein. Leider ist das, was oben ist noch nicht alles. Ich hab noch ein paar Kleinigkeiten im Keller stehen. Aber das ist nicht der Rede wert. Nur der Trockner und die Waschmaschine", sagte ich ein wenig unbedacht, woraufhin er etwas die Augenbrauen hob. "Was soll denn das bitte sein?", fragte er mit einem reichlich verständnislosen Blick. "Das sind Hilfsmittel, mit denen ich meine Wäsche sauber machen und danach trocknen kann, ohne lange darauf zu warten", erwiderte ich gestresst und stemmte gleich zwei Kartons auf einmal hoch. "Meinst du nicht, dass das jemand anderes tragen sollte?", hakte er nach und musterte mich zweifelnd, wie ich mich ein bisschen abmühte. "Seh ich wie eine schwache Frau aus oder was?", entgegnete ich ziemlich barsch ohne ihn anzusehen und stapfte unversehens nach draußen. Dort angekommen wollte mir Bofur gerade die Sachen abnehmen die ich trug. "Komm. Ich helfe dir. Das sieht verdammt schwer aus", meinte er und griff schon unter die Pappe. Ich entzog mich allerdings diesem Griff mit den Worten: "Lass mal. Das geht schon. Die sind leicht." Dabei stimmte das nicht wirklich, sie hatten schon ein ordentliches Gewicht, was mich ziemlich ins Schwitzen brachte, da ich dort mein Sammelsurium an Büchern eingeparkt hatte. Aber aufgrund von Thorins mehr als abwertendem Kommentar, dass ich in seinen Augen nichts alleine schaffte, wollte ich mir nicht die Blöße geben auch beim Arbeiten als schwache Frau da zu stehen. Schließlich hatte ich immer noch einen gewissen Funken Stolz und dementsprechend auch den Ehrgeiz mich davon eher anstacheln zu lassen, als die Flinte ins Korn zu werfen und entmutigt aufzugeben. Doch rächte sich mein falscher Stolz wenig später, als ich versuchte die Kartons mit einem Ruck auf den Wagen zu wuchten. Wobei ich unglücklicherweise an einem Holzbalken hängen blieb, das Gleichgewicht verlor und mit meinem gesamten Gepäck nach hinten umfiel. Das Gewicht, der ganzen Bücher presste mir umgehend sämtliche Luft aus den Lungen und ich meinte sogar die Engel im Himmel Pfeifen zu hören, so heftig war der Aufprall meines armen Rückens auf dem gepflasterten Bürgersteig. Reihum brachen bestürzte und panische Schreie aus, während ich hilflos wie ein Maikäfer mit den Füßen und den Armen herum strampelte, um mich von meiner Last zu befreien. "In Durins Namen! Cuna! Ist dir was passiert?!", rief Bofur hastig und kniete sich zu mir runter, um mich von dem Gewicht zu erlösen. "Mir. Gehts. Gut", erwiderte ich nur keuchend, als der Erste aus meiner Brustregion verschwunden war, sodass ich freier Atmen konnte. Der Nächste wurde von Ori entfernt, der mich ebenso besorgt musterte wie alle zwölf Augenpaare, die herbei gestürzt waren, als ich so unversehens umkippte. Wenig später preschte allerdings noch ein dreizehntes Paar durch die Reihen seiner Leute und schob diese grob beiseite, um sich zu mir zu knien. In seiner Miene spiegelte sich eine Mischung aus Besorgnis aber auch eiskalter Genugtuung wieder. "So viel zur 'Schwachen Frau' ", meinte er schlicht, fasste mich einmal hinter meinen Schultern und dann unter den Knien. Danach stemmte er mich mit Leichtigkeit hoch und schaute mir vorwurfsvoll ins Gesicht. Ich erwiderte dies nur mit unschuldiger Miene, die er mir allerdings nicht aufkaufen wollte. "Du rührst heute keinen Finger mehr", erklärte er kurz angebunden und trug mich unterdessen in Richtung des kleinen Ladengeschäftes, dass sich unten im Wohnhaus befand und eine sehr niedrige Schaufensterbank besaß. "Hey! Das war nur ein kleiner Unfall. Es geht mir gut, Thorin. Lass mich runter. Ich kann weiter arbeiten", protestierte ich, woraufhin ich mir allerdings einen seiner sehr harten, wütenden Blicke anfing, die er stets verwendete, um alle möglichen Leute einzuschüchtern. "Ich sagte, du rührst heute keinen Finger mehr. Meine Männer und ich erledigen den Rest. Falls du es doch versuchst, werde ich dich persönlich Fesseln und zwischen deine ganze Habe auf dem Wagen stecken. Verstanden?", fauchte er gefährlich leise und setzte mich trotz seinem leicht aufgebrachtem Wesen behutsam auf der Fensterbank ab. Ich seufzte und verdrehte genervt die Augen. "Ernsthaft jetzt?", hakte ich beleidigt nach und verschränkte die Arme vor der Brust. "Willst du es unbedingt darauf anlegen?", fragte er mit leichtem verärgertem Knurren in der Stimme und seine eisblauen Augen bekamen wieder diesen sehr stechenden Ausdruck, als wären sie zu kalten Speeren mutiert. "Vielleicht. Die Aussicht auf kleine Fesselspielchen mit dir kling für mich nach den ganzen Wochen äußerst verlockend", erwiderte ich mit einem sehr frechen Grinsen. Dem Zwergenkönig klappte binnen Sekunden der Mund auf und zu. So viel Dreistigkeit, wie ich damit gerade an den Tag legte, war selbst ihm noch nicht unter gekommen. Wobei ich allerdings kurz drauf feststellen musste, dass er meine eindeutig zweideutigen Worte offenbar in den falschen Hals bekommen hatte. "Dwalin", blaffte er kurz nach hinten. Dieser setzte sich umgehend in Bewegung und eilte zu seinem König. "Was ist?", fragte er worauf hin ihm Thorin allerdings in Khuzdul antwortete. Dwalin sah einmal zu mir, dann wieder zu ihm und auf seinem Gesicht trat ein sehr finsteres und vergnügliches Grinsen. Schließlich verschwand er kurz in Richtung Kutschbock, um da herum zu wühlen. "Was wird denn das jetzt?", fragte ich irritiert und sprang schon wieder auf die Beine. Gerade als ich sah, wie der Zwerg mit der Glatze ein schweres, aufgewickeltes Tau hervor zog. Ich schüttelte nur ungläubig den Kopf und hob abwehrend die Hände, als dieser damit auf mich zu kam. "Hey! Mo-mo-moment mal", rief ich empört aus und wollte schon die Flucht antreten, doch leider vergaß ich dabei, wie jedes mal, dass Thorin, wenn er wollte, ungemein schnell sein konnte. Denn schon hatte er mich eingefangen, noch bevor ich überhaupt einen Meter weit gekommen war und hielt mich nun in seinem eisernen Klammergriff von hinten fest. "Nein. Nein! Thorin! Hör auf. Lass mich los!", schimpfte ich doch er lachte mir nur gehässig ins Ohr, während Dwalin es schaffte des Tau mit Leichtigkeit um meinen Körper und die Beine zu wickeln, und dieses dann fest zu zurren. Danach warf mich der Zwergenkönig, wie einen zeternden Kartoffelsack über seine inzwischen wieder verheilte Schulter und meinte: "Das geschieht alles nur zu deinem Besten." "Jaja. Zu meinem Besten. Kaum war der Herr Eichenschild mal ein paar Wochen wieder in der Heimat, schon benimmt er sich wieder, wie Rambo im Altenheim!", knurrte ich ihn beleidigt an, während er sich gekonnt zum Wagen umdrehte und mich an seine beiden Neffen weiter reichte, die lachend oben auf der Ladefläche standen. "Setzt sie irgendwo ab, wo sie nicht verletzt werden kann", meinte der kleine, dunkelhaarige Mann und schaute mir noch einmal mit einen genug tuendem Nicken ins Gesicht, bevor er seinen Männern befahl weiter zu arbeiten. "Das ist nicht Fair! Macht mich wieder los!", protestierte ich weiterhin, doch es blieb ungehört. Fili und Kili amüsierten sich köstlich, als sie mich einfach zwischen meinen Sofakissen absetzten, die bereits oben waren und mir bei dieser Gelegenheit fast spöttisch den Kopf streichelten. "Mach dir nichts draus, Schwesterchen. Du solltest Thorin beim nächsten Mal nicht provozieren. Eigentlich müsstest du ja inzwischen wissen, dass er seinen Worten gerne Taten folgen lässt", meinte Fili und lächelte mich versöhnlich an. Ich schnaubte nur kurz und setzte ein beleidigte Schnute auf, als hätte ich gerade in eine fette Zitrone gebissen. "Dann soll mir dein werter Onkel mal erklären, wie ihr in den Keller kommen wollt, wenn ich hier gefesselt sitze", sagte ich sehr laut, sodass der hinterhältige Mistkerl es auch ja hörte, wo er aus dem Hausflur wieder kam. "Sag mir einfach wo dieser ist und wo ich die Gegenstände finde, die du dort verwahrst. Ich werde schon aufschließen", meinte er als er in Sichtweite war. Ich hob nur ungläubig eine Augenbraue. "Wie denn, ohne Schlüssel?", fragte ich und hoffte schon ihm damit bewegen zu können mich los binden zu lassen. Doch binnen kurzer Zeit machte er mir sie zu nichte, indem er mit einem sehr finsteren und heimtückischen Grinsen seine linke Hand hob, an deren Mittelfinger mein kompletter Schlüsselsatz, samt dem Schäfchenanhänger klimperte. "Was?! Wie hast du... ? Woher hast du...?", quietschte ich empört und er schmunzelte wieder. "Er steckte noch in der Tür. Du bist heute sehr unachtsam, Weib. Also, sag schon wo ich die Sachen finden kann. Damit wir endlich los fahren können", meinte er in einem ernsten, aber doch reichlich amüsierten Tonfall. "Ich sag es dir. Wenn du mich los binden lässt", meinte ich und versuchte dabei eine unschuldige Miene aufzusetzen. "Das hättest du wohl gerne. Nein. Du bleibst so lange gefesselt, bis wir in unserem neuen zuhause sind. Wenn du aber unbedingt mit mir verhandeln willst, dann sage ich dir, wenn du mir nichts sagst, lasse ich diese Sachen einfach hier", erwiderte er und klimperte weiter fröhlich mit meinem Schlüsselbund herum. "Dann lass du dir gesagt sein, HERR Eichenschild, dass du dann heute Nacht auf dem Sofa schlafen darfst!", konterte ich doch er schüttelte nur den Kopf. "Damit kann ich leben. Ein Tag mehr oder weniger, was macht das schon", schnaubte er verächtlich. "Gut. Wenn du damit leben kannst dann. Ja, ich habs. Kein Rumgefummel und erst recht keinen Sex bis nach der Hochzeit", entgegnete ich so laut, dass selbst die beiden Jungs, die immer noch neben mir standen knall rote Wangen bekamen und selbst der Zwergenkönig große mühe hatte seine Gesichtsfarbe zu beherrschen. Hinter Thorin schoben sich unterdessen Dori und Gloin vorbei, die merkwürdiger weise sehr laut zu pfeifen begannen, was wohl unbeteiligt klingen sollte. Doch erkannte ich es sehr deutlich an ihren halb verdeckten Gesichtern, dass sie es klar und deutlich gehört hatten. "Und wenn schon. Ich habe es fast dreihundert Jahre geschafft, ohne diesen Kram auszukommen. Und wenn du weiter versuchst mir zu drohen, dann laden meine Männer und ich die ganzen Sachen einschließlich dir wieder vom Wagen und du darfst sie ohne Hilfe tragen, während wir mit dem Wagen voraus fahren. Dann bekommst du genau das, was du wolltest", meinte er schließlich und sah nicht nur beschämt, sondern unglaublich wütend aus, da ich ihn offensichtlich vor der ganzen Truppe versucht hatte, lächerlich zu machen. Ich schluckte etwas und dachte angestrengt nach. Na, so hatte ich mir unser Wiedersehen eigentlich nicht vorgestellt. Vor allem nicht, dass ich gefesselt auf dem Wagen säße und er mich dabei böse an funkelte. Seufzend ließ ich den Kopf sinken, nachdem wir einen unserer Anstarrwettbewerbe begonnen hatten, der dieses Mal in einem eher peinlich berührten Schweigen geführt wurde und murmelte dann reuevoll: "Die Kellertür ist ganz hinten durch im Erdgeschoss. Genau unter der Treppe. Kann man nicht verfehlen. Die Sachen stehen im ersten Raum links von der Treppe und dann an der rechten Wand des Raumes. Die sind schon alle abmontiert. Heißt die können so weg genommen werden. Sind zwei weiße, viereckige, recht hohe Dinger." Das Nächste was ich von ihm hörte war ein erleichtertes Aufatmen und ein: "Warum nicht gleich so." Dann verschwand er mit Bofur, Dwalin und Nori wieder im Haus, welche wenig später mit den gewünschten Gerätschaften auftauchten und diese als letztes auf den Wagen spannten. Die anderen Zwerge hatten es sich inzwischen schon auf dem Kutschbock oder dem restlichen Wagen zwischen meinen Sachen so gut es ging bequem gemacht. Thorin stieg als Letzter auf und hockte sich direkt neben mich. "Du sagst uns wo wir lang fahren müssen", meinte er schlicht und legte mir behutsam seinen kräftigen Arm um die Schulter. Ich seufzte noch einmal und erklärte dann relativ laut den Weg zum Zielort: "Erst mal der Straße folgen. Und dann passt auf, oben angekommen ist ein sogenannter Kreisel. Da müsst ihr rechts herum fahren und die zweite Ausfahrt nehmen. Danach noch weiter gradeaus, bis ihr auf der rechten Seite einen steilen Berg erreicht. Da müssen wir hoch. Aber passt auf, der ist ziemlich uneben. Wenn wir oben sind müssen wir den ersten linken Weg nehmen, danach gehts noch mal links und dann sind wir auch schon da." "Hast du gehört, Balin?", fragte Thorin über die seine Schulter hinweg nach vorne. "Klar und deutlich", sagte der alte Zwerg. "Gut. Dann lass uns fahren", befahl der Zwergenkönig und schon setzte sich unser zwergischer Schwertransport wackelnd in Bewegung. Die Fahrt verlief erstaunlich glatt und problemlos. Auch wenn ich gerade an dem steilen Berghang die Befürchtung hatte, die armen Ponys würden jeden Moment kollabieren oder durchgehen, wenn ein verrückter Autofahrer wild hupend an uns vorbei bretterte. Thorin machte es sich unterdessen neben mir etwas bequemer und zog mich näher an sich heran. Ich schnaubte nur einmal kurz, als er ganz behutsam sein Gesicht in meinem Haupthaar vergrub, um mir sanft den Kopf zu küssen. "Immer noch eingeschnappt, Cuna?", murmelte er leise und belustigt. Wieder schnaubte ich und hätte mir besser auf die Zunge gebissen, denn das was ich als nächstes zu ihm sagte, war alles andere als nett. "Schatz, du bist ein Arschloch", grollte ich und erkannte dann erst meinen schweren verbalen Ausrutscher. Nur war ich aufgrund gefesselter Umstände nicht in der Lage mir die Hand vor den Mund zu schlagen. "Wie hast du mich gerade genannt?", fragte er ein bisschen erschrocken und gleichzeitig empört. "Ähm. Ich. Ach tut mir leid, Thorin. Ich hab letzte Nacht nicht geschlafen und bin verdammt gereizt", seufzte ich, doch ließ sich der Zwergenkönig nicht auf meine Entschuldigung ein. "Noch mal. Wie hast du mich gerade genannt?", hakte er sehr grantig nach. "Ahm... Arschloch?", nuschelte ich gerade so verständlich, dass nur er es hören konnte. "Das hab ich nicht gemeint. Ich weiß, dass ich so etwas bin. Ich meine das andere Wort davor", sagte er ruhig. "Du meinst 'ein'?", erwiderte ich mit einem verschmitzten Lächeln. "Cuna...", raunte er nun etwas ungeduldiger. "Nein, das habe ich nicht gesagt", meinte ich und hörte dabei zufällig hinter ein paar Kisten Kili und Fili sehr leise kichern, die wohl gespannt unserem Gespräch lauschten. "Das erste Wort, was du zu mir gesagt hast, Cuna", knurrte er mir energisch in Ohr. "Ach so. Du meinst Schatz. Was ist damit?", fragte ich etwas verwirrt. "Warum hast du mich gerade so genannt?", hakte er nach einem lang gezogenem Seufzer nach. "Na. Weil man das bei uns so macht. Also, wenn man einen Partner hat, gibt man diesem einen Kosenamen. So wie eben Schatz, Spatzi, Mausi, Bärchen oder mein absoluter lieblings- horror- Kosename, Schatzimausibumsibärchen", erklärte ich ausführlich, woraufhin nicht nur Kili und Fili hinter den Kisten brüllten vor lachen, sondern auch der Rest der Truppe gleich mit. Der Einzige, der dies nicht so lustig fand, war der Zwergenkönig selbst, der mir sehr deutlich und mahnend ins Ohr knurrte: "Wehe dir, du nennst mich nur ein einziges Mal so. Dann überlege ich mir, ob es nicht ratsamer wäre dir die Zunge heraus zu schneiden und erst wieder zur Heirat anzunähen." Ich musste ein bisschen Kichern, als ich beim herüber schielen bemerkte, dass auf seinen Wangen wieder ein leicht rosaner Schimmer aufgetreten war, der allerdings weit von Ärger entfernt war. Irgendwie tat es schon gut ihn ein bisschen zu ärgern, aber wollte ich es an diesem Tag nicht noch weiter voran treiben und murmelte versöhnlich, während sich seine Männer immer noch schüttelten vor Lachen. "Mach dir keine Sorgen. So werde ich dich nie nennen. Ich mag das Wort ja selbst nicht", erklärte ich ihm und legte meinen Kopf leicht an seine kräftige Schulter. "Das will ich auch um deinetwillen hoffen. Aber erkläre mir doch bitte, was diese 'Kosenamen' für einen Sinn beinhalten", sagte er mit einem leichten Schnauben und ließ nun seinen Kopf gegen meinen sinken. "Nun ja. Damit zeigen die Leute meiner Welt eben, dass sie sich gern haben und das der Andere ihm sehr viel bedeutet. Daher verwenden das viele auch in der Öffentlichkeit. Was manchmal für ziemliche Verwirrung sorgt. Denn viele nennen ihren Partner einfach nur 'Schatz'. Das ist kurz und beschreibt einfach etwas Wertvolles", erklärte ich ihm ruhig, während wir oben angekommen waren und es um die nächste Ecke ging. "Also. Das heißt, dass ich dir genauso viel bedeute, wie ein Schatz aus purem Gold. Habe ich das richtig verstanden?", hakte er neugierig nach und in seiner Stimme lag nun wieder etwas mehr Entspannung. "Oh, glaub mir. Du bist für mich weit mehr wert, als alles Gold der Welt. So gesehen unersetzlich", meinte ich verlegen schmunzelnd. "Dann sollst du auch nicht missen, was ich dir zu Teil werden lasse", sagte er schlicht und schob mir seine andere Hand unter das Kinn, um dieses etwas hoch zu drücken und zur Seite zu schieben, damit ich ihn ansehen musste. Er lächelte ganz bedächtig und näherte sich vorsichtig meinen Gesicht, bevor er mir unversehens einen seiner zärtlichen und gleichzeitig brennenden Küsse auf die Lippen presste. Ich keuchte ein wenig und schloss die Augen. Er hatte wirklich nicht ganz unrecht. Gerade das hatte ich am meisten von ihm vermisst. Diese kurzen, innigen Berührungen zwischen uns beiden, die für so viele Paare irgendwann zur Selbstverständlichkeit wurden, und sicher bald auch bei uns. Doch bis dahin genoss ich einfach nur das Gefühl dieser noch relativ jungen, ungezwungenen und befreienden Liebe, die ich in diesem kleinen Mann gefunden hatte. Und er tat es mir gleich, indem er nun die Hand von meinem Kinn nahm, mich mit dieser umschlang und fest an sich drückte. Doch leider währte dieser sagenhafte Moment mit diesem unglaublichen, kleinen Mann nicht lange. Denn schon wand sich Balin mit lauter Stimme an uns und sorgte dafür, dass Thorin sich mit einem leicht gefrusteten Brummen wieder von mir löste. "Ich glaube, wir sind gleich da!", meinte er und ich versuchte in meiner Seilkonstruktion ein bisschen aufrechter zu sitzen, damit ich etwas sehen konnte. Was eigentlich Unsinn war, denn der riesige, weiße Plattenbau ragte bereits einige Meter, fast schon bedrohlich, über unseren Köpfen auf, als wir unter einer Reihe dicht mit Bäumen überwachsener Parkplätze entlang fuhren. "Ja. Das ist es. Haltet vorne vor der Tür", meinte ich und hörte im selben Moment die kleinen bärtigen Männer vor Erstaunen und Unbehagen aufkeuchen. "Das ist es? Wirklich?", fragte Fili, dessen blonder Haarschopf hinter den Kisten auftauchte und gleich gefolgt von Kili wieder bedeckt wurde. "Ja. Das ist es", wiederholte ich mit einem sehr deutlich verbittertem Unterton. "Das ist der sonderbarste Palast, den ich je zu Gesicht bekommen habe", kam es von Oin, der irgendwo ganz hinten auf der Ladefläche sitzen musste. "Das. Ähm. Ist kein Palast. Das ist ein Wohnhaus mit mehr als hundert Einzelwohnungen", erklärte ich knapp, während sich der Zwergenkönig nun daran machte mich endlich aus meinem geflochtenen Kokon zu befreien. "Dann werden wir ja genug platz für alle haben", meinte der Zwerg mit der Mütze optimistisch vom Kutschbock aus, wo er neben seinem Bruder und Balin saß. "Wohl eher nicht Bofur", meinte ich, als der Wagen vor dem nicht gerade einladenden gläsernen Portal stehen blieb. Nach und nach stiegen wir nun von unserem skurrilen Transportmittel ab, wobei mir Thorin natürlich die Hand reichte, damit ich nicht stolperte. Es wäre zwar nicht nötig gewesen, da ich auch locker hätte runter hopsen können, doch ich beschloss mich an diesem Tag nicht weiter mit ihm zu streiten. Erst recht, da das Schlimmste eigentlich noch bevor stand. Nämlich meine Wohnung. "Thorin? Gibst du mir bitte meinen Schlüsselbund wieder, damit ich uns aufschließen kann?", fragte ich freundlich und er zog diesen aus seiner Leinenhose, mit einen sehr versonnenen Grinsen und den Worten: "Liebend gern. Mein Arkensteinchen." "WAS?!", platzte mir unwillkürlich aus dem Mund und schon gab es erneutes Gelächter unter den Männern, sodass mir der Kopf knall rot anlief. Das war dann wohl die Rache für Schatzimausibumsibärchen, dachte ich. Und so wie er mich angrinste und die Arme vor seiner breiten Brust verschränkte, bestätigte er das auch noch wortlos. Ich schüttelte nur heftig den Kopf und wand mich dann mit einem Räuspern von ihm ab, um zur Tür zu schreiten. Allerdings konnte ich mir ein kleines Kichern nicht verkneifen. Denn eigentlich fand ich diesen Namen doch sehr putzig. Trotzdem hieß es erst einmal, beiseite mit den Albernheiten. Ich musste die Männer auf die erste Hürde vorbereiten, die wir zu nehmen hatten und eine der wichtigsten Fragen überhaupt beantworten. Treppe oder Fahrstuhl. Wobei ich bei letzterem durchaus schwere bedenken hatte. Sicher, es befanden sich zwei Stück im Haus und es wäre auch weitaus leichter die Sachen da rein zu stecken und hoch fahren zu lassen. Allerdings käme es sehr schlecht, wenn einer der Zwerge mit darin sein würde und das Ding auf halber Fahrt stecken bliebe. Außerdem gab es da noch eine andere Befürchtung. Nämlich, dass sich einer der hiesigen Hausbewohner einmal gemächlich in einer von den fahrenden Kammern erleichtert haben könnte. Und damit machte ich wirklich keine Scherze. Denn mir hatte schon einmal eine Bekannte, die bei einem gut laufenden Pizzabringdienst arbeitete gesagt, dass sie des öfteren in diesen Dingern allerlei menschlichen Unrat vorgefunden hatte. Manchmal sogar mit dem betreffenden Mensch darin, weshalb sie selbst in den zwölften Stock zu Fuß gelaufen war. Daher traute ich mich auch nicht wirklich hinein. Schon deswegen, weil es bereits unten in der Eingangshalle sehr unangenehm nach einen starken Putzmittel roch, was meine Vermutungen nur umso mehr bestätigte. Also doch Treppe laufen. Und das auch noch bis in den achten Stock. Die Zwerge würden sich sicherlich herzlichst bei mir für diesen heftigen Gewaltmarsch hoch und runter bedanken, wenn sie fertig waren. Doch zunächst einmal stach ihnen ebenso wie mir, der absolut ätzende Putzmittelgeruch in die Nasen, weshalb sie der Reihe nach fluchten, als sie mir folgten. "Oh. Bei Durins Bart. Was ist das für ein widerlicher Gestank?", keuchte Bofur, der fast schon hustete. "Wenn ich lügen müsste, würde ich sagen, das ist ein Trollhort. Aber eigentlich ist es nur die Eingangshalle", meinte ich und drehte mich zu den Herren um, die alle die Gesichter verzogen. "Hör lieber auf derartige Späßchen mit uns zu treiben und weise uns lieber den Weg zu deinen neuen Gemächern. Ich mag nicht lange hier unten verweilen", grollte Thorin und schüttelte sich angewidert. Ich seufzte kurz und wand meine Schritte dann in Richtung des Treppenhauses, wo ich die Tür aufstieß und gleich drauf drei Schritte zurück ging, da von dort ein nicht minder heftiger Geruch nach Putzmittel aufstieg. "Boah. Alter. Das Schicksal will mich heute irgendwie verarschen", meinte ich und schüttelte den Kopf. "Was ist denn, Cuna?", fragte Kili und trat etwas näher an das Treppenhaus heran. Aber auch er machte drei Schritte zurück. "Mahal! Gibt es denn keine andere Möglichkeit nach oben?", fragte dieser dann und hustete heftig, wobei er mit der Hand vor seinem Gesicht herum wedelte. "Naja. Es gibt Aufzüge. Aber um ehrlich zu sein habe ich angst, dass da etwas noch viel Schlimmeres drin stecken könnte als dieser Putzmittelgeruch", erklärte ich schulterzuckend. "Wenn du solche Befürchtungen hast, dann nehmen wir die Treppen. Wie weit geht es nach oben?", fragte Thorin und trat mit den anderen näher. "Bis hoch in die achte Etage. Die Nummern stehen an den Wänden", meinte ich und der Zwergenkönig nickte knapp. "Dann geh voran", sagte er sehr angespannt. Ich seufzte noch einmal und machte mich dann todesmutig auf in das kalte Treppenhaus. Sicher, die Stufen waren leichter zu nehmen als in meinem Altbau, doch war hier der Weg deutlich weiter und bereits ab Etage sechs begannen die Herren entnervt zu stöhnen. "Wie weit ist es denn noch?", klagte Bofur von irgendwo aus der Mitte. "Sind gleich da", entgegnete ich und erreichte schon den Absatz zur Acht, wo eine große, giftig grüne Zahl an die Wand gepinselt worden war. Daneben fand sich eine gläserne Tür, die ich öffnete und somit erfrischende Luft von den Außenbalkonen ins Treppenhaus strömte, was die Herren direkt hinter mir erleichtert aufatmen ließ. Nach und nach setzten sie ihre schweren Stiefel aus dem Treppenhaus und sahen sich um. Unter uns stand der Wagen mit den Ponys, den Bombur fleißig bewachte- Wofür er nun wirklich dankbar sein konnte, denn ich wagte zu bezweifeln, dass er es zu Fuß überhaupt bis in den dritten schaffte. "Das ist ganz schön hoch", hörte ich Fili mit verblüffter Stimme sagen, als wir ein Stück gegangen waren. Meine Wohnung lag ganz hinten an der äußersten Ecke des Wohnhauses, weshalb wir natürlich noch etwas brauchten, bis wir angekommen waren. Dann endlich stecke ich den Schlüssel ins Schloss und hob noch einmal andächtig den Kopf zu den kleinen Männern, wobei ich hauptsächlich Thorin mit leicht skeptischem Blick anvisierte. "Was ist? Nun öffne schon", drängte Dori, der seine Kisten wohl nach dem Marsch los werden wollte. "Also. Nur als. Kleine Warnung. Erwartet jetzt keine Luxusvilla. Die Wohnung ist klein", sagte ich, doch schon begannen die Herren von neuen ungeduldig zu drängeln. "Mach einfach auf, Weibstück. Wir werden es ja schon sehen", brummte Dwalin sichtlich gereizt. Ich atmete noch einmal tief durch, schloss die Augen und drehte dann den Schlüssel im Schloss. Zweimal kurz nach links, einem rechts und dann wieder links. Man konnte deutlich die vielen Sicherheitsschlösser aufspringen hören, bevor ich endlich eintreten konnte. Mit geschlossenen Augen und heftig pochendem Herzen machte ich die ersten Schritte ins Apartment, die wenig später vom schweren Stiefelgetrampel der Zwerge buchstäblich übertönt wurden. Doch dieses setzte jäh aus, als ich bereits die gegenüberliegende Wand erreicht hatte, wo sich das Fenster und die Tür zu meinem kleinen Balkon befand, der schon von der Morgensonne beleuchtet wurde. "Das. Ist", hörte ich hinter mir Ori ansetzen, doch er war zunächst der Einzige, der überhaupt zwei Wörter heraus bekam, bevor er auch wieder verstummte. Langsam drehte ich mich um in der stillen Erwartung, gleich den Schrecken in den Gesichtern der Männer zu sehen. Vor allem bei Thorin, der ja von nun an mit mir hier leben wollte oder sollte. Und wie ich erwartet hatte, stand allen der Mund bis zur Unendlichkeit offen, während sie sich ungläubig umsahen und ganz bedächtig über den blank gewienerten PVC-Boden gingen. "Was. Bei Durins Bart?", keuchte Bofur und das nicht nur vor Erschöpfung vom Treppenlaufen. Ich atmete einmal tief durch und zuckte gezwungen lässig mit den Schultern. "Tja. Ähm. Willkommen. In. Meinem neuen Reich?", sagte ich verunsichert und erwischte mich dabei, wie sich ein sehr steifes Lächeln auf mein Gesicht legte. "Deinem neuen Reich?", kam es fast gleichzeitig von Kili und Fili, denen fast die Kisten aus den Händen fielen. "Das. Das ist ein Scherz? Nicht, Cuna? Das. Das kann nicht wahrhaftig dein Ernst sein?", kam es von Thorin, der ungläubig den Kopf schüttelte und mir ein genauso zweifelndes Lächeln schenkte. Genau davor hatte ich mich die ganze Zeit über gefürchtet. Genau vor diesem Gesichtsausdruck, der für mich Segen und Fluch zugleich werden konnte. Je nachdem, wie er die Wahrheit nun verkraftete, die so offensichtlich vor ihm lag. Ich schluckte noch einmal, während ich seine ganze Erscheinung musterte. Er war so erhaben, so stolz und gleichzeitig so unglaublich erschüttert, wie ich ihn bisher noch nie gesehen hatte. Doch ich hatte einfach keine andere Wahl. Ich musste es ihm nun sagen. Und beten, dass es für mich irgendwie gut ausging. So setzte ich sehr zögerlich einen Fuß vor den Anderen, um ihm näher zu kommen, während er mich immer noch ungläubig betrachtete. Langsam senkte ich den Kopf zu Boden und schaute dann mit einem sehr entschuldigendem, sogar leidenden Blick zu ihm auf, bevor ich ihm sein weiteres Schicksal mit stockender Stimme offenbarte. "Nein. Thorin. Das ist. Unser neues. Zuhause." -73. Fesselspielchen, Kosenamen und Wahrheiten / ENDE- Kapitel 74: 74. Willkommen in Terra Gaia ---------------------------------------- Die Stille, die zwischen uns herrschte war gespenstisch. Das Einzige was man hören konnte, waren die Nachbarn über oder unter uns, die sich lauthals auf Russisch, Türkisch oder Suaheli stritten. Ich schluckte schwer, während ich die Zwerge musterte, welche irgendwie versuchten zu begreifen, was hier vor sich ging. Besonders den Zwergenkönig hatte ich noch nie so Fassungslos gesehen, wie in diesem Moment. Ich konnte es ihm ja auch schwer verübeln. Schließlich war dieser eine große Raum nun alles was ich, beziehungsweise was wir hatten. Thorin wirkte leicht blass um die Nase, als er es irgendwann schaffte seinen starren Blick von mir zu lösen und sich dann ganz langsam genauer in dem Raum umzusehen. Zunächst drehte er sich nur einmal um sich selbst, während er irgendetwas in seinen Bart hinein murmelte, dass offenbar in seiner Muttersprache war und erkundete jeden Winkel des Apartments. Mit Ausnahme des Badezimmers, neben dem sich noch seine Männer drängten, die genauso irritiert waren, wie ihr König. Als er es geschafft hatte seine Drehung zu beenden, warf er mir einen derartig todernsten Blick zu, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten. "Erklär mir das hier", meinte er schließlich mit einer fast tonlosen Stimme, bei der mir leicht Angst und Bang ums Herz wurde. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals und ich biss mir auf die Unterlippe. "Ja. Erklären. Weißt du. Ähm. Das. Das ist so. Also", stammelte ich und schaffte es gar nicht wirklich meine Gedanken zu sortieren. Ich schaute sogar leicht Hilfesuchend über seine breiten Schultern hinweg, in der Hoffnung, dass vielleicht einer der Anderen eventuell eine Idee hatte, was ich denn sagen könnte. Aber wie sollten sie? Immerhin hatte ich sie ja alle an diesen Ort geführt. Also stand ich mal wieder alleine vor dem Problem mich für irgendetwas entschuldigen oder rechtfertigen zu müssen, wofür ich so gesehen die Verantwortung trug. Aber zumindest konnte ich ganz kurz die Blicke von Kili und Fili einfangen, die mir beide ein zuversichtliches Nicken schenkten, dass mir doch etwas Mut machte. So atmete ich einmal tief durch und sah dann wieder zu Thorin, dessen Miene sich mehr und mehr verhärtete, weil er immer noch auf eine Antwort wartete. "Also. Ich. Ich glaube, wir beide. Wir sollten das nicht vor deinen Leuten bereden", sagte ich schließlich und er zog spöttisch einen Mundwinkel hoch. "Wirklich? Und wo sollen wir reden? Hier ist nichts. Nur dieser eine Raum", meinte er und in seiner Stimme lag nun ein ziemlich gefährliches Knurren. "Hier ist noch ein Raum", kam es plötzlich von Bofur aus dem Hintergrund, der gerade die Tür zum Badezimmer aufmachte. "Was ist das denn?", fragte Dwalin, als dieser hinein spähte und skeptisch die Stirn runzelte. "Das ist das Badezimmer", erklärte ich mit sehr beflissener Stimme, woraufhin die Männer der Reihe nach nickten. "Kann man den Raum abschließen?", fragte der Zwergenkönig mit einem Blick über die Schulter. "Also, hier steckt ein Schlüssel in der Tür", meinte Balin ein wenig besorgt. "Gut. Das wird gehen. Männer. Stellt die Sachen ab und holt schon mal die Nächsten. Ich habe mit Cuna zu reden", raunte er und stellte selbst die Kiste ab, die er gerade auf den Armen trug. Die Herren nickten gleichsam, betraten den Raum und stellten die Sachen an den Wänden ab, bevor sie wieder nach unten marschierten. Als der Letzte mein Apartment verlassen hatte, fuhr der Zwergenkönig zu mir herum und ruckte kurz mit dem Kopf in Richtung des Badezimmers. Ich ließ matt die Schultern hängen und folgte dem kleinen dunkelhaarigen Mann, der mit sehr weiten Schritten bereits an der Tür zum Bad stand und mich mit strengem Blick dort hinein komplementierte. Als wir drin waren, schloss er die Tür hinter sich und drehte den Schlüssel um. Nun standen wir beide allein in dem relativ kleinen Bad, das von dem winzigen Fenster neben der Badewanne erhellt wurde. Ich stand mit dem Rücken zu Thorin und spürte seinen stechenden Blick in meinem Nacken. Mit einigen tiefen Atemzügen versuchte mich noch einmal zu sammeln. Doch dazu ließ er mir nicht wirklich Zeit. Denn schon hatte er mich am Arm gepackt und zu sich umgedreht, sodass ich ihn ansehen musste. "Was soll das hier?", knurrte er sofort und verengte seine wunderschönen, eisblauen Augen. Sein Gesicht war enorm angespannt. Ein Mischung aus Wut, Fassungslosigkeit und Enttäuschung. Aber darauf hatte ich mich ja schon eingestellt. Allerdings hatte ich mir diesen Moment bei weitem nicht so schlimm vorgestellt, wie er sich nun für mich anfühlte. "Das ist. Unser neues Zuhause", wiederholte ich und versuchte dabei ruhig zu klingen, doch meine Stimme zitterte heftig. Der Zwergenkönig schüttelte nur langsam den Kopf und gab ein verächtliches Schnauben von sich. "Nein. Nein, wohl kaum, Cuna. Das ist. Das ist lächerlich. Das ist ja wohl eine absolute Frechheit!", knurrte er und wurde dabei von Wort zu Wort lauter. Ich seufzte kurz und nickte leicht. "Ich wusste, dass du so was sagst", meinte ich und versuchte immer noch ruhig zu bleiben, auch wenn sich immer mehr Ärger in meinen Gemütszustand mit ein mischte. "Schön, dass du das wusstest. Aber jetzt erkläre mir, was du dir bei diesem Ort hier gedacht hast? Du willst mir doch nicht ernsthaft erklären, dass wir hier leben sollen. Das ist kleiner als jede Bauernstube, die ich kenne. Oder gelinde gesagt, die reinste Bruchbude!", presste er zähneknirschend hervor und deutete dabei mit einer ausladenden Handbewegung zur Badezimmertür. Ich schnaufte kurz verächtlich, als das letzte Wort in meinem Gehörgang angekommen war und sah ihm fest ins Gesicht. "Doch, Thorin. Genau das will ich dir ernsthaft erklären", erwiderte ich und spürte, wie sich der Ärger langsam in meiner Bauchgegend sammelte. "Dann ist das also wirklich dein Ernst? Du willst mir wahrhaftig weiß machen, dass wir hier unser Dasein fristen sollen? Dass hier unsere Kinder aufwachsen sollen? Und wo sollen Kili und Fili schlafen?", hakte er nach und fixierte mich scharf. "Mo-mo-moment mal. Kili und Fili wohnen mit uns hier?", erwiderte ich ungläubig. "Selbstredent. Was dachtest du denn? Es sind meine Neffen. Ich habe die Vormundschaft für sie. Die Familie bleibt immer zusammen, bis sie im heiratsfähigen Alter sind", erklärte er mir gereizt und schüttelte immer wieder verständnislos den Kopf. Ich seufzte kurz und ließ mich auf dem Rand der Badewanne nieder. "Na, tolle Wurst. Danke für diese sehr schnelle, wichtige Info, Herr Eichenschild. Woher hätte ich das bitte wissen sollen? Ich dachte, dass nur wir beide hier wohnen. Das wäre ja gerade noch gegangen. Aber noch die beiden Jungs dabei, wird echt viel zu eng", meinte ich zustimmend und strich mir mit einer Hand die Haare aus der Stirn. "Es ist doch wohl selbstverständlich. Davon abgesehen ist dieser Raum da draußen schlichtweg unter meiner Würde. Ich bin immerhin der König und hause gewiss nicht in einer Abstellkammer wie dieser da", knurrte er mich unmissverständlich beleidigt an. "Boah! Thorin! Jetzt reichts aber, du aufgeblasener Affe von einem Zwerg!", brüllte ich ihm plötzlich entgegen und klatschte mit der flachen Hand einmal sehr kräftig auf den Wannenrand. Sofort bekam ich seine ungeteilte Aufmerksamkeit und einen sehr überraschten Blick mit dazu, als ich mich erhob und wutschnaubend auf ihn zu stapfte. "Wie redest du mit mir, Weib?!", entgegnete er barsch, wobei er mir einen seiner Todesblicke sendete, den ich gekonnt auffing und nun gegen ihn selbst einsetzte. "Ich rede mit dir, wie mir der Mund gewachsen ist, Herr Eichenschild! Und DU wirst mir jetzt gefälligst zuhören, ohne mir ins Wort zu fallen! Hast du verstanden?!", fauchte ich und kam dabei mit meinem Gesicht dem seinen so nahe, dass ich tatsächlich zum ersten Mal eine kleine Spur von Unsicherheit in seinen blauen Augen aufflackern sehen konnte. Wobei diese nur ganz kurz auftauchte, bevor er den Mund mit einen sehr angespannten, ernsten Nicken zu klappte. "Gut. Wie du willst. Dann rede", sagte er mit gezwungen ruhiger Stimme. Dabei drängte er sich an mir vorbei ohne den Blickkontakt zu lösen und nahm auf dem Klodeckel platz. Ich seufzte kurz auf und lehnte mich dann mit verschränkten Armen an die weiß geflieste Wand neben dem Waschbecken, bevor ich endlich dazu kam ihm alles zu erklären, was mir aufgrund der dicken Luft, die nun im Bad herrschte sehr schwer fiel. "Also pass auf. Zunächst einmal sollst du wissen, dass ich diese Situation hier auch alles andere als prickelnd finde. Ich würde auch viel lieber mit dir in einer größeren Wohnung oder einem eigenen Haus mit Garten leben. Aber das ist derzeit leider nicht möglich. Davon abgesehen wusstest du, dass ich in eher bescheidenen Verhältnissen lebe und hast gesagt, dass du dies so akzeptieren willst. Oder hast du das schon wieder vergessen?", hakte ich kurz nach. Thorin gab ein sehr gedehntes Seufzen von sich und nickte dann mit wissendem Blick. "Ja. Das sagtest du. Aber ich hatte wahrlich nicht erwartet, dass sie so bescheiden sind. Um nicht zu sagen ärmlich", meinte er dann. "Ja. Ich weiß. Und glaub mir es kotzt mich an, dass ich in solchen Umständen leben muss. Aber zumindest kann ich froh sein ein Dach über dem Kopf zu haben. Das Glück haben nicht viele", sagte ich und stieß mich von der Wand ab um auf ihn zu zu gehen. "Wie ist es dazu gekommen? Ich meine, wieso musst du hier leben?", fragte er und sah mich eindringlich an. Ich musste eine kleine Pause einlegen und einen Moment die Augen schließen. Dabei ließ ich erschöpft die Arme sinken und die Schultern hängen. Ich suchte nach den passenden Worten, die für ihn gut verständlich waren, sodass ich nicht um hunderttausend Ecken weitere Erklärungen abgeben musste. Es war nicht besonders leicht ihm das zu unterbreiten, denn eigentlich schämte ich mich für meine Lebensweise. Schließlich fand ich dann die Passenden und öffnete meine Augen wieder um ihm zu antworten. "Ich habe mit dem Staat ein Abkommen getroffen, indem ich mich bereit erkläre eine Arbeit zu finden. Im Ausgleich für meine Bemühungen erhalte ich Geld für eine Wohnung, was zu Essen und bekomme diverse Versicherungen bezahlt. Wenn ich eine Anstellung gefunden haben sollte, dann muss ich natürlich einen Teil des Geldes wieder zurück bezahlen", sagte ich und starrte dabei leicht gefrustet an die Decke. "Verstehe. Das beantwortet aber immer noch nicht meine Frage, warum du hier leben musst", sagte er und lehnte sich an den Spülkasten zurück. "Nun ja. Das ist so. Ein Teil des Abkommens beinhaltet eben, dass ich nur zu einem bestimmten Betrag auf einer vorgegebenen Flächengröße leben darf. Sprich für mich allein ist eine Wohnung mit dieser Größe wie hier als angemessen zu betrachten. Die darf allerdings auch nicht teurer sein, als die Vorgaben, die der Staat macht. Alles was drüber liegt, muss ich nämlich dann von meinem Essensgeld kürzen oder eben meine Vergnügungen einschränken. Und glaube mir, das Geld ist unglaublich knapp berechnet. Nicht ohne Grund, wie du dir sicher denken kannst", erklärte ich ihm sachlich. Er nickte ganz langsam und strich sich wenig später mit nachdenklichem Blick über seinen dunklen Bart. Er meldete sich erst wieder nach einem langem Schweigen zu Wort, als sich draußen vor der Tür die anderen Zwerge mit dumpfen Stimmen und einigem Gepolter bemerkbar machten, während sie mit dem Rest meiner Sachen ankamen. "Ich frage mich gerade, warum du mir das nicht schon eher gesagt hast", meinte er und klang dabei ein wenig enttäuscht. Der Unterton entging mir natürlich nicht, doch fiel mir eine Antwort darauf ziemlich schwer. Trotzdem war ich ihm diese definitiv schuldig, auch wenn sich dabei mein Herz und mein Magen erheblich verkrampfte. "Der Grund, weshalb ich es dir so lange verschwiegen habe war, dass ich mich dafür schäme, Thorin", sagte ich schlicht und blickte auf meine Füße. "Du. Schämst dich? Warum?", hakte er nach und ich hörte, wie er von dem Keramikthron aufstand. Ich schnaubte einen Augenblick belustigt und schüttelte den Kopf. "Ist das nicht offensichtlich? Du hast mir doch vorhin den besten Beweis dafür geliefert, weshalb ich mich schämen sollte", entgegnete ich. "Was denn für einen Beweis? Ich verstehe nicht was du meinst, Frau", sagte er und kam langsam auf mich zu. Ich seufzte kurz und wand mich von ihm ab, Richtung Waschbecken und Spiegel, welcher darüber hing. Danach holte ich ganz tief Luft, ehe ich ihm mit verstellter Stimme Antwortete, in der Hoffnung ihn imitieren zu können, was mir allerdings nicht sehr gut gelang. " 'Das ist unter meiner Würde. Ich bin der König und hause nicht in einer Abstellkammer!' Das waren doch deine Worte, oder?", wiederholte ich so gut ich konnte seinen Wortlaut, ehe ich meinen Kopf drehte und ihn vorwurfsvoll über die Schulter hinweg ansah. Er fing meinem Blick auf und kniff etwas die Lippen zusammen, bevor er einmal schwerfällig ausatmete. "Ich weiß trotzdem nicht, was das beweisen soll. Schließlich ist das die Wahrheit", sagte er und tat es dann schulterzuckend ab. "Was das beweisen soll? Thorin. Ernsthaft. Überleg doch mal. Wenn das schon unter deiner Würde ist, dann will ich von anderen Dingen hier gar nicht erst anfangen. Sicher. Du bist König und dass das nicht deinen gewohnten Standards entspricht ist auch nachvollziehbar. Aber ehrlich gesagt, sind deine ganzen Titel und Taten und was auch immer in meiner Welt keinen Pfifferling wert. Hier zählt nur das, was du hier geleistet hast. Sprich ob du eine gute Schul- und Ausbildung genossen hast, sowie ausreichend Erfahrungen im Berufsalltag vorweisen kannst. Und das am besten alles auch noch in doppelter bis dreifacher Ausführung schriftlich nachweisen kannst. Anderenfalls kommst du hier nämlich keine drei Meter weit, Thorin. Und den Beruf König hat man hier noch nicht anerkannt und wird man auch nicht. Die Monarchie starb in diesem Land hier nämlich vor knapp hundert Jahren, als der letzte Kaiser abdankte. Es gibt zwar noch Adlige, aber die haben genauso viel zu sagen wie du. Nämlich gar nichts. Die sind einfach nur da, um vor der Kamera schön auszusehen und zu zeigen, 'Ich bin jemand den die Gesellschaft hat, aber eigentlich gar nicht braucht. Trotzdem sehe ich gut aus und will dass man ununterbrochen über mich redet.' Oder um es für dich verständlich zu sagen. Da draußen rennen dutzende Kopien eines gewissen Elbenherrschers herum, den du ja so gut leiden kannst. Und ich glaube kaum, dass du das sein möchtest", erklärte ich ihm und drehte mich langsam zu ihm um. Als ich ihn nun betrachtete, verzog er angewidert seinen Mund, da er offenbar den kleinen Seitenhieb auf Thranduil verstanden hatte und schüttelte sich leicht. "Ja. Wahrlich. Das möchte ich nun wirklich nicht sein. Aber was soll ich dann deiner Meinung nach tun?", grummelte er vor sich hin und strich sich erneut nachdenklich durch den Bart. Ich seufzte kurz und machte dann einen Schritt auf ihn zu. "Ganz einfach. Schraub dein übergroßes Zwergenego um ein paar Takte zurück. Denn wenn du hier mit mir leben willst, solltest du auch genau das tun, was ich dir sage. So schwer es dir fallen mag. Denn ohne mich überlebst du hier nicht lange. Aber das solltest du eigentlich seit der Zeltstadt wissen", entgegnete ich ihm nachdrücklich und klopfte ihm auf die Schulter, wo er angeschossen worden war. "Ich wäre vermutlich nicht da verletzt worden, wenn du nicht einfach so dazwischen gestürzt wärst", meinte er und sah mich leicht vorwurfsvoll an. "Richtig, Herr Thorin. Dann wäre die Kugel nämlich nicht Da gelandet, sondern Da", meinte ich und tippte ihm dabei erst auf die Schulter und mitten auf die Stirn. Als ich dies tat, trat plötzlich ein leicht entsetzter Ausdruck auf seine leicht verhärteten Gesichtszüge. "Du. Du meinst. Ich wäre dann", stammelte er und ich nickte mit grimmiger, aber vielsagender Miene zu. Nun musste der Zwergenkönig doch ein wenig schlucken und erwiderte dann ganz behutsam mein Nicken. "Also. Also gut. Gut, ich werde versuchen. Mich mit unserer Situation abzufinden. Dir zuliebe. Aber erwarte ja nicht von mir, dass ich deine häuslichen Pflichten übernehme. Ich bin immer noch der Herr hier im Haus und verantwortlich für unseren Unterhalt. Merk dir das, Frau", sagte er dann und hob mahnend seinen Zeigefinger vor mein Gesicht. Allerdings konnte er sich trotz der ernst gemeinten Geste ein leichtes Schmunzeln doch nicht verkneifen, dass ich nur zu gerne erwiderte. "Natürlich, mein König. Wünscht Ihr dass ich Euch Euer neues Reich zeige. Wir haben hier vom Balkon aus eine herrliche Aussicht über die beschauliche Stadtlandschaft", meinte ich und deutete mit einer leichten Verbeugung auf die Badezimmertür. Er gab ein kurzes belustigtest Grunzen von sich und ruckte dann mit dem Kopf in Richtung der Tür. "Mit dem größten Vergnügen. Geh nur voran", sagte er ruhig und neigte leicht den Kopf, um ebenso eine leichte Verbeugung vor mir anzudeuten. Ich grinste breit und schritt dann zur Tür, welche ich aufschloss und dann etwas zu schwungvoll aufstieß. Dabei warf ich unversehens Kili, Fili, Ori und Bofur um, die heimlich an der Tür gelauscht hatten und nun wie die Dominosteine aneinander gereiht kreuz und quer übereinander fielen. Ein wenig erschrocken und überrascht blickten alle vier zu uns auf und grinsten verlegen. "Was in Durins Namen treibt ihr vier hier?", fragte Thorin barsch und schielte hinter meinem Rücken hervor. "Ach, wir. Also ja", stammelte Kili und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Naja. Wir. Wir", kam es nicht minder ratlos von Bofur, der versuchte unter den Jungs heraus zu krabbeln. Ori war in diesem Moment zu eingeschüchtert, um überhaupt etwas von sich zu geben und lief leicht rosa hinter seinem kurzen Bart an. "Wir. Haben uns nur Sorgen gemacht. Stimmt doch, oder?", kam es schließlich von Fili, der sich bei den anderen umsah und diese stimmten mit eifrigen Nicken zu. "Ihr solltet euch lieber Sorgen darum machen, dass ich euch vier heute Abend wieder ins Reich der Götter schicke, wenn ihr nicht sofort aufsteht und tut was ich euch vorhin aufgetragen habe. Dann könnt ihr die Feierlichkeiten vergessen", meinte der Zwergenkönig in seinem gewohnten strengen Tonfall. "Ja. Ja. Schon gut. Wir. Wir machen ja schon", stammelte Kili hastig und rappelte sich zusammen mit den anderen wieder auf die kurzen Beinchen, um vom Wagen noch ein paar Kisten zu holen. Ich musste mich etwas am Türrahmen festhalten vor Lachen, als ich die vier davon stolpern sah. "Oh man. Wie hab ich das doch vermisst. Aber sag mal. Was für eine Feierlichkeit meinst du denn eigentlich?", fragte ich, nachdem ich zu Ende gelacht und mir etwas die Augen gerieben hatte. "Sage ich dir gleich, wenn wir auf dem Balkon sind", meinte er und schob mich drängend aus dem Badezimmer heraus. Während ich das Apartment mit ihm durchquerte, fiel mir auf, dass bereits einiges nach oben gelangt war. In einer Ecke lagen schon die Einzelteile meines großen Kleiderschranks, von dem ich gar nicht mitbekommen hatte, dass er abgebaut worden war und mitten im Raum zwischen ein paar Kisten standen Balin und Dori, die meinen alten Radiowecker in Händen hielten und nicht so recht wussten, was sie mit dem Ding anstellen sollten. "Cuna? Könntet Ihr uns kurz behilflich sein?", fragte der alte Balin freundlich, als wir an ihm vorbei kamen. "Was gibts denn?", hakte ich nach, wobei ich es mir eigentlich schon denken konnte. "Also. Dieses. Dieses Ding hier. Wofür gebraucht Ihr es? Ist das eine Art Spielzeug oder dergleichen?", fragte er und hielt mir den Wecker entgegen. "Nunja. Ein Spielzeug ist es nicht. Damit kann man sich die Uhrzeit anzeigen lassen und man kann sich noch dazu von dem Gerät wecken lassen. Außerdem macht es Musik", meinte ich und sah wie den beiden Zwergen vor mir die Augen weit aufgingen. "Faszinierend. Äußerst faszinierend. Hättest du wohl die Güte uns dies einmal vorzuführen? Das interessiert mich ja schon sehr", bat mich Dori freundlich und ich nickte breit grinsend. "Kann ich machen. Allerdings würde ich jetzt von der Weckfunktion mal absehen. Hab nämlich vergessen, wie man das bei dem Ding einstellt. Aber ich kann etwas Musik machen, wenn ihr wollt", sagte ich und schritt in Richtung der winzigen Küchenzeile, die sich an der Wand zum Badezimmer befand. "Nur zu", meinte Balin, als ich das Radio in eine der Dosen steckte und zunächst einmal ein schaltete. Auf dem kleinen Display erschien eine rot aufleuchtende, blinkende Zahl. Das war schon mal ein gutes Zeichen dafür, dass das Ding tatsächlich noch funktionstüchtig war. Denn eigentlich hatte ich das Radio schon lange nicht mehr benutzt und es hatte irgendwo in einer Ecke meine alten Wohnung gestanden. Offenbar hatten die Herren wirklich ganze Arbeit beim Ausräumen geleistet, wenn sie es geschafft hatten dieses Teil irgendwo hervor zu kramen. So konnte ich mich sogar zusätzlich glücklich schätzen, meine alte Jan Wayne CD wieder zu bekommen, die sich dort noch im Spieler befand. Ja, auch ich hatte als Kind der Neunziger meine kleine Techno-Phase, bevor ich dann ab meinem elften Lebensjahr meine Offenbarung durch eine Metalband namens 'Hammer Fall' erfuhr. Trotzdem ließ ich es mir von Zeit zu Zeit nicht nehmen mit Hilfe dieser Lieder etwas in der Vergangenheit zu schwelgen. Ohne zu zögern drückte ich daher den Schalter für den CD-Spieler und drehte den Lautstärkeregler noch oben. Binnen Sekunden begann sich die CD zu drehen und schon erklangen ein paar schmissige Techno-Beates, gepaart mit einer netten weiblichen Stimme, die eine Cover Version des Scorpions Lied 'Here I Am (When you send me an Angle)' zum Besten gab. Ich atmete einmal genüsslich ein und streckte mich leicht, als mich die Klänge überflutete. Hinter mir hörte ich aber kurz drauf ein ungeduldiges Räuspern, welches eindeutig von Thorin kam. Oh man, den hatte ich ja fast vergessen. Flux drehte ich mich von der Küchenzeile weg und erhaschte gerade noch ein paar Wortfetzen von den beiden anderen Zwergen, die immer wieder "Unglaublich" oder "Faszinierend" in ihre Bärte murmelten, während die Musik den ganzen Raum erfüllte und ich eilig zur Balkontür schritt. Mit ein paar flinken Handgriffen machte ich mich an den beachtlich vielen Schlössern zu schaffen, die an den Rahmen angebracht waren und öffnete sie dann. Sofort strömte ein angenehmer, warmer Sommerwind in die gute Stube und verursachte sogar ein wenig Durchzug, da die Haustüre ja ebenfalls offen stand. "So. Wenn Hoheit sich dann dazu bequemen möchte hinaus zu treten", meinte ich und machte diesmal eine wirklich sehr tiefe Verbeugung, als ich nach draußen verwies. "Nun ist aber genug. Du machst dich ja lächerlich", gab er trocken zurück und ging an mir vorbei. Ich folgte ihm kurz drauf und stellte mich dann neben ihn hin, um hinunter auf die Kleinstadt zu blicken. Thorin stützte sich mit verschränkten Armen auf die Halbhohe Mauer und verfiel dabei in nachdenkliches Schweigen, während er mit seinen wunderschönen, eisblauen Augen wachsam die Umgebung erkundete. Es vergingen einige Minuten in denen ich immer wieder zwischen ihm und dem nicht ganz so atemberaubenden Kleinstadtpanorama hin und her schaute. Allerdings schien er irgendwann mit seinen Gedanken in so weite Ferne abgeglitten zu sein, dass ich mich fragte, woran er wohl gerade dachte. Doch traute ich mich nicht wirklich ihn darauf anzusprechen, da es vermutlich etwas ziemlich persönliches sein könnte, worauf er mir sowieso keine eindeutige Antwort geben würde. Aber mit Sicherheit hatte es irgendetwas mit seiner alten Heimat zu tun, denn ich bemerkte von Zeit zu Zeit eine leichte Spur von sehnsüchtigem Wehmut in seinen Gesichtszügen aufblitzen. Einer der mir immer wieder kurz vor Augen führten, wie alt dieser Mann neben mir tatsächlich war und welche Strapazen er hinter sich gebracht hatte, bis er nun zu diesem Augenblick neben mir stand. "Warum starrst du mich die ganze Zeit so traurig an?", fragte er mich irgendwann, ohne mich direkt anzusehen, weshalb ich ertappt zusammen fuhr. Ich schluckte kurz und lehnte mich dann ebenfalls auf die Balkonmauer, ehe ich ihm antwortete: "Ich hab mich nur gefragt, woran du gerade denkst. Weiter nichts." "Erebor", sagte er knapp und ich nickte wissend. "Heimweh", erwiderte ich mehr feststellend als fragend, doch er brummte kurz zur Bestätigung. "Muss echt schön da gewesen sein", meinte ich und wollte es eher beiläufig klingen lassen. "Das war es. Weit schöner als das hier", gab er mit einem abfälligen Schnauben von sich, was ich wieder abnickte. "Kann mir auch besseres vorstellen", murmelte ich und betrachtete einen der langen Güterzüge, die auf den Schienen weit unter uns davon fuhr. "Ach? Und warum bist du dann noch hier und nicht irgendwo anders, wenn es dir hier genauso wenig gefällt?", fragte er mit leicht belustigtem Unterton. "Weil ich damals Prioritäten gesetzt habe. Ich habe meine Familie samt Heim und Herd verlassen, um mein Glück in der Ferne zu machen und bin meiner ersten, großen Liebe hinterher gereist", erklärte ich, woraufhin ich ein kurzes gleichmütiges Brummen von ihm hörte. Auch wenn ich insgeheim spürte, dass darin eine Spur Eifersucht liegen musste, da ich schließlich von meiner großen Liebe gesprochen hatte. Allerdings äußerste er sich dazu nicht, wofür ich ihm schon dankbar war. "Wie lange lebst du schon hier?", fragte er stattdessen und ich sah im Augenwinkel, wie er sich endlich zu mir wand. Ich musst kurz die Stirn runzeln und angestrengt nachdenken. "Ungefähr oder ganz genau?", hakte ich nach, doch er zuckte nur mit den Schultern und erwiderte: "Ist mir einerlei." "Gut. Dann kann ich dir sagen es sind ungefähr elf Jahre", erklärte ich schließlich. "Für einen Menschen, eine ganz schön lange Zeit. Hast du nicht irgendwann einmal mit dem Gedanken gespielt, wieder nach hause zu deiner Familie zu reisen?", fragte er ernsthaft interessiert. "Falsche Frage, Thorin", sagte ich dann plötzlich und merkte, dass es etwas verbittert klang. Leicht verblüfft hoben sich seine Augenbrauen in die Stirn bis fast unter seinen Haaransatz, als er meinen eindeutigen Tonfall bemerkte. "Dich hat es nie wieder in deine Heimat zurück gezogen?", hakte er nach und rückte etwas näher an mich heran, bis sich unsere Ellenbogen leicht berührten. "Nein. Auch wenn die Gegend in der ich aufgewachsen bin sehr schön war. Ein kleines Dörfchen in einer Talsenke, zwischen einigen, mit Wäldern bewachsenen Hügeln. So zusagen alles von außen her sehr idyllisch, wenn man es mal gesehen hat", meinte ich ohne ihn anzusehen. "Hört sich jedenfalls so an. Deshalb begreife ich nun umso weniger, warum du nicht wieder dahin zurück willst", entgegnete er und schüttelte verständnislos den Kopf. "Sagen wirs mal so. Es sind einige sehr unschöne Dinge an und in diesem Ort vorgefallen. Weshalb ich eigentlich heil froh bin von da weg zu sein", sagte ich und wurde mit jedem Wort immer leiser und nachdenklicher, auch wenn ich es so gesehen eigentlich nicht beabsichtigt hatte. "Es muss was ziemlich Schlimmes vorgefallen sein, wenn es dir dermaßen missfällt deine Heimat wieder zu sehen", stellte er in ruhigen Ton fest, ohne wirklich weiter danach zu bohren, wofür ich ihm ein dankbares zustimmendes Brummen schenkte. Es war auch wirklich der falsche Zeitpunkt, um in alten, vergangenen Wunden herum zu stochern. Ich war nicht mehr dort. Ich war nun auf diesem Balkon zusammen mit Thorin und seiner kleinen Gefolgschaft treuer Männer, die hinter uns fleißig am herum werkeln und teilweise am Fluchen waren, wenn ihnen etwas aus den Händen auf die Füße fiel. Nebenher dudelte auch noch mein Radiowecker dazwischen herum. Alles in allem kam mir die ganze Situation in diesem Moment so unwirklich vor. Und ich konnte es immer noch nicht wahr haben, dass ich gerade einen echten Zwergenkönig neben mir stehen hatte, der behutsam einen Arm von der Mauer löste und diesen um meine Hüfte schlang. Es war eine wirklich sehr beruhigende und auch tröstende Geste, die mich etwas näher an ihn heran rücken ließ. Diese machte mir auch noch einmal sehr deutlich, dass ich das Ganze nicht gerade träumte, sondern dass es wirklich passierte. Und allein das ließ ein sanftes Lächeln über meine Lippen huschen. Das und die Tatsache, dass ich plötzlich neben der Musik aus dem Apartment noch etwas anderes ganz nah an meinen Ohr hörte. Es waren nicht mehr, als ein paar leise gemurmelte Worte. Doch wo ich genauer hin hörte stellte ich fest, dass der kleine dunkelhaarige Mann neben mir begonnen hatte, leise vor sich hin zu singen. Ich verstand zwar nicht genau wovon er gerade sang und was die Worte bedeuteten, da es ein Lied in seiner Muttersprache war. Doch hörte es sich so wundervoll an, dass ich gar nicht anders konnte, als kurz aufzuseufzen und meinen Kopf an seine kräftige Schulter sacken zu lassen. Ich genoss diesen wundervollen Moment in vollen Zügen und seufzte noch einmal, als er das Lied geendet hatte und mir ganz behutsam seine Lippen auf den Kopf legte. "Das war wunderschön", murmelte ich entspannt. "Danke", erwiderte er leise ins Haar murmelnd. "Wirst du heute Abend auf der Feier auch singen, von der du mir noch erzählen wolltest?", fragte ich kurzer Hand und spürte, wie er etwas mit den Schultern zuckte. "Schon möglich", sagte er und löste sich dann wieder etwas von mir. "Was feiern wir denn jetzt? Du hast mich echt neugierig gemacht", meinte ich und er lachte leise. "Das ist doch wohl offensichtlich, Cuna. Wir feiern unser Wiedersehen. Aber zuvor werden ich und meinen Männern noch einmal für ein paar Stunden zurück ins Reich der Götter reisen müssen um eine Kleinigkeit zu besorgen, die wir dafür brauchen werden. Ich wage nämlich zu bezweifeln, dass du genug zu essen und zu trinken im Hause hast", erklärte er und ich schnaubte belustigt. "Gut beobachtet Sherlock Eichenschild. Wenn ihr heute früh nicht aufgetaucht wärt, hätte ich mir auch höchst wahrscheinlich irgendwo ne Dose Ravioli besorgt oder so. Aber jetzt bin ich ja echt gespannt, was ihr so an leckeren Sachen für eine Feier mitbringt. Wird bestimmt lustig. Eine 'Willkommen in Terra Gaia' Party. Ich freu mich schon richtig auf heute Abend", meinte ich dann und drehte meinen Kopf mit einem breiten Grinsen zu ihm hin. Thorin schmunzelte sacht und sah mich zuversichtlich an. "Darauf kannst du dich auch wirklich freuen. Dann lernst du zum ersten Mal die Gepflogenheiten meines Volkes kennen. Aber bevor es soweit ist, gibt es noch einiges zu tun. Komm", meinte er, löste seinen Arm um meine Hüfte und Klopfte mir dann mit der flachen Hand locker auf den Rücken, bevor er wieder zurück ins Apartment ging. Ich warf noch einmal einen letzten Blick über das Kleinstadtpanorama und löste mich dann auch vom Balkon um hinein zu gehen. Alles im allem war mein Gespräch mit ihm ja doch nicht so schlecht verlaufen und nun schien er sich sogar richtig darauf zu freuen mit mir in diese kleine beschauliche Wohnung einzuziehen. Was allerdings seine beiden Neffen betraf, da musste ich im Laufe des Tages noch einmal mit ihm darüber reden. Doch bis es soweit war, hatten wir noch alle Hände voll zu tun. -74. Willkommen in Terra Gaia / ENDE - Kapitel 75: 75. Dinge die waren, Dinge die sind und manche Dinge über die man noch mal reden sollte --------------------------------------------------------------------------------------------------- "Cuna? Wo kommen denn diese runden, flachen Scheiben hier hin?", fragte Nori und hielt einen ganzen Stapel CD-Rohlinge hoch. "Lass die erst noch mal da im Karton und hilf lieber Bofur und Fili dabei den Kleiderschrank aufzubauen", meinte ich und war gerade selbst dabei an meinem Schreibtisch herum zu werkeln, den mir die Zwerge bereits zerlegt nach Oben gebracht hatten. Eigentlich war es nicht mein Schreibtisch, sondern der Alte meines verstorbenen Mannes. Meinen Eigenen hatte ich aus Platzgründen bereits kurz nach der Zeltstadt entsorgt. Dieser war auch nicht wirklich ein Schreibtisch gewesen, sondern nur ein einfacher PC-Tisch aus Metall, welcher über die Jahre schon einige Blessuren davon getragen hatte. Mit einem richtigen Schreibtisch war ich besser bedient, wenn ich später einmal in Arbeit kommen sollte. Das setzte allerdings voraus, dass ein gewisser Zwergenkönig mich auch arbeiten ließ. Besagter Herr sah es nämlich schon zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich gern, wenn ich bei meinem eigenen Umzug mit Hand anlegte. Da war der kleine Unfall beim Kistenschleppen vom Morgen wohl mit schuld dran. Seit dem hatte er mich nichts mehr tragen oder tun lassen, dass in seinen Augen nicht auch seine Männer machen konnten. Eben ganz nach dem Motto, Frauen haben keine schweren Tätigkeiten dieser Art zu erledigen, wenn der eigene Mann im Hause ist. Diese Einstellung wurde im laufe des Tages noch ein klein wenig schlimmer. Als es aber gerade um die Mittagszeit war, begann er sich erst richtig in seine Befehlslaune hinein zu steigern. Ich durfte ab dann nicht mal mehr auf meinen kleinen Zweitritt steigen, um ein paar Teller in den Küchenschrank zu räumen. Stattdessen sollte ich es vielmehr so machen wie er und seine Leute aus sicherer Entfernung dirigieren und anleiten. Mir persönlich schmeckte die ganze Sache überhaupt nicht. Ich war immerhin eine Frau, die lieber selbst etwas in die Hand nahm. Dann wurde es aus meiner Sicht auch genau so, wie ich es haben wollte. Aber dank Thorin war ich buchstäblich dazu gezwungen, andere Leute meine Arbeit machen zu lassen. Dabei kam es natürlich dementsprechend immer wieder zu Missverständnissen und Koordinationsfehlern, die unweigerlich damit endeten, dass ein oder mehrere Zwerge über ihre viel zu großen Füße stolperten und zusätzlich noch mit einem dumpfen, aber spürbaren Poltern auf dem dem Boden landeten. Da half auch kein gutes Zureden und Entschuldigen mehr, nachdem dies zum gefühlt hundertsten Mal passierte und sich Thorin beschämt eine Hand vor die Augen klatschte. "Das Weibstück ist eindeutig nicht dafür geeignet irgendwem Befehle zu erteilen", formulierte Dwalin es ziemlich grantig, aber durchaus zutreffend, als er nebenher Nori von sich runter geschoben und mich säuerlich angesehen hatte. Und mit dieser Meinung, war er nicht lange allein geblieben. Irgendwann beschwerten sich alle über meine reichlich umständliche Führungsweise. Selbst der Zwergenkönig sah sich bald dazu genötigt mir zu sagen, ich solle mich vielleicht doch lieber auf das gerade aufgebaute Sofa setzen, das unter dem Fenster zum Balkon stand, damit es nicht zu noch mehr Unfällen kam. Ein bisschen schmerzte mich seine Anweisung auf den sogenannten Hundeplatz, aber ich kannte ja den Grund für mein klägliches Versagen in dieser Hinsicht. Es war dieser eine wunde Punkt in meinem Leben, dem ich schon immer versucht hatte so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Nämlich das Anleiten und Führen von Mitarbeitern. Nicht mal während meiner ganzen Ausbildungszeit war ich dazu im Stande gewesen vernünftige und zielorientierte Anweisungen zu geben. Ich hatte zwar das Theaterstück während der Zeltstadt halbwegs gut mit den kleinen bärtigen Männern auf die Beine stellen können. Aber auch nur mit Unterstützung des Zwergenkönigs, der ja später eingegriffen hatte. Was andere Dinge, wie die Ordnung und Organisation in meinen eigenen vier Wänden und an meinem Arbeitsplatz betraf, war ich ein schier hoffnungsloser Fall. Da ich schlichtweg mit mir selbst nie im Reinen war und auch einfach nicht werden konnte. Darüber hinaus war ich mir stets uneinig darüber, wo ich etwas hin haben wollte und was als Nächstes zu tun war. Außerdem machte es mich zunehmend nervöser, wenn mir jemand mit großem Führungspotential, bei derartig jämmerlichen Versuchen über die Schulter sah. Genau dann passierten mir die meisten Fehler, welche eben zu kleineren Unfällen führen konnten. Laiendarstellungen waren viel einfacher zu bewältigen. Da existierte immerhin eine Struktur und der Aufbau der Geschichte war bereits vorgegeben. Man musste ihn nur noch so umsetzen, wie er vorhanden war. Bei meinem Umzug musste ich viel improvisieren. Nun gut, sehr viel improvisieren. Was allerdings nicht allein an mir lag, sondern auch an den feinen, aber deutlich hervorgebrachten Ansprüchen meines Zukünftigen, welcher sein riesiges Zwergenego kein bisschen zurück zu schrauben versuchte, wie ich es von ihm in dem kleinen Gespräch verlangt hatte. Nun ja, was hätte ich auch von ihm erwarten können? Vielleicht wäre es ratsamer gewesen ihm zu sagen, dass er mit einem Bein auf einem großen Gummiball stehend, Kettensägen über seinem Kopf jonglieren sollte. Das hätte er wahrscheinlich besser hin bekommen, als über seinen Schatten zu springen und die Vorstellung in meinem Kopf zu dieser Sache war darüber hinaus auch ziemlich erheiternd. Aber von Jetzt auf Gleich konnte sich ja niemand wirklich ändern. Das brauchte sicherlich einige Zeit und unheimlich viel Geduld meinerseits, die ich selbst nur im geringem Maße besaß. Aber Zwerge hatten ja im Gegensatz zu mir doch etwas mehr Lebenszeit zur Verfügung. Und diese hier ganz besonders. Doch ich verschob kurz den Gedanken an solche Ereignisse, wie mein frühes Ableben auf später und beobachtete stattdessen seufzend und schweigend, wie die Männer sich mit dem Rest meiner Kisten in das Apartment hoch quälten. Zu meinem und auch zum Glück einer Hand voll seiner Männer, pfiff der Zwergenkönig alle kurz nach zwei Uhr zusammen und verkündete, dass es langsam Zeit wurde die Habseligkeiten für die Feier am Abend herbei zu schaffen. Weshalb er mit der Hälfte seiner Leute für ein paar Stunden verschwand und mich mit dem Rest weiter Kartons auspacken und Möbelstücke aufbauen ließ. Wobei ich natürlich zum Zuschauen verdonnert werden sollte. Ich nickte seine Anweisung einfach mal ab und dachte mir nur meinen Teil dazu. Dass der feine Herr Eichenschild wirklich glaubte, ich würde mich weiterhin wie ein faules Stück auf dem Sofa herum lümmeln, während die übrigen Männer schufteten, war wirklich ein bisschen naiv. Dennoch ahnte ich schon, dass er wusste, ich würde mich nicht an das halten, was er mir aufgetragen hatte. Zumindest deutete das sein leicht schräger Blick auf mich an, als er nach meinem Nicken skeptisch eine Augenbraue in die Stirn gehoben hatte, bevor er sich von mir und der Hälfte seiner Leute bis auf Weiteres verabschiedete. Wenigstens war der erträgliche Teil der Herren da geblieben. Dazu gehörten eigentlich die üblichen Verdächtigen, Nori, Bofur, Ori, der alte Balin, als Aufseher, und natürlich meine beiden Überraschungsmitbewohner, und selbsternannten, großen Brüder, Kili und Fili. Balin nahm seinen Job als Aufseher über die Arbeiten im neuen Königreich Wohnibor, dem einsamen Apartment auf der Ecke des Plattenbaus, in diesem Fall sehr genau. Allerdings konnte ich ihn doch dazu überreden, trotz Thorins mahnender Worte ihm gegenüber, mich auch endlich wieder das tun zu lassen, was ich eigentlich als Besitzerin der ganzen Klamotten wollte. Selbst mit anpacken. Natürlich hatte das Argument, dass nun weitaus weniger Hände da waren, die die ganze Arbeit verrichten konnten, sehr überzeugt und ich versprach zusätzlich mich nur auf ganz leichte Tätigkeiten beschränken zu wollen. Das hatte er mit einem leisen Seufzen abgenickt, unter der Voraussetzung, dass der Zwergenkönig von keinem der Anwesenden ein Wort darüber erfuhr. Doch wie ich mir bereits dachte, hatte sich in der Gemeinschaft von Thorin Eichenschild eine kleine Gruppe mutiger Männer oder vielmehr Zwerge, bestehend aus jenen treuen Fünf zusammen getan, die sich auf die Seite ihrer Königin stellten und ein wenig den Befehlen ihres Königs trotzten. Natürlich nur, wenn sie mitbekamen, dass diese ein bisschen ungerecht von besagtem Herrn behandelt wurde. Allen voran natürlich seine Neffen, die Thorins Eigenarten, über Alles und Jeden verfügen zu wollen, nur zu genüge kannten. Hatte dieser sie ja immerhin mit großgezogen. Was die anderen anging, so waren diese natürlich ihrem König weiterhin sehr ergebene Gefolgsleute, doch schien er ihnen die ganze Zeit in der Welt der Götter damit in den Ohren gelegen zu haben, dass sie mich fortan, als sein treues Frauchen, mit 'Meine Königin' anzusprechen hatten. Was sie dementsprechend irgendwann wohl sehr genervt hatte. Das war auch so ein unmöglicher Gedanke, mit dem ich mich noch anfreunden musste. Ja, tatsächlich musste ich das früher oder später. So schwer es mir auch fiel. Es ging nicht mehr darum, ob ich wollte oder nicht. Ich musste schlichtweg. Auch wegen des lieben Hausfriedens willen. Ein ständig grantiger, kleiner, dunkelhaariger Zwergenmann, war wohl auf Dauer eine ziemliche Belastung für ein ruhiges Zusammenleben. Vor allem auf so eingeschränktem Raum. Das hatten sogar die beiden Jungs mehr als deutlich angemerkt, nachdem ihr Onkel zur Tür hinaus spaziert war. Gut, zuvor hatte ich mehrere Jahre mit einem ständig grantigen, großen, kupferblonden Menschenmann zusammen gelebt und es auch recht gut ausgehalten. Doch war die Situation nun eine weitaus andere. Denn wir waren nie darauf angewiesen, unsere Wohnungen mit zwei weiteren Leuten teilen zu müssen. Und es schmeckte mir genauso wenig, wie Thorins Herumkommandiererei den halben Tag. "Du musst es mal so sehen, Cuna. Du bekommst damit eine einmalige Gelegenheit. Nicht jede Frau wird sich rühmen dürfen, an der Seite eines echten Königs zu leben. Und Thorin ist ein ehrenhafter Zwerg, der nichts auf die kommen lässt, die er liebt. Deshalb kommt es dir vielleicht so vor, dass er ein wenig herrschsüchtig ist. Aber er tut dies rein aus Sorge um dein Wohlergehen", meinte Fili, der gerade eine Außenwand des Schranks fest hielt. "Ja, ich weiß, Fili. Aber sei doch mal ehrlich. Euch geht er auch tierisch auf die Nerven, wenn er so ist wie grade eben, oder?", hakte ich nach und sah zum Jüngeren der beiden auf, der mir am Schreibtisch behilflich war. "Also, ein wenig schon. Aber er war schon immer so. Er hat schon sehr früh viel Verantwortung für alles tragen müssen. Aber die Familie kam für ihn stets an erster Stelle. Außer damals, als...", meinte Kili und stoppte einfach nachdenklich mitten in seinem Satz. "Damals, als er den Arkenstein gesucht hat und der Drachenkrankheit verfallen war", ergänzte ich schlicht und erhob mich langsam, nachdem der dunkelhaarige Junge mit leicht betretener Miene nickte. "Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es wohl für euch war, als er so abgedreht ist. Gut, ich meine. Ich hab es in einer der Bildergeschichten gesehen, die es hier von euch gibt. Aber ich denke es ist doch wieder ein anderes Empfinden, wenn man direkt Live dabei ist", ergänzte ich und klopfte dem dunkelhaarigen Jungen tröstend auf die Schulter, da er diese in Gedanken ein wenig hängen ließ. "Macht Euch darüber nicht so viele Gedanken. Das ist inzwischen Vergangenheit. Thorin war stark genug, um die Drachenkrankheit zu bezwingen, die sein Herz umklammert hielt. Und inzwischen ist er sogar über die Besessenheit des Steins hinweg, die damit einher ging. Ich habe die wage Vermutung, dass es vielleicht sogar an dieser Welt hier liegen könnte", warf Balin mit einem süffisanten Lächeln ein und strich sich dabei andächtig durch den langen, weißen Bart. "Wie kommst du darauf, dass es an meiner Welt liegt, Balin?", fragte ich und zog einen neuen Karton heran, in dem einige Sachen von meinem PC verstaut waren. "Nun ja. Ihr müsst Euch das so vorstellen, meine Liebe. In Mittelerde hat alles und ich meine damit auch alles, einen gewissen Klang. Jeder Baum, jeder Stein, ja jeder noch so kleine Lufthauch ist erfüllt von einer eigenen Melodie. Man kann sie nicht nur hören, wenn man gute Ohren hat, so wie die Elben. Nein, man kann sie sogar riechen, fühlen und schmecken. Natürlich sofern man dazu irgendwie im Stande ist, aber das ist bei uns fast jedes Lebewesen. Und die Melodie Mittelerdes singt nicht nur in solchen gewöhnlichen Dingen, sondern auch in uns selbst. Manchmal ist es eine besonders schöne, liebliche und verführerische Stimme. Aber dann kann sie auch wiederum grausam, blutrünstig oder besitzergreifend sein. Und jene besitzergreifende Melodie, singt unter anderem auch im Gold, welches wir Zwerge manches mal höher schätzen, als unser eigenes Leben und derer, die wir lieben sollten. Und je mehr wir davon horten, umso grausamer singt das Gold seine Melodie, bis sie sogar gewaltige Drachen anlockt. Aber ich denke, dass könnt Ihr Euch bereits denken", meinte der alte Zwerg und setzte eine leichte Trauermiene auf, die mich erahnen ließ, welche schwere Bürde die Sucht nach Gold für dieses unglaublich starke und stolze Volk war. Wobei ich wiederum unterbewusst gewisse Parallelen zu den raffgierigen Menschen meiner Welt ziehen konnte. Besonders jene, die wie ich zur westlichen Gesellschaft gehörten und es sich sogar hier und da gönnten, mit Blattgold überzogenen Gänsebraten in sich hinein zu stopfen. Es drängte sich mir dabei der Gedanke auf, dass diese Sorte Mensch vielleicht sogar noch weit schlimmer an Goldsucht leiden konnte, wie es die Zwerge Mittelerdes taten. Oder eben genauso schlimm. Aber dazu fehlten mir schlichtweg die persönlichen Erfahrungen mit solchen Dingen. Erst recht über die Tatsache ob Zwerge, wenn sie der Sucht verfallen waren, tatsächlich ihr Gold genauso verspeisten. Darüber gaben die wenigen schriftlich festgehaltenen Informationen des Professor Tolkien, die ich besaß gar keine Auskunft. Vermutlich hatte sich dieser Mann nicht einmal selbst die Frage gestellt, ob diese kleinen Männer auf so eine unnütze Idee kämen. Aber ich war davon überzeugt, dass sie so etwas niemals tun würden, geschweige denn wollten. Da bekäme sicherlich der Ausdruck "Geldscheißer" einen völlig neuen Blickwinkel, über den ich bei näherer Betrachtung nur mit dem Kopf schüttelte und mich wieder Balin zu wand. Dieser starrte mich leicht irritiert an, da er wohl nicht ganz verstand, was in meinem kranken Hirn so vor sich ging. Darauf wollte ich auch nicht wirklich näher eingehen. Stattdessen versuchte ich den alten Zwerg etwas vom Thema abzubringen indem ich ihn fragte: "Wie ist es denn hier mit den Klängen? Also ich meine, könnt ihr die hier auch hören, sehen oder was weiß ich?" Da lächelte Balin wieder ein klein wenig und neigte freundlich sein weißes Haupt. "Selbstverständlich. Auch hier gibt es Klänge. Und für meine Begriffe erstaunlich viele. Wobei diese uns bei weitem nicht ganz so zusagen, wie sie es in Mittelerde tun. Hier sind sie anders. Irgendwie. Dumpf und auch ein wenig kühl", meinte er und schielte dabei wie zufällig in Richtung meines Radioweckers, aus dem inzwischen nicht mehr Jan Waynes Technomusik drang, sondern die Stimme einer ganz besonderen Nervtröte namens Miley Syrus, die mal wieder mit ihrer Abrissbirne in irgendwelche Häuser rein rauschte. Denn ich hatte irgendwann auf allseitiges Bitten der kleinen Herren, die von Gloin so schön betitelte 'Bumsmusik', abgeschaltet und stattdessen einen schlichten Radiosender angemacht. Auch da ich keine Lust hatte in all dem Chaos, was noch vorherrschte, meine ganzen CDs heraus zu suchen. Ich setzte derweil ein sehr mildes Lächeln auf und nickte dem alten Zwerg nur ruhig zu. "Ja. Manche Klänge meiner Welt sind nicht gerade die Allerbesten. Aber auf die Musik wollte ich eigentlich nicht hinaus", meinte ich und sah wie Balin nickte. "Es ist mir durchaus bewusst, was Ihr sagen wolltet. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, ist es hier so gesehen viel zu ruhig. In allem was ich bisher hier gesehen habe, steckt einfach nicht genug Leben, um auch nur einen schönen Klang von sich zu geben. Mit Euch war es im übrigen das Selbe", sagte er und wollte dabei eher beiläufig klingen. Ich hob leicht irritiert die Augenbrauen und legte den Kopf schief. "Mit mir war es das Selbe? Was meinst du?", hakte ich kurz nach und stellte dabei meine Tastatur und die Maus auf den Schreibtisch. "In der Tat. Als wir auf Euch trafen, war Eure innere Melodie beinah verstummt. Aber ich denke, dazu sollte Thorin Euch lieber eine Antwort geben, sobald er wieder da ist", meinte der alte Zwerg und kümmerte sich dann ungewöhnlich schnell wieder um seine Pflicht. Sprich, er beaufsichtigte den Schrankaufbau. "Seltsam, diese Zwerge", murmelte ich nachdenklich und seufzte daraufhin kurz, bevor ich mich wieder daran machte meinen PC weiter aufzubauen. Der Nachmittag verlief so gesehen weitgehend ruhiger, als der Vormittag und die Mittagszeit. Auch wenn sich hier und da bei mir etwas die Müdigkeit breit machte. Was wohl daran lag, dass ich über Balins Worte vor mich hin philosophierte und auf keinen wirklichen Nenner kam. Ich erinnerte mich an diverse Gespräche mit dem Zwergenkönig, die ich gerade zu Anfang mit ihm geführt hatte, wo ich ihn noch gar nicht gekannt und für einen durchgeknallten Spinner gehalten hatte. Aber da waren nur irgendwo in meinem Hinterkopf ein paar Wortfetzen von übrig geblieben, die ich nicht ganz zuordnen konnte und mich noch mehr verwirrten als ohnehin schon. Auch mein permanentes Gähnen regte mich zusehends auf. Die ganze Müdigkeit schwand allerdings wenig später sehr schnell, durch eine ziemlich peinliche und unangenehme Entdeckung, welche nicht ich machte, sondern die kleinen Männer. Nun ja, eigentlich ein ganz bestimmter kleiner Mann. "Was in Durins Namen ist das denn?!", kam plötzlich ein etwas empört klingender Ausruf von Bofur, der es endlich mit Hilfe von Fili und Nori geschafft hatte, den Schrank fertig aufzubauen und sich nun daran machen wollte, die Kisten mit der Aufschrift 'Kleidung' hinein zu räumen. Dabei schien er auf etwas gestoßen zu sein, was sowohl seine Neugier, als auch sein Unbehagen geweckt hatte. Ich hatte mich in der Zwischenzeit im Bad befunden, um meine Waschmaschine und den Trockner unter einem sehr anerkennenden Nicken von Balin anzuschließen, ehe ich davon aufgeschreckt mit dem alten Zwerg zurück in den Großraum des Apartments trat, wo die Anderen sich neugierig nach dem Zwerg mit der Mütze umsahen. "Was schreist du denn so, Bofur?", sagte Kili, der mit etwas Geschirr an der Küchenzeile herum hantiert hatte und schließlich mit ein paar Schritten bei Bofur war. Diesem sah er kurz interessiert und erheitert über dessen Schulter, worauf hin ihm aber dann beim Anblick des Objektes, auf das sie gestoßen waren, etwas die Gesichtszüge entgleisten und ein kurzes "Oh." über seine Lippen huschte. Auch die Anderen unterbrachen einfach ihre Arbeit, um nach dem Ausschau zu halten, was Bofur so sehr verstört haben musste. Nacheinander fielen ihnen vor Erstaunen und leicht verwirrtem Abscheu die Kinnlage runter, als sie einen Halbkreis um die Kiste bildeten. Ich trat mit ratloser und irritierter Miene näher und wusste zunächst einmal gar nicht, was die kleinen Männer für ein Problem hatten. Doch ich brauchte mich nicht wie sie über den Karton zu beugen, um das, was sie so sehr in Aufruhr versetzte, mit eigenen Augen zu sehen. Denn schon hatte Bofur in die Kiste gegriffen und mit sehr andächtiger Miene ein etwa zwanzig Zentimeter langes, schwarzes Ding heraus geholt. Es war in der gesamten Länge abgerundet, zu einer Seite spitz, aber nicht scharf zulaufend und auf der anderen mit kleinen glitzernden Plastiksteinchen besetzt. Mir klappte vor Entsetzen der Mund auf. Oh scheiße, bitte nicht DAS, schoss es mir durch den Kopf. Alles in mir fuhr zusammen und verkrampfte panisch. Diese fatale Entdeckung sorgte zunächst dafür, dass ich stocksteif auf der Stelle stehen blieb und der ganzen Sache wie versteinert seinen Lauf ließ. Denn eigentlich hätten sie gerade DAS niemals zu Gesicht bekommen dürfen. Aber nun war es eindeutig zu spät und ich geriet nicht nur wegen der aufgezogenen Nachmittagshitze sehr ins Schwitzen. Als Bofur das sonderbare Teil nämlich über den Kopf hielt erkannte ich genau, was das für ein Gegenstand war. Und eigentlich hätte ich es ihm sofort aus den Zwergenhänden reißen müssen. Aber irgendwie versagten mir meine Beine den Dienst, weshalb ich nur sprachlos zusehen konnte, wie die Männer das Ding genauer unter die Lupe nahmen. "Was für ein eigenwilliges Ding", meinte Fili und hob grübelnd die Augenbrauen. "Was mag das nur sein?", fragte Ori murmelnd und tippte kurz dagegen. "Ich habe nicht die leiseste Ahnung", meinte Balin und strich sich nachdenklich durch den Bart. "Es wirkt wie aus Metall und ist schwarz angemalt, aber was sollen bitte diese falschen Edelsteine an dem einen Ende", murmelte Bofur und drehte dieses dann mit einer Hand. Doch damit war die Katastrophe perfekt. Denn es sorgte dafür, dass er es schaffte es anzuschalten und kurz drauf erschrocken los zu lassen, da es unwillkürlich anfing brummend zu vibrieren. Das stürzte die Herren in noch größere, geistige Verwirrung wenn nicht sogar panik, als es unter diesen Umständen über den nicht mehr ganz so sauberen PVC-Boden hoppelte. "Es lebt!", rief Ori aus und versteckte sich hinter seinem Bruder, der mit ihm etwas zurück wich. Kili und Fili schienen stattdessen neugierig interessiert an dem Gerät zu sein und Bofur kicherte über das Ding, das sich so munter über den Boden fortbewegte. Balin schüttelte nur den Kopf und hob die Augenbrauen weit in die Stirn. Mir schoss derweil sämtliches Blut in den Kopf und ich erwachte schließlich aus meiner kleinen Schockstarre. Ich stürzte hastig auf die Männer zu und riss dem Zwerg mit der Mütze das Ding aus der Hand, welches er immer noch munter lachend wieder vom Boden aufgehoben hatte. Ein wenig verblüfft über meine Reaktion, hörte dieser auf zu lachen und legte leicht fragend den behuteten Kopf schief. "Hey? Warum nimmst du es mir weg?", fragte er doch ignorierte ich die Frage und drehte an dem mit Plastiksteinchen besetzten Ende, damit es aufhörte zu vibrieren. Danach ging ich zunächst Wortlos zu meinem Schlafsofa und verstaute es unter mehreren Lagen Bücher im Wäschekasten. Dabei beobachteten mich die Männer sehr argwöhnisch. Schließlich war es Nori, der als Erster wieder das Wort ergriff, nachdem ich mich weiterhin in Schweigen über diese peinliche Sache hüllte. "Cuna? Was ist los? Was war das für ein Ding?", fragte er, nachdem ich den Wäschekasten mit einem kleinen Knall zu gemacht hatte. "Das geht euch nichts an. Das ist Privat", entgegnete ich entrüstet und ziemlich barsch, was sie alle fragende Blicke austauschen ließ. Eigentlich wusste ich, dass meine ganze Aktion in dem Moment nicht wirklich etwas gebracht hatte, da sie es ja eh gesehen hatte. Trotzdem wollte ich gewisse Grenzen und Prioritäten setzen. Und so eine intime Sache, war wirklich nicht für Zwergenohren gedacht. "Was hast du denn auf einmal?", hakte Fili ein wenig belustigt, aber auch leicht besorgt nach, da er mich bisher noch nie derartig aufgebracht gesehen hatte. Von meinem unfreundlichen Tonfall einmal abgesehen, den ich für gewöhnlich gar nicht gerne anschlug. Dabei waren die Herren nicht mal schuld an dieser Begegnung der vibrierenden Art. Sondern ich, weil ich nicht aufgepasst hatte, was sie auspackten. So gesehen war ich dann doch eher wütend auf mich selbst, als ich Fili Antwort gab. "Nichts. Gar nichts. Tut mir leid. Aber das ist eine Sache, über die kann und will ich nicht mit euch reden. Sie ist einfach viel zu. Verstörend für euch, okay?", schnaufte ich bedröppelt und schlurfe sehr betreten zurück ins Bad, wo ich die Werkzeuge einsammeln wollte, die ich für den Anschluss der Waschmaschine gebraucht hatte. Mein Kopf fühlte sich auch wieder so an, als wäre er vor Scham knall rot, wie eine Alarmleuchte. Innerlich ohrfeigte ich mich schon dafür, als ich die Zangen und Schraubenschlüssel in den alten Werkzeugkasten meines Verblichenen legte. Ich bereute es zum Einen so ausrastete zu sein und zum Anderen nicht darauf geachtet zu haben, was die Zwerge in ihre Hände nahmen. Nun hatten sie ausgerechnet mein aller privatestes Privateigentum entdeckt und würden mit Sicherheit nicht eher Ruhe geben, bis sie heraus gefunden hatten, was man mit dem zwanzig Zentimeter langen, schwarzen, brummenden und vibrierenden Gerät anstellte, das hoffentlich weiterhin im Wäschekasten des Schlafsofas lag. Die Sache war wirklich verzwickt. Genauso wie mich mein dummes Gewissen, welches mich wegen meinem kleinen Ausraster zwickte. Aber wie um alles in der Welt sollte ich ausgerechnet diesen sehr konservativen Kerlchen die Funktion eines modernen Sexspielzeuges erklären? Gut, irgendwann würde ich sicher dazu genötigt sein Kili und Fili über die Liebespraktiken meiner Welt aufklären zu müssen, wenn sie irgendwann mal des Nachts, ab einer gewissen Uhrzeit durch die Sender im Fernseher schalteten und dabei die allseits beliebten Nummernshows in der Werbung entdeckten, wo sich die lüsternen Schwestern oder die einsame Jungfrau ab fünfzig herum trieben. Doch wollte ich das nicht zu diesem Zeitpunkt tun. Schon gar nicht unter diesen stressgeplagten Umständen. Sie würden mich gewiss allesamt mit einer Mischung aus Entrüstung und mitleidigem Lächeln ansehen. Das war das Letzte, was ich zu dieser Zeit brauchte. Nein. Die würden von mir keinerlei Erklärung dazu erhalten. Auch der Zwergenkönig nicht, sollte er von seinen beiden Neffen erfahren, dass ich da so ein sonderbares Ding besaß, welches vor sich hin brummte und über das ich kein Wort verlieren wollte. Das würde sowieso noch für einigen Gesprächsstoff sorgen, sobald die Feier am Abend im vollen Gange war und vermutlich auch zusammen mit der Laune, der Alkoholpegel wieder deutlich ansteigen würde. Selbst wenn ich Thorin zunächst gesagt hatte, dass ich mich sehr auf die Zwergenparty freute, so war dies doch in meinem Hinterkopf mit leichtem Unbehagen über meine Lippen gekommen. Und nach dieser beschämenden Situation erst recht. "Cuna?", hörte ich plötzlich die leicht zögerliche Stimme von Ori zu mir ins Bad dringen, weshalb ich erschrocken den Kopf hob und mir umgehend mit einem dumpfen 'Klonk' den Kopf unter dem Waschbecken stieß. Ich stöhnte kurz vor Schmerz auf und schüttelte mich ein wenig. "Oh. Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken", sagte der junge Zwerg hastig und beugte sich sofort zu mir runter, um mir behutsam eine Hand auf die Schulter zu legen. "Autsch. Ah. Verdammt. Das Bad ist definitiv zu klein", grollte ich vor mich hin und blieb noch etwas auf den Knien sitzen, bis der pochende Schmerz ein wenig nachließ. Dabei rieb ich mir den Hinterkopf und blinzelte die Tränen weg, die sich davon in meinem Augenwinkel gesammelt hatten. "Es tut mir wirklich unglaublich leid, Cuna. Ich wollte dich wirklich nicht erschrecken", meinte Ori ein wenig betreten und versuchte doch irgendwie sanft zu klingen, als er mir zur Beruhigung die Schulter streichelte. "Ach. Ist. Ist schon okay. So was passiert mir eigentlich dauernd. Was möchtest du denn?", hakte ich zähneknirschend nach und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen. "Also. Äh.... Nun ja", stammelte der dunkelblonde Bursche und ich sah, wie sich hinter seinem Bart die Wangen rosa färbten. "Ja?", fragte ich noch einmal eindringlich und versuchte ihn aufmunternd anzulächeln. Er räusperte sich kurz und setzte sich dann zu mir auf den Boden, damit wir zumindest ein wenig auf Augenhöhe waren, ehe er mir sein Anliegen vor trug. "Also. Also es geht mich ja eigentlich nichts an. Und. Ich weiß, es steht mir nicht zu. Aber. Ich mache mir ein wenig Sorgen um dich und. Dein Wohlergehen", sagte er dann und wurde mit jedem Wort ein bisschen leiser. Ich hob leicht verwirrt die Augenbrauen und legte den Kopf schief. "Du sorgst dich um mein Wohlergehen? Warum? Wegen dem Vorfall gerade?", erkundigte ich mich bei ihm, doch er zuckte nur unschlüssig mit den Schultern. "Das auch. Nein. Es ist nur. Ich. Naja ich weiß, dass du deine Entscheidung getroffen hast und dass du Thorin über alles liebst. Aber. Aber ich bin der Meinung, dass... dass er...", stammelte er auf einmal leicht verdrießlich und ein Hauch von Ärger lag auf seinen unschuldig anmutenden Gesichtszügen, was mir trotz meiner neu aufkommenden Kopfschmerzen nicht entging. Natürlich wusste ich, dass der kleine Kerl wohl immer noch gewisse Gefühle für mich hegte, deshalb war es auch unschwer für mich zu erkennen, was er mir eigentlich sagen wollte, sich aber nicht traute. "Du denkst, er ist nicht gut genug für mich", meinte ich dann und sah, wie ihm leicht empört und ertappt der Mund auf klappte, da ich offenbar mitten ins Schwarze getroffen hatte. "Ich. Also. Ich. Ja. Ja, das denke ich. Und. Und ich finde, du. Du hast einfach etwas besseres verdient", platzte es dann einfach aus ihm heraus und drückte seine Hand an meiner Schulter etwas fester. "Was meinst du bitte mit besser? Gibt es da irgendwas, was du mir sagen willst", entgegnete ich und hatte das ungute Gefühl, dass sich da irgendetwas im Kopf des Jungen zusammen braute, das weder gut für ihn, noch für mich werden würde. Vorausgesetzt, wenn es sich denn um das handelte, was ich vermutete. Ori zögerte nach meinen Fragen wieder und biss sich verlegen auf die Unterlippe, doch dann wagte er schließlich einen enorm weiten Schritt nach vorne, der mein Unbehagen tatsächlich bestätigte. "Hör zu. Ich. Ich mag dich immer noch viel zu sehr. Und ich will nicht, dass Thorin dir das Herz bricht. Er ist mein König und ich bin ihm stets loyal ergeben und in allen Belangen behilflich. Aber er tut dir einfach nicht gut. Er bevormundet dich die ganze Zeit über. Außerdem fängst du auch langsam an dich so aufzuführen wie er. Und das nur wegen so einen komischen Ding. Das war damals mit dem Arkenstein genauso. Du hättest einen Mann an deiner Seite verdient, der sich nicht nur liebevoll um dich sorgt, sondern dir auch deine Freiheiten lässt die du brauchst. Und der dich vor derlei bösen Dingen bewahrt, die dich offenbar auch besessen machen", raunte er mir dann wütend entgegen und sprang energisch auf seine kurzen Beinchen, damit er eine kämpferische Pose einnehmen konnte. Ich riss die Augen weit auf und musste erst einmal genau in meinem pochenden Schädel realisieren, was er gerade meinte. Als ich dann endlich den passenden Faden gefunden hatte, ging mir ein Licht auf und ich konnte gar nicht anders als lauthals los zu lachen. Nein, ich lachte ihn gewiss nicht aus, für die lieben Worte, die er mir geschenkt hatte. Es war einfach nur urkomisch, was sich der arme, kleine Bursche in seinem dunkelblonden Kopf versucht hatte zusammen zu reimen. Und das nur wegen einem lächerlichen Vibrator. Allerdings merkte ich dann doch, dass mein Lachen ihn sehr irritierte und ein wenig verstörte. Wenn nicht sogar beleidigte. Denn er hatte die Worte durchaus ernst gemeint. Allein diese Tatsache, ließ mich nach meinem kleinen Lachanfall kurz durchatmen und betreten mit dem Kopf schütteln. Vielleicht sollte ich ihm das Geheimnis des brummenden Dingsbums als Erstem erzählen, dachte ich. Nur damit er beruhigt war und sich nicht noch mehr Sorgen um mein Wohlergehen machte. Immerhin wusste ich, dass er noch sehr viel für mich fühlte. Vielleicht sogar zu viel, was ich zu seinem Bedauern einfach nicht erwidern konnte. Ich war eine treue Seele und ich liebte nun einmal den Zwergenkönig. Da war nichts dran zu rütteln. Auch wenn er es mir sehr schwer machte, mit seinen manchmal nervigen Eigenarten. Aber ich hatte ja schon eine andere Seite von ihm kennen gelernt. Eine die wohl seine Männer in dieser Form nicht kannten. Und vermutlich nie kennen lernen würden. Für sie war er wohl immer nur der strenge, beherzte, energische Anführer und König. Das würde er für sie immer bleiben. Nur für mich würde er von Zeit zu Zeit diese Maske ablegen. Aber nun ging es zunächst einmal nicht darum sich über Thorin, der sicher in einigen Stunden oder Minuten wieder auftauchen würde, Gedanken zu machen. Sondern die Zweifel des sehr jungen Zwerges zu zerstreuen, der mich immer noch verwirrt und inzwischen sogar leicht verletzt ansah. "Oh. Mann. Ori..", erwiderte ich seufzend und drückte mich langsam auf die Beine. Behutsam drehte ich mich zu dem kleinen Kerl um und schenkte ihm ein versöhnliches Lächeln, ehe ich fort fuhr. "Hör zu. Es tut mir leid, dass ich gerade so gelacht habe. Aber glaub mir, deine Sorgen, was das Ding angeht sind vollkommen unbegründet. Du denkst sicher, dass es eine ähnliche Macht besitzt, wie der Arkenstein. Aber da täuscht du dich. Ich habe nur so. Naja. Aufbrausend reagiert, weil. Weil dieser Gegenstand etwas sehr, sehr, sehr Persönliches ist. Etwas, dass keiner von euch hätte sehen dürfen", erklärte ich ihm einigermaßen ruhig und sah wie sich langsam eine Augenbraue unter sein fein säuberlich geschnittenes Pony schob. "Aber. Warum? Ist es denn irgendwie gefährlich? Kann es einen blenden, wenn man es zu lange ansieht", hakte er ein wenig beschwichtigt, aber immer noch ziemlich besorgt nach. "Nur wenn man es jemandem direkt ins Augen rammen würde. Aber dafür ist es nicht gedacht. Es hat eigentlich eine ganz andere Funktion", meinte ich und legte peinlich berührt eine Hand auf meinen pochenden Hinterkopf. "Welche denn?", fragte er nun deutlich interessiert und lächelte mich etwas aufmunternd an. "Weißt du.... also. Das Ding ist. Für... einsame Stunden gedacht. Also für sehr, seeeehr einsame Stunden", erwiderte ich und zog das Unausweichliche noch ein wenig in die Länge, schenkte dem Burschen aber einen vielsagenden Blick und hoffte, dass er diesen verstand. Doch leider stellte ich aufgrund seines weiterhin fragenden und neugierigen Gesichtsausdruckes fest, dass er überhaupt nichts begriffen hatte. Schließlich erbarmte ich mich, holte einmal ganz tief Luft und beugte mich bis zu seinem rechten Ohr hinunter, um ihm die ganze Sache zu erklären. "M-m-m-m-m-Mahal", stotterte er nur kurz drauf. Ich hätte beinahe schwören können, dass über seinem Kopf eine kleine Dunstwolke erschienen war, da er plötzlich so erhitzt von den Einzelheiten wirkte, wie ein vergessener alter Teekessel auf dem Herd. Auch meinte ich dabei ein kurzes Pfeifen zu hören. Doch hielt ich es lediglich für Einbildung. Ich atmete seufzend aus und schüttelte beschämt den Kopf. "Tut mir leid, dass ich dich so schocken musste, Ori. Aber zumindest, weißt du jetzt, dass du dir keine Sorgen mehr machen musst", erklärte ich feierlich und klopfte ihm behutsam auf die Schultern. Der kleine Bursche schüttelte energisch mit dem Kopf und meinte: "Ist. Ist nicht so schlimm, wie du denkst. Du. Du brauchst dich dafür nicht entschuldigen. Aber jetzt. Kann ich zumindest verstehen, warum du nichts sagen wolltest. Das. Das hätte ich an deiner Stelle auch niemandem sagen wollen." "Würdest du mir dann auch den Gefallen tun, es zumindest fürs Erste keinem der anderen zu erzählen? Du weißt ja jetzt, warum es so persönlich ist", bat ich ihn mit einem freundlichen Lächeln, woraufhin er kurz schluckte. "Ja. Ja, natürlich. Mach ich doch gerne. Ich gebe dir mein Wort als Zwerg und Ehrenmann, dass keine Worte dazu aus meinem Mund kommen werden. Wenn doch reiße ich mir eigenhändig die Barhaare aus", sagte er dann und versuchte sehr entschlossen zu klingen, wobei ich kurz kichern musste. "Den Bart kannst du ruhig dran lassen. Ich will ja nicht dafür verantwortlich sein, wenn du plötzlich bei den Zwergendamen unansehnlich wirst. Sofern du noch mal welchen begegnest", erwiderte ich ihm belustigt. Ein wenig verlegen begann er zu nicken, pfriemelte sich dabei an seinem alten Wollpulli herum und grinste sacht mit geröteten Wangen. Da hatte ich den armen Knirps wohl dezent verbal Entjungfert. Schöner Mist. Ich hoffte sehr, dass das nicht Dori zu hören bekam. Der würde mir sicherlich ordentlich die Meinung geigen, was die Aufklärung seines jüngsten Bruders anging, der sich immer noch wie ein überhitzter Teekessel verhielt. Wieder meinte ich ein Pfeifen zu hören, doch diesmal etwas deutlicher. Ich schüttelte irritiert den Kopf. "Hast du das auch grade gehört?", fragte ich ihn und er hob wieder fragend den Blick. "Was meinst du?", hakte er nach, als im selben Moment ein dritter Pfiff ertönte und ihn nun aufhorchen ließ. "Das kam von draußen", meinte er schlicht, machte auf dem Absatz kehrt und ging schnurstracks zur Wohnungstür, welche er öffnete und auf den Außenbalkon stiefelte. Ich kam ihm langsam hinterher, als ein vierter Pfiff zu hören war und nun auch den Rest der Bande aus dem Apartment lockte. Nachdem ich zu Ori hinaus getreten war, schaute ich nach unten vor den Plattenbau. Thorin, der offensichtlich die ganze Zeit über gepfiffen hatte, war mit dem anderen Teil seiner Gruppe zurück gekehrt und sie hatten einiges mit im Gepäck. Da waren Fässer, Säcke und Körbe voll mit Speisen und Getränken, wie ich sie noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Nun konnte die Party also steigen. Und dem ganzen Sammelsurium nach, würde es ein verdammt feuchtfröhlicher Abend werden. Soviel war sicher. -75. Dinge die waren, Dinge die sind und manche Dinge über die man noch mal reden sollte / ENDE - Kapitel 76: 76. Eifersucht ist Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft ------------------------------------------------------------------------------------ Verblüfft und vollkommen ungläubig starrte ich vom Balkon hinab auf den Vorhof des Plattenbaus, wo Thorin mit seinen Männern zu uns herauf winkte, die er für seinen Kurztrip mit ins Reich der Götter genommen hatte. Doch nicht ihre Wiederkehr war es, die mir die Sprache verschlug, sondern diese Unmengen an Nahrungsmittel, welche sie mit sich führten. Aus dem achten Stock konnte man gar nicht richtig erkennen, was sie da alles anschleppten. Aber die großen Fässer, die bestimmt um die zwanzig Liter fassten, waren mit Sicherheit randvoll mit Bier oder anderen Getränken, die es in Mittelerde gab. Davon hatten sie nicht weniger als vier Stück mitgebracht. Ansonsten befanden sich daneben noch einige Körbe in denen sowohl Brot und getrocknetes Fleisch, als auch andere etwas undefinierbare Sachen waren. Wieder andere waren mit Leinentüchern abgedeckt, sodass man gar nicht sehen konnte, was sich darin befand. Doch das war auch egal. Denn es war reichlich. Begeistert grölten, die Zwerge, die bei mir standen zu ihren Kameraden hinunter und hoben jubelnd die Fäuste in die Luft, als sie die ganzen Waren von Ferne begutachtete. "Es wurde aber auch mal Zeit, dass ihr uns hört! Wir warten hier unten schon eine ganze Weile!", rief Dwalin ungeduldig zu uns hinauf. "Wir haben hier oben nichts hören können. Erst als Cuna und Ori die Tür aufgemacht haben, sind wir auf euch da unten aufmerksam geworden", entgegnete Bofur Mütze schwenkend. "Zumindest habt ihr uns endlich gehört. Kommt runter, und fasst mit an. Na los", befahl Thorin und schon setzten sich die Sechs hinter und neben mir in Bewegung. Ich blieb oben um ein wenig Platz für die ganzen Dinge zu schaffen. Und damit natürlich einer da war, der dafür sorgte, dass die Tür nicht hinter allen ins Schloss fiel. Denn zum Schlüsselsuchen, den ich irgendwo abgelegt hatte, hatte ich in dem Moment recht wenig Lust. Das hätte in dem Durcheinander auch noch einige Minuten Zeit in Anspruch genommen und da ich wusste, wie ungeduldig Zwerge werden konnten, wenn man sie warten ließ, beschränkte ich mich lieber aufs Aufräumen. Bisher war immer noch ein Großteil meiner Habseligkeiten in Kartons verpackt. Viel hatten wir in den wenigen Stunden nicht bezwecken können. Mit Ausnahme einzelner Möbelstücke, die wir aufgebaut und verschiedener elektronischer Geräte, die ich sicherheitshalber selbst angeschlossen hatte, da sich die Zwerge nicht wirklich an diese fremdartigen Gegenstände heran gewagt hatten. Außerdem wollte ich nicht riskieren, dass sie diese in ihrem Arbeitseifer kaputt machten und sich selbst dabei einen Stromstoß versetzten. Auch wenn der Anblick von statisch geladenen kleinen Männern bestimmt ein recht amüsanter war. Vor allem bei diesen zum Teil langen Bärten. Ich musste kurz über das Bild in meinem Kopf lachen, indem ich mir vorstellte, wie Balins weißer Bart regelrecht explodierte, nachdem er lediglich eine Glühbirne hatte einschrauben wollen. Ich schüttelte den Gedanken aber kurzfristig ab und schob eines der Unterteile, meines Bettes an eine freie Wand. Dieses stand nämlich immer noch verteilt im Raum und ich hatte noch keinen Platz gefunden, wo es hätte hingestellt werden können. Aber vielleicht war es auch gut so. So mussten wir zwar am Boden essen, aber das war ja nicht weiter tragisch. Dann wurden meine Laken auch nicht dreckig. Zunächst mussten aber erst einmal die ganzen angebrochenen Kisten beiseite, die noch offen herum standen. Ich schob sie zu den Bettteilen an die Wände und stapelte ein paar aufeinander. Platz war ja bekanntlich in der kleinsten Bude, wenn man es schaffte diesen einzurichten. Das gelang mir einigermaßen gut und ich nickte anschließend zurfrieden, als die Raummitte soweit leer war. Bereits einige Minuten später hörte ich auch schon alle Männer schnaufend und ächzend wieder zur offenen Wohnungstür herein kommen. Allen voran natürlich der Zwergenkönig persönlich, der es sich nicht nehmen ließ beim Schleppen der Fässer zu helfen. Diese stellten sie zunächst einmal mitten im Raum ab und wischten sich mit den Ärmeln ihrer Leinenhemden über die Stirn. "Gut, dass wir jetzt zum letzten Mal Sachen hier hoch schleppen mussten. Ich habe keine Lust mehr", grollte Gloin und pflanzte sich prompt aufs Sofa. "Warum seid ihr denn nicht mit den Sachen mitten im Zimmer erschienen, wie zuvor unten in der anderen Wohnung?", fragte ich und legte leicht den Kopf schief. "Weil wir nicht wussten, wie weit die Arbeiten hier oben voran gekommen sind. Es wäre sicherlich für dich sehr unangenehm geworden, wenn gerade eines dieser Fässer hier etwas beschädigt hätte. Außerdem sind Personen wesentlich einfacher durch den Weltenstrom zu befördern, als Gegenstände und Tiere. Wir hatten ja schon mit dem Wagen Probleme, weil uns die Ponys fast durchgingen und um ein Haar mitten in die Welt der Würfel verschwunden wären", erklärte der Zwergenkönig und legte seinen Fellmantel einfach über meinen Bürostuhl. Ich konnte nur innerlich den Kopf darüber schütteln, dass er bei diesen sommerlichen Temperaturen immer noch mit diesem Teil herum lief. Aber ich hinterfragte besser nicht seine Beweggründe dafür. Stattdessen musste ich etwas schmunzeln, nachdem er die Welt der Würfel erwähnte. Das konnte eigentlich nichts anderes als Minecraft sein. Eine Welt, die aus nichts anderem bestand, als verschiedenen, quadratischen Blöcken oder eben Würfeln, wie sie Thorin nannte. Anscheinend bildeten sämtliche von Menschenhand geschaffene Welten ihre ganz Eigene, die mit meiner auf irgendeine Art und Weise verbunden war. Und die Thorin offensichtlich bereits mit Hilfe des Arkenstein bereist hatte. So gesehen ergaben sich dadurch für einen Menschen wie mich theoretisch ungeahnte Möglichkeiten. Auf der anderen Seite bekam ich aber plötzlich leichte Gewissensbisse. Was, wenn die Wesen, die ich in diesen Welten immer so gedankenlos abgeschlachtet hatte, für ihre eigene Welt wirklich existierten? Oh weh. Dann wäre ich ja für diese Kreaturen, wie eine Art Massenmörder anzusehen. Und andere Menschen meiner Welt auch. Nicht auszudenken, wenn dem wirklich so wäre. Wonach es zweifellos aussah, wenn ich mir die Zwerge so betrachtete, die nach und nach meine kleine Bude mit ihrem Zeug voll stopften. Es schüttelte mich kurz am ganzen Leib, als wäre mir ein dicker Eisklotz in den Magen gerutscht. Ich biss mir betreten auf die Unterlippe. Ich würde wohl nie wieder irgendein PC-Spiel anrühren können, ohne eine solche Tatsache im Hinterkopf aufblitzen zu sehen. Na wunderbar. Damit ging eines meiner Hobbies buchstäblich den Bach runter. Wobei ich mir sicher sein konnte, dass ich eh nicht mehr dazu kommen würde vor mich hin zu zocken, wenn Thorin und die Jungs zuhause waren. Ein ziemlich brachialer Start in das unerwartete Projekt 'Gründe deine eigene Familie'. Meine Hobbies waren somit hinfällig. Das hatte der kleine, dunkelhaarige Mann mit dem kurzen schwarzen Bart ja gut eingefädelt. Ich sah mich zu diesem Zeitpunkt schon wie das typische fünfziger Jahre Mütterchen Modell am Herd oder am Bügelbrett stehen, während um mich herum mein Göttergatte zusammen mit den beiden Jungs und mindestens zwanzig unserer eigenen Kindern liefen, von denen Nummer Einundzwanzig auch schon unterwegs war und mich mit noch mehr Arbeit zu schütteten. Fast panisch entfuhr mir ein leises Quietschen und ich schüttelte mich noch mehr. "Was ist los, Cuna? Geht es dir nicht gut?", fragte Dori, der mit einem Korb voller Brot und Obst an mich heran getreten war. "Wa-was? Wie? Ah, Dori. Ja. Ja alles wunderbar", meinte ich und lächelte ihn etwas steif an. Er beäugte mich aber weiterhin skeptisch, was mir deutlich unbehagen bereitete. "Bist du sicher? Du siehst aus, als hättest du gerade einen Geist gesehen?", hakte er nach doch ich schüttelte nur hastig den Kopf. "Ich ähm... Hab nur vor mich hin geträumt", stammelte ich betreten. "Du solltest aufhören zu träumen und dich lieber mal nützlich machen, Weibstück", meinte Dwalin, der aus dem Hintergrund auftauchte und mir ein paar Holzscheite in die Hände drückte. Irritiert von dieser Geste hob ich die Augenbrauen. "Was soll ich denn mit dem Holz anfangen?", fragte ich und musterte die Stücke. "Was wohl. Feuer den Ofen an, damit wir das Essen aufwärmen können, was wir mitgebracht haben. Oder glaubst du, das kocht sich von alleine", entgegnete der Zwerg mit der Glatze und hob verständnislos die Augenbrauen. "Ähm. Bitte. Was? Ofen anfeuern?", entgegnete ich völlig perplex und genauso verständnislos wie er mich ansah. "Natürlich. Oder willst du mir jetzt erzählen, dass du nicht weißt, wie man das macht?", kam es von Thorin aus dem Hintergrund, der mich mit einem argwöhnischen Blick versah, während er schon ein paar Decken auf dem Boden ausbreitete. Meinem Mund entkam daraufhin nur ein sehr trockenes Lachen. "Ernsthaft jetzt? Das soll ich machen?", hakte ich erneut nach, woraufhin der Zwergenkönig ein leicht genervtes Seufzen von sich gab. "Mach es einfach. Das wirst du doch sicherlich hin bekommen", raunte er zunehmend ungeduldiger. Ein zaghaftes Grinsen rutschte mir über das Gesicht und ich schnaubte dann belustigt, da mir in dem Zusammenhang eine wundervolle Idee kam. "Also gut. Dann feuere ich mal den Ofen an", sagte ich sehr gedehnt und wand meine Schritte in Richtung der Küchenzeile. Als ich genau davor stand, warf ich noch einmal einen Blick über die Schulter, wo ich bemerkte, dass sämtliche Blicke auf mich gerichtet waren. Und mit der Gewissheit, dass sie sämtlich Aufmerksamkeit der kleinen, bärtigen Männer hatte, drehte ich mich wieder um und rief so laut ich konnte in einem Sing-Sang: "OFEN VOR! NOCH EIN TOR! OFEN DU MACHST DAS! OFEN IST DER GEILSTE CLUB DER WELT! OLÉ, OLÉ!" Während ich meine Anfeuerungsrufe in Richtung der Küche plärrte, hörte ich hinter mir zum einen entrüstetes und zum andern sehr besorgtes Gemurmel. Wobei sich darunter auch das ein oder andere Kichern mischte, von dem ich insgeheim wusste, dass es von denen kam, die vorhin mit mir hier geblieben waren. Der Einzige, der mein Theater gar nicht lustig fand, war der Zwergenkönig, der dadurch leicht wütend wurde. "Sag mal. Willst du mich auf den Arm nehmen?!", knurrte er und ich drehte mich langsam zu ihm um. "Nö. Dafür bist du mir zu schwer. Außerdem hab ich genau das getan, was du von mir verlangt hast", meinte ich schmunzelnd. "Ich sagte, du sollst den Ofen anfeuern und nicht die Küche anschreien. Erzähl mir jetzt nicht, dass das zu schwer für dich ist. So etwas solltest du als Frau eigentlich von deiner Mutter gelernt haben. Ich verstehe wirklich nicht, wie du bis heute überleben konntest, wenn du nicht einmal die einfachsten häuslichen Dinge beherrscht", entgegnete er barsch, ließ seine Arbeit grollend liegen und stapfte mit großen, schweren Schritten auf mich zu, um mir das Holz aus der Hand zu reißen. Ich musste kurz grunzen vor Belustigung und schüttelte den Kopf. "Dann erkläre mir doch einmal, oh großer, weiser Zwergenkönig, wo genau du hier im Raum, beziehungsweise in der Küche da einen Ofen siehst, den ich mit dem Holz hier anfeuern kann", erwiderte ich noch bevor er mir die Stücke entriss. Mitten in der Bewegung, hielt er daraufhin inne und schaute sich bedächtig um, während seine dunklen Augenbrauen stetig unter seinen Haaransatz wanderten. Er starrte natürlich hauptsächlich auf die Küche, vor der wir nun beide standen. Als er diese optisch ausgiebig erkundet hatte, klappte ihm immer wieder sehr langsam der Mund auf und zu. Ich wusste natürlich warum. Da gab es eben keinen Holzofen, wie er ihn wohl aus seiner Welt kannte. Es war auch keine Bratröhre vorhanden. Ja, noch nicht einmal einen ordentlichen Herd hatte ich dort. Sondern nur meinen alten, Single-Backofen, der auf der schmalen Arbeitsplatte neben dem halbwegs großen Kühlschrank seinen Platz gefunden hatte und zwei einsame Kochplatten, die sich auf der anderen Seite daneben befanden. Diese konnte ich allerdings noch mit meiner transportablen Doppelinduktionsplatte kombinieren, wenn wirklich beim Kochen Notstand herrschte. In dem Fall schuldete ich meiner Mutter einen riesigen Dank dafür, dass sie mir diese, zusammen mit einem passenden Topfset, mal vor Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte. Für mich waren gerade solche Kleinigkeiten in diesem Augenblick wirklich eine Bereicherung. Für Thorin hingegen ein richtiges Desaster. Ich sah ihn ein paar Mal schlucken und ungläubig den Kopf hin und her bewegen, als könne er nicht verstehen, was vor sich ging. Als er seine Sprache wieder gefunden hatte, kamen die Worte eher keuchend aus seinem Mund. "Wo. Wo ist die Feuerstelle? Wie. Wie sollen wir denn hier überleben, ohne uns selbst etwas zubereiten zu können? Und wie halten wir die Räumlichkeiten im Winter warm?", hauchte er mit ungewöhnlich hoher Stimme und ließ die Arme sinken. Nun konnte ich mich wirklich nicht mehr an mich halten und brüllte los vor Lachen. Ich ging sogar in die Knie und musste das Holz vor mir ablegen, damit es nicht polternd zu Boden fiel. "Was ist denn daran bitte so lustig, Frau?! Das ist eine Katastrophe!", fuhr mich der Zwergenkönig fast außer sich vor Entsetzen und Fassungslosigkeit, auf mich hinunter blickend, an. "Oh Gott. Thorin. Tut. Tut mir leid. Aber. Du solltest dein Gesicht mal sehen. Das ist zu köstlich. Oh Schreck. Ich kann nicht mehr", meinte ich und hielt mir den Bauch, während ich mich wortwörtlich kugelte vor Lachen. "Das finde ich alles andere als witzig, Cuna! Hör auf so zu lachen und erkläre mir gefälligst, was das hier zu bedeuten hat?!", knurrte er barsch und deutete mit einer ausladenden Handbewegung auf die kleine Küchenzeile. Ich musste ein paar Mal tief durchatmen und mir die Lachtränen aus den Augen wischen, bevor ich mich an der Arbeitsplatte wieder auf die Beine ziehen und ihm eine passende Antwort geben konnte. Allerdings konnte ich mir ein gelegentliches Kichern während meinen Ausführungen nicht verkneifen. "Also. Also. Pass. Pass auf. Hier. Hier in dieser Welt machen wir das nicht mehr im Holzofen mit Feuer. Hier verwenden wir dafür Elektrizität. Ist wesentlich schneller, macht weniger Dreck und erspart einem das lästige Holz schleppen. Was das heizen angeht, mach dir darum keine Sorgen. Das Funktioniert über ein riesiges Rohrleitungssystem, durch das heißes Wasser in jede Wohnung gepumpt wird. Das wird im Keller mit einem riesigen Ofen erhitzt. Aber darum brauchen wir uns nicht kümmern", sagte ich und lächelte ihn dabei an. "Also. Das mit diesen Rohrleitungen kann ich gerade noch verstehen. Aber wo holst du bitte diese Eleki... Elektri... dieses Feuer her? Habt ihr hier irgendwelche Bäume auf denen so etwas wächst?", hakte er nach und sah mich noch viel ungläubiger an als zuvor. "So ähnlich. Eigentlich bin ich davon ausgegangen, dass man dir das bereits irgendwann auf der Zeltstadt erklärt haben könnte. Hab ich wohl falsch gedacht. Weil wie das funktioniert ist ziemlich schwer zu erklären. Zumindest für mich. Außerdem würde das jetzt auch zu lange dauern. Am besten fragst du da mal Richi, wenn er mit Chu nächsten Dienstag bei uns vorbei schaut. Sie kommen im übrigen jeden Dienstag zusammen mit einer anderen Bekannten hier vorbei, sofern ihnen nicht irgendetwas dazwischen kommt und sie absagen", meinte ich und sammelte das Holz wieder ein, um es ihm auf die kräftigen Arme zu drücken. Völlig ratlos und verwirrt schaute er mich an, als er mir das Zeug sogar freiwillig abnahm und schüttelte nochmals seinen dunklen Haarschopf. "Wann wolltest du mir denn das sagen?", fragte er mit einer Miene, als hätte ihn gerade der Stadtbus überfahren. "Wenn ich Zeit dafür habe. Aber jetzt erklär mir erst mal, welches Essen ich machen soll, wenn ihr mich schon so mit der Arbeit überfallt. Damit es hier langsam mal voran geht", meinte ich mit einem süffisanten Lächeln und ging an dem total überforderten Zwergenkönig vorbei. Dieser grummelte allerdings nur ziemlich grantig auf zwergisch in seinen kurzen Bart, weswegen sich Bombur, der es auch endlich unter enormer Anstrengung nach oben geschafft hatte, freiwillig dazu bereit erklärte, mir das Essen zu zeigen. Dieses befanden sich in schweren, gusseisernen Kesseln, welche zu einem kleinen Teil in den Körben mit Tüchern waren. Nachdem ich diese zusammen mit den Deckeln gelüftet hatte musterte ich das mitgebrachte Essen. Es war eine ordentliche Portion kalter Eintopf, bestehend aus Kartoffeln, Fleisch und schon leicht zerkochtem Gemüse. Tatsächlich musste ich die Speisen nur noch aufwärmen. Zuvor war es aber zwingend notwendig den Inhalt umzufüllen. Ein einziger Kessel dieser Art, wäre mit Sicherheit schwer genug gewesen, um meine komplette Küchenzeile zum Einsturz zu bringen, wenn ich diesen darauf gehoben bekommen hätte. Wenigstens half mir der vollschlanke Zwerg bei dieser Aufgabe. Ich holte meine Töpfe wieder aus den Schränken, die wir zuvor mühsam hinein gestopft hatten, nahm mir eine meiner Suppenkellen aus der Besteckschublade und begann den Eintopf auf meine eigenen Kochutensilien zu verteilen. Innerlich seufzte ich dabei schon mit bangen Gedanken daran, dass es im Nachhinein einen gewaltigen Berg an schmutzigem Geschirr geben würde. Das Schlimmste daran war allerdings nur, dass ich keine Spülmaschine mehr hatte, die den Aufwand, den ich da betrieb, bewältigen konnte. Zumindest blieb zu hoffen, dass sich die Herren vielleicht dazu herab ließen mir beim Abwasch behilflich zu sein, wenn es denn soweit war. "Sag mal Cuna? Warum sind deine Kessel denn innen drin so weiß?", fragte Bombur plötzlich und lächelte mich mit seinen rosa Wangen freundlich an. "Das? Ach so. Ja. Die sind mit Keramik beschichtet, damit das Essen nicht im Topf fest brennt, wenn man mal nicht aufgepasst hat. Wenn es nämlich mal passiert, dann kann man es mit heißem Wasser und einem Tuch ganz schnell entfernen und den Topf danach wieterhin ganz normal benutzen. Ist verdammt nützlich", erklärte ich und bemerkte, dass die Augen des Zwerges anfingen zu leuchten. "Das. Das ist ja eine großartige Erfindung. Nie mehr kaputte Töpfe. So etwas fehlt mir in meiner Küche noch. Du weißt nicht zufällig, wie man diese herstellt?", hakte er mit geschäftsmäßiger Miene nach. "Leider nein, Bombur. Und irgendwann gehen auch die mal kaputt im laufe der Jahre. Aber zumindest nicht ganz so schnell wie andere", meinte ich ruhig, woraufhin der Zwerg enttäuscht den Kopf hängen ließ. "Das ist bedauerlich", brummte er bedrückt und stellte den ersten leeren Kessel beiseite, um mir den nächsten zu reichen. "Ach, Kopf hoch. Wenn du möchtest, dann kann ich dir einen davon überlassen. Also einen von den ganz kleinen. Die benutze ich sowieso nie", bot ich ihm freundlich an, doch ahnte ich nicht, worauf ich mich bei diesem Angebot eingelassen hatte. Er hob ruckartig den Kopf und sah mich mit großen ungläubigen Augen an, wie ein Kind, das gerade einen besonders leckeren Schokoriegel bekommen sollte. "Du. Du willst mir einen von deinen Wundertöpfen überlassen? W-Wirklich?", stotterte er mit fast belegter Stimme und leicht feucht glitzernden Augenwinkeln. Ich zuckte nur lässig mit den Schultern und nickte ihm dann einfach zu. Wenig später bereute ich allerdings ein wenig meine Entscheidung dem pummeligen Zwerg dieses Geschenk gemacht zu haben, denn er stellte den Kessel aus seiner Hand beiseite und schloss mich dann mit einem freudigen Jauchzen so fest in seine Arme, dass ich aufkeuchen musste, als ich ein paar Wirbel in meinem Rücken knacken hörte. "Oh. Danke, danke, danke. Tausendfachen Dank, Cuna. Du machst mich gerade zu einem sehr glücklichen Zwerg", trällerte er und drückte mich noch fester. Ich röchelte etwas und japste ihm zu: "Ja. Bombur. Ist gut. Ist. Okay. Lass mich. Jetzt. Ich. Luft." Doch er ließ mich erst los, nachdem sich hinter ihm eine sehr tiefe Stimme deutlich räusperte. Der Zwergenkönig war dazu getreten und musterte uns beide mit einem sehr finsteren und vielsagendem Blick. "Was hat DAS hier zu bedeutet?", knurrte er mit gefährlich leiser Stimme. Bombur schluckte kurz und ließ mich dann fast panisch los. Ich atmete ein paar mal tief durch, nachdem der Druck um mich herum endlich abgeklungen war bevor ich antwortete. "Das hat nichts zu bedeuten, Thorin. Ich hab Bombur lediglich gesagt, dass ich ihm einen von meinen alten Töpfen schenke, den ich nicht mehr brauche", erklärte ich ihm schulterzuckend und dachte mir zunächst gar nichts dabei. Doch offenbar hatte ich damit genau das Falsche gesagt. Thorins Miene verfinsterte sich nämlich zusehends und der rundliche Zwerg ging leicht verängstigt ein paar Schritte zur Seite, um aus dem Blickfeld des Zwergenkönigs zu verschwinden, welcher mich sehr scharf anvisierte. "Du. Du schenkst ihm einfach was? Du machst hinter meinem Rücken einem meiner Männer Geschenke?!", fuhr er mich an und stand mit zwei Schritten direkt vor mir. Seine eisblauen Augen hatten mal wieder diesen besonders tödlichen Ausdruck angenommen und er atmete stoßweise. Ich schluckte kurz und biss mir verunsichert auf die Unterlippe. Oh weia. Mal wieder ein Eifersuchtsanfall. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Dabei wollte ich ihn ja an diesem Tag nicht mehr provozieren. Aber nun war es mir aus reiner unachtsamkeit doch passiert. Vorsorglich warf ich schon einmal einen flüchtigen Blick über die Schulter des kleinen, dunkelhaarigen und wor allem wütenden Mannes, um Hilfe suchend nach seinen Neffen Ausschau zu halten. Diese hatten allerdings den sich anbahnenden Ausraster ihres Onkels noch nicht bemerkt. Sie waren zu sehr damit beschäftigt schon mal das Essen zu verteilen, was nicht gekocht werden musste. Folglich musste ich wohl selbst das Ruder herum reißen, ehe Thorin mir oder eben dem armen Bombur den Kopf abriss. Deshalb hob ich beschwichtigend die Hände und versuchte ihn zaghaft und unschuldig anzulächeln, bevor ich ruhig auf ihn einredete. "Hör mal. Es. Es ist nur ein sehr alter Topf. Nichts besonderes. Ich brauche den einfach nicht mehr. Und verschenken ist besser als wegwerfen, oder?", meinte ich, legte meine Hände ganz sachte auf seine Schultern und lächelte noch eine Spur lieblicher, während ich ihm leicht verträumt in die Augen sah. Ein tiefes, brummendes Knurren drang aus seiner breiten Brust, welche sich unter seiner Stoßatmung immer wieder heftig hob und senkte. "Es mag nur ein Topf sein. Aber MIR hast du bisher noch nichts geschenkt!", fauchte er mich säuerlich an. Ich musste auf seinen Kommentar kurz ungläubig blinzeln und löste meine Hände ganz langsam wieder von seinen Schultern. Damit hatte er mich nun wirklich zu tiefst beleidigt. Immer hin durfte er von nun an mit seinen Neffen bei mir wohnen. Darüber hinaus hatte ich ihm das Wichtigste gegeben, was eine Frau einem Mann überhaupt geben konnte. Und nun schätzte er tatsächlich einen dummen, alten Suppentopf als Wertvoller ein, als das was ich ihm gab? Eifersucht hin oder her. Aber das war aus meiner Sicht betrachtet absolut lächerlich! Ich gab ein kurzes Schnauben von mir und presste meine Lippen ganz fest zusammen, bevor ich es unter großer Mühe schaffte ruhig des Wort an ihn zu richten. "Wie? Ich hab dir noch nichts geschenkt?", hakte ich zunächst einmal nach und legte bedächtig den Kopf zu einer Seite. "Ich habe von dir noch keinerlei Zuwendung erhalten, die den Wert meines Ringes, den ich dir ansteckte, auch nur im Entferntesten gleich gekommen wäre", knurrte er zurück und hielt mir dabei fast drohend seinen Zeigefinger direkt unter die Nase. Darauf war der Zwerg also aus. Ich sollte ihm etwas geben, was für mich genauso von Wert und Bedeutung war, wie der Ring, den er mir zur plötzlichen Verlobung gegeben hatte. Nun war das Maß aber wirklich voll. Nicht nur, dass er mich damit beleidigt hatte, dass er angeblich nie etwas von mir bekommen hatte. Nun sollte ich wohl auch noch Gold und Edelsteine für den feinen Herrn an schleppen und diesen damit überhäufen. Ich blickte ungläubig und wütend auf seinen ausgestreckten Finger und stemmte nur meine Hände in die Hüften, bevor ich ihn einmal ordentlich zur Sau machte. Denn es schien mir an der Zeit zu sein, einmal ganz deutlich die Fronten zu klären. "Sag mal, tickst du noch ganz sauber, Zwerg?! Hast du schon vergessen, was ich alles für dich getan habe?! Was ich dir schon geben habe?! Was ich bereit war, nein, was ich bereit BIN für DICH zu opfern?! Ich hab dir ein Dach über den Kopf verschafft! Dir ein neues Zuhause bei mir angeboten, wo du mit deinen Neffen leben darfst! Darüber hinaus habe ich dir mein Herz, meine Liebe und mein Leben, zusammen mit dem Versprechen dich zu heiraten, mit Übergabe dieses Ringes an mich, anvertraut! Begreift du eigentlich, dass das, das Wertvollste ist was ich noch habe?! Etwas was ich eigentlich nie wieder her geben wollte, aus Angst, dass ich es an den falschen Mann verliere?! Aber offenbar erscheint dem Herrn Thorin ja selbst ein dummer Topf immer noch wichtiger als eine geliebte Person. Aber gut. Er ist ja der große Thorin Eichenschild. Was will der Mann mit einem warmen Zuhause und einer ihn liebenden Frau, wenn er irgendwelche Schätze hat, die ihn viel glücklicher machen können! Ich sag dir mal was mein Lieber, falls dir das in deiner Gier nach irgendwelchen Schmuckstücken oder dergleichen in deinem verkalktem Hinterstübchen abhanden gekommen sein sollte. Wenn dir so ein Scheiß wichtiger ist, als mein Herz, was du mit allem Gold des Erebors nicht mal im entferntesten aufwiegen könntest. Dann pack dir deine Männer und deine ganze Sippschaft. UND VERSCHWINDE IN DEIN VERKORKSTES MITTELERDE ZURÜCK!", schrie ich zum Ende hin so laut, dass selbst Dwalin im Hintergrund den Kopf einzog und Schutz hinter seinem älteren Bruder suchte. Nach meinem spontanen Ausraster wurde es totenstill im Raum. Niemand wagte es ein Wort zu sagen. Alle hatten ihre Arbeit unterbrochen und starrten nur noch auf Thorin und mich. Ich atmete schwer und konnte bereits während meinem Ausraster spüren, dass sich ein dicker Kloß in meinem Hals und eine leichte Tränenspur in meinen Augenwinkeln gebildet hatte. Eigentlich hatte ich solche Worte gar nicht verwenden wollen. Ich wollte nicht, dass er wieder ging und mich alleine ließ. Aber ich wollte auch nicht, dass er auf diese Weise mit mir umsprang, wie er es gerade tat. Er hatte deutlich eine Linie bei mir überschritten, die er nicht hätte überschreiten dürfen. Ich war keine Frau, die einfach ihr Herz an irgendwen verschwendete. Das war mir schon einmal in meiner aller ersten Beziehung, vor zig Jahren passiert und ich hatte mir geschworen, dass sich dies nicht wiederholen sollte. Auch wenn das zu bedeuten hatte, dass ich mir selbst sehr weh tun musste. Eine ganze Weile schwiegen wir uns an. Noch während der Zwergenkönig seinen Einlauf von mir kassiert hatte, hatte er seinen Zeigefinger langsam gesenkt und dafür fast erschrocken und verunsichert die Augen geweitet. Immer wieder öffnete und schloss er seinen Mund, als er verzweifelt nach den passenden Worten suchte, die er auf die Schnelle nicht finden konnte. Nach viele geschlagenen Minuten bekam er dann doch endlich die Zähne auseinander und stammelte mit ungläubiger Miene vor sich hin: "Das. Das ist doch. Doch nicht dein Ernst, Cuna. Du. Ich dachte du. Du..." Ich atmete noch ein paar mal tief durch und unterbrach ihm dann grollend: "Ja, verdammt. Ich liebe dich. Sofern du das sagen wolltest. Aber ich kann und will nicht mit einem Mann zusammen leben, der glaubt das selbst ein Topf mehr Wert besitzt als ich. Dabei erinnere ich mich gerade an einen Gewissen Zwergenkönig, der mal zu einem kleinen Hobbit sagte: 'Gäbe es solche nur mehr, die ein gutes Essen, einen Scherz, ein Heim und ein Lied höher achten als gehortetes Gold, so wäre die Welt glücklicher.' Aber offenbar ist dieser Zwergenkönig tatsächlich gestorben und vor mir steht gerade ein anderer Thorin Eichenschild, der immer noch nach diesem unnützen Kram giert. Von daher. Du weißt wo die Haustür ist. Du darfst jeder Zeit verschwinden, wenn dir andere Dinge wichtiger sind. Und glaube mir, es täte mir vermutlich mehr weh, als dir dich raus zu schmeißen." Mit diesen Worten wand ich mich von ihm ab, warf den Suppenlöffel auf die Spüle und wollte gerade ins Bad stiefeln, wo ich mich ungesehen von der ganzen Bande aus heulen wollte. Denn genau das war es, was ich tun musste. Meine eigenen Worte setzten mir gerade mehr zu, als ich geahnt hatte. Das Einzige, was mich lediglich davon abhielt meinen Weg fort zu setzen, war ein schneller, beherzter Griff mit einer rauen Hand, die mich am Oberarm packte und einmal herum wirbelte, bis sich diese Löste und zwei kräftige Zwergenarme mich an einen breiten Körper pressten. Thorins Kopf drückte sich fest an meine Schulter und sein ganzer Leib schien plötzlich zu beben. Ja, er zitterte richtig heftig. Gerade so, als wäre ihm richtig eiskalt. Ich war so perplex und überrumpelt, dass ich mich erst einmal gar nicht bewegte, bis ich hörte, dass Thorin fast wie von Sinnen an meiner Schulter vor sich hin stammelte: "Bitte. Bitte nicht. Tu mir das nicht an. Das. Das hab ich nicht gewollt. Das wollte ich gar nicht sagen. Ich. Du. Du bist das Wertvollste was ich bekommen konnte, nach all der Mühsal. Ich. Ich will dich nicht wieder verlieren. Vergib mir. Bitte." Seine Worte. Ja, sein flehender Tonfall erstaunten mich. Es klang gar nicht nach ihm. Er redete zwar sehr leise, aber aufgrund der Stille, die um uns herum herrschte, konnten wohl auch seine Männer diese hören und machten große Augen, als ich mich kurz unter ihnen umsah. Diese waren von der Reaktion ihres Königs auch reichlich verwirrt und erstaunt zu gleich. Als ich schließlich Balins Blick auffing, hatte er eine reichlich verdrießliche, aber verständnisvolle Miene aufgesetzt. Der alte Zwerg nickte wenig später ganz sachte, als wollte er mir stumm zu verstehen geben, dass Thorin wohl gerade seinen kleinen Denkzettel von mir verstanden hatte. Diese einfache Geste bewog mich daraufhin dazu, ganz behutsam meine Hände zu heben und meine Arme um seinen breiten Körper zu schlingen, damit ich ihm behutsam über den Rücken streicheln konnte. Er zuckte kurz zusammen, da er das offenbar nicht erwartet hatte und hob ein wenig den Kopf an. Ich atmete einmal ganz tief durch und dabei seinen besonders, betörenden Duft ein, den ich genauso liebte, wie den Mann selbst, zu dem er gehörte. Dann neigte ich sachte den Kopf zu seinem Ohr hin und flüsterte behutsam: "Ich habs auch nicht so gemeint, Thorin. Ich will nicht das du gehst. Aber ich will, dass du nicht mehr vergisst, dass es Dinge gibt, die genauso einzigartig sind, wie der Ring deines Vorfahren." Sofort wurde der Druck von Thorins Armen etwas stärker, als sich seine Finger in mein Shirt krallten. Er schnaubte kurz und hob den Kopf dann so weit, dass ich ihm wieder ins Gesicht schauen konnte. Seine blauen Augen leuchtet ein wenig, als über seine Lippen ein bedächtiges Schmunzeln huschte. Dann schloss er diese wieder und legte seine Stirn an meine. "Ich weiß wirklich nicht, womit ich dich verdient habe. Allein, dass du die Worte kennst, die ich vor so vielen Jahren einmal zu Bilbo sagte, bevor ich... Bevor ich dahin schied. Damit, habe ich gar nicht gerechnet. Die hatte selbst ich völlig vergessen. Dass du mir diese Erinnerung zurück gegeben hast, ist wahrlich das größte Geschenk, was du mir je hättest machen können. Abgesehen vielleicht von einem Erben", murmelte er und ich konnte in seiner Stimme kurz einen Hauch von Belustigung erkennen, während sich seine Gesichtszüge langsam entspannten und etwas sanfter wurden. Als er die Augen wieder öffnete, war dort immer noch diesen Leuchten zu sehen und ein Schwall von Wärme ging davon aus, der mir einen wohligen Schauer über den Rücken jagte. Ich seufzte kurz und verengte dann etwas die Augen. "Na. Fang nicht gleich wieder damit an. Du weißt, was wir ausgemacht haben", sagte ich mit gespielt mahnender Stimme und er lachte kurz drauf zaghaft, während er begann mich behutsam auf der Stelle hin und her zu wiegen. "Ich weiß", hauchte er schlicht und drückte mir dann unwillkürlich einen innigen Kuss auf die Lippen, bei dem mir einfach nur wieder die Knie weich werden konnten, genauso wie mein Gemütszustand. Wirklich. Ich konnte diesem Mann einfach nicht lange böse sein. Er war in Gefühlsdingen eben immer noch sehr unbeholfen. Wie ein junger Soldat mit seinem ersten Schwert auf dem Schlachtfeld. Aber wenn ich vielleicht doch etwas mehr Geduld und eisernen Willen ihm gegenüber zeigte, konnte ich ihn bestimmt immer wieder einen kleinen Schubs in die richtige Richtung geben. Nachdem er seinen Mund wieder von meinem los reißen konnte, seufzte ich kurz auf und sah ihm noch einen Moment tief in die Augen, bis sich plötzlich Dwalin vor wagte und sich bedächtig räusperte. Ein wenig erschrocken darüber, dass wohl immer noch seine Leute im Raum waren, die er völlig verdrängt hatte, löste der Zwergenkönig seine Arme von meinem Körper und drehte sich mit gehobenen Augenbrauen zu seinem guten Freund um. "Also. Also ich unterbreche euch beide ja nur ungern. Aber wir wollten doch eigentlich eine Feierlichkeit vorbereiten", sagte der glatzköpfige Krieger leicht verunsichert. Ein wenig irritiert und wieder um Fassung ringend blickte der kleine, dunkelhaarige Mann zwischen mir, Dwalin und den anderen Zwergen hin und her, bis er mit einem sehr gekünsteltem Räuspern seinen Kopf schüttelte und die Schultern straffte, ehe er wieder in seinen üblichen Befehlston verfiel. Den er aber erst nicht ganz traf, was mich hinter seinem Rücken leicht zum Schmunzeln brachte. "Ähm. Ich. Ja. Ja. Natürlich. Cuna. Bombur. Ihr beide kümmert euch weiter um das Essen. Und der Rest sorgt dafür, dass endlich alles dafür hergerichtet wird. Na los. Worauf wartet ihr", sagte er und schon begannen seine Männer wieder ihre Arbeit fort zu setzen. Allerdings nicht ohne mir hin und wieder bei einem flüchtigen Blick ein kurzes Grinsen zu zu werfen. Besonders Kili und Fili schienen von meiner Aktion unglaublich begeistert zu sein. Denn sie verbargen ihre Schadenfreude über den Einlauf den ihr Onkel von mir kassiert hatte nicht. Allerdings ließ dieser es sich nicht nehmen, ihnen dafür einen rein zu würgen, als er es bemerkte. "Kili. Fili. Nach dem Essen werden ihr den ganzen Abwasch machen. Allein", sagte er ziemlich barsch, nachdem er an ihnen vorbei ging, um noch ein paar Decken auszulegen. Fast sofort gefror das Grinsen auf beiden Gesichtern und wich einem Schmollmund. "Warum das denn?", klangte Kili und zuckte verständnislos mit den Schultern. "Weil ich das sagte", meinte Thorin schlicht. "Cuna...", begann Fili mich mit einem flehenden Ton anzubetteln, wie ein kleiner junge bei seiner Mutter, weil ihm sein Vater gerade verboten hatte spielen gehen zu dürfen. Ich allerdings, stand nur mit Bombur, der sich wieder heran getraut hatte, in der Küche und füllte weiter Eintopf um, während ich ihnen fast lachend zu rief: "Tut was euer Onkel sagt. Dann bekommt ihr auch eine extra große Portion und dürft heute Abend länger auf bleiben." "Aber. Bitte. Cuna", säuselte dann der dunkelhaarige Junge und versuchte mir einen Blick zu zu werfen, wie ein junges unschuldiges Reh. Doch ich grinste ihn nur frech an. "Kein Aber, Kili. Bei uns sagt man. Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung. Ihr beide lebt von nun an auch hier. Also packt ihr genauso im Haushalt mit an. Verstanden?", sagte ich ich hob symbolisch die Kelle hoch. Damit war definitiv das letzte Wort gesprochen und beide murrten einfach nur schmollend in ihre viel zu kurzen Bärte hinein. Lediglich Bofur hatte noch eine Kleinigkeit dazu zu verkünden. "Tut lieber was die Frau sagt. Sie hat eine Suppenkelle in der Hand und weiß sie sinnvoll einzusetzen", sagte er und lachte laut auf. "Dann wirst du auch tun was die Frau sagt, Bofur und den beiden Jungs nachher beim Abwasch helfen", rief ich zurück, worauf auch dem Mützenzwerg das Lachen verging. "Ach verdammt. Muss ich, Cuna?", fragte er und legte den Kopf schief. "Du musst. Deine Königin hat gesprochen!", polterte Nori gackernd drauf los. "Ist ja schön, dass du dich auch freiwillig zum Spüldienst meldest, Nori", entgegnete ich, woraufhin ich nur ein lautes, entsetztes "WAS?!" von ihm hörte. Nun konnte sich keiner mehr halten. Alle fingen lauthals an zu lachen. Nur Nori war zunächst noch der Einzige, der nicht wirklich verstand warum. Doch auch er stimmte bald mit ein. Nach dem Streit, was das Lachen wirklich sehr erholsam und befreiend für uns alle. Und der beste Auftakt für die bevorstehende Zwergen-Housewarming-Party -76. Eifersucht ist Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft / ENDE - Kapitel 77: 77. Ein Festmahl für alle Sinne bei Dämmerlicht ----------------------------------------------------------- Wo ich noch dachte, dass es schwierig werden könnte ein anständiges Essen für die Zwerge zu zu bereiten, als wir noch auf der Zeltstadt waren, wurde ich in meinem winzigen Apartment eines Besseren belehrt. Nicht nur, dass ich mein halbes Kochgeschirr und sämtliche Herdplatten, die ich besaß in Beschlag nehmen musste, damit der vorbereitete Eintopf für alle gleichzeitig warm wurde. Nein. Ich hatte auch noch permanent das Problem, dass mir immer irgendeiner der Herren mit in die Quere kam. Sei es mit der Bitte um Teller, Schalen, Besteck und Gläser, oder eben einfach mit der leidigen Frage, wann denn das Essen endlich fertig war. Hinzu kam, dass durch das südwestlich gelegene, große Fenster, welches samt Glastür zum Balkon gehörte, die Sonne ordentlich herein knallte und meine arme Wohnung noch zusätzlich aufheizte. Auch wenn die nervige Funzel schon sehr tief am Himmel stand und den Raum in ein sattes, orange-rotes Licht tauchte. Das Leuchten erweckte dementsprechend den äußerst realistischen Eindruck, dass es in meinem winzigen Apartment heiß wie in einem übergroßen Schmelzofen war. Ich konnte mich auch bei weiten nicht mehr daran erinnern, wann ich zuletzt so beim Kochen ins Schwitzen geraten war. Das Schlimmste daran war zusätzlich noch, dass draußen kein einziges Windchen wehte, welches uns ein wenig Abkühlung beschert hätte. Die Luft stand wortwörtlich wie eine unbeugsame Backsteinmauer und sorgte nicht nur langsam bei meinem Gemüt für eine zunehmende Erschöpfung. Die kleinen Männer litten auch ziemlich darunter. Einer nach dem Anderen hatte sich irgendwann seiner schweren Rüstungen entledigt und sie einfach unachtsam in verschiedene Ecken des Raumes geworfen, anstatt alles auf einem Haufen zu sammeln. Aber bei dem ganzen Umzugschaos störte mich das weniger. Auf Ordnung legte ich eh nie so viel Wert und es hätte wegen der bevorstehenden Party sowieso nichts gebracht. Außerdem hatte ihr König sie noch bis zur letzten Minute schuften lassen, damit auch ja genug Platz für jeden in der Mitte des Raumes war. Die Pause hatten sie sich also nach dem anstrengenden Tag redlich verdient. Nun saßen oder lagen sie nur mit ihren Leinenhemden und Hosen bekleidet herum, spielten Karten, erzählten sich Geschichten, rauchten Pfeife auf dem Balkon oder ächzten einfach nur unter der Hitze, während ich mir alle Mühe gab das Essen auf meiner kleinen Küchenzeile endlich warm zu bekommen. Aufgrund meiner zusätzlichen Kochplatte musste ich leider auch meinen Radio-Wecker von dort entfernen. Das brachte mich etwas zum Seufzen, da ich so gesehen recht gerne beim Kochen Musik hörte oder den Fernseher im Hintergrund laufen hatte. Die Gespräche der Zwerge waren da doch eher nebensächlich und eintönig, da sie sich meist nur in Khuzdul miteinander unterhielten, was ich eh nicht verstand. Zum Glück warf die zähe Flüssigkeit in den Töpfen recht bald ein paar Bläschen an der Oberfläche. Was für mich bedeutete, dass ich schon sehr bald servieren konnte. Das erleichterte mich zusehends und so rührte ich munter mit meiner Schöpfkelle in den Behältern mit der dunkelbraunen leicht zähen Masse herum. Dabei schlangen sich plötzlich von Hinten zwei sehr kräftige Arme um meinen Bauch und ein breiter Körper drängte sich innig an meinen Rücken, ehe sich ein recht schwerer Kopf auf meine linke Schulter legte. "Sieht ganz so aus, als könnten wir gleich mit dem Essen beginnen", murmelte mir Thorins tiefe Stimme sacht ins Ohr, der mir interessiert bei der Arbeit zusah. "Ja. Das denke ich auch. Aber würdest du mir vielleicht den Gefallen tun und mich derzeit nicht so fest umarmen? Ich geh hier schon kaputt vor Hitze und bin schon durch und durch nass geschwitzt", erwiderte ich ein wenig ungeduldig, da mein T-shirt durch seine Berührung ziemlich unangenehm an meinem Rücken festklebte. Das Nächste was an meinem Ohr vorbei huschte, war ein bedächtiges, amüsiertes Schnauben und er murmelte: "Wenn dich das bisschen Kochen schon ins Schwitzen bringt, dann warte mal ab, was der Rest des noch jungen Abends bringen wird." Ich blinzelte kurz irritiert und drehte den Kopf etwas zur Seite, um ihn im Augenwinkel misstrauisch anzusehen. "Muss ich jetzt Angst haben?", hakte ich nach und er lachte leise. "Das kommt ganz auf die Sichtweise an. Aber stelle dich schon mal darauf ein, dass er sehr lang wird", entgegnete er nur und hauchte mir kurz einen flüchtigen Kuss auf die Wange, ehe er mich los ließ und sich auf einer der Leinendecken am Boden setzte, wo er sich mit seinem ältesten Neffen in ein Gespräch vertiefte. Ich atmete einmal ganz tief durch, als das Echo seiner Berührungen und Worte mir einen heiß Schauer über den Körper laufen ließ und mein Herz anfing wie wild zu klopfen. Die Stelle wo seine Lippen und sein Bart meine Wange berührt hatten, kribbelte reichlich unangenehm. Sorgte aber für ein wohliges Wärmegefühl in meiner Brust, das sich bis in meinen Bauch ausbreitete und mich zu meinem Bedauern auf andere Art und Weise ins Schwitzen brachte. Na wunderbar, nun wurde mir auch noch von Innen warm, dachte ich schmollend. Ich schloss kurz mit einem leicht gefrusteten Seufzen die Augen. Dieser verdammte, kleine Mistkerl. Wie schaffte er es nur ständig so unnatürliche Reaktionen bei mir auszulösen? Was war an diesem Zwerg dran, dass so einfach Gesten ausreichten, um mich völlig aus der Bahn zu werfen und fast alles um mich herum vergessen zu lassen? Warum musste er nur so eine unverschämt starke Wirkung auf mich haben? Es war zum aus der Haut fahren und passte mir gerade gar nicht in den Kram. Vor allem wo ich mich eh schon wie ein Eiswürfel in der Sahara fühlte. Und es machte ihm offenbar auch noch Spaß mich damit zu ärgern. Denn er warf mir ein kurzes, verschmitztes Lächeln zu, als ich zu ihm herüber schaute und er meinen leicht beleidigten Blick auffing. Eigentlich liebte ich gerade dieses Lächeln sehr. Er machte ihn um so viele Jahre jünger und stand ihm mindestens genauso gut wie seine ernste Miene. Das einzige was mich daran lediglich störte, war der Zusammenhang in dem dieser Ausdruck von Freude manchmal stand. Er wusste inzwischen nämlich ganz genau, was er mit welchen Mitteln bei mir auslösen konnte und wie sehr meine weiblichen Sinne auf ihn fixiert waren. Und das machte mich insgeheim ein bisschen fuchsig. Doch alles Schmollen und darüber Beleidigt sein, half mir nun auch nicht weiter. Ich seufzte noch einmal gefrustet, da ich meine kleine Gefühlswelt einfach nicht in den Griff bekam. Schüttelte daraufhin nur den Kopf und wand mich wieder den Töpfen zu, die nun eifrig vor sich hin blubberten, was ich ausnahmsweise nicht auf Thorins königliche Präsenz im Raum schieben konnte. Obwohl er mich definitiv auf die eine oder andere Weise zum 'Kochen' bringen konnte. Aber es brachte mich zumindest auf andere Gedanken und freute mich sehr. Wunderbar. Dann konnte ich ja die Männer dazu auffordern sich ihr Futter zu holen, auf das sie schon so lange gewartet hatten. "So, Jungs. Alles fertig. Ihr könnt euch jetzt hier an den Töpfen bedienen", rief ich über die Schulter und drehte an den Knöpfen, damit die Platten aus gingen. Ich hatte den Letzten gerade auf Null gestellt, da schoben sich schon vier Schalen unter meine Nase und ich blinzelte verwirrt. "Was wird das denn jetzt? Ich hab gesagt, dass ihr euch selbst bedienen könnt. Oder habt ihr was mit den Fingern?", fragte ich und blickte Bifur, Gloin, Dori und Bombur an, die als erste aufgesprungen und zu mir geeilt waren. "Du stehst gerade da, also kannst du uns auch die Schalen füllen, wie es sich für eine anständige Gastgeberin ziemt, Frau", entgegnete Gloin mürrisch. "Und du gewöhn dir mal langsam an, dich in meiner Gegenwart etwas zusammen zu reißen, Gloin. Sonst bekommst du nur die Töpfe zum Auslecken", raunte ich ihn an. Er hob verächtlich einen Augenbraue in die Stirn, behielt aber daraufhin das, was ihm wohl auf der Zunge lag, für sich. Unser Verhältnis zueinander war immer noch recht angespannt, auch wenn wir eine Abmachung seit dem Elf-Meter-Schießen hatten. Es hieß ja nicht, dass wir gleich ganz dicke Freunde werden mussten. Aber er war zumindest umgänglicher geworden und hatte sogar aufgehört hinter meinem Rücken in seinen dunkelroten Bart zu grummeln. Das hätte ich jedoch am liebsten sofort getan, wenn ich einen gehabt hätte. Denn als ich mich bei den Anderen umblickte, die bereits hinter den Vieren standen und ebenso ungeduldig auf eine Bedienung von mir zu warten schienen, verzog ich ein wenig den Mund und hob hämisch eine Augenbraue in die Stirn. Da war es mal wieder, das ganz klassische Hausfrauenbild. Die liebe Mutti, in dem Falle ich, kochte für die versammelte Mannschaft von ausgehungerten Kerlen und diese bestürmten sie dann alle gleichzeitig mit dem Wunsch etwas zu bekommen. Nun ja, ich hatte es nicht selbst gekocht, sondern nur aufgewärmt. Trotzdem kam ich mir in dem Moment ein wenig veräppelt und in dieses typische Klischee Bild hinein gequetscht vor, das so gar nicht zu mir passte. Aber gut. Wenn sie Mutti wollten, dann sollten sie auch Mutti bekommen. Und zwar mit allem Drum und Dran. Ich straffte meine Schultern und hob die Suppenkelle etwas in die Luft, wie einen Dirigenten-Stab. "Na gut, wenns denn sein muss. Stellt euch aber wenigstens dafür in einer Reihe auf, wenn ihr was haben wollt", erwiderte ich dann auf die auffordernden Blicke schlicht. Zumindest taten sie das, auch wenn es zunächst einiges Durcheinander gab, da sie sich gegenseitig schubsten und anpöbelten, weil jeder der Erste sein wollte, der etwas bekam. Unglaublich. Wenn es ums Essen ging, verhielten sich selbst die Ältesten unter ihnen wie kleine Jungs. Nun musste sie Mutti mal wieder zur Ordnung rufen. "Hey! Hört endlich auf mit dem Mist! Wenn einer von euch die Töpfe runter reißt, dann darf derjenige hinterher alles vom Boden essen! Und denkt bloß nicht, dass das eine leere Drohung ist!", raunte ich sie genervt an, als nach etlichen Minuten immer noch keine Ruhe unter ihnen eingekehrt war. Die Zwerge hielten abrupt in ihren Bewegungen inne, als sie meine Stimme über ihre haarigen Köpfe hinweg rauschen hörten. Mit leicht beflissenen Mienen schafften sie es nach meiner deutlichen Ansage doch irgendwie, sich anständig und friedlich hintereinander aufzustellen. Ich nickte zufrieden und griff mir danach eine Schale nach der anderen, die ich dann mit dem Eintopf füllte. Schließlich waren alle, außer mir, zufrieden mit ihrem Essen aus dem Küchenbereich verschwunden und hatten sich erneut im Raum auf den Decken oder dem Sofa verteilt. Zu guter Letzt lud ich mir dann endlich meine Portion in eine Schüssel und manövrierte mich damit ein wenig ungelenk zwischen den Zwergen hindurch, bis ich an die rechten Seite ihres Königs platz nehmen konnte, welche er inzwischen völlig selbstverständlich für mich frei hielt. Ich setzte mich im Schneidersitz auf den Boden, damit ich meine Schüssel in der Kuhle zwischen meinen Beinen abstellen konnte. Als ich es mir gerade soweit gemütlich machte und meine Sachen sortierte, erhob sich der Zwergenkönig neben mir plötzlich wieder und sah auf uns alle herunter. Jene, die noch vereinzelt Gespräche geführt hatten, verstummten jäh und richteten ihre Aufmerksamkeit ganz allein auf ihn. Dieser nickte dann, nachdem Stille eingekehrt war und hob die Stimme zu einer kleinen Eröffnungsrede. "Meine lieben, langjährigen Freunde, Weggefährten, Mitstreiter, Neffen. Und natürlich mein geliebtes Weib", begann er, wobei er mir für den Bruchteil einer Sekunde ein kleines Schmunzeln schenkte, ehe er mit ernster Miene fort fuhr, "Wir haben viel Leid überstanden. Haben eine sehr lange Reise hinter uns gebracht. Sind gemeinsam durch viele Gefahren und schwere Zeiten gegangen. Wir hatten es nie wirklich einfach und haben doch bewiesen, dass wir nach all dem Unheil, welches uns heimsuchte immer noch beweisen konnten, dass wir Zwerge ein starkes Volk sind. Nun sitzen wir hier in dieser Runde, nach einem langen, harten, arbeitsreichen Tag, vereint und Seite an Seite mit unserer jungen Mitstreiterin Cuna, welcher ich fortan mein Leben bis ans Ende meiner Zeit widmen werde, die mir noch einmal geschenkt wurde. Ich möchte diesen Moment nutzen, um euch allen meinen tiefsten, ergebensten Dank auszudrücken, für all die Jahre, die ihr mir schon gefolgt seid. Wir haben unsere Waffen gezogen und auf den Schlachtfeldern Mittelerdes unsere Kämpfe ausgetragen. Von nun an ist es aber an der Zeit, dass ich selbst jemandem folge und auf einem anderen Schlachtfeld meine Kämpfe austrage." Da machte er eine kurze Pause und schaute noch einmal mit einem leichten Schmunzeln zu mir hinunter. Ich erwiderte seinen Blick und grinste breit, da ich mir die Worte, welche mir nach seiner kleinen Vorlage durch den Kopf gingen, einfach nicht verkneifen konnte. "Ja. Die Schlacht um den heimischen Herd. Bewaffnet mit Lappen und Wischmob", kommentierte ich seinen letzten Satz sehr trocken, was die übrigen Männer dazu brachte in schallendes Gelächter auszubrechen. Thorin schnaubte nur ein wenig beleidigt und hob dann spöttisch die Augenbrauen bis unter seinen Haaransatz, während er die Arme vor der breiten Brust verschränkte. "Das werden wir noch sehen, wer hier wo mit welchen Waffen kämpft", entgegnete er daraufhin und wand sich wieder dem Rest der Gruppe zu. Diese schüttelten sich immer noch ein wenig vor Lachen, als sich der Zwergenkönig räusperte, um seine Rede nun zum Abschluss zu bringen. "Wie dem auch sei. Heute Abend werden wir ausgiebig feiern. Also lasst uns speisen, trinken, lachen und singen, bis der neue Tag anbricht", meinte er mit feierlicher Stimme und nahm schließlich wieder platz, während seine Männer reihum jubelten und Kili und Fili ein sehr lautes: "Hört! Hört!" von sich gaben. Nun konnten wir uns endlich alle über den Eintopf und die restlichen Sachen her machen, die auf den Decken verteilt standen. Ich schnappte mir umgehend meine Schüssel aus dem Schoß und einen Löffel, den ich im Eintopf versenkte. Ganz sorgsam rührte darin herum, hob diesen dann wieder heraus und pustete etwas, damit ich mir nicht zu sehr den Mund daran verbrannte. Ganz zaghaft begann ich zunächst nur am Rand des Löffels zu nippen, um nur ein bisschen von der dunkelbraunen Flüssigkeit zu probieren. Sie hatte gerade ansatzweise meine Lippen passiert und meine Zunge benetzt, da wollte ich am liebsten anfangen vor Freude auf zu stöhnen und zu heulen, bevor ich mir den ganzen Löffel in den Mund schob. Der Geschmack, der sich über meinen Gaumen verteilte war so intensiv und unerwartet, dass ich meinte wie im Drogenrausch zu sein. So etwas atemberaubend Köstliches hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht vorgesetzt bekommen. Es war der absolute Wahnsinn! Wie ein Strudel aus Farben und Klängen, die ich nicht einordnen konnte. Fast so als wollte alles in mir anfangen Samba zu tanzen und lauthals Halleluja zu singen, während ich, wie eine Besessene das Zeug in mich hinein schaufelte. Die Zwerge, die um mich herum saßen und mir dabei zusahen, hoben bei meinem Anblick nacheinander irritiert die Augenbrauen und legten fragend ihre Köpfe schief. "Bei Durins Bart. Du schlingst, als hätte man dich tagelang hungern lassen", meinte Bombur besorgt und nahm im Gegensatz zu mir eher langsam einen Bissen nach dem anderen. Und das war schon eine Leistung, denn es war immerhin Bombur. Ich musterte ihn kurz und zuckte dann mit den Schultern, als ich den nächsten Löffel runter schluckte. "Ich hatte den ganzen Tag noch nichts. Und das Zeug hier ist wirklich der Hammer. Ich meine. Verdammt noch mal, so was hab ich noch nie gegessen. Das ist so. So. Einfach der helle Wahnsinn!", rief ich aus und schaufelte dann weiter. "Wenn dir das schon schmeckt, solltest du umgehend einmal den Wein versuchen, den wir mitgebracht haben", sagte Fili, langte einmal hinter sich und zog aus einem Korb eine recht große Flasche mit einem dunkelroten Inhalt. Dann schnappte er sich eines der Gläser, die zum Teil noch leer herum standen, entkorkte die Flasche geschickt und schenkte dann ein. "Also. Ich bin eigentlich keine Weintrinkerin", meinte ich zwischen zwei Bissen, doch da wurde das Glas schon zu mir herum gereicht bis Dori, der zu meiner Rechten saß, es mir unter die Nase hielt. "Koste ihn einmal. Das ist ein ganz besonders vorzüglicher Wein aus unserer Heimat. Er ist gut fünfzig Jahre alt und hat ein sehr blumiges und fruchtiges Bouquet", erklärte er und setzte dabei nickend eine Kennermiene auf. Als ich den Zwerg neben mir betrachtete, musste ich kurz belustigt schnauben. "Was ist daran denn so witzig?", hakte der grauhaarige Zwerg mit dem fein, säuberlich geflochtenen Bart nach. "Du erinnerst mich an eine Darbietung, den mein Verblichener einmal gebracht hat. Der war nämlich leidenschaftlicher Weintrinker", meinte ich und stellte meine halbleere Schüssel in die Kuhle zwischen meinen Beinen, damit ich Dori das Glas abnehmen konnte. "Was denn für eine Darbietung?", hakte Kili nach, der sich an einem der großen Fässer ein recht dunkles Bier einschenkte. Ich grinste nur breit und entgegnete: "Dafür muss mir Fili mal eben den Korken rüber reichen." Der blonde Junge nickte nur neugierig lächelnd und warf mir den Korken zu, den allerdings nicht ich sondern sein Onkel auffing, der diesen an mich weiter reichte. Ich lächelte ihn kurz dankend an und sprang auf die Füße. "Also passt auf. Das war in etwa so. Er stand da, mit der gerade geöffneten Flasche und machte genau das hier", begann ich und straffte zunächst einmal die Schultern, ehe ich dazu überging einen hochnäsigen und arroganten Gesichtsausdruck aufzusetzen, der vermutlich einem gewissen Elbenkönig alle Ehre gemacht hätte. Dann räusperte ich mich kurz, hob mir wie ein Genießer den Korken bis fast unter die Nase, schraubte meine Stimmen um einige Oktaven tiefer, bis sie fast auf dem Gerwulf Niveau war und raunte dann in einer Tonlage, wie ein alter grantiger Seemann: "Vollmundig, beerig. Im Abgang waldig." Die kleinen Männer waren so baff von meiner kleinen Vorführung und der Stimme, die so gar nicht zu meinem Gesichtsausdruck passte, dass sie wieder alle in schallendes Gelächter ausbrachen. Ich grinste nur zufrieden, entspannte meinen Körper und hob das Glas mit dem Wein ein wenig höher, damit ich daran riechen konnte. Natürlich besaß dieser Wein, wie jeder andere auch seinen typischen Alkoholgeruch, sodass ich ganz kurz die Nase rümpfte. Aber da war noch mehr. Etwas was ich nicht deuten konnte und was ernsthaft meine Neugierde weckte. Trotzdem blieb ich zunächst noch skeptisch. Aber die Zwerge hatte, wie ich erneut erfahren musste, alle samt ein unglaubliches Talent, die Leute bei vielen Dingen vom Gegenteil zu überzeugen. "Dann war das aber wahrlich kein guter Wein, den er da hatte. Dieser ist bedeutend besser. Versuch ihn ruhig", meinte Dori lächelnd, als er sich wieder von seinem persönlichen Lachanfall erholt hatte und zu mir auf sah. Ich erwiderte seinen auffordernden Blick zunächst etwas misstrauisch, wobei mich der Geruch des Weines immer mehr reizte. Es war eine schwierige Entscheidung. Wobei ich eigentlich Doris Urteil in der Hinsicht vertrauen schenken wollte. Denn bereits der Eintopf hatte mich sehr überzeugt. "Also gut. Bevor ich mich hier schlagen lasse", entgegnete ich schließlich schulterzuckend und nahm erst einmal wieder zwischen Thorin und Dori platz, bevor ich ganz sachte das Glas an den Mund setzte, um mir ein Schlückchen einzuverleiben. Zum Glück hatte mir mein Verblichener und auch einmal ein Herr bei einer Weinverkostung irgendwann einmal beigebracht, wie man einen guten Wein richtig verkostete. Ein bisschen schlürfen, ein bisschen im Mund herum tanzen lassen und dann runter schlucken. Doch bei diesem war derartiger Aufwand völlig unangebracht. Ich hatte kaum einen Zug genommen, da warf mich dieser Geschmackskiller auch schon aus der Bahn. Das Aroma traf mich wie ein Vorschlaghammer mitten in die Magengegend und ließ für den Augenblick sämtliche Luft aus meinen Lungen entweichen vor Erstaunen. Meine Augen überschlugen sich in ihren Höhlen, während ich irgendwie versuchte, das zu analysieren, was mir gerade wie Wasser die Kehle hinunter floss. Es war etwas, was Kenner vermutlich nur von guten, spanischen Weinen her kannten. Allerdings war das mit dem, was ich gerade schmeckte und am ganzen Leib spürte, nicht im entferntesten damit zu vergleichen. Es schmeckte tatsächlich nach Sonne, nach Wind und Regen, und etwas was ich nicht wirklich definieren konnte, da ich es noch nie zuvor auf der Zunge hatte. Ich meinte sogar richtig spüren und hören zu können, wo der Wein einst angebaut worden war. So als liefe in meinem Geist ein Film im Zeitraffer ab. Obendrein war er auch noch unvergleichbar, aber nicht aufdringlich süß und wärmte sehr angenehm von innen heraus, ohne einen ins Schwitzen zu bringen. Auch wenn das bei den sommerlichen Temperaturen eh nicht nötig wäre. Er bereitete ein besonders, samtiges Gefühl auf der Zunge aus, das jedwede Art von Anspannung in mir zu lösen schien und mir einen Hauch von innerer Ruhe schenkte. Nachdem ich diese Köstlichkeit abgesetzt hatte, konnte ich nun wirklich nicht anders, als fast theatralisch auf zu stöhnen, während mir die Augen immer noch über gingen und ich mich langsam auf den Rücken sinken ließ mit den Worten: "Herr Gott. Ich bin im Himmel. Das ist die Hölle." Die Zwerge begannen wieder zu kichern, da sie meinen kleinen Genuss-Ohnmachtsanfall interessiert beobachtet hatten. "Mahal steh mir bei. Das kann doch nicht dein Ernst sein, Cuna. Du hast erst einen Schluck genommen und bist jetzt schon betrunken?", hakte Thorin ein wenig belustigt nach und nahm mir vorsorglich das Glas aus der Hand, damit ich den guten Wein nicht verschüttete. Weinflecken bekam man ja auch so schlecht wieder aus der Kleidung und anderen Stoffen. Noch dazu roch es immer sehr unangenehm, wenn man nicht aufpasste und er sich versehentlich auf dem Boden verteilte. Aber daran wollte ich in diesem Augenblick nicht denken. Ich fühlte mich wie ein Quell der Glückseligkeit und lächelte meinen Zukünftigen verträumt an. "Ich bin nicht betrunken. Mich hat dieses Geschmackserlebnis nur umgehauen", meinte ich versonnen und erhob mich nach ein paar Minuten langsam wieder in eine sitzende Position. "Wirklich? Habt ihr Menschen hier bei euch denn nicht so gute Weine?", fragte Dori interessiert. "Doch. Schon. Nur das was man hier als, ich sag mal, 'gut' bezeichnet. Würde ich nicht einmal mit der Kneifzange anfassen. Ich musste oder vielmehr durfte mal im Zusammenhang mit meiner früheren Ausbildung einen dieser 'guten' Weine bei einer Verkostung hier in den nahegelegenen Anbaugebieten probieren. Der soll so, naja, gut siebzig Jahre alt gewesen sein. Ich hab einen Schluck genommen und dachte danach ich müsste drei Liter Wasser nach schütten, so trocken wie der war. Nee, so was trink ich nicht noch mal. Doch der hier. Das ist so als ob. Also so. Ich kanns gar nicht beschreiben. Dafür gibts hier in meiner Welt einfach keine Worte. Aber mir ist als. Als würde alles in mir vor Freude tanzen und singen wollen", erwiderte ich mit einer bisher nicht gekannten Euphorie. Und das mir, wo ich mich so schwer für alkoholische Sachen begeistern lassen konnte. Nach meinen Worten zog sich wieder ein unablässiges Gekicher durch die Reihen der Zwerge. Für sie war dieses Gefühl durchaus normal und wohl allgegenwärtig, egal wo sie sich gerade befanden. Für einen Menschen wie mich, war das hingegen eher der Kulturschock in Reinform. Auch wenn es einer der angenehmsten Schocks war, die ich je erlebt hatte und mich zufrieden mit mir selbst lächeln ließ. "Das ist das, was ich Euch vorhin schon einmal gesagt habe, meine Liebe. Mittelerde lebt in allem was Ihr hier seht. Jedes noch so kleine Bisschen davon, ist durchzogen mit seiner eigenen Melodie. Und diese ist es, welche Ihr gerade zu spüren bekommt", kam es von Balin, der amüsiert schmunzelte und mir freundlich zu zwinkerte. Ich ließ Balins Worte einen Moment auf mich wirken, atmete ganz tief durch und schloss leicht die Augen, um mich diesem Gefühl ganz hin zu geben. Es war so unglaublich befreiend und klar wie der abendliche Himmel, der inzwischen in einen satten, violetten Ton getaucht war und langsam ins dunkelblau der Nacht über ging. Auch wenn diese, wie immer in meiner Kleinstadt, sternenlos sein würde. Ich glaubte mich trotz dieses eher nebensächlichen Makels in dem schönsten Traum meines Lebens zu befinden. So also fühlte sich Mittelerde an. Gut, lediglich nur was das Essen betraf. Nicht auszudenken, wie es für mich sein mochte, wenn ich wirklich dort gewesen wäre. Vermutlich würde ich mich permanent wie zugedröhnt fühlen, von den ganzen Eindrücken oder wie Balin es ausdrückte, von dieser Melodie, welche ständig um einen herum wäre. Nun verstand ich Thorin irgendwie, dass er mich nicht dorthin mitnehmen wollte. Wahrscheinlich hätte mich das Ganze so in seinen Bann gezogen, dass ich nicht mehr gewusst hätte, wo Vorne und Hinten war. In Anbetracht der Umstände, dass es dort aufgrund frei herum streunender Orkhorden lebensgefährlich war, stellte ein solch benebelter Zustand eher einen ziemlichen Nachteil dar. Deshalb war ich doch irgendwie zufrieden damit, dass mich der Zwergenkönig in meiner Welt ließ, wo ich viel sicherer war. Auch wenn das in dieser Plattenbausiedlung ein dehnbarer Begriff sein konnte. Besagter Herr knuffte mich wenig später mit dem Ellenbogen etwas unsanft in die Seite, damit ich wieder zurück in die reale Welt kam und nicht mehr vor mich hin träumte. Ich schüttelte kurz den Kopf und sah ihn zunächst ein bisschen verwirrt an. Er schnaubte nur belustigt, bevor er allerdings mahnend die Stimme senkte und sagte: "Verliere dich nicht zu sehr in deinen Gedanken. Auch wenn ich verstehen kann, dass es dir gerade schwer fällt. Der Abend wird noch sehr lang." Ich nickte ihm knapp mit leicht erhitzten Wangen zu und begann dann weiter zu essen und zu trinken. Neben dem Wein und dem Eintopf, verlustierte ich mich auch irgendwann am selbstgebackenen Brot und den Früchten, die sie mitgebracht hatte. Mit jedem kleinen Stückchen Mittelerde, das ich mir einverleibte, wurde meine Laune immer besser. Was ich allerdings wohl auch noch zusätzlich auf den Wein schieben musste, von dem ich irgendwann schon mehr als drei Gläser intus hatte, ohne es selbst bemerkt zu haben. Zu meinem erstaunen war dieser so was von angenehm, dass er mich nicht sofort betrunken machte, auch wenn es sich unterbewusst so anfühlte. Unter den Zwergen wurde es ebenfalls langsam immer heiterer. Sie erzählten Geschichten und brachten Anekdoten aus ihrem langen Leben, denen ich neugierig und interessiert folgte. Besonders Balin hatte sehr viel zu erzählen. Er kannte so viele Erzählungen, Sagen, Märchen und allerlei andere Dinge, die mich sehr in erstaunen versetzten und zum Lachen brachten. Darunter auch eine besonders interessante Geschichte, in der sich Dwalin als junger Zwerg mit einem Wildschwein gemessen und dabei das halbe Elternhaus in Trümmer gelegt hatte. Nachdem er zuvor aber panisch davor geflohen war, als es aus einer selbstgebauten Falle entkam. "Unser Vater musste damals die ganze Wohnstube neu herrichten und Mutter hat ihn zu mehreren Wochen Hausputz heran gezogen", erklärte mir der alte Zwerg grinsend und ich kugelte mich bereits vor Lachen auf dem Boden. Der glatzköpfige, kleine Mann warf seinem Bruder einen vernichtenden Blick zu, während dieser die Geschichte sehr anregend erzählte. "Tu ja nicht so, als wärst du ein Musterbeispiel an Vernunft, Bruder. Ich weiß noch ganz genau, wie du dem alten Gilbir die Lanze geklaut hast, um sie als Bratspieß für das Wildschwein zu verwenden. Und wie diese noch über dem Feuer entzwei brach. Dafür hast du von Vater eine ordentliche Tracht Prügel bezogen, als er heraus fand, was du angestellt hattest", entgegnete er grantig, weshalb sich der Ältere andächtig durch den weißen Bart strich. "Ja. Wahrlich. Das war keine meiner besten Ideen zu jener Zeit", meinte er dann schlicht und nahm einen Schluck Bier aus seinem Glas. "Wann war das denn, wenn ich fragen darf?", hakte ich kurz nach, ehe ich mir die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischte und zu sah wie beide nachdenklich die Köpfe zur Decke hoben. "Das war soweit ich mich erinnere in den wenigen Jahren, nachdem Smaug sich den Erebor zu Eigen gemacht hat und bevor König Thror, Thorins Großvater, sein Volk zu den Waffen rief, damit wir gemeinsam das Zwergenreich Moria zurück erobern sollten", meinte Dwalin dann und sein Bruder nickte bestätigend. Ich brummte nur kurz verstehend und seufzte dann wenig später. "Tut mir wirklich leid für euch. Das muss eine schlimme Zeit gewesen sein. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sein mag, wenn man vom einen auf den anderen Tag alles verliert, was man sich aufgebaut hat. Und die Schlacht um Moria hat euch ja auch einige schwere Verluste beschert", meinte ich bedrückt und ließ mir von Nori noch mal einen Schluck Wein einschenken, als dieser gerade eine neue Flasche geöffnet hatte. "Habt Dank für Euer Mitgefühl. Das ehrt uns sehr. Aber es ist wohl wahr. So viel Tod hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht miterleben müssen. Besonders Thorin hat es damals schwer getroffen, nachdem der Kopf seines Großvaters abgeschlagen wurde und sein Vater inmitten des Schlachtgetümmels verschwand. Wir wissen bis heute nicht, wo Thrain ab geblieben ist. Aber er müsste inzwischen auch tot sein", meinte Balin und neigte betrübt den Kopf, bevor er durch die reichlich unfreundliche Stimme des Zwergenkönigs erschrocken zusammen fuhr, nachdem dieser unserem Gespräch zufällig gelauscht hatte. "Hört auf über die dunkle Vergangenheit zu reden. Wir wollen heute Abend des Leben feiern und nicht den Tod der Gefallenen, einer lang verlorenen Schlacht betrauern", kam es reichlich barsch von Thorin, der sich im Anschluss an seine Ansage erhob und in einem der noch abgedeckten Körbe, nach etwas zu suchen begann. Ich hob ein wenig die Augenbrauen und musterte seinen breiten Rücken in der hereinbrechenden Dunkelheit. Ich konnte gut verstehen, wie er sich fühlte. Er schien genauso wenig wie ich den Verlust dieser beiden, über alles geliebten Personen verarbeiten zu können. Auch wenn er vielleicht von sich selbst dachte, dass er das schon lange hinter sich hatte. Offenbar schmerzte es ihn immer noch sehr, wenn er daran erinnert wurde. Selbst wenn er es nicht so offen zeigte, wie ich vor ein paar Wochen in einer fast schon unwirklichen Nacht auf dem Zeltplatz. Er war wirklich ein Mann, der seine eigenen Worte und Ansichten Lügen strafen konnte. Zumindest wenn es um seine Gefühlswelt ging. Das wusste ich ja schon allein durch das ganze Chaos, was wir durchgemacht hatten, bevor ich ihn soweit hatte, dass er sich auf mich ein ließ. Aber vielleicht war es nur sein innerer Drang, sich selbst mit solchen weisen Worten über den schweren Verlust hinweg trösten zu wollen. So etwas hatte ich schon einmal mit meinem vergangenen Partner erlebt und es hatte mich viele Wochen, Monate und sogar Jahre gekostet, diesen soweit zu bekommen, dass er Gefühle auch mal zeigte und nicht nur so lange in sich hinein fraß, bis er irgendwann verbal explodierte. Handgreiflich war er mir gegenüber nie geworden. Egal wie sehr ich ihn manchmal auch genervt hatte. Wobei ich mit Thorin so gesehen in diesem frühen Stadium unserer Beziehung schon ein wenig weiter war. Inzwischen zeigte der Zwergenkönig ja wenigstens sehr offen, wie er zu mir stand und war bei vielen Gelegenheiten nicht darum verlegen, kurz zu demonstrieren, was ich ihm bedeutete. Obwohl es manchmal ein klein wenig besitzergreifend auf mich wirkte. Doch Zwerge waren eben so, wenn sie sich verliebten. Damit musste ich mich nun abfinden. Trotzdem krampfte sich mein Herz unerklärlicherweise Weise plötzlich in meiner Brust zusammen, doch konnte ich nicht wirklich deuten weswegen. Vielleicht war es einfach nur, weil sich bei mir gerade wieder mein Helfersyndrom aktiviert hatte, dass ich sehr lange in meinem Unterbewusstsein hatte schlafen lassen. Ich seufzte kurz und nippte nachdenklich an meinem Weinglas. Dass sich ausgerechnet dies in solchen unpassenden Situationen meldete, störte mich sehr. Es konnte mir buchstäblich den ganzen Abend versauen, wenn ich nicht aufpasste. Aber sobald es einmal wach war, war es wirklich schwer es wieder abzustellen. So konnte ich auch nicht anders und überlegte einen Moment hin und her, wie und ob ich ihm vielleicht helfen konnte seine Trauer zu überwinden, so wie er es einst für mich getan hatte. Doch aufgrund oder vielmehr dank meines aktuellen Pegelstandes, fiel es mir wirklich schwer einen klaren Gedanken in diese Richtung zu fassen. Stattdessen wurde ich von dem kurzen Klimpern eines Saiteninstrumentes aus meinen Grübeleien gerissen. Der Zwergenkönig hatte sich wieder zu uns herum gedreht und hielt etwas in Händen, das in den letzten Strahlen der Abendsonne leicht golden schimmerte. Ich rieb mir verwundert die Augen und schüttelte kurz meinen benebelten Kopf, als ich versuchte den Gegenstand zu erkennen. Das war in dem Dämmerlicht schwerer als erwartet. Nachdem er aber mit ein paar Schritten wieder zu meiner Linken auftauchte, konnte ich genauer sehen, was er da gerade in Händen hielt und hob staunend die Augenbrauen. Es war eine Harfe. Natürlich keines dieser riesigen Instrument, die man bei klassischen Konzerten sah. Nein, diese war um einiges kleiner und noch dazu nicht irgendeine x-beliebige. Es war eine aus purem Gold mit Saiten, die leicht silbern schimmerten, als er kurz mit den Fingern darüber fuhr, um dem Instrument ein paar undefinierbare Töne zu entlocken. Mir blieb sprachlos der Mund offen stehen. Ich hatte ja bereits im Buch zum kleinen Hobbit davon gelesen, dass er angeblich eine goldene Harfe besaß. Aber diese nun in Wirklichkeit vor mir zu sehen, mit ihren fein gearbeiteten Formen und Windungen, war schon fast das Highlight des Abends. Wann bekam man in dieser Welt denn schon eine echte Goldharfe vor die Nase gehalten? Mit Sicherheit nicht jeden Tag. Und er war nicht der Einzige, der plötzlich mit einem Instrument auftauchte. Bofur erschien wenig später mit einer Flöte, die er aus den Tiefen seines Mantels gezogen hatte, welcher wie eigentlich die meisten Kleidungsstücke der Zwerge, in irgendeiner Ecke herum lag. Nori hatte seine Violine zur Hand genommen, Ori trat mit einer Okarina näher und Bifur begnügte sich damit zwei meiner Teelöffel Zweck zu entfremden. Dori war indessen eifrig bemüht, die leeren Teller und Schalen, sowie das schmutzige Besteck einzusammeln. Mit Hilfe von Kili und Fili stellte er alles auf meine Küchenzeile zu, welche nun fast unter dem Gewicht des ganzen schmutzigen Geschirrs zusammen zu brechen drohte. Inzwischen waren die Meisten mit ihren Instrumenten beschäftig, was mich ernsthaft neugierig machte. "Was passiert denn jetzt?", fragte ich Balin ein wenig freudig überrascht und er lächelte mir milde zu. "Das ist ganz einfach. Nach einem guten Essen wie diesem gehört es sich, dass ausgiebig weiter getrunken, gesungen und getanzt wird", erklärte er mir Fachmännisch. Ich musste kurz ein bisschen schlucken und sah auf mein wieder aufgefülltes Glas Wein. "Ihr verlangt aber jetzt hoffentlich nicht, dass ich zu eurer Musik singe, oder? Ich kenne nämlich außer dem einen Lied über die Nebelberge kein anderes von eurem Volk", meinte ich und verzog leicht gequält lächelnd das Gesicht. "Das verlangt keiner hier von dir, Cuna. Du lernst sie eben ab heute kennen. Irgendwann wirst du dann mitsingen können. Aber zunächst fände ich es angebracht, wenn du vielleicht für etwas mehr Licht im Raum sorgen könntest. Es wird doch reichlich finster", kam es von Thorin, der immer noch mit seiner Harfe beschäftigt war und wohl versuchte die Saiten zu stimmen. Ich nickte ihm knapp und immer noch leicht fasziniert zu, bevor ich auf stand und mich in Richtung Küchenzeile begab. Dort betätigte ich einen Schalter an der Wand, der die Deckenbeleuchtung einschaltete. Sofort wurde der ganze Raum von einem sehr hellem, weißen und warmen Licht erfüllt. Ein wenig erschrocken davon zuckten die kleinen Männer kurz zusammen und sahen mit einem mehrstimmig erfreuten "Ah" in Richtung der Zimmerdecke. "Reicht euch allen das Licht oder ist das zu hell?", fragte ich und musterte die Zwerge neugierig. "Ich hatte mehr an Kerzen oder ein paar Fackeln gedacht. Dieses Licht erscheint mir doch reichlich ungeeignet", erwiderte der Zwergenkönig ernst und ein wenig argwöhnisch. Offenbar war ihm die Sache mit der Elektrizität immer noch nicht ganz geheuer. Dabei hatte er das doch schon alles auf der Zeltstadt gesehen. Aber vielleicht hatte es ihn da noch nicht so interessiert und als bedeutungslos abgetan. Doch schaffte ich es im nächsten Moment trotzdem ihn zumindest ein bisschen mit dieser merkwürdigen Entdeckung meiner Welt zu beeindrucken. "Also mit Kerzen kann ich nicht dienen. Dafür aber mit etwas anderem. Passt mal auf", sagte ich grinsend und ergriff einen runden Knopf, welcher sich auf dem Schalter befand. Als ich diesen leicht nach rechts drehte, ging ein sehr erschrockenes Keuchen durch die Gruppe, da das Licht plötzlich wieder etwas abnahm, aber nicht gänzlich verschwand. Es blieb gerade so viel übrig, dass man etwas sehen konnte und trotzdem eine eher schummrige, gemütliche Atmosphäre schaffte. "Reicht euch das so oder soll ich noch mehr abdunkeln?", hakte ich erneut nach und musterte die Situation amüsiert, da die Herren sich nun gegenseitig erstaunt zu flüsterten und nach oben zeigten. "Ich. Ich denke das genügt schon. Aber. Das ist unglaublich. Wie hast du das gemacht? Ist das so ein Zauber, wie ihn Gandalf verwendet?", fragte Fili, dem wie allen anderen der Mund weit offen stand. Ich musste kurz kichern, ehe ich ihm antwortete: "Nein. Das ist kein Zauber. Das funktioniert alles mit Strom. Komm her, ich zeig dir, wie ich das gemacht hab." Doch nicht nur der blonde Bursche, sondern auch der Rest der Mannschaft trat näher, um sich das große Wunderwerk der modernen Technik anzusehen. Ich ging ein bisschen beiseite und entblößte dabei den Lichtschalter mit dem drehbaren Knopf in der Mitte. "Was ist das?", fragte Ori neugierig. "Das nennt sich Dimmschalter. Der Vorbesitzer dieser Wohnung hier hat die anbringen lassen. Damit kann man die Stärke des Lichtes soweit kontrollieren, dass man entweder mehr oder weniger davon hat. Je nach Bedarf versteht sich", erklärte ich, legte die Finger an den Knopf und drehte ein wenig nach Links und rechts, woraufhin es entweder wieder heller oder noch dunkler wurde, bis ich zur Ausgangsposition zurück kehrte. Die Augen der kleinen, bärtigen Männer wurden mit jeder Einstellung, die ich daran vornahm, immer größer und sie tuschelten begeistert untereinander. "Das ist wahrlich eine großartige Errungenschaft", meine Oin anerkennend und nickte mir ruhig zu. "Sag, kann man diese Dimmschalter auch verwenden, um sie an Elben zu befestigen, damit die nicht mehr so grell leuchten, Weibstück?", fragte Dwalin plötzlich, der die Arme vor der Brust verschränkte. Seine mehr als eigenartige Frage kam für mich in dieser Situation so unerwartet, dass ich zunächst einmal damit völlig überfordert war. "B-Bitte was? Elben mit Dimmschaltern? Meinst du das jetzt ernst?", hakte ich skeptisch nach und musste schließlich laut los prusten, als dieser dann noch einmal mit tot ernstem Gesicht bestätigend nickte. Allein die Vorstellung davon war so absurd, dass ich gar keine Worte mehr dafür fand. Als dann noch reihum eine Diskussion los brach und man sich tatsächlich darüber einigte, dass man irgendwie diese Dimmschalter an den Elben anbringen sollte, konnte ich mich nicht mehr halten und hätte mir beinahe in die Hose gemacht vor Lachen. Ich musste mich sogar an Kili festhalten, der sich in meiner Nähe befand, damit ich nicht umfiel. "Was in Durins Namen ist denn mit dir nun los, Cuna?", fragte dieser verwirrt, als ich meinen Kopf auf seine Schulter legte und mich völlig meinem Lachanfall hin gab. "Elben. Elben mit Dimmschalter! Wie. Wie geil ist das denn? Ich. Ich. Oh Gott! Ich kann nicht mehr! Der Witz des Jahrtausends!", giggelte ich und verlor fast das Gleichgewicht, da ich vor lauter Lachen fast vergaß zu atmen. "Hey. Hey. Vorsicht. Beruhige dich mal wieder. Du erstickst ja schon fast", meinte er besorgt und musste mich ein wenig umständlich festhalten. Ich versuchte unterdessen mich zu beruhigen indem ich mehrere tiefe Atemzüge nahm und irgendwann nur noch verhalten kicherte, während ich vor mich hin brabbelte: "Okay. Ist Okay. Alles. Alles Super. Geht gleich wieder." "Vielleicht solltest du dich wieder setzen", warf Ori besorgt ein und ich nickte bedächtig an Kilis Schulter gelehnt. "Ja. Gut. Ist. Ist okay. Dann lasst mich mal zu meinem Platz", meinte ich schnaufend und wischte mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht, bevor ich meine Beine in Bewegung setzte, um zurück zu den Decken zu gehen. Allerdings stützte mich der junge Zwerg dabei ein bisschen, damit ich mich nicht auf die Nase legte. Nachdem ich wieder an meinem Platz angekommen war, musste ich feststellen, dass Thorin als einziger immer noch da saß und an seiner Harfe herum hantierte, als wäre nie etwas gewesen. Er war so sehr in das Stimmen seines Instrumentes vertieft, dass er mich erst wieder bemerkte, nachdem ich ihm eine Hand auf den kräftigen Oberschenkel gelegt hatte. Dabei warf er mir einen kurzen, ruhigen Blick zu und widmete sich dann seinen Männern, die ihrerseits die Instrumente wieder zur Hand nahmen und sich in den Kreis setzten. Zunächst wurde es ziemlich Still unter den Anwesenden und ich wartete gespannt auf das was nun kommen würde. Dann legte der Zwergenkönig ohne ein weiteres Wort zu sagen seine Finger an die Harfensaiten und setzte zu einer sehr wohlklingenden Melodie an, wo bald auch die anderen mit einstimmten. Thorin gab den Takt vor und seine Männer folgten ihm dabei wie eh und je. Dann setzte plötzlich von irgendwo her noch Gesang aus der Männergruppe ein. Zunächst nur recht leise, aber dann immer lauter werdend. Ich konnte nicht verstehen, was die Worte bedeutete, da die Zwerge wieder einmal in Khuzdul sangen. Doch als die Töne der Instrumente und das Gesangs begannen den ganzen Raum zu erfüllen, schienen sie auch irgendwann mein Herz in eine innige Umarmung zu ziehen. Es klang wie eine wirklich uralte Geschichte. Eine die zuvor noch kein Mensch meiner Welt je zu Ohren gekommen war. Ganz fern vom Diesseits oder Jenseits. Ich schloss sanft die Augen und ließ mich von der Musik tragen, die in mir etwas bewegte, von dem ich nicht gewusst hatte, dass es sich dort befand. Aber ganz gleich was es war. Es ließ mich erahnen, dass dieser Abend neben der fremdartigen Musik, noch einige Überraschungen auf mich warteten. Und während die Sonne endgültig dem Nachthimmel Platz machte, endete auch das erste Lied genauso sanft, wie es gekommen war. -77. Ein Festmahl für alle Sinne bei Dämmerlicht / ENDE - Kapitel 78: 78. Komplikationen ------------------------------ Nach der ersten musikalischen Einlage an diesem Abend hockte ich buchstäblich geflasht zwischen den kleinen, bärtigen Männern und atmete noch ein paar Mal ganz tief durch, während ich immer noch die Vibrationen des Gesangs und der Instrumente am ganzen Leib spüren konnte. Eine Melodie, die sich mir tief ins Herz brannte und dort festigte, sodass ich sie nie wieder vergessen konnte. Nachdem sie ihren Beitrag beendet hatten, der mehr einer kleinen Ballade glich, begannen die Herren wieder geschwätziger zu werden. Sie lachten, schenkten sich erneut gegenseitig Bier oder Wein in die Gläser und stießen auf den Rest des Abends an. Ich gab ein leises Seufzen von mir und ließ meinen Kopf bedächtig auf Thorins kräftige Schulter sinken, bevor ich langsam die Augen wieder aufschlug. Dieser zuckte kurz zusammen und damit auch mit der Schulter nach oben, weshalb ich meinen Kopf leider wenig später wieder anheben musste. "Nicht einschlafen, Cuna", brummte er mich unmissverständlich forsch an und ich grummelte etwas. "Ich bin nicht eingeschlafen. Ich hab mich nur etwas entspannt", erwiderte ich gelassen und wollte mich erneut bei ihm anlehnen. Aber leider genau dann, als er sich gerade nach hinten streckte, um sein eigenes Glas Bier zu greifen, welches er dort abgestellt hatte. Etwas erschrocken musste ich daraufhin feststellen, dass mir der erhoffte Halt verwehrt blieb und ich unsanft mit meinem Kopf in seinem Schoß landete, wobei ich um ein Haar seine Harfe verfehlte. Zum Glück hatte er diese vorsorglicher Weise bereits ein wenig beiseite geschoben, sonst hätte ich vermutlich genau darauf legen. Allerdings brachte es den kleinen, dunkelhaarigen Mann dennoch dazu, mich aufgebracht verbal zusammen zu falten, nachdem er das Gewicht meines Oberkörpers in seinem Schoß zu spüren bekam. "Sag mal, bist du noch bei Trost, Frau?!", knurrte er und schubste mich fast etwas brutal mit einem festem Griff an der Schulter von sich weg, bis ich wieder aufrecht saß. Verwirrt und fragend legte ich den Kopf schief, während ich den Zwergenkönig musterte, der sich mit einem genervten Gesichtsausdruck sein Glas an den Mund setzte und einen großen Zug daraus nahm. "Meine Güte. Was ist denn auf einmal mit dir kaputt?", hakte ich leicht verunsichert nach und schüttelte verwirrt den Kopf. "Was ist fragst du noch? Du hättest um ein Haar die Harfe beschädigt", knurrte er gereizt. "Ich hab die doch nicht mal berührt", entgegnete ich daraufhin bestürzt, was er mit einem Schnauben abtat. "Hättest du aber. Sei gefälligst achtsamer, Weib. Sie ist unersetzlich", raunte Thorin barsch und versah mich mit einem sehr strengen Blick. Diesen erwiderte ich ein bisschen verstört und zog etwas die Augenbrauen zusammen, als der Zwergenkönig das Instrument mit einer kurz Handbewegung von seinen Knien hob und mit etwas Entfernung zu mir auf den Decken wieder abstellte. Dabei ließ er mich kein einziges Mal aus den Augen. Er rutschte sogar um einige Zentimeter von mir weg, was ich mit einem kurzen Schlucken zur Kenntnis nahm. Damit machte er seinen Standpunkt für mich wortlos klar. 'Komm mir nicht mehr so nahe und fass mich heute nicht mehr an', stand ihm buchstäblich in seine verhärteten Gesichtszüge geschrieben. Dieser Ausdruck erschreckte mich innerlich ein bisschen, da ich ihn nur zu gut kannte. Auch wenn es nicht von ihm selbst war. Ein 'schon-mal-erlebt' Gefühl zog sich in meiner Brust zusammen und ließ mich eine ganze Weile nicht mehr los. Unglaublich wie ähnlich sich zwei Wesen aus vollkommen verschiedenen Welten charakterlich doch sein konnten, stellte ich missmutig fest und ergriff mein Weinglas, während ich versuchte darüber nachzudenken. Sicher. Er hatte recht. Das Teil war schließlich aus Gold und vermutlich Handgefertigt. Ich wusste zwar nicht, wie viel Harfen in meiner Welt so kosteten oder wie man deren Preislage festlegen konnte. Aber diese schätzte ich auf einen Wert in unbekannter Millionen Höhe. Warum er auch ausgerechnet dieses Ding mit sich herum und mir ins Haus schleppen musste, war mir ein Rätsel. Eine gewöhnliche hätte es sicherlich für diesen Anlass auch getan. Aber ich hatte inzwischen gelernt nicht mehr alles zu hinterfragen, was mein Zukünftiger tat. Stattdessen musste ich allmählich lernen gewisse Sachen einfach so hin zu nehmen wie sie kamen. Und den kleinen Rüffler hatte ich in dem Fall irgendwo auch zurecht bekommen. Ich seufzte einen Augenblick mit resignierender Miene und wand dann meine Augen von ihm ab, um mir einen tiefen Zug Wein zu gönnen, damit ich diese unnützen Gedanken und Erinnerungen, die in mir aufsteigen wollten, wieder runter spülen konnte. Es war eigentlich gar nicht meine Art so etwas zu tun. Doch seit ich den Zwergenkönig in mein Leben gelassen hatte, wurde mir mehr und mehr bewusst, in wie weit ich begann mich zu verändern. Ich wusste nur noch nicht, ob es nun zum Guten oder zum Schlechten war. Aber wie es sich auch weiter entwickeln würde, so hoffte ich doch, dass ich zumindest einem Teil meiner Prinzipien treu bleiben würde. Nur sicher konnte ich mir da nicht wirklich sein. Denn mit jeder Beziehung in die man hinein stolperte, kamen andere Veränderungen hinzu und neue Gegebenheiten wurden geschafften, an die man sich erst einmal gewöhnen musste. Und sich an Zwerge zu gewöhnen, vor allem an Zwergenkönige, konnte doch Zeitweilig recht anstrengend werden. Nach dem ordentlichen Schluck, setzte ich das leere Glas auf dem Boden neben mir wieder ab. Dieses füllte sich umgehend erneut fast von selbst, nachdem Dori gesehen hatte, wie ich den Rest hinunter gestürzt hatte. "Übernimm dich nicht, Cuna. Der Wein steigt einem schneller zu Kopf, als man denkt", ermahnte er mich mit einem freundlichen Grinsen, da ich diese auch ansetzte und rasch hinunter stürzte bevor ich sein Grinsen halbherzig erwiderte. "Ja, ich versuche es. Es fällt mir nur schwer, wenn ihr mir ständig nach schenkt. Aber entschuldigst du mich kurz. Ich muss noch etwas erledigen", murmelte ich ihm leise zu, stellte mein leeres Glas beiseite, erhob ich mich langsam von meinem Platz und schritt zwischen den Zwergen hindurch. "Wo willst du denn auf einmal hin?", fragte Fili und warf mir einen irritierten Blick zu, als ich an ihm vorbei kam. "Ich gehe die Tür anständig verriegeln. Wenn dein werter Onkel mir schon einen Gegenstand ins Haus schleppt, der sämtliche Einbrecher aus hundert Kilometer Umkreis anlockt, dann will ich die wenigstens nicht sofort in der Bude haben. Vor allem dann nicht, wenn wir hier alle völlig betrunken und außer Gefecht gesetzt herum liegen", erklärte ich ihm leise und setzte meinen Weg zur Wohnungstür fort. Es war das Beste, was ich in diesem Moment tun konnte. Einfach Abstand zum Zwergenkönig halten und ihm etwas Freiraum lassen. So hatte ich es bei meinem Verblichenen getan, wenn dieser eine derartige Phase hatte. Das half in den meisten Fällen auch und sorgte nicht für unnötige Reibereien. Thorin würde sich schon früher oder später wieder ein kriegen und die Sache auf sich beruhen lassen. Dann konnte ich mich ihm mit Sicherheit wieder etwas nähern. Trotzdem stieß sein Verhalten bei mir aber auch auf einiges Unverständnis, während ich ein Schloss nach dem anderen verriegelte. Er hätte eigentlich wissen müssen, dass ich das Ganze nicht mit der Absicht getan hatte, sein Lieblingsspielzeug zu zerstören. Aber Männer waren wohl in allen Welten gleich, wenn es um ihre besten Stücke ging. Und damit meinte ich ausnahmsweise einmal nicht ihr drittes Standbein, das ich bei ihm vermutlich auch nur knapp verfehlt hatte. Denn ansonsten hätte er die nachfolgenden Lieder nur noch im Sopran singen können, zu denen nach der kleinen Trinkpause wieder angesetzt wurde. Diesmal ging es etwas schmissiger zu. Der gute Bofur ließ es sich dieses Mal nicht nehmen ein kleines Tavernenlied zum Besten zu geben. Als ich mich umdrehte, stand er bereits in der Mitte der Runde auf einem der leeren Bierfässer und wäre dabei fast an meine Deckenlampe gestoßen. Zu seinem und auch dem Glück meiner Lampe, war er ja nicht so übermäßig groß. Ich kam wieder etwas näher und hockte mich vorerst zwischen Kili und Fili, da ich nicht mitten in seine Darbietung rein platzen wollte. Die beiden klatschten im Takt zur Melodie und lächelten mich einen Moment lang an, bis ihnen dieses bei meinem Anblick auf dem Gesicht gefror. "Cuna? Was hast du?", fragte Kili und hob besorgt eine Augenbraue. Ich schüttelte nur den Kopf und murmelte: "Es ist nichts weiter. Zumindest nichts Schwerwiegendes." "Bist du sicher?", hakte Fili nach und versah mich mit einem eindringlichen Blick. "Es war nur ein kleiner Disput mit eurem Onkel. Nichts weiter", gab ich mit einem leisen Seufzen zu und lauschte dann Bofurs Lied, der dazu munter auf dem Bierfass herum tanzte. Sofern man es überhaupt tanzen nennen konnte. Er drehte sich lediglich auf der kleinen Fläche ein paar Mal herum, machte einige Gesten mit den Händen und Armen, und stampfte dabei mit einem Fuß auf das Holz, was einen dumpfen, hohlen Klang von sich gab. Ich versuchte unterdessen im Takt mit zu klatschen und eine fröhliche Miene aufzusetzen, die von meinem kleinen Unwohlsein etwas ablenken sollte. Doch die beiden Brüder zu meinen Seiten ließen sich davon natürlich nicht täuschen und rückten etwas näher an mich heran, damit sie ruhig mit mir reden konnten. "Hat es etwas mit seiner Harfe zu tun, auf die du vorhin beinahe drauf gefallen bist?", murmelte Kili und neigte dabei den Kopf ganz dicht an mein Ohr, damit auch nur ich es hören konnte. Ich zuckte nur mit den Schultern, die ich danach etwas hängen ließ. "Ja und nein, Kili. Weißt du, mir ist klar, dass das Teil da unglaublich wertvoll ist. Vermutlich sogar um einiges mehr, als alles was ich besitze und jemals besessen habe. Von daher kann ich seine aufgebrachte Reaktion durchaus nachvollziehen", erwiderte ich ohne ihn anzusehen, doch ich konnte an seinem zustimmenden brummen hören, dass er wohl nickte. "Onkel ist etwas eigen was seine Besitztümer angeht. Aber das war er schon immer. Du solltest ein wenig achtsamer sein. Besonders, wenn wir bald unsere Waffen her holen werden", meinte Fili eher beiläufig, was mich dazu brachte den blonden Jungen irritiert anzusehen. "Ihr bringt eure Waffen her? Weshalb?", fragte ich besorgt und zog meine Augenbrauen weit in die Stirn. Der junge Zwerg seufzte kurz und warf mir dann einen entschuldigenden Blick zu, den ich aber zunächst nicht nachvollziehen konnte, bis er mir seine Erklärung auf meine Fragen gab. "Sieh mal. Es ist so. Thorin hatte sich eigentlich in den Kopf gesetzt, alleine mit dir in dieser Welt zu leben. Allerdings nicht Tag ein Tag aus. Er ist immerhin noch zu einem gewissen Teil der König unseres Volkes und Anführer dieser Gemeinschaft. Auch wenn er vorhin etwas anderes gesagt hat. Deswegen hat er weiterhin die verantwortungsvolle Aufgabe, sich um meinen Bruder und mich, sowie um die Anderen hier zu kümmern. Weil er dich aber nicht alleine lassen will oder vielmehr kann und sobald du unseren Vetter in dir trägst erst recht, hat er uns dazu angehalten, dass wir so lange dafür sorge tragen, damit es dir an nichts fehlt und du vor Feinden geschützt bist. Außerdem geht es ihm wohl auch darum, dass dir kein anderer Mann zu nahe tritt", antwortete er und wurde zum Ende hin immer leiser. Ich spürte, wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich und ich schluckte schwer. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in meiner Brust breit und ich biss mir bedrückt auf die Unterlippe, als in meinem bereits leicht benebelten Verstand eine dunkle Vorahnung reifte. Doch bevor sich diese festigen konnte, brauchte ich noch mehr Informationen, die ich bestimmt auf nachfrage von den beiden Brüdern erhalten würde. "Das. Das heißt ihr beide sollt also nur hier leben, um als meine Aufpasser zu fungieren?", hakte ich vorsichtig nach, woraufhin allerdings Kili antwortete. Wobei er aber ein wenig herum druckste. "Nein. Nicht gänzlich. Es geht natürlich auch darum, dass. Also eigentlich sollte ich es dir nicht sagen, weil Thorin das nicht wollte. Aber in Anbetracht der Umstände. Weißt du", nuschelte er verlegen und sah dabei auf die Decke unter sich. "Was ist es? Lass es dir doch nicht aus der Nase ziehen", bestürmte ich ihn fordernd und ergriff dabei seinen Arm. Er hörte auf zu klatschen und musterte mich betreten. Der dunkelhaarige Junge gab ein leises Seufzen von sich und neigte dann mit großen, runden Rehaugen seinen Kopf. "Er. Er möchte. Dass. Dass du uns unsere Mutter ersetzt, Cuna", meinte er dann schlicht und sein Bruder brummte von der Anderen Seite her bestätigend. Ich weitete ungläubig die Augen und warf meinen Kopf immer wieder langsam zwischen den Beiden hin und her. "Das. Das ist doch nicht euer Ernst Jungs, oder?", fragte ich fast tonlos und sah leicht erschocken zu, wie sie einstimmig nickten. "Doch. Ist es. Er denkt, dass wäre sehr wichtig für uns. Auch damit du lernst Verantwortung zu übernehmen. Versteh das nicht falsch. Er hat nur das Beste für uns alle im Sinn. Und wir werden mit Sicherheit nicht versuchen, dir zu sehr zur Last zu fallen. Schließlich sind wir beide alt genug, um auf uns selbst acht zu geben. Außerdem, bin ich ja nicht nur allein deswegen hier her zurück gekommen", sagte Fili und warf mir einen vielsagenden Blick zu. In seinen hellblauen Augen, die seinem Onkel ziemlich ähnlich sahen, konnte ich deutlich eine Spur von Wärme erkennen und dass seine Gedanken gerade in eine andere Richtung abschweiften, das nicht zu diesem beklemmenden Thema gehörte, was wir gerade besprachen. Wo es mir auffiel, musste ich mir plötzlich mit der Hand vor die Stirn schlagen. "Himmel. Das hab ich ja ganz vergessen", stieß ich hervor, nachdem ihm von meiner Reaktion etwas die Gesichtszüge entglitten waren und er mich besorgt betrachtete. "Was ist? Was hast du denn vergessen?", fragte er und legte den Kopf leicht schief, als ich mit einer Hand in die Hosentasche fuhr und mein Handy hervor zog. Ich schüttelte kurz den Kopf und murmelte hastig: "Ich hab völlig vergessen Jana Bescheid zu geben, dass du wieder da bist. Sie wartet deswegen schon seit über einem Monat auf eine Nachricht von mir. Meine Güte, das hab ich bei all der Aufregung und dem Umzugsstress völlig verdrängt. Entschuldigt mich einen Moment ihr zwei." "Nur zu. Aber lass dir nicht zu viel Zeit damit. Und richte ihr bitte aus, dass ich mich sehr auf unser Wiedersehen freue", meinte Fili und lachte kurz, als ich ein wenig überstürzt zur Balkontür hinaus stolperte, da dort der Empfang besser war und ich ungestört eine SMS schreiben konnte. Dort angekommen wehte mir ein lauwarmer Sommernachtswind um die Nase, der mich kurz aufseufzen ließ. Die große Hitze des Tages war zwar endgültig verflogen, aber trotzdem schaffte es dieses laue Lüftchen nicht, mir ein wenig Abkühlung zu verschaffen. Was vermutlich auch mit an dem Zwergenwein lag, der nun an der frischen Luft deutlich seine Wirkung entfaltete und mich etwas ins wanken brachte. Trotzdem setzte er mich nicht so sehr außer Gefecht, sodass ich wenigstens noch die Nachricht an Jana verfassen konnte. Aber doch soweit, dass in meinem Kopf noch mehr kleine Nebenschwaden durch meine Gedanken rauschten. Ich blieb daher an der niedrigen Mauer stehen und lehnte mich mit samt Handy darauf, während ich die Botschaft schrieb. "Hi Jana, wie geht es dir? Ich hoffe gut. Heute Morgen ist Fili zu Besuch gekommen und wird mit seinem Bruder und seinem Onkel eine Weile bei mir wohnen. Er freut sich sehr dich bald wiederzusehen. Liebe Grüße, Jacky." Es waren eigentlich nur ganz simple Worte, die die wichtigsten Informationen an sie weiter gaben. Wobei ich mir nicht wirklich sicher war, ob sie diese am selben Abend noch lesen würde. Allerdings war ich mir in diesem Augenblick über vieles nicht mehr so ganz im Klaren, nachdem ich mein Handy wieder in meine Hosentasche gleiten und meinen Blick über die nächtliche Atmosphäre der Kleinstadt schweifen ließ. Die Worte der beiden jungen Zwerge beschäftigten mich sehr. Dass ich für die Beiden den Mutterersatz spielen sollte, passt mir persönlich überhaupt nicht. Auch dass die beiden Jungs im Gengenzug immer ein Auge auf mich behalten sollten, bei allem was ich tat. Vermutlich sollten sie meinem Zukünftigen auch noch Bericht über das erstatten, was ich in der Zeit getan hatte, wenn er wirklich zwischendurch auf einen Abstecher in Mittelerde war. Dass ich mit ihnen nicht nur zwei zusätzliche Mäuler zum Stopfen hatte, sondern auch noch zwei Aufpasser an die Seite gestellt bekam, die jeden meiner Schritte in meiner Welt überwachen sollten, schmeckte mir noch weniger. Ein ziemlich hartnäckiges Gefühl begann an meinem Herzen zu nagen. Eines das mir die Stimmung ziemlich verhagelte. Doch bevor ich genauer darüber nachdenken konnte, klatschte mir plötzlich jemand von hinten kräftig eine Hand auf die Schulter und lachte laut, als ich keuchend fast Vorne über kippte und halb über der Balkonmauer lag. "Hey, Cuna. Was machst du denn allein hier draußen? Hat dir mein Gesang nicht gefallen oder warum bist du auf einmal so überstürzt geflüchtet?", kam es putzmunter von Bofur, der sich zu mir gesellte und mich breit angrinste, als ich mürrisch den Kopf hob. "Man. Bofur. Wie oft muss ich dir eigentlich noch sagen, dass du mir nicht so doll auf den Rücken hauen sollst?", entgegnete ich husten und schüttelte dann den Kopf, als er erneut auflachte und dann seine Pfeife samt Tabaksbeutel hervor zog. Er kratzt kurz etwas im Pfeifenkopf herum, während ich ihn immer noch mürrisch und beleidigt ansah, bevor er sie mit etwas Kraut stopfte und sich in den Mundwinkel steckte, ehe er wieder zu mir schaute. "Tut mir wirklich leid. Das ist eine meiner leidgen Angewohnheiten. Aber nun im Ernst. Was machst du allein hier draußen? Genießt du die Nacht?", hakte er dann beschwichtigend nach und entzündete das Kraut mit einer Art Feuerzeug, dass sich ebenfalls in seinem Tabaksbeutel befand. Ich seufzte nur leise und schüttelte bedächtig den Kopf. "Ich bin nur rausgegangen, weil ich für Filis Freundin eine Nachricht geschrieben habe und um etwas frische Luft zu schnappen", meinte ich dann und blickte wieder in die Ferne. "Hrm. Verstehe. Und es hatte nichts damit zu tun, dass Thorin dich vorhin zurecht gewiesen hat?", hakte er neugierig nach, während mir langsam ein leicht würziger, süßlicher Duft in die Nase stieg. Kleine Wölkchen flogen sacht in den Sternenlosen, klaren Nachthimmel, die vom orangefarbenen Licht der Straßenlaternen weit unter uns erhellt wurden, als der Zwerg mit der Mütze ein paar tiefe Züge genommen hatte. Ich schwieg in dem Moment und wog meine nächsten Worte in Gedanken hin und her. Ich war mir unsicher, ob ich mit Bofur darüber reden konnte, was mich beschäftigte oder nicht. Und noch viel unsicherer war ich mir, ob er es denn auch verstehen würde. Verstehen konnte ich es ja selbst nicht wirklich. Ich setzte zwar ein paar Mal dazu an etwas zu sagen, doch dann beließ ich es einfach bei einem Räuspern oder verlegenem Hüsteln. Schließlich war er es, der in munterem Tonfall das Schweigen brach und amüsiert vor sich hin plauderte. "Weißt du, ich bin schon irgendwie ein bisschen neidisch auf Thorin, Kili und Fili. Die können deine Welt hier entdecken und sich ein schönes neues Leben machen. Wir anderen hingegen bleiben im Reich der Götter zurück und werden da wohl vor uns hin versauern. Das finde ich wirklich ungerecht. Ich würde auch zu gerne hier leben und wieder einer vernünftigen Beschäftigung nachgehen. Und mir dann vielleicht auch eine besonders liebe Frau an die Seite nehmen", meinte er zwinkernd und lächelte süffisant, als ich ihn bei seinen Worten leicht im Augenwinkel musterte. "Da muss es ja echt langweilig sein", erwiderte ich schlicht und war innerlich dankbar das Thema wechseln zu können. Er zog noch einmal kurz an seiner Pfeife und nickte daraufhin ruhig. "Das ist es. Wir haben da nicht viel zu tun. Sicher, wir haben dort viel gelernt in der Zeit. Manche Dinge, die wir so nie in Mittelerde gelernt hätten. Doch mit der Zeit wird man diesem Ort einfach überdrüssig. Besonders wenn man so rast- und ruhelos ist, wie wir Zwerge. Deshalb war es für mich auch eine Abwechslung an diesem einen Tag für dich auf dem Markt zu stehen und etwas verkaufen zu können. Um ehrlich zu sein, mir fehlt der Trubel, das Leben, die Leute und vor allem die Kinder, die um einen herum laufen", erklärte er und seufzte einen Moment sehnsüchtig. Ich hob leicht verwundert die Augenbrauen und legte den Kopf schief. "Du vermisst wirklich Kinder um dich herum? Solche, die schreien, plärren und dir in den unnötigsten Situationen vors Schienbein treten, um dir damit zu sagen, dass du ein Trottel bist?", hakte ich nach, woraufhin er allerdings schallend anfing zu lachen. "Bei Durins Bart. Du hast wohl nicht allzu viel gute Erfahrungen mit Kindern gemacht. Hab ich recht, Cuna? Selbstverständlich vermisse ich Kinder um mich herum. Das schon allein wegen meiner Berufung. Hab ich dir denn nie erzählt, dass ich Spielzeugmacher bin?", sagte er und wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. "Um ehrlich zu sein, nein. Hast du nie. Zumindest nicht soweit ich mich erinnere", erwiderte ich ruhig. Bofur gluckste immer noch und schüttelte dann bedächtig den Kopf. "Nun ja, dann habe ich wohl vergessen es zu erwähnen. Aber im Ernst. Kinder sind für mich das aller Schönste auf der Welt. Leider habe ich nie die eine Frau gefunden, mit der ich eigene haben konnte. Deswegen habe ich diese Berufung auch ergriffen. Ich liebe es einfach ihre strahlenden Augen und Gesichter zu sehen, wenn sie das, was ich mit meiner Hände Arbeit für sie geschaffen habe wertschätzen. Das macht mich unendlich glücklich und lässt mich zumindest erahnen, wie es wohl sein mag selbst Vater zu sein", sagte er verträumt und schaute dabei zufrieden lächelnd in den dunkelblauen Nachthimmel. Ich zuckte zu dieser Sache nur mit den Schultern, nickte ihm dann lediglich bestätigend zu. Er war wirklich ein ganz komischer Vogel, mit all seinen Vorstellungen und Träumen. Aber bei weitem cleverer, als ich ganz zu Anfang erwartet hatte. Und mit seiner Vermutung bezüglich meinen Lebenserfahrungen mit Kindern, hatte er voll ins Schwarze getroffen. Gute Erfahrungen hatte ich wirklich nicht gemacht. Ich wusste zwar nicht ganz warum, aber irgendwie konnten mich Kinder nie ausstehen. Egal wo ich hinkam, fingen sie, an zu weinen, wenn sie noch sehr klein waren oder warfen mir unverständlicher weise Beleidigungen und manchmal sogar Spielzeug an den Kopf. Von den Schienbeintritten einmal abgesehen. Das hatte allerdings früher oder später irgendwann zu einem Punkt geführt, wo ich selbst eine Antipathie zu diesen Nervensägen aufgebaut hatte. Ich würde es noch nicht mal als Kinderhass bezeichnen wollen, wenn man mich danach fragte. Denn es lag nie in meinem Interesse ihnen im Gegenzug etwas anzutun. Immerhin hatte ich auch irgendwo noch ein Herz. Allerdings traf diese Sache nicht zwingend auf die Bäkger anderer Leute zu. Nein, für diese kleinen, sabbernden Monster, war ich wirklich so etwas, wie der große, schwarze Mann. Nur eben in weiblich. So nüchtern betrachtet, wobei nüchtern inzwischen ein sehr dehnbarer Begriff bei mir war, keine gute Voraussetzung dafür selbst Mutter zu werden, auch wenn Thorin noch so vehement darauf pochte. Für mich stand dahingehend schon fest, dass ich eine Schwangerschaft so weit wie möglich hinaus zögern würde wie es eben ging. Selbst wenn es besagtem Jemand vermutlich nicht gefiel. Was ich ihm aber definitiv nicht auf die Nase binden wollte. Zumindest nicht so bald. Das würde vermutlich zu einem anderen Zeitpunkt noch für genügend Gesprächsstoff sorgen und in einer wochenlangen Diskussion über das Für und Wieder des Elternwerdens enden. Wobei mir in dem Zusammenhang eine wunderschöne Weisheit in den Sinn kam, die eigentlich auf jedes Paar zutraf, das ihren kleinen Kevin oder ihre süße Chantal in Armen hielt. 'Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr'. Und genau vor letzterem Teil der Weisheit fürchtete ich mich am Meisten. Die Erfahrung hatte mich nun einmal gelehrt, dass es nur eine Haltung gab, die ich diesbezüglich einnehmen konnte. Nämlich abstandhalten. So weit es ging. Zumindest bisher, da auch mein Verflossener diese Ansicht mit mir geteilt hatte. Aber genau an dem Punkt unterschieden sich der Zwergenkönig und er extrem voneinander. Thorin wollte einen Erben und das um jeden Preis. Der Gedanke daran ließ mich unruhig werden und ich schüttelte mich kurz wieder, als mir das Bild von den vielen bärtigen Kindern um mich herum erneut vor Augen trat. Da schob sich plötzlich etwas vor mein Gesicht und der würzig süße Geruch in meiner Nähe wurde etwas intensiver als zuvor. Ich blinzelte irritiert und sah, dass Bofur mir seinen Pfeife unter die Nase hielt und mich dabei aufmunternd anlächelte. "Nimm mal einen Zug. Das beruhigt die Nerven", sagte er freundlich, aber nicht aufdringlich. Leicht verwirrt sah ich erst zu ihm, dann zur Pfeife und dann wieder zu ihm. "Ich weiß wirklich nicht, ob ich das tun sollte. Ich hab seit einigen Jahren nicht mehr geraucht. Und Pfeife schon mal gar nicht. Außerdem weiß ich gar nicht, was da drin ist", sagte ich ruhig und wollte das Zeug wieder zu ihm hin schieben, als er sehr sachte meinte: "Das ist lediglich etwas Alter Tobi. Ein einfaches Auenlandkraut. Vollkommen ungefährlich. Wenn du einen Zug genommen hast, wirst du dich vielleicht etwas schwindlig, aber wesentlich entspannter fühlen. Und ich glaube irgendwie hast du das nach diesem Tag wirklich nötig." Ich seufzte kurz während ich immer noch hin und her blickte. Ich war verunsichert bezüglich dem Kräutlein. Doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich dem Zwerg mit der Mütze einfach Vertrauen sollte. Schließlich hatte er mir ja das eine Mal ordentlich aus der Patsche geholfen, als wir zusammen mit Kili und Fili nach dem Einkaufen an der Tankstelle gestrandet waren. Also ließ ich mich nach langem Hin und Her überlegen doch von ihm breit schlagen, nahm die Pfeife in meine Hand und setzte mir die Öffnung an den Mund. "Pass aber auf, dass du nicht versehentlich hinein pustest. Das könnte sehr unangenehm werden", erklärte er schließlich und ich begann einmal tief und lange daran zu ziehen. Sofort strömte der Rauch in meinen Mund, den ich wenig später tief in meine Lungen hinein sog. Es war weit angenehmer, als ich es erwartet hatte. Es kratzte nicht und schmeckte auch nicht schlecht. Es war fast so, als würde ich ein Büschel Petersilie rauchen. Wobei ich mir nicht vorstellen konnte, dass Petersilie auch genauso schmeckte, wie das Zeug wenn man sie rauchte. Das hatte ich so gesehen noch nie probiert und hatte es auch in naher Zukunft nicht vor. Was mir aber zusätzlich auffiel, war das plötzliche, entspannende Gefühl, was sich in mir ausbreitete, ehe ich die Pfeife sinken ließ, um den Rauch wieder heraus zu blasen. Oder in diesem Fall zu husten, da ich das nach der langen, rauchfreien Pause nicht mehr gewohnt war. Bofur lachte kurz auf, nahm mir die Pfeife dann vorsorglich ab und tätschelte mir behutsam den Rücken. "Das war wohl ein bisschen zu überstürzt. Du darfst nicht gleich so viel auf einmal nehmen. Gerade dann nicht, wenn du schon etwas getrunken hast. Sonst verlierst du zu schnell die Besinnung", meinte er und musste mich ein bisschen festhalten, da mir tatsächlich leicht schwindlig geworden war. Ich schüttelte matt den Kopf und atmete ein paar Mal die warme Nachtluft ein, die es schaffte, dass der Schwindel recht schnell wieder verflog. Aber das Gefühl der Entspanntheit blieb und begann sich sogar noch ein wenig mehr in mir auszubreiten. Ich seufzte kurz und löste mich dann wieder etwas vom Zwerg mit der Mütze, der nun selbst erneut an seinem Pfeifchen zog. "Meine Güte. Das hat es irgendwie in sich", meinte ich nach einer Weile mit ruhiger brummender Stimmlage, die ich zwar so nicht von mir kannte, aber mich in keinster Weise erschreckte oder gar zu stören schien. "Und? Fühlst du dich schon entspannt?", hakte er nach und musterte mich neugierig. Ich nickte nur matt und sah dann ruhig zu ihm. Er lächelte versonnen und zog noch einmal an seiner Pfeife, bevor er sie mir ein zweites Mal reichte. Ich nahm diese erneut in die Hand und zog ein weiteres Mal daran. Aber diesmal etwas vorsichtiger, damit ich nicht gleich wieder einen Hustenanfall bekam. Doch mehr als zwei Züge wollte ich wirklich nicht nehmen. Entspannung hin oder her. Meine innere Stimme sagte mir unterbewusst, dass an diesem Punkt Schluss war. Daran hielt ich mich auch, als er versuchte mir das Ding ein drittes Mal zu reichen. Ich hob lediglich die Hand und lächelte ihn ruhig aber freundlich an, ohne etwas zu sagen. Er nickte verstehen und grinste breit. Der Nebel in meinem Kopf verdichtete sich ein bisschen und ließ meine Gedanken etwas langsamer laufen. Gediegener und doch irgendwie losgelöst. Kurzum. Ich war high. Und das volle Kanone. Aber es gefiel mir irgendwie. Besonders, weil ich mit Bofur einen angenehmen Gesprächspartner hatte. Wir redeten über dies und das. Meist eher belangloses Zeug, wie beispielsweise das Wetter. Auch wenn das nicht so spannend war. Zumindest besser als in diesem Moment an Thorin und seine Eigenarten zu denken. "Gefällt dir eigentlich der Abend bisher?", fragte er irgendwann woraufhin ich wieder nickte. "Oh ja. Um ehrlich zu sein. Ich war noch nie auf so einer verrückten Party. Überhaupt ist alles so. Anders. Neu. Und unwirklich. Als würde ich irgendwo in einem Bett liegen und träumen", meinte ich schlicht und sah lieblich lächelnd den Rauchwölkchen hinterher, die zum Himmel empor flogen. "Ja. Das kann ich mir denken. Wobei ich irgendwie nicht den Eindruck habe, dass du im Augenblick wirklich glücklich bist", sagte er ohne mich anzusehen. Ich hob langsam eine Augenbraue und erwiderte: "Was macht dich da so sicher, dass ich es nicht bin? Bisher läuft so gesehen alles recht gut. Naja, bis auf die kleinen Reibereien heute. Aber ein Umzug ist halt sehr stressig." Bofur machte eine kurze Pause in der er nachdenklich vor sich hin starrte und die Pfeife in seinem Mundwinkel behielt. Dann sprach er in einem vorsichtigen, aber sehr ernsten Ton zu mir, den er wirklich nur sehr sehr selten anschlug. Aber wenn er es tat, war es auch genauso gemeint. "Als du vorhin nicht auf meine Frage bezüglich Thorin geantwortet hast, hat mir das eigentlich schon alles gesagt. Dich hat vermutlich seine leicht aufbrausende Art wegen der Harfe erschreckt. Das hat man dir im übrigen sehr deutlich angesehen. Und ich war nicht der Einzige dem das aufgefallen ist. Auch wie verletzt du plötzlich warst, nachdem er von deiner Seite weg rutschte. Ich kann mir durchaus vorstellen, wie es dir in dem Moment wohl ergangen sein muss. Obwohl ich nie in einer solchen Situation war. Aber ich möchte dir trotzdem sagen, dass du dir das nicht so sehr zu Herzen nehmen solltest. Es ist genauso schwer für ihn, wie für dich mit dieser unerwarteten Zweisamkeit zurecht zu kommen. Gib ihm etwas Zeit und schenk ihm genauso viel Vertrauen, wie er dir. Du bist immerhin seine Âzyungâl", sagte er und legte mir behutsam eine Hand auf die Schulter. Als seine Worte bei mir ankamen schüttelte ich verwirrt den Kopf. "Ich bin seine Azu... was bitte?", fragte ich irritiert und schielte ihn schräg an. Der Zwerg mit der Mütze hob kurz die Augenbrauen in die Stirn und musterte mich eingehend. "Âzyungâl. Seine Geliebte und wahre Liebe. Erzähl mir nicht, dass er dich bisher noch nie so genannt hat", meinte er schulterzuckend, als sollte dieses Wort für mich eigentlich selbstverständlich sein. Doch das genaue Gegenteil war der Fall, weshalb ich auch den Kopf schüttelte. "Nein. Das hat er bisher noch nie zu mir gesagt. Er sagte bisher nur zwei mal Amrâlimê. Ich dachte, das wäre in etwa das Selbe", entgegnete ich ihm ruhig. Bofur entglitten daraufhin allerdings die Gesichtszüge und er weitete fast bestürzt die Augen. Er nahm die Pfeife aus seinem Mund und schüttelte heftig den Kopf. "Oh. Oh, Mahal. Das ist bei weitem nicht das Selbe, Cuna. Amrâlimê nennt man bei uns nur seine Geliebte. Âzyungâl, seine zukünftige oder bereits Ehefrau, auf die ein Zwerg Anspruch erhoben hat. Bist du dir ganz sicher, dass er dich nicht wenigstens einmal so genannt hat?", fragte er und rüttelte mich etwas an den Schultern. Ich schüttelte nur den Kopf und spürte gleichzeitig, wie sich trotz des Pfeifenkrauteinflusses eine sehr heftige Unruhe in mir breit machte. Wenn Bofur deswegen so aufgebracht war, dann war es unter Garantie nicht gut. Und seiner Erklärung zu folge, hatte ich gerade wohl ein gewaltiges Problem bekommen. Eines das mir die Knie weich werden ließ. Nun spürte ich wieder dieses nagende Gefühl an meinem Herzen, dass ich nun sehr deutlich definieren konnte. Viel besser als noch vor einigen Minuten. Es war Misstrauen. Reines und tiefgehendes Misstrauen. Der Zwergenkönig hatte offenbar tatsächlich sein Vertrauen in mich verloren. Und das zeigte sich, wie es aussah, allein durch dieses eine einzige Wort. Ein Wort das für einen Zwerg von sehr schwerwiegender Bedeutung sein musste. Und wobei mir plötzlich einiges bewusst wurde. Ich war nicht wirklich sein geliebtes Weib. Ich war nur seine Geliebte. Er hatte zwar irgendwo Gefühle für mich, aber diese waren anscheinend doch nicht so stark wie erwartet. Nun meinte ich auch sein Verhalten nachvollziehen zu können. Der Grund, warum ich auf seine Neffen aufpassen und diese mich gleichzeitig im Auge behalten sollten. Auch warum er nicht durchgehend bei mir sein wollte oder konnte schien auf einmal für mich Sinn zu ergeben. Dass er mich so von sich weg geschoben und von mir abgerückt war. Alles ergab in meinem vom Wein und Pfeifenkraut berauschten Geist einen Sinn. Ich war nur seine Geliebte. Nichts weiter als eine kleine, billige Affäre für den großen Zwergenkönig. In dem Zusammenhang, fiel mir plötzlich wieder ein, was mir einst mein Vater einmal sagte. 'Verloben bedeutet: Sicherstellen und weiter suchen'. Das war es also, was er nach meinem Verrat an ihm getan hatte, nachdem ich Chu die Wahrheit erzählt hatte. Er hatte es mir nicht verziehen. Die ganze Zeit über nicht. Das alles war in meinem Augen Teil einer einzigen großen Strafe für mich. Ich sollte mich mit ihm verloben, damit er wohl Ausschau nach einer wahrhaft treuen und loyalen Frau halten konnte. Eine die es wirklich wert war, dass er sie als seine einzig wahre Liebe bezeichnete. Und ich wäre höchsten die zweite Wahl in seinem kleinen Spiel, wenn er keine Andere finden würde. Doch halt! Hatte Fili nicht einmal gesagt, dass ein Zwerg immer nur die Eine und nie eine Andere lieben könnte? Ja, das hatte er einmal gesagt, überlegte ich. Doch inwieweit konnte ich mir da sicher sein, dass ich die noch war? Hatte ich ihn nicht zu sehr verletzt, beschämt und untergraben? Ja. Tatsächlich. Das hatte ich alles getan, dachte ich reichlich verbittert. Ich hatte ihm mehrfach mein Wort gegeben und es nicht eingehalten. Hatte ihn mit allem enttäuscht, womit ich ihn enttäuschen konnte. Das Einzige woran er bei mir noch zu hoffen schien, war seine Erbfolge sicher zu stellen. Ja. Sicherstellen und weiter suchen. Diese Worte hallten nun immer wieder durch meinen Kopf. Sobald er es irgendwie schaffte, dass wir ein Kind bekämen, würde er es mir sicherlich nach der Geburt entreißen und dann mit Kili und Fili für immer verschwinden, um woanders sein Glück zu machen. Deshalb redete er auch so viel davon. Der Einzige, wirklich plausible Grund dafür, dass er mich heiraten wollte. Eine ganze Flutwelle aus Angst und Panik begann mich zu überrollen. Ich atmete hastig und keuchend. Krallte meine Hand an der Balkonmauer fest, während ich mit der Anderen den Kopf halten musste in dem sich gerade alles zu drehen schien. Bofur bemerkte wohl, dass ich am Rande eines völligen Nervenzusammenbruches stand und begann erneut an mir herum zu rütteln. "Cuna. Cuna. Was ist? Was hast du?", fragte er schwer besorgt und ich hob den Blick, um ihn mit einer ausdruckslosen Miene anzusehen. "Bofur. Er. Er liebt mich nicht. Er. Er hat die ganze Zeit über nur. Nur mit mir gespielt. Ich. Ich bin nicht sein geliebtes Weib. Ich. Ich bin nur seine. Seine", stammelte ich fast von Sinnen, doch bevor ich es aussprechen konnte, fiel er mir mahnend und Kopfschüttelnd ins Wort. "Nein. Nein, Cuna. Nein. So darfst du gar nicht erst denken. Das ist nicht wahr. Das weißt du auch. Bitte. Bitte hör auf dein Herz und nicht auf das was ich gerade gesagt habe. Dass er es noch nicht zu dir gesagt hat, hat absolut gar nichts zu bedeuten. Es kann sein, dass er es vielleicht einfach vergessen oder noch nicht den geeigneten Zeitpunkt dafür gefunden hat. Bitte, ich flehe dich an. Fang jetzt nicht an, an eurer Liebe zu zweifeln. Das wäre für uns alle eine folgenschwere Katastrophe. Und für ihn erst. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was er alles in der Zeit getan hat, wo wir im Reich der Götter waren. Er hat Tag und Nacht, teilweise ohne Essen und Schlaf, damit zugebracht euer gemeinsames Leben durchzuplanen. Mach ihm... nein. Mach euch das nicht kaputt. Hörst du?", sagte er und brüllte mich sogar fast dabei an. Ich begann daraufhin wieder etwas ruhiger zu atmen und schloss kurz die Augen, um mich und meine wirren Gedanken zu sammeln. Seine ganzen Worte hatte er voller Angst gesprochen. Offenbar ging es hier doch um weit mehr, als nur um Thorin und mich. Auch seine Männer schienen in unserer Verbindung einen tieferen Zweck zu sehen, der weit über unsere Liebe hinaus ging. Vermutlich eine Möglichkeit sich genauso wie er ein neues Leben aufzubauen. Neue Wege zu gehen. Sich wieder eine Existenz zu schaffen und neuen Geschäften nachzugehen. Dagegen war unter normalen Umständen nicht einzuwenden. Doch hier war es etwas anderes. Es war eine Verpflichtung, die der Zwergenkönig mit mir eingegangen war. Er wollte, dass seine Leute es genauso gut haben sollten wie er, wenn er sich bei mir einmal eingelebt hatte. Deshalb würde er wohl auch zeitweilig wieder nach Mittelerde zurückkehren, um vermutlich Erkenntnisse auszutauschen. Das alles schien nichts mit wahrer Liebe zu tun zu haben. Nein. Für mich war es in meinem Zustand ganz deutlich. Es ging rein ums Geschäftliche. Und zwar bei allem was er tat. Plötzlich machten die Worte in seinem von mir so hochgeschätzten Liebesbrief Sinn. Er hatte nur das Geschäftlich im Auge. Nicht mich. Die ganze Zeit über nicht. Ich war nur Mittel zum Zweck. Ein zorniges Knurren stieg in meiner Kehle auf und ich begann meine freien Hand zur Faust zu ballen. Bofur nahm daraufhin plötzlich ruckartig die Hände von meinem Schultern. Nicht ohne Grund, wie ich feststellte. Denn hinter mir erhob sich mit einem Mal die tiefe, dunkle Stimme besagten Mannes, der ziemlich forschen Schrittes heran trat und uns sehr forsch anblaffte: "Was in Durins Namen treibt ihr beiden hier allein und vertrauensselig auf dem Balkon?" Das Nächste woran ich mich im Moment erinnerte war, dass ich zu ihm herum gefahren und weit mit einer Hand ausgeholt hatte, bevor ein lautes Klatschen durch die nächtliche Sommerluft hallte. - 78. Komplikationen / Ende - Kapitel 79: 79. Im Rausch der Klänge ------------------------------------ Die Luft stand still. Genauso wie die Zeit. Zumindest kam es mir in diesem Augenblick so vor. Doch meinte man immer noch das kurzen Klatschen hören zu können, welches der direkte Treffer auf Thorins Wange von sich gegeben hatte. Dessen Echo pulsierte nicht nur heftig und schmerzhaft in meinen Ohren, sondern auch in meiner Handfläche. Der Zwergenkönig hatte von mir die volle Breitseite ab bekommen. Diese begann sich nun allmählich und gut sichtbar im Schein des Dämmerlichts aus meinem Apartment ein Stück weit über seinem dunklen Bart abzuzeichnen. Meinen plötzlichen Angriff hatte er nicht im Entferntesten vorhersehen können. Genauso verblüfft und verdattert starrte er mich auch dementsprechend mit leicht geöffnetem Mund an. Hinter mir gab Bofur ein verklemmtes und für einen Zwergen sehr hohes Quieken von sich. Im Zimmer selbst war es plötzlich still geworden. Das einzige was ich noch von drinnen vernehmen konnte, war ein vielstimmiges Keuchen. Danach erhob sich unheimvolles Gemurmel aus der Wohnung. Ich konnte aber nur einzelne Wortfetzen auffangen, wie "...hat Thorin geschlagen" oder "Ich fasse es nicht". Alle zwölf standen genauso sehr unter Schock wie ihr König, der bedächtig, ungläubig und vorsichtig die Hand an seine edlen Züge legte und mit den Fingerspitzen über die Spuren meiner Hand fuhr, welche ich im Gegenzug sinken ließ. Dann schüttelte er kaum merklich den Kopf, während er mich von oben bis unten musterte. Ich atmete stoßweise und zischend durch meine zusammengebissenen Zähne. Mein ganzer Leib zitterte vor Anspannung und Zorn auf diesen Mann, dem ich hoffnungsvoll und doch blind vor Naivität mein geschundenes Herz anvertraut hatte. Diesem Zwerg von dem ich dachte, dass er mich aufrichtig lieben würde. Ich kam mir so erbärmlich vor, dass ich so auf ihn herein gefallen war. Ich fühlte mich so hintergangen, belogen und um meine Liebe betrogen, die mir nun das Herz in der Brust beinahe zerriss, nachdem ich meine Tat vollbracht hatte. Auch wenn ich mich insgeheim wunderte, dass ich trotz der Nebel in meinem Kopf überhaupt so hatte reagieren können. Es war aber eine Genugtuung, wie ich sie zuvor noch nie verspürte. In mir schrie und jubelte etwas, das ich bisher noch nie gehört hatte und wohl vom Einfluss des Weines und des Pfeifenkrauts noch verstärkt wurde. Eine eher befremdliche, aber sehr melodische Stimme, die mir leise einen Sing-Sang ins Hirn flötete: "Gut so. Mach weiter. Er hat es für seine Verlogenheit verdient!" Ich schnaubte kurz und musste der Stimme stumm recht geben. Aber vorerst wollte ich auf eine Reaktion von ihm warten. Was würde er nun machen? Würde er schreien? Würde er zurück schlagen, sobald er sich von dem Schrecken erholt hatte? Oder würde er vor mir zurück weichen und sich feige davon machen, weil er genau wusste, dass ich ihn vermeintlich durchschaut hatte? Viele Fragen schossen mir durch meinen wabernden, sich langsam drehenden Geist und jede Antwort schien mir allein aufgrund dessen plausibel. Mein eigentlich gesunder Menschenverstand hatte sich für den Augenblick eher in den Hintergrund gedrängt und ich konnte stattdessen meine kleinen Schlussfolgerungen aus der Lage ziehen, in die ich mich immer mehr hinein verstrickte. Dabei kamen mir die verrücktesten Einfälle in den Sinn, die ich so nie gehabt hätte. Und diese melodische Stimme wurde mit jedem einzelnen Einfall immer lauter und schien jede für möglich zu halten. So meinte sie auch, dass es sein könnte, dass er eine Kombination aus allem wählte. Vielleicht würde er erst schlagen, dann schreien und zuletzt verschwinden und mich liegen lassen. Aber die Reihenfolge des Ganzen war mir vorerst egal. Er musste irgendwie reagieren und ich würde es so hinnehmen wie es kam. Alles was er danach tat würde mich nur in meinem Denken bestätigen. Doch mit der ersten Geste, die er machte, hatte ich zunächst gar nicht gerechnet. Er stand einfach nur wie vom Donner gerührt vor mir und begann fahrig vor sich hin zu flüstern. "Mahal. Was? Was hab ich denn...? Cuna...? Warum...? Warum nur...?", kam es stammelnd und stotternd aus seinem Mund. Meiner Kehle entkam nur ein rollendes Knurren und ich hob mit einem herabwürdigenden Blick meinen Kopf etwas an. " 'Warum nur? Warum Cuna? Was hab ich denn getan, Cuna?' ", äffte ich ihn gehässig nach, woraufhin ein mehrstimmiges Luftholen in meiner Umgebung zu hören war. Ich konnte die Blicke der Zwerge auf mir spüren. Doch welchen Ausdruck sie hatte, konnte und wollte ich zu diesem Zeitpunkt nicht feststellen. Meine Aufmerksamkeit galt dem kleinen, dunkelhaarigen Mann vor mir, der plötzlich zusammen zuckte, als hätte ich ihm noch mal eine runter gehauen. Nun schüttelte er deutlicher den Kopf und strich sich immer noch fassungslos über meinen Abdruck. Wieder begann er zu sprechen, diesmal versuchte er es allerdings etwas lauter und mit festerem Ton. "Was bei Durins Bart ist in dich gefahren? Wieso redest du plötzlich so mit mir? Und warum starrst du mich an, als wolltest du mir ans Leben?", sagte er und machte einen Schritt auf mich zu. Mein Körper reagierte auf seine Bewegung, ohne dass ich ihm zunächst den Befehl gegeben hatte und auch die nächsten Worte fielen mir mehr als unachtsam aus dem Mund. "Komm mir nicht zu Nahe, du dreckiger Bastard!", brüllte ich ihm entgegen und machte einen Schritt rückwärts, wobei ich gegen Bofur stieß, den ich deutlich schlucken hörte. "Cuna. Was sagst du denn da?", wisperte mir dieser verängstigt zu. Doch ich ignorierte seinen panischen Tonfall. Ich musste den Zwergenkönig weiter im Auge behalten. Thorins blauen Augen verengten sich jäh, als ich so dicht an den armen Zwerg mit der Mütze herangerückt war, dass sich unsere Körper leicht berührten. Sein Blick wanderte von mir, zu ihm, wieder zu mir und dann blieb er an Bofur haften, wie ein Magnet, bevor er die Hand sinken ließ und neben seinem Körper zu Faust ballte. "So ist das also. Wie lange geht das schon? Sag mir, wie lange treibt ihr beiden dieses Spielchen hinter meinem Rücken?!", rief er mit einem Mal aus und machte einen Satz nach vorne, woraufhin Bofur hinter mir weg sprang. Ich drehte den Kopf kurz nach hinten und sah, dass er sich verängstigt an die Hauswand presste und flehend stammelte: "Tho-Thorin. Das. Das verstehst du falsch. Wir. Wir sind nicht..." "Ihr seid nicht WAS?! Glaubst du ich bin mit Blindheit geschlagen, dass ich jetzt nicht genau erkannt hätte, was hier vor sich geht. Oh, ich hätte es schon damals sehen müssen, als sie plötzlich diesen Zopf im Haar hatte! Ich hätte es erkennen müssen, dass ihn ein Zwerg gebunden hat. Noch dazu, dass es von deiner Hand war! Diese Art zu flechten beherrscht nur du so tadellos! Und dann hast du dich auch noch freiwillig dazu bereit erklärt, vor einiger Zeit zu ihr zu reisen, um ihr meine Nachricht zu überbringen! Mahal möge mir beistehen, dass ich dich nicht auf der Stelle hier hinabstürzte! Du hinterhältiger, treuloser Verräter!", brüllte der Zwergenkönig aufgebracht, wollte mit ausgestreckten Händen noch einen Satz auf ihn zu machen und ihn packen. Doch wieder handelte mein Körper fast von selbst und ich stellte mich Thorin mit ausgebreiteten Armen und wütendem Blick in den Weg. Er zögerte daraufhin überrascht und hielt knapp vor mir stehend inne. "Geh mir aus dem Weg, Weib, damit ich diesen miesen Hund in Stücke reißen kann", knurrte er immer noch ohne mich anzusehen. "Das werde ich nicht! Lass ihn da raus! Das ist eine Sache zwischen uns beiden! Und nenn ihn nicht Verräter! Wenn dann bist DU es, der MICH verraten und hintergangen hat! Nicht er!", entgegnete ich forsch und versuchte dabei ihn am weiteren vordringen zu seinem Gefolgsmann zu hindern. Thorins Blickkontakt löste sich unwillkürlich durch meinen Vorstoß und erneut trat Entsetzen auf seine edlen Züge. Meine offensive Beschuldigung schien ihn plötzlich genauso heftig zu treffen, wie eine zweite Ohrfeige. Von drinnen kamen wieder reihum verwirrte und fassungslose gemurmelte Worte. "Was redet sie denn da?", kam es reichlich ratlos von Nori. "Sie hat wohl den Verstand verloren", meinte Dori, der wohl versuchte seinem Bruder damit eine logische Erklärung für mein Handeln zu geben. Doch nur ich allein wusste in dem Moment, warum ich es tat. Wobei allerdings seine Bemerkung mich ein wenig aufrüttelte und eine andere Stimme, die zwar weniger melodisch war, als die erste, dafür aber fest und bestimmt in mir erklang. "Was zum Henker treibst du denn da eigentlich?! Das ist doch der Mann den du liebst!", fauchte sie mich barsch an. Ich grummelte unbehaglich vor mich hin. Sicher, das war der Mann den ich eigentlich liebte. Aus diesem Grund tat es ja auch so unsagbar weh. Und deswegen hatte ich ihm auch eine geknallt. Aber schienen ihn meine Worte weit mehr zu verletzen, als es mein Schlag je bei ihm getan hätte. "Wa-Was? Was... sagst... du?", begann er zu stottern und seine Augen weiteten sich. Für einen Moment war arge Besorgnis, wenn nicht sogar Angst darin abzulesen. Allerdings konnte ich in seiner Miene nicht ausmachen, ob er sich nun ertappt fühlte oder einfach nur beunruhigt war. Um das festzustellen, musste ich noch ein bisschen weiter gehen. Wobei mir die erste Stimme beistand, die mir inzwischen hilfreich alle Worte in den Mund legte, die ich benötigte, um ihn vor allen zu stellen. "Bofur ist kein Verräter. Nein. Er ist ein lieber, sehr hilfreicher Zwerg und wahrer Freund, der mir endlich die Augen über dich und deine hinterhältigen Machenschaften geöffnet hat", fauchte ich mit bisher noch nicht gekannter Giftigkeit und starrte dem Zwergenkönig fest an. Während sich dieser wieder in einer Art Schockstarre befand, flötete mir die fremdartige Stimme weiterhin melodisch einige Sachen zu. "So ist recht. Sag es ihm. Sag ihm alles. Tu ihm weh, wie er dir weh getan hat", trällerte es in meinem Unterbewusstsein herum und ich spürte, wie sich ein schattenhaftes Lächeln auf meine Lippen legte. Auf der anderen Seite tat sich auch wieder die feste Stimme hervor die murmelte: "Hör nicht darauf. Um Himmels willen. Was tust du nur? Du liebst ihn doch." "Ruhe", fauchte ich plötzlich einfach so vor mich hin, um die Stimmen in meinem vernebelten Kopf zum Schweigen zu bringen, die nun begannen unaufhörlich zu zanken und sich ständig Wiederworte gaben. Mein innerer Konflikt bereitete mir leichte Kopfschmerzen, die fast genauso schlimm pochten wie meine Handfläche. Doch blieb mein einfach dahin gesagtes Wort nicht ungehört. Etwas daran verunsicherte den Zwergenkönig mit einem Mal, als es an seine Ohren drang, doch er blieb eisern vor mir stehen. Hielt mein Gesicht immer noch fest im Blick. Seine Mimik und Körperhaltung wandelte sich allerdings. Er wurde aufmerksamer, abwartend, wachsam und spannte die Muskeln ein wenig an. Seine Lippen pressten sich etwas zusammen und seine Züge verhärteten sich bevor er leise, aber doch deutlich seine Stimme wieder fand. Doch richtete er seine nächsten Worte nicht an mich, sondern an den Zwerg mit der Mütze hinter mir. "Bofur..? Was.. hast... du... ihr ...gesagt?", fragte er sehr ernst und wieder hörte ich den Ärmsten hinter mir deutlich schlucken, bevor er hastig eine Antwort hervor stotterte. "G-gar nichts. T-Thorin. Ehrlich. Wir. Wir haben uns nur über den Abend unterhalten und. Und kurz darüber geredet, wie sehr ich dich und die Jungs beneide, dass ihr hier seid. Auch dass sie sich deinen Ausbruch vorhin nicht so zu Herzen nehmen soll, weil sie ja immer hin deine Âzyungâl ist", sagte er verängstigt, bevor Thorin ein entrüstetes Schnauben von sich gab. Er schwieg zunächst, nachdem er es gehört hatte und musterte mich abschätzig. "Das also. Und du hast ihr gesagt, was es bedeutet und in welchem Zusammenhang es steht?", hakte er vermeintlich ruhig nach. "Nun ich. Nicht gänzlich. Weil. Dazu kam ich nicht vollkommen. Ich hab ihr nur gesagt was das Wort bedeutet", sagte er und klang dabei ziemlich beschämt. Das Gesicht des Zwergenkönigs spannte sich leicht an und er gab ein verstehendes Brummen von sich, ehe er die Schulter straffe. "Geh rein. Schließ das Fenster und die Tür. Hier gibt es einiges zu klären. Mit dir befasse ich mich danach. Verstanden?", raunte er ihm mit harten Worten entgegen. "Ja. Ja schon. Schon verstanden", sagte der Zwerg mit der Mütze überhastet und wollte sich an mir vorbei drängen, doch ich ließ ihn nicht durch. Hämisch hob ich eine Augenbraue und musterte den Zwergenkönig abschätzig. "Was soll das werden?", fauchte ich und hielt den Arm weiterhin oben. Thorin fixierte mich scharf und knurrte versucht beherrscht: "Wie du vorhin schon sagtest. DAS ist eine Sache zwischen uns beiden. Und die klären wir auch NUR zwischen uns beiden." Ich zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen, während mir plötzlich die melodische Stimme wieder in den Kopf hinein flüsterte: "Siehst du, was er tut? Er will keine Zeugen. Niemanden der bestätigen kann, dass er dich belogen hat. Deshalb schickt er Bofur weg und will, dass sie alle davon nichts mitbekommen. Damit DU am Ende als Lügnerin da stehst." "Ja. Genau. Er will keine Zeugen. Das ist wohl richtig", grübelte ich leicht abwesend vor mich hin, ohne zu bemerkten, dass sich meine Lippen dabei bewegten und die Worte wirklich aus meinem Mund kamen. Thorins Augenbrauen schossen derweil überrascht in die Höhe und er legte mit fragender Miene den Kopf schief. "Wozu in Durins Namen sollten wir Zeugen benötigen?", hakte er leicht irritiert nach. Ich gab ein kurzes Brummen von mir, begann die Arme langsam vor meiner Brust zu verschränken und fasste den Zwergenkönig überheblich ins Auge, ehe ich ihm antwortete. "Ganz einfach. HERR Eichenschild. Damit du dich nicht heraus winden kannst, wie eine Schlange und hinterher mich als Lügnerin dastehen lässt", knurrte ich barsch und straffte die Schultern. Thorin klappte ungläubig der Mund auf und zu, als er versuchte meine Worte genau zu erfassen. Dann schüttelte er nur die schwarze Mähne und brummte verärgert: "Das würde ich nie tun und das weißt du auch. Verdammt noch mal, Frau. Ich frage mich wirklich, was in dich gefahren ist. Du redest wirren Unsinn. Anscheinend ist dir der Wein vollkommen zu Kopf gestiegen. Aber gut. Wenn du unbedingt auf Zeugen bestehst. Dann sollst du deine Zeugen haben. Alle bleiben da wo sie sind und werden zuhören, was du mir vorzuwerfen hast." Sein plötzlicher Sinneswandel war eine Überraschung für uns alle und machte mich im ersten Moment sprachlos. Die Einzige, die etwas sagte, war die feste Stimme, die wohl mein Gewissen war. Denn diese meldete sich kurz zu Wort und flüsterte: "Siehst du? Das ist doch der Beweis, dass du ihm etwas Wert bist." Allerdings wurden diese Worte erneut von der melodischen Stimme gierig verschlungen, indem sie entgegnete: "Nein, das tut er nur, weil die Anderen bereits Bescheid wissen. Deshalb macht er auch keine Geheimnisse darum!" Der erneute Streit in meinem vernebelten Geist versetzte mir wieder einen stechenden Kopfschmerz und ließ mich kurz keuchen und die Augen zu kneifen. "Cuna, ist dir nicht gut?", kam es etwas zögerlich von der Balkontür, wo sich Kili und Fili hingestellt hatten. Ich wusste in dem Moment nicht wirklich von wem der beiden die Frage gekommen war und schüttelte nur den Kopf. "Es ist nichts", murmelte ich lediglich, öffnete die Augen und schaute wieder in Thorins wunderschöne blaue Augen, in denen sich ein Hauch von Besorgnis wieder fand. Doch als er meinen Blick auffing verschwand diese und seine Gesichtszüge härteten sich erneut. "Also. Nun spuck schon aus. Was hast du mir vorzuwerfen, Frau? Auf welche Art und Weise soll ich dich verraten haben?", sagte er ruhig, aber dennoch ungeduldig. Ich atmete einmal ganz tief durch und versuchte ihn fest anzusehen, bevor ich ihm endlich antwortete. Doch kam es mir unbewusst so vor, als wäre nicht ich selbst diejenige, die ihm die nächsten Worte an den Kopf warf, sondern die melodische Stimme in meinem Eigenen. Diese soufflierte mir alles so bitter kalt in meine Gedanken hinein, dass mein ganzer Körper davon erschauderte und zu zittern begann. "Als wenn du es nicht wüsstest. Aber bitte, falls du es doch vergessen haben solltest. Erinnere ich dich eben noch mal dran. Du hast es bereits an dem Abend getan, als du mir den Heiratsantrag gemacht hast", sagte ich und hob überheblich meinen Kopf. "Ach? Das soll ich getan haben? Warum denkst du das?", fragte er und legte abschätzig den Kopf schief. "Ganz einfach. Weil du mich dafür bestrafen wolltest, dass ich Chu an dem Abend alles über euch gesagt habe. Es war wirklich sehr gerissen von dir, so mit meinen Gefühlen zu spielen und mich innerlich fast in den Wahnsinn zu treiben. Mir Angst zu machen, dich zu verlieren. Ich meine, wie du so getan hast, als würdest du mir die Wahl lassen, mich selbst dafür zu bestrafen, weil ich mein Versprechen gebrochen habe. Das war wirklich eine Meisterleistung. Dabei hab ich es nur getan, um dich davor zu schützen. Damit du hier bei der Polizei und danach auf dem Sehziertisch irgendeines Arztes landest, der deinen Zwergenkörper genau unter die Lupe nimmt. Ha! Saubere Leistung, wie du mich da hinters Licht geführt hast. Da hat mein Laien-Schauspiel-Unterricht dir offenbar wirklich etwas gebracht, nicht wahr? Gut eigentlich warst du nie besonders leicht in deinen Absichten zu durchschauen. Oh ja. Du hast mich ganz schön reingelegt. Und erst dieser scheinheilige Mist mit dem Tanz am letzten Abend. Deinem vermeintlichen Liebesschwur, mit dem du mich so weich geklopft hast, dass ich tatsächlich bereit war dir in meinem angetrunkenen Zustand eine Nacht mit mir zu schenken. Wenn ich bedenke, was für widerwärtige Absichten du darin gelegt hast, wird mir schlecht!", knurrte ich und hätte beinahe vor seine Füße gespuckt. Auch weil mir tatsächlich etwas schlecht wurde, während ich sprach. Der Grund dafür war nicht unerheblich. Denn die feste, unmelodische Stimme in meinem Kopf schrie mich die ganze Zeit über an, mit den Worten: "Bist du Wahnsinnig?! Hör auf so was zu sagen! Das kannst du doch nicht machen!" Sicher, das konnte ich nicht einfach so machen. Und trotzdem tat ich es. Auch wenn ich bemerkte, wie dem Zwergenkönig verletzt und empört der Mund weit offen stand. Aber ich wollte mir von ihr nichts sagen lassen. Nein, dieses mal nicht. Schluss mit der Vernunft und der netten, jungen und gutherzigen Frau, die sich für alles und jeden opferte, und alles so hinnehmen sollte, wie es sich entwickelte. Nie mehr! Nicht weiterhin! Ich brauchte keine Moralapostel mehr und wollte auch selbst keiner mehr sein. Ich wollte und musste endlich einmal was ändern, auch wenn das hieß gerade den Mann vor den Kopf zu stoßen, dem mein Herz gehörte. "Das ist nicht wahr! Das ist der falsche Weg, du dumme Kuh! Hör auf damit!", fuhr mich die feste Stimme laut an,noch während ich es dachte. Sie traf mich so heftig, dass mir fast schwindlig wurde. "Sei still, verdammt!", fauchte ich ihr mit der selben Lautstärke und deutlich entgegen. Gerade als Thorin dazu ansetzen wollte etwas zu sagen. Vermutlich ließ mich diese Tatsache nicht ganz so dumm dastehen, denn langsam merkte ich, dass ich auf diese verrückte Art vor allen Anwesenden Selbstgespräche führte. Und das machte mir insgeheim ein wenig Angst. Genauso wie die immer stärker werdende Kälte, die mir durch meine Venen kroch und mich trotz der Sommerlichen Nachtluft fast frieren ließ. Etwas stimmte nicht mit mir. Und zwar ganz und gar nicht. Trotzdem ignorierte ich meinen Zustand vorerst, um mit meiner Beweisführung fort zu fahren. "Ja. Deine Machenschaften sind so abartig, Thorin. Mich darum zu bitten mit meiner Familie zu reden, damit du bei mir den Erbschleicher spielen kannst, um dir wieder ein Vermögen zu schaffen, dass du verloren hast. Mir dann nach der Hochzeit einen Kind in den Leib pflanzen zu wollen. Dich bei mir so lange mit deiner Sippe einzunisten, bis du endlich einen passenden Erben in Händen hältst. Um mir dann das Kind zu entreißen, was ich unter Schmerzen geboren hätte und auf nimmer wiedersehen zu verschwinden. Ja. Genau das ist es doch, was du die ganze Zeit willst. Ich habe dich durchschaut. Und jetzt sage mir nicht das sei gelogen. Was wäre sonst der Grund, weshalb du mich nur als deine Geliebte bezeichnest? Los komm! Spucks aus!", brüllte ich ihm zum Ende hin entgehen. Ich hatte mich während der letzten Sätze so in die Sache hinein gesteigert, dass mein Körper nun noch mehr zitterte und bebte. Der Zwergenkönig hingegen begann nur langsam zu begreifen, was ich ihm gerade alles entgegen geworfen hatte. Aber mit jeder Einzelheit verfinsterte sich sein Gesicht irgendwann so sehr, dass man nur noch tiefen Schmerz erkennen konnte. Er hatte sich in dieser Zeit immer fester auf die Unterlippe gebissen, dass diese blutete. Ich musste einen Moment schlucken, als ich diesen starken Ausdruck in seinen Augen bemerkte und machte unbewusst einen Schritt rückwärts. Als er dann die Stimme hob um mir zu antworten, fuhr mir der bittere Ton so tief ins Herz, dass ich meinte es würde erneut in unzählige Teile gerissen. "So also denkst du von mir? Du glaubst wirklich ich wäre dazu im Stande, dir ein derartiges Leid zu zu fügen? Nach allem was ich für dich getan habe? Nachdem ich. Nachdem ich sogar mein Leben für dich geben wollte? Da. Da hältst du mich für einen Lügner und Betrüger?", erwiderte er mit so stark unterkühlter Stimme, dass ich wieder schlucken musste. Mit einigem Erstaunen und sogar Entsetzen sah ich dabei zu, wie er fassungslos die Arme neben seinen kräftigen Körper sinken ließ. Nie zuvor hatte ich ihn so schwach, so verletzt und so gebrochen gesehen, wie in diesem Augenblick. Er schien nicht einmal wütend auf mich zu sein. Er schrie nicht. Er fluchte auch nicht. Nein. Er stand einfach nur da, wie ein Mann, dessen ganzes Welt und ganzes Sein gerade in sich zusammen brach, als wäre alles nur ein Kartenhaus. Ich hatte Wiederworte erwartet. Hatte gedacht, dass er versuchte alles was ich sagte vehement abzustreiten und zu widerlegen. Doch er tat nichts dergleichen. Er schwieg einfach nur. Und sein Schweigen tat weh. Es schmerzte mich mehr als jede Ohrfeige, die er mir im gegenzug zu meiner hätte verpassen können. Sofort schaltete sich die feste Stimme wieder in meinem völlig benebelten Kopf ein, die mich anraunte: "Sieh nur was du angerichtet hast! Was du gerade dem Mann angetan hast, den du liebst! Und der dich offenbar auch liebt. Sonst würde er niemals so da stehen!" Ich atmete tief durch und spürte, wie mir das Herz in die Hose rutschte. Das hatte ich doch gar nicht gewollt. Das hatte ich nie gewollt. Warum hatte ich das nur alles zu ihm gesagt? Warum nur? Ich liebte ihn doch! Ich wollte ihn doch nie so verletzen. Was hatte ich da nur angerichtet? "Du hast nichts angerichtet. Er spielt dir nur wieder etwas vor! Du sollst Mitleid mit ihm haben, sollst dich entschuldigen für einen Fehler, den du nicht begangen hast! Genau deswegen verhält er sich gerade so! Er will dich nur wieder beeinflussen. Dich in seinen Bann ziehen, dass du ihm glaubst! Sei nicht dumm!", schrie plötzlich die melodische Stimme schmerzhaft zwischen meine Gedanken und versuchte damit jedes Schuldgefühl zu vertreiben. "Nein", murmelte ich plötzlich benommen vor mich hin und versuchte der Stimme damit zum ersten Mal zu widersprechen. Doch statt der Stimme, antwortete mir der Zwergenkönig, der mich immer noch leidend, aber nun wieder verwirrt ansah. "Aber. Cuna. Du hast es doch gerade selbst gesagt. Oder irre ich mich da?", fragte er und trat einen Schritt auf mich zu. Ich blinzelte kurz und schüttelte dann den Kopf. "Ich. Ja. Habe ich. Das habe ich, aber... ", stammelte ich, aber weiter kam ich nicht, da wieder die melodische Stimme dazwischen funkte und mir sehr giftig zu murmelte: "Fall doch nicht drauf rein. Er lügt! Er lügt! Er will nicht dein bestes! Er will dich nur weiterhin ausnutzen!" Wieder zuckte ein heftiger Schmerz durch meinen vernebelten Geist und ließ mich so weit nach hinten stolpern, bis ich mit dem Rücken an die Ecke der Balkonmauer stieß. "Nein. Nein, er lügt nicht. Hör auf!", murmelte ich und und keuchte heftig. Ich löste unwillkürlich eine Hand aus meiner Verschränkung, wand mein Gesicht von allen Anwesenden ab und fasste mir an den Kopf, als ich in meinem Hirn ein heftiges Stechen fühlte. Die Andere legte ich auf die Balkonmauer und krallte sie dort krampfhaft fest. Nachdem ich meine Stirn berührte, musste ich feststellen, dass diese Eiskalt und mit einigen schweren Schweißtropfen überzogen war. Meine Finger zitterten wie Espenlaub und waren nur unwesentlich wärmer wie die Stelle, die sie berührten. Nun endlich wurde ich mir einer Situation bewusst, die ich die ganze Zeit über ignoriert hatte und ich begann vor mich hin zu fluchen. Um mich herum brach plötzlich beunruhigtes und besorgtes Stimmengewirr aus. "Was hat sie denn plötzlich?", hörte ich Ori besorgt fragen. "Ich weiß es nicht", kam es ein wenig beunruhigt von Balin. Im Hintergrund fluchte Oin plötzlich etwas lauter auf Khuzdul herum, was für noch mehr Stimmengewirr sorgte. Das Nächste was ich spürte, war der Druck einer kräftigen Hand, die sich auf meine Schulter legte. Der Druck bewog mich dazu die Augen leicht zu öffnen und zu demjenigen hin zu schielen, der mich gerade berührte. Thorin selbst war an mich heran getreten und auf seinem Gesicht stand nun ernsthafte Besorgnis geschrieben und auch seine Stimme klang sehr danach, als er zu mir sprach. "Cuna? Was ist mit dir? Was hast du auf einmal?", fragte er und rüttelte mich etwas. Ich öffnete den Mund und versuchte ihm zu Antworten, doch wieder brüllte mir diese melodische Stimme in den Kopf, die sich inzwischen nur noch abartig und hässlich anhörte, wie ein paar Fingernägel, die über eine alte Schiefertafel kratzten. "Er lügt! Trau ihm nicht! Stoß ihn weg! Er macht dich nur unglücklich!", fauchte sie, doch dann tauchte auch wieder die feste Stimme auf und entgegnete: "Nein. Tut er nicht! Er liebt dich! Er liebt dich! Sonst wäre er nicht mehr da! Vertrau ihm! Glaub ihm!" Nun gerieten die Stimmen wieder in einen Streit und begannen ein so derbes Wortgefecht, dass ich unwillkürlich einen heftigen Schluckauf davon bekam. Der Zwergenkönig neben mir begann mich auf einmal verzweifelt zu rütteln und murmelte mir panisch mit seiner tiefen Stimme ins Ohr: "Cuna?! Cuna, sprich mit mir! Was ist los? Sag irgendwas!" Ich konnte gerade noch einmal den Kopf heben und zu ihm drehen. Ich sah in seine wunderschönen, blauen Augen in denen zum ersten Mal die nackte Angst stand. Doch das Einzige was mir nur noch über die Lippen kam war ein einziges verzweifeltes: "Hilf... mir..." Dann gaben auch schon meine Knie unter mir nach. Meine Hand, die sich noch an der Balkonmauer befand lockerte sich und ich klappte einfach in mich zusammen. Sofort fingen mich Thorins Arme auf und um mich herum fing alles an panisch zu schreien. "Nein. Nein! Cuna! CUNA! NEIN!", rief mir Thorin entgegen, während er erschrocken, mit mir zu Boden sank und meinen Kopf irgendwie auf seinen Schoß bettete. Ich spürte wie ich auf dem Rücken landete und seine rauen, warmen Hände über meine Arme und mein Gesicht fuhren, bis eine davon an meiner Stirn ruhte. Die Andere ergriff meine eigene, die schlapp und zitternd, wie der Rest meines Körpers, einfach so neben mir lag. Der Zwergenkönig fluchte laut und wisperte dann hektisch: "Bei Durins Bart. Du bist ja Eiskalt! Mahal steh mir bei. Was ist nur los mit dir?!" Meine Lippen bebten und ich versuchte zu Antworten, doch in meinem Kopf drehte sich alles einfach zu viel. Die Stimmen kämpfen unerbittlich gegeneinander. Jede versuchte die Oberhand zu gewinnen, wobei es irgendwann zu einem Gewirr aus Worten, Klängen und Melodien. Meine Gefühlswelt fuhr plötzlich Achterbahn mit mir und ich konnte weder aussteigen noch anhalten. Doch obwohl sie sich heftig stritten, konnte ich trotzdem alles um mich herum hören, was gesagt wurde. Inzwischen waren Kili und Fili herbei gestürzt. Aber auch Bofur hatte sich zu mir gehockt und murmelte mir aufgekratzt irgendetwas zu. "Cuna? Cuna, kannst du uns hören? Sprich mit uns, wenn du uns verstehst", sagte er mit bebender Stimme. Die Jungs bestürmten unterdessen ihren Onkel mit Fragen, die er allerdings genauso wenig beantworten konnte wie ich. "Thorin, was ist mit ihr? Was hat sie?", fragte Kili verstört. "Ich. Ich weiß es nicht. Ich weiß es einfach nicht. Sie ist eiskalt. Sie Zittert. Ich. Oh Mahal. Was haben wir nur getan?", sagte er und ich spürte, dass er meine Hand fest drückte. "Ich weiß was ihr getan habt! Ihr verdammten Dummköpfe! Und jetzt macht platz. Ich muss sie mir ansehen", fluchte plötzlich die raue, alte Stimme von Oin, dessen Schritte eilig über den Balkon gestapft kamen. Sofort spürte ich einen Luftzug, als sich wohl die beiden Jungs erhoben, um dem alten Zwerg platz zu machen, der sich nun über mich beugte und seine Hand an mein Kinn legte. "Cuna? Wenn Ihr mich hören könnt, dann versucht kurz die Augen zu öffnen", sagte er eindringlich und hob dabei mein Gesicht etwas an. Ich atmete stoßweise und stöhnte vor Schmerz, doch zumindest schaffte ich es über meine zitternden Lippen einige Worte zu pressen. "Ich... kann.... nicht....", wimmerte ich verängstigt, doch der Alte ließ nicht locker. "Öffnet die Augen! Ihr könnt das! Los!", fuhr er mich an und ich spürte, wie Thorins Druck an meiner Hand noch fester wurde. Ich schluckte schwer und versuchte krampfhaft meine Lieder zu öffnen, damit ich ihn ansehen konnte. Allerdings gelang es mir nur sie gerade so weit auf zu zwingen, dass sie kleine Schlitze bildeten. Doch das allein reichte ihm schon, denn ich sah wie er nickte und dann begann sich von meinem Kinn zu lösen und den Rest meines Körpers zu untersuchen, während er mir weiterhin Befehle gab oder mir fragen stellte. "Versucht sie auf zu halten so lange Ihr könnt, verstanden? Und jetzt sagt mir ob, Ihr irgendwo schmerzen habt", raunte er und tastete zunächst nach meinem Puls am Arm. "Mein. Mein Kopf", nuschelte ich zwischen dem Zähneklappern hindurch. Oin brummte kurz und hielt weiterhin die Aufmerksamkeit auf meinen Arm geheftet. "Wie genau fühlt es sich an? Und nicht wieder die Augen schließen! Bleibt wach, in Durins Namen!", fuhr er mich sehr forsch an, nachdem mich ein kurzer Schwindel überkommen hatte und sich meine Lieder einen Moment lang schlossen. "Es. Es tut. So weh. Mir ist kalt", klagte ich, doch Oin ließ sich nicht beirren. "Das ist mir klar, Kindchen. Aber jetzt sagt mir endlich, wie es sich anfühlt. Wie äußern sich die Schmerzen? Lasst es Euch nicht aus der Nase ziehen und reißt Euch gefälligst zusammen! Ich kann Euch nur helfen, wenn Ihr es mir richtig beschreibt!", knurrte er so laut, dass ich aufstöhnen musste. "Oin, hör auf meine Frau so anzuschreien und tu gefälligst etwas!", kam es aufgebracht von Thorin, der nicht nur meine Hand hielt, sondern mir auch immer wieder über die Stirn streichelte. "Ich kann nur etwas tun, wenn sie mir sagt, was sie für Schmerzen hat. Und jetzt hör auf mich bei meiner Arbeit zu stören. Damit hilfst du ihr nicht!", entgegnete der Alte barsch. Daraufhin erwiderte der Zwergenkönig nichts. Und auch wenn es mir so beschissen ging wie nie, wusste ich, dass er lediglich aus Respekt vor Oin schwieg, da dieser weit erfahrener in solchen Dingen war als er selbst. Ich war unterdessen versucht diesem endlich zu beschreiben, was mit mir los war. Doch es fiel mir verdammt schwer. Denn eine Spur von Angst umklammerte mein Herz. Es war wirklich schwer ihm erklären zu wollen, dass ich zur Zeit total verrückte Stimmen und Töne in meinem Kopf hörte, die eigentlich gar nicht da sein sollten. Ich kam mir völlig Paranoid vor. Und vermutlich war ich es in diesem Moment auch. Aber ich hatte keine andere Alternative ihm klar zu machen, was gerade mit mir los war und was in mir vor sich ging. Er wollte mir ja helfen. Das war zumindest für mich das Wichtigste. Unter großer Anstrengung schaffte ich es noch einmal die Augenlieder auf zu zwingen, ihn anzusehen und meine Lippen zu bewegen. "Es. Es ist so ein... Stechen. Da. Da sind Stimmen. Klänge. Sie. Sie streiten. Streiten immer zu. Es tut so weh. Sie hören nicht mehr auf. Bitte. Bitte macht. Macht dass sie aufhören", wimmerte ich und fühlte wie sich in mir plötzlich alles zusammen krampfte. Oin brummte erneut und ließ von meiner Hand ab. "Mahal. Das ist schlimmer, als ich dachte", seufzte er und ich konnte gerade so erkennen, dass er irgendetwas von seinem Gürtel nahm. "Was ist es? Oin, was hat sie denn?", fragte Fili aus dem Hintergrund. Der alte Zwerg gab ein gequältes und leidiges Stöhnen von sich, ehe er ihm antwortete. "Sie hat genau das, wovor uns Gandalf vor unserer Abreise gewarnt hat", erklärte er zunächst nur und entkorkte dabei einen Trinkschlauch. "Und was ist es jetzt? Sprich nicht in Rätseln", fuhr ihn nun der Zwergenkönig ungeduldig an. "Klangrausch, Thorin. Ihr Geist wurde durch irgendetwas zu sehr in Mitleidenschaft gezogen. Zum Glück habe ich für diesen Fall bereits einen Trank zubereitet, der ihr einen Teil der Schmerzen nehmen kann und ihren Körper langsam wieder erwärmt. Allerdings müssen wir bis Morgen warten. Denn erst dann sehen wir, ob der Rausch verflogen ist. Ich kann aber nicht dafür garantieren, dass sie sich davon wieder vollends erholt", sagte er mit beflissener Stimme und drückte mir dann sacht den Schlauch an die zitternden Lippen. Durch die Öffnung zog ein verdammt ekelerregender Gestank in meine Nase und versetzte meinem Schwindelgefühl einen ordentlichen Schubs. Ich konnte nicht einmal definieren wonach das Zeug genau stank. Ich japste nur und verzog angewidert das Gesicht, wobei ich zusätzlich versuchte dieses weg zu drehen. Doch Thorin hielt mit seiner anderen Hand an meinem Kopf eisern dagegen, als er meinen Widerstand bemerkte. "Cuna. Du musst das trinken. Egal wie schlimm es auch sein mag. Oin weiß was er tut. Und danach wird es dir besser gehen", ermahnte er mich eindringlich. "Komm schon, Cuna. Nur einen Schluck", forderte Kili, dessen Stimme irgendwo über mir zu hören war. "Das riecht so widerlich", moserte ich, doch es half schließlich nichts. Die Zwerge um mich herum blieben unerbittlich in ihren Forderungen, bis ich mich unter großer Qual überwand und mir der alte das Zeug einflößen konnte. Bedauerlicherweise war dieser Trank von ihm, im Gegensatz zu dem, der einmal meinen Kater und den Hangover vertrieben hatte, genauso schlimm wie er roch. Er schmeckte ölig, rau und so bitter, dass sich einem buchstäblich die Zehennägel davon hoch rollen konnten. Noch dazu fing er innerhalb weniger Sekunden an mich von innen heraus regelrecht zu erhitzen. Es war wirklich unangenehm. Auf der einen Seite fror ich noch. Auf der anderen schien mein Körper langsam heiß zu werden. Doch nun war es zu spät. Das Zeug war in mir und würde wohl auch in nächste Zeit nicht raus kommen wollen. Selbst wenn ich es mir irgendwo wünschte. Zumindest hatte es aber den positiven Effekt, dass die Schmerzen in meinem Kopf mit der Zeit nachließen, auch wenn mich die Klänge und Melodien immer noch nervten. So konnte sich wenigstens mein Körper entspannen. Das spürte auch der Zwergenkönig, der nun wieder sanft meine Stirn streichelte, nachdem ich das ganze Zeug intus hatte. "Was sollen wir jetzt tun, Oin?", fragte er mit wesentlich ruhigerer, aber ernsterer Stimme als zuvor. "Bringen wir sie erst einmal hinein. Dort sollten wir ihr ein Schlaflager herrichten und sie in einige Decken einwickeln. Es kann durchaus sein, dass sie im verlauf der Nacht Fieber bekommt. Daher wäre es ratsam auch eine Schale kaltes Wasser bereit zu stellen", erklärte der Alte sachlich und stand neben mir auf. Thorin brummte nur zustimmend und sagte zunächst nichts. Doch dann löste sich seine Hand von meiner und seine Knie kamen unter meinem Kopf in Bewegung. "Kili, Fili, Bofur. Fasst mit an", sagte er und schob seine Hände hinter meine Schultern und dann unter meine Achseln. Die angesprochenen Drei sagten nichts, sie tauchten nur wenig später zu meinen Seiten auf, wo sie ihre Hände ansetzten. Dann zählte Kili von drei runter und alle Vier hoben mich ein Stück weit über den Boden hoch. Auf diese Weise trugen sie mich, sicher und behutsam zurück in mein Apartment. - 79. Im Rausch der Klänge / ENDE - Kapitel 80: 80. Erhitzte Gemüter und kühle Traditionen ------------------------------------------------------ Nun war es offiziell. Die Stimmung auf der Zwergenparty war endgültig im Eimer. Nur wurde sich keiner der Herren so wirklich einig wessen Schuld es im Endeffekt war. Ich persönlich gab mir an der ganzen Miesere selbst die Schuld. Wenn ich mich etwas mehr zusammen gerissen und nicht einfach gegen all meine Prinzipien verstoßen hätte, dann wäre ich nicht in diese peinliche und unangenehme Lage geraten. Doch mich schien in dem Moment keiner der Herren danach zu fragen. Dafür waren sie viel zu besorgt um meinen körperlichen und wohl auch geistigen Zustand. Die Tatsache, dass ich immer noch Stimmen in meinem Kopf hören konnte, die sich gegenseitig sowohl anschrien, wie auch sangen, war selbst für meine Verhältnisse sehr bedenklich. Und so wirklich eine Erklärung dafür fand ich auch nicht. Der Einzige, der wusste oder zumindest glaubte zu wissen, was es damit auf sich hatte, war der alte Oin, der es sich nach meinem Zusammenbruch zur Aufgabe gemacht hatte, für meine Gesundheit sorgte zu tragen. Dabei ging er nicht mal mit seinem König besonders zimperlich um, der mich mit seinen beiden Neffen und Bofur, wie einen nassen Sack in die Wohnung getragen hatte. "Wo sollen wir sie hinlegen?", fragte Fili ein wenig ratlos, nachdem die Vier die Balkontür passiert hatten. "Legt sie erst einmal hier drüben ab", meinte der alte Zwerg und scheuchte zunächst einmal den Rest der Truppe vom Sofa weg, wo sie mich dann ganz behutsam drauf legten. Ich atmete tief und etwas entspannt durch, als ich die weiche Federkernsitzfläche unter meinem Körper spürte und mein Kopf auf einem der größeren Sofakissen landete. Kurz drauf spürte ich schon, wie mir jemand eine der Leinendecken über warf und mich richtig darin einwickelte. "Ist das gut so, Cuna?", fragte Kili bedächtig, der sich irgendwo an meinem Fußende befand. "Es... geht schon", nuschelte ich immer noch leicht Zähneklappernd. Auch wenn mich Oins Trank innerlich schon sehr erwärmte, fror ich weiterhin wie verrückt. Das bemerkte natürlich auch Thorin, der mir immer wieder mit einer Hand über die Wangen und die Stirn fuhr. "Bringt noch ein paar Decken. Sie ist immer noch eiskalt", raunte er und ließ sich dabei auf den Boden neben meinem Kopfende nieder, um mir beruhigende Worte zu zu murmeln. Auch wenn ihm selbst wohl gerade nicht danach war ruhig zu bleiben. Aber da riss er sich ausnahmsweise einmal am Riehmen. Nach seinem Befehl war umgehend aus dem ganzen Raum das Getrampel von mehreren Stiefeln zu hören, die sich in Bewegung setzten. Danach legte sich eine Decke nach der anderen über meinen fröstelnden Körper, bis ich mir schließlich vorkam, wie eine kleine Zwiebel. Nur das ich vermutlich weit weniger streng roch. "Übertreibt es nicht mit dem Warmhalten. Wenn mein Trank seine volle Wirkung entfaltet, wird ihr noch weit wärmer werden", kam es von dem alten Zwerg, der sich inzwischen etwas weiter hinten im Raum aufhielt und an meiner Küchenzeile herum werkelte. Denn ich hörte, wie plötzlich Wasser rauschte und in mein kleines Edelstahlspülbecken lief, bevor sich das Geräusch wandelte und mehr zu einem Gluckern wurde, als würde es gerade in einem Behälter aufgefangen. In diesem Moment begann ich mich selbst zu fragen, warum ich auf einmal ein so unglaublich scharfes Gehör bekommen hatte. Für gewöhnlich fiel es mir nicht so leicht derartige Geräusche auseinander zu halten. Besonders dann nicht, wenn in der Umgebung herum hantiert oder gesprochen wurde. Denn manche Zwerge redeten reichlich aufgebracht in ihrer Muttersprache miteinander. Andere verwendeten allerdings auch meine eigene. So bekam ich mit, wie sich Ori vergleichsweise leise mit seinen älteren Brüdern unterhielt. "Ich hoffe nur, dass sie durch kommt", murmelte er und seufzte kurz bedrückt. "Mach dir darum keine Gedanken. Oin weiß was er tut", kam es betreten von Dori. "Ja. Außerdem wird sich Thorin schon um sie kümmern", meinte Nori und versuchte zuversichtlich zu klingen, doch in seiner Stimme schwang auch ein wenig Unsicherheit mit. Ori gab ein murrendes Schnauben von sich. "Wenn Thorin nicht wäre, dann ginge es ihr jetzt nicht so schlecht", fauchte er und klang zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, sehr verbittert. Ich schnaufte kurz, als ich seine Brüder erschrocken Luft holen hörte. "Ori. Junge. Sag nicht so etwas. Wir wissen ja, wie du für sie empfindest, aber das gibt dir noch lange nicht das Recht...", versuchte ihn der Älteste zu beschwichtigen, doch der Kleine ließ sich zum ersten Mal nicht von ihm in die Schranken weisen. "Ich habe im Augenblick jedwedes Recht dies zu sagen, Bruder. Auch wenn er unser König ist. Wenn er sie nicht die ganze Zeit so bevormunden und dafür mit dem nötigen Respekt behandeln würde, dann ginge es ihr auch nicht so schlecht!", sagte Ori diesmal etwas lauter, sodass auch reihum alle plötzlich verstummten. Der Zwergenkönig hielt abrupt mit dem Streicheln meiner Wange inne. "Was hast du gerade gesagt, Ori?", fragte Thorin mit sehr leiser, langsamer und verdammt gefährlicher Stimme. "Du hast mich schon verstanden", erwiderte dieser in einem reichlich übermütigem Tonfall. Ich zuckte aufgrund dessen kurz zusammen und schielte durch meine halb geöffneten Augenlider in den Raum hinein, wo ich die Drei in der Nähe meines PCs stehen sah. Ori hatte die Schultern gestrafft und war einen Schritt vorgetreten. Seine Brüder fassten ihn mit besorgten und warnenden Gesichtern an den Oberarmen. Dabei flüsterten sie ihm weiterhin beschwichtigende Worte zu. Doch der Junge ließ sich davon nicht weiter zurück halten. Er riss sich von ihnen los und wagte noch einen Schritt in den Raum hinein. Genau auf den Zwergenkönig zu. Thorin gab indessen ein hämisches Schnauben von sich. "Du bist wohl nicht ganz bei Verstand, Junge", sagte dieser immer noch sehr langsam, aber inzwischen wesentlich verärgerter und lauter. Ich schluckte ein wenig und musterte dann seine Miene. Er hatte mir zwar sein Gesicht zugewandt, doch sah er mich nicht direkt an, sondern schloss die Augen und seine Gesichtszüge spannten sich stetig an. "Ich bin durchaus bei Verstand, Thorin", meinte er schlicht und klang nicht weniger verärgert. "Und ich sage dir, du bist es nicht. Sonst würdest du dich nicht erdreisten, mir derartig die Stirn bieten zu wollen!", raunte der Zwergenkönig und war so schnell aufgestanden, dass alle in der Umgebung zurück wichen. Außer dem blonden Jungen, der weiterhin mit gestrafften Schultern da stand und nun die Arme vor der Brust verschränkte. "Ich erdreiste mich gar nichts. Ich sage dir nur endlich einmal, was ich von deiner Art mit ihr umzuspringen halte!", entgegnete er barsch und wich immer noch nicht zurück. Selbst als Thorin sich nun seinerseits aufrichtete, die Schultern straffte und einen Schritt auf ihn zu machte. Dieser hob mahnend den Zeigefinger in seine Richtung und begann ihn drohend anzuknurren: "Du solltest lieber auf deine beiden Brüder hören, Bursche. Es steht dir nicht zu, dass du dir auch nur irgendeine Meinung dazu bildest, wie ich mit meiner Frau..." "DEINE Frau?! Dass ich nicht lache! Du hast ja noch nicht einmal wirklich Anspruch auf sie erhoben! Und da wagst du es sie als DEINE Frau zu bezeichnen? So als wäre sie irgendein Gegenstand, den du dir angeeignet hättest?!", fuhr er ihm daraufhin mitten ins Wort und verengte die Augen. Doch Thorin ließ sich davon weniger beeindrucken und schritt nun so weit aus, dass er von Angesicht zu Angesicht mit ihm stand. Dabei hielt er ihm nun den Zeigefinger direkt vor die Augen und knurrte: "Vorsicht, Junge! Wage es ja nicht dir in meinem Hause..." "Dein Haus? Das ich nicht lache! Es ist ja nicht einmal dein Haus! Es gehört ihr und das weißt du auch!", blaffte Ori erneut dazwischen und näherte sich mit seinem Gesicht dem seines Königs. Es war so wutverzerrt und zornig, dass ich ein erschrockenes Keuchen von mir gab und unruhig auf meinem Sofa herum rutschte. Ich erkannte den Jungen gar nicht wieder. Bisher war er mir nur als sehr schüchterner und liebenswerter, kleiner Kerl unter den Zwergen bekannt gewesen. Was ich nun sah, war ein völlig veränderter Ori. Einer der sich traute einem Mann die Stirn zu bieten, der ihm sowohl körperlich, als auch erfahrungsgemäß weit überlegen war. Ich wusste nicht, ob ich es als lebensmüde, größenwahnsinnig oder einfach nur mutig bezeichnen sollte. Vermutlich war es alles auf einmal. Doch im Endeffekt hoffte ich für ihn, dass er so schnell wie möglich wieder von dieser Schiene herunter kam. Denn zum Einen passte es gar nicht zu ihm und zum Anderen fürchtete ich, dass sich bald eine ordentliche Schlägerei anbahnte. Denn Thorins Hand, die noch an seiner anderen Seite herunter hing, ballte sich immer wieder zur Faust und auch sein kräftiger Oberkörper schien sich mit jedem Wiederwort des Jungen zu verbreitern. Alles in allem schien er körperlich zu wachsen, während er erneut mit drohender Stimme zu ihm sprach: "Du scheinst gerade zu vergessen mit wem du hier redest, Bursche. Außerdem, wenn du schon von Respekt gegenüber Anderen sprichst, lerne erst einmal selbst, was dieses Wort bedeutet. Und ich rate dir, dass du es schnell lernst. Sonst werde ich dem Ganzen ein bisschen nachhelfen!" "Ich werde dir erst wieder Respekt entgegen bringen, wenn du Cuna endlich so behandelst, wie sie es verdient hat!", entgegnete der Junge und schlug dabei Thorins Hand weg. Seine Brüder schlugen unterdessen ihre Hände vor die Münder und der Rest gab aufgeregtes Gemurmel von sich. Dwalin sah ein wenig unschlüssig zwischen den Beiden hin und her. Aber auch ihm war deutlich eine wachsame Anspannung anzumerken. Er ahnte wohl schon, dass es in nächsten Moment zu einem unglaublichen Krach kommen würde. Und wie ich es mir selbst auch dachte, kam es wie es kommen musste. Nun platzte dem Zwergenkönig endgültig der Geduldsfaden und er knurrte laut: "Du hast es ja so gewollt!" Mit diesen Worten sah ich, wie Thorin den Jungen ruckartig am Kragen packte und die andere Hand, die er zur Faust geballt hatte hob. Verblüfft und nun doch verunsichert starrte Ori zunächst in Thorins Gesicht und dann auf die Faust, die sich bereit zum Schlag auf seiner Augenhöhe befand. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals und mir rutschte das Herz in die Hose. Die Szene eskalierte direkt vor meinen Augen und ich war nicht im Stande etwas zu unternehmen. Ich konnte mich nur auf die Seite drehen und den beiden Streithammeln dabei zusehen, wie sie geradewegs in eine Katastrophe hinein schlitterten. Doch brauchte ich mich selbst gar nicht bemühen. Denn gerade als Thorins Faust nach vorne schnellte, griff Dwalin beherzt dazwischen und packte seinen König und besten Freund fest am Handgelenk. Dieser fluchte kurz drauf heftig, als er merkte, dass er knapp vor der Nase des Jungen gezwungen wurde einzuhalten. "In Durins Namen! Lass mich los, Dwalin!", brülle er dem Zwerg mit der Glatze entgegen, doch dieser warf ihm nur einen eindringlichen und unerbittlichen Blick zu. "Das werde ich nicht tun. Nicht bevor du dich beruhig hast", sagte er langsam. "Erzähl du mir nicht, dass ich mich beruhigen soll! Diese Made hat für seine Frechheiten eine Lektion verdient!", keifte Thorin ihn an und ließ dabei von Ori ab, der nun schützend und keuchend zwischen seine beiden Brüder genommen wurde. Ich schluckte heftig und rutschte noch unruhiger, ja fast schon ängstlich wimmernd auf dem Sofa herum, als ich endlich einen Teil von Thorins Gesicht sehen konnte. Es war genauso wutverzerrt, wie das von Ori zuvor und nun warf er diesen Blick seinem besten Freund zu, der ihn allerdings eher gleichmütig, aber weiterhin eindringlich ansah. "Ich weiß, dass es nicht richtig von Ori war, so mit dir zu reden. Aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt um das auf diese Art zu klären", meinte Dwalin dann sehr ruhig, hielt sein Handgelenk weiter fest und schien noch etwas stärker zu zu packen, als der Zwergenkönig versuchte sich von ihm los zu reißen. Nebenher schielte der kahlköpfige Zwerg kurz an ihm vorbei und warf mir einen flüchtigen und ziemlich unterkühlten Blick zu, bei dem ich kurz zusammen zuckte. Er war so streng und vorwurfsvoll, dass ich mich immer kleiner machte, je länger er mich anstarrte. Ich konnte gut darin lesen, dass er mir die Schuld an dem ganzen Streit gab, doch schien er es nicht zu wagen auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Er wollte wohl nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Wofür ich ihm insgeheim doch dankbar war. Noch mehr Streit und Zank an diesem Abend wären eindeutig zu viel des Guten, oder viel mehr schlechten. Als der Zwergenkönig nämlich wenig später dem Blick seines Freundes folgte und er mich ins Auge fasste, entspannten sich seine Gesichtszüge langsam und er setzte mit einem knappen Nicken eine sehr undurchsichtige Miene auf. Er atmete ein paar Mal tief durch und wurde schließlich losgelassen, als er sich soweit wieder im griff hatte. Danach verlor er kein einziges Wort mehr über den Zwist, sondern bewegte sich zurück in meine Richtung. Auch die anderen verfielen in tiefes Schweigen, während er den Raum durchschritt. Die Stille war gespenstisch, selbst wenn ich nur indirekt von Stille reden konnte, da die Stimmen und Klänge in meinem Kopf sich weiterhin nicht einig wurden. Nachdem der Zwergenkönig bei mir angekommen war, schaute er nur auf mich hinab, legte mir einen Moment die Hand auf den Kopf und verließ mich dann einfach Wortlos wieder. Das verwirrte mich ja schon einen Moment. Ich hatte damit gerechnet, dass er sich wieder an meine Seite setzen und mit mir reden würde. Stattdessen wand er sich von mir ab und redete nur kurz mit Fili, der an der ebenso an meinem Kopfende stand. "Fili. Kümmere du dich eine Weile um Cuna", murmelte er seinem ältesten Neffen zu, der nur ein knappes "Ja" von sich gab. Dann verschwand er einfach hinaus auf den Balkon, wo ich weder sehen noch hören konnte, was er gerade tat. Doch ich vermutete, dass er sich einfach nur eben verzog, um ein wenig allein zu sein. So etwas brauchte jeder einmal. Selbst ein Zwergenkönig. Daher nahm ich es ihm auch nicht wirklich übel, dass er mich in der Obhut seiner Gefolgsmänner und vor allem Neffen zurück ließ. Nun nahm Fili seinen Platz an meinem Kopfende ein, indem er sich auf den Boden daneben setzte und mich besorgt musterte. Oin kam unterdessen mit einem langgezogenen Seufzen herbei, stellte eine Schale mit Wasser samt einem Lappen neben dem Jungen auf den Boden und brummte: "Alles Kinder. Einer wie der andere." Dann hob er seine Hand und ließ diese einen Moment später auf meinem Gesicht nieder, um es zu begutachten. Ich spürte, dass sie sich nun deutlich kühler anfühlte als dieses und der Zwerg nickte einmal sachlich. "Gut. Der Trank wirkt jetzt. Bleibt liegen und versucht Euch so weit es Euch möglich ist auszuruhen. Das könnte für Euch noch eine lange anstrengende Nacht werden", meinte er, löste die Hand von meinem Kopf und griff dann nach dem Lappen, den er aus rang. Danach platzierte er mir diesen direkt auf der Stirn. Ich brummte ihm nur zustimmend entgegen ohne ihn direkt anzusehen. Das alles tat mir mehr als nur leid. Der ganze Abend war für die Beteiligten versaut. Besonders für den Zwergenkönig und mich. Aber auch der Rest der Gruppe war dementsprechend nur noch schlecht auf mich zu sprechen. Zumindest kam es mir so vor. Konnte jedoch auch nur einbildung sein, weil mir die melodische Stimme dies erneut einreden wollte. Was sie auch zumindest teilweise schaffte. Ich schluckte nämlich kurz und senkte den Blick auf die Sitzfläche des Sofas. "Das ist meine Schuld", murmelte ich leise vor mich hin und schloss meine Lider um einige Tränen zu unterdrücken, die in mir aufsteigen wollten. "Sag doch nicht so etwas, Schwesterchen", murmelte Fili mir entgegen, der mir ganz behutsam über den Kopf streichelte. "Wieso ist das nur alles aus dem Ruder gelaufen? Es hat doch so schön angefangen. Und jetzt... Ach. Es ist eine Katastrophe. Was hab ich nur angerichtet?", klagte ich und machte mich noch ein wenig kleiner, während es meinen Körper leicht schüttelte, als ich versuchte einen Heulkrampf zu unterdrücken. "Hört auf Euch Vorwürfe zu machen, Kindchen. Ihr seid die Letzte, die das muss. Wir hätten darauf acht geben müssen, dass es mit Euch nicht so weit kommt. Gandalf hat jeden einzelnen von uns davor gewarnt, dass Ihr dem Klangrausch erliegen könntet. Wenn, dann tragen wir alle dafür die Verantwortung", raunte Oin mich reichlich barsch an und platzierte den Lappen wieder auf meinem Kopf, der durch mein Gezitter herunter gerutscht war. Ich schniefte kurz und musterte den alten Zwerg mit bedrückter Miene. "Ich. Ich verstehe es immer noch nicht. Was. Was ist da eigentlich passiert? Was ist nur los mit mir?", fragte ich mit belegter Stimme. Oin seufzte einmal kurz und schüttelte dann mit ernster Miene den Bart. Dann begann er mir in aller Ruhe zu erklären, was es mit der ganzen Sache auf sich hatte. "Seht mal. Wie ich zufällig mitbekommen habe, hat Balin Euch vorhin schon erklärt, wie es sich mit den Dingen aus Mittelerde verhält und dass alles von einer Melodie durchzogen ist. Ganz anders als die Dinge hier in dieser Welt, die Ihr gewohnt seid. Da aber Euer Körper unsere Dinge weder kennt noch gewohnt ist, bestand stets die Gefahr, dass jedes kleine Bisschen zu einem völligen Zusammenbruch führen konnte. Wozu es ja nun zu meinem und Eurem Bedauern gekommen ist", sagte er ruhig. Ich nickte nur langsam und nachdenklich. "Deshalb höre ich gerade irgendwelche Klänge und Stimmen in meinem Kopf, ja?", hakte ich vorsichtig nach und der alte Zwerg nickte bestätigend. "So ist es. Daher hat mich Gandalf damit betraut ein Auge auf Euch zu halten und diesen Trank, den ich Euch eingeflößt habe, zu zu bereiten. Er wusste wohl sehr genau, dass es passiert. Immerhin ist er ja ein Zauberer und die wissen verdammt viel. Anders als wir, will ich meinen. Ich weiß zum Beispiel nicht, weswegen es Euch auf einmal überkommen hat. Mich wunderte es nur, dass Ihr so lange durchgehalten habt, ohne den Klängen derartig zu verfallen", ergänzte er und kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Aber ich weiß es", kam es plötzlich mit leiser und beschämter Stimme von meinem Fußende her. Ich hob leicht den Kopf und sah, dass Bofur langsam auf uns zu kam. Er hatte seine Mütze abgenommen, die er nun zwischen seinen nervösen Fingern leicht zerknautschte. Fili, der die ganze Zeit über Oin gelauscht hatte, hob ebenfalls den Kopf und legte diesen mit fragendem Blick schief. "Und wie ist das passiert, Bofur?", hakte er ruhig nach. Der Angesprochene seufzte und ließ die Schultern hängen, bevor er geknickt antwortete: "Ich hab ihr was von meinem 'Alten Tobi' gegeben." "Du hast WAS?! Bist du von allen Göttern verlassen?! Du kannst ihr doch nicht einfach so ein starkes Pfeifenkraut geben!", kam es mit entsetztem und vorwurfsvollem Ton von Kili, der sich zwar auch in der Nähe aufhielt, den ich aber aus meiner Position nicht sehen konnte. Bofur zuckte heftig zusammen und sah nur betreten zu Boden. "Es tut mir unsagbar leid. Ich habe doch nicht ahnen können, dass sie darauf so reagieren könnte. Ich meine, es wirkt doch eigentlich entspannend und beruhigend. Und da dachte ich... ich... also...", nuschelte er nur, doch dann schwieg er schließlich, als er wohl keine schlüssigen Argumente für sein Handeln mehr fand. Der alte Oin brummte bedächtig und zählte in seinem Kopf wohl gerade Eins und Eins zusammen. Ich allerdings sah mich nur verwirrt zwischen den Männern um, die ich gerade so mit meinen Augen erfassen konnte. "Was hat es denn mit dem 'Alten Tobi' auf sich?", fragte ich schließlich, als sich niemand dazu anschickte mir das Ganze von sich aus zu erklären. Daraufhin meldete sich, nach langem Anschweigen, Balin zu Wort, der heran trat und mich mit andächtiger Miene musterte. "Alter Tobi ist seit jeher ein besonders delikates Pfeifenkraut, das für gewöhnlich im südlichen Auenland angebaut wird. Zum Einen sorgt es zeitweilig dafür, dass sich Geist und Körper in einen Zustand völliger Entspannung und Ruhe begeben. Aber andererseits schärft es auch sämtliche Sinne. Das bedeutet, dass Ihr dadurch fähig seid, besser zu hören, zu sehen und zu fühlen. Für gewöhnlich ist es recht harmlos. Aber da Gandalf es geschafft hat dieses Kraut mit Hilfe der Elben im Reich der Götter anzubauen, ist es um einiges stärker geworden. Wir brauchten selbst eine Weile, bis wir uns daran gewöhnt hatten", meinte er und strich sich durch den Bart. "Also ähnlich wie Gras", schlussfolgerte ich laut vor mich hin, worauf mir die Zwerge reichlich irritierte Blicke zu warfen. "Wieso Gras? Raucht man bei euch Menschen hier etwa Heu?", fragte Fili und schüttelte bei dem Gedanken leicht angewidert den Kopf. Nun musste ich doch wieder etwas kichern, obwohl die ganze Situation eigentlich weniger zu lachen war. Aber ihre Unwissenheit war immer wieder zu amüsant. "Nein. Wir rauchen hier kein Heu. Als Gras bezeichnen wir hier eine Pflanze, die so ähnlich wirkt wie 'Alter Tobi'. Die sieht im getrockneten Zustand ein wenig aus wie Heu. Deshalb nennt man es auch umgangssprachlich Gras", erklärte ich leicht belustigt und erntete dafür einige neugierige Blicke. "Das klingt interessant. Ich würde es gerne einmal versuchen. Wo bekommt man das?", kam es plötzlich von Nori, der davon hellhörig geworden war und nun auch heran trat. Ich seufzte kurz und rollte mich von der Seite auf den Rücken. "Das wirst du hier nicht so einfach bekommen. Es ist verboten. Also zumindest der Verkauf und dass man es anbaut", meinte ich schlicht und schaute zur Zimmerdecke. "Verboten? Weswegen?", hakte Oin nach, der den Lappen auf meiner Stirn wieder etwas zurecht rückte. "Weil es unter die Kategorie Drogen fällt. Das sind Stoffe, die süchtig machen können und eventuell dazu verleiten könnten stärkere Sachen konsumieren zu wollen. Einfach nur, um sich in einen länger andauernden Zustand der Entspannung zu versetzen. Oder um sich damit auf zu putschen. Ist ein bisschen kompliziert und so gut kenne ich mich damit auch nicht aus. Aber zumindest verstehe ich jetzt ein bisschen, warum es mir so geht", meinte ich und atmete einmal tief durch. "Ich verstehe nicht, warum es falsch sein soll, sich einfach dadurch zu entspannen. Was ist so schlimm daran?", kam es plötzlich von Bofur, der sich nun wieder wagte etwas zu sagen. Ich seufzte kurz und schloss einen Moment die Augen. "Du siehst, was mit mir passiert ist, nachdem ich etwas von eurem Zeug zu mir genommen habe. Hier in meiner Welt gibt es Stoffe und Mittelchen, die noch viel stärker sind. Meistens werde sie künstlich hergestellt und können dadurch den Körper und auch den Geist bis zur Unendlichkeit hin zerstören. Ihr müsst wissen. Es ist nicht immer nur etwas, das man rauchen kann. Nein. manche essen oder schnupfen es. Andere gehen sogar noch viel weiter und spritzen sich das Zeug direkt ins Blut. Wenn es einmal soweit gekommen ist, gibt es nur sehr wenige, die es schaffen sich davon wieder zu lösen. Die einzigen Auswege daraus, sind entweder Aufenthalte in Kliniken, die sehr lange dauern können. Oder eben der Tod", entgegnete ich mit kühler Gelassenheit. Allerdings hatte ich mal wieder nicht bedacht, dass das letzte Wort bei den Herren erneut für Unruhe sorgen könnte. Denn nun brachen sie in reichlich bestürztes Gemurmel aus. "Oh Mahal. Das ist Schrecklich!", kam es kopfschüttelnd von Balin, den ich im Augenwinkel musterte. Fili strich mir unterdessen ein wenig fahrig über den Kopf und schluckte heftig. "Aber... Aber du wirst doch jetzt hoffentlich nicht sterben, oder?", fragte Bofur und hockte sich hastig neben Oin, der ebenso wie Balin den Kopf schüttelte. Allerdings aus anderen Gründen. "Nun werdet mal nicht albern. Sie hat keines dieser eigenartigen Mittel ihrer Welt zu sich genommen, sondern nur ein wenig 'Alter Tobi'. Davon stirbt man nicht gleich", sagte der Alte unmissverständlich gereizt, weil Bofur beinahe die Schale mit Wasser umgestoßen hätte. "Bist du dir da ganz sicher, Oin? Ich meine. Es ist schlimm genug, dass mir Thorin womöglich für den Zopf den Hals umdrehen will. Aber wenn ich sie wegen zwei Pfeifenzügen bereits zum Tode verurteilt habe, dann...", stammelte er, doch schon hob der alte Zwerg beschwichtigend eine Hand. "Glaub mir, wenn ich dir sage, dass du dahingehend nichts zu befürchten hast. Was die andere Sache angeht, wirst du dich wohl oder übel vor ihm verantworten müssen. Warum hast du das auch gemacht? Du bist doch kein Zwergling mehr und weißt über unsere Gesetze und Traditionen Bescheid", meinte Oin ein wenig ungehalten. "Ja. Aber wir dachten, weil Cuna ein Mensch ist, untersteht sie diesen Gesetzen nicht", sagte der Mützenzwerg kleinlaut, woraufhin Balin leicht bestürzt fragte: "Wir? Wer denn noch?" Nun tauchte Kili mit betretener Miene aus dem Hintergrund auf und nuschelte: "Fili. Und ich." "Was in Durins Namen habt ihr drei euch denn bitte dabei gedacht?", raunte plötzlich Dwalins Stimme quer durch den Raum. "Gar nichts. Wirklich. Wir. Wir wollten ihr nur helfen", meinte Fili entschuldigend und senkte beschämt den Blick. "Da sieht man mal, wie sehr ihr geholfen habt. Ihr wusstet alle ganz genau, dass es gegen unsere Traditionen verstößt, einer Frau einfach Grundlos an die Haare zu gehen", kam es empört von Dori. "Was regt ihr euch denn bitte wegen diesem dummen Zopf so auf? Falls ihr euch erinnert, ihr habt mir alle schon mal gleichzeitig welche ins Haar gemacht", murmelte ich ein wenig genervt, da ich das Gefühl hatte mal wieder übergangen zu werden. Ich konnte auch wirklich nicht begreifen, was daran denn nun so schlimm war, dass Bofur mir eine nette Frisur gemacht hatte. Zumindest so lange nicht, bis Balin sich kurz räusperte und versuchte mir die Lage zu schildern. Was die Situation aber nicht bedeutend besser machte. "Das war etwas völlig Anderes und hatte nichts mit dem zu tun, was wir meinten, meine Liebe. Es ist nämlich so. Seit jeher gehört bei uns Zwergen das Flechten der Haare, einem altehrwürdigen Ritual der Werbung, um die Gunst eines Gefährten oder einer Gefährtin an. Jede Familie, jedes Zwergenvolk und jeder Stand, angefangen vom niederen Arbeiter, bis hin zu den höchsten Lords und Königen besitzen ihre eigene Kunst und Fingerfertigkeit, um das Haar des Partners so zu flechten, dass man daran genau erkennt, wer welcher Familie angehörig ist und welchem Stand dieser Zwerg in seinem Volk einnimmt. Dieses Ritual ist eigentlich sehr persönlich und wird nur in einem geschützten Rahmen durchgeführt. Häufig werden vorher noch andere Riten abgehalten, wie das Schenken zweier Gegenstände von gleichem Wert, Bedeutung und Aussehen. Damit bindet man sich zunächst an ein gegenseitiges Versprechen, den Anderen irgendwann einmal zu ehelichen. Das Ganze wird vollendet, wenn sich die Partner eine Nacht miteinander geteilt haben und sich gegenseitig das Haar auf dem Haupt oder den Bart flechten. Wenn das alles abgeschlossen ist, müssen beide nur noch das Wort 'Âzyungâl' sagen", erklärte mir der Zwerg feierlich und hüllte sich danach in Schweigen. Mir klappte unterdessen immer wieder ungläubig der Mund auf und zu. Ich wusste wirklich nicht, was ich gerade dazu sagen sollte. Zum Einen war ich sehr beeindruckt, wie viel Balin sich doch behalten konnte. Zum Anderen verwirrte mich diese Art der Brautwerbung sehr. Um nicht zu sagen, sie erschütterte mich ein bisschen. Dass es wirklich so dermaßen schwer sein konnte einen Zwerg zu heiraten, hatte ich mir nicht einmal in meinen kühnsten Träumen ausgemalt. Daher fiel mein spontaner Kommentar zu der Sache auch dementsprechend nüchtern und ziemlich unbedacht aus, nachdem ich das alles soweit ich konnte erfasst hatte. "Gott, wie besoffen muss man sein, um sich so einen komplizierten Blödsinn auszudenken?", fragte ich in Richtung Decke, woraufhin unter den Herren ein ziemlich verstimmtes Brummen los brach. "Das sind alte, gebräuchliche Traditionen bei uns. Wie kannst du dir anmaßen sie als Blödsinn zu bezeichnen, Weibstück?", raunte Dwalin barsch aus dem Hintergrund. "Weil ich damit nichts anfangen kann, Herr Dwalin. Ganz einfach. Das macht alles nur kompliziert. Was geschieht denn, wenn sich bei euch zwei Zwerge aus unterschiedlichen Ständen ineinander verlieben? Dürfen die dann nicht heiraten, weil keiner dem Anderen einen Gegenstand schenken kann, der sich im Wert und dem äußeren gleicht?", fragte ich und schielte einmal reihum über die Gesichter, die ich sehen konnte. "Bedauerlicher weise, ja. Es kommt zudem reichlich selten vor, dass sich Zwerge unterschiedlichen Standes überhaupt auf einer derartigen Ebene begegnen. Aber wenn so etwas vorkommt, dann ist diese Begegnung dazu verdammt nie eine Zukunft zu haben", meinte Oin ruhig und nahm mir noch einmal den Lappen von der Stirn, um ihn zu befeuchten. Nach seinen Worten, die er eigentlich als ziemlich belanglos abtat, musste ich schwer schlucken. Keine Zukunft? Keine Hoffnung darauf, dass sich zwei Wesen, die sich liebten, aber unterschiedlichen Ständen angehörten, jemals zusammen glücklich werden konnten oder sogar sein durften? War es tatsächlich so kompliziert und ausweglos, einfach so mit einem Zwerg zusammen zu sein, der weit höher stand, als man selbst? Ein einfach Leben mit jemandem zu führen, den man eigentlich über alles liebte? Konnte... nein. Durfte ich mir dann überhaupt anmaßen, den Zwergenkönig weiterhin als meinen Liebsten zu bezeichnen, wo ich nun wusste, dass wir eigentlich in keinster Weise zusammen sein durften? Die Erkenntnis über dieses Ausmaß an Schwierigkeiten traf mich, wie ein heftiger Schlag mit einem Schmiedehammer in die Magengrube. Mir blieb buchstäblich die Luft weg und mein Herz verkrampfte sich so sehr, dass ich mühe hatte mich zusammen zu reißen, um nicht laut los zu schreien. Stattdessen biss ich mir heftig auf die Unterlippe und kniff die Augen fest zu, um zu verhindern, dass auch nur ein Ton meiner Kehle entsprang, der meinen ganzen Gefühlskonflikt preis gegeben hätte. Doch auch meine verbissene Zurückhaltung sorgte für ein wenig Besorgnis. Besonders bei Fili, der mich leicht zu rütteln begann und immer wieder meinen Namen sagte. "Oin. Ich glaube es geht ihr wieder schlechter", meinte er dann nach einer Weile, als ich ihm tunlichst versuchte nicht zu Antworten. Dieser seufzte allerdings nur und brummte: "Ich fürchte, das war im Augenblick ein wenig zu viel für sie. Wir sollten sie jetzt in ruhe lassen und ihr, und uns etwas Schlaf gönnen. Der Abend war lang und mühselig. Belassen wir alles vorerst dabei, wie es ist. Morgen sieht die Welt wieder anders aus." Ich hörte, wie die Umstehenden zustimmend murmelten und einer nach dem anderen von meiner Seite wich. "Ich werde mal kurz nach Thorin sehen", kam es noch von Balin, der zur Balkontür hinaus ging. Der Rest der Truppe machte sich unterdessen daran, in dem kleinen Raum irgendwo auf dem Boden einen Schlafplatz zu finden. Die Einzigen, die jedoch weiterhin an meiner Seite Wache hielten, waren Fili, Kili, Bofur und der alte Oin. Doch wusste ich, dass ich in dieser Nacht definitiv vorerst keinen ruhigen Schlaf finden würde. - 80. Erhitzte Gemüter und kühle Traditionen / ENDE - Kapitel 81: 81. Von Vater zu Sohn --------------------------------- Es war bereits einige Zeit vergangen, nachdem die Zwerge in meinem winzigen Apartment schlafen gegangen waren und das Licht in dem Raum endgültig erlosch. Wo vorher einige Gute-Nacht-Wünsche ausgeteilt wurden, drangen nun nur noch Geschnarche und tiefe Atemgeräusche aus allen Ecken hervor. Die Gruppe von Zwergen, die sich um mein Sofa herum versammelt hatte schwieg sich eisern an. Nur gelegentlich konnte ich hören, wie sich der ein oder andere im Dunkeln bewegte, räusperte oder einen tiefen Atemzug von sich gab. Durch das offene Balkonfenster hörte ich, wie Balin versuchte sich leise auf Khuzdul mit Thorin zu unterhalten. Doch schien dieses Gespräch lediglich von ihm auszugehen. Denn ich hörte die Stimme des Zwergenkönigs kein einziges Mal. Er musste wohl so tief in seinen Gedanken versunken sein, dass er den alten Zwerg vollkommen überhörte. Ich versuchte unterdessen so still da zu liegen, wie es mir in diesem Moment möglich war. Durch die Klänge und Stimmen in meinem Kopf, war es mir aber einfach nicht möglich gänzlich zur Ruhe zu kommen. Geschweige denn einzuschlafen. Nebenher beschäftigte mich immer noch die Sache mit diesen ungewöhnlichen, zwergischen Ritualen und Traditionen, die natürlich von der melodischen Stimme mal wieder aus Aufhänger für einige sehr garstige Worte über Thorin und meine Beziehung zu ihm, missbraucht wurden. Auf der anderen Seite widersprach denen die ernste Stimme vehement. Am liebsten hätte ich mir einmal mit der flachen Hand an den Kopf geschlagen und gebrüllt, sie sollten gefälligst endlich die Klappe halten und mich schlafen lassen. Doch weil ich immer noch so fest in die Decken eingewickelt war und die Zwerge nicht unnötig aufscheuchen wollte, konnte ich dem Ganzen nicht auf diese Art beikommen. Stattdessen murrte ich nur einmal kurz genervt und versuchte mich anderweitig abzulenken, um die Stimme irgendwie zu ignorieren. Zumindest sorgte Oins Trank dafür, dass sie mir nicht immer noch Kopfschmerzen bereiteten. Auch wenn ich gut und gerne in diesem Augenblick welche hätte gebrauchen können. So hätte ich wenigstens etwas anders gefühlt, als nur ein leichtes Zwicken in meiner Herzgegend. Denn nachdem das Licht ausgegangen war, spürte ich in mir einfach nur noch eine gewisse Form von Leere und Taubheit, die meinen ganzen Körper ein wenig unter Anspannung setzte. Der Gedanke, dass Thorin und ich aus Sicht seines eigenen Volkes offiziell gar nicht zusammen sein durften, lähmte mich zusätzlich noch. Genauso wie die Tatsache, dass er einst mit seinem Ring, den er mir zu unserer Verlobung geschenkt hatte, gegen jedwede Sitte der Zwerge verstoßen hatte. Sicher, er war auf eine gewisse Art noch König. Zumindest sahen ihn seine treuen Gefolgsleute so. Von daher hatte er bestimmt weit mehr Rechte, als der gewöhnlich Otto-Normal-Zwerg Mittelerdes. Aber dafür musste er gewiss auch weit mehr Verantwortung tragen und in der Öffentlichkeit gut da stehen. Bisher hatte ich mir in diese Richtung noch gar keine Gedanken gemacht. Auch nicht, dass gerade so eine Banalität unserer Verbindung bereits von Vorneherein einen Todesstoß versetzen konnte. Irgendwie verstand ich nun auch Gloins Verhalten wesentlich besser, der die ganze Zeit gegen seinen König und mich gewettert hatte. So gesehen gab es nichts, was diese Beziehung eigentlich weiter rechtfertigte. Ich konnte Thorin keinen Gegenstand von gleichem Wert und gleicher Art schenken. Ich war nur eine gewöhnliche Menschenfrau aus den einfachsten bis niedrigsten Verhältnissen. Es gab eigentlich keinen Grund mehr für den Zwergenkönig noch weiter an meiner Seite zu bleiben. Und doch war er immer noch da. Obwohl ich ihm meine ganze, missliche Lage am Morgen geschildert hatte. Vermutlich war es wirklich so, dass die Liebe eines Zwerges so stark sein konnte, dass er selbst über solche Sachen hinweg sah. Nur um das, was er lieb gewonnen hatte nicht einbüßen zu müssen. Die Frage, die wir uns aber wohl beide zur selben Zeit stellten war, wie lange würde das alles noch gut gehen? Besonders nach meinem so ungerechtfertigten Attentat mit der Ohrfeige auf ihn und den haltlosen Anschuldigungen, die ich ihm vor allen Anwesenden an den Kopf geworfen hatte. Gut, ich hatte es in einem Zustand völliger Benommenheit unter Einfluss von Alkohol und Pfeifenkraut getan. Aber trotzdem schwebten diese Worte immer noch unheilvoll im Raum, wie ein scharfes Damoklesschwert. Am Ende des Ganzen, ja womöglich noch am Ende dieser Nacht, würde eine Entscheidung zwischen uns fallen müssen. Und ich ahnte insgeheim, dass ich nicht diejenige sein würde, die diese Entscheidung für oder gegen uns treffen würde. Unwillkürlich drang ein betretenes Seufzen aus meiner Kehle, woraufhin ich an meinem Kopfende kurz spüren konnte, wie sich Fili bewegte und wenig später seinen kühlen Handrücken behutsam an meine inzwischen stark erhitzte und leicht feuchte Wange legte. "Sie hat sehr hohes Fieber, Oin", flüsterte den blonde Junge deutlich besorgt und der alte Zwerg brummte bedächtig. "Ja. Freilich. Aber da wird sie durch müssen", erwiderte er nur, nahm den Lappen von meiner Stirn um diesen wieder zu befeuchten und tupfte dann damit kurz mein Gesicht ab. Das kühle, feuchte Ding war in dem Moment wirklich eine Wohltat. Ich holte einmal ganz tief Luft und versuchte ein wenig entspannter durch zu atmen, nachdem der Lappen wieder auf meinem Kopf platz gefunden hatte. "Meinst du wirklich, dass sie das überlebt?", kam es von Kili, der irgendwo in der Nähe meiner Oberschenkel saß. "Jetzt fangt doch nicht wieder damit an. Ich habe euch vorhin schon gesagt, dass sie das nicht gleich umbringen wird. Sie ist eine sehr kräftige, junge Frau. Vielleicht wird sie sich noch ein paar Tage ausruhen müssen. Aber sie schafft das. Seid etwas zuversichtlicher", raunte Oin die beiden ziemlich barsch an. "Aber hast du nicht auch gesagt, dass du nicht wüsstest, ob sie vielleicht etwas von dem Rausch behalten könnte", warf Bofur ein, der unruhig an meinem Fußende herum rutschte. "Sicher, ein gewisses Risiko gibt es immer. Was aber nicht bedeutet, dass sie davon sterben wird. Und jetzt hört auf mit dieser Schwarzmalerei, ihr weckt sie noch auf", entgegnete der Alte und deutete damit an, dass das letzte Wort zu diesem Thema gesprochen war. Die Drei brummten kurz leise vor sich hin und verfielen wieder in Schweigen. Doch gerade als es um mein Sofa herum wieder ruhiger wurde, drang vom Balkon her eine wesentlich lautere Stimme zu uns herein, die mich einen Augenblick zusammen fahren ließ. Denn nun hatte Thorin sich doch endlich dazu hinreißen lassen das Wort an Balin zu richten. Und er klang dabei unglaublich frustriert. "Hör auf, die ganze Sache schön reden zu wollen, Balin. Ich verliere hier sowieso schon mehr und mehr den Respekt von meinen Männern. Und wenn sie die Wahrheit erfahren erst recht", raunte dieser ungehalten woraufhin Balin langgezogen seufzte. "Jetzt schrei nicht so laut, sonst hören sie es tatsächlich noch. Ich weiß, dass es gerade nicht wirklich gut zwischen dir und Cuna aussieht. Aber wenn du ihre Eltern doch um eine angemessene Mitgift bitten kannst, dann...", murmelte dieser dann eindringlich, woraufhin ihn der Zwergenkönig aber direkt wieder unterbrach. "Balin. Es wird keine Mitgift geben. Verstehst du das denn nicht. Weder sie, noch ihre Eltern besitzen die Mittel um unseren Traditionen und Gesetzen auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Mahal, warum musstet ihr das Cuna ausgerechnet zu so einem ungünstigen Zeitpunkt erzählen? Sie hat vorhin mehr als deutlich gemacht, wie wenig sie mir und meinen Absichten vertraut. Nun weiß sie fast alles und denkt vermutlich noch schlechter von mir", grollte Thorin vor sich hin und scharrte dabei mit den Stiefeln über den Balkonboden. Offenbar ging er gerade auf und ab. Balin seufzte erneut und erwiderte: " Vielleicht würde sie dir und deinen Absichten jetzt noch vertrauen, wenn du nicht immer alles über ihren Kopf hinweg entscheiden würdest." Das Stiefelscharren hielt einen Moment inne, bevor der Zwergenkönig in ernstem Tonfall antwortete: "Ich hatte dabei stets nur das Beste für sie im Sinn." "Und genau das ist der Punkt, Thorin. Du hattest immer nur etwas für sie im Sinn. Aber hast du sie einmal gefragt, was sie möchte?", fragte der alte Zwerg ruhig, aber dennoch streng. Der Angesprochene gab nur ein spöttisches Schnauben von sich und brummte beleidigt vor sich hin: "Sie weiß doch in Wahrheit noch gar nicht was sie will. Sie ist ja noch fast ein Kind." Nun wurde allerdings Balin zum ersten Mal ungehalten und etwas lauter, als er seinen König ziemlich angesäuert anfuhr: "In Durins Namen. Thorin. Cuna ist eine vollständig erwachsene Menschenfrau. Sicher, sie ist jung an Jahren und wird auch niemals den Erfahrungsschatz sammeln können, den wir in unserem ganzen Dasein haben anhäufen können. Aber sie ist längst kein einfältiges Kind mehr, das nicht weiß was es will. Sie hat es mehr als einmal deutlich gemacht. Ich war heute den ganzen Nachmittag dabei, wie sie sich eigenständig um Dinge gekümmert hat, um die sich sonst ein Mann hätte kümmern müssen. Sie ist selbst in der Lage zu erkennen, was gemacht werden muss. Und ich denke auch, dass sie reif genug ist, um Verantwortung zu tragen. Was sie dafür allerdings braucht, ist vielleicht ein wenig mehr Selbstvertrauen. Und das kann sie nur erlangen, wenn gerade du ihr endlich einmal etwas zutrauen würdest. Aber mir scheint wirklich, dass du zu blind bist es zu sehen. Stattdessen bevormundest du sie nur die ganze Zeit und lässt sie permanent in blank gezogene Dolche laufen. Das wird über Kurz oder Lang dazu führen, dass du sie richtig unglücklich machst. Auch wenn du meinst, nur das Beste für sie im Sinn zu haben. Sie hat meiner Meinung nach genug Leid ertragen müssen. Versuch ihr doch wenigstens noch mehr zu ersparen, indem du sie endlich so akzeptierst wie sie ist." Nachdem er schwer atmend seine Standpauke beendet hatte, trat zwischen den Beiden eine längere Gesprächspause ein, in der sich um mein Sofa kurzzeitig wieder etwas regte und die vier Zwerge sich leise etwas zu flüsterten, nachdem sie wie ich unfreiwillig Zeugen des kleinen Streitgespräches geworden waren. "Meint ihr, dass es wirklich stimmt?", fragte Bofur in die Runde. "Wovon redest du genau? Dass Cuna weiß was sie will? Oder dass sie in Wahrheit nichts von Wert besitzt?", entgegnete Kili ruhig. "Na, dass sie nichts besitzt. Dass sie weiß, was sie will, haben wir ja schon zu genüge erfahren", erklärte der Mützenzwerg und klang dabei ziemlich nervös. "Also ich denke schon, dass dies der Wahrheit entspricht. Wenn ich mir ihre Habe so ansehe, dann hege ich keinerlei Zweifel daran", meinte der alte Oin verdrießlich. "Nun ja. Ich würde nicht sagen, dass sie nichts besitzt. Sie hat ja doch einiges hier. Die Frage ist nur, in wie weit es von Wert ist. Vor allem interessiert mich dahingehend, wie sie es geschafft hat so lange allein leben zu können, wenn sie nicht einmal eine Arbeit hat", murmelte Fili sehr nachdenklich. Doch eine Antwort auf seine Frage bekam er nicht von den anderen Drein, sondern von draußen. Nämlich als Thorin mit sehr reumütigem Ton die Sprache wieder gefunden hatte und leicht ratlos fragte: "Und was soll ich deiner Meinung nach tun?" "Zeig ihr, dass es dir wichtig ist, was sie denkt und fühlt. Binde sie mehr in deine Pläne mit ein. Immerhin ist sie nun ein großer Teil davon. Da ist es wichtig, dass du ihr zumindest die Gelegenheit gibst, sich auf euer gemeinsames Leben vorzubereiten. Glaube mir, wenn du ihr nur einmal eine Chance gibst und ihr freie Hand lässt, dann wird sich alles zum Guten wenden", erklärte Balin mit ruhiger, väterlicher Stimme. Nun gab der Zwergenkönig wieder ein hämisches und spöttisches Schnauben von sich. "Wenn das so einfach wäre. Sie lässt mich ja genauso wenig an ihren Plänen teil haben. Sonst hätte ich gewiss verhindern können, dass sie dieses widerwärtige Bündnis mit den Menschen ihrer Welt eingeht, wodurch sie nun gezwungen ist unter diesen erbärmlichen Bedingungen zu leben", meinte er und erneut schlurften seine Stiefel über den Balkon. "Von welchem Bündnis sprichst du da, Thorin?", fragte der alte Zwerg ein wenig verwirrt. Dieser holte einmal tief Luft und atmete dann schwermütig aus, bevor er antwortete: "Sie hat wohl. Einen Bündnisvertrag unterzeichnet, in dem sie sich verpflichtet eine Arbeit zu finden und diese dann wohl auch anzunehmen. Als Gegenleistung für ihre Bemühungen darum, erhält sie Geld zum Leben. Aber du siehst ja, wo sie das hin geführt hat. Es ist eine Schande. Und ich kann ihr dabei nicht einmal zur Seite stehen, weil ich die Gesetze ihrer Welt nicht kenne." "Seit wann weißt du davon?", hakte Balin nach und ich konnte an klang seiner Stimme erkennen, dass er sehr bestürzt darüber war. Thorin seufzte einmal tief und brummte dann ziemlich bedrückt: "Seit heute Morgen. Sie hat es mir gesagt, kurz nachdem wir hier ankamen. Mahal. Balin, du glaubst gar nicht, wie sehr ich jetzt meinen Vater gebrauchen könnte. Sicher hätte er einen angemessenen Rat für mich." Nun schwiegen die Beiden auf dem Balkon erneut und ließen dadurch die Zwerge an meinem Sofa wieder aktiv in Gemurmel ausbrechen. "Ein Bündnisvertrag, der sie dazu zwingt Arbeit zu suchen und so zu leben wie jetzt? Wie abscheulich ist das denn?", fragte Kili, der nun deutlich gereizt klang. "Und das macht sie auch noch freiwillig mit?", fügte Bofur nicht minder verärgert hinzu. "Vielleicht wird sie von irgendwem bedroht und musste es deshalb tun. Ein Lehnsherr, der über diese Ländereien hier herrscht, oder so ähnlich", meinte Oin ruhig. Nach so langer Zeit, die ich ruhig da gelegen und einfach nur zugehört hatte, gab ich ein kurzes, sehr langgezogenes Schnauben von mir. Sie hatten immer noch nicht begriffen, dass es in meiner Welt wesentlich anders aussah wie in ihrer. Gut, sie konnten ja auch nichts von Demokratie und freien Wahlen wissen. Geschweige denn, dass sie wohl das Frauenstimmrecht definitiv überfordern würde. Aber sich zu diesem Augenblick über solche unnützen Sachen den Kopf zu zerbrechen, brachte mir gar nichts. Das würde sich bestimmt später noch irgendwann ergeben, dachte ich ganz kurz, bevor ich mich ein wenig auf meiner Liegefläche bewegt und leise murrte. Inzwischen war mir nämlich so warm unter den Decken, dass ich diese am Liebsten abgeschüttelt hätte. Außerdem hatte ich das dringende Bedürfnis mal aufs Klo gehen zu wollen. Nach den vielen Gläsern Wein am Abend, war das langsam ziemlich nötig. Aber ich vermutete, dass mich die Vier um mein provisorisches Bett herum nicht so ohne weiteres aufstehen ließen. Mein Murren blieb daher auch nicht ungehört und schon fühlte ich Filis Hand wieder an meiner erhitzten Wange. "Cuna? Bist du wach?", fragte er sehr leise und lehnte sich dabei gut hörbar näher an mein Ohr heran. Doch gerade als ich den Mund öffnete um ihm zu Antworten, kamen schwere Schritte vom Balkon, als Balin zu seinem König sagte: "Lass uns hinein gehen und etwas schlafen." "Geh du lieber schlafen. Ich werde die Jungs ablösen und mich um Cuna kümmern", meinte Thorin und schon waren ihre Schritte an meinem Kopfende zu hören. Ein wenig erschrocken zuckte der blonde Junge von mir weg, nachdem sein Onkel aufgetaucht war. Balin schritt unterdessen ziemlich zielsicher durch den Raum und schien sich dann irgendwo ein Plätzchen in der Nähe meiner Küchenzeile zu suchen, wo er sich hinlegte. Der Zwergenkönig blieb zunächst nur schweigend neben meinem Kopfende stehen und musterte wohl im Dunkeln die vier Zwerge, die an meiner Seite saßen. Erst nach einigen Minuten kam er sehr leise und zögerlich zu Wort. "Wie... Geht es ihr?", fragte er ruhig. Oin seufzte kurz, bevor er ihm eine sehr knappe Antwort gab: "Den Umständen entsprechend." Daraufhin gab Thorin ein zustimmendes Brummen von sich und murmelte: "Kili, Fili, Bofur. Geht schlafen. Oin. Kann ich kurz mit ihr alleine sprechen?" "Aber, Onkel. Sie schläft doch", entgegnete Kili mit leicht irritiertem Tonfall, doch dieser gab nur ein belustigtes Schnauben von sich. "Sie schläft nicht. Sie ist schon die ganze Zeit über wach", meinte dieser und hockte sich dann neben mein Kopfende, wo ihm Fili bereitwillig platz machte. "Woher weißt du das?", warf Bofur ein. "Ganz einfach. Wenn sie richtig tief schläft, schnarcht sie schlimmer als Dwalin", erwiderte der Zwergenkönig, woraufhin ich mir ein belustigtes Grunzen nicht verkneifen konnte. "Dir kann man wirklich nichts vorenthalten", murmelte ich schlicht. "Du. Du bist ja wirklich wach", kam es mit überraschtem Ton von Fili. "Ja. Bin ich. Und ich muss mal ganz dringend", erklärte ich, öffnete die Augen und drehte den Kopf leicht zur Seite. Als ich mich ein wenig umsah, konnte ich in dem wenigen Licht, dass von der Kleinstadt zu uns herein kam, lediglich nur schwach ihre Silhouetten erkennen. Sie schienen kurz Blicke auszutauschen, auch wenn ich mir nicht sicher war, ob sie überhaupt etwas sehen konnten. Aber vielleicht ein wenig mehr als ich. Denn Oin beugte sich näher zu mir um erneut den Lappen auf zu nehmen und murmelte: "Ihr solltet aber nicht aufstehen." "Ich werde bestimmt nicht auf mein Sofa pinkeln, Oin", entgegnete ich und versuchte mich ein wenig gequält aufzurichten. Bedauerlicherweise musste ich feststellen, dass es weit schwieriger war, als ich zunächst dachte. Denn die ganzen Decken machten es mir fast unmöglich mich frei zu bewegen. Und zwar so, dass ich kurz nachdem ich mich etwas hoch drückte, wieder zurück sank und dabei mit meinem Hinterkopf, und einem ziemlich schmerzhaften dumpfen 'Klonk' auf meine leicht erhöhte Sofalehne schlug. "Au...", japste ich und kniff die Augen wieder zu. Die Zwerge um mich herum fingen daraufhin spontan an zu glucksen. "Ich hab es Euch ja gesagt", kam es leicht vorwurfsvoll von dem Alten, dem ich nur beleidigt entgegen schnaubte. "Ich könnte alleine aufstehen, wenn ich nicht so gefesselt wäre", brummte ich und versuchte verzweifelt aus meinem Kokon zu befreien. Aber es war ziemlich aussichtslos. Auch da mich allein diese Anstrengung viel Kraft kostete, die ich gegenwärtig einfach nicht mehr wirklich hatte. Als ich es dann doch aufgab, weil mir ein bisschen schwindlig wurde, erbarmte sich schließlich der Zwergenkönig dazu, mich umständlich auszuwickeln. "Also gut. Wenn es nun mal sein muss. Aber du gehst keinen Schritt. Ich trage dich", erklärte er bestimmt. Schweigend nahm ich seine Geste hin, als er sich aufrichtete und die anderen Zwerge beiseite rutschten, damit er mich auf seine kräftigen Arme heben konnte. Einen andere Wahl hatte ich auch nicht. Zumindest, wenn ich mir nicht in die Hose machen wollte. Ich schlang meinen Arm um seine Schultern und ließ meinen Kopf leicht hängend an seine breite Brust sinken. Dann wandte er sich ab und ging umständlich, aber vorsichtig mit mir in Richtung Bad. Wohl bedacht darauf nicht auf einen der Anderen zu treten, die kreuz und quer, wie kleine Hindernisse, im Raum herum lagen. Schließlich erreichten wir das Ziel unserer kurzen Reise und er schloss die Tür hinter sich, nachdem er mich sachte auf dem Klodeckel abgesetzt hatte. Ich zog mir unterdessen selbst die Hosen aus und schlug den Deckel auf, damit ich endlich meine Blase erleichtern konnte. Im Bad war es wesentlich dunkler als im Rest meiner Wohnung. Doch durch das kleine Fenster neben der Wanne kam trotzdem noch genug Licht herein, sodass ich wenigstens sehen konnte wo Thorin stand. Allerdings vermied ich es doch eher tunlichst ihn anzusehen. Es war mir schon ein wenig peinlich so etwas vor ihm zu machen. Und das obwohl wir ja bereits eine Liebesnacht zusammen hatten. Aber manche Dinge waren gerade mir noch in einer Partnerschaft ziemlich heilig und unangenehm. Thorin schien das hingegen gar nicht weiter zu stören. Er hatte sich mit dem Rücken zu mir ans Waschbecken gestellt und wartete schweigend darauf, dass ich fertig wurde. Ich atmete währenddessen ein paar Mal tief durch und schüttelte gelegentlich den Kopf, wenn mir leicht schwindlig wurde. Das Fieber, was Oins Trank bei mir ausgelöst hatte, war schon ziemlich lästig. Aber zumindest beeinträchtigte es mich nicht völlig. So stand ich wenig später zwar etwas wacklig, aber dennoch einiger maßen gerade auf und betätigte die Spülung. Nun rührte sich der Zwergenkönig auch wieder und drehte sich langsam zu mir um. "Bist du dann soweit? Kann ich dich zurück bringen?", fragte er ruhig und schien mich zu mustern, als ich auf blickte. "Muss noch Hände waschen. Geh mal zur Seite", meinte ich und trat mit zwei relativ unsicheren Schritten neben ihn ans Waschbecken. Er machte mir natürlich platz und behielt mich die ganze Zeit über im Auge, während ich mich darüber beugte. Denn ich beschränkte mich nicht nur darauf meine Hände zu säubern, sondern mir auch mehrfach das kalte Wasser ins Gesicht zu klatschen, was ich dringend nötig hatte. "Wie fühlst du dich eigentlich?", fragte er nach einer Weile, als ich diese Prozedur zum fünften Mal wiederholte. "Mir ist verdammt heiß. In meinem Kopf dreht sich gelegentlich alles und diese beknackten Stimmen lassen mich einfach nicht zur Ruhe kommen", meinte ich nur schlicht und seufzte, als mich die melodische Stimme anfuhr, warum ich ihm denn ausgerechnet antwortete. "Ach, halt die Schnauze da oben!", knurrte ich daraufhin und klatschte mir noch einmal Wasser ins Gesicht. "Was sagen sie denn?", hakte Thorin unwillkürlich nach. Ich prustete kurz und schüttelte das nasse Gesicht. "Die eine sagt, ich soll aufhören mit dir zu reden und dich zum Teufel jagen, und die andere redet die ganze Zeit davon, dass ich nicht auf sie hören soll", erklärte ich ihm knapp. Er schnaubte einen Moment und schüttelte ebenfalls den Kopf, als ich zu ihm hin schielte. "Das wäre alles nicht passiert, wenn Bofur nicht so dumm gewesen wäre und dir Alten Tobi gegeben hätte", raunte er daraufhin wieder gereizt. "Lass den armen Bofur da raus. Er hat es nur gut gemeint. Außerdem macht er sich schon genug Vorwürfe deswegen", erwiderte ich ein wenig ungehalten. "Nur weil er es gut gemeint hat, geht es dir jetzt so schlecht. Ich hätte besser auf dich acht geben müssen", brummte er und legte mir dann behutsam seinen Arm um die Hüfte, als ich leicht ins schwanken geriet. "Denk bloß nicht, dass er allein daran schuld ist. Du hast mit deinem Verhalten auch einen Teil dazu beigetragen", knurrte ich und zuckte etwas von ihm weg, da er mir vorsichtig die Lippen an die Schläfe drücken wollte. Nun gab er wieder ein undeutbares Seufzen von sich und lockerte seinen Arm um meine Hüfte wieder etwas. "Ja. Du hast recht. Trotzdem hätte ich aufmerksamer sein müssen. Schließlich bin ich für dich verantwortlich", meinte er dann. Ich schnaubte nur ein wenig beleidigt und stellte den Wasserhahn ab. "Thorin. Du bist nicht für mich verantwortlich. Hör endlich auf mich wie ein Kind zu behandeln. Ich bin eine erwachsene Frau und hätte selbst darauf achten müssen, was ich heute Abend getan habe. Stattdessen hab ich mich einfach zu sehr gehen lassen. Und das Ergebnis. Kennst du ja. Und glaube mir. Ich bereue es aus tiefstem Herzen", sagte ich und wurde bei den letzten Worten immer leiser und nachdenklicher. Schweigen trat zwischen uns ein, als ich mich leicht auf der Stelle zu ihm drehte und versuchte seine dunkle Gestalt anzusehen. Ich wünschte mir einmal mehr in einem solchen Moment, dass ich im Dunkeln sehen und sein Gesicht betrachten könnte. Damit ich zumindest gewusst hätte, wie er sich ansatzweise fühlte. Aber ich vermutete, dass er mich lediglich wieder ausdruckslos und ernst anstarrte. Deswegen brachte es für mich auch nichts ihn weiterhin anzusehen. So senkte ich bald langsam den Kopf und schaute auf meinen gefliesten Badezimmerboden. Wir standen noch eine ganze Weile so still und regungslos voreinander, bis er irgendwann eine Hand hob und mir diese behutsam an meine erhitzte Wange legte. "Du glühst. Ich sollte dich besser zurück bringen, damit du dich hinlegen kannst", meinte er und machte schon Anstalten mich wieder auf seine Arme zu heben, doch ich schüttelte nur den Kopf. "Ich dachte, du wolltest mit mir reden", sagte ich doch er schnaubte nur. "Das kann denke ich unter diesen Umständen bis Morgen warten. Du überanstrengst dich sonst nur unnötig", erwiderte er in einem sanften, ruhigen und sehr besorgten Tonfall. "Nein. Ich will dass wir das jetzt klären, Thorin. Wir sind allein und niemand wird uns stören. Also lass uns auch sprechen", meinte ich und wehrte mich ein wenig, als er erneut dazu ansetzte mich tragen zu wollen. Mein energischer Wunsch nun das Gespräch mit ihm zu führen, schien ihn ein bisschen zu verunsichern und er zögerte plötzlich. Dann seufzte er kurz und brummte: "Also gut. Dann reden wir jetzt. Aber ich möchte nicht, dass du dabei stehst. Setz dich zumindest auf den Boden." Mit diesen Worten drängte er mich bestimmt, aber behutsam in Richtung Badewanne zurück, wo ich ganz vorsichtig am Rand hinunter rutschte und langsam meinen Hintern auf den gefliesten Boden verpflanzte. Er nahm mir gegenüber platz. Ich wartete geduldig, mit dem Rücken an die Wanne gelehnt, bis er sich ordentlich hingesetzt hatte. Danach holte ich einmal tief Luft und fragte: "Wie soll es jetzt mit uns weiter gehen?" Es war eine simple, aber dennoch so komplizierte Frage, die uns beide wohl gegenwärtig sehr zu schaffen machte und beschäftigte. Thorin grummelte kurz und dachte einen Moment über seine Antwort nach. Es fiel sowohl ihm, als auch mir schwer sich die Frage selbst zu beantworten. Und vermutlich konnte das auch sonst niemand. Dennoch versuchte er es zumindest. "Also. Ich habe vorhin mit Balin gesprochen und. Und er sagte, wenn ich fortan mit dir. Nun. Wenn ich weiterhin mit dir zusammen leben wollen würde, dann sollte ich versuchen mehr auf dich einzugehen und dich auch mehr an dem teilhaben zu lassen, was ich tue", erklärte er sachlich, aber dennoch skeptisch und stark verunsichert. "Ja. Ich weiß. Ich hab euch beide reden hören", meinte ich ruhig. Ein wenig erschrocken zuckte er daraufhin vor mir zusammen und murmelte hastig: "Hast du? Wer. Wer denn noch?" Ich kicherte belustigt und konnte mir ein schmunzeln nicht verkneifen. "Alle die bei mir saßen. Ob der Rest im Raum auch was gehört hat, kann ich dir allerdings nicht sagen", erklärte ich und konnte den Zwergenkönig daraufhin schlucken hören. Offenbar hatte er selbst nicht bemerkt, wie laut er sich in meiner Sprache mit seinem ältesten Freund gestritten hatte. "Dann weißt du ja jetzt über alles Bescheid. Und die Anderen wissen es auch. Mahal, was für eine verzwickte Lage. Damit sind beinah all meine Pläne für uns zunichte gemacht. Das kann ich nun wahrlich nicht gebrauchen", sagte er daraufhin schlicht und ließ die breiten Schultern hängen. Der Anblick seiner Gestalt, wie er so zusammen gesunken da saß, berührte mich auf gewisse Weise innerlich. Auch wenn ich nicht ganz verstand, warum es gerade ihn so sehr bedrückte, dass nun einige der Anderen über meine Situation Bescheid wussten. ich vermutete aber, dass es ihm vielleicht einfach nur peinlich war, weil er sich an eine Frau gebunden hatte, die einfach nicht seinem Stand entsprach. Diese Vorstellung betrübte mich persönlich allerdings sehr. Ich hatte in der kurzen Zeit schon so viel mit diesem Zwerg durchgemacht und miterleben müssen, dass ich eigentlich dachte, es könnte ihm egal sein, was seine Männer über unsere Verbindung dachten. Und dennoch spürte ich erneut, dass sich dieser Keil von Tradition und Gesetz zwischen uns beide schob, der eigentlich nicht da sein sollte. Er machte alles nur viel komplizierter und undurchsichtiger. Ich überlegte hin und her, wie ich diesen eventuell verbannen oder beiseite schieben konnte, damit vielleicht doch noch ein Funken Hoffnung für Thorin und mich bestand. Auch wenn die Möglichkeiten schwindend gering waren, etwas zu finden, dass den selben Stellenwert einnehmen konnte, wie einst sein Verlobungsgeschenk an mich. Doch den entscheidenden Denkanstoß gab mir schließlich der Zwergenkönig selbst, der wohl eher in Gedanken vor sich hin brummte: "Wenn ich doch nur mein Vater um Rat fragen könnte. Er wüsste bestimmt, was zu tun wäre." Ein jäher Geistesblitz durchfuhr meinen Gedankengang und ließ mich einen Moment lächeln. Natürlich! Warum war ich da nicht gleich drauf gekommen? Ich wusste, was ich Thorin im Gengenzug zu dem Ring schenken konnte. Etwas das genauso unersetzlich und unwiederbringlich war wie dieser. Doch dafür musste er mir allerdings zunächst behilflich sein, damit ich es ihm geben konnte. Ich richtete mich ein bisschen auf und streckte langsam die Hände nach ihm aus, um sie ihm auf die Knie zu legen. Diese erreichte ich gerade so mit Mühe und Not, und versuchte ihm bedächtig darüber zu streicheln. Er zuckte noch einmal zusammen, als er meine Berührung fühlte und hob etwas den Blick, den er eigentlich gesenkt hatte. "Hör mal, Thorin", begann ich und er brummte kurz, zum Zeichen, dass er mich anhören wollte, ehe ich fortfuhr, "Ich weiß, wie sehr du deinen Vater vermisst und dass du ihn die ganze Zeit über gesucht hast, ohne zu wissen wo er sich aufhält. Aber ich denke ich kann dir helfen ihn zu finden." Der Zwergenkönig legte leicht den Kopf schief und ich glaubte zu wissen, dass er mir einen sehr ungläubigen Blick zu warf. "Wie willst ausgerechnet du mir helfen meinen Vater zu finden? Du warst nie in Mittelerde. Niemand hatte eine genaue Spur. Und ich bin über so viele Jahre jedem Hinweis hinterher gejagt, wie nach einem Gespenst. Was also meinst du, was du da schon ausrichten könntest?", fragte er mit sehr spöttischem und abwertenden Tonfall. Ich ließ mich davon allerdings nicht beirren oder beleidigen, sondern lächelte nur noch breiter. "Thorin. Ich weiß, dass deine Suche damals aussichtslos war. Aber ich weiß, wo er sich seinerzeit aufgehalten hat, als du zusammen mit deinen Männern den Erebor betreten hast", erklärte ich freundlich, doch erneut gab er nur ein spöttisches Schnauben von sich. "Cuna. Bei Durins Bart. Dir scheint das Fieber inzwischen zu sehr zu schaffen zu machen. Du redest wirr", sagte er und legte mir daraufhin wohl eher aus Besorgnis eine Hand auf die Stirn. Ich zuckte aber sofort von ihm weg und grummelte nun ungehalten: "Thorin Eichenschild. Sohn des Thrain. Verdammt noch mal, vertrau mir doch zumindest noch ein einziges Mal in deinem Leben. Auch wenn du eigentlich keinen Grund mehr dazu hast. Bitte. Ich weiß, wo dein Vater ist, oder viel mehr wo er war. Und ich besitze die Möglichkeit es dir zu zeigen", fuhr ich ihn barsch und sehr eindringlich an. "Was denn für eine Möglichkeit? Du kannst nicht nach Mittelerde reisen. Und ich werde gewiss nicht den Arkenstein holen, um dich in deinem Zustand dort hin zu führen. Mir scheint, du hast völlig den Verstand verloren. Du redest schon im Wahn von Sachen, die du nicht verstehst. Besser ich bringe dich wieder zu deinem Schlaflager", grummelte er aufgebracht und wollte mich schon wieder packen und vom Boden auflesen. Doch ich wehrte mich eisern dagegen. "Thorin. Hör endlich auf so stur zu sein! Ich will gar nicht mit Hilfe des Arkensteins nach Mittelerde. Ich besitze andere Mittel dafür. Und wir werden auch nicht direkt dort sein. Wir werden hier im Bad sitzen können und du wirst es sehen und hören können. Gib der Sache doch eine Chance. Gib. Gib mir einfach noch eine Chance. Ich will den ganzen Scheiß von vorhin aus der Welt schaffen und. Und ich will dir damit beweisen, dass. Dass ich es würdig sein kann deine Frau zu sein. Dafür musst du mir nun ein aller letztes Mal vertrauen. Bitte. Ich flehe dich an", bettelte ich beharrlich. Einen Moment lang hielt er inne und dachte über die ganze Sache nach. Dann seufzte er und knirschte leicht betreten und widerwillig mit den Zähnen bevor er wieder mit mir sprach. "Also gut. Schön. Wenn du so darauf bestehst. Aber erkläre mir dann, wie genau du das anstellen willst", grummelte er und behielt seine Hände wieder bei sich. Ich atmete einmal tief und gelassen durch, bevor ich ihm genau aufzählte, was er mir besorgen musste, damit ich ihm das Ganze ermögliche konnte. "Also pass auf. Wenn du das Bad verlässt, steht an der linken Wand, eine einzelne Kiste. Bring sie mir her", meinte ich kurz angebunden und sah ihn ganz bedächtig nicken. "Sonst noch etwas?", fragte er ungeduldig. Ich schüttelte nur den Kopf. "Nein. Nur die Kiste. Und pass auf, dass du die Anderen nicht aufweckst", sagte ich und wenig später erhob er sich seufzend. Ich wartete auf dem Boden hockend, als er kurz das Bad verließ, um mir die Kiste herein zu bringen, die ich gefordert hatte. Dabei ging er für einen Zwerg tatsächlich ungewöhnlich Leise vor und stellte sie nach seiner Rückkehr auch vorsichtig vor mir ab. Wortlos beugte ich mich darüber, öffnete den Deckel und begann darin herum zu kramen. In der Kiste befanden sich, wie ich wusste, einige DVDs und der alte Laptop meines verblichenen Mannes. Diesen zog ich von ganz unten hervor, klappte ihn auf und schaltete ihn an. Zum Glück hatte der Akku trotz einer längeren Ruhepause, noch ein wenig Saft, weshalb sich das Badezimmer bald in seinem kühlen, fast geisterhaften Licht erhellte. Es blende zwar zunächst etwas, aber ich gewöhnte mich schnell daran. Thorin fuhr kurz erschrocken zusammen, als das Gerät surrend und schnaufend an ging. "Was in Durins Namen ist das für ein Ding?", fragte er entsetzt und wich etwas von mir zurück. Ich schmunzelte belustigt, als ich den Kopf hob und sein erschrockenes Gesicht erkannte. "Nur die Ruhe. Das ist ein Gerät, dass die Menschen meiner Welt erfunden haben. Es ist nicht gefährlich, wenn du das denkst. Nein, es ist sogar sehr nützlich. Denn damit kann ich dir genau das zeigen, was ich wollte", erklärte ich und griff erneut in die Kiste, um nach einer ganz bestimmten DVD zu suchen. Und zwar keine Andere, als die 'Extendet-Edtion' von 'Der Hobbit - Smaugs Einöde'. Die dunkelgrüne, dicke Pappschachtel, mit dem eingestanzten Symbol des ereborischen Thrones auf der Rück-, und dem großen Auge von Smaug auf der Vorderseite fiel mir fast schon von selbst in die Hände. Mir war zwar nicht ganz wohl bei dem Gedanken daran ihm ausgerechnet etwas derartiges zu zeigen und ich wusste auch nicht, wie er ausgerechnet auf etwas reagieren würde, dass so gesehen ihn selbst und seine eigene Vergangenheit darstellte. Trotzdem war ich in dem Moment fest entschlossen einfach alles zu riskieren, wozu ich noch fähig war. Egal welchen Preis ich danach zu zahlen hatte. So nahm ich die Hülle heraus, zog den Inhalt hervor und schnappte mir direkt die zweite CD des Spielfilmteils. Der Zwergenkönig beobachtete mich die ganze Zeit über stumm und verwirrt, bis ich die DVD eingelegt und den Film gestartet hatte. "Komm. Setz dich neben mich", sagte ich dann, rutschte ein wenig zur Seite und schob die Kiste etwas weg, sodass er platz hatte. Widerstrebend und in seinen Bart grummelnd, dass das alles reine Zeitverschwendung wäre und ich aufgrund des hohen Fiebers übergeschnappt sei, rutschte er neben mich und starrte dann ratlos auf dem Bildschirm. "Also. Ehe du irgendetwas tust, was ich bereuen könnte. Was genau willst du mir hier zeigen?", fragte er, bevor ich auf 'Play' drückte. "Ganz einfach. Ich zeige dir gleich, wo sich Gandalf befand, als ihr gerade den Erebor erreicht hattet. Du weißt, dass er in Dol Guldur war?", hakte ich kurz nach und musterte ihn eindringlich. Thorin schüttelte nur den Kopf. "Nein. Davon hat er nie gesprochen. Aber ich dachte, du wolltest mir meinen Vater zeigen", murmelte er ungeduldig. Ich nickte nur knapp und erwiderte: "Das werde ich auch. Aber zuvor ist es wichtig, dass du verstehst, was da passiert ist. Denn so gesehen, war es eigentlich Gandalf der ihn gefunden hat." "Gandalf hat ihn gefunden? Warum hat er das nie erwähnt?", fragte er mich und ich zuckte betrübt mit den Schultern. "Ich denke mal, weil du, kurz nachdem ihr euch zum letzten Mal wieder gesehen habt, durchgedreht bist und gleich den großen Krieg ausgerufen hast", meinte ich und sah wie er sich kurz auf die Unterlippe biss. Dann schnaufte er einmal und gab mir im Anschluss die Anweisung dem Gerät zu befehlen, los zu legen. Ich rutschte etwas näher an ihn heran und stellte den Laptop sowohl auf sein als auch auf mein Bein, damit er etwas erhöht zwischen uns stand. Mit leicht zitternden Fingern und einem recht aufgeregtem Herzschlag betätigte ich die Schaltfläche, und schon startete die Szene. Zunächst war nur Gandalf zu sehen, wie er allein durch die alte Festungsruine irrte. Dann gab es einen kurzen Schwenk auf Azog, wobei Thorins Kehle ein wütendes Knurren entfuhr, er aber nichts weiter dazu sagte. Danach schwenkte die Szene wieder auf Gandalf um, der urplötzlich von oben von einem kleinen, sehr gelenkigen, haarigen Männchen angegriffen wurde, dass sich immer wieder auf ihn stürzte und durch die Ruine jagte. Bis der Zauberer es schaffte ihn zu überwältigen und von den Schatten im seinem Geist zu befreien. Thorin fuhr unwillkürlich neben mir zusammen und keuchte entsetzt, als er erkannte, wer diese zerlumpte und abgemagerte Gestalt war. Ich drehte den Kopf zu ihm und begutachtete seine Reaktion. "Vater....", drang es fast Tonlos und ungläubig über seine geöffneten Lippen. Seine blauen Augen waren beängstigend weit aufgerissen und er streckte bedächtig eine Hand nach dem Bildschirm aus. Doch er senkte sie rasch wieder, nachdem er meinen Blick bemerkte. Er klappte zusätzlich noch den Mund zu und starrte dann sehr verbissen weiter auf den Film. Dann war der erste Abschnitt zu Ende, als Thrain gerade sagte, dass niemand dem Berg zu nahe kommen sollte und ich drückte auf Pause. Der Zwergenkönig schloss einen Moment die Augen und fuhr sich mit seinem Arm über die Stirn. "Da war er also? Die ganze Zeit über war er allein an diesem dunklen Ort gefangen?", fragte er mehr zu sich selbst, als an mich gerichtet. "Ja. Soweit ich mal gehört habe, sollen ihm die Schatten von Sauron an diesem Ort den Verstand geraubt haben, bis Gandalf kam", sagte ich und legte ihm behutsam meine Hand auf den kräftigen Oberschenkel. Er drehte sein Gesicht zu mir und betrachtete mich sehr abschätzig und fragend. "Wenn. Wenn Gandalf ihn doch gefunden hat. Warum. Warum hat er mir nichts gesagt? Wieso ist mein Vater nicht mit ihm gekommen, als er ihn gefunden hat?", hakte er nach, wobei seine Stimme um einige Oktaven nach oben rutschte. Nun musste ich jedoch meine Augen von ihm abwenden und biss mir selbst auf die Unterlippe, bevor ich ihm antwortete. "Der Grund. Warum das so war. Den wirst du gleich sehen. Aber ich kann dir jetzt schon sagen, dass es bestimmt nicht leicht für dich sein wird. Doch ich möchte dir vorweg sagen, ehe du es siehst. Dass dein Vater noch eine sehr wichtige Botschaft für dich hatte. Und die ist der Grund, weshalb ich dir das hier zeige", meinte ich ruhig und doch merkte ich, dass meine Stimme ein wenig belegt klang. Ich spürte wie Thorin sich neben mir kurz zurecht rückte, seinen Arm um meine Schultern legte und mir dann gefasst ins Ohr murmelte: "Dann. Zeig mir die Botschaft." Ich nickte langsam und schaltete bei den einzelnen Kapitel weiter vor, bis ich schlussendlich bei der letzten Szene von Thrain angelangt war. In dieser ging es drunter und drüber. Gandalf und er wurden von Azog und seinen Wargreitern durch Dol Guldur gehetzt. Die Hand des Zwergenkönigs an meiner Schulter spannte sich heftig an und drücke fest zu, als er dabei zusah, wie die beiden um ihr Leben rannten, bis sie schließlich vor dem schrecklichsten aller Wesen zu landen, das Mittelerde heimgesucht hatte. Sauron. In dieser ausweglosen Situation, in der es für den Zauberer und den alten Zwerg keine Hoffnung mehr gab heil aus der Festung heraus zu kommen, sagte Thrain genau die Worte, wegen denen ich den Film überhaupt heraus gesucht hatte. "Sag Thorin, dass ich ihn geliebt habe. Wirst du das tun? Wirst du meinem Sohn sagen, dass ich ihn geliebt habe?", drang es ein wenig verzerrt, aber gut hörbar aus den Lautsprechern des kleinen Gerätes. Dann ging alles ganz schnell, der Schatten griff nach dem kleinen Mann, riss ihn von Gandalf Seite mit einem grausamen Schrei fort und er war nie wieder gesehen. Thorin entfuhr ein halb ersticktes Keuchen und fast selbst ein Schrei, als er die ganze Grausamkeit mit ansehen musste. Sein Körper bebte und zitterte in diesem Moment stark. Seine Hand an meiner Schulter drückte immer fester zu. Dann knurrte er plötzlich zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hindurch: "Mach. Das. Aus." Ich gehorchte sofort. Klickte so schnell ich konnte das Abspielprogramm weg, klappte den Laptop einfach zu und stellte ihn umgehend soweit es mir möglich war auf die Seite. Dann wartete ich. Ich sagte kein Wort und versuchte auch sonst keinen Laut von mir zu geben. Die Stille, die über uns beide herein brach, war bis zum Zerreißen gespannt. Ich spürte immer noch, wie er neben mir heftig zitterte und fürchtete schon fast, dass er mir die Schulter brechen würde, wenn er nicht bald seinen Griff etwas lockerte. Dann hörte ich etwas. Etwas das ich nie zuvor von ihm gehört hatte. Und es erschreckte und verblüffte mich gleichermaßen. Er schniefte. Nein. Bei genauerem hinhören stellte ich sogar fest, dass er schluchzte. Thorin Eichenschild, der König unter dem Berge, der ehrenhafteste aller Zwerge Mittelerdes, saß in den Moment neben mir in dem inzwischen wieder dunklen Badezimmer und begann haltlos zu schluchzen. Und ich hockte nur bei ihm und starrte seine Gestalt in der Finsternis an, ohne mich zu rühren. Allerdings rührte sein plötzlicher Gefühlsausbruch in mir an etwas, sodass ich irgendwann nicht anders konnte, und versuchte langsam und vorsichtig auf ihn ein zu reden. "T-Thorin?", hakte ich ganz leise nach. Doch das Einzige, was ich von ihm daraufhin zu hören bekam, war nur ein Gestottertes und Bebendes: "Er. Er hat mich geliebt. Seine. Seine letzten Worte. Er. Er liebte mich." Ich musste schlucken, als ich hörte wie viel Schmerz in jeder Silbe seiner Worte mit schwang. Immer noch drückte seine Hand meine Schulter so fest, dass bald mein Arm taub wurde. Es machte mich sehr beklommen und ich bekam auch ein wenig Angst davor, da ich nicht wusste, was er als nächstes tun und ob er vielleicht ausrasten würde, wenn ich die Sache noch weiter ansprach. Auf der anderen Seite hatte ich das dringende Verlangen ihn zu trösten und einfach fest in den Arm zu nehmen. Irgendwann überwog schließlich dieser Drang bei mir und ich legte vorsichtig wieder eine Hand auf seinen Oberschenkel. Ich sagte allerdings nichts. Ich war einfach nur da. Als er den leichten Druck an der Stelle fühlte, brach sein Schluchzen plötzlich ab. Es folgte ein erneuter Moment der Stille in der die Sekunden nur sehr langsam dahin strichen. Dann, als hätte er gerade erst wieder erfasst, dass er nicht allein war, lockerte sich sein Griff an meiner Schulter und er zog seinen Arm etwas zurück. Doch binnen weniger Augenblicke drehte er seinen Oberkörper komplett zu mir um und ergriff mich mit dem anderen Arm. Das Nächste, was ich spürte war, dass er mich fest an sich presste. Danach hörte ich nur noch seine wunderschöne, tiefe Stimme ganz nah an meinem Ohr, die mir abgehackt und noch unter einigen verirrten Tränen, genau das Wort zu murmelte, mit dem ich in diesem Augenblick am wenigsten gerechnet hatte. "Âzyungâl!" - 81. Von Vater zu Sohn / ENDE - Kapitel 82: 82. Katerstimmung ----------------------------- Die ersten Dinge die ich mich fragte waren, wo bin ich? Was war geschehen? Und warum rannte Klaus-Günther wieder fröhlich mit seinem übergroßen Hammer durch meinen Schädel, und schlug auf mein armes Hirn ein? Ja, ich hatte inzwischen dem kleinen Mann, der gelegentlich in meinen Schädel Amok lief einen Namen verpasst. Während der Zeit auf der letzten Zeltstadt war er fast mein ständiger, treuer Begleiter geworden. Besonders nach den ausgiebigen Trinkgelagen der Zwerge. Nun war er auch wieder da und verpasste mir einen sehr unangenehmen Weckruf. Doch nicht nur mein Kopf bereitete mir große Schmerzen. Nein. Nachdem ich zumindest langsam wieder zu mir kam, bekam ich auch ungewollt und nacheinander meine restlichen Körperteile zu spüren. Zunächst war da mein Rücken, dann mein Nacken und schließlich mein Hintern auf dem ich saß. Irritiert ging ich kurz noch ein paar Mal die Reihenfolge der Schmerzen durch und brummte ungewollt genervt. Das warf für mich neue Fragen auf. Wieso saß ich eigentlich? Hätte ich nicht liegen müssen? Normalerweise schon, dachte ich. Aber irgendetwas, oder vielmehr irgendjemand hielt mich fest. Denn ich konnte spüren, dass eine raue, grobe Hand meinen linken Arm fest umschlossen hatte. Hinter meinem Rücken befand sich ein weiterer Arm, der mich an meiner Hüfte umklammerte. Meinen rechten Arm konnte ich gar nicht bewegen, weil dieser zwischen mir und dem anderen Körper eingeklemmt war. Mein Kopf ruhte an einer breiten, kräftigen Schulter und auf diesem lag ein weitrerer ziemlich schwerer Schädel, der meinen eigenen ein bisschen herunter drückte. Das erklärte damit zumindest schon einmal die Schmerzen in meinem Nacken. Ein bisschen verwirrt rutschte ich an den bisher noch unbekannten Körper heran, der kurz laut aufschnarchte und mich dann noch einmal fester an sich zog. Das brachte mich vorerst zu Frage zwei in meinen sich sehr langsam drehenden Gedanken. Doch dank Klaus-Günthers Bemühungen, mein Erinnerungsvermögen ordentlich durch zu klopfen, bevor ich richtigen Zugriff darauf hatte, gab ich mich zunächst einmal den bestehenden Fakten hin. Und zwar waren da einmal ich, dann dieser andere Körper, der gelegentlich ein Brummen oder Schnarchen von sich gab und schließlich noch die Tatsache, dass ich irgendwo auf einem sehr harten Boden saß. Aber da war noch etwas. Es war vielleicht nur eine banale Kleinigkeit. Aber es war da. Ich spitzte kurz die Ohren. Ziemlich dumpf und leicht verzerrt, konnte ich Geräusche hören. Ich strengte meine Lauscher noch ein wenig mehr an, um festzustellen woher diese kamen und wer sie verursachte. Mein Gehör schien ziemlich empfindlich geworden zu sein. Denn ich konnte zumindest dahingehend schon einmal sagen, dass sie nicht an dem selben Ort waren wie ich und der fremde Körper neben mir. Zum Einen waren da Stimmen und zum Anderen ein ziemlich nervtötendes Geklapper von Geschirr, das hin und her geräumt wurde. Ich schnaufte einmal und grummelte vor mich hin. Wie zur Antwort darauf, gab der andere Körper ebenfalls ein solches Geräusch von sich. Als ich danach einmal ganz tief durchatmete, stieg mir ein sehr vertrauter, wohltuender Duft in die Nase, der meinen Körper trotz der ungelenken Haltung entspannen ließ. Ganz langsam kamen einzelne Bilder in mein verkatertes Bewusstsein. Doch sie ergaben für mich vorerst keinen Sinn. Ich erinnerte mich an eine überschwängliche Zwergenparty. An viel Gesang, an Wein, an Pfeifenkraut und an einen ziemlich bösen Streit. Ja! Der Streit! Plötzlich fiel es mir wieder ein. Ich hatte mit Bofur zusammen etwas geredet und dabei Alter Tobi geraucht. Danach war ich wegen irgendetwas sehr wütend auf Thorin gewesen. Ich hatte ihn geohrfeigt. Ihn angebrüllt, beschimpft und beschuldigt mich hintergangen zu haben. Dann erinnerte ich mich an Kälte und unerbittliche Stimmen in meinem Kopf, die sich gegenseitig bekriegten. Ich war unter diesem Druck zusammen gebrochen. Oin hatte mir einen Trank verabreicht, von dem ich hohes Fieber bekommen hatte. Ori war ausgerastet und hatte sich mit Thorin angelegt, der den armen Jungen wegen seiner Frechheit beinahe eine ordentliche Tracht Prügel verpasst hätte, wenn Dwalin nicht beherzt dazwischen gegangen wäre. Mein Herz begann mit einem Mal unheilvoll heftig zu pochen und mein Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Ich hatte so viele schlimme Dinge gesagt und getan. Dinge, die ich inzwischen bis in alle Ewigkeit verdammte und bereute. Aber waren diese überhaupt von mir gekommen? Nein. Waren sie nicht, stellte ich kurz drauf fest. Das hatte mir alles diese schauderhafte, melodische Stimme eingebrockt, die in meinem Geist wie ein Berserker herum gewütet hatte. Zumindest so lange, bis sich anscheinend mein eigenes Gewissen eingeschaltet und mit dieser um die Gewalt über meine Gedanken gekämpft hatte. Dieser Kampf hatte ja schlussendlich dazu geführt, dass es mir sehr schlecht gegangen war. Klangrausch. So hatte es Oin genannt. Daran erinnerte ich mich auch noch. Und an ein sehr ernstes Gespräch, das Balin mit Thorin auf meinem Balkon geführt hatte. Was danach passiert war, kam mir mehr so vor wie ein eigenwilliger, verwirrender Traum. Der Zwergenkönig und ich waren ins Badezimmer gegangen. Wobei eigentlich nur er gegangen war und mich dabei getragen hatte. Dort hatten wir miteinander geredet, nachdem ich mit der Sache, die man normalerweise in einem Bad tut, fertig geworden war. Schließlich war ich auf die unmögliche Idee gekommen, Thorin den Film Smaugs Einöde in der Extendet Version zu zeigen, damit er die letzten Worte seines verstorbenen Vater erfuhr. Von da an wurde dieser mutmaßliche Traum noch viel unglaubwürdiger. Der Zwergenkönig hatte geweint. Etwas was er unter normalen Umständen nie tun würde. Aber da hatte er tatsächlich geweint. Und das war noch nicht alles. Er hatte mich ganz fest an sich gedrückt und genau das Wort gesagt, das er wohl nie aus freien Stücken zu mir gesagt hätte. Zumindest nicht unter Tränen und in einem lausigen, kleinen Badezimmer, wie dem in meinem Apartment. Das war wirklich zu albern und unrealistisch. Ein stolzer, ehrenhafter und lebenserfahrener Zwerg wie Thorin Eichenschild würde niemals so rührselig werden. Folglich musste ich das alles nur geträumt haben. Zumindest den letzten Teil. Der Streit hingegen war echt gewesen. Das machte ich schon daran fest, dass meine Handfläche immer noch leicht pulsierte und sich etwas geschwollen anfühlte. Der Schlag musste aber auch gesessen haben. Nur war ich nicht mehr ganz so zufrieden und glücklich damit. Im Gegenteil. Es tat weh. Nun gut, die Hand nicht so sehr, aber tief im Innern zerriss es mich fast. Die Worte, die mir aus dem Mund gefallen waren und alles andere, setzte mir in meinem schlaftrunkenen, verkaterten Zustand gehörig zu. Ich hatte die Party ruiniert. Die Zwerge waren bestimmt immer noch stinkig auf mich. Thorin vermutlich mit eingeschlossen. Denn wenn ich die letzte Sache geträumt hatte, dann wäre wohl alles aus. Unsere Beziehung wäre mit sofortiger Wirkung beendet und er würde verschwinden. Doch irgendwie ergab das für mich gerade auch keinen Sinn. Wenn ich davon ausging geschlafen zu haben. Und das hatte ich zweifellos. Wieso lag ich dann nicht immer noch auf dem Sofa? Warum saß ich irgendwo und wurde von jemanden fest und schützend im Arm gehalten? Und erst dieser wundervolle, betörende Duft den derjenige verströmte. Ich war so durcheinander und verzweifelt, weil mein Kopf vom Nachdenken darüber immer heftiger pochte. Zumindest Klaus-Günther hatte seinen Spaß. Nur ich eben nicht. Ich fühlte mich beschissen. Mir tat alles weh, meine Nerven lagen blank und zu allem Überfluss merkte ich, dass sich in meiner Kehle ein ziemlich dicker Kloß bildete, der bei meinem nächsten Atemzug ein leises Schluchzen verursachte. In dem Moment regte sich die Person, die mich festhielt mit einem Mal. Sie zuckte mit dem Kopf hoch und brummte mit einer sehr fragend klingenden Tonlage vor sich hin. Dann löste sich die Hand von meinem Arm, glitt bedächtig weiter nach oben zu meiner Schulter und hielt schließlich an meiner Wange inne. Der andere Arm hinter meinem Rücken lockerte sich fast gleichzeitig von meiner Hüfte und wanderte meinen Rücken nach oben und danach wieder nach unten. Die Person begann mich langsam und ruhig zu streicheln, während ich spürte, dass mir kleine, feuchte Rinnsale aus meinen geschlossenen Augen liefen. Einer davon wurde aber von einem schweren Daumen umgehend unterbrochen und plötzlich vernahm ich sehr leise eine tiefe, sanfte Stimme, die meinen Namen sagte. "Cuna?", fragte sie und ich schniefte kurz zur Antwort. Doch das war der Person offenbar nicht genug. Denn sie bohrte weiterhin nach. "Cuna? Bist du wach?", brummte sie und das Streicheln wurde ein bisschen intensiver. Ich öffnete den Mund ein bisschen um eigentlich 'Ja' zu sagen. Doch stattdessen brachte ich nur ein einfaches kurzes 'A' zustande. Mein Hals fühlte sich so rau und trocken an. Ich konnte meine Zunge kaum lösen. Aber die Person kümmerte sich nicht weiter darum, dass ich nicht so wirklich die Zähne auseinander bekam. Sie redete einfach weiter auf mich ein. Dabei wurde sie mit der Zeit ein wenig lauter und deutlicher. "Cuna. Was hast du? Warum weinst du denn? Kannst du mich überhaupt verstehen? Sag irgendwas", befahl sie schlussendlich. Ich atmete einmal zitternd und tief ein, bevor ich ein knappes Räuspern von mir gab und fast Tonlos sagte: "Irgendwas." Die Person gab daraufhin ein zum Teil belustigtes, aber auch besorgtes Schnauben von sich, ehe sie mir erneut die letzten Fragen stellte. "Nun sag schon. Was hast du? Warum weinst du?", wiederholte sie und zog mich etwas enger an sich heran. Ich schniefte nur und schlag meinen inzwischen von der Hand befreiten Arm um den Bauch der Person, wobei ich meine Finger in dessen Leinenhemd festkrallte. "Ich. Ich hab großen Mist gebaut", wimmerte ich und noch mehr Tränen rollten unter meinen geschlossenen Augenlidern hervor. "Hast du das? Wie kommst du darauf?", hakte sie weiter nach. "Ich. Ich hab schlimme Dinge getan. Und. Und gesagt. Alle sind böse auf mich. Ich hab. Ich hab den Mann den ich. Den ich so sehr liebe vergrault", stammelte ich und mit jedem Wort schüttelte es meinen erschöpften Körper etwas mehr. Nun hörte ich die Person plötzlich belustigt und leise auflachen. Das verwirrte meine ohnehin schon chaotischen Gedanken noch mehr. Und erst recht, als die Person immer noch lachen erwiderte: "Oh Mahal. Du träumst wohl immer noch. Komm mal langsam zu dir und mach die Augen auf." Wie auf Kommando versuchte ich meine schweren Lider auf zu zwingen. Nachdem ich ein paar Mal ganz kurz geblinzelt hatte, gab ich ein leidiges Stöhnen von mir. Der Raum wo ich mich befand, war hell erleuchtet. Die Umgebung blendete mich, sodass ich mühe hatte alles klar und deutlich zu erkennen. Doch als sich meine Augen ein wenig an die Helligkeit gewöhnt hatten, war das Erste was ich sah, eine Aneinanderreihung von weißen Fliesen an der Wand mir gegenüber und ein brauter karton auf dem 'DVD's' stand. Ich hob den Kopf ein Stückchen und drehte diesen dann bedächtig von der Person weg, die die Hand an meiner Wange dafür etwas lockerte. Da war ein Waschbecken. Nicht weit entfernt von uns. Daneben standen meine Waschmaschine und der Trockner aufeinander gestapelt. Als nächstes erreichte ich eine Tür und schließlich hielt ich beim Klo inne, bevor mir ungläubig der Mund aufklappte. Mir wurde schlagartig bewusst wo ich war und schüttelte einen Moment lang ungläubig den Kopf. Ja, es gab keinen Zweifel. Das war mein Badezimmer. Doch etwas stimmte daran nicht. Ich sollte eigentlich gar nicht dort sein. Und schon gar nicht einen solchen unglücklichen Blickwinkel auf alles haben. Ja richtig. Ich saß auf dem Boden. Auf dem Boden, in meinem Badezimmer, in meinem Apartment. Meine Güte. Für die Länger der Zeit, die ich brauchte, um zu begreifen wo ich war, verdiente ich in diesem Augenblick wirklich den Blitzmerker Pokal. Und ich hätte noch einen weiteren für die Tatsache verdient, dass mir endlich klar wurde, wer mich die ganze Zeit über im Arm gehalten hatte. Als ich nämlich ruckartig meinen Kopf wieder zurückdrehte, was ein unschönes Knacken in meinem Genick verursachte, saß direkt zu meiner Rechten der Zwergenkönig und warf mir ein ziemlich freches Schmunzeln zu. Immer noch stand mir der Mund sperrangelweit offen und ich blinzelte einige Male, bis ich es schaffte diesen zumindest halbwegs wieder zu schließen und ein ungläubiges "Thorin?", von mir zu geben. Aus seinem Schmunzeln wurde ein breites Grinsen und er murmelte: "Gamut manun ai-menu, Âzyungâl." Wieder blinzelte ich und schüttelte irritiert den Kopf. "B-bitte was? Was ist kaputt?", fragte ich stammelnd. Er lachte daraufhin kurz und erwiderte: "Nichts ist kaputt. Ich sagte nur, Guten Tag, Âzyungâl." "Ähm. Wie? Was? Guten Tag? Was? Wo? Atzunal? Hä?", stotterte ich völlig verpeilt, doch noch ehe ich weiter so vor mich hin lamentieren konnte, drückte er mich binnen Sekunden lachend an sich und presste mir unversehens seine weichen, warmen Lippen an die Stirn. Dann brummte er zufrieden und löste sich wieder, um mir ins Gesicht zu sehen. "Gut. Dein Fieber ist runter. Wie fühlst du dich?", fragte er sanft und versuchte mir tief in die Augen zu sehen. Ich zuckte aber vorerst nur mit den Schultern und nuschelte: "Ich habe Kopfschmerzen, mir tun sämtliche Glieder weh und ich habe das Gefühl einen alten Pfirsich gegessen zu haben." "Das ist nach dem gestrigen Abend auch kein Wunder. Mir scheint aber, dass du auf dem Wege der Besserung bist. Was machen die Stimmen in deinem Kopf?", hakte er nach und legte seine Stirn mit einem zärtliche Lächeln gegen die meine. Als ich dadurch seinen Blick erwiderte, musste ich ein wenig verwundert meine Augenbrauen heben. Seiner wunderschönen, blauen Augen sahen an diesem Morgen völlig verändert aus. Freundlicher, fröhlicher. Man hätte meinen können, er sei während der Nacht buchstäblich um fast hundert Jahre jünger geworden. Er war beinahe nicht wieder zu erkennen. Und erst dieses charmante Lächeln, das sich über seine edlen Züge ausbreitete. Mir blieb einen Augenblick lang die Luft weg, als mir davon einige Schmetterlinge durch den Bauch flogen und mein Herzschlag sich beschleunigte. Dann fiel es mir plötzlich auf. Die Stimmen. Wo waren die Stimmen hin? Ich horchte kurz in meinen Kopf hinein. Doch da hämmerte nur noch der gute Klaus-Günther herum. Wenn auch nicht mehr ganz so heftig wie am Anfang. Aber die beiden Stimmen, die mich so sehr mit ihrem Kampf gequält hatten, waren nicht mehr aufzufinden. Sie waren und blieben verschwunden. Meiner Kehle entkam ein erschrockenes, aber fast euphorisches Keuchen, als mir dies langsam bewusst wurde. "Weg. Sie. Thorin, sie sind weg!", platzte es fassungslos aus meinem Mund und ich spürte, wie mein Gesicht langsam zu strahlen begann. Thorins Lächeln wurde breiter und er schloss einen Moment erleichtert die Augen. "Mahal sei dank. Du bist erlöst", murmelte er zufrieden und erleichtert. Dann neigte er seinen Kopf etwas zur Seite und legte mir behutsam seine Lippen auf den Mund. Sofort schossen wieder gewaltige Ströme von Hitze durch jede Faser meines Körpers. Ich hob langsam meine Arme, die ich nun beide wieder bewegen konnte und schlang sie ganz behutsam um seinen Körper, während ich bedächtig seinen Kuss erwiderte. Ich war so glücklich. So über alle maßen glücklich, dass ich fast schon wieder in Tränen ausgebrochen wäre. Doch das schluckte ich es in diesem Moment einfach herunter und genoss stattdessen die Stille in meinem Kopf. Und natürlich den Mann an meiner Seite, der seinen Griff wieder etwas verstärkte. Sein Duft, seine Berührungen, das Kitzeln seines Bartes unter meiner Nase und sein warmer Atem, der mein Gesicht streichelte, versetzten mich in eine Art Trance, der ich mich in diesem einmaligen und euphorischen Moment nur zu gerne hin gab. Ihm erging es im Gegenzug wohl genauso. Er packte auch umgehend die Gelegenheit buchstäblich beim Schopf und fuhrt mit einer Hand über meine Wange, durch mein Haar, bis an meinen Hinterkopf, wo er seine Finger hinein krallte, um mich noch inniger und leidenschaftlicher zu Küssen. Mein Mund öffnete sich ein Stückchen und ein fast lüsternes Keuchen erklang in meiner heftig bebenden Brust. Auch meine Hände schoben sich bald etwas höher und fuhren ihm unter den Haarschopf, damit ich ihn im Nacken kraulen konnte. Daraufhin brummte er sehr entspannt und begann nun behutsam mit seiner Zunge gegen meine halb geöffneten Lippen zu klopfen. Eine stumme, aber sehr deutliche Aufforderung, mit in sein Spiel einzusteigen. Ich kam dieser Bitte liebend gerne und umgehend nach. Ich ignorierte sämtliche Schmerzen in meinem Körper und auch Klaus-Günther, dem diese Knurtscherei wohl nicht so recht passte. Aber der sollte nur vor sich hin klopfen. Mir war nun einfach alles egal. Mir war egal, was ich am Abend zuvor sagte. Mir war egal, was passiert war und was ich getan hatte. Für mich zählte nur noch dieser Moment der innigen Zweisamkeit, der langsam aber sicher in eine sehr unanständige Fummelei ausartete. Sicher, es war wohl nicht gerade in unserer Situation angebracht, sich so gehen zu lassen und übereinander her zu fallen. Vor allem wenn sich offensichtlich im Nebenraum noch jemand befand, der dies hätte hören können. Aber wer schon einmal frisch verliebt war, der konnte durchaus verstehen, dass solche amourösen Gelüste dem Partner gegenüber einfach keine Tageszeiten und Gelegenheiten kannten, die passend wären. Wenn es kam, dann kam es. Und dann sollte man es auch in vollen zügen genießen. Was wir auch dementsprechend taten. Es war für mich einfach eine Erlösung und so befreiend. Und das schönste an der ganzen Sache war, dass er mir immer wieder in einzelnen Abständen zwischen den Küssen, das Wort "Âzyungâl" zu hauchte. Mir wurde schier schwindlig davon, weil er jeden einzelnen Buchstaben so herrlich mit seiner tiefen Stimme betonte, dass es fast schon weh tat. Es erregte sämtliche primitiven Gelüste in mir und ich flehte ihn immer wieder an es zu wiederholen, so oft es ging. Und jedes Mal durchfuhr mich dabei ein ganzer Schwall an Hitze und die Schmetterlinge tanzten Samba in meinem Bauch. Durch diese innigen Gesten wurde für mich eines unumstößlich. Er hatte mir verziehen. Hatte alles vergeben und vergessen. Und mich endlich als sein Weib angenommen. Diese Tatsache berauschte mich weit mehr, als es die Klänge, der Wein und der Alte Tobi jemals zustande gebracht hätten. Und dieser Rausch war noch dazu schöner. Weit schön. Wobei ich mich aber nicht wirklich einigen konnte, ob ich es Liebes- oder schon Lustrausch nennen konnte. Denn irgendwann befand ich mich auf dem Rücken liegend unter seinem Körper, mit seiner Hand unter meinem T-shirt und kurz davor diese an meiner Oberweite wieder zu finden, während meine sich etliche Etagen tiefer an der Verschnürung seiner Leinenhose zu schaffen machte. Wir waren wirklich gut dabei und ignorierten völlig unsere Umgebung. Diese Unachtsamkeit wurde uns dann auch zum Verhängnis, als plötzlich jemand die Badezimmertür aufstieß mit den Worten: "Ich sehe mal nach was die Beiden so treiben." Im selben Moment umfasste Thorin meine Brust und ich hatte gerade meine Hand in seine Hose zu seinem Schmiedehammer gleiten lassen, sodass dieser unanständig laut aufstöhnte: "Oh, Âzyungâl!" Ich hingegen hatte allerdings den ungebetenen Zuschauer bemerkt und drehte ruckartig mit einem erschrockenen Aufschrei den Kopf Richtung Tür. Sofort hielt ich in meinen Bewegungen inne, was der Zuschauer auch tat. Thorin hingegen wunderte sich lediglich, dass ich mich plötzlich ein wenig verkrampfte und fragte mit geschlossenen Augen: "Was ist? Hab ich dir weh getan?" Ich schluckte nur deutlich hörbar und hauchte ein wenig abgehackt und heiser: "Thorin. Wir. Haben. Besuch." Nun öffnete er die Augen und sah erst mich an, bevor er meinem Blick folgte. Dort an der Tür stand ein völlig verdatterter und ebenso leicht verkatert aussehender Kili, dem nicht nur die Augen bald aus dem Kopf fielen, sondern auch der Kiefer ausrenken musste, so weit wie sein Mund offen stand. Keiner von uns sagte noch ein Wort. Wir starrten uns nur vollkommen entsetzt gegenseitig an. Das war wohl der bisher peinlichste Moment im Leben aller Beteiligten. Zu allem übel kam auch noch von Balin die leidige Frage aus dem Apartment: "Und? Wie sieht es aus, Kili? Was treiben die Beiden?" Der Junge bewegte daraufhin zwar verdattert den Mund, aber keine Worte kamen heraus. Daraufhin schüttelte er nur heftig den Kopf und wendete sich hastig von dem Bild ab, was sein Onkel und ich ihm da geliefert hatten. Doch auch wir erwachten aus unserer Schockstarre und richtet eilig unsere Klamotten. Wir waren eben noch fertig geworden, kurz bevor der alte Zwerg den Kopf neugierig zu uns herein Stecke und nach hörte, warum er denn von dem Jungen keine Antwort bekam. Dieser stürmte wenig später einfach an ihm vorbei ins Apartment zurück und Balin sah ihm nur mit hochgezogenen Augenbrauen hinterher, bis er sich schließlich uns widmete. "Oh. Ihr beiden seid ja schon wieder putzmunter. Das ist schön zu sehen", sagte er mit einem väterlichen Lächeln und trat ein. Er kam genau auf mich zu und musterte mich eingehend ehe er fortfuhr," Wie geht es Euch heute, Cuna? Fühlt Ihr Euch besser?" Ich nickte nur sehr steif und strich mir verlegen einzelne Haarsträhnen hinter die Ohren, die allerdings nicht an Ort und Stelle bleiben wollten. Doch der alte Zwerg schien meine Unsicherheit gar nicht zu bemerkten, oder eben höflicherweise zu ignorieren und ergänzte: "Schön. Sehr schön. Aber Ihr solltet Euch vielleicht noch etwas ausruhen. Ihr wirkt noch leicht erhitzt und habt offenbar noch glänzende Augen, wenn ich das richtig sehe." Wieder nickte ich nur und konnte einfach meine Schamröte nicht verbergen, die mir deutlich spürbar ins Gesicht schoss. Balin hatte zwar nichts mehr von der überschwänglichen Fummelei mitbekommen, aber das mit Kili war schon schlimm genug. Mit Sicherheit würde es später noch einiges an Redebedarf geben. Aber bis es soweit war, erhob sich der Zwergenkönig mit einem verhalten Räuspern vom Boden und sah seinen alten Freund eindringlich an mit den Worten: "Geh doch schon mal zu Oin und sag ihm, dass er sich Cuna gleich noch einmal ansehen soll, wenn wir zu euch kommen." Der Alte hob verwundert und argwöhnisch die Augenbrauen bis unter seinen Haaransatz, aber er entgegnete dem nichts, sondern gehorchte stumm und verschwand wieder aus dem Badezimmer. Nachdem hinter ihm die Tür ins Schloss gefallen war, gaben Thorin und ich gleichzeitig ein lange gezogenes und beschämtes Stöhnen von uns, ehe wir uns gegenseitig ansahen. "Wer erklärt es ihm?", fragte ich prompt und ohne die ganze Sache schön zu reden. Denn daran gab es nichts, was man schön reden konnte. Der Junge hatte uns in dieser verfänglichen Situation erwischt und nun mussten wir dafür auch die Verantwortung tragen. Dementsprechend betreten fuhr sich Thorin mit sehr beflissener Miene über seine Stirn und durch die Haare bevor er auf meine Frage antwortete: "Ich mache das nachher. Das ist, denke ich, eine Sache unter Männern." Ich nickte ihm zu und versuchte nun ebenfalls langsam auf meine Beine zu kommen. Die waren allerdings noch ziemlich wacklig, weshalb ich mir zusätzlich von ihm helfen lassen musste. Er reichte mir auf eine ruhige Bitte hin seine Hand und zog mich langsam nach oben. Nachdem ich stand, schwankte ich noch ein klein wenig und hielt mich kurz am Waschbecken fest. Dabei warf ich einen Blick in den Spiegel und wäre fast vor mir selbst erschrocken. Ich sah, um es noch milde auszudrücken, ziemlich bescheiden aus. Nicht nur dass ich rote Wangen vor Scham und glänzende Augen von dem vorangegangenen Liebesspielchen hatte. Nein, ich hatte auch noch dunkle Schatten darunter und meine Haare wuselten mir so wirr um den Kopf herum, dass ich aussah, als wäre ich in einen Tornado geraten. Zu allem Übel ließen sich diese noch nicht einmal einfach so mit der Hand platt drücken und zurecht rücken. Für gewöhnlich war ich nicht so Eitel, was mein Erscheinungsbild anging, wenn ich zuhause war. Aber da ich immer noch Besuch in der Wohnung hatte, wollte ich nicht unbedingt so aussehen, wie Harry Potter auf Drogenentzug. Selbst wenn das die Zwerge nicht weiter gestört hätte. Mich störte es sehr. So fackelte ich auch nicht lange, stellte den Wasserhahn an und steckte sofort den Kopf unter das kühle Nass. Ich gab ein kurzes Quietschen von mir, als ich den ersten Schwall abbekam, bevor ich dann versuchte alles wieder soweit in Ordnung zu bringen. Thorin beobachtete mich die ganze Zeit, wie ich so ungelenk über dem Becken gebeugt hing und gab gelegentlich ein belustigtes Schnauben von sich, wenn ich mich schüttelte. "Brauchst du Hilfe?", fragte er irgendwann, nachdem ich den Hahn wieder geschlossen hatte und unter dem tropfnassen Vorhang meiner Strähnen tief durchatmete. "Nein. Das schaff ich schon", murmelte ich pustend und rang meinen Schopf so gut ich konnte mit den Händen aus, bevor ich diese in den Nacken warf. Wobei ich aber eher ungewollt den Zwergenkönig nass spritzte. "Cuna!", fauchte er mich grummelnd an und wischte sich schmollend einzelne Tropfen aus dem Gesicht. Ich gluckste nur und erwiderte: "Ach? Ist der werte König Wasserscheu?" Er grunzte nur entrüstet. "Nein. Bin ich nicht. Ich mag es nur nicht einfach so nass gemacht zu werden", raunte er eingeschnappt, während ich meine Strähnen sortierte. Das Wasser hatte nur bedingt geholfen. Immer noch hingen sie zum Teil kreuz und quer um meinem Kopf herum und fielen mir in die Augen. Ganz egal wie sehr ich auch dagegen ankämpfte. Sie wollten sich einfach nicht zähmen lassen. Na wunderbar, ausgerechnet an diesem Morgen musste ich einen 'Bad-Hair-Day' haben. Und mal wieder stellte sich heraus, dass, wenn ich auf der einen Seite etwas Positives erlebte, gleich auf der anderen wieder etwas Peinliches oder Schlechtes eintrat. Nach ein paar Minuten des anstrengenden Sortierens, gab ich es schließlich auf und zerzauste murrend meine Haare von selbst. Doch wo ich bereits aufgegeben hatte, betrat nun ein Anderer das haarige Schlachtfeld. Nun war der Zwergenkönig an mich heran getreten und stellte sich direkt hinter mich mit den Worten: "Ich denke, du könntest doch ein wenig Hilfe gebrauchen. Halt einen Augenblick still." Seine Hände tauchten kurz drauf in meinem Augenwinkel auf und ergriffen meine wild gewordenen, widerspenstigen Haare. "Was hast du vor?", hakte ich nach und sah nach vorne in den Spiel, wo ich seine konzentrierte Miene beobachten konnte. "Hab etwas Geduld. Dann siehst du es", meinte er schlicht und ehe ich noch etwas sagen konnte, begann er mit geschickten Fingern meine Haare zu einer wirklich schönen und eleganten Frisur zu flechten. Zunächst verwob er sie an den beiden Seiten meiner Schläfen zu zwei kleinen Zöpfen, ehe er diese hinten zusammen geführte. Ich hielt die ganze Zeit über still und beobachtete ihn mit immer größer werdenden Augen durch den Spiegel. Es war mir unbegreiflich, wie er es schaffte, dass der ganze Aufwand, den er da betrieb, ohne Klammern halten konnte. Vermutlich gehörte das zu den geheimen Künsten, die nur den höher gestellten Mitgliedern seines Volkes zugänglich waren. So wie es Oin noch am Abend zuvor erklärt hatte. Und ich musste neidlos anerkennen, dass ich selbst bei einen Friseur nie so gut aufgestylt worden war, wie Thorin es gerade machte. Allerdings überkam mich dabei auch ein bisschen Wehmut, weil ich dabei unwillkürlich an den armen Zwerg mit der Mütze dachte, den der Zwergenkönig wohl immer noch zurecht weisen wollte. Dabei hatte dieser so gesehen gar nichts Schlimmes verbrochen, als er das damals für mich getan hatte. Es sollte immerhin dienlich sein, um genau den Mann zu beeindrucken, der mich zur Zeit selbst beeindruckte. So atmete ich einmal tief durch, nachdem ich eine Weile überlegt hatte und tastete mich dann ganz behutsam an das Thema heran. "Du? Thorin?", murmelte ich verlegen. Er brummte nur konzentriert, aber dennoch so, dass er mir zuhören wollte. Daraufhin fuhr ich im selben Tonfall fort: "Wie ist das eigentlich jetzt? Ähm. Ich meine wegen gestern Abend, und so?" Er gab ein leises Seufzen von sich, schüttelte kurz den Kopf und brummte: "Menu gajatu. Ich vergebe dir, das was du getan hast. Es war nicht deine Schuld. Du wusstest nicht was du tust. Das hat dir der Klangrausch angetan." Ich schnaufte nur kurz und verzog ein bisschen den Mund. Sicher, das hatte ich mir schon gedacht und es war auch schön, das noch einmal so mit seinen Worten zu hören. Aber das eigentliche Problem war damit noch nicht angesprochen. Und es kostete mich einiges an Überwindung, da ich nicht wusste, wie er darauf reagieren würde. "Das. Naja ist sehr schön. Nur. Ähm. Mir ging es dabei. Um. Um ein anderes Thema..", druckste ich verlegen herum und sah wie er hinter meinem Rücken eine Augenbraue langsam nach oben zog. "Welches Thema?", hakte er ungeduldig nach und hielt mit dem Flechten inne. Ich schloss einen Moment die Augen und sagte lediglich ein Wort. "Bofur." Kurz darauf erklang hinter mir ein unheilvolles Knurren, wie von einem sehr hungrigen Wolf. Oh weh, das hätte ich ahnen müssen, schoss es mir sogleich durch den Kopf. Als ich die Augen nämlich wieder öffnete und in den Spiegel sah, hatte sich die Miene des Zwergenkönigs schlagartig verfinstert. Er war absolut nicht angetan davon, dass ich es angesprochen hatte. Das zeigte er damit mehr als deutlich. Doch wollte ich den freundlichen Zwerg mit der Mütze nicht einfach so hängen lassen, wenn mein Zukünftiger ihn vielleicht einen Kopf kürzer machte. Denn dieser begann nun vor sich hin zu grollen und leise Flüche und Verwünschungen in seiner Sprache in den Bart zu murmeln, bevor er seine Flechtarbeiten fortsetzte. Nachdem er mit dieser Schimpftirade fertig war, wandte er sich wieder an mich und grummelte: "Dann sage mir, was dich so sehr beschäftigt, dass du über IHN reden willst." Ich schloss erneut die Augen und holte tief Luft. Dann öffnete ich sie wieder und versuchte ihm so sachlich wie möglich zu schildern, was ich von ihm wollte. "Hör zu, Thorin. Ich weiß inzwischen, dass er das, was er getan hat, nicht durfte, weil es bei euch Zwergen ja etwas ganz, ganz Privates und Intimes ist. Und glaube mir bitte, ich hätte es niemals zugelassen, wenn ich es damals schon gewusst hätte. Eben weil ich dich niemals so hätte verletzten wollen. Im Gegenteil. Er wollte mir damit nur helfen, um dir zu gefallen. Er ist ein guter Zwerg. Loyal, treu und dir genauso tief ergeben, wie die anderen auch. Deshalb möchte ich dich inständig darum bitte, dass du nicht so hart mit ihm ins Gericht gehst, wenn du ihn zur Rede stellst. Er hatte nur die besten Absichten und das rechne ich ihm hoch an", sagte ich und rieb mir dabei nervös die Hände, die ich vor der Brust etwas faltete. Wieder hielt Thorin inne und diesmal beobachtete ich sein Mienenspiel genauer. Sein Gesicht wechselte von nachdenklich, über finster, bis hin zu einer Mischung aus Abscheu und Neugierde. Am Ende siegte zum Glück seine Neugier, denn er fragte ganz unverblümt: "Wieso bittest du mich für ihn darum?" "Sagen wirs mal so. Ich schulde ihm irgendwie was", erwiderte ich knapp. "Und wofür schuldest du ihm was?", hakte er umgehend nach. Ich seufzte kurz und erzählte ihm dann ausführlich von unserem Einkaufsausflug, den ich zusammen mit seinen Neffen und Bofur selbst unternommen hatte und wie letzterer es geschafft hatte den Motorrad-Club davon zu überzeugen uns zurück zu fahren, damit wir noch pünktlich zum Mittagessen da waren. Auf eine Zwischenfrage hin, bezüglich der Tampons, die sich der Mützenzwerg im Supermarkt in die Nase gesteckt hatte, gab ich Thorin die selbe Antwort, wie schon zuvor den Jungs. Daraufhin musste dieser sogar kurz auflachen und hätte beinahe den Zopf los gelassen. Zum Glück fing er sich wieder und arbeitete dann weiter. Nachdem ich mit meiner Erzählung fertig war, nickte der Zwergenkönig kurz und sagte: "Nun ja. Dann schuldest du ihm wirklich etwas. Und ich wäre wohl ein Narr, wenn ich es zulassen würde, dass meine Liebste weiterhin Schulden bei anderen hat." "Heißt das du, ähm. Naja, du verzeihst ihm seinen Fehltritt?", fragte ich vorsichtig, während er ein beiläufiges, "Halt das mal", murmelte und mir damit kurzerhand andeutete, dass ich meinen Zopf halten sollte, da er begann in seinen Hosentaschen herum zu kramen. Er schwieg einen Moment, während er nach etwas suchte. Dabei drehte ich kurz meinen Kopf über die Schulter und wartete. Schließlich hatte er gefunden, was er wollte und murmelte dann: "Ich werde ihm das gewiss nicht ganz verzeihen können. Es geht da immerhin ums Prinzip und meine Ehre als König. Aber ich kann dir versprechen, dass ich ihm lediglich eine Verwarnung ausspreche und ihn dann in Frieden lasse." "Gut. Damit kann ich leben", meinte ich mit einem zaghaften Lächeln und schnaufte erleichtert. "Dann bin ich auch zufrieden. So und nun dreh dich wieder um", sagte er und zog dann ein glitzerndes, silberweißes Ding aus seiner Hosentasche, ehe ich mich wieder meinem Spiegelbild zu wandte. Danach nahm er mir vorsichtig den Zopf wieder aus den Fingern und begann diesen zunächst das untere Ende zu befestigen, bevor er mir noch etwas anderes in die Haare steckte. Und zwar genau an die Stelle, wo sich die zwei Zöpfe zu einem zusammen fanden. "Was hast du da?", fragte ich neugierig, um das letzte Thema für endgültig abgeschlossen zu erklären. Thorin grummelte kurz verlegen und gab dann ein Seufzen von sich, bevor er mir mit ruhiger Stimme antwortete: "Eine Zopfperle und eine Haarspange. Eigentlich wollte ich sie dir bei unserer Hochzeit schenken. Aber nachdem du mir gestern Nacht etwas gegeben hast, dass ich nicht einmal mit sämtlichen Reichtümern des Erebor aufwiegen könnte, dachte ich mir, es sei nur gerecht, wenn du sie jetzt schon trägst. Dann sieht auch jeder zu wem du gehörst. Im übrigen hättest du sie gestern Abend fast zerbrochen." Als er endlich fertig war, löste er seine Finger aus meinen Haaren und trat mit einem zufriedenen, ernsten Nicken zur Seite. Neugierig hob ich meine Hände und fasste mir ganz vorsichtig an den Hinterkopf, um die Spange und schließlich die Zopfperle zu berühren. Ich bedauerte es irgendwie, dass ich sie nicht sehen konnte. Denn nachdem was ich unter meinen Fingerkuppen spüren konnte, waren beide sehr fein gearbeitet, reichlich verziert und offensichtlich auch mit einigen Edelsteinen besetzt. Ich lächelte sanft, aber doch ein bisschen steif und ließ die Hände wieder sinken. Was er damit nämlich noch geschafft hatte, außer mich zum Strahlen zu bringen, wie ein ganzes Atomkraftwerk, war mir ein schlechtes Gewissen zu machen. Denn er hatte beide Stücke aus der Tasche gezogen, auf die ich am Abend drauf gefallen war. Nun konnte ich auch seine Reaktion mir gegenüber wesentlich besser verstehen und den Grund für sein abweisendes Verhalten nachvollziehen. Das Zeug musste unsagbar Teuer sein, wenn man es in meiner Welt schätzen ließe. Und ich beschloss auch sofort, diese Dinge niemals draußen in aller Öffentlichkeit zu tragen, wenn ich es irgendwie vermeiden konnte. Damit würde ich ein gefundenes Fressen für jeden schmalspur Gauner werden. Auch wenn die Sachen wohl sehr schön und aus echtem Edelmetall und Steinen waren, so unnötig empfand ich es sie mit mir herum zu tragen. Mir war Modeschmuck weit lieber. Da war es mir egal ob etwas kaputt ging oder nicht. Anders war es nun damit und es bedrückte mich sehr, dass ich etwas so Wertvolles fast zerstört hätte. Deshalb ließ ich auch leicht betreten den Kopf sinken, als ich mich zu ihm umdrehte. "Hätte ich gewusst, dass du mir nicht wegen der Harfe so böse warst, sondern weil du mir so etwas schönes schenken wolltest, dann wäre ich wohl nicht so ungeschickt gewesen", meinte ich und blickte ihn von unten her entschuldigend an. Er legte nur den Kopf schief, verschränkte die Arme vor seiner Brust und schmunzelte sacht. "Ich habe mich dir gegenüber auch nicht gerade gut verhalten. Denke nicht, dass ich deine verletzte Miene übersehen hätte. Auch dass du daraufhin freiwillig Abstand von mir genommen hast, ist mir nicht entgangen. Aber an der Sache bin ich mit meinem Verhalten selbst Schuld. Außerdem habe ich dich zusätzlich noch belogen, damit du davon nichts erfährst. Von daher müsste ich dich um Entschuldigung bitten. Also. Gajut men", sagte er ruhig. Ich schnaubte kurz und verzog etwas den Mund. Dass sich Thorin Eichenschild einmal so förmlich und offen für einen sehr groben Fehler rechtfertigte und entschuldigte, war an diesem Morgen schon wieder ein Highlight. Aber noch etwas anderes war mir aufgefallen, was mich doch brennend interessierte. Und nachdem ich seine Entschuldigung mit einem Nicken angenommen hatte, sprach ich ihn auch sofort darauf an. "Sag mal, warum redest du schon den ganzen Morgen lang Khuzdul mit mir?", fragte ich bedächtig, da ich das Meiste von dem was er sagte nicht einmal selbst aussprechen konnte. Er lachte kurz auf und sagte: "Ganz einfach. Weil du von Heute an dein neues Leben mit mir beginnst. Daher bringe ich dir jetzt schon einige Kleinigkeiten bei." "Muss das denn wirklich jetzt schon sein? Haben wir dafür nicht noch genug Zeit? Ich meine, ich kann es ja nicht einmal schreiben, so wie du es aussprichst", erwiderte ich und fühlte mich doch ein wenig überfahren von seiner Aussage. Doch er setzte einfach nur eine ziemlich alberne Oberlehrer-Miene auf und hob wichtigtuerisch seinen Zeigefinger, ehe er mir fast schon arrogant erklärte: "Khuzdul lernt man nicht einfach durch Lesen und Schreiben. Man lebt es. Dabei geht es sehr um die Art und Weise, wie du es Aussprichst. Eine falsche Betonung reicht, und du würdest einen Pflug statt eines Schwertes bei einem Schmied kaufen." Darauf konnte ich nur mit einem belustigten Prusten antworten. Sicher er meinte es gut und vermutlich war selbst in seiner Sprache das Wort Schwert und Pflug nicht identisch. Davon abgesehen, dass ich weder beides kaufen wollte, noch dass ich seine Sprache gebraucht hätte. Aber vermutlich war es, wie mit den anderen Dingen der Zwerge auch. Wenn sie sich in den Kopf gesetzt hatten, dass sie Jemandem etwas beibringen wollten, dann musste der Betreffende da wohl oder über durch. Ob es ihm nun passte oder nicht. Genauso wie ich nach dieser Unterhaltung, zum ersten Mal, seit dem vergangenen Abend, wieder mit der restlichen Zwergentruppe konfrontiert werden sollte. Denn Thorin machte nun ein paar weite Schritte zur Tür und öffnete diese dann mit den Worten: "So, jetzt darf sich meine Königin endlich ihrem Volk präsentieren." Ich grummelte einmal mehr bei dem Wort 'Königin' und raunte schmollend: "Ich hoffe die Jungs sind mit dem Spülen noch nicht fertig. Dann darfst du dich nämlich da auch einreihen, Herr Eichenschild." "Das werden wir dann sehen. Nun komm", erwiderte er mit einem Lachen, hielt mir die Hand hin, die ich zwar zögerlich, aber dennoch mit einem zaghaften Lächeln ergriff, bevor er mich langsam zurück in mein Apartment führte. -82. Katerstimmung / ENDE - Kapitel 83: 83. Grüße aus der Heimat ------------------------------------ Wie nicht anders zu erwarten, wurden Thorin und ich mit großen Augen und erstaunten Gesichtern der anderen Zwerge begrüßt, nachdem wir Hand in Hand aus dem Badezimmer traten. Nach einem flüchtigen Rundumblick konnte ich feststellten, dass sie wohl schon recht früh auf gewesen waren und bereits einige Spuren der vergangenen Nacht beiseite geräumt hatten. So auch das schmutzige Geschirr auf der Küchenzeile, an der nur noch Nori und Bofur standen, die abrupt in ihrer Arbeit inne hielten. Aber nicht nur sie, sondern auch die anderen unterbrachen ihre Aufräumarbeiten, um ihren König und mich mit offenen Mündern anzustarren. Selbst Dwalin, der ganz in der Nähe der Badezimmertür gestanden hatte, rieb sich mehrfach die Augen und blinzelte verwirrt, während er mich im vorbeigehen unentwegt musterte. Zunächst sagte niemand ein Wort. Alle waren so Sprachlos und, um es in einer dieser neumodischen Slangs zu sagen, "geflasht". Auch wenn ich mir nicht ganz sicher war, ob sie lediglich wegen meiner netten Frisur unter Schock stand oder allein die Tatsache ausreichte, dass ich überhaupt schon auf den Beinen war. Denn wie ich ihnen ansehen konnte, waren ihre Mienen enorm von der kleinen Party gezeichnet. Sie sahen trotz ihrer verwunderten Blicke unausgeschlafen und grantig aus. Gut, bei einigen war der grantige Ausdruck so gesehen ein Standard. Aber gepaart mit Übermüdung, wirkten ihre Erscheinungen noch wesentlich finsterer. So fiel meine laienhafte Diagnose eher recht bescheiden, aber doch sehr zutreffend aus. Allesamt waren restlos verkatert. Doch Zwergen machte dieser Zustand weniger aus wie mir. Als ich nämlich ein paar Schritte gegangen war und mir die frische Luft von der offenen Balkontür entgegen wehte, überkam mich doch ein leichtes Schwindelgefühl, was zum Glück kaum große Auswirkungen auf meinen Gleichgewichtssinn hatte. Aber das war bei weitem nicht so schlimm, wie der herannahenden Oin, der nach dem kurzen Überraschungsmoment prompt seiner Pflicht als Heiler nachkam, indem er mich vor versammelter Mannschaft am Arm packte und mich ungefragt dem Griff seines Königs entriss. Der gab kurz ein protestierendes Knurren von sich, bis ihm Oin einen vielsagenden und ungeduldigen Blick zu warf, der meinen Zukünftigen kurz daran erinnerte, dass er ihm ja selbst aufgetragen hatte sich um mein Wohl zu kümmern. Danach stapfte er schimpfen mit mir im Schlapptau zum Sofa. "Unvernünftig wie eh und je. Sich schon wieder so früh auf die Beine zu wagen. Ich verstehe euch jungen Leute einfach nicht", zeterte er laut, bevor er mich schwungvoll herum wirbelte und dabei unsanft aufs Sofa verfrachtete. Ich stöhnte deswegen einen Moment und hielt mir meinen schön frisierten Schädel. "Gna. Mir wird schlecht. Doch nicht so grob, Oin", klagte ich leidig, da Klaus-Günther meine unfreiwillige Bewegung zum Anlass nahm nicht nur meinem Hirn, sondern auch meinem Magen einen kleinen, aber deutlich heftigen Schlag zu verpassen. In Folge dessen musste ich mein Gesicht in den Händen verbergen, um gegen einen leichten Anfall von Übelkeit anzukämpfen, der mich heimsuchte. "Daran seid Ihr selbst schuld. Ihr hätten die Nacht hier und nicht in der Waschkammer verbringen sollen", grummelte er und warf dabei Thorin über seine Schulter hinweg einen vorwurfsvollen Blick zu. Dieser zuckte nur locker mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Sagte dazu aber weiterhin nichts, sondern ging lieber dazu über den Rest der Truppe wieder an die Arbeit zu scheuchen. Auch er wollte sich am frühen Morgen ungern mit dem alten Heiler anlegen, der sich wieder zu mir wandte und meine Beine auf die Sitzfläche verfrachtete. "So. Jetzt bleibt Ihr erst einmal sitzen, bis ich Euch sage, dass Ihr aufstehen dürft", brummte er und begann umgehend damit, sich meinem körperlichen Wohlbefinden zu widmen. Ich tat einfach was er sagte und ließ ihn seine Arbeit machen. Dieser kam er natürlich wie jeder gute Zwerg sehr gründlich und ausführlich nach. Weshalb es natürlich einige Minuten dauerte bis er damit fertig war meinen Puls, meine Temperatur und mein sonstiges Befinden zu überprüfen. Dabei grollte er unentwegt in seinen langen grauen Bart hinein, bis er schlussendlich ein ruhiges Nicken von sich gab. "Sehr schön. Das sieht ja schon mal gut aus. Bei Euch scheint wieder alles soweit normal zu sein. Allerdings verordne ich Euch trotzdem für diesen Tag noch Bettruhe, um ganz sicher zu gehen. Ihr solltet auch versuchen etwas zu essen und zu trinken, sofern es Eure Übelkeit zulässt", meinte er in zufriedenem, fachmännischem Ton. Ich erwiderte das Nicken und zog die zusammengeknäulte Leinendecke heran, die neben mir lag, um meine Beine zu bedecken. "Also. Um ehrlich zu sein frühstücke ich morgens nie wenn ich zuhause bin", erklärte ich beiläufig und zupfte die Decke zurecht. "Tut Ihr nicht? Meine Liebe, das solltet Ihr aber. Ein gutes Frühstück ist wichtig. Sonst übersteht man keinen anstrengenden, arbeitsreichen Tag", kam es von Balin, der gerade einige der Decken am Boden zusammen faltete. Ich musste kurz kichern, als ich seine Worte hörte. Wer hatte diesen letzten Satz nicht schon hunderte Male von seinen Eltern gehört, wenn man sich weigerte morgens ohne Essen in die Schule zu gehen? Ja, das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages, hieß es dann immer. Für Kinder mochte das aber wohl mehr zu treffen als auf mich. Ich hatte nämlich die Erfahrung gemacht, dass mir nach spätestens zwei Stunden davon unglaublich übel wurde, weshalb ich mich in späteren Jahren dazu entschlossen hatte, diese ach so wichtige Mahlzeit ausfallen zu lassen. Und die hatte ich bisher auch nicht wirklich vermisst. Aber wer fortan so wie ich unter Zwergen leben sollte, der musste wohl oder übel seine menschlichen Gepflogenheiten und Vorsätze in den Wind schießen. Denn mein Kichern blieb mir wenig später im Hals stecken, als Dori mit einem Korb voller Brot und Obst heran nahte und sagte: "Hier. Ich habe noch etwas gefunden. Das ist vom Abendessen übrig geblieben. Ich denke, dass sollte fürs Erste reichen." Doch bevor er auch nur versuchen konnte mir etwas zu reichen, ging Oin dazwischen und fuhr Dori barsch an. "Bei Durins Bart! Bist du noch bei Sinnen?! Kein Essen aus Mittelerde für sie. Das habe ich doch vorhin schon mal gesagt. Jede Kleinigkeit könnte einen Rückfall bei ihr auslösen", knurrte er, woraufhin der Zwerg mit dem aufwendigen Zöpfen ein wenig unschlüssig da stand. "Ja. Aber. Was soll sie denn sonst essen? Wir haben nichts anderes da", erwiderte dieser nachdenklich und stellte den Korb auf den Boden. "Alles andere, nur nicht das", brummte Oin und ich schenkte ihm daraufhin ein kleines, dankbares Lächeln. So wirklich Lust hatte ich verständlicherweise nicht mehr auf einen weiteren Klangtripp. Und dass er mir als Heiler dieses Essen verweigerte, empfand ich mehr als gerechtfertigt. Ich wollte nie wieder diese Stimmen in meinem Kopf haben, die mich fast in den Wahnsinn getrieben und meinen Körper so sehr belastet hatten. Doch würde ich definitiv nicht um ein Frühstück herum kommen. Denn Thorin hatte natürlich weiterhin aufmerksam zugehört, während er seine Instruktionen gab und schritt nun langsam auf mich zu. "Hast du vielleicht irgendwelche Vorräte im Haus, die aus deiner Welt stammen?", fragte er mich direkt und ernst. Doch ich schüttelte nur den Kopf. "Nein. Ich hab nur ein paar kaltgestellte Flaschen Wasser in meinem Kühlschrank. Vor dem Umzug hab ich dafür gesorgt, dass ich nichts mehr da habe, was eventuell verderben könnte", erwiderte ich und der Zwergenkönig seufzte kurz, bevor er sich leicht genervt mit einer Hand über das Gesicht fuhr. "Das war wirklich sehr unklug von dir. Du hättest wenigstens etwas Trockenfleisch und Brot aufbewahren sollen", meinte er und warf mir einen genauso vorwurfsvollen Blick zu wie Oin, der zusätzlich noch ein Schnauben von sich gab. "Ich frage mich ernstlich, wie ihr Menschen es geschafft habt mit einer Einstellung wie deiner so lange zu überleben", kam es von Dwalin, der ein leeres Fass beiseite räumte. "Nicht alle Menschen verzichten wie ich auf Frühstück. Manche machen daraus sogar ein ganzes Festmahl. Dann gibt es Rührei, gebratenen Speck in streifen, Würstchen, Marmeladenbrote, Cornflakes und noch einiges mehr. Aber das wäre für mich wirklich zu viel", erklärte ich sachlich. "Oh, Mahal. Das hört sich köstlich an", kam es seufzend von Ori, der zum Balkonfenster hinein schaute. Als ich mich ihm zu wandte, musste ich kurz schlucken. Seitdem er sich am vergangenen Abend mit Thorin gestritten hatte, hatte ich nichts mehr von ihm gesehen und gehört. Wie hätte ich auch, kurz nachdem das Licht gelöscht worden war? Doch nun wo ich ihn sah und er mir einen sehr flüchtigen Blick schenkte, als er sich hinein beugte, erkannte ich für einen Moment einen tiefen Schatten über seine jungen, sonst so schüchternen Züge wandern, ehe er sich hastig zurück zog, um aus meinem Sichtfeld zu verschwinden. Ich ahnte schon was dieser Schatten bedeutete und woher er rührte. Es waren Spuren von Schmerz und stummer Bitterkeit, die sein Herz ergriffen. Nun wo Thorin mir das Haar geflochten hatte, war es offensichtlich, dass er sich mit seinen Gefühlen mir gegenüber geschlagen geben musste. Der junge Zwerg tat mir in diesem Augenblick unglaublich leid. Doch auf der anderen Seite musste ich mir auch selbst eingestehen, dass vermutlich ein gebrochenes Herz besser für ihn war, als einige gebrochene Knochen. Welche Thorin ihm vermutlich zugefügt hätte, wenn Dwalin nicht dazwischen gegangen wäre. Eines musste ich dem groben Glatzkopf ja immer wieder lassen. Als Bodyguard war er einfach unbezahlbar. Wobei es ihm allerdings hauptsächlich dabei um das Wohl seines Königs ging, dessen Befehle er stets loyal und treu ausgeführt hatte, so viel ich wusste. Besagter König stand aber nun ziemlich ratlos neben meinem Sofa und grummelte nachdenklich vor sich hin. Ich wusste, dass er es nicht aufgeben würde und mir gewiss bald etwas zu essen organisieren wollte. Dafür kannte ich seinen Sturkopf inzwischen fast in- und auswendig. Er würde mit Sicherheit alles tun. Auch wenn das vermutlich für ihn hieß, dass er notfalls irgendwo in der Nähe jagen gehen müsste. Unwillkürlich schoss mir das Bild eines kleinen, dunkelhaarigen Mannes in den Kopf, der sich mit Pfeil und Bogen bewaffnet, durch die weiten Häuserschluchten der kleinen Sozialbausiedlung pirschte, um die armen, streunenden Nachbarskatzen zu erlegen, die sich in der Morgensonne räkelten. Nein, soweit wollte ich es dann doch nicht kommen lassen. Ich hatte zwar in meinem kurzen menschlichen Dasein schon einiges an Tieren gegessen, wobei das Exotischste tatsächlich Krokodilsteak war. Und es schauderte mich, als ich mich an diese unangenehme Geschmackskombination aus Fisch, Hühnchen und irgendetwas das wohl Rind hätte sein können, erinnerte. Nein, das Zeug war wirklich widerlich und ich würde es gewiss nicht noch einmal essen. Und kleine Kätzchen wollte ich auch nicht auf meinem Teller sehen. Schließlich befanden wir uns ja nicht mehr in der Nachkriegszeit, wo man diese gelegentlich als Sonntagsbraten in die Öfen schob, damit die Familie einmal die Woche etwas Fleisch bekam. Da zöge ich doch lieber Pferdefleisch-Lasagne vom örtlichen Discounter vor. Doch woher nehmen und nicht stehlen? Es war immerhin noch nicht Wochenende und um diese Tageszeit hatten ja nicht einmal die Lieferdienste auf. Bestellen fiel daher auch mehr oder weniger aus. Also doch auf die alternative Katze zurück greifen? Nein, das war mir persönlich dann doch viel zu pervers. Heutzutage machte man das einfach nicht mehr. Schließlich nahte plötzlich unerwartet die Rettung zu der ungeklärten Frühstücksfrage in Form von Nori, der sich von der Küchenzeile gelöst hatte und mit in die Gedankenrunde einschaltete. "Vielleicht ist ja etwas in dem sonderbaren Paket, was der Bote vorhin gebracht hat", rief er quer durch den Raum und ich fuhr verwundert mit dem Kopf zu ihm herum. "Ein Paket? Woher?", fragte ich ihn und er ruckte kurz mit dem Kopf in Richtung Wohnungstür. "Steht draußen. Vorhin war so ein seltsamer Bote in Gelb-Roten Kleidung da und hat gesagt es wäre für dich. Aber weil da dein Name nicht drauf stand, hab ich es draußen stehen gelassen. War ziemlich schwer und da drin hat es irgendwie geklappert", meinte er und zuckte mit den Schultern. "Wann kam der denn?", hakte ich nach und diesmal antwortete Fili, der mit seinem Bruder in der Nähe meines Fußendes ein paar Körbe stapelte. "Ungefähr zwei Stunden bevor Kili nach dir und Thorin geschaut hat", sagte er ruhig. "Und warum habt ihr es einfach draußen gelassen?", fragte ich nach, woraufhin ich wieder dieselbe Antwort bekam. "Weil dein Name nicht drauf stand. Habe ich doch gerade gesagt", widerholte Nori und schüttelte dabei verständnislos seine stachlige, rotbraune Haarpracht. "Dann bringt es mal rein. Damit es nicht geklaut wird und ich selbst nachsehen kann", sagte ich, doch keiner der Herren machte zunächst Anstalten sich zur Haustür zu bewegen. Und der Grund dafür stand allen deutlich in die bärtigen Gesichter geschrieben. Sie tauschten sehr misstrauische und argwöhnische Blicke. Mal wieder typisch für die Zwerge. Sie misstrauten einfach allem, was sie nicht kannten. "Ich traue der Sache nicht", kam es von Thorin, der sich nachdenklich durch den kurzen, dunklen Bart strich. "Und warum bitte nicht?", fragte ich ihn mit einem leisen Seufzen. "Wir wissen weder von wem dieses Paket kommt, noch ob es wirklich für dich ist. Da könnte etwas sehr gefährliches drin sein. Besser es bleibt da wo es ist. Nicht, dass dir noch Schlimmeres widerfährt", erklärte er streng und versah mich mit seinem sehr vertrauten, ernsten Blick. Wieder konnte ich nur seufzen, bevor ich darauf erwiderte: "Leute. Wenn es draußen steht, und keiner von euch weiß wo es her kommt, und ob es überhaupt für mich ist, dann holt es doch einfach rein. Ich schau auf den Absender und die angegebene Adresse. Wenn es wirklich nicht für mich ist, könnt ihr es ja wieder rausstellen. Ich werd es auch garantiert nicht öffnen, Thorin. Es gehört sich nicht fremder Leute Post auf zu machen", sagte ich, als mir der Zwergenkönig bei meiner Aussage fast ein wenig bestürzt widersprechen wollte. Doch dann klappte er den Mund zu und dachte einen Moment lang über die Eventualitäten nach. "Ernsthaft. Ich mach es nicht auf, wenn es nicht für mich ist. Und wenn etwas passiert. Ihr seid ja da, oder etwa nicht?", ergänzte ich um seinem Gedankengang einen kleinen freundlichen Schubs zu versetzen. Schließlich brummte er leicht verstimmt und wog seinen Kopf widerstrebend hin und her. Doch als er mir antwortete, klang er zwar leicht entrüstet, aber versöhnlich. "Also gut. Ich werde es dir rein holen, damit du nachsehen kannst. Aber wehe du packst es doch aus, ohne mein Einverständnis", knurrte er, wandte sich von meinem Sofa ab und schritt zur Wohnungstür, die er wenig später aufstieß. Es dauerte auch nicht lange, bis er sie wieder hinter sich schloss und mit einem recht großen, gelben Postpaket zu mir kam. Tatsächlich schien das Ding nicht nur recht schwer zu sein, sondern auch genauso zu klappern, wie Nori es beschrieben hatte. Nach ein paar Metern setzte der Zwergenkönig das recht sperrige Ding neben mir auf dem Boden ab, sodass ich oben drauf schauen konnte. Dort befanden sich zwei große, weiße Aufkleber. Auf dem einen stand der Absender und auf dem anderen der Empfänger. Als ich beide gelesen hatte breitete sich ein strahlendes Lächeln auf meinem Gesicht aus. "Das ist für mich", meinte ich und rutschte mit den Beinen vom Sofa runter, um es genauer in Augenschein zu nehmen. Doch Thorin hielt meine Hände sofort zurück als ich es greifen wollte. "Da steht weder Cuna drauf, noch der Name den deine Freunde für dich verwenden. Wie kann es also sein, dass es für dich ist?", hakte er mit hochgezogenen Augenbrauen nach. Ich grinste ihn aber nur süffisant an und antwortete: "Ganz einfach. Die Namen 'Jacky' und 'Cuna' habe ich mir selbst gegeben. Hier steht mein richtiger Name drauf. Der den meine Eltern mir gegeben haben." Nun wurden die Herren doch ein wenig hellhörig. Ich hatte ihnen bisher nie meinen wahren Namen verraten, doch ich empfand es auch nicht für nötig. Denn ich mochte diesen eigentlich gar nicht, auch wenn mir viele Leute sagten, dass er sehr schön war. Ich verband damit allerdings eine eher traurige und teilweise schmerzhafte Vergangenheit, die ich am liebsten jeden Tag verdrängte, so gut ich konnte. Das war auch der Grund, weshalb ich mir lieber selbst Namen ausgesucht hatte. Es mochte vielleicht irgendwo kindisch klingen, aber diejenigen, die meine Geschichte kannten, verstanden recht gut, weshalb ich diese leidige Maßnahme ergriffen hatte. Allerdings verstanden das die Zwerge weniger, da ich sie bisher nie so deutlich mit meiner Vergangenheit konfrontiert hatte. Weshalb sie sich natürlich auch alle sehr neugierig und aufmerksam um das Paket schaarten. Selbst Ori war vom Balkon gekommen und schaute interessiert über Gloins Schulter, der sich neben den Zwergenkönig gestellt hatte. Letzterer hielt immer noch meine Arme fest und warf immer wieder skeptische Blicke zwischen mir und dem gelben, viereckigen Pappkarton hin und her. "Dein Name ist Ulfrick?", fragte er skeptisch und hob ungläubig eine Augenbraue. Dabei nahmen seine Gesichtszüge einen so dümmlichen Ausdruck an, dass ich gar nicht an mich halten konnte und kurz auflachte. "Nein. Ulfrick ist mein Vater. So bekloppt sind meine Eltern auch nicht gewesen, dass sie mir einen Jungennamen gegeben hätten", meinte ich kichernd. "Dann heißt du Angela?", kam es von Bofur, der auf den Namen neben dem von meinem Vater deutete und wieder schüttelte ich den Kopf. "Nein. Dass ist meiner Mutter. Mein Name steht auf dem anderen Aufkleber", erklärte ich und reihum ging ein langgezogenes, verstehendes "Ah" durch die Reihen der Zwerge. Nun lasen sie alle meinen wahren Namen und schüttelten daraufhin reihum die Köpfe. "Scheint irgendwie elbischen Ursprungs zu sein", murmelte Balin und sein Bruder, der neben ihm stand nickte bestätigend. "Du bist doch keine Elbin, oder Cuna?", fragte Bombur und kratzte sich dabei verlegen seitlich am Kopf. Ich schüttelte nur den meinen. "Nein, bin ich nicht. Weder leuchte ich im Dunkeln, noch hab ich spitze Ohren. Aber das solltet ihr eigentlich sehen", meinte ich und wandte mich dann an Thorin, der noch eine ganze Weile auf den Namenszug starrte und dessen Lippen sich Tonlos bewegten, als er ihn las. Schließlich bemerkte er aber, dass ich ihn beobachtete und verzog etwas den Mund. "Warum hast du mir nicht früher gesagt, wie du wirklich heißt?", fragte er und klang ein bisschen grantig. Denn auch in seinem Gesicht stand deutlich geschrieben, dass er meinen Namen wohl für den einer spitzohrigen Waldlaterne hielt. Ich schnaufte kurz betreten und brummte dann etwas verbittert vor mich hin: "Weil ich ihn nicht ausstehen kann. Deshalb. Ich hasse es so genannt zu werden. Darum habe ich mir für meine Bekannten andere Namen ausgedacht, damit ich ihn nicht hören muss." "Also ich finde ihn eigentlich sehr schön", kam es aus dem Hintergrund von Ori, was mir erneut ein seufzen abgewann. "Ja, und du bist auch der wohl tausendste Mann, der mir dieses leidige Kompliment um die Ohren haut. Aber ernsthaft. Ich will ihn nicht von euch hören. Von keinem von euch. Dann werde ich nämlich ungenießbar. Ich hoffe das ist soweit klar", entgegnete ich hastig, bevor auch nur einer Anstalten machte ihn auszusprechen. Doch wie immer fiel ausgerechnet einer dabei aus der Reihe. "Was hast du denn einzuwenden gegen...?", setzte Kili an zu fragen, dem ich allerdings umgehend einen sehr giftigen, mahnenden Blick zu warf. "ALLES!", brüllte ich ihn an, bevor er das letzte Wort sagen konnte. Daraufhin zuckte der Junge heftig zusammen und versteckte sich fast panisch hinter seinem Bruder. Was ich ihm in diesem Moment auch selbst geraten hätte. Wenn mich sein Onkel nicht immer noch festgehalten hätte, dann wäre womöglich irgendein Gegenstand in seine Richtung geflogen. So reichte es aber auch, dass ich ihn kurz mit dem einen Wort anbrüllte und ihm einen warnenden Blick schenkte, der ihn zum Schweigen brachte. "Schon gut, Cuna. Wir werden dich nie im Leben so nennen. Aber nun solltest du vielleicht einmal dieses Ding öffnen. Ich würde gerne wissen was da drin ist", meinte Fili, der zwangsläufig meinen bösen Blick mit auffing, weswegen er beschwichtigend die Hände hob. Ich nickte ihm ein wenig steif zu und entspannte mich dann langsam wieder. Dann sah ich zum Zwergenkönig, der mir aufgrund meiner heftigen Reaktion ein ziemlich überraschtes Schmunzeln schenkte, sich aber nicht weiter dazu äußerte, sondern endlich meine Arme los ließ. "Gut. Ich denke, wenn es wirklich für dich ist, dann kannst du es jetzt auch öffnen", meinte er ruhig und ich nickte ihm sachte zu. Nun konnte ich mich endlich dem widmen, was vor mir lag und atmete noch einmal tief durch, bevor ich meine Hände an den Karton legte und versuchte sehr sorgfältig das Klebeband ab zu ziehen, womit er verschlossen war. Es brauchte zwar ein bisschen, bis ich ein Ende gefunden hatte, wo ich es entfernen konnte, aber schließlich war es dann geschafft und ich öffnete gespannt den Deckel. Als ich zusammen mit den Zwergen hinein blickte ging ein erstauntes Keuchen durch die Runde. Und dies wirklich zurecht. Meine Eltern hatten es sich nicht nehmen lassen mir ein ganzes Sammelsurium an Einmachgläsern zu schicken. Natürlich gefüllt mit jeder Menge Obst aus unserem Garten. Darunter befanden sich Kirschen, weiße Pflaumen, Erdbeeren, Mirabellen und sogar ein Glas mit einer sehr merkwürdigen Obstkreuzung, die vor langer Zeit eher zufällig dort gewachsen war. Neben den ganzen Früchten befanden sich auch einige hausgemachten Marmeladen und Gelees aus Beeren darin. Die gefüllten Gläser umrandeten ein großes, in Leinen eingewickeltes, rundes Ding, auf dem ein Brief und eine Packung einfaches Kochsalz lag. "Boah, Mama", stieß ich lachend hervor und nahm zunächst den Brief von dem runden Ding. Ich öffnete ihn unter den immer noch neugierigen Augen der Zwerge und begann ihn zunächst einmal stumm für mich selbst zu lesen, bevor ich erneut lachte. "Was ist das für eine Nachricht?", fragte Balin und legte leicht den Kopf schief. "Das sind Glückwünsche und Segenssprüche für den Einzug in diese Wohnung", erklärte ich, woraufhin mich alle verdutzt anstarrten. "Wofür sollen die gut sein?", kam es skeptisch von Dwalin, der die Arme vor der Brust verschränkte. "Ganz einfach. Damit heißen meine Eltern zum Einen Thorin in unserer Familie willkommen und zum Anderen sollen wir damit vor bösen Einflüssen geschützt sein", entgegnete ich, legte den Brief kurz beiseite und nahm das Leinenbündel heraus. "Deine Eltern heißen mich in deiner Familie willkommen, obwohl wir uns noch nie begegnet sind?", hakte der Zwergenkönig mit sehr überraschtem Unterton nach und schnappte sich den Brief, um ihn ebenfalls zu lesen. Ich kümmerte mich in dieser Zeit um das Bündel, welches ich öffnete. Wie ich bereits erwartet hatte, befand sich darin ein großer Laib Brot, den meine Mutter ebenso wie die anderen Sachen selbst gebacken hatte. Ich neigte den Kopf einmal darüber und seufzte kurz sehnsüchtig, als sich dieser so vertraute Duft in meinem Bewusstsein breit machte. "Oh, ja. Ich wusste es. Mama hat Speckbrot gemacht", meinte ich und grinste zufrieden. "Speckbrot?", fragte Bifur, der sich einen hungrigen Gesichtsausdruck nicht verkneifen konnte. "Ja. Die Sachen hier hat meine Mutter alle selbst gemacht. Naja außer das Salz. Das ist gekauft. Aber sonst ist alles von ihr", erklärte ich sachlich und nahm auch das Salzpäckchen aus dem Paket. Derweil stand Thorin immer noch neben mir und las den Brief meiner Eltern wohl gut hunderte Male durch, bevor sich hinter seinem Bart ein amüsiertes Schmunzeln bildete. "Deine Eltern scheinen wirklich gute Menschen zu sein. Ich bin schon sehr gespannt darauf sie bald zu treffen", stellte er wenig später zufrieden fest und reichte mir das Schreiben zurück. Ich nickte ihm ruhig zu und nahm mir dann selbst den Brief wieder vor. "Was steht denn jetzt eigentlich genau da drin? Magst du ihn nicht vorlesen, Cuna?", fragte Dori neugierig. Ich atmete einmal tief durch und schaute kurz in die Runde. Die Zwerge waren offensichtlich sehr darauf erpicht zu hören, was meine Eltern Thorin und mir geschrieben hatten. Doch bevor ich mich dazu bereit erklärte ihn vorzulesen, bat ich Bombur noch kurz mir eines meiner Brotmesser aus der Besteckschublade zu bringen. Er nickte hastig und stürzte fast in seiner Aufregung zu meiner Küchenzeile um mir schließlich den geforderten Gegenstand zu bringen, den ich samt dem Brot kommentarlos an den Zwergenkönig weiter reichte. "Was soll ich denn jetzt damit?", fragte er und sah mich leicht irritiert an. "Warts ab. Das ist alles Teil einer uralten Tradition unter der Bevölkerung, die auf dem Land lebt. Ich denke sie wird euch gefallen", erklärte ich sachlich, worauf Gloin allerdings ein genervtes Stöhnen von sich gab. "Nicht schon wieder so eine menschliche Tradition", brummte er in seinen Bart und wand sich ab. Ich gluckste nur kurz, da ich mir genau denken konnte woran er gerade dachte. Und auch die anderen hatten meinen Auftritt als Gerwulf noch gut in Erinnerung, denn auch diese verzogen die Münder. "Nur die Ruhe, Jungs. Diesmal muss niemand geküsst werden", sagte ich und die Zwerge entspannten sich sichtlich, indem sie einmal erleichtert ausatmeten. Nachdem sich alle wieder gefasst hatten, sah ich mich noch einmal um, ob auch alle aufmerksam zuhören wollten, bevor ich mich räusperte und den Brief endlich vorlas. "An euch junge Liebenden. Wir waren sehr froh darüber zu hören, dass ihr euch zwar nicht gesucht, aber dennoch gefunden habt. Auf eurem neuen Lebensweg, den ihr beide gemeinsam beschreiten wollt, schicken wir euch nicht nur gutes Essen, sondern auch viele gute Wünsche mit. 'Bosheit, Feinde, schlimme Leiden sollen Eure Türe meiden! Freude, Glück und Sonnenschein sollen Euch willkommen sein!' 'Zum neuen Heime wünschen wir, dass ihr glücklich und zufrieden seid. Zu eurem Einzug haben hier zwei Gaben wir bereit: Das Brot, es gehe niemals aus, und Salz, das würze jeden Schmaus, solange ihr hier weilt und euer Brot mit guten Freunden teilt. Solange ihr habt Salz und Brot bleibt ferne von euch alle Not.' Nun lasst es euch gut schmecken und gewöhnt euch erst mal schön an die neue Wohnung. Wir hoffen, dass wir euch bald sehen können. Alles liebe, Mama und Papa." Als ich zu Ende gelesen hatte legte ich den Brief wieder beiseite und lächelte zufrieden zu Thorin, der immer noch recht ratlos mit dem Brot und dem Messer auf dem Arm da stand. "So. Das wars. Thorin. Du hast jetzt als Herr des Hauses die Ehre das Brot in Scheiben zu schneiden und jedem ein Stück davon zu geben", erklärte ich anschließend, woraufhin sich seine Gesichtszüge etwas aufklärten. Er zuckte kurz mit den Schultern und gab ein amüsiertes Schnauben von sich. "Gut. Dann mache ich das", meinte er schlicht, schnappte sich das Messer und begann den Leib anzuschneiden. Die restliche Truppe beobachtete ihn eingehend dabei und nach und nach bekam jeder Zwerg eine Scheibe des köstlichen Brotes in die Hände gedrückt. Dann winkte ich jeden von ihnen heran, öffnete das Salzpäckchen und verstreute auf jedes Stück eine Prise Salz. "Gut. Hat jetzt jeder etwas?", fragte ich, nachdem der Zwergenkönig mir und sich die letzten beiden Scheiben gegeben hatte, wobei ein einstimmiges Nicken durch die Runde ging. Ich lächelte zufrieden und ergänzte: "Dann wünsch ich allen mal einen guten Appetit." Danach biss ich in mein Brot hinein und beobachtete, wie es mir die Zwerge gleich taten. Wir schwiegen alle, während wir dieses eigenwillige Frühstücksmahl genossen. Das einzige was man hörte, waren Schmatzgeräusche und das eine oder andere genüssliche Brummen. Was aber nicht lange so blieb, da Bombur sich seine Scheibe gleich ganz in den Mund geschoben hatte, nachdem er einmal gekostet hatte und dann mit vollem Mund jubelte: "Daff iff fo köfftliff!" Ich verzog ein wenig das Gesicht, als ich feststellte, dass ihm dabei einzelne Krümel wieder aus dem Mund fielen. "Man. Bombur! Ab drei Pfund wirds undeutlich. Und mit vollem Mund spricht man nicht. Du spuckst ja alles voll", knurrte ich ein wenig pikiert, woraufhin er leichte rosane Flecken auf den pausbäckigen Wangen bekam. "Pfuldigung", nuschelte er verlegen, wobei ihm noch etwas aus dem Mund fiel, was mitten im Karton auf der Stelle landete, wo zuvor noch das Brotbündel gelegen hatte. Na klasse! Das hatte gerade noch gefehlt. Wirklich. In solchen Momenten verfluchte ich die kleinen Männer richtig. So lieb ich sie inzwischen auch hatte, aber manche Sachen waren einfach nur widerlich. Daher war es auch nicht verwunderlich, dass ich umgehend meinem Ärger, über das Missgeschick des pummeligen Zwerges, Luft machte. "Volltreffer! Kannst du nicht vorher runterschlucken, ehe du antwortest", rief ich zum Einen entsetzt und zum Anderen etwas angewidert aus. Bombur zog betreten den Kopf ein und sich dann Wortlos zurück, während ich mich genervt schnaubend über den Karton beugte, um nachzusehen wo sein halbgekautes Brot gelandet war. Dabei fand ich allerdings nicht nur dieses, sondern auch etwas, auf dem das Zeug gelandet war. Es war eine alte, etwas aufgegriffene Plastiktüte, aus der an einem Ende etwas heraus schaute, das an eine Art Buchband erinnerte. Ein wenig irritiert und gegen meinen Ekel ankämpfend griff ich nach der Tüte und zog diese langsam heraus. Wobei ich allerdings peinlichst genau darauf achtete nicht in das Zeug zu fassen. Dann legte ich sie auf meinen Schoß und zog das buchähnliche Ding heraus. "Was ist denn das?", kam es von Fili, der etwas näher heran trat. Ich antwortete ihm aber nicht sofort, sondern betrachtete es zunächst selbst. Es war quadratisch, hatte einen dunkelroten Ledereinband und die Seiten darin waren bei weitem dicker als bei gewöhnlichen Büchern der Fall war. Auf dem Deckel stand in großen goldfarbenen Lettern das Wort "Fotoalbum" geschrieben. Sofort erhellte sich mein Gemüt wieder ein bisschen und ich lächelte den blonden Jungen breit an. "Das ist unser altes Familien-Fotoalbum", erklärte ich und schlug es hastig auf. Auf der ersten Seite lag ein kleiner Notizzettel mit der Handschrift meiner Mutter auf dem Stand. 'Hier sind die Bilder, die du haben wolltest um sie deinem Schatz zu zeigen. Verwahre es gut.' Als ich ihn raus nahm, blickte mir sofort mein eigenen Ich entgegen. Allerdings nicht so, wie ich gegenwärtig aussah, sondern jünger. Viel jünger. Oder um genau zu sein, lächelte mich da mein eigenes Babyfoto an. Ein kleines Mädchen mit kurzen braunen Haaren und dunkelblauen Augen, das mit einer rot-weißen Latzhose, weißer Bluse und einem strahlenden Lächeln in einem kleinen Laufställchen stand und den Fotographen, nämlich meinen Vater, neugierig und unschuldig ansah. "Was in Durins Namen ist denn das für ein Kind?", fragte Thorin etwas argwöhnisch, als er sich zu mir herunter beugte, um das Foto zu begutachten. "Das bin ich mit etwa einem Jahr", erklärte ich ihm knapp. Daraufhin klappte Thorin ungläubig der Mund auf. "Du?!", kam es von Gloin, der ebenfalls seine Neugier nicht hatte bremsen können. Ich nickte dem rothaarigen Zwerg lächelnd zu. "Zeig mal her", forderte Nori und wollte mir schon das Album aus der Hand reißen, doch ich hielt ihn davon ab, indem ich das Album einfach hoch hob und es der gesamten Gruppe präsentierte. "Das glaube ich jetzt nicht", meinte Dwalin und schüttelte den Kopf. "Ach nein. Wie herzallerliebst", kam es von Balin, der ein großväterliches Lächeln aufsetzte. "Das sollst wirklich du gewesen sein?", hakte Bofur nach und schüttelte ebenso ungläubig, aber lächelnd den behuteten Kopf. "Ja. Natürlich. Oder denkt ihr meine Eltern schicken mir Fotos von fremden Kindern?", entgegnete ich, woraufhin ein allseitiges Schulterzucken zu sehen war. Ich nahm mir das Album darauf hin wieder vor und begann langsam durch zu blättern. Nachdem auf der ersten Seite nur ein einziges Foto von mir zu finden war, befanden sich auf den Übrigen zwischen vier und acht Bilder. Ich seufzte ein wenig, als ich meine eigene, künstlich erhaltene Vergangenheit überflog. Meine Eltern hatten bei diesem Album nichts ausgelassen. Von den ersten Stunden nach meiner Geburt, über meine Einschulung und Konfirmation, bis hin zu meinem Schulabschluss hatten sie alles fein säuberlich dokumentiert. Dabei war natürlich nicht nur ich alleine auf den Bildern, sondern auch hier und da meine Eltern, mein Bruder, meine Großmutter, meine Großtante und auch meine Taufpaten. Nach und nach rückten die Zwerge näher an mich heran, bis schließlich sogar Thorin neben mir platz nahm und wir gemeinsam hinein schauten. Dabei brachen die Herren gelegentlich in Gelächter aus, wenn sie ein besonders peinliches Bild von mir entdeckten. Dabei verzog ich jedes Mal das Gesicht zu einer Schnute und schnaubte verächtlich. "Ich will gar nicht wissen, wie ihr als Kinder bei so etwas ausgesehen habt", brummte ich, nachdem sie sich köstlich darüber amüsierten, wie mein winziges Ich im Alter von Vier, am Daumen nuckelnd und sich in den Haaren fummelnd, im Planschbecken auf unserem alten Balkon saß. "Solche Bildnisse existieren von uns gar nicht", meinte Kili, der sich die Lachtränen aus den alten Augen wischte. "Oh. Ja. Stimmt. In Mittelerde gibt’s ja keine Fotoapparate. Hab ich ganz vergessen", sagte ich ein wenig betreten, als mir bei seiner Aussage wieder bewusst wurde, dass sie gar nicht über die Mittel verfügten, die die Menschen meiner Welt entwickelt hatten. Manchmal war es schon ein bisschen komisch, wenn gerade durch solche Dinge, die für mich so alltäglich waren, zwei Welten aufeinander trafen, die unterschiedlicher gar nicht sein konnten. Trotzdem schien es den Zwergen weniger auszumachen als mir. Denn sie fanden deutlich gefallen an der Methode, Erinnerungen auf diese Weise aufzubewahren. Deshalb bestürmten sie mich auch mit Fragen, wie das ganze denn genau funktionierte, was man alles dafür brauchte und wie lange es dauerte bis so ein Bild fertig war. Wobei ich ihnen nur zum Teil darauf antworten konnte, weil ich nie wirklich Interesse für Fotographien und deren Herstellung gezeigt hatte. Was ich allerdings wusste war, dass durch die Digitalisierung inzwischen keine aufwendigen, chemischen Prozesse mehr verwendet werden mussten, weshalb jeder Hinz und Kunz zuhause seine Fotos ausdrucken konnte. Doch als Dori mich darum bat Bilder von ihnen zu machen und das doch einmal zu zeigen, schüttelte ich nur den Kopf. "Nein. Das kann ich nicht. Ich habe weder eine Kamera noch das passende Papier da", meinte ich und blätterte noch eine Seite um. Thorin, der sich die ganze Zeit über stumm und aufmerksam die ganzen Erinnerungen angesehen hatte, hob mit einem Mal die Stimme und murmelte feststellend: "Du bist deinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten." Ich nickte ihm daraufhin bedächtig zu und seufzte ein bisschen verbittert. "Ja. Ich weiß. Ist aber leider nicht das Einzige, was ich von ihm habe", meinte ich und blätterte noch einmal weiter. "Was denn noch?", hakte Fili nach, der sich auf meine andere Seite gesetzt hatte um ebenfalls einen besseren Blick auf die Sache zu haben. "Naja. Ich bin zum Teil sehr vergesslich und manchmal extrem gemütlich. Das beißt sich allerdings gelegentlich mit meinem Drang alles Mögliche so schnell es eben geht zu erledigen. Das und meine recht aufbrausende Art, habe ich von meiner Mutter", erklärte ich ihm, woraufhin Thorin neben mir kurz belustig schnaubte, aber nichts weiter dazu sagte. Sicher, er hatte mich bisher nur einmal richtig ausrasten gesehen. Und das war am vergangenen Abend. Aber diese Seite mochte ich auch weniger an mir. Ich war was das anging, doch lieber wie mein Vater. Auch wenn es mir schwer fiel meine andere Seite zu unterdrücken. Aber bestimmt hatte jeder Mensch in sich zwei Seiten, die natürlich nicht unbedingt mit den Lebensweisen der Eltern zusammen hingen. Manchmal war es eben wie bei mir der Fall, dass sich so etwas schon gerne heraus kristallisierte. Doch während ich noch so über meine leicht verkorkste Persönlichkeit herum lamentierte und munter weiter blätterte, warf Ori plötzlich eine Frage ein, bei der mir buchstäblich wieder eiskalt wurde. "Was ist nur aus diesem niedlichen, kleinen und fröhlichen Mädchen auf diesen Bildnissen geworden?", fragte er ein wenig betrübt und ich versteifte mich sofort. Ja. Die Frage von ihm war wirklich berechtigt. Denn was die Bilder nicht zeigten, war etwas anderes. Etwas mit dem ich eigentlich keinen von ihnen konfrontieren wollte. Die Schatten hinter den glücklichen kurzen Momenten. Dinge die Bilder niemals zeigten. Denn sie waren lediglich wie eine Art Maske, um anderen eine heile, unscheinbare, friedliche Welt vorzugaukeln. Doch oft waren die Geschichten dahinter wesentlich dunkler. Und die Menschen oftmals nicht ganz so glücklich, wie sie dargestellt wurden. Als ich das Buch schließlich zu klappte, da wir am Ende angekommen waren, musste ich kurz schlucken. Dann hob ich langsam den Kopf und warf dem jungen Zwerg einen sehr angespannten, verbitterten Blick zu. "Das Mädchen ist erwachsen geworden und sitzt gerade mit dreizehn Zwergen in einem viel zu kleinen Apartment über einem Postpaket mit Leckereien herum", antwortete ich, wobei sich meine Stimme recht fern von alle dem anhörte. Der Tonfall entging natürlich keinem von ihnen. Doch bis auf Thorin, wagte sich keiner von ihnen diesen Anzusprechen. "Cuna? Was hast du auf einmal?", hakte er nach und warf mir einen flüchtigen, besorgten Blick zu. Als ich mich für den Moment in seinen wunderschönen, blauen Augen vertiefen konnte, seufzte ich einmal gedehnt und schüttelte dann bedächtig den Kopf. "Weißt du. Die Dinge sind im Leben einfach nicht immer so schön, wie man sie in diesen Augenblicken auf den Bildern zeigt", erklärte ich kurz angebunden und hörte wie Oin plötzlich zustimmend brummte. "Ja. Da habt Ihr nicht ganz unrecht, meine Liebe. Ich muss zugeben, Ihr seid trotz Eurem geringen Alter mit viel Weisheit gesegnet worden", meinte er schlicht, woraufhin ihm die anderen murmelnd beipflichteten. Ihnen schien meine knappe Antwort gereicht zu haben. Doch konnte ich bei einem kurzen Seitenblick auf meinen Zukünftigen feststellen, dass der nicht ganz befriedigt mit der Sache war. Seine Miene wechselte innerhalb von wenigen Sekunden, zwischen Argwohn, Neugier und Besorgnis hin und her. Doch sprach er mich zu diesem Zeitpunkt nicht darauf an. Dafür hatte er auch nicht wirklich Zeit, denn just in dem Moment als er den Mund aufklappte, klopfte es plötzlich an der Haustür. Ein wenig verschreckt zuckten wir alle zusammen und wanden die Gesichter in diese Richtung. "Erwartest du heute noch Besuch, Weibstück?", fragte Dwalin verwirrt und machte schon einige Schritte durch den Raum auf die Tür zu. "Nein. Eigentlich nicht. Zumindest nicht das ich wüsste", meinte ich ruhig, was allerdings dafür sorgte, dass die Zwerge um mich herum auf einmal viel wachsamer wurden. Sogar Thorin erhob sich neben mir und brummte: "Sieh mal nach wer da ist, Dwalin." Dieser nickte knapp und wenige Augenblicke später öffnete er den unbekannten Klopfern. Doch ich hätte ihm am liebsten in dem Moment geraten, sie doch lieber geschlossen zu halten. Was nämlich folgte, war die melodische Stimme eines fremden Mannes, der lauthals in den Raum hinein flötete. "Schönen guten Morgen. Wir würden gerne mit Ihnen über Gott sprechen." - 83. Grüße aus der Heimat / ENDE - Kapitel 84: 84. Glaubenskrise ----------------------------- Völlig perplex und überrumpelt hockte ich auf meinem Sofa und starrte in Richtung der kleinen Diele, wo Dwalin immer noch mit dem Rücken zum Raum an der offenen Haustür stand. Dutzende von Fragen und fast schon panischen Gedanken schossen mir in dem Moment durch den Kopf, als die fremde Männerstimme in meinem Gehörgang widerhallte. Warum nur? Wieso ausgerechnet an diesem Morgen? Hätten die nicht an einem anderen Tag bei mir aufschlagen können, wenn ich nicht so viele Zwerge im Haus hatte? Verdammt. Das fehlte mir gerade noch. Und was mir auch fehlte war ein triftiger Grund diese, für meine Begriffe, lästige Landplage wieder los zu werden. Aber das war bei weitem schwieriger, als man sich denken konnte. Vor allem wenn man wie ich keine Blutwurst im Haus hatte. Denn ich wusste, dass diese feinen Herrschaften, denen Dwalin so freundlich den Weg versperrte, auf Blutwurst genauso panisch reagierten, wie Vampire auf Knoblauch. Doch woher auf die Schnelle nehmen und nicht stehlen? Unruhig aber hoffnungsvoll warf ich einen flüchtigen Blick in das Postpaket meiner Eltern. Doch wie ich es bereits hätte ahnen können, befand sich darin nicht die sehnlichst herbeigewünschte 'Zeugen-Jehovas-Abwehr-Waffe'. Das hätte mich auf der anderen Seite auch irgendwie schwer gewundert. Ich aß das Zeug ja selbst nicht gern. Aber für einen solchen Notfall, hätte ich die gute Wurst schon gebrauchen können. Ein bisschen davon auf ein Brot oder ein Brötchen geschmiert und schon sah man nur noch eine Staubwolke vor der eigenen Haustür, wo zuvor diese Gottesanbeter gestanden hatten. Gut, vielleicht war diese Darstellung der Dinge nicht ganz so realistisch, aber im übertragenen Sinne war es schon irgendwie amüsant mit anzusehen wie die Herrschaften sich die Hände vor die Münder klatschten und ihren Würgereiz versuchten mit leichten Hüsteln oder Räuspern zu überspielen. Besonders, wenn man ihnen auch noch das Angebot machte zum Essen zu bleiben. Der Trick zog fast immer. Oder man machte es wie meine beste Freundin Chu, die nach einer leicht durchzechten Nacht ziemlich genervt von diesen Leuten heimgesucht wurde. Sie wurde vor einigen Jahren nämlich auch so früh wegen ihnen aus dem Bett geworfen, als sie gerade mal eine Stunde geschlafen hatte. Dementsprechend gut gelaunt hatte sie die Tür ihrer Wohnung aufgestoßen und auf die Frage hin, ob sie nicht glücklich Leben wollte ziemlich barsch und Laut in ihren Hausflur gebrüllt: "ICH BIN GLÜCKLICH!" Als sie mir von der Geschichte erzählte, war ich regelrecht vor Lachen vom Stuhl gefallen. Doch dieses Mal hatte ich leider keine genervte Chu bei mir. Und innerlich fluchte ich zusätzlich noch ein bisschen, dass ich meine Eltern nicht um die Wurst gebeten hatte. Doch nun war das Kind in den Brunnen gefallen, wie man so schön im Volksmund sagte. Wobei es zuvor noch einen kleinen Balance-Akt auf dem Rand meines steinernen Fantasiegebildes einlegte. Denn zunächst konnte ich sehen, wie der Zwerg mit der Glatze die Arme vor der breiten Brust verschränkte und den Kopf dezent zur Seite neigte, um die Besucher argwöhnisch ins Auge zu fassen. "Wer seid Ihr?", fragte er in seinem üblich grantigen Tonfall. "Wir sind die Boten unseres Herrn Jesus Christus und wollen Ihnen seine Worte und Lehren näher bringen", antwortete die recht fröhlich klingende Stimme einer jungen Frau, die sich damit natürlich streng routiniert und professionell an die Vorgaben ihrer Glaubensgemeinde hielt. Folglich war sie wenig beeindruckt von dem abfälligen Ton des kleinen Mannes, der nach ihrer Antwort in wachsames Schweigen verfiel. Zum Einen war es gut, da er damit ihr unbefugtes Eindringen in mein Apartment noch ein bisschen hinaus zögerte. Zum Anderen wusste ich aber insgeheim, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie es schafften den Zwerg so sehr zu bequatschen, dass er sie ungehindert rein ließ. Es war eigentlich immer dasselbe alte Lied. Sie kamen, sie klingelten und verwickelten dann die Leute in teilweise stundenlange Gespräche über das Für und Wider ihrer Ansichten und Vorstellungen. In der Vergangenheit hatte ich mir dies das ein oder andere Mal rein aus Neugier angetan. Doch wie ich damals schon feststellen musste, schafften sie es jedwedes Argument, was man gegen die Existenz einer höheren Macht im Universum hervor brachte, mit ihren steinharten Ansichten so lange zu zerreden, bis man sich schließlich einfach darauf einigte ihre Zeitschrift oder diverse Broschüren anzunehmen, nur damit man sie endlich los war. Irgendwann hatte ich es mir angewohnt gar nicht erst an die Tür zu gehen, wenn es morgens oder mitten am Tag klingelte, ohne dass ich angemeldeten Besuch erwartete. Denn entweder standen diese Exemplare bei mir auf der Matte oder die gleichsam nervigen Haustürvertreter. In beiden Fällen war es schwer sie wieder los zu werden. Und wie ich feststellen musste, konnte die Sache mit Zwergen noch viel verzwickter werden. Denn schon war Thorin von meiner Seite gewichen und mit zügigen Schritten an seinen Gefolgsmann heran getreten. "Dwalin. Was wollen diese Menschen?", fragte er in ernstem, aber ruhigem Ton. Der Zwerg mit der Glatze schnaubte nur und drehte den Kopf halb über seine breiten Schultern zurück, um seinen König anzusehen. "Weiß nicht so recht. Der Mann sagt, sie wollen mit uns über ihren Gott reden. Und das Weib sagt, dass sie Boten sind und von irgendeinem Herren namens Jebus geschickt wurden, der seine Lehren und Weisheiten an uns weiter geben möchte", erklärte er mit einigem Misstrauen in der Stimme. Thorin gab daraufhin ein kurzes nachdenkliches und argwöhnisches Brummen von sich, während er nun höchstpersönlich die Besucher eingehend musterte. Mit Sicherheit war ihm die Sache nicht ganz geheuer. Dafür kannte ich ihn inzwischen viel zu gut. Warum sollten denn auch irgendwelche Boten eines Gottes zu dieser Zeit des Tages ausgerechnet an meine Türe klopfen? Für seinesgleichen war es bestimmt extrem ungewöhnlich, dass die Götter derartige Unterhändler schickten. Doch sicher konnte ich mir bei Thorins Gedankengängen ja nie sein. Denn immerhin lebten die Zwerge bereits längere Zeit mit den Göttern Mittelerdes zusammen. Und die würden bestimmt auch nicht persönlich mit ihnen reden wollen. Natürlich hoffte ich trotzdem inständig, dass er seinem angeborenen Misstrauen treu blieb und die Leutchen so schnell es ging weg schicken würde, wenn ihm die Angelegenheiten komisch vorkämen. Doch ausgerechnet in diesem Fall ließ er mich und meine inzwischen ausgeprägte Zwergenkenntnis völlig im Stich. Denn nach längerem Schweigen wandte er sich wieder Dwalin zu mit den Worten: "Lass sie rein. Ich will hören, was sie zu sagen haben." Im nächsten Moment fiel mir buchstäblich alles an Fassung aus dem Gesicht, als die beiden kleinen Männer von der Tür zurück traten, um die Zeugen unter einer höflichen Verbeugung herein zu bitten. Wie vor den Kopf geschlagen konnte ich nur stumm dabei zusehen, wie die beiden Menschen herein kamen und sich mit ihrem freundlichsten und vor allem künstlichsten Lächeln vorstellten. "Einen wunderschönen guten Morgen. Oh...", sagte die junge Frau und blickte sich überrascht in meinem kleinen Räumlichkeiten um. Sie war gertenschlank, hatte dunkelbraune, lange Haare zu einem netten Zopf in den Nacken geflochten und schien in selben Alter wie ich zu sein. Der Mann der neben ihr auftauchte war wohl bereits um die fünfzig, recht groß, aber trotzdem sehr hager und hatte sehr kurzes graues Haar. Beide trugen trotz dieser sommerlichen Temperaturen dunkelblaue Hosenanzüge mit identischem Schlips. Unter ihren Armen klemmten, wie sollte es auch anders sein, zwei schwarze Ledermappen in denen sie unter Garantie die unheilvollen Broschüren und die sagenumwobene Zeitschrift befanden, die Richi hinter vorgehaltener Hand immer den 'Lachwurm' nannte. Die Zwerge um mich herum waren offensichtlich von der Erscheinung der beiden Zeugen sehr beeindruckt und verneigten sich der Reihe nach höflich. Mir hingegen stieß der ganze Umstand extrem sauer auf. Deshalb versah ich auch den Zwergenkönig mit einem sehr giftigen und beleidigten Blick, nachdem er wieder in meinem Sehfeld auftauchte. Doch dieser ignorierte mich zunächst konsequent. "Ich hoffe wir kommen nicht ungelegen?", hakte der ältere Mann lächelnd nach und blickte dabei auf das Party- und Umzugschaos. "Um ehrlich zu sein, ja Sie kommen sogar sehr ungelegen", brachte ich nun endlich heraus, nachdem ich es geschafft hatte meine Zunge zu lockern. Mein kleiner Ausbruch kam zwar sehr unfreundlich und barsch daher, aber das war mir im Augenblick auf gut Deutsch gesagt ziemlich Wurst. Ich wollte diese Herrschaften nicht in meiner Wohnung haben und das wollte ich auch von Anfang an klar machen. Doch hätte mir im Gegenzug genauso klar sein müssen, dass die Herren Zwerge meine Meinung in diesem Sinne nicht teilten. Nein, sie waren sogar unglaublich empört darüber, dass ich den mutmaßlichen 'Götterboten' meiner Welt derartig respektlos zu verstehen gab, dass sie nicht willkommen waren. Deshalb sahen sich mich auch dementsprechend sehr verwirrt an. "Cuna. Was sagst du denn da?", hakte Bofur beunruhigt nach und hob die Augenbrauen bis unter die Krempe seiner Mütze. "Ich sage es so wie es ist. Die Herrschaften kommen gerade sehr ungelegen. Wir sind noch mitten im Umzug. Schaut doch mal wie unaufgeräumt es hier aussieht. So kann man doch keinen Besuch empfangen", erwiderte ich und verschränkte dabei die Arme vor der Brust. Sicher, die Unordnung war in dem Moment nicht das beste, aber mein einziges schlüssiges Argument um die Zeugen wieder los zu werden. Und mein Plan wäre vermutlich auch aufgegangen, denn die junge Frau nickte mir bereits mit einem verstehenden, aber doch sehr kühlem Lächeln zu und meinte: "Ja. Ich sehe schon. Ähm. Wenn es Ihnen jetzt nicht passt. Dann können wir auch ein Andermal wieder kommen." Doch gerade als sie sich dazu anschicken wollten zu gehen, stellte sich ihnen ausgerechnet mein Zukünftiger in den Weg und hob beschwichtigend die Hände. "Aber nicht doch. Ihr müsst mein Weib entschuldigen. Wir hatten am vergangenen Abend eine kleine Feierlichkeit und sie ist vermutlich noch etwas müde. Bitte bleibt einen Augenblick. Ich werde kurz mit ihr darüber sprechen", sagte er und warf mir dabei einen fast tödlichst beleidigten Blick zu, ehe er sich an Dori wand um diesen darum zu bitten, den Zeugen etwas zu trinken zu holen, während der Rest von Balin dazu angehalten wurde den 'Götterboten' eine Sitzgelegenheit zu verschaffen. Dafür räumten sie rasch einige meiner Umzugskisten beiseite und zogen eines der Unterteile meines Bettes aus der Ecke, wo sie die Zeugen unter vielem Bitten und Betteln dazu bewogen darauf Platz zu nehmen. Unterdessen erschien Thorin wieder an meiner Seite und beugte sich mit einem stark verärgerten Gesichtsausdruck zu mir hinunter. "Was in Durins Namen ist in dich gefahren?", raunte er mich umgehend barsch, aber sehr leise an, sodass unsere 'Gäste' ihn nicht hörten. "Ich will diese Leute hier nicht haben, Thorin", erwiderte ich knapp und zog eine trotzige Schnute. "Cuna. Das sind Boten deines Gottes. Sie haben sich bestimmt nicht ohne Grund her bemüht. Du solltest ihnen nicht derartig respektlos entgegen treten", sagte er und verengte dabei seine wunderschöne,n blauen Augen. Ich schnaubte nur kurz und tat es ihm gleich. "Sicher. Sie sind mit der Absicht hergekommen uns alle dazu zu bewegen ihrem Glauben beizutreten. Etwas anderes haben die nicht im Sinn. Und genau deshalb will ich sie nicht hier haben", entgegnete ich ohne dabei ein Knurren in meiner Stimme zu verbergen. "Mach dich nicht lächerlich, Frau. Götter tun so etwas nicht", entgegnete er und sah mich dabei ungläubig an. "Ja. EURE Götter vielleicht nicht. Aber hier bist du nicht in Mittelerde sondern in meiner Welt. Und die Menschen meiner Welt machen das schon seit Jahrhunderten. Ich kann dir nur sagen, was du gerade in die Wohnung geschleift hast, wird uns noch einigen Ärger machen. Die werden nämlich nicht eher wieder verschwinden, bis sie nicht mindestens einen von uns konvertiert haben", fauchte ich zurück. Doch wie zu erwarten stellte der Zwerg einmal mehr auf Stur und knurrte mich umgehend herrisch an: "Schluss jetzt. Ich werde mit dir nicht zu diesem Zeitpunkt darüber streiten, Cuna. Du wirst dir anhören was sie zu sagen haben. Immerhin geht es um deinen Schöpfer und diesen Worten solltest du lauschen. Es ist eine große Ehre, die dir damit zu Teil wird und ich erlaube es nicht, dass meine Frau sich derartig respektlos verhält." Nach diesen eindeutigen Worten hob er wieder den Kopf und ließ mich auf dem Sofa sitzen ohne eine erneute Erwiderung von mir abzuwarten. Stattdessen schritt er geradewegs auf die Zeugen zu, um sich noch einmal für mein unverschämtes Verhalten zu entschuldigen und nach ihrem Befinden zu erkundigen. Seufzend rollte ich mit den Augen und schüttelte matt den Kopf. Na klar. Was hatte ich auch anderes von seiner königlichen Konservativität erwartet? Das war abzusehen gewesen. Sobald es um höhere Mächte ging, war der Herr Eichenschild nicht mehr befähigt logisch zu denken. Aber gut. Ich hatte ihn zumindest gewarnt. Sollte er doch selbst damit auf seine zwergische Nase fallen. Er würde noch früh genug sehen, was er von seinen großen Worten hatte. Ich würde mich in die Sache nicht weiter einmischen als nötig. Dazu war ich tatsächlich viel zu müde vom vergangenen Tag. Trotzdem konnte ich mich nicht erwehren mich schmollend auf dem Sofa zurück zu lehnen und vor mich hin zu murren. "Mach nur Herr Eichenschild. Wirst schon sehen was du davon hast", brummte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. "Cuna. Onkel hat recht. Man sollte es sich nicht mit seinen Göttern verscherzen. Gib diesen Boten eine Chance und hör sie an", kam es plötzlich von Fili, der immer noch bei mir saß und mir beruhigend eine Hand auf den Oberschenkel legte. Ich seufzte nur und sah den blonden Jungen betreten an. "Fili. Ich kenne diese Leute da nur all zu gut. Und ich kenne auch diesen ganzen scheinheiligen Quatsch, den die von sich geben schon in und auswendig. Glaub mir, nichts was die zu sagen haben wäre neu für mich. Aber Thorin wird schon sehen was er davon hat", erwiderte ich mit einem Schnauben. Der junge Zwerg gab nur ein betretenes Seufzen von sich und schüttelte die blonde Mähne. "Ach, Schwesterchen. Nun fang doch nicht wieder an mit ihm zu streiten. Ihr habt euch gerade erst wieder miteinander vertragen. Komm ihm ein bisschen entgegen. Mehr als zuhören musst du doch nicht. Niemand verlangt von dir, dass du den Worten dieser Menschen Glauben schenkst", meinte er und streichelte dabei immer noch beschwichtigend meinen Oberschenkel. "Es geht doch nicht allein darum. Er. Ach. Er untergräbt gerade meine Prinzipien. Ich habe mich vor Jahren dazu entschieden meinem Gott zu entsagen, weil ich einfach nicht die Ansichten vertreten kann, die man uns hier von Kindesbeinen an predigt. Sicher es gibt hier und da ein paar kleine Dinge, die man beherzigen kann. Sowas wie Nächstenliebe und dass man nicht einfach irgendwelche Leute zum Spaß oder aus anderen Gründen tötet. Der Rest ist schlichtweg an den Haaren herbeigezogener Unsinn. Aber das wirst du ja gleich hören", brummte ich und verstummte gerade noch rechtzeitig, als mir Thorin einen kurzen mahnenden Blick über seine Schulter hinweg zu warf. Ich wusste, dass er meine letzten Worte wohl gehört haben musste. Doch das war mir schlichtweg egal. Ich konnte nur noch zurückgelehnt auf dem Sofa sitzen bleiben und warten, bis er selbst den großen Knall gehört hatte. Denn dieser würde garantiert früher oder später über ihn herein brechen. Die Frage war lediglich wann. Wobei ich schon ahnte, dass es eher später als früher werden würde. So machte ich es mir so bequem, wie nur möglich und starrte gespielt Teilnahmslos an die Decke. Wobei ich aber trotzdem hin und wieder zu dem sich bildenden Glaubenskreis herüber schielte. Die Zwerge versammelten sich unterdessen wie kleine Kinder um die Zeugen herum und starrten sie gespannt und neugierig an. Fehlte nur noch, dass einer von diesen aus den kleinen Ledermappen eine Gitarre hervor zauberte und sie gemeinsam 'Kumba ya, my Lord' sangen. Wobei ich dahingehend doch eher mit der Neuauflage von Michael Mittermeier und den Guano Apes liebäugelte als mit dem Klassiker. Das Lied war einfach schmissiger. Aber vermutlich wäre dies nichts für die werten Zwerge gewesen. Denn in dem Punkt gingen die Musikgeschäcker ja doch recht weit auseinander. Zum Glück waren die kleinen, bärtigen Männer aber immer noch soweit bei Verstand, dass sie sich nicht dazu anschickten mit dem mitgebrachten Holz in ihrem Kreis ein Lagerfeuer zu errichten und anzuzünden. Obwohl es das Bild vermutlich für einen Moment abgerundet hätte. Zumindest so lange bis die Nachbarn die Feuerwehr verständig hätten. Doch dazu kam es glücklicherweise nicht. Stattdessen warteten die Herren sehr gespannt darauf, dass die Zeugen endlich begannen von 'meinem Gott' zu erzählen. Als ich sie beim Herüberschielen einen Moment lang musterte, bildete sich doch ein flüchtiges Schmunzeln auf meinen Lippen. Die Beiden waren sichtlich überrascht und wohl auch ziemlich überfordert damit plötzlich so viele aufmerksame Zuhörer vorgesetzt zu bekommen. Ich konnte ihnen aber auch schon ansehen, dass sie sich fragten, wie viele sie von den Männern wohl zu ihrem Glauben bekehren konnten. Denn dafür waren sie ja immerhin gekommen. Und das machten sie auch sehr deutlich, nachdem ihnen Dori jeweils einen Becher Wasser in die Hände gedrückt und der Zwergenkönig bedächtig das Wort an sie richtete. "Also. Wir sind nun bereit Euren Worten zu lauschen. Sagt uns was Ihr vorzubringen habt, Götterboten", meinte er und wies sie mit einer lockeren Handbewegung an zu sprechen. Doch zunächst kicherten beide nur überrascht und verunsichert, ehe der ältere Mann auf Thorins Bitte einging: "Nun Götterboten sind wir nicht. Also nicht in diesem Sinn. Wir sind nur gekommen um die Worte unseres Herrn zu verkünden und die Menschen davon zu überzeugen, dass Gott tatsächlich existiert." "Ich nehme mal an Ihr redet von diesem Jebus, den Ihr vorhin kurz erwähntet. Was ist das für ein Mann? Irgendein hoher Priester oder ein König?", fragte Dwalin ruhig und aufmerksam, woraufhin ihm die junge Frau ihr wohl lieblichstes, künstlichstes Lächeln schenkte. "Nun ja. Das kann man durchaus so sagen. Er war so etwas Ähnliches wie ein Priester. Und man bezeichnete ihn als König der Könige. Denn er war Gottes Sohn", erklärte sie ihm, worauf ein kurzes andächtiges Raunen durch die Reihen der Zwerge ging. "Können Götter Kinder zeugen?", fragte Ori erstaunt und etwas leiser an seine beiden Brüder gewandt, die allerdings daraufhin nur ratlos mit den Schultern zuckten. "Sei doch nicht albern, Ori. Götter können keine Kinder zeugen. Das machen die anders. Vielleicht wurde er auch aus Erde erschaffen, wie einst unser Urvater Durin", warf Oin ein, was die restlichen Zwerge dazu bewog zustimmend zu murmeln. Doch auch auf diese indirekte Frage, hatten die werten Zeugen natürlich eine passende Antwort parat. "Also. Tatsächlich war es so, dass Gott unseren Herrn Jesus Christus mit einer sterblichen Jungfrau zeugte. Nämlich indem er den Heiligen Geist auf sie über gehen ließ und damit segnete. Doch schuf er den ersten Menschen tatsächlich aus Erde und Lehm. Sein Name war Adam und er war zusammen mit seiner Frau Eva der Begründer der Menschheit", erklärte der ältere Mann, wobei ich mir allerdings ein abfälliges Schnauben nicht verkneifen konnte, ohne mich weiter dazu zu äußern. Ja, die Schöpfungslehre. Mit der größte Unfug, den man in dem ältesten Märchenbuch der Welt, welches man die Bibel nennt nur finden konnte. Denn seit der Entdeckung der Evolutionslehren durch Charles Darvin, war die ganze Story einfach nur noch hinfällig. Aber darüber schieden sich ja immer noch die Geister. Egal wie viele Beweise und Belege man über die Wahrheit zur Entstehung der Welt und der Menschheit auch vorbrachte, die wahrhaft treuen Glaubensanhänger konnte man einfach nicht mit bestätigten Fakten überzeugen. Das sollte man auch nicht unbedingt versuchen. Denn dabei stieß man ebenso wie ich bei Thorin grundlegen auf taube Ohren und verhärtete Fronten. Folglich war es reine Zeit- und Kraftverschwendung. Oder wie es einst mein Vater einmal so schön verkündet hatte, 'Jeder soll nach seiner Fasson selig werden. Aber mich soll er damit in Ruhe lassen'. Und an diesen Grundsatz hielt ich mich für gewöhnlich auch. Doch durch die Tatsache, dass ich eine Frau war und ein ebenso sturer Bock sein konnte, wie der Zwergenkönig, ließ ich natürlich zeitweilig auch keine Gelegenheit aus meine Einstellungen zu bestimmten Thematiken anderen näher zu bringen. Wenigstens eine Sache die wir beide gemeinsam hatten. Auch wenn es nicht gerade die beste Voraussetzung für ein harmonisches Zusammenleben sein konnte. Was mir unterbewusst schon leichtes Unbehagen bereitete und bei mir erneut die leidige Frage aufkommen ließ, ob das Leben mit einem Zwergenkönig wirklich gut gehen konnte. "Mach dir keine Sorgen darum. Du schaffst das schon", erklang es plötzlich wieder in meinem Hinterstübchen. "Oh nein. Nicht du schon wieder", flüsterte ich tonlos vor mich hin und legte mir eine Hand auf die Augen, während ich genervt meinen Mund verzog. Na wunderbar. Es hatte mir gerade noch gefehlt, dass diese Stimmen wieder kamen. Dabei hatte ich so sehr gehofft sie wären verschwunden. Und dann auch noch zu diesem ungünstigen Zeitpunkt, als die beiden Zeugen gerade von den Menschen erzählten, die angeblich von Gott selbst auserwählt worden waren, seine Stimme zu hören und nach seinem Sinn zu handeln. Glücklicherweise war es tatsächlich nur die eine Stimme, die ich als mein eigenes Gewissen erkannte. Gut, das konnte und durfte von mir aus bleiben. Solange zumindest nicht wieder dieser Fremdkörper auftauchte. Denn das wäre an diesem Morgen wirklich noch die Krönung des Ganzen gewesen. Wieder ein Zusammenbruch durch einen Rückfall in den Klangrausch hätte ich bestimmt nicht überstanden. Vor allem wo es binnen weniger Stunden erneut zwischen mir und Thorin gekriselt hatte. Und das nur wegen diesen dämlichen Gottesanbetern, an deren Lippen die Zwerge mit teilweise sehr tumben Gesichtsausdrücken hingen. Besonders die Geschichten von Moses und Noah fanden sie unheimlich spannend. Wobei ich mich fragte, was daran so toll war, dass ein höheres Wesen, welches seine Schöpfung angeblich liebte, sie im selben Atemzug auch wieder hasste und vernichten wollte. Denselben Gedanken schien dahingehend auch Balin zu haben, der plötzlich eine nachdenkliche Miene aufsetzte und sich über seinen weißen Bart strich. "Also. Ich verstehe das nicht ganz", setze er an und unterbrach damit die Erzählung des älteren Mannes, der gerade dabei war zu erklären, dass die Menschen nach zehn göttlichen Geboten zu leben hatten und warf dem alten Zwerg einen fragenden Blick zu. "Was verstehen Sie denn nicht?", hakte dieser nach und hob dabei eine Augenbraue in die Stirn. "Nun wenn ich das vorhin richtig verstanden habe, seid Ihr Menschen die Kinder eures Gottes. Und als Euer Vater sollte er doch eigentlich weitaus nachsichtiger mit Euren Fehlern sein. Oder er hätte euch von Anfang an vollkommener machen müssen. Ich begreife nicht, warum er so viele seiner Kinder einfach tötet, wo Ihr doch vorhin sagtet, dass Euer Gott alle Menschen liebt", meinte Balin ruhig, woraufhin ihm aber die junge Frau ein beschwichtigendes Lächeln schenkte. "Nun sehen Sie das mal so. Die ersten Menschen waren nun einmal nicht perfekt. Und das sind sie bis heute immer noch nicht. Aber das liegt alles an der Erbsünde. Und zwar als Adam und Eva damals die Früchte vom Baum der Erkenntnis aßen. Wäre Satan nicht in Form einer Schlange erschienen und hätte die Beiden zu dieser Tat verführt, wäre es vermutlich nie dazu gekommen, dass wir das Paradies hätten verlassen müssen", erklärte sie noch einmal in einer eher dürftigen Zusammenfassung. "Das erklärt aber nicht, warum er die Menschen nach diesem Fehler nicht besser gemacht hat. Wieso hat der diejenigen, die er daraufhin geschaffen hat nicht verbessert, sondern so gelassen wie sie waren?", fragte Dori und erntete damit tatsächlich zustimmendes Gemurmel. Nun wurde ich auch aufmerksamer. Das konnte unerwarteter Weise doch noch interessant werden. Denn die Zwerge begannen nun Fragen zu stellen, die solche Leute heftig in Erklärungsnot bringen konnten, wenn sie nicht aufpassten. Doch auch dazu fanden die werten Zeugen mal wieder eine für ihre Verhältnisse logische Erklärung. "Nun der Grund war, dass der Satan sich durch die Verbannung aus dem Paradies immer mehr in die Schöpfung mit einmischen konnte. Und Gott hat es erst bemerkt, als die Menschen bereits von diesem zu sehr verdorben worden waren. Deshalb hat er auch die Städte Sodom und Gomorra ausgelöscht in der Hoffnung dadurch dem Bösen Einhalt zu gebieten, da dort die Macht des Teufels am stärksten wirkte", erklärte die Frau, was allerdings bei den kleinen, bärtigen Männern erneut auf Unverständnis stieß. "Habt Ihr nicht zuvor noch gesagt, dass Euer Gott alles sieht und alles weiß was auf der Welt vor sich geht?", fragte Kili und kratzte sich seitlich am Kopf. "Sicher. Sicher. Das tut er. Er sieht alles und er weiß auch alles...", setzte der Mann an, doch schon bestürmte ihn Bofur mit der nächsten Frage: "Aber warum hat er dann nicht schon viel früher eingegriffen und seine Kinder gerettet?" "Ähm. Nun ja. Das hat er. Indem er die Sintflut geschickt hat und jene Menschen rettete, die wahrhaft festen Glaubens waren", ergänzte der Mann. "Das ergibt doch keinen Sinn. Warum rettet er nur die, die an ihn geglaubt haben? Warum hat er nicht einfach den Teufel vernichtet und alle Menschen gerettet? Wieso nur so wenige? Und woher sind danach die anderen Menschen gekommen?", warf Gloin ein und zum ersten Mal seit dem Eintreffen der Zeugen spürte ich, dass sich Misstrauen unter den Zwergen breit machte. Ein fast gehässiges Grinsen bildete sich auf meinem Gesicht, als ich sah, dass die Herrschaften nun doch langsam ins Trudeln gerieten. Denn mit jeder Antwort die sie nun gaben, warfen sie neue Fragen auf. Fragen die nicht einmal ich wirklich hätte beantworten können, wenn ich an deren Stelle wäre. Denn egal wie alt die Zwerge auch waren, sie besaßen von Natur aus die Neugier kleiner Kinder und waren fast genauso schwer zufrieden zu stellen. Unwillkürlich kam mir die Szene in den Sinn, wo sie einst in Beutelsend beisammen gesessen und Gandalf mit der Frage bestürmt hatten, wie viele Drachen er denn schon getötet hatte. Denn so verhielten sich nun diese Gottesanbeter. Sie hüstelten wesentlich häufiger und widersprachen sich sogar wortwörtlich innerhalb von zwei Sätzen. "Also. Also einige Menschen haben es tatsächlich geschafft sich vor der Flut zu retten. Ebenso wie Noah und seine Familie", versuchte die junge Frau die Situation gerade noch zu retten. Doch schon mischte sich Dwalin ein. "Habt Ihr nicht gerade noch gesagt, dass dieser Nora mit seiner Familie, als einzige Menschen auserwählt waren sich vor den Wasser zu retten und dass sonst alles andere vernichtet wurde? Wie sollen sich dann noch mehr Menschen davor gerettet haben?", fragte dieser und ich meinte langsam kleine Schweißperlen auf der Stirn des älteren Mannes glitzern zu sehen, als dieser sie in Falten legte. "Nun ja. Noah hat ja auch vielen Menschen erzählt, dass eine Flut kommen würde. Und einige haben ihm ja geglaubt und sich selbst Boote gebaut um dieser zu entkommen", meinte er und legte dabei ein so maskenhaftes Lächeln auf, dass er gut und gerne in Madam Tussauds Wachsfigurenkabinett gepasst hätte. Aber noch immer gaben die Zwerge nicht nach und blieben beharrlich in ihrer Wissbegier. Wodurch sich auch ihre Ungeduld zusehends steigerte. "Nun bin ich verwirrt. Ihr sagtet doch, dass die Menschen Nora nicht geglaubt hatten und ihn sogar ausgelacht haben. Und dass all die, die wahrhaftig an seine Worte geglaubt hatten mit ihm auf dieser Arche waren", nuschelte Bombur und erntete dafür reihum zustimmend nickende Köpfe. "Nun. Das. Ja. Das waren auch nur die Menschen, die direkt in der Nähe des Ortes lebten, wo Noah seine Arche erbaut hatte. Das Gerücht von der Sintflut hatte sich ja über die gesamte Welt verbreitet und da gab es natürlich einige, die diesem Glauben geschenkt haben", warf die junge Frau ein und sah sich immer wieder Hilfesuchend nach ihrem Begleiter um. Nun gab Bifur ein verächtliches Schnauben von sich und grummelte: "Also an dieser Sache ist doch irgendetwas nicht ganz richtig. Ich glaube so langsam Ihr Menschen wollt uns hier einen Bären aufbinden." "Oh. Oh nein. Nein ganz bestimmt nicht. Denn das alles steht hier drin nieder geschrieben", warf die junge Frau ein und zog ihr letztes Ass aus dem Ärmel oder viel mehr aus ihrer schwarzen Ledermappe. Eine Broschüre mit Bibelausschnitten und dazu passend formulierten Erläuterungen diverser Scheinheiliger, die meinten die Worte so interpretiert zu haben, wie sie es für richtig befanden. Diese reichte sie nun einfach an den Zwergenkönig weiter, der direkt vor ihr auf dem Boden saß und als einziger die ganze Zeit über geschwiegen hatte. Ebenso stumm nahm er das Ding entgegen und begann es flüchtig durch zu blättern. Zu meinem Bedauern saß er mit dem Rücken zu meinem Blickfeld, weshalb ich seine Miene nicht erkennen konnte. Doch in mir machte sich das Gefühl breit, dass es wohl recht bald ein kleines königliches Donnerwetter geben würde. Und zwar eines, das sich ordentlich gewaschen hatte. Doch kündigte sich dieses wie ein normales Gewitter zunächst nur mit einem leichten kühlen Lüftchen an, das zufälligerweise auch gerade zum offenen Balkonfenster herein kam. Denn nun lag die Aufmerksamkeit der Zwerge nicht mehr auf den Menschen, sondern auf ihrem König, der gelegentlich ein undeffinierbares Schnauben von sich gab und zeitweilig kaum erkennbar seine schwarze Mähne schüttelte. Nachdem er die Broschüre fast bis zum Ende überflogen hatte, wand sind schließlich Fili interessiert an seinen Onkel. "Und? Was steht da drin, Thorin?", fragte er und zum ersten Mal seit vielen Minuten drehte dieser den Kopf über seine Schulter hinweg, um seinen ältesten Neffen und auch mich für einen kleinen Augenblick anzusehen. "Also. Hier steht weder etwas über Nora noch über Moses. Dafür aber viel über diesen Herr Jesus", meinte er und zuckte unwillkürlich mit den Schultern. "Und was steht da genau?", hakte Oin nach und rückte näher an den Zwergenkönig heran. Dieser Räusperte sich kurz und blätterte noch einmal zu einer Stelle irgendwo in der Mitte des Heftchens, wo er sich erneut für sich selbst die Zeilen durchlas, ehe er versuchte die Worte so wieder zu geben, wie er sie gerade so verstand. "Nun. Hier steht. Dass dieser Jesus gestorben und nach drei Tagen wieder von den Toten auferstanden ist, um danach in dem Himmel zu reisen. Wo er auf den Tag wartet um wieder zu kommen, damit er die Menschen für ihre Sünden richten kann. Aber an anderer Stelle heißt es wiederum, dass er ein barmherziger Mann war, der niemals auch nur einen Gedanken an Rache vergeudet hat. Das passt alles nicht so recht zusammen. Ich verstehe nicht was das soll", erklärte er aufrichtig und hob daraufhin den Kopf, um sich nun persönlich an die Zeugen zu wenden. Diese lächelten aufgrund seiner indirekten Frage wieder sehr künstlich, wobei ich bemerkte, wie sie Zusehens unruhiger auf dem Unterteil meines Bettes herum rutschten. "Nun. Das ist ganz einfach. Er wird damit den Willen seines Vaters erfüllen, und jene ins Himmelreich führen, die wahrhaftigen Glaubens sind", erläuterte die junge Frau so sachlich wie möglich. Doch zu ihrem großen Leidwesen konnte sie meinen Zukünftigen mit dieser eher dürftigen Antwort nicht zufrieden stellen. Denn schon zogen langsam aber stetig dunkle Gewitterwolken über der Gesprächsrunde herauf und die ersten Vorboten eines Donnergrollens hallten in seiner Stimme wider, nachdem er sich innerhalb von Sekunden einer weiteren Passage der Broschüre bemächtigte. "Aber hier steht. Dass die Menschen bereits mit der Reise zu seinem angeblichen Vater in diesen sogenannten Himmel kommen. Weil er eben für ihre Sünden gestorben ist und sie damit von allem Übel befreit hat", raunte er nun zum ersten Mal ein wenig ungehalten. Die beiden Zeugen zuckten heftig zusammen, als sie wohl von Thorins strengem und fast tödlichen Blick getroffen wurden. Denn nur das hätte die plötzlich auftretende Blässe um ihre Nasen herum erklärt, die sich mir deutlich zeigte. Innerlich lachte ich mir in diesem Moment so sehr ins Fäustchen, über ihre Zwickmühle namens Thorin Eichenschild, in die sie gerade mit voller Wucht hinein geraten waren. Ich wusste nur zu gut, dass der Zwergenkönig sich nun nicht mehr mit diesen einfachen, flapsigen Erläuterungen zufrieden geben würde. Er wollte Fakten. Belege die die Worte unterstrichen, welche sich von Wort zu Wort mehr und mehr widersprachen. Doch anstatt das Ruder herum zu reißen, um aus diesem Strudel heraus zu kommen, verstrickten sich die Herrschaften noch weiter in diese Sache. "Sehen Sie. Gott hat eben für uns alle einen Plan und...", stammelte der Mann doch schon fuhr ihm Thorin wieder dazwischen. "Welchen Plan?", herrschte er ihn barsch an, woraufhin die Zeugen erneut zusammen zuckten. "Also. Also das wissen wir Menschen natürlich nicht. Das wird uns Gott am Ende aller Tage erst offenbaren. Nämlich wenn sein Sohn zurückkehrt und...", stotterte die Frau, doch wurde sie von Bofur unterbrochen. "Wie? Ihr wisst nicht was er plant? Wir dachten Ihr wäret die Boten Eures Gottes und wolltet seine Lehren weiter geben? Aber man lernt ja gar nichts daraus", sagte der Zwerg mit der Mütze und in jedem Wort schwang seine haltlose Entrüstung mit. Nun gerieten die bedauernswerten Gottesanbeter endgültig in Erklärungsnot. Denn die Zwerge waren inzwischen so aufgebracht vor Ratlosigkeit, dass sie alle wild durcheinander plapperten und die Beiden gar nicht mehr zu Wort kommen ließen. Unterdessen konnte ich es mir nicht mehr verkneifen leise 'Kumba ya, my Lord' vor mich hin zu summen. Denn das Gewitter war nun voll im Gange und es würde schon sehr bald seinen Höhepunkt erreichen. Dazu reichte lediglich nur noch eine einzige Frage, die nur von den kleinen, bärtigen Männer kommen konnte. Und diese, stellte ausgerechnet Kili, dessen Stimme sich plötzlich unter dem gesamten Gewirr aus Worten erhob, was selbst mir einige Kopfschmerzen bereitete. "Was ist eigentlich mit Zwergen?", fragte er und binnen weniger Sekunden wurde es schlagartig still im Raum. Sogar ich hörte auf vor mich hin zu summen und musste einen Moment lang schlucken. Alle Augen wanden sich dem dunkelhaarigen Jungen zu, der die Zeugen als Einziger noch angesehen hatte. Diesen klappten nun synchron die Kinnlagen einige Etagen tiefer. Ihre Mienen spiegelten augenblicklich all ihre Gedankengänge wider. Denn die Frage war so unerwartet und in ihrem Weltbild so fehl am Platz, wie der Papst im Puff. "W-Wie? W-Was? Was meinen Sie? Was soll denn mit Zwergen sein?", stammelte die junge Frau, welche sich zuerst von dem Schock erholt hatte. "Nun ja. Warum hat Euer Gott keine Zwerge erschaffen?", hakte er etwas präziser nach, woraufhin die Zeugen sich kurz ansahen und dann plötzlich haltlos anfingen drauf los zu lachen. Doch das verging ihnen schnell. Denn aus der Stille erhob sich nun langsam aber stetig, der bevorstehende letzte Donnerschlag, in Form eines mehrstimmigen gereizten Knurrens. Ich schluckte erneut und in meiner Brust bildete sich alarmierend schnell ein panischer Knoten. Wenn die Beiden schlau genug waren und die Vorzeichen ihres drohenden Unterganges noch rechtzeitig erkannten, dann würden sie vermutlich noch in einem Stück und mit heiler Haut aus meinem Apartment entkommen können. Sicher, ich mochte diese Gottesanbeter nicht. Aber ich wollte tunlichst jede Form von Mord und Totschlag in meinen vier Wänden vermeiden. Daher schaltete ich mich auch eben noch rechtzeitig ein, um zumindest für ein wenig Schadensbegrenzung zu sorgen. Denn gerade als die junge Frau den Zwerg fragte, ob dies wirklich sein ernst war und er dies aufrichtig abknickte, fuhr ich dazwischen. "Ähm. Nur mal so. Überlegen Sie jetzt bitte genau, was Sie hier sagen", meinte ich und hob schon einmal beschwichtigend die Hände, als die kleinen Männer kurz mit ihren toternsten Gesichtern zu mir herum fuhren. Aber diese vorsichtige Warnung hätte ich wohl besser mit einem Einmachglas voller Mirabellen besprochen. Die hätte man wenigstens halbwegs gefahrlos Essen können, wenn sie fähig gewesen wären Widerworte zu geben. Doch der ältere Zeuge versah mich nur mit einem spöttischen Grinsen und schüttelte ungläubig den Kopf, ehe er genau das Gegenteil von dem tat, was ich ihnen ausnahmsweise aufrichtig von Herzen geraten hatte. "Was sollen wir denn da lange überlegen? Gute Frau, das ist ja wohl ein schlechter Witz. Warum sollte Gott Zwerge erschaffen wollen. Er ist einzig und allein für uns Menschen da. Zwerge gehören nun wirklich nicht zu seinen geliebten Geschöpfen. Nein. Also wirklich. Sämtliche Fantasiegestalten, seien es nun Fee, Elfen, Zauberer oder eben Zwerge sind allesamt Kreaturen des Teufels. Und zwar die niedrigsten ihrer Art. Einzig und allein dafür geschaffen um den Menschen ihre Totsünden aufzuzeigen, die....", sagte er, doch weiter kam er nicht. Binnen eines Wimpernschlages war die gesamte Truppe aufgestanden. Allen voran Thorin höchst persönlich, der den Mann mit einem wütenden Aufschrei am Kragen auf die Beine zerrte, sodass selbst ich mir ein ängstlichen Quieken nicht verkneifen konnte. "WIE HAST DU UNS GENANNT, DU UNEHRENHAFTER BASTARD?!", brüllte er und ich meinte sogar der ganze Plattenbau würde davon erbeben. Dem Mann wich augenblicklich die Farbe aus dem Gesicht und er stammelte nur undeutliche wirre Worte vor sich hin. Die junge Frau sprang panisch auf mein Bettgestell, während sie zusätzlich schützend die schwarze Ledermappe vor ihr Gesicht hob. Doch das mickrige Ding würde sie nicht vor dem bewahren können, was nun über sie und ihren Kollegen herein brach. Denn das waren allerhand Ansammlungen von Beschimpfungen und Hassgebrüll, dass sie ihnen sowohl in Khuzdul, wie auch in meiner Sprache entgegen schmetterten. Für die Menschen, und dieses Mal zählte sogar ich mich unterbewusst dazu, obwohl es mich nur indirekt betraf, war gerade wohl ihr schlimmster Alptraum wahr geworden. Sie waren nun nicht mehr in einem friedlichen Glaubenskreis von möglichen neuen Gemeindemitglieder umgeben, sondern in einem Todeszirkel mit rasend wütenden Zwergenmännern gefangen, aus dem es so schnell kein entrinnen mehr geben würde. Denn die Männer schlossen die Lücken sehr schnell. Und nicht mal ich konnte ihnen in diesem Augenblick noch helfen. So aufgebracht hatte ich die Männer noch nie gesehen. Nicht einmal damals, als sie in der Zeltstadt beinah bestohlen worden waren. Und selbst da konnte ich nicht wirklich eingreifen, weil mich Kili und Fili buchstäblich aus dem Weg geräumt hatten. Einen allein hätte ich ja vielleicht noch beschwichtigen können. Aber die ganze Bande? Keine Chance. Außerdem ging es dafür doch viel zu schnell, als dass ich in meinem Zustand hätte reagieren können. Denn schon packten sie alle auf einen Wink ihres Königs hin die beiden Zeugen an Armen und Beinen und zerrten sie aufgebracht in Richtung Wohnungstür. Die beiden Menschen schrien panisch und versuchten sich gegen die eisenharten Klammergriffe zur Wehr zu setzen, aber jeder Versuch scheiterte kläglich. Ich klatschte mir beide Hände an die Wangen und schüttelte fassungslos den Kopf. Ich musste eigentlich etwas tun. Aber ich konnte nicht. Immer noch versagte mir mein Körper den Dienst. Egal wie sehr ich mich auch innerlich anschrie endlich etwas zu unternehmen. Gegen diesen zwergischen Gewittersturm wäre ich haushoch unterlegen gewesen. "Nori! Mach die Tür auf!", blaffte Dwalin irgendwann, der zusammen mit Thorin, Dori, Kili und Fili den Mann festhielt. Der Zwerg mit der hellbrauen Stachelfrisur ließ sich das nicht zweimal sagen, eilte voran und öffnete. Binnen Sekunden hatten sie die Menschen schon in die schmale Diele geschleift, wo ich zum ersten Mal klar heraus hören konnte, wie sehr die Lage gerade am eskalieren war. "Werfen wir diese dreckigen Götterboten das Haus hinab!", brüllte Gloin. "Ja. Auf das sie nie wieder ihre scheußlichen Lügengeschichten verbreiten können!", stimmte Bifur nicht minder leise zu. Nun überflutete mich die Panik komplett. Das konnten sie nicht machen! Sie konnten doch nicht einfach zwei eigentlich arglose und unschuldige Menschen aus dem achten Stock werfen! Da halfen ihnen nicht einmal mehr die Gebete zu ihrem lieben Gott, die sie gerade unter einigem Wehklagen anstimmten. Das würde sie nämlich auf direktem Wege zu diesem befördern. Ich wusste zwar nicht mehr, wie ich es unter diesem Umständen und dem Chaos geschafft hatte. Aber ich war vom Sofa aufgesprungen, hatte die Decke von meinen Beinen geworfen und fast gleichzeitig einen Hechtsprung in Richtung Diele gemacht, um mir die beiden Zwerge zu krallen, die ganz hinten liefen und die schreiende Frau festhielten. Der eine war Bofur, dem ich unwillkürlich seine Mütze vom Kopf riss und der andere war Ori, den ich hinten am Kragen packte. Beiden starrten mich erst völlig perplex und dann erschrocken an, als ich sie mit letzter Kraft anbrüllte: "HÖRT AUF! SOFORT!" -84. Glaubenskrise / ENDE- Kapitel 85: 85. Zwergenstolz und menschliche Vorurteile ------------------------------------------------------- Umgehend kehrte totenstille ein, während sie in ihrem Tatendrang inne hielten und sich die haarigen Köpfe langsam und bedächtig, wie in Zeitlupe zu mir umdrehten. Dass meine Stimme einen derartig einfrierenden Effekt erzielen konnte, hatte ich gar nicht erwartet. Keiner von ihnen rührte sich. Sie sagten auch nichts mehr. Sie starrten mich nur noch mit gemischten Mienen an. Teils verwirrt, teils irritiert. Aber auch tief bestürzt, empört, verhärtet und ungemein besorgt. Ich wusste hingegen gar nicht was sie in diesem Moment in meinem Gesicht sahen. Meine Züge fühlten sich eisig und taub an, als hätte ich den Kopf in das Gefrierfach meines Kühlschrankes gestopft und erst nach Stunden wieder hervor geholt. Und genauso zitterte ich auch vor Anspannung und Angst am ganzen Leib. Das war eine verdammt waghalsige und dumme Idee gewesen. Mich einfach auf die Gruppe rasend wütender Zwerge zu stürzen, war wohl das Leichtsinnigste, was ich je gemacht hatte. Doch ich hatte einfach keine andere Wahl gesehen, um die beiden Menschen zu retten, die als einzige noch Geräusche von sich gaben. Sie flehten, wimmerten und beteten wirre Sachen vor sich hin. Ich konnte es ihnen sehr gut nachempfinden. Ich hatte auch Angst. Große sogar. Bisher hatte ich die kleinen bärtigen Männer auch noch nie derartig aufgebracht erlebt. Ich fühlte mich auf einmal so unendlich leer im Innern. Sah ich nun zum ersten Mal wie Zwerge wirklich waren? Hatten sie tatsächlich die ganze Zeit über diese Form einer gewalttätigen und blutrünstigen Seite vor mir verbergen können? Oder hatten sie sie nicht zeigen wollen, weil sie mich dafür viel zu gern hatten? Sicher, ich hatte schon viel mit ihnen mitgemacht. Für die Nerven einer jungen Menschenfrau sogar zu viel. Aber ein Akt diesen Ausmaßes überstieg meine bisherige Vorstellungskraft und Erfahrung mit den Zwergen bei weitem. Während sie mich immer noch mit ihren behaarten Gesichtern schweigend anstarrten und ich weder Oris Kragen noch Bofurs Mütze loslassen wollte oder viel mehr konnte, bildete sich in meiner Brust ein unangenehm fester Knoten. Einer von dieser Sorte, der es mir enorm schwer machte zu atmen und mir ein leichtes Schwindelgefühl samt Übelkeit beschert. Allerdings war mein Kopf trotz dieser heiklen Situation so klar wie schon lange nicht mehr. Ich wusste immer noch was zu tun war. Und das tat ich auch, obwohl mir die Konsequenzen meines Handelns zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal im Entferntesten bekannt waren. Schwer atmend und am ganzen Leib zitternd hob ich erneut meine Stimme. Allerdings wesentlich leiser und zu meiner eigenen Überraschung gefasst und deutlich. "Lasst sie los", keuchte ich und fixierte einen nach dem anderen in der Runde scharf. "W-Was?", stammelte der dunkelblonde Bursche, dem ich mit meinem Kragengriff wohl fast die Kehle zu schnürte und in dessen Augen ich zum ersten Mal Angst sehen konnte, als ich ihm direkt in die seinen schaute. "Lasst. Sie. LOS!", blaffte ich nun etwas energischer. Doch nichts geschah. Stattdessen fing ich mir nur ein höhnisches Schnauben von Gloin ein, der neben Dwalin stand und die Frau unerbittlich am Arm fest hielt. "Was mischt DU dich denn da schon wieder ein?! Du hast selbst gehört, wie sie uns genannt haben! Und da verteidigst du sie noch?!", knurrte er mich barsch an, woraufhin einige Köpfe nickten. Ich atmete immer noch sehr schwer und es schien von Sekunde zu Sekunde schwerer zu werden. Trotzdem nahm ich nun allen Mut zusammen und den rothaarigen Zwerg genau ins Visier, während ich wütend die Augen verengte, bevor ich ihm eine Antwort gab. "Ja, Gloin. Ich war gerade auch dabei. So schwerhörig bin ich noch nicht. Ich weiß was sie gesagt haben. Und ich weiß auch, dass es nicht gerade schön war. Aber sich wegen ihrer Unwissenheit euch gegenüber gleich wie eine barbarische Bande blutrünstiger Brüllaffen aufzuführen, ist ja wohl alles andere als notwendig!", fauchte ich zurück. "Und ob das notwendig ist! Sie haben uns als niedere Kreaturen bezeichnet. Dafür verdienen sie es bestraft zu werden!", herrschte mich nun Bifur an, dessen Axt in seinem Schädel bedrohlich in meine Richtung zuckte. "Aber doch nicht SO! Ihr könnt doch nicht einfach jeden gleich umbringen, weil er unbewusst was Falsches über euch gesagt hat! Damit bestätigt ihr ja nur was sie über euch denken! Wollt ihr das wirklich? Wollt ihr hier stehen und euch wie diese niederträchtigen Kreaturen aufführen, für die sie euch halten? Oder wollt ihr mal eure Zwergenhirne einschalten und diese Menschen Lügen strafen? Ich weiß, dass ihr das könnt. Ihr seid nicht diese Monster, die sie in euch sehen. Ich habe euch alle anders kennen gelernt. Ihr seid nicht so. Das habt ihr nicht nötig. Ihr seid ein ehrenhaftes Volk, das sogar buchstäblich durchs Feuer gegangen ist. Wollt ihr das alles dafür opfern, um zwei unschuldige, wenn auch dumme Menschen in den Tod zu stürzen? Nur weil ihr euer Ego nicht im Griff habt? Wenn ja, dann ist das wohl das Abstoßendste, was ich je von euch erlebt habe. Ich muss mich schämen euch zu kennen", entgegnete ich und spürte wie meinen Körper langsam die Kraft verließ, die ich für meine Rettungsaktion aufwand. Aber zumindest zeigten meine letzten Worte bei einigen der Herren die erhoffte Wirkung. Tatsächlich brachte das die Ersten dazu, zumindest die junge Frau und den Mann los zu lassen, die dabei wimmernd vor Angst mit den Knien auf dem PVC -Boden landeten. Darunter waren natürlich Bofur, dessen Mütze ich immer noch krampfhaft in der einen Hand zerdrückte. Sein Bruder Bombur, welcher eher hastig und fahrig los ließ, da er sich wohl gerade vor sich selbst erschrocken hatte. Ori, der mir einen sehr schuldbewussten Blick zu warf, ehe er seine Augen gen Boden senkte und sich betreten auf der Unterlippe herum kaute. Der alte Balin, der verdrießlich das Gesicht verzog und reuevoll den Kopf schüttelte. Und selbstverständlich auch Kili und Fili, deren Mienen sich während meiner deutlichen Ansprache regelrecht versteinert hatten. Der Rest tat sich hingegen sehr schwer damit von ihren 'Gefangenen' ab zu lassen. Allen voran Thorin, dessen Gesichtszüge sich mehr und mehr verfinsterten und verhärteten, als er die Reaktion seiner Gefolgsleute und Neffen bemerkte. Ich war dahingehend vorerst zufrieden mit dem was ich sah und schaffte es endlich meine Hand von Oris Kragen zu lösen, der mir dies mit einer sehr leisen Entschuldigung auf den Lippen dankte. Danach reichte ich Bofur seine Mütze, welche er sich bedächtig wieder auf sein Haupt setzte und ein paar Schritte zurück trat. Auch die Anderen, die losgelassen hatten gingen nun beiseite und bildeten so eine Schneise, die mich auf direktem Wege zum Zwergenkönig geführt hätte. Doch noch wartete ich ab, ob nicht noch mehr dem Beispiel ihrer Freunde folgen wollten. Diese waren aufgrund dessen inzwischen ziemlich unschlüssig. Sie warfen immer wieder Blicke zwischen Thorin und mir hin und her, welcher mich nicht mehr aus seinen wunderschönen, eisblauen Augen ließ. Sie schienen meinen Körper einmal mehr wie scharfe Speere zu durchbohren, doch ich wollte nach meinem kleinen Erfolg, den ich gerade erzielt hatte, nicht Klein bei geben. Auch wenn das hieß erneut mit ihm in einem heftigen Streit zu geraten. Ich konnte und wollte es nicht zulassen, dass er nicht nur mich, sondern auch sich selbst mit einer solchen Bluttat unglücklich machte. Vor allem nicht, weil wir erst unser neues, gemeinsames Leben beginnen wollten. Denn die Konsequenzen daraus wären verheerend. Aber in diesem Augenblick konnte oder wollte er das Ausmaß einfach noch nicht begreifen. Dafür war er zu sehr in seinem Stolz und seiner Würde gekränkt worden. Und mit meinem beherzten Eingreifen, versetzte ich ihm wohl den nächsten Schlag auf sein übermächtiges, königliches Ego. Auch wenn er es bis dahin nicht offen nach außen trug. Allerdings war es deutlich in seiner Stimme zu hören, als er diese wiedergefunden hatte und mich unverhohlen wütend anknurrte, während er den Arm des älteren Mannes fast in seinem kräftigen Händen zerquetschte. "Cuna...", knurrte er drohend, sodass ich meinte einzelne Funken aus seiner Nase kommen zu sehen. Er kochte gerade vor Wut und Entrüstung. Aber das war mir zunächst egal. Nun machte ich nämlich einen Schritt auf ihn zu und erwiderte provokant: "Was? Thorin? Was ist? Sag schon." Doch darauf antwortete er vorläufig nicht. Seine Miene blieb nur unverändert hart und unergründlich ernst. Das bewog mich dazu noch weiter auf ihn zu gehen, bis ich mit vor Anspannung bebenden Körper ihm gegenüber stand. Dabei trafen sich unsere Augen nun endgültig. Es war der wohl längste Anstarrwettbewerb, den wir bis dato führten. In dieser Zeit versuchte ich irgendetwas bei ihm zu finden. Und wenn es nur eine Kleinigkeit war, die ihn dazu bewog von sich aus den Mann los zu lassen, der ein gequältes Keuchen von sich gab. Schließlich rang sich der Zwergenkönig wenigsten dazu durch, erneut den Mund zu öffnen. Doch seine Worte waren kalt und gefährlich leise. "Du tust es schon wieder...", fauchte er und zog dabei argwöhnisch die Augenbrauen zusammen. Ich schnaubte nur und verschränkte langsam die Arme vor der Brust. "Ich tue WAS schon wieder?", hakte ich nach und warf ihm dabei einen verächtlichen Blick zu. "Du. Du. Untergräbst gerade meine Autorität!", knurrte er barsch und straffte dabei die Schultern. "Ach? Tue ich das? Dann frag dich mal warum", entgegnete ich und verlagerte meinen Oberkörper etwas nach Vorne. Auch weil meine Knie nicht mehr aufhören wollten zu zittern. Aber anstatt, dass der feine Herr Zwergenkönig sich tatsächlich kurz die Zeit nahm, um einmal nachzudenken knurrte er mich weiterhin grantig an. "Ich brauche mir von dir nicht sagen zu lassen, was ich hier zu verrichten habe. Das ist MEINE Angelegenheit und die MEINES Volkes, welche diese Menschen beschmutzt und beleidigt haben. Ich habe gute Gründe dafür diese unwürdigen Bastarde für ihre Frechheit zu bestrafen. Du hingegen solltest jetzt einmal ganz genau überlegen, was du sagst, Weib. Denn die Sache hier geht dich nichts an. Gar nichts, hörst du! Also halt dich da raus und tritt zurück an den Platz wo du hingehörst. Sonst garantiere ich für nichts, was dich nicht auch betreffen könnte", fauchte er, wobei er mit jedem Wort lauter wurde. "Thorin. Das hier wird mich aber betreffen, wenn du es durchziehen willst!", erwiderte ich und wurde ebenso etwas lauter. Doch er schnaubte nur abfällig. "Inwiefern sollte es dich betreffen, wenn ich diesen Menschen hier den Gar aus mache?", hakte er nach ohne den Hohn in seiner Stimme zu verbergen. Nun reichte es mir aber endgültig. So dumm konnte doch nicht mal er sein. Aber allen Anschein nach, drückte ihm sein mächtiges Ego so sehr aufs Gemüt, dass er von selbst nicht mehr klar denken konnte. Offensichtlich musste ich dem Herrn direkt vor Augen führen, was er mir damit antun würde, wenn er weiterhin versuchte völlig kopflos Leute umzubringen. Ich holte einmal tief Luft und entgegnete dann in einer Tonlage, die zwar bebte, aber trotzdem fest und bestimmend aus meinem Mund heraus kam. "Ganz einfach, Herr Eichenschild. Weil ich nämlich deinetwegen im Knast landen werde, wenn du das hier durchziehst!", sagte ich und hoffte dadurch seinen Sturkopf endlich brechen zu können. Tatsächlich trat in seiner Mimik kurz eine Spur von Unsicherheit auf, weshalb sich auch sein eiserner Griff etwas lockerte. "Warum sollten sie dich dafür belangen und einsperren?", fragte er nun ziemlich vorsichtig und lockerte seine Augenbrauen etwas. "Warum? Das fragst du noch? Weil ich die Besitzerin dieser Wohnung hier bin. Vielleicht ist es dir ja in deiner Verbohrtheit entfallen. Aber du warst derjenige, der mir mal gesagt hat, dass eure Existenz geheim bleiben soll. Und damit würdest du all unsere Pläne für die Zukunft zu Nichte machen. ICH müsste für den Tod der beiden den Kopf hin halten und nicht du. Nein. Du kannst dich mit deiner Sippschaft und deinem ach so wundervollen Leuchtsteinchen aus dem Staub machen. Und zwar, während ich für sage und schreibe dreißig Jahre gesiebte Luft atmen müsste. Dreißig Jahre, Thorin! Das ist mein halbes Leben! Für einen Zwerg ist das vielleicht noch vergleichsweise wenig. Aber ich wäre bereits alt und grau, bevor ich dich wiedersehen dürfte", knurrte ich und löste dabei meine Arme vor der Brust mit denen ich unwirsch in der Gegend herum fuchtelte. Dabei verfehlte ich ganz knapp Kili, der rechts neben mir stand und gerade noch so nach Hinten auswich. Doch der Zwergenkönig ließ sich auch von meinen aufgebrachten Argumenten nicht überzeugen, dass er einen schweren Fehler mit seiner Tat beging und erwiderte: "Du weißt genau, dass ich das nie zulassen würde. Wenn es sein müsste, dann könnte ich dich ohne weiteres befreien. Und jetzt Schluss mit dem Unsinn. Halt dich endlich aus meinen Angelegenheiten raus!" "Das werde ich nicht! Ich lasse nicht zu, dass du diesen Menschen hier ein Haar krümmst!", brüllte ich und ergriff dabei reflexartig eines seiner Handgelenke, um es los zu reißen. "Hör zu, Cuna. Ich sage es dir jetzt nur noch ein einziges Mal. Tritt zurück. Bevor du es bereust!", herrschte er mich nun an. Doch ich ließ mich nicht beirren und begann an ihm herum zu zerren. Das wurde ihm dann wohl nach einigen Sekunden zu viel. Er löste zwar die Hände von dem Mann, aber nur um sich aus meinem Griff heraus zu winden und mich von ihm weg zu stoßen. Dabei knallte ich mit dem Rücken gegen seinen jüngsten Neffen, der mich fest bei den Schulter packte, damit ich nicht um fiel. Thorin war nun außer sich vor Zorn. Sein Gesicht, das sich meinem erneut näherte, wandelte sich zu einer beinah wutverzerrten Fratze. Nun musste ich doch heftig schlucken. Er sah so furchteinflößend aus, dass selbst die Zwerge, die die Zeugen noch festhielten, einfach los ließen und einige Schritte zurück traten. Dann hob der Zwergenkönig erneut die Stimme, welche mir so durch Mark und Bein ging, wie die glühende Klinge eines frischgeschmiedeten Schwertes. "Ich habe deine Unverschämtheiten langsam satt. Seit ich dir begegnet bin, begehrst du gegen mich auf, widersetzt dich meinen Anweisungen, mischt dich in all meine Angelegenheiten ein und wiegelst zusätzlich noch meine Männer gegen mich auf. Aber jetzt ist Schluss damit! Meine Geduld mit dir hat langsam ein Ende! Du bist mein WEIB. DU hast mich als deinen Mann erwählt und angenommen. Und als dieser fordere ich endlich den nötigen Respekt von dir ein! Deswegen tust du jetzt endlich was ich sage und nimmst den Platz ein, der dir vorbestimmt ist! Hast du verstanden, Cuna?!", raunte er und machte wieder Anstalten den älteren Mann zu ergreifen und raus zu schleifen. Nur hatte er dieses Mal das Problem, dass seine Männer der stummen Aufforderung es ihm gleich zu tun nicht folgten. Dafür waren sie genauso wie ich zu geschockt von seinem Auftreten. Niemand rührte sich. Nicht einmal Dwalin, der dies sonst liebend gern getan hätte. Nachdem sich einige Sekunden lag immer noch keiner von ihnen bewegte, hob der Zwergenkönig erneut den Kopf und sah sich flüchtig in der Runde um. "Was ist? Helft mir gefälligst!", brülle er sie an und ich sah wie ein Teil von ihnen tatsächlich wieder zu greifen wollte. Doch da schaltete sich plötzlich Balin dazwischen, der hinter mir und Kili stand. "Thorin. Cuna hat recht. Ich. Wir. Du gefährdest gerade alles, was wir versuchen wollten zu schützen. Das. Das ist es nicht wert. Es ist genug. Lass die Menschen laufen", sagte er und versuchte dabei ruhig und vermittelnd zu klingen. Aber seine Stimme flatterte regelrecht vor Aufregung. Jedoch hatte er sich mit seinem mutigen Vorstoß in eine äußerst unangenehme Lage gebracht. Denn nun ging sein König ihn an. Und das nicht gerade leise. "Du machst mir Vorhaltungen, Balin?! Schlägst dich auf ihre Seite?! Wo du genau weißt, dass SIE im Unrecht ist?! Denkst ICH würde alles zunichtemachen?! Wer bist du, dass du dir erlaubst meine Entscheidungen in Frage zu stellen?!", raunte er seinen ältesten Freund an. "Er ist mein Bruder. Und wenn er sagt, dass es Falsch ist was wir tun. Dann ist da auch etwas dran. Auch wenn ich das Verhalten des Weibstücks nicht verstehen kann, so weiß ich zumindest, dass wir damit tatsächlich zu weit gehen", kam es von Dwalin, der etwas näher an Thorin heran trat. Rückartig fuhr der Angesprochene mit dem Kopf herum und ihm klappte empört der Mund auf. Er musterte flüchtig die Erscheinung seines treusten Gefolgsmannes und schüttelte dann ungläubig seine lange schwarze Haarmähne. "Du. Du auch, Dwalin?", stammelte er fast Tonlos und ließ damit endgültig von dem Mann ab. Der Zwerg mit der Glatze nickte nur ruhig und warf seinem König einen eindringlichen, ja sogar besorgten Blick zu. Doch konnte ich gerade diesen nicht wirklich deuten. Vermutlich wusste Dwalin weit besser, was gerade mit Thorin los war. Dieser schien nämlich offensichtlich langsam seinen Verstand zu verlieren. Und nicht nur diesen. Auch seine sonst so gut bewahrte Fassung senkte sich auf ein Nullniveau. Niemand hörte mehr auf ihn. Er stand so gesehen alleine mit der Entscheidung da, die Menschen in unserer Mitte töten zu wollen. Das alles kam mir unangenehm vertraut vor. Ja, etwas Ähnliches hatte ich schon einmal gesehen. Allerdings nie Live und direkt vor meinen Augen. Ich fühlte mich stark an die Filmszene im Erebor erinnert, wo er in seinem rasenden Zorn einen Hobbit den Wall hinunter stürzen wollte. Dieser hatte ihm den Arkenstein verwehrt und stattdessen den Menschen und Elben gegeben, welche daraufhin nur ihr recht einfordern wollten. Eine ungute Vorahnung ergriff mein Herz und ließ mich schwer schlucken, als der Zwergenkönig sich bedächtig und ganz langsam wie ein Raubtier zu mir umdrehte. Seine eisblauen Augen schienen nun zu brennen. Ich schnappte heftig nach Luft und mein Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Plötzlich flogen mir Dinge durch den Kopf. Dinge die ich vergessen hatte. Und zwar ein Gespräch, das nicht mehr als vier Wochen zurück gelegen hatte. Die Worte eines Zauberers mit weißer Robe und grauem Mantel, der mir gegenüber in einem Café gesessen und eine Tasse Earl Grey getrunken hatte. "Aber selbst dir dürfte wohl schon aufgefallen sein, dass sein Temperament ordentlich mit ihm durch gehen kann, wenn er seinen Stolz angegriffen fühlt. Das würde nicht nur ihm, sondern auch dir auf Kurz oder Lang einen ganzen Haufen Schwierigkeiten einbringen", hallte es in meinen vergrabenen Erinnerungen wieder. Die weisen Worte Gandalfs. Ich hatte sie abgetan, indem ich sagte, dass es mir klar war, wie er ausrasten konnte. Doch nun sah ich zum ersten Mal, wie gefährlich es wirklich war, den Stolz des Zwergenkönigs bis zur Unendlichkeit zu unterschätzen. Was nun folgte, war genau das, was ich mir nicht einmal in meinen schlimmsten Alpträumen hatte ausmalen wollen. Thorin drehte durch. Er rastete nun richtig aus. Und ich war das Ziel, an dem er seine Wut, seinen Frust und buchstäblich seinen Wahnsinn ausließ. Seine breite Brust hob und senkte sich so rasch, dass er aussah als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. Seine schweren Hände ballten sich zu Fäusten und seine Augen waren so kalt, dass mir das Blut in den Adern zu gefrieren drohte. Nie zuvor hatte er mich auf diese Art angesehen. Nicht einmal, als ich mit Bofur und seinen Neffen in einer Nacht und Nebel Aktion abgehauen war, um ein gemeinsames Mittagessen für alle zu organisieren. Gut, da war er auch ausgehungert und übermüdet gewesen. Dieses Mal hatte er geschlafen und genügend gegessen. Sprich, er war bei vollen Kräften. Und die wusste er nun auch einzusetzen. Blitzschnell hatte er mich am Arm ergriffen und direkt vor sich gezogen, sodass ich ganz nah bei ihm stand. Dann brüllte er mir mitten ins Gesicht, dass ich meinte im nächsten Augenblick einen Hörsturz zu bekommen. "Sieh dir an was du angerichtet hast! Meine Männer stellen sich gegen mich! Stellen mich und meine Entscheidungen in Frage! Und das alles nur DEINETWEGEN! Weil DU immer wieder gegen MICH aufbegehren musst! DU solltest als MEIN Weib auf MEINER Seite stehen! Stattdessen setzt du dich immer wieder für diese unehrenhaften, unwürdigen Kreaturen von Menschen ein! Sag mir warum?! Warum in Durins Namen?! SPUCK ES AUS?!", rief er und schüttelte mich dabei so heftig durch, dass mir mit Sicherheit übel davon geworden wäre, wenn ich mich nicht schon zum Kotzen gefühlt hätte. In meinen Schädel rasten die Gedanken wild durcheinander. All meine Gefühle standen Kopf und fuhren nur noch auf einer nicht enden wollenden Achterbahn durch meinen Körper. Doch in dem Moment, als ich drohte darin unter zu gehen, schossen mir plötzlich genau die Worte durch den Kopf, die ich noch sagen konnte. Um mich vielleicht ein letztes Mal vor seinem Zorn zu retten. "Weil. Weil du es für dein Volk genauso getan hättest", stammelte ich so leise, dass es sich für mich anfühlte, als wäre lediglich nur ein Windhauch über meine Lippen gekommen. Nun erstarrte er mit einem Mal. Sein heißer, rasch gehender Atem traf immer wieder mein Gesicht. Seine Hand begann an meinem Arm zu verkrampfen und zu zittern. In seinen Augen trat unwillkürlich eine Spur der Überraschung auf. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. Denn sie war aufrichtig und fuhr ihm sichtlich ganz tief in sein Gewissen hinein. Schlagartig ließ er mich wieder los. Er senkte den Blick, wand sein Gesicht zur Hälfte von mir ab und fuhr sich danach, fahrig und nach Beherrschung ringend über seine edlen Züge. Ich sah wie sein kräftiger, breiter Körper zunächst nur begann zu zittern, dann zu beben. Und schließlich hörte ich etwas. Etwas was mir richtig Angst machte. Er gluckste. Nein. Er kicherte. Es war aber kein versöhnliches oder befreiendes Kichern. Es klang anders. Verunsichert. Unruhig. Wahnsinnig. Dann begann er auf einmal vor sich hin zu murmeln, als wäre er plötzlich ganz allein mit sich in diesem Raum. "Weil. Ich es für mein Volk genauso getan hätte. Ist das zu fassen? Was denkt sich dieses Weib nur? Will sich wohl über mich lustig machen. Ja, natürlich. So etwas würde ich für mein Volk tun. Aber hat sie eine Ahnung, dass es was ganz anderes ist? Nein. Das dumme Ding denkt sie könnte es verstehen. Aber sie tut es nicht. Sie glaubt, sie könnte sich mit mir gleich stellen. Mir ebenbürtig sein. Diese Närrin. Sie ist nur eine Frau. Sie hat dem Folge zu leisten, was ich als ihr Gemahl ihr auftrage. Aber stattdessen tut sie genau das Gegenteil. Ist aufmüpfig und versucht mich ständig nur in den Schatten zu drängen. Aber das kann sie mal schön vergessen. Sobald ich sie geehelicht habe, hört das auf. Dann bin ich der Herr über ihr Leben und ihr Schicksal. Dann ist endlich Schluss mit diesen Kindereien", stammelte er beinah, wie im Fieberwahn vor sich hin. Seine Worte waren so furchterregend, dass selbst seine Männer nicht umhin konnten ein ängstliches Keuchen zu verbergen. Ich war nun unendlich besorgt. Was war nur auf einmal los mit ihm? So hatte ich ihn noch nie erlebt. Er schien völlig neben sich zu stehen. Ich musste es unbedingt heraus bekommen. Ganz vorsichtig und so ruhig ich es noch in dieser Situation konnte, streckte ich eine Hand nach ihm aus, um sie ihm auf die Schulter zu legen. "Thorin?", hauchte ich leise. Von meiner Berührung überrascht, zuckte der Zwergenkönig zusammen und gingen einen Schritt von mir weg. Langsam drehte er mir sein Gesicht zu und sah mich aus erschreckend leeren, ausdruckslosen Augen an. Er wirkte wie ein angeschossener Wolf, der zwar am Humpeln war, aber immer noch jeder Zeit zu beißen konnte, wenn er wollte. Bei diesem Anblick schnürte es mir buchstäblich die Kehle zu. Ich biss mir bedrückt auf die Unterlippe und zog meine Hand vorsorglich wieder zurück, um ihn nicht noch mehr zu verschrecken. Dann schluckte ich noch einmal, ehe ich versuchte mit heiserer Stimme seiner Gefühls- und Gedankenwelt auf den Grund zu gehen. "Thorin. Bitte. Was ist los mit dir? Ich. Ich erkenne dich nicht mehr wieder. Was ist mit dir passiert? Wieso... Wieso verhältst du dich auf einmal wie. Wie ein. Wie. Ein. Irrer?", fragte ich mit stockender Stimme, als mir selbst klar wurde, was ich da sagte. Ja. Thorin war irre. Vollkommen übergeschnappt. Nur wusste ich einfach noch keinen wirklich Grund dafür. Deshalb wartete ich. Auf eine Reaktion. Ein Zeichen, dass ihn meine Worte irgendwie erreicht hatten. Und dieses kam. Allerdings anders, als ich erwartete. Denn nun kicherte er nicht mehr. Er lachte. Er lachte einfach. Und das sehr aufgedreht und verunsichert. Dann beendete er es, genauso schnell, wie es gekommen war und fasste mich scharf ins Auge. "Ich und ein Irrer. Oh ja. Ja, damit hast du wohl recht. Ich muss wohl verrückt sein. Und zwar völlig verrückt nach dir, meine Liebste. Alles in mir will dich, begehrt dich, will dich für alle Ewigkeit für sich behalten. Denn du bist mein, Cuna. Du gehörst niemandem, nur mir allein. Ich bestimme über dich. Du hast das zu tun, was ich von dir verlange. Du. Âzyungâl!", sagte er, womit er all meine Ängste und Vermutungen bestätigte. Dann lachte er erneut, wie von Sinnen. "Oh, Thorin...", kam es fast verzweifelt über meine Lippen. An den Rändern meiner Augen begannen sich kleine feuchte Rinnsale zu bilden, die sich mehr und mehr füllten, je länger er lachte. Ich verstand gar nichts mehr. Außer, dass bei dem Zwerg endgültig eine Sicherung durchgebrannt war. Und weder ich, noch einer seiner Männer konnten etwas machen. Betrübt ließ ich meinen Kopf sinken und wischte mir die aufkommenden Tränen aus den Augen, bevor ich unüberlegt und traurig vor mich hin murmelte, wobei sich mein armes, geschundenes Herz schmerzvoll zusammen zog. "Oh Gott. Ori hatte so recht", schniefte ich und wischte mir weiterhin die Augen. Mein Tonfall entging dem Zwergenkönig wundersamer Weise nicht. Sein Lachen erstarb kurz nach meiner Aussage und er musterte mich wachsam und eindringlich. "Ori hatte recht? Womit?", hakte er prompt und aufmerksam nach. Ich rang mich dazu durch den Kopf zu heben und ihm tief in die Augen zu sehen, in denen immer noch eine gewisse Leere, aber auch ein Funken Wahnsinn glitzerte. "Du. Du bist völlig besessen. Du siehst mich wirklich nur wie einen Gegenstand. Du sagst, du liebst mich. Aber du respektierst mich nicht. Du willst mir all meine Freiheiten nehmen. Mich vermutlich sogar wegsperren, damit ich nur noch für dich da bin. So. So wie. Wie du den Arkenstein hütest. Wie ein Juwel. Aber. Aber verdammt noch mal das bin ich nicht. Ich bin ein Lebewesen. Kein gefühlloses Ding, das man in eine Vitrine einschließen kann. Thorin. Ich liebe dich. Und das weißt du auch. Aber. Aber ich. Ich kann unter diesen Umständen, die du mir aufzwingen willst. Ich kann so ein Leben nicht mit dir führen. Ich bin kein Ding. Ich bin ein Mensch. Ein Mensch der alles für dich opfern würde. Aber ich würde niemals meine Freiheit für ein Leben in einem goldenen Käfig eintauschen wollen. Dafür bin ich nicht geboren worden. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen. Ich gehe meine eigenen Wege. Und ich habe in den letzten fünf Wochen, wo wir uns nicht gesehen haben gehofft, dass ich sie mit dir zusammen gehen kann. Frei, ungezwungen und ohne Angst haben zu müssen, wieder allein zu sein. Hab ich mich denn so in dir getäuscht? Ich meine. Wo ist der Mann? Nein, wo ist der Zwerg, dem ich mein Herz geschenkt habe? Was hast du nur mit ihm gemacht, nachdem du zurück gegangen bist? Mir ist als würde gerade ein völlig Fremder vor mir stehen. Und das macht mir Angst. Du machst mir Angst, Thorin. Das sollte doch so nicht sein. Ich will dich so nicht sehen. Ich. Ich will den Zwerg wieder haben, den ich über alles liebe. Bitte. Bitte komm zurück zu mir. Werd wieder du selbst. Bitte. Ich flehe dich an", sagte ich und konnte nun meinen Tränenfluss nicht länger stoppen. Ich faltete meine Hände vor der Brust und sah ihn bettelnd an. Am liebsten wäre ich sogar vor ihm auf die Knie gefallen. Doch ich konnte nicht. Allerdings nur aus dem Grund, weil er wieder an mich herangetreten war und mich fest an den Schulter packte. Als ich versuchte ihn anzusehen und sein Gesicht hinter meinen Tränenschleier genau zu erkennen, war seine Miene unergründlich ernst und Ausdruckslos, wie eh und je. Doch da war keine Spur von Gnade. Kein Anzeichen von Erbarmen, das in seine edlen Züge einzug hielt. Er neigte stattdessen nur bedächtig den Kopf zur Seite und atmete ein paar Mal ganz tief durch. Nach einigen geschlagenen Minuten in denen er mich so schweigend musterte, während ich mich meinem Gefühlsausbruch hin gab, öffnete er erneut den Mund. Doch waren die Worte anders als erhofft. Sie waren weder versöhnlich, noch reumütig. Sie waren kühl, abschätzig und eindringlich. "Du scheint mich nie wirklich gekannt zu haben, meine Liebste. Du weißt nicht das Geringste. Denn sonst würdest du verstehen, dass alles. Und ich meine damit auch alles, was ich je für dich getan habe, im Augenblick tue und auch in Zukunft tun werde. Nur dem einen Zweck dient, um für dich und dein Wohlergehen zu sorgen. All das tat ich nur für dich. Ich habe unser Leben hier von Vorne bis Hinten gut durchdacht und durchgeplant. Es hätte dir nie an etwas gefehlt. Du hättest dir nie wieder Sorgen um etwas machen müssen, weil ich für dich da bin, Âzyungâl", sagte er und seine Hände drückten meine Schulter mit jedem Wort fester, sodass mir die Arme bald taub wurden. Doch ich schüttelte den Kopf und schniefte nur weiterhin. "Thorin. Ein Leben. Kann man nicht so einfach durchplanen. Es wird immer wieder zu Problemen kommen. Wir werden immer wieder und wieder mit Sorgen konfrontiert werden. Und du würdest es nur noch schlimmer machen, wenn du dich allein an so etwas festklammerst. Das nennt man nicht leben. Das ist Zwang. Willst du wirklich weiterhin unter diesen Umständen existieren, wie du es damals getan hast? Du bist doch nicht wieder von den Toten zurückgekehrt, um dieselben dummen Fehler noch einmal zu machen. Das kannst du mir doch jetzt nicht wirklich weiß machen wollen", sagte ich und versuchte damit ein letztes Mal an seine Vernunft zu appellieren. Doch Thorin schüttelte nur langsam seine lange, dunkle Haarmähne und löste seine Hände wieder von meinen Schultern. Sein Rückzug überraschte mich für einen Moment und ich dachte zunächst, dass meine Worte vielleicht doch irgendwo in seinem Herzen auf fruchtbaren Boden gefallen wären. Bis er schließlich wieder die Stimme erhob und mich sehr energisch anraunte: "Nein. Diese Fehler mache ich nie wieder. Allerdings scheint du immer noch nicht zu begreifen, wie wichtig das alles für uns ist. Nein, du bist immer noch aufmüpfig und unersättlich in dem was du verlangst. Versuchst weiterhin mich herab zu würdigen. Aber damit ist jetzt endgültig Schluss. Bis du begreifst, was mir wirklich alles an dir liegt, hast du das, was ich dir bisher gegeben habe, nicht länger verdient." Mit diesen Worten schnellte innerhalb eines Wimpernschlags seine rechte Hand nach Vorne und ergriff mich brutal und hart im Nacken. Ich war so erschrocken davon, dass ich reflexartig versuchte mich von ihm befreien zu wollen, als ich ein schmerzhaftes Zerren in meinen Haaren fühlte. Doch schien auch der Zwergenkönig die Schnelligkeit und Kraft seiner Aktion unterschätzt zu haben. Denn nun geschah das Unvermeidliche. Und ich konnte weder schreien, noch sonst irgendwie dem entgegen wirken was passierte. Sein kräftiger Arm drängte meinen Kopf urplötzlich in Richtung Wand. Genau auf die Stelle zu, wo mein Sicherungskasten ins Mauerwerk eingelassen war. Alles ging so schnell und kam mir doch wie eine Ewigkeit vor. Das Nächste was ich fühlte und hörte, war ein dumpfes Geräusch von Blech, das von etwas schwerem getroffen wurde. Ein plötzlicher, reißender Schmerz, der sich von meiner rechten Stirnseite, über meine Schläfe, bis hin zu meiner Wange zog. Dann die panischen Aufschreie der anderen Zwerge, die ich während unserem Gespräch völlig ausgeblendet hatte. Und schließlich gingen mir für einen Augenblick sämtliche Lichter aus, bevor das Reißen an meinem Hinterkopf aufhörte und ich vollkommen betäubt gegen die Wand gelehnt auf meine Knie zusammen sackte. Mein wunderschöner Zopf, den er mir erst an diesem Morgen so liebevoll geflochten hatte öffnete sich. Ein dumpfes Poltern auf der Erde ließ mich vermuten, dass sich meine Zopfperlse ebenso gehöst hatte. Meine Haare fielen mir in Strähnen und luftig wie ein Sommerwind über das Gesicht, und verbargen zunächst das, was er mir in Wahn seines gekränkten Stolzes angetan hatte. Am Ende des Ganzen, spürte ich nur noch, dass neben dem brennenden Schmerz an meiner rechten Stirnseite, etwas Feuchtes und Klebriges mein Gesicht herunter lief, das nicht von meinen Tränen stammte. -85. Zwergenstolz und menschliche Vorurteile / ENDE - Kapitel 86: 86. Die Ritter der Königin -------------------------------------- Was war nur geschehen? Warum war es so weit gekommen? Wieso ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt? Fragen über Fragen drehten sich in meinem Kopf. Aber keine war wirklich greifbar. Zumindest nicht so greifbar, wie der brennende, pochende Schmerz, der sich von meiner rechten Stirnseite bis runter zu meiner Wange zog. Mir war als wäre die Zeit eingefroren worden. Und doch lief sie irgendwie weiter. Genauso wie die seltsame, warme Flüssigkeit, die mir langsam über die Wange bis zum Kinn lief, wo sie sich kurz sammelte und dann tröpfchenweise auf den hellen PVC-Boden meines Apartments tropfte. Ich hatte den Kopf etwas gesenkt und die Augen halb geschlossen. Noch konnte ich nicht realisieren, was passiert war. Mir war als würde ich in einen apathischen Trancezustand hinein gezogen werden. Ich war unfähig mich zu bewegen. Die Antworten zu greifen, die eigentlich so nah, aber doch nicht nachvollziehbar waren. Nur schattenhaft nahm ich wahr, dass um mich herum ein reger Aufruhr los brach. Ich hörte die Stimmen der Zwerge. Viele die meinen Namen sagten. Andere die einfach nur in ihrer Muttersprache fluchten. Die beiden Menschen die panisch aufschrien. Dann waren da plötzlich Arme und Hände, die mich ergriffen und behutsam schüttelten. Doch alles fühlte sich so taub an. Taub und leer. Ich versuchte zwar die Lippen zu bewegen, um zu antworten. Aber sie waren so schlaff und klamm. Und meine Stimme befand sich irgendwo in der hintersten Ecke meines Gehirns, wo sie von den vielen Fragen, die ich mir selbst stellte, zurück gehalten wurde. Doch nicht nur Fragen waren in meinem benebelten Kopf. Nein. Da waren noch andere Dinge. Eigentlich welche, die mich gar nicht hätten beschäftigen sollen. Denn sie waren unheimlich banal und passten gar nicht in diese Situation. Nämlich unter anderem die Entscheidung ob ich die Wand, an der ich lehnte, nun wieder neu streichen und der Sicherungskasten wohl ausgebeult werden musste. Dabei war es wirklich unnötig gerade zu diesem Zeitpunkt an so etwas zu denken. Denn es hatte so gesehen nur am Rande mit dem zu tun, was vorgefallen war. Aber ich musste es wohl insgeheim. Vielleicht auch um mich selbst nicht direkt mit der Wahrheit zu konfrontieren. Einer Wahrheit, die so unausweichlich war, wie die Tatsache, dass bald mein Verstand wieder aktiver wurde und ich wesentlich mehr um mich herum registrierte. Jemand hielt mich von Hinten fest. Das musste Kili sein. Denn ich konnte die Stimme des jungen Zwerges recht deutlich an meinem linken Ohr vorbei streichen hören. "Cuna? Cuna?! Bei Durins Bart! So antworte doch! Cuna, bitte!", flehte er und rüttelte mich weiterhin. Doch ich schaffte es nicht. Ich fühlte, dass sich meine Lippen etwas bewegten. Aber kein Ton wollte sich aus meiner Kehle hervor winden. Als nächsten nahm ich war, dass sich ein anderer Zwerg vor mich drängte. Ich spürte wie man mir die Haare aus dem Gesicht schob. Dann vernahm ich einen verängstigen, panischen Ausruf. "Mahal! Ein Tuch! Schnell!", hallte es an mir vorbei. Nur unwirklich konnte ich erkennen, dass es Fili war, der mich eingehend musterte. Ich versuchte meine schweren Augenlider ganz auf zu zwingen, um den blonden Jungen anzusehen. Dabei entkam zum ersten Mal seit einigen Minuten ein leises gequältes Stöhnen meiner Kehle. Zumindest kam es mir so lang vor. Denn es dauerte ziemlich lange, bis ich registrierte, dass er mir die Hände behutsam unters Kinn gelegt und meinen Kopf leicht angehoben hatte, um mein Gesicht zu begutachten. Endlich schaffte ich es unter einem weiteren gequälten Stöhnen meine Augen zu öffnen und mich verwirrt umzusehen. Und mein erster Blick fiel natürlich auf den jungen Zwerg vor mir. Fili sah blass aus. Er hatte die Augen geweitet und in seinem Gesicht stand das pure Entsetzen. Doch als er bemerkte, dass ich ihn ansah, wirkte er zumindest ein bisschen erleichtert. "Cuna. Kannst du mich verstehen?", fragte er ganz bedächtig und strich mir immer wieder die Haare aus dem Gesicht. Doch bevor ich irgendetwas sagte, hob ich zunächst wie hypnotisiert meine rechte Hand und versuchte die Stelle an meinem Kopf zu berühren, die immer noch leicht brannte und von wo aus, das eigenartig feuchte Gefühl her rührte. Aber noch ehe ich diesen Punkt ganz erreicht hatte, ergriff der blonde Junge mein Handgelenk und zog dieses behutsam wieder nach unten mit den Worten: "Sch. Nicht anfasst, Cuna. Sonst entzündet sich die Wunde noch" "W-Wunde?", war das erste Wort, was ich mit heiserer brüchiger Stimme über meine leicht zitternden Lippen brachte. Fili nickte nur und wand sich kurz von mir ab. "Wo bleibt das Tuch, verdammt?!", brüllte er nun wesentlich energischer in den Raum hinein. "Ich. Ich komme ja schon!", stammelte eine völlig verschreckte und verschüchterte Stimme im Hintergrund. Dem Tonfall nach zu urteilen, musste es sich dabei um Ori handeln. Wenig später konnte ich Wasser rauschen hören. Allerdings nur für einen winzigen Augenblick. Dann näherten sich uns rasche Schritte und schon schob sich ein Tuch vor meine Augen, dass Fili mit einem knappen Nicken entgegen nahm. Danach wischte er mir damit über die rechte Seites meines Gesichtes und tupfte schließlich ganz behutsam die Stirnseite ab. Ich ließ die ganze Prozedur stumm über mich ergehen. Auch wenn ich gelegentlich zusammen zuckte und scharf die Luft einzog, wenn er eine bestimmte Stelle berührte. Dabei redete er beruhigend auf mich ein. Auch wenn ich spürte, dass er sich ganz anders fühlte. "Gut so. Halt schön still, Cuna. Alles wird gut", sagte er sehr leise. Irgendwann hörte er auf zu tupfen und drückte mir das Tuch fest, aber doch sanft gegen meine Wunde. Ich musste kurz schlucken, als mir das Ganze langsam ins Bewusstsein sickerte. Ich hatte eine Wunde am Kopf. Und offenbar eine, die ziemlich stark blutete. Denn ich hatte bei seiner Reinigungsaktion deutlich sehen können, dass sich das Tuch von einem leichten Beige Ton in ein zunehmend dunkleres Rot verfärbte. Ein plötzlicher Schwall von Schwindel und Übelkeit überkam mich. Doch versuchte ich meinen Magen irgendwie zur Ruhe zu zwingen, der sich zusätzlich zu meinem Kopf schmerzhaft verkrampfte. Das konnte doch nicht sein. Wie war das nur alles passiert? Ich fühlte mich wie kurz nach einem Black out. Alles was davor geschehen war, kam mir vor wie ein böser Traum. Der schlimmste Traum, den ich in meinem ganzen Leben jemals gehabt hatte. Doch. Es war so real. Der Schmerz war real. Die Tatsache, dass ich halb an die Wand meiner Wohnung gelehnt, am Boden saß war Real. Und als ich einen flüchtigen Blick an Filis blondem Haarschopf vorbei warf, schlug mir endgültig die Realität mitten ins Gesicht. Denn hinter diesem stand, mit einigem Abstand, schwer atmend und von Entsetzen geprägten Gesichtszügen, genau der Mann, der für meinen Zustand verantwortlich war. Thorin. Thorin Eichenschild. Der König der Zwerge. Der Mann, den ich eigentlich von ganzem Herzen liebte. Der, der mich mehr verzaubert und in eine Welt geführt hatte, die so weit fern von meiner war, obwohl ich sie nie selbst betreten durfte. Er, der mir geschworen hatte mich vor allem Leid und Schmerz zu schützen. Doch nun hatte er selbst seinen tiefen und innigen Schwur mir gegenüber gebrochen. Mit einer einzigen Tat. Einem Akt der Gewalt und Grausamkeit, wie ich sie ausgerechnet von diesem ehrenhaften, stolzen und so treuen Mann niemals erwartet hätte. Aber es war geschehen. Er hatte seine Beherrschung verloren. Und das auch noch mir gegenüber. Mir, der Frau, die er liebte. Hatte er das eigentlich jemals gesagt? Hatte er je einmal zu mir gesagt, ich liebe dich? Ich versuchte mich zu erinnern, als ich ihn von Oben bis Unten über Filis Kopf hinweg musterte. Er hatte viel gesagt. Dass er mir zugetan war. Er hatte mich Liebste genannt. Amrâlimê. Âzyungâl. Zwei Worte die in seiner Sprache, meine Geliebte und meine große Liebe bedeuteten, wie ich inzwischen wusste. Aber war es wirklich das Selbe wie, ich liebe dich? Wieder durchfluteten so viele Fragen meinen Kopf und das Schwindelgefühl nahm erneut beinah überhand. Dann trafen sich plötzlich unsere Blicke. Als ich ihm tief in seine wunderschönen blauen Augen sah, erkannte ich, dass die Wut, der Zorn und der Wahnsinn, welche darin gewütet hatten, wie ein unheilvoller Gewittersturm, völlig verraucht waren. Und nur eine Spur von Leere zurück gelassen hatten. Nachdem er allerdings bemerkte, dass ich ihn direkt ansah, zuckte er unwillkürlich zusammen und ihm klappte mit einem erschrockenen Keuchen der Mund auf. Auch Thorin schien in diesem Augenblick zu begreifen, dass etwas unglaublich schreckliches geschehen war. Etwas, dass er zu verschulden hatte. Langsam schüttelte er den Kopf und sah weiterhin hinunter auf die Szene, die sich gerade vor seinen Augen abspielte. Inzwischen hatten sich nicht nur Kili und Fili zu mir gehockt, sondern auch Ori, der mir das Tuch gebracht hatte und Bofur, dessen Stimme deutlich flatterte, als er mit dem Ältesten der Beiden sprach. "Wie. Wie sieht es aus? Ist. Ist es ernst?", fragte er mit weit höherer Stimme als normal. Fili nahm daraufhin wieder etwas den Druck von dem Tuch und offenbarte nun die klaffende Wunde, von der ich spürte, dass sie sich wohl einmal quer über meine komplette rechte Gesichtshälfte zog. Als er das große Geheimnis für alle sichtbar gelüftet hatte, ging ein schweres Keuchen durch die Runde der Versammelten. "Mahal", japste Ori, der sich beide Hände auf dem Mund presste, als ich ihm einen flüchtigen Blick zu warf. "Ich denke, das müsste genäht werden", brummte Fili so sachlich es in diesem Moment ging und drückte mir wieder das Tuch an den Kopf. "Das gibt vermutlich eine ganz unschöne Narbe", kam es fast Tonlos von Bofur, dem wohl nur rein aus Schock diese nebensächlichen Worte aus dem Mund gerutscht waren. Doch was sie sagten, interessierte mich vorerst nicht. All meine Gedanken, Gefühle und auch Aufmerksamkeit, die ich noch ebenso aufbieten konnte, waren auf den Zwergenkönig gerichtet, der einen Schritt zurück gewichen war und nun noch heftiger den Kopf schüttelte als zuvor. Das was er gerade gesehen hatte, machte ihm wohl noch deutlicher bewusst, dass er endgültig zu weit gegangen war. Und zunächst sah es noch aus, als würde er aus lauter Demut den Kopf senken. Doch dann erkannte ich, dass er lediglich etwas betrachtete, was er in seiner rechten Faust fest umschlossen hielt. Zwischen seinen Fingern glitzerte etwas Weißes und Silbernes hervor. Ich ahnte was es war. Die Haarspange, die er mir noch vor ein paar Stunden geschenkt und mit der er meinen Zopf geschmückt hatte. Das musste vermutlich der Grund gewesen sein. Deshalb hatte er mir so forsch an den Hinterkopf gegriffen und daran herum gezerrt, sodass ich gegen meinen Sicherungskasten geschlagen war. Doch fragte ich mich, woher diese eigenartige Wunde kam. Wäre ich nur einfach so gegen das Blech geknallt, hätte ich mir vermutlich nicht so einen tiefen, langen Riss zugezogen, der einfach nicht aufhören wollte zu bluten. Eher aus Neugier, als aus dem Wunsch heraus die Stelle zu begutachten, gegen die ich geknallt war, hob ich schwerfällig, aber eigenständig etwas den Kopf und drehte diesen so, dass ich den Punkt selbst unter die Lupe nehmen konnte. Vorher fiel mein Blick allerdings auf die noch am vorgestrigen Tag gestrichene weiße Fläche, wo sich nun ein sehr breiter, unschöner, roter Fleck befand. Ich blinzelte kurz und verwarf den erneut aufkommenden Gedanken, dass ich nun wieder streichen durfte. Nachdem ich mit meinen Augen den Sicherungskasten erreicht hatte, war dieser wie zu erwarten leicht verbeult und eingedrückt. Doch ich erkannte zumindest, was mich aufgeschlitzt haben musste. Es war der Griff mit dem man den Kasten für gewöhnlich öffnete. Dieser hatte zuvor nur ein wenig abgestanden. Aber nun ragte er gut sichtbar in den Raum hinein und an seiner scharfen Kante schimmerte es leicht rot. Volltreffer, schoss es mir unwillkürlich durch den Kopf und ich zuckte etwas zusammen, als die Wunde nun anfing wesentlich intensiver zu brennen und zu ziepen. Mein Körper schien den Schock beinah verdaut zu haben, doch mein Verstand wollte immer noch nicht wirklich wahr haben, was eben vorgefallen war. Daher fiel meine Wortwahl auch dementsprechend dürftig und nüchtern aus, als ich Fili ansah und dieser mich besorgt fragte: "Wie fühlst du dich?" "Ich hab Kopfschmerzen", sagte ich sehr beiläufig, wobei ja das nicht das Einzige war. Was mir wirklich weh tat, war mein Herz, das sich bei jedem dieser Worte ein bisschen zusammen zog. Doch Fili schien die Antwort zunächst auszureichen und er nickte mir knapp zu. "Ja. Das ist verständlich. Du hast ganz schön was abbekommen", meinte er und seufzte dabei leise. Auf seinen Kommentar hin, kam allerdings von Ori ein verächtliches Schnauben. "Ganz schön was abbekommen ist ja wohl untertrieben, Fili. Thorin hat ihr das halbe Gesicht aufgeschlitzt!", raunte er zähneknirschend. Ich drehte leicht den Kopf, sah den jungen, dunkelblonden Zwerg ruhig an und hob irritiert die Augenbrauen. "Das war der Griff vom Sicherungskasten", meinte ich noch völlig verpeilt. Der Junge erwiderte meinen Blick und verzog dementsprechend verärgert und trotzig den Mund. "Nein, Cuna. Das war Thorin. Er hat dich dagegen gestoßen. Ich habe dir ja gleich gesagt, du hast einen besseren Mann an deiner Seite verdient. Aber du wolltest nicht hören. Jetzt bist du schwer verletzt", erwiderte er, doch schon fuhr ihm Kili dazwischen, der meine Schultern dabei energisch, aber eher schützend drückte. "Hör auf ihr deswegen Vorwürfe zu machen. Sie trägt keine Schuld daran", knurrte er dem dunkelblonden Jungen entgegen. Doch dieser ließ sich nicht von Kili bremsen und fluchte weiter vor sich hin. "Nicht ich mache ihr Vorwürfe. Die sollte sie sich selbst machen. Verdammt. Wie könnt ihr alle nur so Blind sein? Euer Onkel ist übergeschnappt und ein tyrannischer, niederträchtiger, feiger....", grollte er und wurde von Mal zu Mal lauter, bis sich schließlich Balin einschalten musste. "Es reicht! Hört auf zu streiten! Sofort!", rief er aus und war mit zwei Schritten bei uns. Ori verstummte jäh und sah zu dem alten Zwerg auf, allerdings nicht ohne weiterhin vor sich hin zu knurren. Nachdem zumindest etwas Ruhe eingekehrt war, atmete dieser einmal tief durch und versuchte so geordnet wie möglich selbst das Ruder in die Hand zu nehmen. "Ich weiß, dass das hier eine schlimme Angelegenheit ist. Aber es bringt uns nichts noch mehr den Kopf zu verlieren. Was geschehen ist, ist nun mal geschehen. Und das lässt sich jetzt nicht mehr ändern. Wir können nur versuchen so weit wie möglich den Schaden zu begrenzen", meinte Balin und sah sich dann in der Gruppe um. "Und wie sollen wir das machen, Bruder? Was schlägst du vor?", kam es in ruhigem, forschenden Ton von Dwalin, der sich mit wie üblich verschränkten Armen an die Wand neben meiner Badezimmertüre gelehnt und dabei seinen König nicht eine Sekunde mehr aus den Augen gelassen hatte. Wohl aus guten Grund, wie ich vermutete. Als ich wieder einen flüchtigen Blick über Filis Kopf hinweg warf, stand dieser immer noch mit gesenktem Haupt in der Diele herum und starrte wie betäubt auf den Haarschmuck. Dabei bewegten sich unaufhörlich seine Lippen, doch was er gerade in seinen kurzen dunklen Bart murmelte, konnte weder ich noch einer der anderen klar und deutlich verstehen. Er musste wohl irgendwo weit weg sein. Völlig unter Schock von seiner Tat. Wieder zog sich mein Herz in meiner Brust zusammen. Eigentlich hätte ich wütend auf ihn sein müssen. Ich hätte ihn für das, was er mir angetan hatte hassen müssen. Doch stattdessen machte sich ein anderes Gefühl in mir breit. Eines, das eine Frau für gewöhnlich in so einer Situation gar nicht empfinden dürfte. Es war Mitleid und auch eine Spur Besorgnis. Mitleid empfand ich, weil ich meinte verstehen zu können, was gerade in ihm vor gehen mochte. Denn mich selbst übermannte beinah eine hoffnungslose Ohnmacht, angesichts all dieser Umstände. Und die Besorgnis kam aus dem Grund, da ich nicht wusste, wie es fortan mit uns beiden weiter gehen sollte. Das Ereignis klaffe so tief zwischen uns, wie die Wunde auf meinem Gesicht, welche Fili noch einmal kurz von dem Tuch befreite um sie zu mustern. Wenn Bofur recht behalten sollte, dann würde diese wirklich eine sehr unschöne Narbe hinterlassen. Eine, die sich nicht verbergen ließe. Und sie würde nicht nur mich, sondern auch Thorin an diesen Tag erinnern. An den Tag, wo er rein aus gekränktem Stolz und Eitelkeit, die einzige Frau, die ihn so sehr liebte, angegriffen und verletzt hatte. "Ich schlage vor, wir sorgen zunächst einmal dafür, dass Cunas Wunde versorgt wird. Und danach kümmern wir uns um diese Götterboten. Dann können wir versuchen hier noch etwas Ordnung zu schaffen", meinte der alte Zwerg schlicht und riss mich umgehend aus meiner Gedankenwelt heraus. Sein Vorschlag wurde von allseitig zustimmendem Gemurmel angenommen. Auch beim Zwergenkönig blieb dieser nicht ungehört. Er zuckte danach kurz zusammen und hob endlich den Kopf. "Ja. Das. Das sollten wir tun, Balin", kam es so überraschend ruhig aus seinem Mund, dass sich plötzlich alle Aufmerksamkeit auf ihn fixierte. Langsam aber stetig ließ er die Hand mit dem Schmuckstück sinken und drehte sich bedächtig zu uns herum. Was er allerdings dann tat, sorgte nicht nur bei mir für reichlich Verwirrung. Denn er lenkte ganz behutsam seine Schritte genau in meine Richtung und wollte schon die andere Hand nach mir ausstrecken um mich wohl zu berühren und mir auf die Beine zu helfen. Doch da hatte weder er noch einer der Anderen mit der Reaktion seines jüngsten Neffen gerechnet. Kili war hinter mir auf die Füße gesprungen und fauchte seinen Onkel unverhohlen grantig an: "Was denkst du eigentlich, was du da tust?!" Der Zwergenkönig zuckte einen Moment lang mit der Hand weg und sah den dunkelhaarigen Jungen verständnislos an. "Ich will ihr helfen", entgegnete er fast Tonlos und zuckte mit den Schultern. "Helfen? Helfen?! Ich glaube, du hast ihr bereits genug geholfen, ONKEL!", knurrte der Bursche und trat hinter meinem Rücken hervor, genau auf Thorin zu. Ein wenig verschreckt und ungläubig klappte diesem der Mund auf. "Wie. Wie redest du mit mir, Kili?", hakte er nach und schüttelte kurz verwirrt seine lange Haarmähne. "So wie du es im Augenblick nicht anders verdient hast. Was du hier getan hast, lässt sich nicht einfach wieder damit bereinigen, indem du so tust, als wäre nie etwas gewesen. Dieses Mal nicht. Das werden weder ich noch Fili zulassen", knurrte der Junge, der daraufhin die Hände an seinen Seites zu Fäusten ballte. Erneut schüttelte Thorin den Kopf und sah seinen Neffen ratlos an. "Hör zu. Das habe ich alles nicht gewollt. Ich. Ich wollte nur...", setzte er in einem versucht ruhigen Ton anzusetzen, doch schon fuhr ihm der Junge wieder mitten ins Wort. "Du wolltest nur wieder über alles und jeden herrschen und die alleinige Macht haben. So wie du es immer getan hast. Nicht nur über uns. Nein. Jetzt auch über Cuna. Aber das nehme ich nicht mehr hin. Hörst du?! Ich werde es nicht zulassen, dass du ihr noch einmal so weh tust. Du wirst die Finger von ihr lassen", raunte er und noch ehe der Zwergenkönig dem etwas entgegen setzen konnte, hatte sich Kili auf dem Absatz umgedreht und kam direkt auf mich zu, wobei er sich wieder hinter mich hockte. Dann ergriff er unversehens meine Schultern und fragte in versucht beherrschtem Ton: "Meinst du, dass du aufstehen kannst?" Ich schluckte nur kurz, als ich ihm in seine rehbraunen Augen schaute, in denen eine ungewöhnliche Spur von unterdrückter Wut lag. "Ich. Ich weiß nicht, ob...", stammelte ich leise vor mich hin und biss mir verlegen auf die Unterlippe. Ja, ich wusste wirklich nicht, ob ich aufstehen konnte und ob das, was der Junge wohl mit mir vor hatte, auch gut war. Doch er wartete meine Antwort nicht lange ab und wand sich stattdessen an seinen Bruder, Bofur und Ori, die fragend die Augenbrauen hoben. "Helft mir, sie auf die Beine zu bringen", meinte er und schlug damit zum aller ersten Mal einen leichten Befehlston an, der seinem Onkel tatsächlich ein wenig Konkurrenz machen konnte. Die Drei folgten zwar verwirrt, aber dennoch stumm nickend seiner Aufforderung und schafften es, mich ganz behutsam auf meine zittrigen Beine zu bringen. Als ich stand schlang sich Kili direkt meinen linken Arm um die Schultern und deutete seinem Bruder an, es ihm auf der anderen Seite gleich zu tun, während dieser immer noch meine Wunde abdrückte. Bofur hatte indessen den vorherigen Platz mit Kili getauscht und stand nun hinter mir. Ori hielt mich mit besorgter Miene von Vorne fest, als ich ein wenig ins Wanken geriet, nachdem ich versuchte einen Schritt zu gehen. Doch wo ich noch dachte, dass sie mich zurück zum Sofa bringen wollten, hatte ich mal wieder falsch gedacht. Denn Kili ruckte auffordernd mit dem Kopf in Richtung der offenen Wohnungstür, wo immer noch ein sehr verstört wirkender Nori stand. Langsam aber zielstrebig setzte sich der kleine Reigen aus Zwergen um mich herum in Bewegung und zog mich zwangläufig mit. Ich tat mich allerdings noch ein wenig schwer einen Fuß vor den Anderen zu setzen. Auch weil ich nicht wusste, wo sie denn auf einmal mit mir hin wollten. Das fragten sich dementsprechend auch die anderen Zwerge, weshalb sich Dori kurz nachhakte: "Was habt ihr vier denn vor? Wo wollt ihr sie hin bringen?" "Erst einmal raus hier. Dann könnt ihr euch in Ruhe um die anderen beiden Menschen kümmern", meinte der dunkelhaarige Bursche knapp und versetzte mir mit seinem Arm einen sanften, aber bestimmten Druck an der Hüfte, damit ich weiter ging. Mir kam die ganze Sache immer noch so unwirklich vor. Doch ich merkte, dass ich wohl keine andere Wahl hatte, als mich den stummen Bitten und Betteln anzuschließen. So wollte ich versuchen selbst einige festere Schritte in Richtung Ausgang zu machen. Aber ehe ich mich versah, versperrte uns der Zwergenkönig mit ernster Miene hartnäckig den Weg und schien auch nicht weichen zu wollen. "Ihr geht mit Cuna nirgendwo hin", blaffte er seinen jüngsten Neffen an. "Und ob wir das werden. Geh uns aus dem Weg, Onkel", kam es diesmal sehr energisch von Fili. Nun war der Zwergenkönig doch etwas perplex. Bisher war nämlich immer nur Kili derjenige, der sich von Zeit zu Zeit seinen Anweisungen widersetzte. Dass nun aber auch der Älteste sich offenkundig gegen ihn stellte und aufbegehrte, machte ihn deutlich fassungslos. "Seit wann stellt ihr beide euch gehen eure Familie?", fragte er dementsprechend ratlos und sah immer wieder zwischen ihnen hin und her. "Cuna ist auch Teil unserer Familie. Falls du es vergessen haben solltest. Sie ist unsere kleine Schwester. Und wir werden es DIR nicht mehr erlauben, ihr noch mal weh zu tun. Jetzt geh uns aus dem Weg oder du wirst es bereuen, Thorin", fuhr ihn der blonde Zwerg barsch an, wobei er ihn scharf ins Auge fasste. "Du. Du drohst mir...? Nach allem was ich für euch getan habe, drohst du mir?", knurrte er und ballte die Hände die Fäusten. "Nein. Das ist keine Drohung. Das ist ein Versprechen. Denn du selbst hast uns aufgetragen Cuna vor jedwedem Leid zu beschützen und das wenn es sein muss mit allen Mitteln. Und daran halten wir uns jetzt. Nun tritt beiseite", entgegnete Fili barsch und setzte erneut einen Schritt nach Vorne. Doch Thorin wollte und wollte nicht weichen. Stattdessen streckte er seine freie Hand nach seinem ältesten Neffen aus. Aber bevor er sich diesen packen konnte, griff ein weiterer Zwerg ein und schob sich halb vor uns. Dwalin. "Thorin es reicht. Lass die Jungs mit dem Weibstück ziehen. Wir haben hier andere Dinge zu erledigen", raunte er und schob ihn dabei tatsächlich unversehens zur Seite. "Aber. Aber sie schafft es doch noch nicht einmal allein bis nach draußen. Sie ist viel zu schwach dafür", entgegnete dieser und versuchte sich beharrlich aus den Fängen seines Freundes zu befreien. "Wenn es sein muss, dann werden wir sie auch tragen", kam es diesmal von Ori, der sich zu ihm umdrehte und ihm entschlossen ins Gesicht sah. "Sie. Sie will doch gar nicht gehen. Seht ihr das denn nicht?", erwiderte Thorin und sah mich zum ersten Mal seit ich aufgestanden war wieder direkt an. Als seine Augen die meinen trafen und mich erwartungsvoll wie eindringlich musterten, bildete sich ein dicker Kloß in meiner Kehle. Irgendwo stimmte das, was er sagte. Ich wollte tatsächlich nicht gehen. Aber andererseits bereitete mir seinen Gegenwart in diesem Augenblick nur große Schmerzen, die nichts mit meiner Kopfwunde zu tun hatten. Nein. Ich spürte ganz deutlich, dass mir fast das Herz zerbrach, als ich ihn so verzweifelt und immer noch nicht ganz bei Sinnen vor mir stehen sah. Wie er von Dwalin fast an die Wand gedrängt und festgehalten wurde. Sodass er mich auf keinen Fall mehr erreichen konnte. In dem Moment tat ich wohl das einzig Richtige, was ich für uns beide tun konnte. Ich wusste einfach, dass wir vorerst nicht gemeinsam an diesem Ort bleiben konnten. Nicht unter diesen Voraussetzungen. Ich atmete einmal ganz tief durch, ohne den Blick von ihm abzuwenden und hob entschlossen die Stimme. "Thorin. Lass mich gehen. Bitte", sagte ich. Was daraufhin folgte, war ein fast erstickendes Keuchen des Zwergenkönigs, der mich erschrocken ansah und ungläubig den Kopf schüttelte. "Cuna... Cuna, du....", stammelte er, doch zu mehr war er nicht mehr im Stande. Er ließ den ausgestreckten Arm sinken und machte nun freiwillig Platz. Schon schob sich unsere kleine Kolonne hinter Dwalins Rücken vorbei und verwehrte mir damit weiteren Blickkontakt zu ihm. So ging es hinaus auf den Außenbalkon und auch an Nori vorbei, der uns ratlos hinterher blickte. Langsam aber stetig ging es zur weitläufigen Treppe des Plattenbaus, die wir behutsam hinunter stiegen. Es war ein kleiner, wenn auch eher tragischer Erfolg, dass wir es überhaupt bis dahin schafften, ohne erneut aufgehalten zu werden. Und doch war es einer. Zumindest für die Jungs. Sie hatten sich mutig und tollkühn über jeden Zwang und jeden Befehl des Zwergenkönigs hinweg gesetzt und das getan, was sie in diesem Augenblick für richtig erachteten. Auch wenn das hieß, früher oder später wohl einen kleinen Einlauf dafür zu kassieren. Sofern es denn zu so etwas kommen würde. Denn ich wagte zu bezweifeln, dass Thorin sich im Augenblick im Stande sah überhaupt entscheiden zu können, was gerecht war und was nicht. Aber vielleicht würde ihm ja Dwalin einmal ordentlich den Kopf darüber waschen. Das hatte der Zwerg mit der Glatze ja schon mal getan, wie ich mich kurz erinnerte. Als er nämlich der Drachenkrankheit verfallen und sich nicht im Stande sah zu Handeln, um seinem Vetter Dain in der Schlacht der fünf Heere zur Seite zu stehen. Da hatte es auch gefruchtet. Ob es diesmal allerdings helfen würde, war noch fraglich. Denn hier ging es um etwas völlig anderes. Und doch klammerte ich mich insgeheim an die verzweifelte Hoffnung, dass es Thorin vielleicht helfen konnte, wenn ihm sein treuster Freund ins Gewissen redete. Aber bis dahin musste ich mir zunächst um andere Dinge Gedanken machen. Nämlich darum, wie es nun weiter gehen und was ich mit meinen vier kleinen, tapferen Rittern anfangen sollte. Bis wir den dritten Stock erreicht hatten, sagte nämlich keiner der Jungs auch nur ein Wort. Ori ging stur vorne Weg und Bofur deckte uns mit einem gelegentlichen tiefen Seufzen den Rücken. "Wo wollen wir jetzt hin?", fragte ich sie deshalb, als wir einen Moment stehen blieben um zu verschnaufen. "Ich. Weiß es nicht. Gibt es hier vielleicht einen ruhigen Ort in der Nähe, wo wir hin gehen könnten?", fragte Kili und gab einen tiefen Seufzer von sich. "Nun ja. Den gibt es. Hier in der Siedlung gibt es einen winzigen Park mit einem Kinderspielplatz. Da dürfte um diese Zeit nicht viel los sein", meinte ich. "Schafft du denn den Weg bis dahin?", fragte Fili ein wenig besorgt. "Ja. Ich denke schon. Es ist nicht weit. Wenn wir unten zum Hauptportal raus gehen und uns dann rechts halten, sind es nur ungefähr zweihundert Meter", erklärte ich ihnen ruhig. "Gut. Dann sollten wir da hin gehen. Dann kannst du dich ausruhen. Kommt", sagte Fili entschlossen und schon setzten wir uns wieder in Bewegung. Wir gingen die restlichen Stockwerke halbwegs zügig und entschlossen hinunter, und traten dann aus der Doppeltür hinaus. Dort hielten wir erst gar nicht an, sondern schlugen uns sofort nach rechts durch. Tatsächlich war es bis dahin nicht weit. Obwohl es sich doch irgendwie für mich wie ein kleiner Gewaltmarsch anfühlte. Noch immer konnte ich einfach nicht realisieren, was eben in meiner Wohnung vorgefallen war. Obwohl mein Verstand es mir immer wieder weiß machen wollte. Und ich wusste nicht, ob dem eigentlich Glauben schenken sollte. Ich sträubte mich mit jeder Faser meines Körpers dagegen. Es war nie seine Absicht gewesen mich zu verletzen. Nie im Leben. Davon war ich unterbewusst felsenfest überzeugt. Zumindest sagte mein Herz mir das. Auf der anderen Seite kam ich mir, was das anging, auch wieder sehr dumm vor. Warum hing ich nur weiterhin an ihm fest? Wieso erging es mir gerade wie duzend anderer Frauen, die von ihrem Mann geschlagen worden waren? Weshalb konnte ich ihn einfach nicht für seine Tat hassen, obwohl er es verdient hatte? Fragen über Fragen flogen mir durch meinen pochenden Schädel, während ich mit den Zwergen über den leeren Kinderspielplatz ging. Wir steuerten direkt auf eine Gruppe von Bäumen zu unter denen sich einige ziemlich ramponierte und verschandelte Holzbänke befanden. Es wunderte mich gar nicht, dass sich hier niemand aufhielt. Der Ort war vermüllt, verdreckt und hier und da konnte man in den Sandkästen vereinzelt Glasscherben von zerbrochenen Bierflaschen in der Sonne aufblitzen sehen. Es war wirklich kein schöner Platz, an dem es sich lohnte, Kinder spielen zu lassen. Eine Spur von Wehmut überkam mich, als mich die Jungs ganz behutsam auf einer der Bänke absetzten. Fili blieb weiterhin an meiner rechten Seite, um mir das inzwischen völlig von Blut durchzogene Tuch an die Stirn zu pressen. Kili löste sich indessen von mir, um vor uns auf und ab zu gehen. Damit machte er Bofur Platz, der sich zu meiner linken nieder ließ und bedrück seine Mütze vom Kopf nahm, die er daraufhin in seinen Händen drehte. Ori stellte sich neben ihn und musterte mich besorgt und aufmerksam. Im Licht der Morgensonne musste ich wohl noch bescheidener aussehen als ohnehin schon. Und so fühlte ich mich auch. Da konnte mir niemand einen Vorwurf drum machen. Die Stimmung war so tief, dass sie fast den Erdkern erreichte. Zum Einen war sie immer noch angeheizt und zum Anderen machte sich allgemeine Frustration breit. Wir schwiegen uns eine ganze Zeit lang an. Bis ich mich dann doch dazu hinreißen ließ, meiner inneren Unruhe etwas Luft zu machen. "Sagt mal, ihr habt das doch eben nicht ernst gemeint, oder?", hakte ich ganz vorsichtig nach, woraufhin die Jungs kurz zusammen zuckten. "Was meinst du?", fragte Fili ruhig und streichelte mir etwas die Schultern. Ich schluckte kurz und starrte betreten auf die Pflastersteine zwischen meinen Füßen. "Das. Nun ja. Dass Thorin. Es bereuen wird, wenn er mich noch einmal anfasst. Und so", meinte ich, woraufhin Kili ein markerschütterndes, reumütiges Seufzen von sich gab. "Nur, wenn es sich wirklich nicht vermeiden ließe, Cuna", erklärte er kurz angebunden. "Aber. Kili. Er ist euer Onkel", sagte ich und wieder bildete sich in dicker Kloß in meinem Hals. "Ja. Das ist er. Glaub mir. Wir lieben ihn. Und bisher haben wir keine seiner Entscheidungen jemals in Frage gestellt. Aber diesmal ist er einfach zu weit gegangen. Verstehst du? Er muss endlich einmal einsehen, dass er im Unrecht ist", kam es von Fili, dessen Stimme sich plötzlich ziemlich belegt und bitter anhörte. Ich seufzte kurz und nickte einmal matt. "Ja. Das verstehe ich. Es ist nur so. Ich. Ich glaube einfach nicht, dass er mir das wirklich antun wollte", meinte ich, woraufhin Ori ein spöttisches, verärgertes Schnauben von sich gab. "Du verteidigst ihn und sein Handeln immer noch? Nachdem was passiert ist, nimmst du ihn weiterhin in Schutz? Hast du den Verstand verloren?", knurrte er und stapfte energisch direkt vor mich. "Um ehrlich zu sein. Ich denke auch nicht, dass er das mit Absicht getan hat", warf Bofur plötzlich ein, der nun auch seine Stimme wieder fand. "Wie kannst du nur so etwas sagen, Bofur? Du warst dabei. Du hast es gesehen", raunte Ori empört. "Das war einfach nie seine Art. Gut, ich kenne ihn noch nicht ganz so lange wie Kili und Fili, aber ich meine doch zu wissen, dass das alles nur ein gewaltiges Missverständnis war", erwiderte der Zwerg mit der Mütze und versuchte dabei selbstsicher zu klingen. "Das würde ich wohl kaum als Missverständnis bezeichnen", schnaubte der dunkelblonde Junge und scharrte dabei ungehalten mit seinen Stiefel über die Pflastersteine. "Vielleicht. Vielleicht war es das doch...", kam es plötzlich in nachdenklichem Ton von Kili, der endlich mit seinem hin und her Gelaufe aufhörte und vor uns zum Stehen kam. Irritiert hob ich den Kopf und warf dem jungen Zwerg einen fragenden Blick zu. "Wie meinst du das?", hakte ich nach. Langsam und bedächtig drehte er sich zu uns und musterte mich eingehend. "Ich will damit sagen, dass… Nun ja, dass Thorin sicherlich nicht so gehandelt hätte, wenn...", setzte er an, aber denn schüttelte er den Kopf und machte nur eine wegwerfende Handbewegung. Nun hatte er mich allerdings neugierig gemacht. Ich setzte mich etwas aufrechter hin und betrachtete ihn ernsthaft interessiert. "Kili. Du weißt irgendetwas. Sag schon. Was ist es?", bohrte ich nach, doch er schüttelte nur erneut den Kopf, ehe er mir antwortete. "Ach, nein. Es. Es ist nichts. Es ist nicht wichtig, Cuna", meinte er und versuchte so das Thema einfach beiseite zu schieben. Aber nicht nur ich, sondern auch die anderen Drei waren hellhörig geworden. Der Zwerg wusste etwas. Ein wichtiges Detail, das er uns verschweigen wollte. Daher hob nun sein Bruder die Stimme um ihn dazu zu bewegen, doch endlich mit der Sprache raus zu Rücken. "Kili. Bruder, wenn du etwas weißt, dass uns helfen könnte zu verstehen, warum das alles passiert ist, dann sag es uns. Bitte. Es geht hier um sehr viel. Sag uns einfach was los ist", drängte der blonde Junge. Der Angesprochene seufzte einmal mehr sehr tief und ließ betreten die Schultern hängen. "Ich. Ich kann nicht. Weil ich es selbst nicht ganz verstehe", meinte er und strich sich kurz einige Haarsträhnen aus dem sehr zerknirscht wirkenden Gesicht. "Erzähl es uns einfach. Vielleicht verstehen wir es ja", sagte ich versöhnlich und wohlwollend. Ich sah ihn ruhig und auffordernd an, in der Hoffnung, dass es ihn vielleicht umstimmen konnte. Als er meinen Blick auffing, biss er sich betreten auf die Unterlippe und schnaufte kurz, ehe er sich dann doch dazu hinreißen ließ von dem zu erzählen, was er bisher tief in seinem Innern verborgen gehalten hatte. Was wir daraufhin von ihm erfuhren, war die wohl unglaublichste Geschichte, die man mir je erzählt hatte. - 86. Die Ritter der Königin / ENDE - Kapitel 87: 87. Kili's Geschichte --------------------------------- Unschlüssig und von einem Bein aufs andere tretend, stand der junge, dunkelhaarige Zwerg vor Bofur, Ori, seinem Bruder und mir. Er wirkte unentschlossen. Haderte weiterhin mit sich selbst, ob er wirklich erzählen sollte, was genau im Reich der Götter vorgefallen war. Offenbar betraf es dabei nicht nur seinen Onkel, sondern wohl auch ihn selbst. Zumindest hatte ich das so im Gefühl. Denn er seufzte immer wieder, als er versuchte einen Anfang zu finden und schüttelte dann betreten den Kopf. Doch ich musste unbedingt erfahren, was geschehen war, nachdem sie meine Freunde und mich vor über einem Monat an einem verregneten Morgen nahe der Zeltstadt zurück gelassen hatten. "Kili. Wenn es dir hilft. Vielleicht fängst du ganz von Vorne an", meinte ich schließlich, nachdem er nun zum x-ten Mal den Mund öffnete und nur ein Seufzen von sich gab. "Von. Von Vorne? Also. Also gut", meinte er dann und atmete noch mal tief ein, ehe er fort fuhr, "Also ich wurde seinerzeit in den Ered Luin geboren. Mein Vater war Vili, meine Mutter Dis, Thorins Schwester." Ich hob leicht verwirrt die Augenbrauen, als er plötzlich so früh am Anfang startete und musste ihn dementsprechend ruhig, wenn auch leicht belustigt unterbrechen. "Ähm.. Kili. Kili, warte mal. Nicht so früh am Anfang. Erzähl uns einfach was passiert ist, nachdem ihr zurück im Reich der Götter wart. Also ab dem Zeitpunkt, als ihr meine Welt wieder verlassen habt", meinte ich und hob beschwichtigend eine Hand. Daraufhin stoppte er mitten im Satz und schluckte leicht verlegen. Dann kratzte er sich kurz am Hinterkopf und gab wieder einen seiner Seufzer von sich. "Nun. Nun denn. Als wir zurück kamen. Ja. Also, das war so. Wir erreichten die Insel der Götter kurz nach dem Morgengrauen. Wir standen mitten am Strand des ewigen Meeres. Danach sind wir umgehend zu unseren Unterkünften aufgebrochen. Direkt nach unserer Ankunft, kam uns bereits Gandalf entgegen. Du musst wissen, wir waren schon weit länger fort gewesen, als nur die zwei Wochen, die wir hier verbrachten. Der Zauberer war sichtlich aufgebracht und bestürmte uns sofort mit Fragen, wo wir abgeblieben seien. Natürlich haben wir kein Wort über das verloren, was wir getan hatten. Aber er schien bereits zu wissen, dass etwas Bedeutsames vorgefallen sein musste. Er hat uns zwar zunächst in Ruhe gelassen, nachdem er von uns nichts erfahren hat, aber er muss uns und vor allem unseren Onkel die ganze Zeit über im Auge behalten haben. Jedenfalls, hat sich Thorin direkt in seine Geschäfte gestürzt, als wir die Sachen wieder verstaut und eingeräumt hatten. Wir haben ihn, außer bei den Mahlzeiten kaum zu Gesicht bekommen. Aber das war nichts Ungewöhnliches. So war er schon immer. Er tat, was er tun musste und wir taten was wir tun mussten. Doch nach fünf Tagen ließ er uns alle plötzlich zusammen kommen. Ich denke, du weißt warum", erzählte er und machte da eine kleine Pause in der ich ihm verstehend zu nickte. "Ja. Gandalf hat mir davon erzählt. Er hat ihn erwischt, wie er unser gemeinsames Foto betrachtet hat und wollte mit mir sprechen. Deshalb war er zusammen mit Bofur bei mir", meinte ich und Kili nickte. "Was wollte Gandalf eigentlich von dir? Uns hat man nichts von dem Gespräch erzählt", warf Ori unwillkürlich ein und musterte mich aufmerksam. Ich zuckte nur gelassen mit den Schultern. "Nun ja. Er wollte mich kennen lernen und feststellen, ob ich auch Vertrauenswürdig bin. Außerdem schien er auch eine versteckte Warnung, was Thorins Temperament anging, an mich weiter gegeben zu haben. Tja. Hätte ich mal auf ihn gehört. Aber gut. Reden wir nicht von mir. Wie ging es denn weiter, nachdem Bofur wieder zurück war?", fragte ich nach meiner kurzen Erklärung und sah den jungen Zwerg vor mir erneut aufmerksam an. Doch dazu meldete sich der Zwerg mit der Mütze zu Wort, der neben mir saß und diese wieder auf seinen Kopf verpflanzte. "Das kann ich dir erzählen. Nun ich kam zurück zu Thorin und habe ihm deine Nachricht überbracht. Er war darüber wirklich sehr erfreut und hat mich gefragt, was du in dieser Zeit getan und erledigt hast. Nachdem ich diesen Markt erwähnte und das es dort mit diesem einen Händler zu einem Zwischenfall gekommen war, wurde er ein bisschen ausfallend. Aber sei unbesorgt. Er hat dabei mehr über Gandalf geschimpft, als über dich. Meinte nur, dass er nichts Anderes von dir erwartet hätte und du so unvernünftig wie eh und je wärst", erklärte Bofur sachlich, was mich doch ein wenig zum Schmunzeln brachte. Ja, damit hatte der Zwergenkönig wohl nicht ganz unrecht. Er hatte ja genug Gelegenheiten, das mit eigenen Augen sehen und am eigenen Leib zu spüren zu bekommen. So gesehen, kannte er mich inzwischen ziemlich gut, um zu wissen, dass ich Zeitweilig eben keine Möglichkeit aus ließ, mich in Schwierigkeiten zu bringen. Dass er nach Bofurs Bericht entsprechend reagiert hatte, konnte ich mir sogar Bildlich vorstellen. Er hatte bestimmt tief geseufzt, sich mit einer Hand über sein Gesicht gestrichen und den Kopf geschüttelt. Und wie er über Gandalf geschimpft hatte, wollte ich mir schon gar nicht ausmalen. Doch das interessierte mich zu diesem Zeitpunkt reichlich wenig. Denn da schien er ja noch für seine Verhältnisse halbwegs Normal gewesen zu sein. Deshalb wandte ich mich von dem Zwerg mit der Mütze wieder ab und musterte Kili erneut, der für einen kurzen Augenblick wohl dankbar gewesen war, nicht weiter erzählen zu müssen. Aber als er meinen Blick auffing, wurde er zusehends wieder angespannter. "Wie gings denn danach weiter? Ich meine, dass er über Gandalf und mich geschimpft hat, wird ihn ja wohl nicht so verändert haben", meinte ich ruhig. "Nein. Das nicht. Aber du musst wissen. Als Bofur und Gandalf zurück kamen, verbreitete sich das Gerücht, dass der König der Zwerge sich eine gewöhnliche Menschenfrau zur Braut erwählt hatte, wie ein Leuchtfeuer. Und auch, dass sie kein Wesen von Arda war. Du kannst dir nicht vorstellen, wie die Elben plötzlich hinter vorgehaltenen Händen über uns geredet haben. Und über dich", kam es dann aber von Ori, der sich eine Spur von Ärger in der Stimme nicht verkneifen konnte. Ich zuckte dahingehend nur lässig mit den Schultern. "Na und? Sollen diese wandelnden Glühwürmchen auf zwei Beinen doch über mich sagen was sie wollen. Sie haben mich nie so kennen gelernt wie ihr und werden das zukünftig hoffentlich auch nicht", meinte ich und sah den dunkelblonden Zwerg kurz beschwichtigend an. Dieser schnaubte einen Moment lang und ließ die Sache auf sich beruhen. Auch wenn er wohl meine Sicht der Dinge nicht so ganz nachvollziehen konnte. Für ihn war es wohl eine Ungeheuerlichkeit, wenn andere schlecht über mich redeten. Ich hingegen war es von Natur aus nicht anders gewohnt. Aber ich hatte in meiner Welt gelernt damit umzugehen. Daher konnte ich mit Fug und Recht behaupten, was so einige hochnäsige Spitzohren über mich herum tuschelten, tangierte mich nur periphere. Oder auf gut Deutsch, es ging mir am Allerwertesten vorbei. Doch ging meine kleine Bemerkung nicht ganz an Kili vorbei, der mich ein wenig missmutig ansah. Dementsprechend grantig fuhr er dann mit seiner Erzählung fort, ohne dass ich ihn weiter dazu ermutigen musste. "Du verkennst die Elben, Cuna. Sie sind keineswegs so wie du denkst. Sie sind anders. Genauso wie du und ich anders sind. Sie leben zwar lieber nur für sich, aber sie können einem auch gute Freunde sein. Und ich habe im Reich der Götter viele Freunde unter ihnen gefunden. Welche, die nicht nur schlecht über dich gesprochen haben. Und jenen, die es getan haben, konnte ich von Gegenteil überzeugen. Ein paar von ihnen waren sogar sehr interessiert daran, wie deine Welt so ist und wie man hier lebt. Ich konnte ihnen zwar nicht viel darüber sagen, dafür aber zumindest einmal die Kleidung zeigen, die man hier trägt. Du wirst nicht glauben, wie angetan sie von diesen eigentümlichen Stoffen waren. Gut, sie haben nicht wirklich verstanden, warum man so etwas tragen sollte. Aber es hat ihnen gefallen", meinte er und ich konnte sogar auf die Entfernung hinweg erkennen, wie seine rehbraunen Augen kurz begannen vor Stolz zu leuchten. "Du hängst wohl viel mit den Elben ab, oder?", hakte ich ein wenig salopp nach, woraufhin er mich irritiert musterte. "Nein. Nun. Wir hängen nirgendwo herum. Wir klettern zwar gelegentlich auf die Bäume und betreiben unsere Wettkämpfe, wer es schafft sich am längsten von den Ästen hängen zu lassen. Aber eigentlich unterhalten wir uns sehr viel", meinte er und zuckte kurz lässig mit den Schultern. "Worüber redet man denn mit Elben so?", fragte ich, da er mich nun doch ziemlich neugierig gemacht hatte. Schließlich bekam man nicht jeden Tag von irgendwem aus Mittelerde Besuch, der mit den Wesen, die unter dem Sternenlicht geboren worden waren, zu tun hatte. Dabei behielt ich aber immer noch die Sache mit dem Zwergenkönig im Hinterkopf. Denn irgendwie hatte ich das ungute Gefühl, dass es vielleicht zusammen hängen konnte. Wobei ich mir allerdings im Nachhinein lieber auf die Zunge gebissen hätte. Denn ich konnte nicht ahnen, was ich mit dieser Frage alles los trat. Weil nicht Kili es war, der mir antwortete, sondern sein Bruder, der das Tuch an meinem Kopf kurz wendete, um es danach weiter auf die Wunde zu pressen. "Glaube mir, so viel Interessantes haben die Elben dort nicht zu erzählen. Und Kili hat auch nicht ohne Hintergedanken mit ihnen angebandelt", sagte dieser leicht stichelnd, woraufhin sein jüngerer Bruder ein verärgertes Knurren von sich gab. "Na und? Was ist daran so falsch, Fili? Ich suche SIE eben immer noch. Und ich weiß, dass sie noch lebt. Ganz gleich was du oder Onkel sagen", fauchte er ihn an, wobei er seinen Bruder scharf ins Auge fasste. Ich musste einen Moment lang schlucken, als ich zwischen den Beiden hin und her sah. Es ging offensichtlich um etwas sehr Privates. Und offensichtlich um eine gewisse Elbin mit kupferrotem Haar und grüner Kleidung. Ich wusste zwar nicht, was mit Tauriel nach der Schlacht der fünf Heere geschehen war, außer dass sie von ihrem König verbannt wurde. Aber wie es aussah, hatte die Elbin ihren Weg nach Valinor nie gefunden. Und das ließ für mich nur den unangenehmen Schluss zu, dass sie wohl irgendwann in der Zeit zwischen der Schlacht und dem letzten Ringkrieg gestorben sein musste oder eben das letzte Schiff verpasst hatte. Aber aufgrund der widerkehrenden, aufgeheizten Stimmung in meinem Umfeld, beschloss ich mich einzuschalten, um nicht noch einen weiteren Familienzwist im Hause Eichenschild zu verursachen. Einer war schon schlimm genug und diesen hatte ich ja auszubaden. Was mir auch das kurze Schwindelgefühl bestätigte, dass sich bei mir anbahnte. Doch ich versuchte es so gut ich konnte zu ignorieren und hob langsam die Hände. "Jungs, Jungs. Ganz ruhig. Ist gut. Ich habs verstanden. Kili findet Elben super toll und der Rest eben nicht so. Kommen wir doch lieber zu dem Punkt zurück, an dem sich Thorin verändert hat, ja?", warf ich mit versöhnlichem Ton ein, als der dunkelhaarige Bursche kurz etwas ungehalten mit seinen Stiefeln auf den Pflastersteinen herum scharrte. "Nun. Das hatte wahrscheinlich auch mit einem Elben zu tun", meinte Bofur ruhig und legte mir kurz eine Hand auf den Oberschenkel. Ein wenig verwirrt drehte ich langsam meinen Kopf in seine Richtung und runzelte die Stirn. "Du meinst sicher einen ganz bestimmten Elben, oder?", hakte ich nach und hätte mir diese Frage auch sparen können. Denn nun antworteten sie alle im Chor mit nur einem einzigen Namen: "Thranduil." Ich seufzte kurz und nickte matt. Natürlich. Wer sonst, wenn nicht der König des Düsterwalds. Die beiden Monarchen waren sich ja seit dem Smaugvorfall schon nicht ganz grün gewesen. Was aber wohl im Götterreich vorgefallen war, dass bei Thorin so einen Wandel verursacht haben konnte, war dann doch sehr spannend. Es musste aber schon etwas ziemlich Krasses vorgefallen sein, dass sich der kleine dunkelhaarige Mann von dem schlaksigen Blondschopf mit dem Gemüse auf dem Haupthaar derartig hatte provozieren lassen. So sah ich mich kurz in unserer kleinen Runde um, bis ich wieder bei Kili angelangt war, der wohl in Gedanken etwas in der Tasche seiner Leinenhose umklammert hielt. Dieser seufzte einmal mehr und schüttelte dann den Kopf, nachdem er meinen Blick auffing. Sagte aber zunächst nichts weiter, bis ich etwas genauer nachfragte: "Er hat sich also mit Thorin gestritten, nehme ich an?" Nun schnaubte Kili zum ersten Mal verächtlich und warf mir einen vielsagenden Blick zu, ehe er antwortete: "Gestritten ist da nicht das richtige Wort. Er hat Thorin die ganze Zeit über Vorhaltungen gemacht, wie Stolz Durins Volk doch eigentlich immer gewesen sei und dass es für ihn, als der König der Zwerge, doch eine wahre Zumutung wäre sich einer Menschenfrau anzunehmen, die er sowieso viel zu früh zu Grabe tragen müsse. Außerdem meinte er, dass er es niemals schaffen würde ein so unbeständiges Wesen an seiner Seite zu halten, da du, Cuna, ihn sicherlich früher oder später für einen angemesseneren Gefährten, von wahrer ‘Größe’, sitzen lassen würdest. Und das Wort 'Größe' hatte er noch einmal besonders betont. Daraufhin ist unser Onkel richtig ausfallend geworden. Hat ihn angeschrien, dass er, Thranduil, nicht wüsste was er da sage, und dass er selbst zumindest besser wisse, wie man eine Frau vor dem sicheren Tod bewahren und beschützen konnte, in Gegensatz zu einem hochnäsigen Elbenkönig." Wieder pausierte Kili und verzog leicht angewidert den Mund. Wobei ich nicht wusste, ob es nun wegen seinem Onkel oder der Bemerkung des Elbenkönigs, mich betreffend, war. Doch so genau wollte ich in diese Zwerg-Elben-Diskussion nicht hinein gezogen werden. Diese ging ja bereits seit Jahrtausenden in der Zeitrechnung Mittelerdes von statten und würde wohl genauso wenig zu einen Nenner kommen, wie alle Religionen meiner Welt unter einen Hut zu kriegen. Da hatte Jeder eben seine Meinung und diese waren sehr tief und festgefahren. Von daher galt ab diesem Punkt für mich, nicht weiter darin herum zu bohren, sondern einfach zum nächsten Punkt zu kommen. Denn Offenbar wussten sie alle von dem heftigen Streit. Mir war es allerdings wichtiger zu erfahren, was eben nicht alle wussten. Und dazu kam Kili auch prompt, nachdem sich seine Hand in der Hosentasche immer wieder lockerte und zusammen zog. "Jedenfalls. Nachdem sich die Beiden lauthals von einander verabschiedet hatten, hat sich Thorin noch mehr in seine Geschäfte gestürzt als zuvor. Wir bekamen ihn kaum mehr zu Gesicht. Er ließ fast jede Mahlzeit ausfallen. Hat nur noch wenig geschlafen und wurde von Mal zu Mal gereizter. Selbst wenn man ihm nur einen guten Morgen wünschte. Er. Er hatte wieder diesen eigenwilligen Ausdruck in den Augen. Wie damals, nachdem wir ihn im Erebor gefunden hatten. Als er. Von der Drachenkrankeit besessen war. Zumindest kam es mir so vor", meinte er und begann bedrückt zu schlucken. "Glaub mir. Nicht nur du hast das bemerkt. Er ist irgendwann auf uns zu gekommen und hat uns angebrüllt, wie respektlos es ihm gegenüber wäre, wenn wir Cuna weiterhin nur bei ihrem Namen nennen und nicht eben mit 'Königin' von ihr sprachen", meinte Bofur und gab ein bedrücktes Seufzen von sich. Ori schwieg nur und schüttelte den Kopf. Als ich ihre Reaktion sah, überkam mich eine leichte Unruhe. Dass der dumme Kommentar eines Elbenkönigs ausreichen konnte, um Thorins ganze Persönlichkeit einfach so um hundertachtzig Grad zu drehen, überstieg ein wenig meine Vorstellungskraft. Und doch war es schon irgendwie denkbar. Jedenfalls nachdem was mir aus dem Gespräch mit Gandalf wieder in den Sinn kam. Nämlich, dass Zwerge eigentlich nie über ihre Frauen sprachen. Und schon gar nicht in aller Öffentlichkeit. Von daher war dies wohl ein direkter Angriff auf Thorins ach so heiß geliebtes Ego gewesen. "Also. Ist Thranduil dran schuld, dass er so ausgerastete ist?", hakte ich kurz nach und sah mich wieder in der Runde um. Kili gab ein sehr hohles Lachen von sich, was mich dann doch wieder verwirrte. "Ist er nicht?", fragte ich dann, als er immer noch lachte. "Sagen wir es mal so. Thranduil war der Auslöser seines wiedergekehrten Wahnsinns. Aber hinter seinem Verhalten dir gegenüber, steckt ein anderer", grollte der dunkelhaarige Junge und seine sonst so jugendhafte, freche Miene verfinsterte sich schlagartig. Auch die Hand in seiner Hosentasche verkrampfte sich leicht. "Wer?", fragte ich und nun war die Stelle der Geschichte endlich erreicht, an der mir lediglich Kili noch weiter helfen konnte. "Gloin", sagte er schlicht und nicht nur mir, sondern auch den Anderen klappten die Kiefer einige Etagen nach unten. "Gloin?", kam es von Fili, Ori und Bofur gleichzeitig entsetzt. Kili nickte nur und ließ die Schultern hängen. "Bist. Bist du dir ganz sicher, Kili?", fragte sein Bruder und runzelte leicht zweifelnd die Stirn. "Ich weiß doch, was ich gehört habe", entgegnete dieser barsch und fing an vor uns auf und ab zu gehen. Er war sichtlich nervös. Fahrig und so angespannt wie nie zuvor. Offenbar konnte oder wollte er selbst nicht ganz seinen eigenen Ohren und Worten Glauben schenken. Denn er fuhr reichlich verunsichert und nachdenklich mit seiner Erzählung fort. "Ich. Ich saß eines Tages am Strand. Hinter einem der großen Felsen. Mein. Mein Lieblingsplatz wenn ich Ruhe gebraucht habe. Mit Blick nach Osten. Für den Fall, dass.... Nun ja, ist auch egal. Wichtig ist, dass sich zu dem Zeitpunkt plötzlich Gloin und Thorin auf der anderen Seite des Felsen befanden und sich recht laut miteinander unterhielten", erzählte er und starrte dabei zu Boden. "Worüber haben sie denn gesprochen?", fragte ich ruhig. "Na. Über dich, Cuna. Vermutlich wäre es mir gar nicht aufgefallen, wenn unser Onkel nicht plötzlich laut geworden wäre. Denn er sagte so etwas wie, wie kannst du es nur wagen mir zu sagen, dass dieses blondgelockte Kahlgesicht, mit dem was er sagt, recht hat. Daraufhin meine Gloin nur, dass Thorin doch noch einmal genau nachdenken solle. Schließlich wärst du, Cuna, immer noch ein Mensch. Noch dazu ein Mensch aus einer anderen Welt. Wir wüssten alle gar nichts von dir und ob man dir wirklich trauen könnte. Doch wenn du den Menschen Ardas in gewisser Weise ähnlich wärest, dann könnte sich Thorin durchaus Sorgen darum machen, ob es überhaupt möglich sei, dich als Königin zu halten", meinte Kili und gestikulierte mit einer Hand in der Luft herum. Dabei versuchte er sogar die Stimmen soweit zu verstellen, dass man die seines Onkel und von Gloin in etwa wieder erkannte. Ich schnaubte einmal kurz und verzog beleidigt den Mund. "Und das hat Thorin geglaubt?", fragte ich ohne den Anflug von Ärger in meiner Stimme zu verbergen. Doch der dunkelhaarige Junge schüttelte zur Antwort den Kopf. "Nein. Das nicht. Thorin ist daraufhin wieder laut geworden und meinte, Gloin wüsste nicht was er da sage. Du wärst vertrauenswürdig und könntest ihn niemals so hintergehen. Er habe vollstes Vertrauen in dich. Doch daraufhin gab Gloin ihm zu bedenken, dass das am Anfang einer guten Ehe immer so sei. Junge Liebe sei noch blind und schütze nicht vor dem aufkommenden Alltag. Er habe dies bei einigen Menschen schon mal beobachtet. Es würde zeitweilen unter deinesgleichen dazu kommen, dass man dem Partner einfach überdrüssig wird, weil gerade die Frau häufig nicht die gerechte Erfüllung darin finde", erklärte er sachlich. Ich konnte nur einen Moment lang die Backen aufblasen und diese Sache ab nicken. Gut, damit hatte Gloin nicht ganz unrecht. Das kam bei Menschen tatsächlich sehr häufig vor. Ob nun in Arda oder eben in meiner Welt. Offenbar waren wir Menschen uns überall ähnlich. Wobei die Langeweile in einer Beziehung häufig nicht nur daran lag, dass man das Gesicht des Anderen nicht mehr ertragen könnte, sondern einfach die Umstände vielleicht nicht mehr passten, oder eben auf zwischenkörperlicher Ebene nichts mehr lief. Sprich, Flaute im Bett. Aber ich kannte ja in diesen modernen Zeiten so meine kleinen Abhilfen für solche Phasen. Ich war ja auch immer wieder offen für Neues, was man in eine bestehende Verbindung bringen konnte. Also unter derartiger Langeweile hatte ich mit meinem ersten Mann nie gelitten. Wenn er nicht wollte, verschaffte ich mir grundlegend selbst Abhilfe. Doch schien es bei den Zwergen am Strand um etwas weit Anderes gegangen zu sein. So fragte ich erneut nach, als Kili in nachdenkliches Schweigen verfiel: "Was hat Thorin dann getan? Hat er dem Widersprochen?" "Nun. Zuerst hat er nichts gesagt. Er hat sehr lange überlegt. Dann fragte er Gloin plötzlich, ob dieser nicht vielleicht einen guten Rat für ihn hätte, wie er dich dazu bekäme, nicht in diese Langeweile zu verfallen und überhaupt einen Gedanken an etwas anderes zu verschwenden", erklärte er und machte erneut eine Pause. Sein Gesicht verfinsterte sich noch weiter und er blieb abrupft stehen. Ich schluckte einen Moment und hatte bereits Angst davor zu fragen, was der rothaarige Zwerg meinem Zukünftigen wohl an Ratschlägen erteil hatte. Denn nicht nur allein dadurch drehte sich mein Magen schon auf links. Das anhaltende Schwindelgefühl in meinem Kopf tat das Ihrige dazu. So langsam fragte ich mich nämlich auch, ob es wirklich klug gewesen war auf diesen Spielplatz zu gehen, da niemand von den anderen Männern wusste wo wir waren. Und so langsam machte sich der Blutverlust durch meine Kopfwunde bemerkbar. Diese pochte und zwickte recht schmerzhaft, obwohl Fili sich alle Mühe gab nicht zu fest dagegen zu drücken. Trotzdem musste ich noch eine Weile dagegen ankämpfen. Ich wollte unbedingt erfahren, was weiter geschehen war. Zumindest nahm mir Ori die entscheidende Frage ab, der Kili neugierig musterte. "Was hat Gloin ihm denn geraten?", hakte er vorsichtig nach, da es ihm wohl auf der einen Seite auch unangenehm war, die Wahrheit zu erfahren. Der dunkelhaarige Bursche schüttelte wie so oft an diesem Morgen mit seiner langen Mähne, wobei ihm einige Strähnen seines Haares ins Gesicht fielen, sodass es fast gänzlich verdeckt war. Dann atmete er bedächtig, aber leicht zittrig durch und erzählte weiter. Allerdings kam er nicht umhin, dabei etwas vor sich herum zu drucksen. "Gloin. Nun. Also. Er. Er sagte, es wäre ratsam. Wenn Thorin dich, Cuna, wirklich halten wolle. Müsste er dir zum einen Wohlwollend, aber auf der anderen Seite auch mit harter Hand begegnen. Sprich Onkel sollte dir Geschenke machen, wenn du etwas richtig gemacht hast. Also etwas was ihm gefallen würde. Wenn du aber etwas tun würdest, was ihm missfiel, solle er dir das wieder weg nehmen. Als kleine Strafe, weil du dich als seine Frau gegen ihn gestellt und seine Meinungen und Entscheidungen untergraben hast. Außerdem meinte er, dass es gut wäre, wenn Thorin seinen Geschäften nach ginge, dass jemand im Hause war, der auf dich und deine Handlungen ein Auge hätte. Sodass du dich nicht doch heimlich an jemand anderen bindest", meinte er und konnte dieses Mal seine Abscheu über diesen Ratschlag nicht verbergen. Denn er spuckte einfach wütend und frustriert auf den Boden neben dem Sandkasten. Nun konnte ich nur noch ein leidiges Stöhnen von mir geben, den Kopf ganz tief senken und mein geschundenes Gesicht in die Hände legen. Was allerdings Fili und Bofur leicht erschreckte, die mich umgehend fast hielten, damit ich nicht nach Vorne über kippte. Sie dachten wohl, ich würde gerade in Ohnmacht fallen. Gut, danach war mir definitiv zu mute. Aber ich konnte es mir nicht leisten. Dafür war die Sache zu verstörend. Ich wusste in dem Moment, als mir Kili diese Einzelheiten erklärte, was genau der rothaarige Zwerg damit bezwecken wollte und schließlich auch angerichtet hatte. Dementsprechend fluchte ich vor mich hin und kommentierte das Ganze ziemlich gereizt. "Oh mein Gott. Verdammt. Zuckerbrot und Peitsche", raunte ich und fuhr mit beiden Händen über das Gesicht. "Was? Was ist, Cuna? Ist dir noch wohl? Willst du dich hinlegen?", fragte Fili prompt und Bofur versuchte mich mit einem festen Griff an der linken Schulter wieder auf zu richten. Ich seufzte aber nur einmal kurz und schüttelte bedächtig den Kopf. "Nein. Es. Es geht schon, Fili. Aber jetzt verstehe ich endlich, was mit ihm los ist, seit er wiedergekommen ist. Das ist ja wirklich. Also. Mir fehlen die Worte", raunte ich und hob den Blick. "Wie meinst du das? Ich verstehe es noch nicht ganz. Was ist Zuckerbrot und Peitsche? Sind das Schimpfwörter?", fragte Bofur und tätschelte mir vorsichtig und ruhig die Schulter. Vorsichtig wendete ich mich zu dem Zwerg mit der Mütze, der mich besorgt und verwirrt musterte. Offenbar hatten sie keinen Namen für diese Art von Behandlung einer Frau. Und wie es aussah, war es vielleicht sogar Gang und Gebe in Mittelerde dieses unmenschliche Prinzip anzuwenden. Daher war ich auch unschlüssig ob es sich lohnte den Jungs zu erklären, was es mit meiner Andeutung auf sich hatte. Doch es musste wohl sein. Als ich mich unter ihnen umsah, beobachteten mich alle erwartungsvoll und eindringlich. So seufzte ich tief und schaffte es mich noch einmal von selbst gerade hin zu setzen und die Schultern zu straffen. "Also, Jungs. Das ist ganz leicht zu verstehen. In meiner Welt gibt es verschiedene Arten, um sich eine Frau oder eben andere Menschen gefügig zu machen. Und diese haben unterschiedliche Namen. Da gibt es den 'Schoßhund', den 'Kommandanten' und eben 'Zuckerbrot und Peitsche'. Der 'Schoßhund' ist für Frauen geeignet, die sich sehr leicht von ihrem Mann aus reiner Liebe und Fürsorge herum scheuchen lassen. Sprich, die Frauen lesen ihnen alle Wünsche von den Augen ab, ohne groß und breit darüber nachzudenken, was sie gerade tun. Zu Anfang bekommen sie kleinere 'Leckerlies' dafür. Also Belohnungen. Das kann sich später aber ändern, sobald die Frau gefügig genug ist. Der 'Kommandant' ist ein Prinzip das mit Angst arbeitet. Sprich, ich sage du Hüpft und als Antwort darf nicht 'Nein' kommen, sondern 'Wie hoch?'. Wenn man das nicht tut, dann können sogar gewalttätige Strafen für die Frau folgen. Was Gloin aber Thorin da vorgeschlagen hat. Bedient sich beider Versionen. Es ist die wohl Schlimmste. Denn zunächst lockt man die Frau mit süßen Worten, Geschenken und anderen Sachen, die ihr gefallen. Nur um sie milde zu stimmen, sodass sie von selbst das tut, was der Mann will. Widerspricht sie aber danach ständig und verhält sich nicht so wie ER es will, dann bekommt sie diese Dinge entweder abgenommen oder gestrichen. Im schlimmsten Fall setzt es da auch Prügel", erklärte ich ihnen lang und breit. Was folgte war ein reihum einheitliches, entsetztes Keuchen. Sie hatten meine Erklärung verstanden. Und sie gefiel ihnen nicht. Mir dementsprechend natürlich auch nicht. Dass sich der Zwergenkönig auf so ein niederes, fast schon primitives Niveau begab, überforderte alle in unserem kleinen Kreis. Insbesondere seine beiden Neffen, die das Ganze immer noch nicht begreifen konnten. "Deshalb hat er das getan. Deswegen hat er Cuna die Spange aus den Haaren gerissen und sie dabei so schwer verletzte. Mahal! Ich glaube es nicht", murmelte der blonde Zwerg zu meiner Rechten und ich sah ihn ihm Augenwinkel mit dem Kopf schütteln. "Warum hast du uns das nicht schon viel früher erzählt?", kam es mit empörtem Unterton von Bofur. "Weil ich mir nichts dabei gedacht habe. Ich konnte auch nicht. Denn kurz drauf hat er Fili und mich zu sich bestellt und uns aufgetragen, dass wir uns in Zeiten seiner Abwesenheit um sie kümmern sollten. Aber mir war nicht wohl dabei. Ich habe Onkel in einer Ruhigen Minute noch einmal darauf angesprochen, ob es wirklich richtig wäre, dass mein Bruder und ich zurück nach Terra Gaia gehen. Aber er sagte nur, dass es. Dass es einfach wichtig wäre. Wir könnten dort ein neues Leben beginnen und unsere Altlasten los werden. Wir würden es besser haben. Und ich. Ich bräuchte nicht ständig einem Hirngespinst hinterher jagen. Hätte ich gewusst, dass so etwas geschehen würde, dann... Dann hätte ich niemals zugestimmt hier hin zurück zu kehren", knurrte Kili und ballte erneut die Hand in seiner Tasche zur Faust. Was er aber trotz seines zunehmenden Ärgers nicht verbergen konnte, war der leicht bittere und auch belegte Ton, der in seiner Stimme mit schwang. Dieser fuhr mir augenblicklich tief ins Herz, als ich ihn vernahm. Darin lag viel Schmerz. Und ich glaubte zu wissen warum. "Du. Du wolltest nicht wieder hier hin zurück?", hakte ich vorsichtig nach. "Nein. Nein, wollte ich nicht", kam umgehend die knappe und barsche Antwort des Angesprochenen. "Aber, Kili. Du hast dich doch genauso darüber gefreut wie ich, Cuna wiedersehen zu dürfen. Wieso sagst du das plötzlich?", fragte sein Bruder und warf ihm einen betrübten, unverständlichen Blick zu. Kili zuckte nur unschlüssig mit den Schultern und wandte sich nun gänzlich von uns ab. Mit gesenkten Haupt starrte er in den Sandkasten vor sich und seufzte tief. "Ja. Ich. Ich habe mich darauf gefreut, Cuna wieder zu sehen. Aber. Aber ich wollte doch nicht bis in alle Ewigkeit hier bleiben. Ich wollte wieder zurück. Ich warte doch auf SIE. Was... Was wenn SIE plötzlich im Götterreich auftaucht und ich bin nicht da? Wenn SIE in diesem Moment mit einem Schiff aus Mittelerde kommt und nach mir sucht? Aber Onkel. Er hat ja leicht reden, mit seinen ach so tollen Ratschlägen, Weisheiten und Anweisungen. Ich solle aufhören in der Vergangenheit zu leben und mich stattdessen auf die Zukunft vorbereiten. Was habe ich denn hier für eine Zukunft? Da ist nichts. Ich habe nichts, worauf ich mich vorbereiten könnte. Er hat Cuna, Fili hat seine Jana. Und was habe ich?! Nur einen alten Runenstein und die leise Hoffnung SIE doch irgendwann wieder zu sehen! Aber alle sagen, dass es Zeitverschwendung ist darauf zu warten! Dass ich meine Träume endlich und ein für alle Mal begraben soll! Aber das will ich nicht! Hört ihr?! Ich will nicht aufgeben! Sie lebt! Sie lebt! Das weiß ich!", brüllte Kili mit einem lauthals und verzweifelt, sodass wir alle zusammen zuckten. Bei seinem plötzlichen Gefühlsausbruch wurde mir mit einem mal ganz Angst und Bang ums Herz. Ich hatte ja keine Ahnung gehabt, was ihn die ganze Zeit über innerlich so fertig machte. Er hatte es ja auch sehr gut vor allen verborgen gehalten. Eben wie es ein Zwerg so tat. Was die persönlichen Umstände anging, hielten sie sich ja immer nur an sich selbst und zeigten dies nicht gerne vor Fremden oder ihrer eigenen Sippschaft. Doch nun brach genau das, was er über die Zeit hinweg in sich hinein gefressen hatte so deutlich zu Tage, dass selbst mir seine Worte unheimlich weh taten. Und es schmerze noch weit schlimmer, als ich den dunkelhaarigen Jungen mit den rehbrauen Augen kurz nach seinem kleinen Gefühlsausbruch schluchzen hörte, ehe er sich mit dem Ärmel seines Leinenhemds über das Gesicht wischte. Er war fix und fertig mit seinen Nerven. Ich spürte, dass er gerade nicht weiter wusste. Dass er sich nicht eingestehen konnte, dass seine Suche nach der von ihm geliebten Person nie ein Ende finden würde. Er wollte es nicht wahr haben, dass sie nicht zu ihm kommen oder auf ihn warten würde. Der verzweifelte Herzenswunsch eines so jungen Zwerges. Das war es also, was Fili mir bereits auf der Zeltstadt hatte verdeutlichen wollen. Kili würde Tauriel für alle Ewigkeit lieben. Ganz gleich wie sehr sich sein Leben auch veränderte. Sein Herz gehörte ihr. Und die Ungewissheit über den Verbleib der Elbin mit dem kupferfarbenen Haar, trieb ihn wohl mehr und mehr in eine enge Sackgasse der Einsamkeit. Ich kannte dieses Gefühl nur zu gut. Wären sie mir nicht begegnet, hätte ich Thorin nicht in mein Leben gelassen, so würde ich vermutlich genauso da stehen, wie er in diesem Augenblick. Und leider musste ich dem Zwergenkönig, mit dem, was er seinem jüngsten Neffen gesagt hatte, recht geben. Auch wenn es Kili vermutlich nicht gefallen würde, wenn ich ihn darauf ansprach. Mein Ärger über Gloin und seine dummen Ratschläge konnte in diesem Moment warten. Zunächst war da dieser traurige und unglücklich verliebte Junge. Ein Junge der gerade jede Menge Trost und Zuspruch brauchte. Und den er eigentlich von seiner Mutter hätte bekommen müssen. Doch auch diese hatte er ja vor vielen Jahren eingebüßt. Folglich sah ich mich nun in der Pflicht. Nicht nur als seine von ihm und seinem Bruder angenommene Schwester, sondern auch als gute Freundin. So räusperte ich mich irgendwann bedächtig, nachdem einige Minuten des betrübten Schweigens vorüber gezogen waren und richtete dann ruhig mein Wort an ihn. "Kili?", hakte ich leise, aber gut hörbar nach. Dieser zuckte kurz zusammen und drehte dann ruckartig den Kopf über die Schulter. Er schien völlig vergessen zu haben, dass er nicht allein auf dem Spielplatz war. Als er meinen Blick bemerkte brummte er kurz, zum Zeichen dass er mir zuhören wollte. Ich atmete einmal ganz tief durch und setzte erneut an. "Kili. Komm doch mal bitte zu mir, ja?", forderte ich ganz behutsam und winkte ihm zusätzlich noch mit einer Hand heran. Nur sehr zögerlich und missmutig folgte er meiner freundlichen Aufforderung. Ich konnte ihm ansehen, dass er wohl lieber woanders wäre und nicht gerade in der Nähe von anderen. Aber ihm war wohl auch bewusst, dass er nicht immer wegrennen konnte. Daher stand er nach wenigen Schritten genau vor mir und musterte mich aus leicht geröteten Augen fragend. Ich nickte zufrieden zu ihm auf und deutete ihm danach an sich doch vor mich hin zu setzen, damit wir zumindest halbwegs auf Augenhöhe waren. Auch dieser Bitte kam er wortlos nach und legte dabei seine Arme verschränkt auf meine Knie. Danach stützte er sein Kinn darauf und beobachtete mich eingehend. Nun konnte ich ganz langsam meine Hände nach ihm ausstrecken und diese auf seine kräftigen Arme legen, ehe ich ihm ernst aber tröstend ins Gesicht sah. "Hör mal, Kili. Ich. Ich weiß, du... Du glaubst mir bestimmt nicht. Aber... Aber ich kann sehr gut nachvollziehen, wie es dir im Augenblick geht. Und bitte schrei mich nicht an, wenn ich dir das jetzt sage. Nur ich finde. Thorin hat mit dem was er zu dir gesagt hat recht. Es. Es bringt niemandem etwas weiter in der Vergangenheit zu leben. Das. Das macht einen auf die Dauer nur kaputt. Und du... Du bist für einen Zwerg noch sehr jung. Dir stehen noch viele Möglichkeiten offen. Man. Man sollte sich nicht an eine Hoffnung klammern, von der man eigentlich weiß, dass sie aussichtslos ist", sagte ich, doch schon verzog Kili den Mund zu einer trotzigen Schnute. "Und welche Möglichkeiten? Ich habe keine. Du konntest dich immerhin von deinem geliebten Wesen verabschieden. Was habe ich?", raunte er und ließ daraufhin den Kopf zwischen seine Arme sinken. Ich seufzte kurz und schloss einen Moment lang die Augen. Auch um dem stärker werdenden Schwindelgefühl entgegen zu wirken. Die ganze Sache war unheimlich anstrengend und ermüdend für mich. Vor allem in meinem gegenwärtigen Zustand. Eigentlich hätte ich gar nicht die Kraft dazu aufbringen können, um ihm zu diesem Zeitpunkt zu helfen. Und doch tat ich es einfach. Aus dem Grund, weil er es brauchte. Weil es für ihn wichtig war. Ich musste ihm helfen mit seiner versteckten Trauer klar zu kommen. Genauso wie es einst sein Onkel bei mir in einer schicksalshaften Nacht getan hatte. So öffnete ich die Augen und fuhr in sanftem Ton fort, während ich behutsam eine Hand auf seinen Hinterkopf legte, um ihm beruhigend zu streicheln. "Du hast noch so viel, Kili. Du hast deinen Bruder, du hast deine Freunde hier in der Gemeinschaft, du hast deinen Onkel, auch wenn es im Moment ein bisschen schwierig mit ihm ist. Und du hast mich. Sicher. Ich verstehe. Es ist nur ein schwacher Trost. Und. Und keiner von uns könnte jemals die Liebe deines Lebens ersetzen. Nur. Ich finde es wird Zeit, dass du anfängst los zu lassen. Du darfst dein Herz nicht so vor der Außenwelt verschließen. Damit wirfst du dein Leben nur weg. Du musst aufstehen und nach Vorne sehen. Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern. Das. Das kann keiner von uns. Und ich weiß es wird noch eine ganze Weile weh tun. Besonders wenn man umringt ist von vielen glücklichen Paaren. Aber es wird mit der Zeit vergehen. Du hast dein Schicksal in der Hand. Niemand sonst. Du kannst aus deinem Leben noch etwas machen. Ich denke, dafür seid ihr überhaupt wieder zurück gekommen. Ihr habt noch mal die Chance bekommen etwas zu ändern. Und ich rate dir einfach. Aus tiefstem Herzen. Nutze sie. Lass sie nicht verstreichen. Denn, wenn du das tust, dann macht es auch keinen Sinn", meinte ich und spürte wie sich bei meinen eigenen Worten ein dicker Kloß in meinem Hals breit machte. Nun kamen nämlich auch mir wieder die schmerzhaften Erinnerungen an meinen Verflossenen wieder. Der Tag an dem er starb. Die sehr stressige Zeit vor, während und nach der Beerdigung. All die Bilder, die ich genauso tief in mir drin begraben hatte. Die schönen, wie auch schweren Momente einer lang vorbeigegangenen, gemeinsamen Zeit mit einem Mann, der mir einst alles bedeutet hatte. Doch in diesem Zusammenhang, kam mir plötzlich ein Lied in den Sinn. So banal es in dieser Situation auch war. Aber während mir diese Bilder durch den Kopf gingen, spielte im Hintergrund des Ganzen eine Melodie. Es war ein Lied, dass ich seinerzeit so oft gehört hatte, dass es mir bald zu den Ohren heraus gekommen war. 'Geboren um zu leben' von der Band Unheilig. Es hatte mir eine ganze Zeit lang über meine lange Trauerphase hinweg geholfen. Auch wenn ich jedes Mal hatte weinen müssen, wenn es irgendwo im Radio oder sonst wo gespielt wurde. Es passte einfach. Es hatte mir viel Trost gegeben. Hatte mich weiter machen lassen, sodass ich es bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Zwergenkönig und seine Männer in mein Leben getreten waren, geschafft hatte meinen eigenen Weg allein zu finden. Und ohne dass ich es zunächst merkte, stahlen sich plötzlich die Worte des Songtextest in mein Bewusstsein und meine Lippen bewegten sich ganz automatisch, als ich leise, aber deutlich begann, genau dieses Lied vor mich hin zu singen. Während ich dem jungen Zwerg immer noch ruhig den Hinterkopf streichelte. "Es fällt mir schwer, ohne dich zu leben. Jeden Tag zu Jeder Zeit, einfach alles zu geben. Ich denk so oft, zurück an das was war. An jedem so geliebten, vergangenen Tag. Ich stell mir vor, dass du zu mir stehst. Und jeden meiner Wege, an meiner Seite gehst. Ich denke an so vieles seitdem du nicht mehr bist. Denn du hast mir gezeigt, wie wertvoll das Leben ist. Wir warn geboren um zu leben. Mit dem Wundern jener Zeit. Sich niemals zu vergessen, bis in alle Ewigkeit. Wir warn geboren um zu leben, für den einen Augenblick. Bei dem jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist. Es tut noch weh, wieder neuen Platz zu schaffen. Mit gutem Gefühl, etwas Neues zu zulassen. In diesem Augenblick bist du mir wieder nah. Wie an jedem so geliebten, vergangenen Tag. Es ist mein Wunsch, wieder Träume zu erlauben. Ohne Reue nach vorn, in eine Zukunft zu schaun. Ich sehe einen Sinn, seit dem du nicht mehr bist, denn du hast mir gezeigt, wie wertvoll mein Leben ist...", sang ich vor mich hin und begann dann mit der Wiederholung der Refrains. Doch nicht nur ich fing mit einem Mal an zu singen. Nein. Auch die Zwerge um mich herum setzten mit in diese Zeilen ein. Zunächst Fili, der genauso leise sang wie ich. Dann gesellte sich Bofur dazu. Danach Ori und schließlich auch Kili, der den Kopf aus der Versenkung holte und mit leicht belegter Stimme mit sang. Doch bald drauf, erhob sich unser leicht trauriger Gesang über den Spielplatz hinweg, sodass es mich wunderte, dass die Vögel in den Bäumen nicht verschreckt davon flogen. Aber es war auch gut, dass wir so laut sangen. Denn so konnte uns nämlich Jemand finden, der im nächsten Moment eilig um die Ecke gestürmt kam und auf uns zu rannte. Und es war verdammt gut, dass dieser Jemand auftauchte. Denn noch während ich weiter sang, übermannten mich das Schwindelgefühl und die Übelkeit endgültig, sodass ich haltlos genau auf Bofurs Schoß zusammen sackte. - 87. Kili's Geschichte / ENDE - Kapitel 88: 88. Die wahre Freunde in der Not -------------------------------------------- "Hier seid ihr! Mahal sei Dank, dass ich euch endlich gefunden habe", drang die erleichterte, wenn auch leicht abgehetzt wirkende Stimme von Nori an meine Ohren. Dieser kam wenig später vor unserer kleinen Gruppe zum Stehen. Gerade als Fili und Kili erschrocken aufgesprungen waren, als ich zu Bofurs Seite weg kippte. Es ging mir unglaublich beschissen. In meinem geschundenen Kopf drehte sich alles. Mein armer Kreislauf ging erneut innerhalb weniger Stunden den Bach runter. Zumindest reagierten die Beiden recht schnell auf meinen plötzlichen Zusammenbruch. Kili schnappte sich unter heftigem Fluchen meine Beine, nachdem meine Hand von seinem Kopf gerutscht war. Und sein Bruder machte auf der Bank Platz, damit sie mich hinlegen konnten. Nun lag ich da und hielt meine Augen vorläufig geschlossen, damit das Schwindelgefühl wieder nach ließ. Doch es wollte und wollte einfach nicht vergehen. Ein schmerzhaftes Stöhnen entkam meiner Kehle und mir war, als müsste ich mich jeden Augenblick übergeben. Zum Glück hatte ich meinen Körper aber noch so weit unter Kontrolle, dass ich dies gerade so zu verhindern wusste. Sonst hätte Bofur gewiss ein kleines Problem in seinem Schoß bekommen. Dieser legte derweilen besorgt seine Hand auf meinen rechten Oberarm und rüttelte mich leicht verzweifelt, während er versuchte halbwegs ruhig auf mich ein zu reden. "Cuna. Halt durch in Durins Namen. Bleib wach, hörst du", sagte er, wobei ich spürte, dass seine von Arbeit geprägten, rauen Finger ein wenig zitterten, als er meinen Oberarm entlang rubbelte. Ori wand sich unterdessen seinem zweitältesten Bruder zu, nachdem er dessen Ruf vernommen hatte. "Nori! Gut das du kommst. Du musst schnell zurück zu Oin laufen und ihn her holen. Cuna geht es immer schlechter. Sie braucht dringend Hilfe", erklärte er aufgebracht, doch sein Bruder machte keine Anstalten auf dem Absatz umzukehren. Stattdessen trat er nur noch etwas näher an mich heran und komplementierte Kili kurzerhand von meinem Kopfende weg mit den Worten: "Lass mich mal da hin, Junge." Ich spürte wie er ein Stückchen zur Seite wich und Nori bereitwillig Platz machte. Dieser hockte sich umgehend zu mir und nahm für einen Augenblick mein Kinn in seine Hand. "Cuna? Hörst du mich? Bist du wach?", fragte er ruhig. "Ja... So halbwegs. Was machst du hier? Ist das nicht eigentlich Oins Aufgabe?", krächzte ich mit leicht belegter Stimme. "Deswegen bin ich hier. Er schickt mich zu dir. Ich soll mich um dich kümmern", erklärte er knapp und nahm die Hand wieder von meinem Kinn. "Du?", fragten alle gleichzeitig mit einiger Verwirrung in den Stimmen. "Ja, ich. Er hat oben alle Hände voll zu tun. Darum hat er mir aufgetragen, dass ich Cunas Wunde versorge. Zum Glück habe ich euch singen gehört. Sonst wäre ich wohl noch eine ganze Zeit lang hier umher gelaufen. Diese riesigen menschlichen Paläste sind ein wahrer Irrgarten", antwortete der Zwerg mit der stachligen Frisur, dessen Stimme nun etwas lauter zu mir durch drang. Ich schlug kurz die Augen wieder auf und sah ihm mitten ins Gesicht. Er schnaufte noch ein bisschen vom Rennen, aber sein Blick war klar und genau auf das gerichtet, was er nun eingehend begutachtete. Nämlich meine rechte Gesichtshälfte. Fili hatte das Tuch von meiner Wunde nehmen müssen, als ich umgekippt war. Ein laues morgendliches Sommerlüftchen strich darüber und hinterließ dabei ein leicht unangenehmes kribbelndes Gefühl. Aber nicht nur dieses, sondern auch die Finger des Zwerges fuhren kurz an deren Rändern entlang und tasteten diese behutsam ab. Dadurch brannte und zwickte die Stelle leicht, sodass ich mir auf die Unterlippe beißen musste und die Augen mit einem scharfen Atemzug wieder zu kniff. "Gut. Sie blutet nicht mehr so stark", meinte er nach einigen Sekunden immer noch recht ruhig. Daraufhin nahm er seine Hände wieder von meiner Schläfe, Stirn und Wange, und begann irgendetwas an seinem Gürtel herum zu hantieren, was ich von meiner Position nicht ausmachen konnte. "Was ist denn da oben noch vorgefallen, nachdem wir hier hinunter gegangen sind?", erkundigte sich Fili bei ihm, doch dieser gab zunächst keine Antwort. "Das erzähle ich euch zu gegebener Zeit, wenn Cuna versorgt ist. Reich mir doch mal das Tuch Fili", sagte er schlicht. Ich öffnete die Augen wieder einen Spalt breit und beobachtete, was Nori vor mir tat. Er hielt nun eine Phiole mit einer klaren Flüssigkeit in der einen und nahm das befleckte Tuch, was Fili ihm reichte, in der anderen Hand. Mit den Zähnen entkorkte er das Fläschchen kurz, spuckte diesen aus und träufelte vorsichtig etwas auf den Stoff. "Was... Was machst du da?", hakte ich mit matter, leicht träger Stimme nach, sodass er einen Moment lang von seiner Arbeit zu mir aufblickte. "Ich trage ein leichtes Wundgift auf. Das wird die Blutung endgültig stillen und die Stelle nach einer gewissen Zeit betäuben, damit ich sie nähen kann. Allerdings wird es zuvor sehr stark brennen", erklärte er mir knapp. "Ähm. Okay? Bist du dir wirklich sicher, was du da tust?", fragte ich nun deutlich beunruhigt und warf nicht nur ihm, sondern auch den anderen Vieren soweit ich konnte ganz flüchtige Blicke zu. Immerhin waren mir die Heilkünste der Zwerge inzwischen mehr als einschlägig vertraut. Und die Tatsache, dass er mir sagte, dieses mir unbekannte Wundgift würde sehr stark brennen, machte mich zunehmend nervös. Nicht dass ich dem Zwerg und dieser ganzen Sache nicht trauen wollte, aber nachdem der alte Oin meine Nase mit einer Zange gerichtet hatte, waren derartige Behandlungen doch ein rotes Tuch für mich. Um nicht zu sagen genauso rot wie das, was er mit dem Zeug benetzte. Und er schüttete nicht gerade wenig darauf. Eigentlich leerte er sogar das ganze Fläschchen. Das würde bestimmt kein Zuckerschlecken für mich werden. Soviel war mir schon klar. Doch sagte ich mir, dass es bestimmt irgendwie gut gehen musste. Wenn Oin ihm eine solche Behandlung überließ, hatte der alte Zwerg bestimmt seine Gründe. Und das mussten verdammt gute Gründe sein, denn sonst wäre er mit Sicherheit persönlich her gekommen. Irgendetwas Schwerwiegendes musste in der Zeit vorgefallen sein. Etwas das mein Herz und meinen Magen heftig verkrampfen ließ. Hoffentlich hatten sie die Gottesanbeter nicht doch ohne mein Wissen um die Ecke gebracht, schoss es mir beklommen durch meine Gedanken. Wobei ich bei meinem eher unfreiwilligen Abgang nicht davon ausgehen wollte. Schließlich hatten sie ja von ihnen abgelassen. Aber konnte ich mir da so sicher sein? Gut, vielleicht hatten sie sie nicht vom Außenbalkon geschmissen. Das hätten wir mit Sicherheit bis zum Spielplatz gehört. Es war jedoch durchaus möglich, dass sie ihnen für ihre Frechheiten eine ordentliche Lektion erteilt hatten. Sie waren immerhin Zwerge und sehr stolz darauf einem solchen Volk anzugehören. Mich schüttelte es plötzlich am ganzen Körper bei jedem einzelnen Gedanken an das, was ich mit diesen kleinen Männern auf die hiesige Menschheit los gelassen hatte. Sicher, mir gegenüber waren sie bisher nie derartig forsch aufgetreten. Mal von Gloin abgesehen, mit dem ich nach dieser Prozedur noch ein ordentliches Wörtchen zu reden hatte. Aber das Verhältnis was ich mit ihnen hatte war etwas ganz anderes. Ich war eine Freundin. Eine vertraute, wohlwollende Person. Und durch meine Beziehung zu ihrem König inzwischen fast schon eine von ihnen, wenn mich mein menschliches Dasein nicht so deutlich von ihnen abgehoben hätte. Auch wenn dieser Zwischenfall nun einen tiefen, dunklen Schatten auf unsere Verbindung warf. Zumindest konnte ich mich glücklich schätzen, dass dieser kleine, aber feine Teil der Männer, die in diesem schweren Moment um mich herum versammelt waren, mir weiterhin beistand. Besonders Thorins Neffen, von denen der jüngere mir immer wieder beruhigende Worte schenkt, während er ruhig meine linke Hand in seiner hielt. Was die Abwesenden betraf, wusste ich nicht ganz, wie es um ihre Zuneigung mir gegenüber stand. Balin und Oin hatten es bisher als einzige vermieden mich zu duzen. Wohl um eine gewisse höfliche Neutralität zu bewahren. Aber das nahm ich ihnen nicht weiter übel. Bombur, Bofurs Bruder, war schon allein damit zufrieden, wenn man ihm ein vernünftiges Essen vor die Nase setzte. Mit ihrem Vetter Bifur war es da schon verzwickter. Der Zwerg mit der Axt im Schädel hielt sich meist bedeckt und beobachtete lieber alles aus sicherer Entfernung. Mit ihm hatte ich, bis auf den einen Ausflug zum Friedhof, wenig bis gar nichts zu schaffen gehabt. Dori, als ältester Bruder von Nori und Ori, war mir gegenüber nach dem Vorfall vom Zeltplatz, in dem sich sein Jüngster mit verstrickt hatte, auch sehr wohlwollend aufgetreten. Und verhielt sich zeitweilig genauso fürsorglich mir, wie auch seinen Brüdern gegenüber. Doch hatte er schnell bemerkt, dass ich nicht gerne bemuttert werden wollte. Deshalb pflegten wir einen eher höflichen, freundschaftlichen Umgang miteinander. Zu Dwalin hingegen gab es nur drei Worte, die ich zu seinem Persönlichkeitsbild zuordnen konnte. 'Mutter der Kompanie'. Wobei ich nicht noch einmal von ihm so zur Brust genommen werden wollte, wie während meiner Gerwulf-Kostümierung. Er war Bodyguard, Krieger und einer der loyalsten Männer, die mir jemals begegnet waren. Doch auch er schien hinter seiner muskelbepackten Brust ein weiches Herz zu haben. Immerhin hatte er mir ja ohne zu zögern meine von ihm zertrümmerten Bilderrahmen per Handarbeit ersetzt. Mitgefühl schien daher auch nicht zu seinen Fremdwörtern zu gehören. Doch wusste ich, dass sein Augenmerk einzig und allein auf dem Schutz seines Königs beruhte. Was er genau von mir hielt, wusste ich deswegen leider nicht. Ich war eben da und das akzeptierte er inzwischen. An Gloin wollte ich keine Gedanken verschwenden. Nachdem was mir Kili vor einigen Minuten erzählt hatte, war mir der Zwerg mit dem dunkelroten Bart nur noch ein Dorn im Auge. Obwohl ich nicht wirklich davon ausging, dass er seinen Ratschlag an Thorin böse gemeint hatte. Aufgrund der doch reichlich rückständigen Lebensumstände in Mittelerde, schien die Behandlung von Frauen auf diese brachiale Art wohl Gang und Gebe zu sein. Wobei ich mir aber nicht vorstellen konnte, dass er dasselbe jemals mit seiner Frau veranstaltet hätte. Zwergenfrauen waren bestimmt anders. Die ließen sich gewiss nicht von ihren Männern derartig auf der Nase herum tanzen. Aber sie wussten sicherlich auch viel besser als ich, was man bei einem männlichen Zwerg tun und lassen sollte, wenn dieser mürrisch und aufgebracht war. Von daher hatte ich wohl doch einiges an Nachholbedarf, was meinen Umgang mit dem Zwergenkönig betraf. Das hieß jedoch, falls ich noch weiterhin mit ihm irgendeinen Umgang pflegen konnte oder wollte. Thorin hatte so viele Facetten, Gesichter und Eigenarten an sich, die ich mit meiner gewöhnlichen weiblichen Einstellung gar nicht alle erfassen konnte. Und einige der weniger schönen, hatte ich in den letzten Stunden bitterlich zu spüren bekommen. Sicher, jedes Lebewesen, das fühlen und denken konnte, hatte seine Schattenseiten. Nur bei manchen waren sie deutlicher ausgeprägt als bei anderen. Und nun musste ich ihm auch noch insgeheim recht geben, als er einst in einer gewittrigen Nacht zu mir sagte, dass ich nicht wüsste worauf ich mich bei ihm eingelassen hatte. Wieder schoss mir die Frage durch den Kopf, wie es denn mit ihm und mir weiter gehen sollte. Denn auf diese Weise, wie er mich behandelt hatte, konnte es nicht weiter gehen. Niemals. Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle gehabt. Und ich wusste nicht einmal wirklich warum. Nur wegen den ganzen Vorfällen in Valinor konnte es nicht sein. Was war, wenn er so weiter machen würde? War eine Kopfwunde erst der Anfang? Konnten mich seine Neffen denn überhaupt vor ihm beschützen, wenn er einen erneuten Ausraster diesen Ausmaßes bekam? Und was war mit Fili? Er hatte sich auch ein Menschenmädchen gesucht. Noch dazu eines, das weitaus zart besaiteter war als ich. Würde er sich vielleicht genau auf dieselbe Art verändern wie sein Onkel? Schließlich war er ihm in bestimmten Punkten ziemlich ähnlich. Die arme Jana, dachte ich verbittert und biss mir kurz auf die Unterlippe. Es wäre allein meine Schuld wenn ihr das Selbe wiederfahren würde. Und nur weil ich sie mit dem blonden Burschen indirekt verkuppelt hatte. Denn wie er bereits selbst zu mir sagte, ein Zwerg liebt nur die eine und einzige Frau und das bis zu seinem Lebensende. Aber Liebe unter derartigen Voraussetzungen? Konnte das wirklich gut gehen? Was würden Chu und Richi dazu sagen? Oh weh. An diese Beiden hatte ich gar nicht mehr gedacht. Meine beste Freundin würde ausrasten, sobald sie von dieser Geschichte erfuhr. Mit Sicherheit würde sie Thorin den Kopf abreißen. Voraus gesetzt, er wäre zu diesem Zeitpunkt noch da. Denn wenn ich ehrlich zu mir war, wollte ich ihn zunächst nicht mehr bei mir haben. Auch wenn mir der Gedanke einen schmerzhaften Stich tief im Herzen versetzte. So ging es einfach nicht. Ich wollte nicht wie all jene Frauen enden, die die Prügel ihres Mannes für selbstverständlich hielten und sich damit an einer verzweifelten Liebe festhielten, die nur von einer Seite aus ging. Nein. Das war ich nicht. So wollte ich auf keinen Fall werden. Deshalb würde ich wohl nicht umhin kommen noch ein aller letztes Mal mit Thorin das Gespräch zu suchen, wenn Nori mit meiner Behandlung fertig war. Ich musste ihm deutlich klar machen, dass er ganz allein für sein Verhalten die Verantwortung trug. Da gab es keinerlei Entschuldigung, die mich beschwichtigen konnte. Ich würde es ihm nicht eher verzeihen, bis er mir zu einem späteren Zeitpunkt den erforderlichen Beweis dar brachte, dass er seine Tat aufrichtig bereute. Gut, es war bestimmt sehr naiv von mir einen derartigen Plan ins Auge zu fassen. Aber ich hatte in meiner Situation keine andere Wahl. Es musste etwas passieren. Nur war ich mir unschlüssig, ob er sich die Sache auch zu Herzen nehmen und an sich selbst arbeiten würde. Die Zweifel an meinem Vorhaben nagten unaufhörlich an meinem Gewissen, während Nori sich an die vier anderen Zwerge wand und ihnen im Groben erklärte, was sie genau mit mir tun sollten. "Ihr müsst sie gleich gut festhalten. Ori, du kannst deinen Gürtel abnehmen und ihr diesen zwischen die Zähne klemmen, damit sie sich nicht selbst oder einen von euch beißen kann. Das wird nicht gerade schön", meinte er schlicht. Die Drei nickten daraufhin zustimmend. Fili und Ori verteilten sich um die Bank herum und ergriffen jeweils eines meiner Körperteile. Fili drückte meine Beine auf die Holzplanken, Kili ergriff meine Arme und Hände etwas fester, Bofur versuchte mich an der Schulter zu fixierten und Ori über nahm die Position an meinem Kopf. Letzterer nahm zuvor noch seinen Ledergürtel von der Hüfte, faltete diesen gut zusammen und schob ihn mir im Anschluss einfach zwischen die Zähne. Danach faste er mich am Kinn und am Hinterkopf, damit mir zum einen die Haare nicht im Weg waren und ich zum anderen nicht mehr herum zappeln konnte. Ich ließ es schweigend über mich ergehen. Je schneller das Ganze vorbei war, umso besser für mich. Allerdings breitete sich doch ein eiskaltes Unbehagen in meiner Brust aus, sodass es mir fast wieder den Magen auf Links drehte. Na großartig. Wenn sie mich für so etwas festhalten mussten, dann würde es wohl schlimmer werden, als ich zunächst angenommen hatte. Womit hatte ich das nur wieder verdient? Jedes Mal wenn ich auf die Zwerge traf, geschah irgendetwas Unerwartetes und ich musste darunter leiden. Aber gut, ich hatte ja schon immer das vermeintliche Glück für mich gepachtet, mich in derartige Situationen hinein zu manövrieren. Ob nun mit oder ohne Zwerge. Doch bekam ich unterbewusst immer mehr den Eindruck, dass sich meine Pechsträhne seit dem verstärkt hatte. Aber zumindest bemühten sich die kleinen, bärtigen Männer darum, dass es mir nicht absichtlich noch schlechter ging. Das dachte ich allerdings noch, bevor Nori den anderen Vieren die Anweisung gab mich ordentlich fest zu halten, ehe er sich an mich wand und mir eindringlich und entschlossen in die halb geöffneten Augen sah. "Ich muss jetzt das Tuch für einige Zeit auf die Wunde legen. Bist du bereit, Cuna?", fragte er und hob bereits den mit Wundgift getränkte Lappen gefährlich nah an meine Schläfe. Was für eine Frage? Natürlich war ich nicht bereit! Wer wäre das schon in Anbetracht der Aussicht auf noch mehr Schmerzen?! Am liebsten hätte ich heftig mit dem Kopf geschüttelt. Aber stattdessen presste ich aufgrund meiner fixierten Lage nur meine Zähne fest auf den Ledergürtel und gab ein relativ gedämpftes, aber quietschendes "Neeeeee" von mir. Doch da war es auch schon zu spät. Nori nickte nur den anderen kurz zu, deren Griffe sich deutlich verstärkten und schon legte sich der Stoff über meine rechte Gesichtshälfte. Für einen Wimpernschlag spürte ich jedoch zunächst nichts. Mit Ausnahme der Feuchtigkeit in dem Tuch. Dann begann die Stelle, die es berührte, leicht zu kribbeln. Und einen Moment später hatte ich das Gefühl, als hätte mir plötzlich jemand Säure auf die Haut geschüttet. Mein ganzer Körper verkrampfte sich, als das Brennen einsetzte. Ich atmete stoßweise und in meiner Kehle sammelte sich ein heftiger Aufschrei, der allein von Oris Ledergürtel zwischen meinen Zähnen gedämpft wurde. Mir kamen die Tränen und ich kämpfte unerbittlich gegen die Fixierung der Zwerge an, welche große Mühe hatte mich ruhig zu halten. Ich drückte Kilis Hand, welche versuchte die meinen fest zuhalten, sodass der dunkelhaarige Bursche ein ebenso schmerzhaftes Zischen von sich gab, da ich ihm diese wohl fast brach. Doch obwohl sie sich enorm anstrengten redeten sie trotzdem beschwichtigend auf mich ein. "Ganz ruhig, Cuna. Es ist gleich vorbei. Halt durch", ermahnte mich Fili, der sich nun mit seinem vollen Gewicht auf meine sich windenden Beine presste. "Du musst ruhiger atmen. Denk an was Schönes", meinte Bofur mit angestrengter Stimme. "WIE DENN PFERDAMMT!", schrie ich ihm durch den Gürtel im Mund entgegen. Der Zwerg mit der Mütze hatte wirklich leicht reden. An etwas Schönes denken! Sonst ging es ihm aber gut?! Ihm musste die Morgensonne wohl schon einen gewaltigen Stich unter seinem, Hut versetzt haben! Was wäre denn in diesem Moment für mich schön?! Brennende Kaninchen, oder was?! Gut mit Sicherheit war alles Mögliche schöner als DAS! Nur fiel mir verständlicher Weise das Denken an so etwas ziemlich schwer. Inzwischen tat mir nämlich nicht nur meine Wunde, sondern auch der Rest meines Körpers durch die Anspannung unheimlich weh. Wobei ich dies nur am Rande war nahm. Ich flehte und bettelte innerlich, dass es bald vorbei sein möge. Vermutlich war auch nur Kinderkriegen schlimmer. Doch zumindest stellte sich nach den ersten qualvollen Sekunden ein leichtes Taubheitsgefühl ein, dass sich nach und nach immer weiter ausbreitete. Bis nach einer geschlagenen Ewigkeit, welche wohl nur Sekunden angedauert hatte, das Brennen verklang und ich aufhörte mich weiterhin zu verkrampfen. Als Nori das Bemerkte, nahm er sofort das Tuch von meinem Gesicht und zog mir den Gürtel flux aus dem Mund. "Wie fühlst du dich?", fragte Ori, der sich seinen zerkauten Gürtel umlegte, nachdem ich noch eine Weile erschöpft vor mich hin keuchte. Ich schielte ihn nur benommen und leicht beleidigt an, als er meinen Kopf los ließ und mich von oben herab besorgt musterte. "Ihr Zwerge bringt mich noch mal ins Grab", krächzte ich mit einem leisen Seufzten. "Und du zerquetscht mir immer noch die Finger, Cuna", erwiderte Kili mit zusammen gepressten Zähnen. "Oh. Entschuldige", nuschelte ich an ihn gewandt und ließ hastig los. "Danke. Bei Durins Bart. Die Frau hat vielleicht eine Kraft. Damit könnte sie Trolle erwürgen", gab er grummelnd, aber erleichtert aufatmend von sich. Aus seinen Kommentar hin, muss ich doch wieder ein wenig belustigt schnauben. Als ich zu ihm hin schielte sah ich, wie er seine Hand einmal kurz ausschüttelte. Ja, zupacken konnte ich wenn es sein musste. Und in so einem Moment war es nun mal unvermeidbar. Aber das wusste er wohl selbst auch, denn er schenke mir kurz drauf doch wieder ein zaghaftes Lächeln, als er meinen Blick bemerkte. Sein Bruder hatte sich unterdessen auch wieder von meinen Beinen gelöst und wischte sich mit einem erleichterten Seufzen und dem Ärmel seines Leinenhemds den Schweiß von der Stirn. Der Einzige der mich allerdings noch halbwegs fest hielt war Bofur. Wohl aber nur, damit ich nicht irgendwie von der Bank runter fiel, als Nori sich daran machte mein Gesicht vorsichtig abzutasten. "Ich denke das war ausreichend. Spürst du das hier?", fragte er und tippte mir einmal gegen die Schläfe. Doch das Einzige was ich noch halbwegs spüren konnte, war ein leichtes ziehen in der Haut. Sonst war da nichts weiter. "Nein. Ich merke gar nichts mehr", meinte ich dann aufrichtig und der Zwerg mit der hellbrauen Stachelmähne nickte. "Gut. Dann halt jetzt aber noch mal deinen Kopf schön still, damit ich nähen kann", sagte er und werkelte erneut an seinem Gürtel herum. Kurz drauf zog er ein weiteres Fläschchen mit klarer Flüssigkeit und eine Art Nadelkissen hervor. In dem Fläschchen schwamm gut sichtbar ein ziemlich langer Faden herum. Von dem Kissen löste er zwei recht krumme Nadeln ab, die er sich vorläufig behutsam zwischen die Lippen stecke. Danach machte er sich leicht umständlich daran, den Faden aus der Flüssigkeit zu holen, ehe er diesen in die Nadeln einfädeln konnte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er mit seinem Herumgepfriemel fertig war und damit an meinem Gesicht zu schaffen machte. Die anderen Zwerge sahen ihm neugierig dabei zu, wie er hochkonzentriert seine Näharbeiten begann. Ich spürte unterdessen zu meiner eigenen Erleichterung gar nichts davon. Das Wundgift hatte seine Wirkung also nicht verfehlt. Auch wenn mir während der Prozedur eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt lieber gewesen wäre. Als er nach einigen Minuten fertig war, verknotete er das Ende und biss den übrigen Faden mit den Zähnen durch. "So, das wars schon. Bleib noch ein bisschen liegen und erhol dich", meinte er schlicht und packte endgültig die Sachen weg. "Danke Nori. Das hätte ich dir gar nicht zugetraut. Wo hast du gelernt Wunden so gut zu behandeln?", fragte ich und lächelte ihn matt aber freundlich an. Er schnaubte einmal kurz und warf mir ein verschmitztes Lächeln zu. "Von meinem alten Lehrmeister", sagte er und pflanzte sich vor mir auf die Pflastersteine. "Oin?", hakte ich nach, doch daraufhin lachte er kurz und schüttelte den Kopf. "Oh nein. Nicht von ihm. Obwohl er ein sehr guter Heiler ist. Wohl einer der Besten, der je aus unserem Volk hervor gegangen ist. Aber nein. Er war nicht mein Lehrmeister", sagte er und zog seine Pfeife samt Tabaksbeutel vom Gürtel. Diese kratzte er kurz aus, füllte sie mit Kraut und entzündete dann alles. Binnen weniger Augenblicke blies er weiße Rauchringe in den klaren Morgenhimmel und gab ein entspanntes Aufstöhnen von sich. Ich war unterdessen doch reichlich neugierig darauf, bei wem er denn diese Fingerfertigkeiten einst gelernt hatte, weshalb ich ihn noch einmal direkter fragte: "Dein Meister muss sehr gut gewesen sein. Magst du mir vielleicht davon erzählen?" Daraufhin brummte er jedoch ein wenig und legte unschlüssig den Kopf von der einen auf die andere Seite. "Hm. Ich weiß nicht, ob ich das tun sollte. Es liegt weit in meiner Vergangenheit zurück, als ich noch einer sehr unehrenhaften Tätigkeit nachgegangen bin", meinte er schlicht und zog erneut an seiner Pfeife. "Ach, komm schon, Nori. Erzähl es ihr ruhig. Ich bin sicher Cuna wird dich deswegen nicht verurteilen", warf sein Bruder ein und hockte sich neben ihn. "Du musst natürlich nicht, wenn es dir unangenehm ist", meinte ich und sah ihn beschwichtigend an. Erneut zog der Zwerg an seiner Pfeife und schloss einen Moment die Augen um kurz darüber nachzudenken. Als er sie dann wieder öffnete und einen weiteren Schwung Rauchringe in die Luft blies, seufzte er kurz drauf und nickte ruhig. "Na gut. Ich werde es dir erklären, Cuna. Aber ich warne dich. Es ist keine besonders schöne Geschichte", sagte er und rutschte etwas näher an mich heran. Ich zuckte nur kurz mit der rechten Schulter. "Viel schlimmer als deine Wundenversorgung kann es für mich heute nicht mehr werden", meinte ich schlicht. Daraufhin lachte er kurz, ehe er in ruhigem, gediegenen Ton begann seine Geschichte zu erzählen. "Also. Damals, war das so. Ich wuchs zusammen mit meinen beiden Brüdern in den Ered Luin auf. Doch sehnte ich mich bereits als Zwergling danach, ein freies ungebundenes Leben fernab meiner Familie zu führen. Ich wollte nicht an ein und demselben Platz verweilen, um irgendwann eine Familie zu gründen. Nein. Ich wollte frei sein und tun und lassen was ich wollte. Genauso wie die Gaukler und Barden, die von Zeit zu Zeit durch die blauen Berge zogen. Unser Vater hatte allerdings etwas anderes für mich erdacht. Ich sollte wie er und mein Bruder Dori das Kesselflicker Handwerk erlernen. Allerding war ich viel zu ungeschickt dafür. Vermutlich weil ich einfach zu gern von viel mehr träumte. Ich wollte es zu mehr bringen. Aber Vater sagte immer, 'Lass die dummen Träumereien und konzentriere dich auf den Weg, der dir vorbestimmt ist'. Nur um ehrlich zu sein, sah ich das alles ganz anders. Als ich alt genug war, um auf Reisen zu gehen, zog wieder eine Gruppe von Barden durch unsere Lande. Ich sagte zu mir, packe die Gelegenheit beim Barte. Und das tat ich auch. Bei Nacht und Nebel nahm ich das wenige an Habe mit, was ich tragen konnte und verließ mein Elternhaus, um mich den fahrenden Leuten anzuschließen", sagte er und machte eine kurze Pause, um an seiner Pfeife zu ziehen. "Ich weiß noch wie Mutter am nächsten Morgen geweint und Vater geschimpft hat, als sie deine Nachricht fanden. Damals habe ich nicht verstehen können, warum du einfach fortgelaufen warst", meinte Ori und seufzte betreten. "Du warst auch noch ein Zwergling, Bruder. Der Einzige, der mein Handeln verstehen konnte war Dori. Er hat mich in jener Nacht noch verabschiedet und mir viel Glück auf meiner Reise gewünscht. Wie dem auch sei. Jedenfalls zog ich nun mit den Barden durch die Ländereien Mittelerdes. Unser Ältester und Anführer, Garal war sein Name, nahm mich wie einen Sohn bei sich auf. Er unterwies mich in sämtlichen Künsten, die einen guten Barden ausmachten. Nicht nur die Heilenden und Musikalischen, sondern auch die Anderen", erklärte er und senkte dabei verschwörerisch die Stimme. "Was meinst du denn mit, 'Die Anderen'?", fragte ich und rutschte ein wenig ungeduldig mit dem Kopf auf Bofurs Schoß herum. "Taschendiebstahl, Cuna", kam es recht schlicht und fast belanglos von Fili, der nun auch neben seinem eigenen Bruder saß und der Erzählung lauschte. Ich hob leicht argwöhnisch die Augenbrauen, als ich das hörte und warf sowohl ihm als auch Nori einen leicht verdrießlichen Blick zu. "Du hast also gelernt wie man klaut?", hakte ich nach, woraufhin der Zwerg mit der Stachelmähne ein knappes Nicken von sich gab. "Natürlich. Oder denkst du, die üblen Gerüchte über das fahrende Volk seien nur Ammenmärchen?", entgegnete er schulterzuckend, als sollte dies für mich eigentlich selbstverständlich sein. "Naja. Überall gibts schwarze Schafe", meinte ich schlicht. "Ja. Und unter diesen Völkchen mehr als man glaubt. Doch stahlen wir nur von jenen, die sich weigerten für unsere Dienste zu bezahlen. Meist waren das die wohlhabenden, hohen Herrschaften. Bürgermeister, Stadthalter, Adelsleute. Wir nahmen nie etwas von den armen Bauern. Diese waren Dankbar, wenn wir ihnen an Markttagen für einen Laib Brot und vielleicht mal eine Flasche Wein, bei ihren Leiden behilflich waren. Das war oft mehr als sie selbst besaßen. Daher wäre es falsch gewesen sich an ihnen bereichern zu wollen. Wie auch, wo sie nichts von großem Wert besaßen. Nein. Bei den hohen Herrschaften war weit mehr zu holen. Oft stiegen wir des Nachts in deren Häuser ein und nahmen uns das, was uns auch zustand. Wobei ich mir allerdings irgendwann angewöhnte, für mich selbst einige dieser Habseligkeiten einzuheimsen, um mir ein wenig Wohlstand zu gönnen. Garal fand dies zwar nicht so gut und er prophezeite mir, dass ich mir mit meinem Eigennutz und meiner Gier nach Profit noch einmal viel Ärger einhandeln würde. Aber ich war nun einmal jung und genoss einfach die Freiheit tun und lassen zu dürfen, was ich für richtig hielt. Solange es mein Meister tolerierte. Es waren viele schöne Jahre. Doch auch diese gingen irgendwann einmal vorbei", erzählte er und seufzte mit einem mal sehr bitter. "Wann genau war das? Also ich meine, wann war diese Zeit zu Ende?", fragte ich, doch ich ahnte schon unterbewusst, welche Antwort sich bereits hinter seinem Tonfall am Ende verbarg. "Das war, als Garal, mein Lehrmeister starb. Etwa zwanzig Jahre, nachdem ich von Zuhause aufgebrochen war. Auf seinem Totenbett nahm ich ihm das Versprechen ab, dass ich mein Leben noch ändern könne, um es in rechte Bahnen zu lenken. Er vermachte mir auch seine Violine, die ich heute noch besitze. Er dachte wohl ich könne mir damit auch etwas Lohn und Brot sicher. Aber wie ich schon sagte. Ich war jung und dazu noch sehr naiv. Natürlich gab ich ihm das Versprechen, bevor er dahin schied. Doch ich brach es noch am darauffolgenden Abend nach seiner Beisetzung. Ich verließ die Barden und machte allein mein Glück. Ein Dieb unter dem Deckmantel eines gewöhnlichen Spielmannes. Ich bemühte mich sehr darum an den Höfen der wohlhabenden Leute meine Melodien und Lieder zum Besten zu geben. Und das nur, um an ihre Reichtümer zu kommen. Und was ich nicht von denen bekam, verdiente ich mir, indem ich in den Schenken beim Kartenspielen betrog. Irgendwann hatte ich so viel gehortet, dass ich regelrecht in Saus und Braus leben konnte. Ich residierte in den nobelsten Gasthöfen, aß die feinsten Speisen und keine noch so unnahbare Zwergin war vor meinem Minnegesang sicher. Doch aufgrund meines zwergischen Blutes, war ich natürlich auch unersättlich geworden. Was mir irgendwann die falschen Freunde bescherte, wie du dir sicher denken kannst. Ich erinnere mich noch genau an den einen Abend, als ich in Bree im Gasthaus 'Zum tänzelnden Pony' nach einer ordentlichen Menge Starkbier mit meinem letzten Diebeszug prahlte. Ich hatte nämlich unterwegs einen reichen Mann um ein ordentliches Sümmchen erleichter. Was ich allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen konnte war, dass es sich dabei um den Vetter des örtlichen Bürgermeisters handelte", erklärte er und verfiel in andächtiges Schweigen. Ich gab ein kurzes verstehendes Brummen von mir. "Lass mich raten. Deine falschen Freunde sind daraufhin zur Stadtwache gelaufen und haben dich verpetzt", sagte ich und er nickte bedächtig. "Genau das. Sie haben mich an diesem Abend gut abgefüllt, sodass ich mich beinah nicht mehr an meinen eigenen Namen erinnern konnte. Bei dieser Gelegenheit musste ich ihnen wohl auch von meinem gehorteten Vermögen erzählt haben und wo ich es versteckt hatte. Jedenfalls kamen die Wachen mitten in der Nacht in meiner Zimmer gestürmt, rissen mich aus dem Bett und schleiften mich schlagend und tretend zum Kerker. Dort legten sie mich in Ketten und folterten mich bei Zeiten, damit ich ihnen alles verriet, was sie wissen wollten. Ich habe ihnen natürlich nichts gesagt. Hab alle Vorwürfe abgestritten. Selbst als sie eine besonders wertvolle Kette in meinem Besitz fanden. Ich habe ihnen versucht zu sagen, dass ich diese beim Kartenspiel gewonnen hatte. Aber, wie du dir denken kannst, haben sie mir nicht ein Wort geglaubt. Irgendwann kam dann der Hauptmann zu mir und meinte, dass ich für meine Taten innerhalb der nächsten Tage am Galgen baumeln würde", meinte er und seufzte. "Aber du musstest ja nicht. Du bist dem ja entkommen. Wie hast du das gemacht?", fragte ich. "Was das angeht. Damit hatte ich nichts zu tun. Nein. Das war Thorin", erwiderte er und zog genüsslich an seiner Pfeife. "Thorin hat dich da wieder raus geboxt? Wie und warum denn das?", hakte ich nach und begann mich nun langsam aufzurichten. Die Geschichte war so spannend, dass ich völlig meinen Schwindel und die Übelkeit vergas. Dabei hielt mich nicht mal Bofur auf, der versuchte mich auf seinen Schoß zurück zu komplementieren mit den Worten: "Nicht so hastig, Cuna. Du überanstrengst dich noch." Das ignorierte ich jedoch konsequent, nahm meine Beine von der Bank und setzte mich halbwegs aufrecht hin. Ich war sehr interessiert daran, wie es der Zwergenkönig wohl fertig gebracht hatte, Nori vor dem Tod am Galgen zu bewahren. Der Zwerg mit den hellbrauen Haaren atmete einmal ganz tief durch, blies noch ein paar Rauchschwaden in die Luft und fuhr kurz drauf fort. "Nun ja. Er kam eines Tages geschäftlich nach Bree. Dabei erfuhr er, dass ich dort wegen einem schweren Diebstahl im Kerker saß und auf mein Ende wartete. Er muss daraufhin zum Bürgermeister geeilt sein, um meine Freilassung zu erbitten. Er hat sein Wort darauf gegeben, dass ich nichts mit dem Überfall auf seinen Vetter zu tun hatte. Ich meine auch, dass dabei wohl ein ordentliches Sümmchen in die Stadtkasse gewandert sein muss. Sonst wäre ich da sicherlich niemals heraus gekommen", meinte er schlicht und machte einen wegwerfende Handbewegung, als wollte er eine Fliege verscheuchen. "Das war aber recht selbstlos von Thorin, dass er dein Leben gerettet hat", sagte Kili und sein Bruder nickte zustimmend. Allerdings sah Nori diese Bemerkung ein wenig anders, weshalb er nicht nur ein verächtliches, sondern auch belustigtes Schnauben von sich gab. "Thorin und Selbstlos? Wo denkt ihr Jungspunde denn hin. Selbstverständlich nicht. Ich sagte doch gerade, dass er geschäftlich nach Bree gereist war. Er suchte nach einem Meisterdieb für seine Unternehmung zum Erebor. Und da kam ich ihm gerade recht. Ich sollte ihm als Mittel zum Zweck dienen, den Arkenstein von Smaug zu stibitzen. Dafür versprach er mir wie jedem anderen auch eine beträchtliche Summe des Drachengoldes. Nein. Wenn es darum gegangen wäre, dann hätte er mich in meinem Loch verrecken lassen. Dagegen waren die wenigen Münzen, die er an den Bürgermeister für meine Freilassung abgetreten hatte doch nichts", sagte er ohne eine Spur von Belustigung auf seinem feixenden Gesicht zu verbergen. Nun musste ich allerdings schwer schlucken. Das hätte ich mir aber auch denken können. Natürlich. Der Drachenschatz. Etwas anderes hatte der Zwergenkönig zu dieser Zeit ja nicht im Kopf. Nun verstand ich auch, warum er vorhin so wegen meiner Aussage wie ein Irrer gelacht hatte. Nori hatte recht. Thorin Eichenschild und Selbstlos. Das war mit der Aussicht auf ein solches Vermögen wirklich nicht vereinbar. Das war als würde man Pommes mit Schokolade vergleichen. Obwohl beides einen natürlichen Ursprung hatte, waren es doch völlig verschiedene Sachen. Die Erkenntnis darüber traf mich so hart, das ich mein halbbetäubtes Gesicht in die Hände legte und betreten den Kopf schüttelte. Ich konnte es nicht einmal verhindern, dass mir davon umgehend die Tränen in die Augen stiegen, sodass ich kurz drauf ein Schluchzen von mir gab. Das rüttelte wiederum die kleinen, bärtigen Männer um mich herum auf, weshalb ich plötzlich Bofurs Hand auf meinem Rücken spürte, die darüber strich. "Oh, Cuna. Was hast du denn auf einmal?", fragte der Zwerg mit der Mütze besorgt. "Ich. Ich. Ach, scheiße, verdammt noch mal", fluchte ich und schüttelte den Kopf. "Na großartig, Nori. Du hast sie zum Weinen gebracht", fauchte dessen Bruder und legte mir dabei eine Hand auf das linke Knie. Der Angesprochene schluckte kurz und legte seine eigene Hand auf das andere. "Oh Mahal. Das stand nicht in meiner Absicht. Ich. Ich wollte wirklich nicht dass du weinst", sagte er mit betretener Stimme. "Ach. Ach weißt du, Nori. Das. Das ist nicht so schlimm. Zu-zumindest. Kenne ich jetzt die Wahrheit über ihn. Er. Er hat sich ja auch um keinen Deut geändert. Mit mir hat er das Selbe gemacht. Er. Er wollte mich dafür nutzen, um in meiner Welt Verwandte zu finden. Aber das hat er nicht geschafft. Also. Also ist es gut, dass ich das von dir erfahren habe. Gott, verdammt, was war ich für eine dumme, blinde Kuh!", krächzte ich mit tränenerstickender Stimme, wobei es mich am ganzen Leib schüttelte. Nun gesellten sich allerdings auch Kili und Fili wieder etwas näher zu mir, wobei der Ältere sich erneut neben mich setzte und mich einfach trösten in seine Arme zog. "Scht. Cuna. Beruhige dich. Das ist doch nicht wahr", murmelte er mir versöhnlich zu, doch ich schüttelte nur erneut den Kopf. "Natürlich ist es wahr. Du hast es doch gehört. Dein werter Onkel hatte immer nur seine eigenen Vorteile im Sinn. Und dafür geht er über Leichen. Alle sind ihm scheiß egal, solange er, der große übermächtige Zwergenkönig, nur das bekommt, was er will!", fuhr ich ihn aufgebracht an. "Hör auf so etwas zu sagen. So darfst du nicht von ihm denken. Er hat sich geändert. Er ist nicht mehr der, der er vor seinem Tode war. Ich weiß, es sieht ihm Augenblick ganz danach aus. Aber du irrst dich", kam es nun von Kili, der versuchte mich an den Schultern zu rütteln. "Dann erklär es mir Kili. Erklär mir, warum er mich so entstellt hat. Warum er mir DAS HIER angetan hat, wenn es ihm nicht darum ging etwas für sich zu beanspruchen!", brüllte ich verzweifelt und deutete auf meine frisch genähte Gesichtshälfte. Nun stand der junge Zwerg nur noch schweigend vor mir. Er öffnete zwar einige Male den Mund um etwas zu sagen, doch schien er nicht zu wissen, was er erwidern sollte. Wieder schüttelte ich nur den Kopf und gab mich einfach meinem kleinen Heulanfall hin. Ich war fassungslos. Nicht nur das, was Thorin anbelangte, sondern auch über mich selbst. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Es war mir doch von Vorne herein klar gewesen, dass eine solche Beziehung nicht gut gehen konnte. Trotzdem hatte ich mich einfach so darauf eingelassen. Gegen jedwede Vernunft und auch Warnung, die Thorin selbst mir gegenüber geäußert hatte. Ja, ich hatte es gewollt. Und nun bezahlte ich einen schweren Preis dafür. Doch während ich gerade einmal wieder in meinem Selbstmitleid versank, hob Nori die Stimme und brachte mich dazu ihn für einen Moment Gehör zu schenken. "Kili hat recht. Thorin hat sich verändert. Er ist nicht mehr der selbstsüchtige Zwerg von einst. Ich kann es dir beweisen", sagte er mit eindringlicher, ernster Stimme und stand dabei demonstrativ auf. Ich schluckte einen Moment meinen Tränenfluss runter und musterte ihn verwirrt. "Wie? Wie willst du mir das beweisen? Du hast doch selbst gesagt, dass...", setzte ich an doch schon unterbrach er mich mitten im Satz. "Ich kann es, vertrau mir. Steh auf und komm mit mir und den Anderen zurück in deine Gemächer. Dann siehst du, was ich meine", entgegnete er und hielt mir fordernd seine Hand vor die Nase. Ich schluckte erneut und betrachtete diese verunsichert. Doch als ich den Blick etwas weiter hob und in sein ernstes Gesicht sah, da wusste ich irgendwo im hinteren Teil meines Herzens, dass er mich gewiss nicht hinter Licht führen würde, wie er es früher mit anderen getan hatte. Denn nur wahre Freunde, würden mir in einer solchen Not helfen. -88. Die wahre Freunde in der Not / ENDE- Kapitel 89: 89. Zwischenstopp bei den neuen Nachbarn ---------------------------------------------------- Auf unsicheren, leicht wackligen Beinen verließ ich mit betrübten Gedanken den Plattenbauspielplatz. Die kleine Gruppe von Zwergen umgab mich dabei, wie eine schützende Traube. Nori ging uns voraus, gefolgt von seinem jüngeren Bruder. Kili und Fili hatten sich jeweils einen meiner Arme über die breiten Schultern gelegt, um mich auf dem Rückweg zu stützen. Bofur lief als Schlusslicht. Wir mussten ein sehr makaberes Bild abliefern, so langsam wie wir die wenigen hundert Meter bis zum Eingang meines Hauses entlang gingen. Insgeheim kam ich mir ein bisschen vor wie ein Filmstar, dessen Bodyguards wachsam die Umgebung und auch mich im Auge behielten. Sicher, es war nicht besonders weit. Und doch mussten wir von Zeit zu Zeit kurz anhalten, weil mir mein körperlicher Zustand ordentlich zusetzte. Sie hatten mir zwar immer wieder angeboten mich tragen zu wollen. Doch das lehnte ich entschieden ab. Ich wollte nicht mehr Aufsehen erregen, als ohnehin schon. Immerhin waren nun bereits einige der Bewohner unterwegs, die unsere kleine Karawane argwöhnisch und mit schüttelnden Köpfen begutachtete. Darunter einige junge Mütter, die sich mit ihren Kinderwagen um diese frühe Tageszeit zu einem kleinen Spaziergang auf machten, da die Väter entweder arbeiten waren oder sich Zuhause auf dem Sofa lümmelten, und die alltäglichen Hartz vier Sendungen auf diversen Privatsendern im Fernsehen begafften. Hin und wieder sahen wir auch ein paar Leutchen, die mit schweren Plastiktüten voller Leergut an den Mülleimern herum trieben und dort nach weiteren Flaschen für ihr Sammelsurium suchten, um die Haushaltskasse aufzubessern. "Warum wühlen diese Menschen da im Unrat herum?", fragte Ori, als wir an einer dieser dubiosen Gestalten vorbei kamen. "Die Sammeln leere Pfandflaschen", erklärte ich ihm ruhig, woraufhin sich mir der Reihe nach alle bärtigen Gesichter zu wandten. "Was sind Pfandflaschen?", fragte Kili zu meiner rechten. "Ganz einfach. Das sind Flaschen, die man an die Händler zurück geben kann, um dafür Geld zu bekommen. Das ist so wie auf der Zeltstadt. Wenn ihr euch da etwas zu trinken geholt habt, dann habt ihr solche Marken bekommen. Musstet dafür aber vorher mehr für die Getränke bezahlen, als sie eigentlich wert waren. Wenn ihr die Marken dann samt der leeren Flasche zurück gegeben habt, dann haben sie euch das Geld, was ihr zu viel bezahlt habt, zurück gegeben", erwiderte ich, wobei sie alle samt ein kurzes verstehendes "Ah" von sich gaben. "Was hat das Ganze eigentlich für einen Sinn, Cuna?", hakte Fili nach und richtete meinen linken Arm um seine Schulter ein bisschen. "Weniger Müll. Oder wie Ori eben sagte, Unrat auf den Straßen", sagte ich und ging mit ihnen weiter. "Jetzt wo du es sagst. Mir ist bereits aufgefallen, dass diese Stadt hier weit sauberer ist als unsere in Mittelerde. Niemand entleert einfach so die Nachttöpfe aus den Fenstern, wenn man darunter hindurch läuft. Und es stinkt dadurch auch bei weitem nicht so schlimm. Ihr Menschen habt es hier wirklich gut", meinte Nori mit einem anerkennenden Nicken nach hinten. "Das hat aber auch viele Jahre gedauert. Bis vor knapp hundert Jahren, war das auf den kleinen Dörfern immer noch nicht anders. Wir haben uns sehr schnell weiterentwickelt und achten manchmal sogar peinlichst genau darauf, dass nicht so viel herum liegt. Teilweise muss man sogar Geldstrafen dafür bezahlen, wenn man Müll nicht dahin wirft, wo er hin gehört. Wobei hier die Gegend das nicht so genau nimmt und immer noch zu verdreckt ist für meinen Geschmack", erklärte ich und wich dabei gerade so einem schon leicht angetrockneten Hundehaufen mitten auf dem Weg aus. "Warum ist das denn inzwischen so?", fragte Ori neugierig interessiert. "Das haben wir wegen den ganzen Krankheiten gemacht, die sich durch so etwas verbreitet haben. Je mehr von dem Zeug herum liegt, umso schneller kommt das Ungeziefer. Und das sorgt dafür, dass viele Menschen schwer krank werden und vielleicht sogar daran sterben. Deshalb ist Sauberkeit und Ordnung inzwischen eine der wichtigsten Eigenschaften unserer heutigen Gesellschaft geworden. Wobei das aber nur hier und in einigen anderen westlich gelegeneren Ländern so ist. In anderen sieht es immer noch verheerend aus. Besonders in den armen Regionen, die zusätzlich noch von Hunger und Krieg geplagt werden", meinte ich. "Ja. Das war bei uns auch nicht anders. Dort wo Armut herrschte gab es sehr schnell Aufstände. Wenn das Volk hungern musste, dann griffen die Bauern zu Fackeln und Mistgabeln. Hat ihnen aber oft nichts gebracht. Meist unterlagen sie den Wachen der Lehnsherren", sagte Fili und seufzte betreten. "Dann ist Mittelerde doch nicht viel anders als meine Welt", brummte ich schlussfolgernd und gab ebenfalls ein Seufzen von mir. "Nein. So wie es sich anhört nicht", kam es von Kili, woraufhin wir schließlich alle wieder in Schweigen verfielen. Das war auch gut so. Denn die Leute, die uns nun zu Hauf entgegen kamen, starrten uns mehr und mehr an. So schritten wir beispielsweise an einer kleinen gruppe Frauen vorbei, die sich mit ihren Kinderwagen oder gleich dem ganzen Rudel ihrer schreienden Brut am Wegrand aufhielten, um die täglichen Neuigkeiten im sogenannten Hausfunk weiter zu geben. Eben wie es an einem gewöhnlichen Kleinstadtmorgen so war. Ich versuchte die Damen so gut ich konnte zu ignorieren, welche hinter vorgehaltener Hand tuschelten und die in meinen Augenwinkeln gelegentlich mit den Fingern auf uns zeigten. Tratsch und Klatsch am laufenden Band. Das war man ja in meiner Welt auch nicht anders gewohnt. Bestimmt hatten ein paar der schnatternden Weiber schon mitbekommen, dass eine junge Dame mit einer ganzen Schaar kleiner, bärtiger Männer am vorangegangenen Tag in die Siedlung eingefahren war. Wie hätte man den Wagen mit dem ungewöhnliche Ponygespann auch übersehen können? Schließlich hatte er wohl mehrere Stunden die Zufahrt blockiert. Zum Glück hatten die Zwerge den wieder weg gebracht, nachdem meine Sachen in meiner Wohnung gelandet waren. Doch das allein war nicht das Topthema des Tages worüber nun gesprochen wurde. Nein. Um genauer zu sein war ich es selbst. Denn der Wind wehte gelegentlich einige der Gesprächsfetzten an mein Ohr, als wir an der Traube von Frauen vorüber gingen. "...Ja, die Neue", tuschelte eine. "Die aus dem Achten?", kam es von einer Anderen. "... ein ganzes Rudel Männer. Jung wie alt. Unglaublich", meinte eine Dritte. "Haben die halbe Nacht krach gemacht, wie die Verrückten", erzählte eine vierte. "Also wirklich. Diese Gegend war ja noch nie anständig. Aber jetzt auch noch ein Bordell im Haus. Hier leben immerhin Kinder", empörte sich die Erste, während sie ihre schreiende Chantal in den Armen wog. Als das Wort Bordell fiel, ging die Diskussion noch viel weiter. Aber um die nachfolgenden Worte zu hören, waren wir bereits zu weit weg. Na wunderbar, dachte ich seufzend. Was für ein toller Einstand in mein neues Leben. Als wenn es nicht genug wäre, dass es mir schon so beschissen ging. Nun würde auch noch der Hausfunk dafür sorgen, dass mein bisher nicht bekannter Ruf ruiniert war. Wenigstens schienen die Zwerge nicht mitbekommen zu haben, dass es bei diesem Gewäsch um mich gegangen war. Das hätte uns womöglich nur unnötig aufgehalten. Schließlich hatte ich an diesem Morgen genug um die Ohren. Da wollte ich mich nicht unnötig mit so etwas herum schlagen. Denn es stand immer noch ein sehr, sehr ernstes Gespräch mit dem Zwergenkönig aus. Und das würde mir auch einiges abverlangen. Von daher sparte ich mir den Atem lieber für die bevorstehende Konfrontation auf. Allerdings dauerte das ein bisschen, da wir an der Pforte erneut anhielten, damit ich verschnaufen konnte. "Nori. Bist du dir wirklich ganz sicher mit dem was du vorhin gesagt hast?", fragte ich den Zwerg mit der Stachelfrisur nach dem kurzweiligen Schweigen nun zum gefühlt sechsten Mal, seit wir aufgebrochen waren. Dementsprechend genervt rollte dieser mit den Augen, als er sich zu mir umwandte und antwortete: "Wie oft soll ich es dir denn noch sagen? Ja. Ich bin davon überzeugt. Ich habe es vorhin miterlebt. Das war nicht mehr der Thorin, wie ich ihn kennen gelernt habe." "Warum sagst du uns nicht endlich, was oben vorgefallen ist? Und vor allem, warum Oin nicht gekommen ist um Cuna zu versorgen?", fragte Bofur und trat hinter meinem Rücken hervor, um die gläserne Tür zu öffnen. "Weil es zu schwierig ist das zu erklären. Es ist besser wenn ihr es seht", erwiderte er kurz angebunden. "Dann sollten wir keine Zeit verlieren", meinte Fili und wies mich mit einem kurzen, bestimmten Ruck an weiter zu gehen. "Jetzt lasst sie doch erst mal ausruhen", protestierte Ori, nachdem ich durch Filis Zerren fast über den kleinen Absatz am Eingang gestolpert wäre. "Nein, Ori. Fili hat recht. Wir sollten uns beeilen. Je schneller ich das hinter mir habe, umso besser", meinte ich und ließ seufzend den Kopf hängen. "Du sagst uns aber trotzdem, wenn es nicht mehr geht, oder?", hakte Kili vorsorglich nach, als wir in die kleine Halle schritten. "Nur die Ruhe. Ich denke, wir könnten heute den Aufzug nehmen. Auch wenn ich das Ding nicht mag. Aber damit wären wir schneller oben", erklärte ich rein aus dem schwindenden Drang heraus Stufen zu benutzen. Runter war ja eine Sache, da hätte ich auch die Stufen rutschend nehmen können. Aber so wie ich mich fühlte, empfand ich es doch klüger, mit diesen relativ engen Todesfallen vorlieb zu nehmen. Doch gerade als mich die beiden Brüder in diese Richtung führen wollten, meldete sich plötzlich Bofur an der Tür zum Treppenhaus zu Wort. "Die sind kaputt. Wir müssen leider laufen", sagte er mit entschuldigender Miene. Leicht irritiert wand ich meinen Kopf zu ihm, welchen ich daraufhin mit gehobenen Augenbrauen schief legte. "Die sind kaputt? Woher weißt du das?", fragte ich, worauf er sich zu einem leicht verschmitzten Lächeln hinreißen ließ, welches ich zunächst gar nicht einordnen konnte. Zumindest, bis er mir die dazu passende Erklärung ablieferte. "Als wir gestern die Kisten hoch getragen haben, stand eine junge Mutter mit ihrem Kinderwagen davor. Sie hat einige Male versucht da rein zu kommen, bis sie es aufgegeben hat und die Treppe nehmen wollte", sagte er, während er Kili, Fili und mir die Tür aufhielt, damit wir weiter konnten. "Du meinst das Weib mit den dunkelbraunen, schulterlangen Haaren, was uns die ganze Zeit über im Weg stand, oder?", hakte Nori nach. Bofur gab ein zustimmendes brummen von sich und lächelte noch ein bisschen breiter. "Ganz recht. Die meine ich", entgegnete er schlicht, wobei sich ein ungewöhnlich fröhlicher Singsang in seine Stimme mischte, der wohl nicht nur mir verborgen blieb. Doch darum konnte ich mir später Gedanken machen. Nun musste ich mich erst einmal die ganzen Stufen nach oben quälen. Auch wenn mich die Jungs so gut es ging beim Laufen unterstützt. Schließlich mussten wir dann doch noch einmal auf der Hälfte der Strecke eine Rast einlegen, während der sie mich ganz behutsam auf die Stufen zum fünften Stock absetzten. Ich schnaufte und wischte mir so gut ich konnte den Schweiß von der Stirn, ohne dabei an die frisch genähte Wunde zu kommen. Zum Glück war die Stelle immer noch so weit betäubt. Ansonsten hätte sie wohl durch die Anstrengung wieder ziemlich gebrannt. Außerdem plagte mich mehr und mehr ein starkes Durstgefühl. Bei so einem Blutverlust auch nicht verwunderlich. Eigentlich hätte ich dringend Flüssigkeit zu mir nehmen müssen. Doch hatten wir beileibe nicht daran gedacht in unserer Eile eine Flasche Wasser aus meinem Kühlschrank mitzunehmen. Und das rächte sich bitterlich. Mein Körper war schon fast am Rande eines erneuten, kleinen Kollaps. Das merkten auch die Zwerge, welche sich entweder zu mir setzten oder vor mir standen. "So geht das nicht weiter. Bis wir Oben sind, brauchen wir auf diese Weise ewig", murrte Nori, dem die ständigen Pausen wegen mir schon ordentlich am Nervenkostüm zerren. Selbst wenn er mir nicht offenkundig die Schuld daran gab. Aber auch der Rest war seiner Meinung. "Am besten tragen wir dich doch, Cuna. Komm...", meinte Fili, der sich von meiner linken Seite löste und sich kurz drauf, wie einst nach dem Handtaschenanschlag vor mich hockte, damit ich ihm auf den Rücken stieg. "Warte. Noch nicht. Gib mir etwas. Etwas Zeit. Fünf Minuten. Bitte", schnaufte ich und schüttelte den Kopf mit dem Versuch wieder klarer zu werden. "Du siehst verdammt schlecht aus. Du gehörst ins Bett. Je schneller wir das fertig bringen umso besser", meinte Kili und legte mir dabei besorgt seine Hand auf den Oberschenkel. Doch wieder schüttelte ich den Kopf, während ich zusätzlich meine Übelkeit nieder kämpfte. "Mir gehts auch verdammt schlecht. Aber. Wenn ihr mich jetzt hoch tragt, habe ich nur Sorge, dass ich mich komplett auf Fili übergeben könnte. Diese Peinlichkeit will ich uns allen ersparen. Besonders dem armen Träger. Ich hoffe ihr versteht das", sagte ich mit entschuldigender Miene. "Natürlich verstehen wir das. Wir sind nur besorgt darum, dass es noch schlimmer werden könnte. Du brauchst Ruhe. Und ich weiß nicht ob es Ratsam wäre diese in Thorins Nähe zu suchen", warf Ori ein, der einen leicht grantigen Unterton nicht verbergen konnte, aber trotzdem betreten die Schultern hängen ließ. "Ich suche derzeit unter Garantie nicht in seiner Nähe nach Ruhe. Im Gegenteil. Ich muss ihn zur Rede stellen. Wobei es mir leichter fallen würde, wenn mir nicht so kotzübel wäre", murrte ich vor mich hin und stützte meinen Ellenbogen auf dem Knie ab, damit ich meine linke Wange halten konnte. "Brauchst du vielleicht irgendetwas?", fragte Kili ruhig und strich mir kurz eine Haarsträhne hinters Ohr, damit diese nicht über der Wunde lag. "Ein Schluck Wasser wäre nicht schlecht. Von euch hat wohl keiner einen Schlauch dabei nehme ich an?", erwiderte ich mit matter Stimme. Doch als ich mich bei ihnen umsah schüttelten sie alle die Bärte, sodass ich nicht umhin konnte zu seufzen. "Ich könnte schnell nach oben laufen um etwas zu holen", schlug Ori selbstsicher vor und wollte sich schon an mir vorbei auf die Stufen drängen. Doch bevor ich dem etwas erwidern konnte, ging plötzlich die rechte Tür zum Treppenhaus auf und ein Postbote betrat den von uns leicht blockierten Flur. Ihm folgte eine junge, recht pummelige Frau. Sie hatte schulterlange, dunkelbraune Haare, war etwa so groß wie ich, schien aber nur einige Jahre älter zu sein. "Vielen Dank, dass sie das Paket trotz der vielen Stufen hochgebracht haben", sagte sie mit einer freundlichen, warmherzigen Stimme, die ein wenig an süßen Akazienhonig erinnerte. "Keine Ursache Gnä' Frau. Das ist immerhin mein Job. Dann bis zum nächsten Mal", antwortete der Mann lächelnd und lief schon den Treppenabsatz hinunter. Die Frau winkte dem Mann noch mit einigen Abschiedsworten hinterher und machte schon Anstalten wieder zu verschwinden, als Bofur sich plötzlich rührte. "Guten Morgen, Frau Marina", sagte er und zog mit einer leichten Verbeugung seine Mütze ab. Die Frau hielt in ihrer Bewegung inne und starrte nun direkt zu uns. Zuerst weiteten sich ihre Augen vor Verblüffung, doch dann legte sich ein freundliches, sonniges Lächeln auf ihre Lippen, als sie Bofur musterte. "Ach. Sie sind das. Guten Morgen, Herr... ähm... Herr. Wie war der Name noch?", fragte sie leicht verlegen. "Bofur. Einfach nur Bofur", sagte der Mützenzwerg und verneigte sich erneut, was die Frau dazu brachte verhalten, aber fröhlich zu kichern. "Ja. Natürlich. Entschuldigen Sie. Aber mein dummes Namensgedächtnis. Was machen Sie denn so früh hier?", fragte sie und musterte dann endlich auch die restliche Gruppe. "Wir. Nun ja. Also. Es ist ein bisschen schwierig. Wir helfen unserer Freundin, Cuna", erklärte der Zwerg leicht betreten und zerknautschte seine Mütze ein wenig, wie er es immer tat, wenn er sichtlich nervös war. "Tatsächlich?", hakte sie nach und hob die Augenbrauen, als sie mich hinter Kilis Kopf hervor lugen sah. Dabei erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf die frische Naht, die so unschön mein Gesicht verzierte, sodass sie keuchend eine Hand vor den Mund schlug. "Die liebe Güte. Was ist denn passiert?", fragte sie nun hektisch an mich gewandt und war daraufhin schon mit gut drei Schritten bei mir. "Ich. Ähm. Ich bin im Keller gestolpert und hab mir an einem abstehenden Nagel den Kopf aufgerissen", log ich hastig, bevor die Zwerge über den Vorfall mit meinem Sicherungskasten auch nur ein Wort verlieren konnten. Diese warfen mir zwar daraufhin einige sehr empörte, wenn auch argwöhnische Blicke zu und Ori schnaubte sogar verächtlich. Aber was hätte ich in dem Moment anderes sagen sollen? Ich kannte die Frau nun mal nicht. Und meine Lebensgeschichte ging sie so gesehen gar nichts an. Wenn ich gesagt hätte, dass mir dies der Mann angetan hätte, den ich eigentlich liebte, dann wären mit Sicherheit innerhalb weniger Minuten die Bullen vor dem Plattenbau aufgeschlagen. Von daher gab es für mich nur die Alternative der Notlüge, selbst wenn sie den Männern nicht gefiel. Marina, wie Bofur sie genannt hatte, schob unterdessen den guten Fili etwas zur Seite, damit sie mein Gesicht genauer unter die Lupe nehmen konnte. "Darf ich mal kurz?", fragte sie und streckte schon ihre Hände nach meinem Kinn aus. Ich nickte ihr nur bedächtig entgegen, woraufhin sie meinen Kopf ergriff und vorsichtig zur Seite drehte, um mit ihren Moosgrünen Augen die Naht zu prüfen. "Uh. Da sind Sie aber ganz böse gefallen. Zum Glück scheint nicht mehr passiert zu sein. Waren Sie denn schon beim Arzt damit?", hakte sie nach und verzog dabei mitfühlend den Mund. "Ähm. Nein. Bisher noch nicht. Das ist erst vor einer guten Stunde passiert. Die Jungs haben mich gefunden und wieder zusammen geflickt", erklärte ich ihr ruhig. "Hm. Verstehe. Das muss noch desinfiziert werden und ein Verband sollte da auch drauf", murmelte sie mehr zu sich selbst, ehe sie sich wieder aufrichtete. Dann wand sie sich umgehend an meine Begleiter mit den Worten: "Am besten bringen Sie ihre Freundin erst einmal in meine Wohnung. Die ist gleich hier vorne. Also nicht so weit." Leicht irritiert und offensichtlich mit der spontanen Aufforderung überfordert, tauschten die kleinen Männer zunächst leicht argwöhnische Blicke. Mir war klar, dass ihnen die Frau nicht ganz geheuer war. Auch mich überraschte ihre gut gemeinte Aktion ein bisschen, weshalb ich sie leicht verunsichert anlächelte. "Ich. Ich will Ihnen keine Umstände machen", sagte ich höflich verhalten. Doch sie schüttelte nur vehement den Kopf und entgegnete: "Das machen Sie nicht. Wirklich. Aber wenn das nicht richtig versorgt wird, könnte das schlimme Folgen haben." "Verzeiht, aber. Meint ihr wirklich, dass Ihr Cuna helfen könnt?", warf Ori ein wenig besorgt, aber doch hoffnungsvoll ein. "Natürlich kann ich das. Ich war bis vor kurzem noch Krankenschwester auf der chirurgischen Station hier im benachbarten Krankenhaus. Glauben Sie mir. Ich hatte täglich mit so etwas zu tun", erklärte sie und sah alle sehr eindringlich und auffordernd an. Wieder tauschten die Herren untereinander flüchtige Blicke, ehe sich Bofur hinter Marinas Rücken zu Wort meldete. "Ich denke wir können ihr vertrauen. Außerdem muss sich Cuna sowieso ausruhen und etwas trinken", meinte dieser mit einem zuversichtlichen Lächeln. Daraufhin zuckten die Anderen immer noch leicht argwöhnisch mit den Schultern, ehe sie aufseufzen und mir schließlich wieder auf die Beine halfen. Die Frau nickte dann erleichtert, als wir uns endlich in Bewegung setzten und wies uns den Weg zu ihrer beschaulichen, kleinen Wohnung. Fili hakte sich erneut bei mir unter und führte mich mit seinem jüngeren Bruder zum Außenbalkon. Nori und Ori folgten uns mit leicht verbissenen Mienen. Ich wusste, dass sie viel lieber weiter nach Oben gegangen wären, doch auf der anderen Seite schienen sie sich einzugestehen, dass es wohl oder übel besser wäre, wenn man mich zunächst einmal versorgte. Tatsächlich war die Wohnung nicht sehr weit vom Treppenhauseingang entfernt. Es war gleich die erste Tür. Marina ging zusammen mit Bofur voraus und wartete dann, bis ich in der Nähe war, ehe sie schon mal hinein gingen. Vorsichtig schafften mich Kili und Fili über die Schwelle und stützten mich auf dem Weg durch die Diele, bis wir mitten in einem sehr behaglichen Wohnraum standen. "Sie können sie gleich auf das Sofa setzten. Ich komme gleich wieder", erklärte die junge Frau kurz und war schon in einem anderem Raum auf der linken Seite verschwunden, wo sich anscheinend die Küche befand. Daneben war noch eine weitere Tür. Vermutlich das Badezimmer. Das Wohnzimmer war ähnlich wie in meinem Apartment sehr offen gehalten, mit einem großen Fenster und Zugang zum Balkon. Mitten im Raum stand ein bunt zusammen gewürfelter Haufen von Polstermöbeln aller Art. Vom großen, mit grauem Stoff überzogenen Lümmelsofa, über ein paar hellbraune Ledersessel bis hin zu einem quietsch pinken 'Hello-Kitty'-Sitzsack. Diese standen um einen recht hohen gläsernen Couchtisch herum. An der gegenüberliegenden Wand, wo sich bei mir die Küchenzeile befand, war ein mittelgroßer, schwarzer Flachbildfernseher angebracht. Zur linken Raumseite ging noch eine weitere Tür vom Wohnzimmer ab. Diese stand ein wenig offen, sodass man einen flüchtigen Blick auf das Schlafzimmer werfen konnte. Von dort wehte ein leises, undeutlichen Gebrabbel zu uns herein, als die beiden Jungs es gerade geschafft hatten mich auf dem Sofa abzusetzen. Das musste wohl das Kind sein. Zweifellos noch ein Säugling. Denn überall lagen oder standen Babyutensilien, wie Schnuller, Plüschtiere und Schnuffeltücher herum. In einer Ecke lag auf dem weißen Laminat eine Spieldecke am Boden, mit einem dieser ulkigen Plastikgestelle darüber, an denen immer so kleine Sachen dran hingen, wie Spiegel oder Glöckchen. Ansonsten war die Wohnung recht gut aufgeräumt und ordentlich. Zumindest, bis ich mit den Zwergen herein gekommen war. Denn diese passten mal so gar nicht in diese Atmosphäre hinein, als sie sich auf die Möbel verteilten oder einfach im Raum stehen blieben, wie Nori es tat. Doch nun waren wir eben da und warteten zum Teil ungeduldig darauf, dass unsere spontane Gastgeberin zu uns kam. Diese erschien nach einigen Minuten mit einem kleinen Körbchen, dass randvoll gepackt war mit Mullbinden, Pflastern, einigen Tabletten und was man sonst so in seinem eigenen häuslichen Erste Hilfe Kasten haben sollte. "So. Entschuldigen Sie, dass es so lange gedauert hat", meinte sie mit einem freundlichen Lächeln und schob dabei mit dem Körbchen ein paar Sachen auf dem Glastisch beiseite, ehe sie sich vor mich hockte. "Ach. Das ist doch nicht schlimm. Ich meine. Immerhin drängen wir uns Ihnen ja irgendwie auf", erwiderte ich und rutschte ein wenig unruhig zwischen Kili und Fili herum. "Sie drängen sich nicht auf. Ich bin zurzeit froh, wenn ich mal etwas zu tun habe und dabei anderen Menschen helfen kann", sagte sie und griff in die Kiste, wo sie eine Kompresse und eine Tube mit Salbe hervor zog. Von dieser schraubte sie den Deckel ab und verteilte danach die bräunliche Salbe auf dem weißen Stoff. Die Zwerge um mich herum verzogen angewidert der Reihe nach die Gesichter und rümpften die Nasen, nachdem ihnen wie mir, der Geruch von Jod entgegen schlug. "Und Ihr seid sicher, dass Cuna das helfen wird?", hakte Nori mit distanzierter, leicht abwertender Stimme, als er der Frau bei ihrer Arbeit über die Schulter schaute. "Selbstverständlich. Die Salbe zieht den Deck aus der Wunde und lindernd recht schnell die Schmerzen", erklärte sie daraufhin immer noch freundlich, wobei sie den Unterton des Zwerges professionell ignorierte. Als ich zu Nori aufsah verzog dieser hämisch den Mund und gab ein fast abfälliges Schnauben von sich. Ihm war das Zeug offenkundig nicht geheuer. Genauso wenig wie die Tatsache, dass ihn eine Frau über Heilmittel belehren wollte. Weshalb er kurz drauf einige Schritte von ihr zurück trat. Natürlich. Solche Medizin kannten die Herren nicht. Sie waren wohl viel mehr den wohlrichtenden Duft von Athelas oder anderen Kräutern gewohnt. Mir hingegen machte das Zeug wenig aus. Ich kannte es schon von vergangenen Verletzungen, die ich einmal gehabt hatte. Doch war bisher keine davon jemals so fatal in meinem Gesicht entstanden. Aber zumindest würde diese bald abgedeckt sein und einem noch viel unschöneren dicken Verband weichen. Der war mir allerdings im Augenblick weit lieber, als weiterhin nur mit einer fetten Naht herum zu laufen. Nachdem Marina schließlich mit dem Einsalben der Kompresse fertig war, hob sie diese an mein Gesicht und drückte sie vorsichtig auf die Stelle. "So. Halten Sie mal eben fest. Dann kann ich das verbinden", wies sie mich an. Ich hob kommentarlos die Hand und drückte nun selbst die Kompresse gegen meine Schläfe. Da langsam die Betäubung von Noris Behandlung nachließ, konnte ich wieder eine Kleinigkeit empfinden. Es war schon ein klein wenig eklig, als sich die Salbe über meine Haut verteilte. Zumindest brannte sie nicht. Sie war nur leicht unangenehm warm und klebrig. Aber damit konnte ich vorerst leben. Womit ich weniger klar kommen würde, war wohl der Verband, den Marina vorbereitete. Vor allem wenn ich in meine Wohnung zu den anderen Zwergen zurückkehrte. Doch daran wollte ich in diesem Augenblick nicht denken. Denn das tat nur irgendwo in der hintersten Ecke meines Herzens weh. Und vor einer Fremden wollte ich nicht noch unbedingt in Tränen ausbrechen, wenn es sich vermeiden ließ. Auch wenn Marina sich dafür zu sehr auf ihre Arbeit konzentrierte, um es vielleicht bemerken zu können. Sie zog eine frische Mullbinde aus einer Verpackung und legte sie umgehend in der Nähe meiner Finger ab, ehe sie begann diese, wie bei einer Mumie um meinem Schädel herum zu wickeln. Währenddessen brach sie in eine kleine, aber amüsante Schimpftirade über die Zustände in unserem Wohnblock aus. "Es ist einfach unglaublich. Ich hab dem Hausmeister schon mindestens hundert Mal gesagt, er solle sich um die abstehenden Nägel im Keller kümmern. Das hätte diesmal wirklich ins Augen gehen können. Aber nein. Ich bin ja nur eine dumme kleine Krankenschwester und habe ja keine Ahnung. Ich habe mir auch erst vor kurzem da unten an so einem Ding den Oberschenkel verletzt. Nicht auszudenken, wenn das einem Kind passiert wäre. Aber naja. Es gibt eben keine anständigen Männer mehr in diesem Land", murrte sie hochkonzentriert, während sie die Stoffrolle auch unter meinem Kinn entlang führte. "Was ist denn mit Eurem Gemahl? Hätte der dies nicht machen können?", fragte Ori neugierig, der sich tatsächlich auf den Sitzsack gepflanzt hatte. "Mein..., was bitte?", fragte sie und wand ihm kurz drauf mit einem spöttischen auflachen das Gesicht zu. "Er... Er fragte nach Ihrem Mann. Wo der ist, und so", ergänzte ich hastig, wobei ich dem dunkelblonden Zwerg einen leicht mahnenden Blick zu warf. Nicht weil es unhöflich gewesen war, danach zu fragen. Denn das war es sowieso, da es uns überhaupt nicht zu interessieren hatte. Nein, es ging mir eher darum, dass er 'Gemahl' gesagt hatte. Solche Ausdrücke sollten sie eigentlich nicht in Gegenwart von fremden Menschen benutzen. Darauf hatte ich die Herren auch schon einige Male in der Vergangenheit hingewiesen. Aber wie immer hatten sie meine Worte zu solchen Themen vergessen oder ignorierten sie mit großer Leidenschaft. Wobei ich bei Ori doch eher auf vergessen schloss. Zumindest nahm sie die altertümliche Aussprache mit einem verwirrten Lächeln so hin und verstand nach meiner knappen Erklärung worauf der Zwerg hinaus wollte. Das entlockte ihr allerdings erneut ein Schnauben, und ich ahnte schon insgeheim weswegen. Ich hielt mich dazu jedoch höflicherweise geschlossen, da sie es ihm von sich aus beantwortete. "Ach so. Nein. Sowas besitze ich nicht. Bin froh das ich DEN Mistkerl los bin. Hat ich sitzen lassen, als ich im sechsten Monat mit unserem Kind schwanger war und ist mit einer meiner Kolleginnen ins Ausland durchgebrannt. Nun sitze ich hier und kann ihn nicht mal auf Alimente verklagen. Aber das ist mir inzwischen egal. Ich bin froh, wenn ich diesen Saftsack nie wieder zu Gesicht bekommen muss. Ich lebe mein Leben und dazu brauche ich diesen untreuen Bastard nicht", grummelte sie, wobei ihre Akazienhonigstimme einen leicht bitteren Beigeschmack erfüllte, bevor sie ihre Arbeit fortsetzte, indem sie noch eine zweite Binde über die Erste legte. Offenbar war sie auch der Überzeugung, dass doppelt eben besser hielt, dachte ich so bei mir. Und einer ausgelernten Krankenschwester wollte ich in ihrem Tun gewiss nicht widersprechen. Bisher wusste sie nämlich genau was sie tat. Obwohl es dadurch für mich gerade bei diesen sommerlichen Temperaturen, noch sehr unangenehm werden konnte. Aber wie ich auch schon zu den Zwergen sagte, wer den Schaden hat, und so weiter. Doch wo ich gerade daran dachte, musterte ich erneut die Zwerge um mich herum, die Marina nach ihrer Aussage allesamt fragend beäugten. Mir persönlich war klar warum. Sie hatten zum ersten Mal mit einer alleinerziehenden, selbstständigen Mutter zu tun, die ihren Mann nicht in irgendeinem Krieg verloren hatte. Und gerade nach dieser Mutter wurde wenig später verlangt, als sie die Binde zum x-ten Mal um meinen Kopf herum schlang. Denn im Nebenzimmer hatte das Gebrabbel plötzlich aufgehört und war einem leidigen Quängeln gewichen, das binnen Sekunden zu einem auffordernden Schreien umschlug. "Ja, Benni! Mama kommt gleich!", rief sie und gab ein erschöpftes Seufzen von sich. Ja, die Schattenseiten ihres recht beschaulichen, einsamen Lebens. Wenig schlaf, viel Stress und vermutlich auch noch jede Menge Leute, die sich ihretwegen das Maul zerrissen. In diesem Moment konnte ich nicht umhin ein wenig mitleidig zu lächeln und auf der anderen Seite darüber froh zu sein, dass ich auf der Zeltstadt zu klug gewesen war, Thorin das Kondom aufgedrängt zu haben. Denn sonst hätte ich vermutlich nach den nächsten neun Monaten genauso ausgesehen. Wobei ich auf der anderen Seite nicht glaubte, dass es dann jemals zu diesem Zwischenfall gekommen wäre. Aber man sollte ja niemals nach dem, 'Was-Wäre-Wenn' fragen. Denn darauf wüsste mit Sicherheit nicht mal Gandalf eine Antwort. Und ich würde auch keine suchen wollen. Das führte nur unweigerlich zu Kopfschmerzen, die sich sowieso schon wieder anbahnten. Stattdessen schüttelte ich mal wieder solche Mutmaßungen und Änderungswünsche der Vergangenheit ab und ging lieber auf den bedauerlichen Gemütszustand der jungen Mutter ein. "Ein Junge also. Wie alt?", fragte ich freundlich. "Gerade zwei Monate", sagte sie und rollte mit den Augen, als das Kind noch lauter wurde. "Hat aber ein abnorm gesundes Organ, wenn ich das so bemerken darf", erwiderte ich, woraufhin sie kurz kichern musste. "Das hat er wohl von mir. Und zum Glück alles andere auch. Zumindest bis jetzt noch. Ich hoffe nur, dass seine väterliche Seite niemals durchkommen wird", erklärte sie ruhig. "Alles Erziehungssache", meinte ich schlicht. "Da haben Sie nicht ganz unrecht. Haben Sie denn auch Kinder?", hakte sie kurz nach, wobei ich liebend gern den Kopf geschüttelt hätte, was allerdings nicht ging. "Nein. Bin ich ehrlich gesagt auch froh drum", entgegnete ich leicht unbedacht, was Kili und Fili dazu brachte mich gleichzeitig ungläubig anzusehen. Als ich ihre Blicke bemerkte, hätte ich mir aber am liebsten sofort die Hand vor den Mund geschlagen. Herrje. Jacky, du Hohlfrucht, fluchte ich in Gedanken. Ich hatte ja völlig vergessen, dass sie von meiner leichten Abneigung zum Kinderwunsch meines noch Zukünftigen gar nichts wussten. Nun ja. Mit Ausnahme des Mützenzwerges, der das wohl schon bei unserem Balkongespräch am vergangenen Abend heraus gehört haben musste. Dieser sorgte wohl auch deswegen plötzlich für eine kleine Ablenkung von meinen Worten, wofür ich ihm wirklich dankbar war. Obwohl es mich im ersten Moment ziemlich schockte. "Wenn Ihr erlaubt, Frau Marina, sehe ich kurz nach ihm", warf Bofur ein, der sich abrupt von seinem Sessel erhob. "Du?", kam es gleichzeitig von Kili, Fili und mir, wobei uns fast synchron die Münder aufklappten. Marina ignorierte unsere erstaunten Mienen, nickte dem Zwerg mit der Mütze einen Augenblick ruhig lächelnd zu und meinte: "Das wäre sehr lieb von Ihnen. Er kennt Sie ja schon." Über Bofurs Gesichtszüge zog sich ein strahlendes Lächeln, bevor er zu einer leichten Verbeugung ansetzte. Dann verschwand er recht zügig mit den Worten: "Stets zu Diensten." Und schon war der Zwerg im Schlafzimmer verschwunden. Kurz drauf vernahmen wir alle, wie er begann mit dem Würmchen zu reden. "Hallo kleiner Mann. Na kennst du mich noch? Och wer wird denn so weinen. Na komm mal her du. Ja, ja, ja. Ist ja gut. Guck mal der Onkel Bofur macht lustige Gesichter. Dudududu", hörten wir ihn sagen und vernahmen kurz drauf nur noch das wirre Geplapper, was für gewöhnlich viele Eltern anwandten, um ihre Kleinen ruhig zu stellen und zu betüdeln. Ein wenig ungläubig schielte ich ihm hinterher, während die junge Frau das letzte Stückchen Verband zu Recht zog und dann mit Klebeband fixierte. Danach erhob sie sich mit feierlicher Miene und nickte zufrieden. "So. Das müsste halten. Ich bringe eben die Sachen weg und komme dann mit einem Glas Wasser wieder. Möchten die anderen Herren auch etwas zu trinken?", fragte sie lächelnd, doch die Männer schüttelten nur die Bärte."Herr. Ähm. Bofur?! Möchten Sie etwas trinken?!", rief sie daraufhin Richtung Schlafzimmer. "Nein. Aber vielen Dank für Euer Angebot, meine Teure", entgegnete er etwas lauter. Nun nickte Marina lächelnd und schon war auch sie verschwunden, während sich Bofur im Schlafzimmer wieder seinem Baby-Bla-Bla hin gab. Was allerdings zunächst nur wenig brachte. Das Geschreie wurde zwar leiser, aber das Kind war immer noch am Quängeln. Als er schließlich mit dem Schreihals zurück in die Wohnstube trat, lieferte er ein Bild ab, dass eigentlich süßer nicht hätte sein können. Das musste selbst ich zugeben, wo ich nichts von den kleinen, sabbernden Monstern hielt. Er trug das Würmchen ganz behutsam und liebevoll in seinem linken Arm und schaukelte ihn sachte hin und her, während er inzwischen nicht nur in meiner, sondern auch in seiner Muttersprach auf ihn einredete. Dabei streckte klein Benni orientierungslos und unbeholfen die Händchen nach allen Seiten aus, bis er es irgendwie schaffte mit einer davon Bofurs Kinnbart zu ergreifen, woraufhin er fest daran zog. "Au. Au. Hör auf! Ist denn das zu fassen?! Nicht am Bart! Du kleiner Schlingel", fluchte der Mützenzwerg gespielt mit einem herzhaften Lachen auf den Lippen, als der Kleine plötzlich anfing vor Freude zu quietschen. Ich schüttelte nur den Kopf darüber und hielt mir die Ohren zu, da mir ausgerechnet dieses Geräusch alles andere als willkommen war. Aber da war ich nicht die Einzige, denn auch Nori verzog leicht angewidert den Mund und raunte: "In Durins Namen! Bofur, stell das Ding da ab!" Der Mützenzwerg hob den Kopf etwas und musterte seinen Freund mit der stacheligen Haarpracht irritiert. "Das kann ich nicht. Das ist ein Kind. Sowas schreit nun mal von Zeit zu Zeit", entgegnete dieser mit verständnisloser Miene. "Das Schreien war ja noch erträglich. Aber das es jetzt so quietscht ist deine Schuld. Also hör auf es zum Lachen zu bringen. Mir bluten schon die Ohren!", fauchte Nori beleidigt zurück. "Ich weiß wirklich nicht was du gegen ihn hast. Der Kleine ist doch zum Anbeißen. Nicht wahr? Ja. Das bist du. Du kleiner Krieger. Dududududu", meinte Bofur, ehe er sich wieder seinem Geplapper hin gab. Ich hob nur ungläubig die Augenbrauen und sah zwischen den Beiden hin und her. So unterschiedlich konnten also selbst bei Zwergen die Meinungen auseinander gehen. Das war wirklich erstaunlich. Wobei ich es irgendwie als logisch empfand. Nori liebte seit jeher die Freiheit und Ungebundenheit, welche von einer Familie doch sehr einschränkt wurde. Und Bofur war eher der sesshafte und sehr herzliche Typ, den man auch gut gefahrlos in einem Kindergarten als Erzieher hätte einsetzen können. Aber in diesem Fall war ich ausnahmsweise doch auf Noris Seite. Das Gequietschte und Gelache des Säuglings, schmerzte ungemein stark in den Ohren. Und meinen neuerwachten Kopfschmerzen tat es erst recht nicht gut. Da freute sich höchsten Klaus-Günther. Das Schlimmste war aber bei weitem Bofurs Geplapper. Dabei drehte sich mein Magen nämlich fast wieder auf Links. Wobei das wohl auch an meinem Flüssigkeitsmangel lag, der zusätzlich noch an meinem Nervenkostüm zehrte. Zum Glück kam wenig später Marina wieder zu uns, die mir ein hochvolles Glas Wasser samt einem Sammelsurium von Tabletten vor setzte. "Hier. Die habe ich ihnen vorsorglich mitgebracht. Ich weiß ja leider nicht, ob sie auf bestimmte Medikamente allergisch reagieren. Da können Sie sich dann aussuchen, was sie nehmen möchten", erklärte sie mir mit einem strahlenden Lächeln. "Ähm. Ja. Vielen Dank nochmal", entgegnete ich leicht überfordert von so viel Freundlichkeit und begann die Schachteln zu durchsuchen. Sie wand sich unterdessen Bofur zu, der immer noch mit klein Benni herum spaßte. "Vielen Dank, dass Sie sich um meinem Sohn so liebevoll gekümmert haben. Sie können wirklich gut mit Kindern umgehen", sagte sie und nahm ihm dann das Würmchen vom Arm. Der Mützenzwerg reichte ihn vorsichtig weiter und entgegnete mit einem strahlenden Gesicht: "Stets zu Diensten, Frau Marina. Aber darf ich anmerken, dass Eurer Junge sich wohl gerade ein wenig erleichtert hat." "Tatsächlich?", hakte sie kurz nach und schon tat sie genau das, was man wohl in irgendeiner Fachsprache für Eltern den 'Shit-Check' nannte. Sie hob ihren Sohn mit dem Rücken zu ihrem Gesicht und drückte dann unversehens die Nase an seinen Po, ehe sie ein kicherndes 'Puh' von sich gab. Im Hintergrund konnte ich, während dieser eigenwilligen Windelprüfung, Nori dabei beobachten, wie er sich von dem Bild abwandte und wohl geradewegs seinen Würgereizt nieder kämpfte. Ich musste mich lediglich zusammen reißen, um nicht lauthals los zu lachen. Nein. Familie war tatsächlich nichts für diesen Zwerg. Aber das musste ja auch nicht sein. Doch machte mir seine Reaktion mit einem Mal etwas bewusst. Ich musste eine sehr wichtige Entscheidung treffen. Die wohl Wichtigste, die mein weiteres Leben mit oder ohne den Zwergenkönig stark beeinflussen würde. -89. Zwischenstopp bei den neuen Nachbarn / ENDE - Kapitel 90: 90. Baby-Blues -------------------------- "Ernsthaft, Bofur. Ich weiß wirklich nicht, ob ich lachen oder kotzen soll", murmelte ich sehr trocken und mit gedämpfter Stimme dem Mützenzwerg zu, nachdem er sich mit einem breiten, zufriedenen Grinsen in den braunen Sessel zurück gelehnt hatte. Mein Kommentar war so nüchtern aus meinem Mund geplatzt, dass Nori es schaffte sich wieder zu uns umzudrehen und zusätzlich anfing lauthals drauf los zu lachen, als er den Satz hörte. Die anderen vier warfen mir unterdessen leicht verwirrte, bis verständnislose Blicke zu. Natürlich hatte ich darauf geachtet, dass Marina mit ihrem Kleinen nicht im Raum war. Diese hatte sich kurz, nachdem sie Bofur ihren Sohn abgenommen und eine tiefe Nase von dessen Windelinhalt genehmigte, kurz von uns verabschiedet, damit sie ihn wickeln konnte. Ich wusste ja wie empfindlich gerade alleinerziehende Mütter werden konnten, wenn man sich als Kinderlose abfällig über deren Nachwuchs äußerste. Sei es nun direkt oder indirekt. Frauen merkten es verdammt schnell, wenn man seine Abneigung gegen irgendetwas in dieser Art äußerte. Für gewöhnlich machte es mir auch nichts aus, meine Meinung direkt zu vertreten. Doch in diesem Fall wollte ich es mir nicht unbedingt mit unserer freundlichen Gastgeberin verscherzen, da diese mich ja so gut mit Medikamenten, Wasser und einem Verband versorgt hatte. Bei den kleinen, bärtigen Männern war das etwas anderes. Da wollte ich mir nicht die Mühe machen meine Gefühlslage zu verbergen. Auch wenn sie mich noch so bestürzt musterten. Nur Noris kleiner Lachanfall bestätigte meine Mutmaßung, dass er in diesem Fall meine Meinung durchaus teilte. Die Anderen schüttelten nur die Köpfe. "Also, ich habe keine Ahnung, warum du so etwas sagst, Cuna. Er ist doch wirklich niedlich", meinte Bofur und hob dabei eine Augenbraue bis unter die Hutkrempe. "Mag ja sein, dass du das als süß empfindest. Du bist ja der Kindernarr vor dem Herrn. Mir ist das aber zu wider. Ich bin froh, wenn ich die kleinen Blagen nicht in meiner Nähe habe und das weißt du auch", entgegnete ich ruhig und nahm noch einen Schluck Wasser. "Das verwirrt mich ein wenig", murmelte Kili und lehnte sich auf dem Sofa zurück, um sich zu strecken. "Was denn?", fragte ich ruhig, bevor ich das Glas wieder auf den Tisch stellte, um den dunkelhaarigen Jungen rechts neben mir anzusehen. Er gab ein gedehntes Seufzen von und starrte zunächst nur in Richtung der weißen Zimmerdecke, wobei er sich verlegen auf der Unterlippe herum kaute. "Nun ja. Es ist sonderbar, dass du dir einen Partner erwählst und dann. Dann so abfällig über Kinder redest. Ich meine, weiß Onkel denn schon, dass du so denkst?", hakte er nach, ehe er mich kurz von der Seite her anschielte. Ich schnaubte nur betreten und schüttelte den Kopf. "Nein. Davon weiß Thorin noch nichts. Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Zumindest nicht über meine Meinung dazu. Und ich bitte euch ihm vorläufig auch nichts zu sagen. Die Sache muss ich selbst mit ihm klären. Davon abgesehen ist dieses Thema sowieso erst einmal vom Tisch. Oder denkt ihr wirklich, dass ich mich jetzt noch dazu hinreißen lassen würde, ein Kind von ihm auszutragen? Nee. Da erhänge ich mich lieber an meiner eigenen Unterhose", sagte ich und lehnte mich ebenfalls zurück. "Ich kann dich durchaus verstehen. Kinder sind ein unnötiges Anhängsel. Sie bedeuten viel Arbeit und Verantwortung. Und dass du wegen diesem Zwischenfall jedweden Wunsch nach Kindern beiseite schiebst, ist mir noch viel klarer. Nur kann ich mir nicht vorstellen, dass du und Thorin nicht schon darüber gesprochen habt. Ich war bisher der Meinung, dass du bereits in freudiger Erwartung bist. Schließlich habt ihr beide ja. Also in der letzten Nacht im Zeltlager. Oder etwa doch nicht? Im Reich der Götter hat er fast nur davon gesprochen. Und wie sehr er sich freut bald seinen Erben in Händen zu halten", warf Nori mit einem kurzen Schulterzucken ein, nachdem er sich endlich von seinem Lachanfall erholt hatte. "Doch. Wir haben zusammen die Nacht verbracht und auch mal kurz das Thema angekratzt. Wobei nur er erwähnt hat, dass er einen Erben will. Aber es heißt ja nicht, dass ich deswegen sofort schwanger werden musste. Das habe ich zum Glück verhindern können", entgegnete ich und verschränkte lässig die Arme vor der Brust. "Verhindert? Wie in Durins Namen denn das?", fragte Fili, der mich neugierig, aber auch leicht bestürzt von meiner linken Seite her ansah. Ich atmete einmal ganz tief durch, ehe ich kurz seufzte und ihm eine für Zwerge halbwegs verständliche Antwort gab. "Das ist ganz einfach. In meiner Welt gibt es verschiedene Möglichkeiten die körperliche Liebe auszuführen, ohne dass dabei Kinder entstehen. Ich hab Thorin eine davon vorgeschlagen, mit der Begründung, dass ich mit Nachwuchs warten wollte, bis wir verheiratet sind. Und dieser hat er, wenn auch widerstrebend, zugestimmt. So hatten wir beide unseren Spaß und ich brauchte mir keine Gedanken darum zu machen, in neun Monaten noch einmal wegen Platzmangel umziehen zu müssen", meinte ich gelassen. "Also, Cuna. Ich habe ja immer viel von dir gehalten. Du bist so eine wundervolle und herzensgute Frau. Aber, dass du so hinterhältig sein kannst, hätte ich wahrlich nicht von dir gedacht", kam es plötzlich leicht aufgebracht von Ori, der sich in seinem Sitzsack etwas aufrichtete. Ich seufzte erneut und warf dem dunkelblonden Zwerg dann einen gleichmütigen Blick zu. "Was ist daran bitte hinterhältig, Ori? Zu warten bis man sein Leben mit dem Partner gefestigt hat, ist hier selbstverständlich. Du siehst doch, wie es bei dieser Frau hier gelaufen ist. Ihr Typ hat sie eiskalt sitzen gelassen. Außerdem will ich jetzt noch keine Kinder. Dafür ist es zu früh. Und ich weiß auch nicht ob ich zukünftig welche möchte. Schon gar nicht unter diesen Voraussetzungen", erklärte ich ihm gedehnt, woraufhin er nur verächtlich das Kinn vor streckte. "Du verweigerst ihm seinen größten Wunsch. Wozu suchst du dir denn einen Mann, wenn du nicht die Freuden einer glücklichen Familie genießen willst? Es ist doch für jeden das Schönste auf der Welt, ein kleines Ebenbild sein Eigen nennen zu können", entgegnete er und schüttelte verständnislos den Kopf. "Nicht für jeden, Ori. Bedenke was alles auf Cuna und Thorin zu kommen wird, wenn es vielleicht doch irgendwann soweit sein wird. Besonders für sie. Ich meine, ich will mich nicht gegen unseren König aussprechen, aber er hatte ja bereits vor ihre Freiheit allein dadurch einzuschränken, dass er sie an der kurzen Leine hält. Um nicht zu sagen, dass er sie vor aller Augen verbergen oder gar wegsperren will", warf Nori ein und neigte mit verständnisvollem Blick leicht den Kopf in meine Richtung. "Du weißt aber, dass es bei uns Zwergen eine althergebrachte Tradition ist, die Frau nach der Heirat nicht mehr aller Öffentlichkeit Preis zu geben, um sie zu schützen", entgegnete Kili, woraufhin Nori langsam nickte. "Das ist mir durchaus bewusst, Junge. Aber Cuna ist keine Zwergin. Sie ist ein Mensch und daher nicht an unsere Traditionen gebunden. Das sollte Thorin inzwischen eigentlich akzeptiert haben. Aber wie mir scheint, ist dem wohl nicht so. Er trägt ja auch weiterhin die Altlasten als unser König und Anführer mit sich herum, obwohl er das nicht mehr müsste. Ich kann mir gut vorstellen, dass Cuna sich deswegen gegen Nachwuchs wehrt, weil sie nicht allein mit dem Kind gelassen werden will. Das würde ich an ihrer Stelle auch nicht wollen. Einmal davon abgesehen, dass mir meine Freiheit bereits für die Suche nach einer geeigneten Gefährtin zu schade wäre", sagte er und lehnte sich dabei mit dem Rücken an die Wand. "Dafür sind ja Kili und ich hier. Damit Cuna nicht allein mit unserem Vetter ist. Was mich allerdings verwundert. Warum ist sie nicht bereits Mutter? Immerhin war sie ja mit einem anderen Mann verheiratet und hat davor viele Jahre mit diesem verbracht", warf Fili ein und musterte mich daraufhin eingehend. Ich schloss kurz die Augen und rutschte ein bisschen genervt auf der grauen Sitzfläche des Sofas herum. So langsam wurde diese, für meine Begriffe, unnötige Diskussion sehr privat. Und wenn ich ehrlich zu mir war, wollte ich in diesem Augenblick auch gar nicht darüber reden. Doch wusste ich, dass die Zwerge nicht eher nachgeben würden, bis ich ihre Wissbegier voll und ganz befriedigt hatte. Einer von wenigen Charakterzügen, den ich bei ihnen nicht so sehr mochte. Aber zu diesem Zeitpunkt des Gesprächs kam ich wohl oder übel nicht mehr um eine Erklärung herum. Daher raffte ich noch einmal all meine noch vorhandenen Nerven zusammen, gab ein leidiges Stöhnen von mir und richtete mich räuspernd auf. "Ganz einfach. Der Grund, warum ich noch kein sabberndes Monster mein Eigen nenne ist, weil mein Verblichener und ich uns einig waren, dass wir keine Kinder haben wollten", meinte ich und sah sie reihum ruhig an. "Aber. Habt ihr nicht irgendetwas vermisst? Nur zu zweit erscheint mir das Leben doch reichlich unbefriedigend zu sein. Das könnte ich mir gar nicht vorstellen. Man braucht doch noch etwas, was man gemeinsam lieb haben kann", sagte Bofur und schüttelte kurz verständnislos den Kopf. "Deswegen haben wir uns eine Zeit lang Haustiere gehalten. Die waren stressfreier und wir brauchten keine großen Anschaffungen zu tätigen. So gesehen waren sie immer unsere Kinder. Wir mussten sie genauso hart erziehen. Haben uns geärgert, wenn sie etwas getan hatten, was sie nicht sollten. Aber wir konnten auch viel lachen und haben uns um ihre Gesundheit gesorgt. Wenn sie zu alt und zu krank wurden, dann mussten wir sie natürlich einschläfern lassen. Das waren immer die schwersten und traurigsten Momente. Auch wenn es notwendig war. Doch diese Alternative war aus unserer Sicht viel einfacher. Sie haben nicht viel gebraucht, keine Widerworte gegeben und sobald sie uns zu sehr auf den Keks gegangen sind, haben wir sie in ihren Käfig gestopft und dann war ruhe. Naja, so halbwegs jedenfalls. Das kann man mit einem richtigen Kind nicht machen. Da hat man dann ganz schnell den Staat am Hals. Ansonsten waren wir glücklich damit unsere Zweisamkeit zu genießen. Ohne das uns etwas Eigenes im Weg war. Wir haben daher auch mit allen möglichen Mitteln verhindert, dass es dazu gekommen ist. Als er dreißig wurde, hat er dann sogar eine Vasektomie vorgenommen", erklärte ich, woraufhin die kleinen Männer kurz verwirrte Blicke tauschten. "Was? Ihr habt euch mit Vasen beworfen, um keine Kinder zu bekommen? Wie habt ihr das denn gemacht?", fragte der Zwerg mit der Mütze und kratzt sich dabei seitlich am Kopf. Nun musste ich doch wieder lachen. Natürlich hätte mir klar sein müssen, dass die Zwerge so etwas nicht kannten. Aber ihre verdutzten Gesichter waren in diesem Augenblick einfach nur Gold wert. Doch bevor ich erklären konnte, worum es bei dieser für sie fremdartigen Behandlung ging, war unsere Gastgeberin bereits wieder in der Tür erschienen und trug einen zufrieden brabbelnden Benni auf ihrem Arm. "Eine Vasektomie ist ein Eingriff, bei dem sich der Mann die Samenstränge vom Hoden abtrennen lässt. Die wohl wirksamste Methode um das Elternwerden zu verhindern", erklärte sie sehr ruhig und trat behutsam ins Wohnzimmer. Wir zuckten unwillkürlich zusammen, als sie so unverhofft auftauchte und sich langsam in den zweiten braunen Sessel sinken ließ. Mir gefror umgehend das Lachen auf dem Gesicht und ich schluckte einmal heftig. Herrje. Warum musste ich auch in der Wohnung einer wildfremden Person so unbedacht aus meinem Nähkästen plaudern, wo diese doch nur einen Raum weiter gewesen war. Ich hätte die Sache besser auf später verschieben sollen, dachte ich bitter und kaute mir verlegen auf der Unterlippe herum. Wer weiß, was sie sonst noch mitbekommen hatte? Hoffentlich nichts über die Sache mit der Welt der Götter. Himmel, das hätte gerade noch gefehlt. Das würde im Nachhinein für enorme Probleme sorgen. Damit wären dann nicht nur ich, sondern auch die Anderen in großen Schwierigkeiten. Oh Gott, oh Gott. Noch eine Mitwissende. Ausgerechnet an diesem ohnehin schon beschissenen Tag. Das wäre wirklich zu viel. Auch wenn Marina eine noch so nette Person war. Das ging nicht. Ausgeschlossen. Nur was sollte ich tun? Ich wusste ja nicht, wie viel sie gehört hatte und ob sie überhaupt verstand, worüber wir gesprochen hatten. Fakt war nur, dass mich diese Gedanken sehr nervös werden ließen, sodass ich es nicht vermeiden konnte unruhig auf meinem Platz herum zu rutschen. Die Zwerge schienen sich jedoch darum in diesem Moment gar nicht zu kümmern. Im Gegenteil. Sie warfen Marina wegen ihrer Erläuterung nur fragende Blicke zu, ehe sich Ori nach dem kleinen Schockmoment zu Wort meldete. "Die Männer trennen sich, was von wem ab?", fragte er und sah sie dabei mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Schnipp schnapp am Gemächt", ergänzte ich knapp und trocken mit eher beiläufigem Unterton, während ich zusätzlich eine kleine Scherenbewegung mit den Fingern machte. Nun sah ich die Zwerge der Reihe nach zusammen fahren, wobei der ein oder andere sogar schmerzhaft den Mund hinter dem Bart verzog. "Mahal. Das ist ja furchtbar. Und so etwas hat dein Mann getan, Cuna? Wieso in Durins Namen? Wie konntet ihr denn danach noch... Ich meine. Das ist ja... Dafür gibt es keine Worte in irgendeiner Sprache die ich kenne", keuchte Nori und schüttelte sich heftig. "Oh, Sex ist nach einer Vasektomie noch möglich. Es kann lediglich vorkommen, dass dem Mann die Lust darauf vergeht", meinte Marina und schmunzelte leicht erheitert, als die Männer die Gesichter von uns Frauen abwandten und die Hände vor die Augen schlugen. "Vielen Dank, Frau Marina. Mir vergeht gerade die Lust nach noch mehr Dingen", stöhnte Fili etwas leidig, dem sein Bruder mit einem recht hochstimmigen Brummen beipflichtete. Nun musste Marina ein wenig lachen, wobei sie ihren Sohn leicht in ihren Armen mit schaukelte. Ich verkniff es mir indessen drauf los zu prusten, auch wenn es mir angesichts der leidenden Zwerge sehr schwer fiel. Meine Welt war wirklich nichts für ihre zartbesaiteten Männeregos. Aber in dem Punkt waren wohl alle Männer gleich. Ob nun Zwerg oder Mensch war in dem Punkt ganz egal. Wenn es um ihr bestes Stück ging, kannte ihr Leid kein Ende. Als Frau konnte man sich das natürlich nur schwer vorstellen. Wir hatten dafür ja andere Probleme. Mal von den alltäglichen Was-ziehe-ich-heute-bloß-an und Passen-die Schuhe-zu-meinem-Kleid-Problemen abgesehen, die ich für meinen Teil eh nicht hatte. Für mich galt dahingehend eher, hauptsache frisch gewaschen. Nein. Meistens waren es welche, die sich alle vier Wochen wiederholten. Was gerade dann unangenehm werden konnte, wenn man es nicht rechtzeitig bemerkte. Sowas passierte dann auch immer zu den unmöglichsten Gelegenheiten. Häufig wenn man gerade im Schwimmbad war oder in einer weißen Hose zu einem Vorstellungsgespräch ging. Gut. Zum Glück hatte ich dies immer rechtzeitig bemerkt. Auch wenn ich nicht immer darauf vorbereitet war. Aber da wusste sich Frau ja auch irgendwie zu helfen. Vorausgesetzt, dass in diesem Moment eine Toilette mit genug Klopapier vorhanden war. Ein anderes Problem würde wiederum eintreten, wenn dieses Vier-Wochen-Problem plötzlich aufhörte. Dann war gerade bei Frauen oder viel mehr jungen Mädchen richtig Alarm angesagt. Vor allem, da in der heutigen Zeit sehr viele von diesen allein gelassen wurden. Sei es nun von den Eltern der werdenden Mutter oder eben dem Kindsvater, wie es bei Marina der Fall war. Nur waren eben nicht alle so stark und selbstbewusst allein ihren weiteren Lebensweg zu beschreiten. Denn die Angst vor den ganzen Konsequenzen saß ihnen stets im Nacken. Und in ihrer Hilflosigkeit sagten einige bis zum Schluss nicht, dass sie gewisse Sorgen hatten. Daher gab es auch immer wieder Berichte über Säuglinge, die irgendwo in Tüten verpackt in einem Mülleimer, Waldstück oder auf Kirchentreppen gefunden wurden. In solchen Situation fragte ich mich selbst als Kinderlose, wie man Frauen einfach so damit allein lassen konnte. Sicher. Es gab Institutionen, wie Krankenhäuser, Babyklappen und diverse andere Orte, wo man ein Kind nach der Geburt in gute Hände geben konnte. Doch vielen waren diese werdenden Müttern meist unbekannt oder eben nicht zur rechten Zeit am richtigen Ort. Aber die Angst, die die Frauen dabei durchleben mussten, war selbst mir unbekannt. Das war mit ein Grund, weshalb ich mich gegen das Kinderkriegen aussprach. Aber spurlos gingen derartige Geschichten an mir nicht vorbei. Vermutlich, weil ich selbst große Angst davor hatte, irgendwann mit so einem Problem alleine da zu stehen. In dem Fall konnten mir Frauen wie Marina, eigentlich nur als großes Vorbild dienen. Sie ging ihren Weg zusammen mit ihrem kleinen 'Wunder', wie es einige nannten. Auch wenn er noch so anspruchsvoll und stressig war. Und insgeheim, war ich sogar ein bisschen neidisch, dass ich mir selbst so etwas nicht zutrauen wollte. Besonders in diesem Augenblick zehrte es sehr an meinem Gefühlskonflikt, den ich mit Thorin hatte. Er stellte sich das alles so leicht vor. Klar, für ihn war es das so gesehen auch. Einmal rein. Einmal raus. Dann nur noch neun Monate warten. Und fertig. Wie es mir dabei ergehen würde, schien dem Zwergenkönig völlig egal zu sein. Er müsste ja nicht dieses zusätzliche Gewicht mit sich herumschleppen und würde auch nicht aufgehen wie ein Hefekloß. Wobei mir meine Figur eigentlich egal war. Ich war immer schon pummelig gewesen. Nur die Vorstellung, dass in mir etwas wachsen würde, das sich auch noch bewegte. Ja, eben etwas, das Leben bedeutete. Darüber schien er sich nicht wirklich im Klaren zu sein. Ebenso wie er sich an diesem Morgen keine Gedanken um meine Gefühle gemacht hatte, als er so ausgerastet war. Dementsprechend betreten seufzte ich auch, als mir diese Erinnerungen schmerzlich durch den Kopf schossen und nahm noch einmal mein Wasserglas um daran zu nippen. Auch um einen erneut aufkommenden Tränenfluss zu verhindern. Zum Glück wurde ich bald aus meinen trüben Gedanken heraus gerissen, als Marina sich wieder gefangen hatte und mir ein warmherziges Lächeln schenkte. "Also. Ich. Ich muss ja wirklich zugeben. Ihre Freunde sind einfach zu drollig", meinte sie noch immer glucksend und schob ihren Sohn ein wenig auf dem Arm zurecht. Ich nickte ihr höflich, aber gleichmütig zu. Denn ich behielt weiterhin, das anstehende Gespräch im Hinterkopf, dass zur Zeit eigentlich meine größte Sorge war. Doch schien diese Frau einen sechsten Sinn für Probleme zu haben, denn sie musterte mich einen Moment lang nach meinem Nicken bedächtig und legte dann mit fragender Miene den Kopf schief. "Fühlen Sie sich denn inzwischen besser?", hakte sie nach und schenkte mir erneut dieses unglaublich sonnige Lächeln. Ich brummte nur verlegen in mein Wasserglas hinein, bevor ich es absetzte und ihr antwortete. "Nun. Ja. Es geht. Denke ich", gab ich nuschelnd von mir. "Sie können sich gerne noch ein bisschen hier ausruhen, wenn Sie möchten. Und machen Sie sich keine Gedanken darum, dass Sie mir Umstände bereiten. Ich habe gerne Besuch. Besonders, wenn er so nett ist, wie der Herr Bofur", meinte sie und warf dem Zwerg mit der Mütze einen verstohlenen Blick zu, den dieser nach der Erwähnung seines Namens kurz auffing. Der Mützenzwerg war so überrascht davon, dass er sich ruckartig von seiner leidenden Position verabschiedete, aufrecht hinsetzte und die Schultern straffte. Dabei flog ihm ein verlegenes Grinsen über das Gesicht und ich meinte sogar hinter seinem Bart auf den Wangen zarte rosane Flecken erkennen zu können. "Na-Natürlich. Stets zu Diensten, Frau Marina", stammelte er leicht heiser und schlug sich dabei stolz mit einer Faust auf die breite Zwergenbrust. Das gewann mir nun ein kurzes verstohlenes Grinsen ab und ich schüttelte nur den Kopf. Es war einfach unglaublich. Das war nun Zwerg Nummer drei, der sich in eine Frau aus meiner Welt verguckt hatte. Gut, eigentlich Nummer vier, wenn man Ori mit rechnete. Nur hatte dieser weniger Glück bei der Frau gehabt, die sein Herz erwärmte. Nun ergab allerdings auch endlich der Satz am vergangenen Abend auf dem Balkon Sinn, als Bofur meinte, dass er zu gern in meiner Welt bleiben und sich da eine liebe Frau suchen würde. Natürlich war nicht nur mir aufgefallen, dass sich der Mützenzwerg unserer Gastgeberin gegenüber relativ auffällig verhielt. Die anderen Vier hatten nun ebenfalls ihre leidende Phase hinter sich gebracht und begann hinter vorgehaltener Hand zu kichern oder grinsten ebenso verstohlen hinter ihren Bärten wie ich. Oder sie machten es wie Nori und posaunten geradewegs das heraus, was ihnen bei seinem Anblick durch den Kopf ging. "Pass auf, dass es dir unter deinem Hut nicht zu warm wird, Bofur. Sonst fliegt er dir noch weg", warf er feixend durch den Raum. "Oh Mahal! Bitte nicht!", rief er hektisch aus, woraufhin sich der Mützenzwerg selbige fester auf seinen Schädel drücke. Dabei schob er sie zusätzlich unnötig tief über sein Gesicht, dass man bald nur noch Nase und Bart hervor lugen sehen konnte, was ihn noch alberner aussehen ließ. Das sorgte nicht nur bei seinen Freunden, sondern auch bei Marina und mir für erneutes Gelächter. Ich musste so heftig lachen, dass ich dabei nicht aufpasste und mit meinem Fuß gegen ein Bein des Glastisches stieß. Dummerweise hatte ich mein Wasser zu nah am Rand abgestellt, weshalb diesen umgehend den Halt verlor. Es gab ein kurzes Klirren und schon verteilten sich Scherben und Inhalt auf dem ganzen hellen Laminat. Etwas erschrocken davon, sprangen Kili, Fili und ich auf, doch da war es leider schon zu spät. "Oh weh. Das. Das tut mir leid", stammelte ich hektisch und wollte mich schon runter beugen, um das Malheur schnellst möglichst selbst einzusammeln. Auch Marina war indessen aufgesprungen, doch sah sie keineswegs verärgert oder böse deswegen aus. Nein. Sie gluckste noch immer. Vor allem da Bofur verwirrt und ziemlich blind den Kopf in alle Richtungen wandte, während er unentwegt fragte: "Was war das? Hab ich was kaputt gemacht?" "Nein, nein. Nur keine Sorge. Das passiert mir auch gelegentlich. Setzen Sie sich ruhig wieder hin", meinte sie und hob beschwichtigend eine Hand. "Ich. Ich kann Ihnen das ersetzten. Oh man, das tut mir echt leid. Soll ich vielleicht einen Staubsauger und was zum Aufwischen holen?", fragte ich immer noch hektisch und schaute mich etwas ratlos bei den Zwergen um. Doch als ich wieder zu ihr sah, schüttelte sie nur kichernd den Kopf und meinte: "Lassen Sie nur. Ich mach das schon. Sie können mir aber liebend gern Benni abnehmen, damit ich die Sachen besorgen kann." Marina hatte den Satz noch nicht einmal zu Ende gesprochen, da drückte sie mir auch schon über den Tisch hinweg das brabbelnde, sabbernde Kind in den Arm und verschwand zügig zurück ins Schlafzimmer. Völlig überrumpelt von ihrer spontanen Geste stand ich nun zwischen meinen beiden 'Brüdern' und bekam vorerst den Mund nicht wirklich zu. Auch diese waren so perplex, dass sie mich genauso verblüfft anstarrten, wie ich mich in diesem Augenblick fühlte. Na großartig. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ausgerechnet mir musste sie ihren Sohn in die Arme drücken, wo ich mit Kindern so gar nicht im Reinen war. Zu allem Überfluss fing klein Benni auch noch an unruhig zu werden und gab die ersten Quängelgeräusche von sich, was mich zunehmend nervös werden ließ. Mit Sicherheit würde er jeden Augenblick anfangen los zu plärren. Oh weh. Warum immer ich? Ich musste schnell etwas unternehmen, sonst ginge mit Sicherheit das nächste Schreikonzert los. Nur was? Hilfesuchend blickte ich mich zunächst bei Kili und Fili um, die mich immer noch fassungslos anstarrten. "Hier, nimm du ihn, Fili", sagte ich und wollte den Kleinen schon weiter reichen. Doch dieser hob abwehrend die Hände. "Wah. Nein. Bist du verrückt? Ich will ihn nicht fallen lassen", sagte er und machte einen Schritt nach hinten. "Denkst du ich vielleicht?! Kili, was ist mit dir? Nimmst du ihn mir ab?", fragte ich und wandte mich zur anderen Seite. Doch auch dieser tat es seinem Bruder gleich und entgegnete: "In Durins Namen. Nein. Kommt ja nicht in Frage!" "Ja. Ich. Aber. Irgendwer...", stammelte ich panisch, wobei ich nun auch Nori und Ori kurz ins Auge fasste. Doch auch diese beiden schüttelten heftig die Bärte. "Nur nicht zu mir. Bleib mir damit vom Leib", raunte der Zwerg mit der Stachelfrisur und liebäugelte schon bei einem flüchtigen Schulterblick mit der Wohnungstür. "Ich. Ich. Ich hab keine Ahnung von Kindern", stotterte Ori betreten und machte sich auf seinem Sitzsack noch kleiner, als er ohnehin schon war. "Ab-aber... Bitte... ich... Hilfe", japste ich, doch da war es schon zu spät. Benni begann lauthals zu plärren und zu schreien, sodass es mir ordentlich in den Ohren schmerze. Doch konnte ich sie mir in dieser Situation unmöglich zu halten. Sofort fingen die Zwerge auch wieder an leidig zu stöhnen. "Mahal! Nicht schon wieder! Stell das Ding ab, Cuna!", fauchte Nori und warf mir einen beleidigten Blick zu. "Ja, wie denn! Verdammt!", brüllte ich ihn über das Geschrei hinweg an. Herrje. Wie sehr ich solche Momente doch hasste. Das war nicht meine Welt. Ich war nicht zur Mutter geeignet. Das war nun mehr als offensichtlich. Ich war hoffnungslos verloren, mit einem schreienden Kind auf dem Arm, welches ich nun selbst mehr aus Verzweiflung hin und her schaukelte und versuchte zu beruhigen. Allerdings bekam ich mehr und mehr den Eindruck, dass ich es nur schlimmer anstatt besser machte. Und Marina musste das gewiss schon im Schlafzimmer hören. Wo blieb sie nur so lange mit dem dämlichen Staubsauger?! Wer weiß, was sie wohl gerade dachte, wenn sie ihren Sohn so schreien hörte?! Hoffentlich glaubte sie nicht, dass ich den Jungen für irgendwelche schwarzmagischen Rituale oder so missbrauchte. Am liebsten hätte ich selbst drauf los geheult, da ich weder ein noch aus wusste. Doch schließlich nahte die Rettung in meiner Not. Bofur hatte sich inzwischen unter großer Mühe seine Mütze wieder aus dem Gesicht gezerrt und war von seinem Sessel aufgesprungen. Umgehend schob er Kili ein wenig beiseite und trat an mich heran, um mir behutsam einen Arm um die Schulter zu legen. "Cuna. Cuna. Ganz ruhig. Sieh mich an", sagte er mit ernstem Ton und ein wenig lauter, sodass ich ihn überhaupt hören konnte. Völlig aufgelöst und fast am Ende mit meinen armen Nerven hob ich den Blick und sah ihm in sein ernstes Gesicht. Er strahlte eine unglaubliche Ruhe und Gelassenheit aus, die mich angesichts meiner misslichen Lage kurz schlucken ließ. Dann versetzte er mir einen sanften Druck an der Schulter, womit er mich unweigerlich in Richtung seines Sitzplatzes komplementierte. Leicht zitternd und verunsichert gab ich seiner wortlosen Geste nach, bis ich fast davor stand. "Komm. Setz dich hier hin. Aber ganz langsam", meinte er und löste einen Moment den Arm um meine Schulter, damit ich Platz nehmen konnte. Doch konnte ich mich zunächst nicht wirklich dazu hinreißen lassen. Stattdessen sah ich ihn nur verwirrt an und stammelte: "Bofur. Bitte. Willst du ihn nicht. Vielleicht. Ich meine. Bei dir ist er ruhiger." Doch der Mützenzwerg schüttelte nur wie die anderen den Kopf. Allerdings aus anderen Gründen. "Nein. Das wirst du machen. Frau Marina hat ihn dir anvertraut. Du wirst ihn beruhigen. Jetzt setz dich hin", entgegnete er sachlich. Als ich jedoch immer noch keine Anstalten machte, mich hin zu setzten, drückte er mir sanft, aber energisch beide Hände auf die Schultern, womit er mich schlussendlich doch in den Sessel hinein zwang. Nun saß ich zwar, aber das machte meine Situation vorläufig immer noch nicht besser. "Was... Was soll ich denn jetzt machen?", quiekte ich ihm entgegen und hoffte indessen, dass er mir den Schreihals doch noch abnehmen würde. Allerdings machte er diese im nächsten Moment schon wieder zunichte, da er aus meinem Blickfeld verschwand, um sich hinter meine Sitzgelegenheit zu stellen. Er behielt weiterhin seine Hände auf meinen Schultern und fuhr im selben ruhigen Tonfall fort: "Ganz ruhig, Cuna. Ich bin bei dir. Lehn dich zurück und atme ein paar Mal ganz tief durch, ja?" "Jetzt sag mir nicht, dass ich wieder an was Schönes denken soll. Das hat vorhin auch nicht geholfen", entgegnete ich aufgebracht und wollte schon wieder aufspringen. Doch wie es bei jedem Zwerg so war, hielt er mich mit eisernem Griff davon ab, mich so zu bewegen, wie ich es in diesem Moment wollte. "Cuna. Du verkrampfst zu sehr. Der Junge spürt, dass du Angst hast. Deshalb schreit er auch so. Jetzt tu was ich dir gesagt habe. Vertrau mir", sagte er schon fast in einem ungewöhnlich barschem Befehlston, den ich in dieser Art noch nie von ihm gehört hatte. Vermutlich war es genau dieser Wortlaut, der mich mit einem Mal dazu bewog, seiner Anweisung stumm Folge zu leisten. Denn ich lehnte mich nun widerstandlos zurück und begann ganz langsam und leicht zitternd durch zu atmen. Der Mützenzwerg brummte hinter mir nach einer Weile zufrieden und gab mir in einem ruhigeren Ton weitere Anweisungen: "So ist gut. Wenn es dir hilf, dann schließ einen Moment die Augen. Du musst erst vollkommen ruhig werden. Lass die Arme lockerer. Drück den Kleinen nicht so fest an dich, sonst erstickt er noch. Er braucht ein wenig Platz." Wieder folgte ich gehorsam, auch wenn ich mir insgeheim unglaublich dämlich bei der ganzen Sache vor kam. Vor allem, als ich die Augen schloss, da ich mich nun ganz auf meinen Körper und den des Säuglings konzentrieren musste. Zumindest hatte ich durch den Mützenzwerg ein bisschen Halt und Unterstützung bei der Prozedur. Eines musste ich ihm dabei lassen. Er wusste genau, wie ich mich richtig zu verhalten hatte. Doch irgendwie hätte ich mir in diesem Augenblick gewünscht, dass nicht er, sondern Thorin an meiner Seite stand, um mich anzuleiten. Obwohl es im Moment sehr makaber war, mir dies zu wünschen, wo ich ihn auf der anderen Seite auch wieder nicht da haben wollte. Und doch. So sehr ich Bofur nun mein ganzes Vertrauen schenkte, es war einfach nicht das Selbe. Wehmut breitete sich in meiner Brust aus. Wehmut und Frust. Beides schien mich buchstäblich zu überwältigen, als ich spürte und auch hörte, wie Benni immer ruhiger wurde, nachdem sich meine Arme wie von selbst lockerten. Nun löste sich der Mützenzwerg von meinen Schultern und hockte sich spürbar neben den Sessel, wobei er mit einigen vorsichtigen Handgriffen meine Arme noch etwas mehr zurecht rückte. "Wunderbar. Das machst du wirklich gut. Jetzt kannst du ihn ganz behutsam schaukeln", meinte er und ich führte seine Anweisung erneut aus. Langsam, aber stetig verstummte das Gequängel und wich einem friedlichen, sinnfreiem Gebrabbel. Nun konnte ich aus dem ganzen Raum auch wieder die Stimme der anderen Zwerge hören, die ungläubig vor sich hin murmelten. "Bei Durins Bart", stieß Nori mit ehrfürchtigem Flüstern hervor. "Oh Cuna. Wenn du dich gerade sehen könntest", murmelte Fili, der zusätzlich noch ein belustigtes Schnauben von sich gab. "Ich. Ich will mich gerade gar nicht sehen. Ich will überhaupt nichts sehen", erwiderte ich mit leicht belegter und recht hoher Stimmlage. Ich fühlte mich unsagbar schlecht. Das war irgendwie nicht Meins. Mal so gar nicht. Denn es rüttelte an Dingen, die ich versuchte zu verdrängen. Gefühle, die ich nicht zulassen wollte. Und doch wurden sie von Sekunde zu Sekunde stärker. Doch konnte ich sie noch nicht ganz begreifen. Ich verstand nicht, wieso ich mit einem Mal ohne Bofurs Hilfe von selbst meine Position wechselte, damit der Kleine es noch bequemer hatte. Was war es nur? Dieses Empfinden, das plötzlich mein ganzes Wesen einnahm? Woher kam auf einmal diese Gelassenheit? Die Geborgenheit? Die Ruhe? Ja, sogar die Freude, die sich mit einem zögerlichen, aber immer deutlicher werdenden Lächeln auf meinem Gesicht abzeichnete? Noch immer hatte ich die Augen fest verschlossen und fühlte nur, das zerbrechlich wirkende, kleine Wesen, das sich brabbelnd in meiner Armbeuge wand. Ich konnte spüren, wie sich mein Herzschlag nach der ganzen Aufregung beruhigte und dennoch unglaublich schnell in meiner Brust pochte. Ich atmete immer noch sehr tief durch. Fühlte die Wärme des kleinen Wesens. Und dann waren sie plötzlich da. Bilder. Tausende von Bildern überfluteten meinen Geist. Eines schöner als das Andere. Zunächst konnte ich mich selbst sehen, wie ich im Badezimmer meines Apartments stand und ungläubig auf einen positiven Schwangerschaftstest starrte. Auf dem nächsten befand ich mich bereits in der Wohnung und hielt diesen Thorin unter die Nase, der mich daraufhin an den Hüften packte und lachend mehrere Male um sich herum im Kreis drehte. Dann waren da die ersten Besuche beim Frauenarzt, wo ich und der Zwergenkönig gemeinsam, die Ultraschallbilder unseres Nachwuchses in Augenschein nahmen. Davor schob sich das Nächste. Ich mit einem inzwischen prallen, runden Bauch, in dem es ganz behutsam zu klopfen schien, während mein Zukünftiger ungläubig die Hände darauf legte, bevor er mich anstrahlte und wir uns liebevoll küssten. Dann sah ich ein Krankenhauszimmer. Ein Bett in dem ich selbst lag. Wo ich nach Leibeskräften und unter Anleitung der Ärzte und Schwestern versuchte mein Kind zur Welt zu bringen. Und wieder war Thorin an meiner Seite. Er hielt meine Hand. Wich keinen Zentimeter von mir ab. Gab mir Anweisungen. Stand mir in jeder einzelnen Sekunde bei, die ich unter großen Schmerzen verbrachte. Danach wurde alles ein wenig verschwommen. Mein Geist schien sich über die weiteren Abfolgen etwas uneinig zu sein. Mal sah ich ein Mädchen mit rabenschwarzen Haar und Eisblauen Augen, dass lachend auf den Schultern seines Vaters saß. Dann einen Jungen, der dem Mädchen sehr ähnlich war. Dieser versuchte mit einem Holzschwert gegen einen Plüschdrachen zu kämpfen, welchen ich ihm zu Weihnachten schenkte. Danach sah ich sogar mehr als nur ein Kind. Zwillinge. Drillinge. Mein Verstand schien innerhalb von Nanosekunden regelrecht Amok zu laufen. Alles drehte sich in meinem Kopf, sodass mir fast schon wieder schlecht wurde. Die Flut an Bildern war einfach zu übermächtig. Zum Glück bemerkten die Zwerge dies rechtzeitig, weshalb Kili begann mich an meiner linken Schulter zu rütteln. "Cuna? Cuna, was hast du? Geht es dir nicht gut?", fragte er besorgt. "Ich. Ich fühl mich so komisch. Das. Das ist so... unglaublich... sch...schön...", gab ich nuschelnd von mir, wobei mir durch sein Rütteln der Kopf ein wenig auf die Brust sank. "Schön? Was in Durins Namen... Bofur, was hast du mit ihr angestellt?!", kam es leicht vorwurfsvoll von Fili. "Ich habe gar nichts getan", entgegnete er und legte mir vorsichtig eine Hand von den Oberschenkel. "Du hast die ganze Zeit auf sie eingeredet. Und nun lächelt sie unentwegt, als hätte sie den Verstand verloren", fuhr ihn Nori ungehalten aus dem Hintergrund an. "Ich schwöre es euch. Ich weiß nicht, was sie plötzlich hat", rief der Mützenzwerg nach hinten, wobei auch seine Stimme langsam nervöser wurde. "Kannst. Kannst du nicht irgendwie machen, dass sie wieder damit aufhört? Sie. Sie macht mir Angst", begann Ori zu jammern. "Wie? Ich weiß ja nicht mal was sie hat?", erwiderte Bofur ziemlich ratlos. "Mutterinstinkte", drang es mit einem Mal ganz unverhofft an meine Ohren. Die Stimme unserer Gastgeberin wehte urplötzlich so sanft und doch so direkt durch den Raum, dass ich erschrocken den Kopf hob und ruckartig die Augenlider öffnete. Schlagartig verschwanden die schönen warmen Bilder aus meinem Bewusstsein und wichen dabei der eiskalten Realität. Genau der grausamen Realität, wo ich kein glückliches Familiendasein führte und Thorin und ich miteinander keine Probleme hatten. Denn dort musste in wenigen Stunden eine schwere Entscheidung getroffen werden. Liebe oder Leid. - 90. Baby-Blues / ENDE - Kapitel 91: 91. Familienbande ----------------------------- In aller Seelenruhe und mit einer Miene, die kein Wässerchen trüben konnte, schritt Marina schwer bewaffnet mit Kehrbesen, Schaufel und Putzeimer samt Lappen in Richtung Sofa. Sie schob mit einem freundlichen, entschuldigenden Lächeln Kili beiseite, der sie leicht verwirrt musterte, als sie sich auf den Boden kniete und die Scherben des zerbrochenen Wasserglases gemächlich auf die Schaufel schob und dann im Eimer versenkte. Ich schluckte unterdessen wiederholt und rutschte vorsichtig, aber unbehaglich auf dem Sessel herum. Die Worte dieser fremden, gutherzigen Frau geisterten mir immer noch durch den Kopf. Mutterinstinkte? Ich? Um Himmels willen! Das konnte doch nicht sein! Das durfte einfach nicht sein! Doch nicht in diesem Augenblick. Noch dazu gegenüber einem kleinen Würmchen, das nicht einmal meins war und brabbelnd in meine Armbeuge lag, und in die Nähe meines Bauches sabberte, wie ich feststellen musste. Zumindest schrie Benni nicht mehr, was die Lage zwar deutlich entspannte, aber auf der anderen Seite für mich nicht besser machte. Ich konnte doch unmöglich einem so spontanen Anfall von hormongesteuertem Größenwahn verfallen sein. Ich? Mutter? Kinder? Mit Thorin? Ausgerechnet, wo wir noch im Streit lagen? Und doch. Bei einem erneuten Gedankenschwenk daran, fühlte ich eine unerklärliche Wärme in meiner Brust, die sich langsam in meinem Bauch ausbreitete und bald in sämtliche Glieder meines Körpers rutschte. Ich löste den Blick von Marina und widmete meine Aufmerksamkeit nun ihrem Sohn. Er sah ihr wirklich sehr ähnlich. Dunkelbraunes Haar und ein sonniges Lächeln, das bis in seine unschuldigen moosgrünen Augen hinein strahlte. Himmel, Gesäß und Nähgarn. Sonst hatte ich nie ein Bedürfnis das zu denken. Aber nun dachte ich es und der Gedanke ließ mich erneut flüchtig schmunzeln. Der Kleine war einfach zum anbeißen süß. Hilfe! Das war doch nicht normal. Das war einfach nur unheimlich. Vor allem da ich mir aus unerfindlichen Gründen nicht mal ein wehmütiges Seufzen verkneifen konnte, als Bofur sich dazu anschickte ihn mir abzunehmen. "Na komm. Gib ihn mal her. Ich glaube ich hab dich lange genug leiden lassen", meinte der Mützenzwerg mit einem ruhigen, aber leicht verlegenen Lächeln. Vermutlich war ihm mein plötzlicher Gemütswandel genauso unheimlich, wie den anderen im Raum auch. Nori hatte den Mund verzogen, sein kleiner Bruder schüttelte immer wieder ungläubig den Bart, und Fili und Kili warfen sich die ganze Zeit über irritierte Blicke zu. Nur unsere Gastgeberin lächelte weiterhin ruhig und begann ein wenig zu glucksen, als sie Bofurs Kommentar hörte. "Für mich sah Ihre Freundin aber alles andere als leidend aus. Ich hatte eher den Eindruck, dass es ihr gefallen hat. Mich wundert es sowieso, dass sie beide noch keine Kinder haben, wo Sie doch ein wirklich wundervoller Vater sein könnten, Herr Bofur", sagte sie gut gelaunt und füllte den letzten Scherbenrest klimpernd in ihren Eimer, bevor sie mit dem Lappen das Wasser aufnahm. Schlagartig fuhr mir die Schamröte bis unter die Haarspitzen und ich warf dem Mützenzwerg einen erschrockenen, verwirrten Blick zu. Bofur hatte mit Marinas Aussage genauso wenig gerechnet wie ich, weshalb er nicht umhin konnte mich ebenso anzustarren, wie ich ihn. Was zu Henker hatte er ihr denn über mich erzählt? Ich konnte mir kaum vorstellen, dass er ihr gesagt hatte, dass ich seine Gefährtin war. Er war zwar manchmal ein wenig schusselig, aber für so saudämlich hielt ich ihn dann doch nicht. Es konnte natürlich auch sein, dass unsere Gastgeberin vielleicht aus einem falschen Kontext heraus etwas völlig anderes interpretierte. Oder womöglich aus dieser reichlich vertraulichen Situation, in der sie uns so inflagranti erwischt hatte. Wobei, was hieß da erwischt? Wir waren in ihrem Wohnzimmer. Sie durfte in ihrer Wohnung machen was sie wollte. Und wir hatten nichts Unanständiges getan. Nein. Bofur hatte mir nur mal wieder in einer Notlage den Allerwertesten gerettet. Auch wenn das zu dieser extrem peinlichen Schweigeminute führte. Zumindest hatte er im Gegensatz zu mir seine Zunge nach geraumer Zeit wieder lockern können, weshalb er versuchte die Situation irgendwie aufzuklären. "Ich. Ich. Das muss ein Missverständnis sein, Frau Marina", stammelte er verlegen. "Nicht? Ich dachte, Sie hätten gestern gesagt, dass Sie Ihrer Freundin beim Einzug helfen würden. Und so vertraut, wie Sie gerade miteinander umgegangen sind, da dachte ich...", sagte sie und hob mit einem fragenden Blick den Kopf. "Ähm. Nein, nein, nein, nein, nein. Bofur und ich. Wir. Wir sind kein Paar. Er. Wir sind einfach nur Freunde. Mein. Mein Mann ist oben", entgegnete ich hastig und wedelte dabei abwehrend mit den Händen. "Oh. Dann entschuldigen Sie. Das muss ich wohl falsch verstanden haben. Wobei sie zusammen doch ein süßes Paar abgegeben hätten", meinte sie und lächelte dabei freundlich. "Das fehlte gerade noch....", kam es mit einem leisen, aber deutlichen Grollen von dem dunkelblonden Zwerg auf dem 'Hello-Kitty' Sitzsack. Oris Tonfall ließ mich augenrollend zu ihm herüber schauen. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und zog eine beleidigte Schnute. Sicher. Für ihn war es schon schlimm genug, dass ich mich für Thorin und nicht für ihn entschieden hatte. Aber wenn auch noch Bofur mit in dieses verkorkste Liebesdrama mit einstieg, sah er wohl für sich erst recht die Chancen schwinden. Vor allem da er zu feige gewesen war, mir bei dem Säuglingsproblem zu helfen. Vermutlich dachte er nun, dass er damit vielleicht Punkte bei mir hätte sammeln können, wo es doch zwischen meiner ersten Wahl und mir kriselte. Er schien immer noch nicht verstanden zu haben, dass ich nicht mehr als Freundschaft für ihn übrig hatte. Doch so langsam ging mir das ganze Theater echt auf den Sack. Ja. Er war niedlich und ein echt lieber Zwerg. Aber wenn er weiterhin so sehr darauf pochte mich rum kriegen zu wollen, mit was auch immer, dann müsste ich wohl oder übel direkter werden. Was im Endeffekt wohl keinem vom uns beiden Freude bereiten würde. Vorerst ließ ich seine Aussage aber einmal so im Raum stehen und wand mich wieder unserer Gastgeberin zu, die sich nun von ihrer Putzarbeit erhob. "So. Ich bringe eben die Scherben in den Müll, dann bekommen Sie ein neues Wasser, ja?", meinte sie und wollte schon in die Küche verschwinden, doch da schaltete sich Nori ein. "Verzeiht, Frau Marina. Aber ich denke das wird nicht nötig sein. Wir sollten langsam aufbrechen. Wir haben Eure Gastfreundschaft lange genug in Anspruch genommen und man erwartet uns gewiss schon ungeduldig", erklärte er sachlich und deutete mit einem Nicken eine kurze Verbeugung an. "Oh. Wirklich? Nun ja. Das ist natürlich schade. Aber Sie haben bestimmt noch einiges zu tun. Ich weiß ja selbst, wie stressig solche Umzüge sein können. Warten Sie trotzdem noch einen Augenblick, bis ich das hier weg geworfen habe. Dann kann ich Ihnen Benni abnehmen und Sie verabschieden", erklärte Marina, wobei ihr Gesicht einen leicht enttäuschten, müden Ausdruck annahm. Ihr schien es gar nicht recht zu sein, dass wir uns bereits wieder auf den Weg machen wollten. Doch ich musste dem Zwerg mit der stachligen Haarpracht durchaus recht geben. Wir waren schon lange genug in diesem fremden Wohnzimmer. Und oben warteten bereits die Anderen auf unsere Rückkehr. Daher machten wir uns zügig Aufbruchsbereit, als sie das Zimmer nun in Richtung Küche verließ. "Schaffst du den restlichen Aufstieg denn, Cuna? Du siehst noch ein wenig blass aus", hakte Fili ein wenig besorgt nach und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich schnaufte kurz und nickte dann matt. "Es wird schon gehen. Hab ja ein paar Kopfschmerztabletten genommen. Das hilft schon ein bisschen", erklärte ich und lächelte ihn flüchtig an, nachdem ich aufgestanden war und mich gestreckt hatte. "Gut. Wenn du dir da sicher bist. Aber sag uns bitte sofort, wenn es dir doch schlechter geht", meinte Kili und trat hinter dem Sofatisch hervor. "Jetzt macht euch nicht immer solche Sorgen um mich. Ich weiß, ich sehe im Moment ziemlich scheiße aus. Aber glaubt mir. Es geht mir schon viel besser", entgegnete ich und tapste in Richtung Diele. Als ich etwa in Höhe der Küchentür angelangt war, warf ich einen kurzen Blick hinein. Auch diese war ein einziges Sammelsurium an Schränken, Stühlen und anderem Krimskrams, der bunt zusammengewürfelt im Raum stand. Einen richtigen Küchentisch hatte sie nicht. Nur eine kleine, flache Theke, an der ein Hochstuhl für ihren Sohn und einer dieser nervigen, weißen Plastik-Gartengarnieturen dran standen. Offenbar waren all ihre Möbel Geschenke und Leihgaben von Eltern, Freunden und Verwandten. Vielleicht war auch das ein oder andere aus ihrer vorherigen Wohnung vorhanden. Viel Neues hatte sie aber offenbar nicht. Außer einem recht großen, schmalem, braunen Paket, welches sie an die Wand neben die Mülleimer gelehnt hatte. Über diesen stand sie nun leicht gebeugt mit dem Rücken zu mir und ließ dabei scheppernd die Scherben in die Behälter fallen. Danach richtete sie sich mit einem tiefen Seufzen auf und machte ein paar Schritte rückwärts. Dummerweise stieß sie dabei genau gegen dieses Paket, woraufhin es kippte und mit einem dumpfen Platschen auf dem weiß gefliesten Boden landete. "Ach verdammt noch mal", grollte sie mürrisch und drehte sich zu mir um. Bedauerlicherweise konnte ich mir ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen. So sonnig ihr Gemüt auch war, sie war trotz allem immer noch eine ganz gewöhnliche Frau, die sich ab und zu über ihre eigene Schusseligkeit ärgerte wie ich. Als sie mich im Türrahmen bemerkte, erschrak sie einen Moment lang, bis sie mein Schmunzeln bemerkte und dieses erwiderte. "Ja. Wie ich vorhin schon sagte, ich werfe auch immer wieder Sachen um", meinte sie daraufhin mit einem unsicheren Kichern. Dann stellte sie ihre Putzsachen beiseite und kniete sich hin, um den Karton wieder aufzurichten. Dieser schien doch ziemlich schwer zu sein. Denn sie ächzte ein wenig, als sie versuchte ihn anzuheben. "Warten Sie. Ich helfe Ihnen", meinte ich und stiefelte dann ohne eine Antwort abzuwarten zu ihr, damit wir das Ding gemeinsam hin stellen konnten. Tatsächlich wog der Inhalt mehr, als der Karton den Anschein machte. Doch zusammen schafften wir es, das Ding wieder so hinzustellen, dass es nicht erneut kippte. "Oh, vielen Dank. Sie sind wirklich genauso freundlich, wie Herr Bofur Sie beschrieben hat", meinte sie lächelnd. "Ach was. Ich hab zu danken. Sie haben mich hier behandelt, obwohl mich jeder andere draußen hätte sitzen lassen", sagte ich und erwiderte das Lächeln freundlich. "Das Wohl der Menschen war immer meine Aufgabe. Deshalb bin ich auch Krankenschwester geworden. Ich liebe es einfach. Auch wenn es an manchen Tagen sehr hart sein kann. Trotzdem hoffe ich, dass ich nach meinem Mutterschutz und dem Erziehungsurlaub wieder in meinen Beruf zurück kann. Das heißt, wenn ich für Benni einen geeigneten Kita-Platz oder eine Tagesmutter finde. Aber das dauert ja noch ein paar Jahre", sagte sie und streckte dabei leicht stöhnend den Rücken durch. "Muss ganz schön hart sein, sich zum Einen allein um ein Kind zu kümmern, den Haushalt zu führen und dann wieder in einen Job kommen zu wollen. Ich bin schon mit zwei Sachen davon überfordert", meinte ich und streckte mich ebenfalls. Marina lachte kurz und schüttelte dann den Kopf, bevor sie erwiderte: "So schwer ist das nicht. Ich bin ja nicht ganz allein. Meine Eltern kommen gelegentlich her und erledigen einige Sachen für mich. Meine Mutter passt auf Benni auf und mein Vater repariert dann ein paar Kleinigkeiten. Aber wo Sie mich gerade daran erinnern. Ich müsste ihn wohl gleich mal wegen diesem schauderhaften Ding da anrufen." Ich hob ein wenig fragend die Augenbrauen, als sie auf das Paket deutete. Erst dabei bemerkte ich das große, blaue Logo drauf. Es war von einem der vielen tausend Babyausstattern, die ihre Waren nicht nur in Geschäften, sondern auch im Internet zu teilweise erschwinglichen, aber manchmal auch viel zu überteuerten Preisen anboten. Das musste wohl der Postbote gebracht haben, der zuvor da gewesen war. Irgendwie tat mir der arme Kerl ja schon ein bisschen leid. Das Teil war wirklich schwer gewesen. Nicht auszudenken, wie es für Marina gewesen wäre, wenn dieser sich mangels, funktionstüchtigen Aufzuges geweigert hätte es rauf zu bringen. Mal wieder ein Punkt, den man auf der Contraliste einer Alleinerziehenden machen musste. Denn manche Sachen bekam Frau allein einfach nicht gewuppt. Schon gar nicht welche, die so schwer waren. Da fehlte dann doch der Mann im Haus. Gut, ich würde was das anging doch besser klar kommen. Mein Vater hatte sowohl mir, als auch meinem Bruder beigebracht, dass man gewisse handwerkliche Tätigkeiten, wie zum Beispiel auch den Reifenwechsel beim Auto selbst machen musste. Da machte er nie unterschiede ob Junge oder Mädchen. Und geschadet hatte es mir nicht. Ich konnte auch gut Gegenstände zusammen bauen. Sofern es eine Anleitung gab, die man lesen und verstehen konnte. Ohne dieses alberne Fachchinesisch. Ich hatte als Kind auch gerne mit dem weltberühmten Lego herum gebaut. Wobei meine Häuser doch eher unter die Kategorie buntgemixter Steinhaufen gezählt hätten. Das lag aber auch daran, dass ich von keiner Farbe genug Steinchen gehabt hatte. In späteren Jahren konnte ich aber dadurch bereits meine eigenen Möbel aufbauen. Das war ein ums andere Mal besonders hilfreich. Auch weil mein Verblichener häufig die Geduld mit so etwas verloren hatte, da er sich, wie jeder Mann, nicht wirklich an die Anleitung hielt. Aus reiner Neugierde musterte ich das Paket noch einmal eingehend, um den Inhalt vielleicht erraten zu können. Marina bemerkte meinen prüfenden Blick und beantwortete meine unausgesprochene Frage schlicht mit den Worten: "Ein Kinderbettchen für Benni." Ein wenig ertappt schreckte ich auf und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. "Verzeihung. Ich wollte nicht so aufdringlich gaffen", meinte ich, doch sie kicherte nur. "Ach, das macht doch nichts. Aber ich denke, wir sollten jetzt zu ihren Freunden zurück. Die warten auch schon ungeduldig", meinte sie und blickte an mir vorbei zur Küchentür. Hinter mir hörte ich ein mehrstimmiges, verlegenes Hüsteln, ehe ich mich umdrehte und alle fünf Zwerge in verschiedene Richtungen blicken sah. Außer Nori, der direkt in den Raum schaute. "Können wir los?", fragte er und nickte dabei ungeduldig zur Wohnungstür. "Ja. Ich denke schon", meinte ich und kam gefolgt von unserer noch Gastgeberin aus der Küche. Diese nahm wenig später dem guten Bofur ihren Sohn ab, der nun wieder sie voll sabbern konnte und lächelte uns dann noch einmal breit an. "Vielen Dank noch mal, für den netten Besuch", sagte sie, als Nori schon die Tür nach draußen öffnete. "Nein. Wir danken Euch für Eure Gastfreundschaft und dass Ihr Cuna behandelt habt, Frau Marina", entgegnete Fili und verneigte sich tief. Sein Bruder und Ori taten es ihm gleich und folgt schon einmal dem Zwerg mit den hellbrauen Haaren hinaus auf den Außenbalkon. Ich blieb unterdessen noch mit Bofur zurück, um mich noch einmal persönlich zu bedanken. Doch bevor ich dazu kam, meldete sich der Zwerg mit der Mütze zu Wort, welcher diese mit einer leicht betretenen Miene abnahm. "Also. Frau Marina. Auch von mir noch einmal von Herzen Danke, dass Ihr Cuna geholfen habt. Solltet Ihr noch einmal Hilfe brauchen, dann... ähm... ", meinte er, doch weiter kam er nicht. Als ich ihn flüchtig musterte, bemerkte ich, dass er seine Mütze ein wenig zerdrückte und ein leicht zerknirschtes Lächeln aufsetzte. Ich ahnte schon, was er eigentlich hatte sagen wollen. Doch insgeheim schien er schon damit zu rechnen, dass er sie wohl nie wieder sehen würde. Vermutlich war es nämlich schon an diesem Tag Zeit für die Rückreise nach Mittelerde. Es tat schon ein bisschen weh ihn so leiden zu sehen. Er war doch von Grund auf ein wirklich anständiger Zwerg. Und er hatte mir mal wieder ordentlich den Hintern gerettet. So konnte ich das nicht einfach enden lassen. Auch wenn ich mich da vermutlich wieder in Dinge einmischte, die mich eigentlich nichts angingen und nur den Abschied hinaus zögerten. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es zwischen den Beiden gefunkt hatte. Zumindest bei ihm war das sehr deutlich. Und wenn ich ehrlich zu mir war, dann hatte der Mützenzwerg ein klein wenig Glück und Sonnenschein in seinem Leben verdient. Deshalb räusperte ich mich kurz, als sich die Beiden einen Moment schweigende, aber doch vielsagende Blicke schenkten und meinte: "Ach Bofur. Vielleicht kannst du doch noch etwas für Frau Marina tun." "Wie? Wa-Was denn?", fragte er etwas erschrocken, da er mich wohl vollkommen vergessen hatte."In der Küche steht ein Karton mit einem Kinderbettchen für Benni. Vielleicht kannst du das für sie aufbauen. Dann braucht sie ihren Vater nicht her holen. Das kannst du doch, oder?", hakte ich ruhig und mit gespielt gleichmütiger Stimme nach. Schlagartig wandelte sich seine leicht zerknirschte Miene. Seine Züge erhellten sich und er warf sowohl mir, als auch unserer Gastgeberin einen verwirrten Blick zu. Diese kicherte amüsiert, wand sich dann aber zunächst an mich mit der Frage: "Das ist wirklich sehr nett, dass Sie das vorschlagen. Aber brauchen Sie oben nicht noch Hilfe?" "Oh. Nein. Nein. Ich habe oben noch zwölf von der Sorte. Ich denke da kann ich einen entbehren. Außerdem müssen Sie dann nicht so lange warten, bis die Arbeit erledigt ist", erklärte ich ihr freundlich, woraufhin sie noch mal amüsiert kicherte. "Also gut. Wenn Sie ihn mir empfehlen können. Dann nehme ich Ihr Angebot gerne an", meinte sie und warf dann Bofur ein sehr liebliches Lächeln zu. Diesem schien in dem Augenblick unglaublich warm zu werden, denn er fächerte sich mit seiner Mütze etwas Luft zu. "Ich. Ich. Also. Wenn. Wenn ich darf, dann...", stammelte er mit ungewöhnlich heiserer Stimme. "Aber natürlich dürfen Sie. Sie sind doch eine so charmante Gesellschaft. Außerdem kann ich in der Zeit Benni stillen", sagte sie und wie aufs Stichwort fing ihr Sohn auch schon wieder an zu mosern. Mutterinstinkte. Aber vom Feinsten, dachte ich. Kurz drauf musste ich dann schmunzeln, als der Mützenzwerg sich seine Kopfbedeckung wieder aufsetzte und mit einer hastigen Verbeugung und federnden Schritten in die Küche stürmte, wo er sich umgehend raschelnd am Karton zu schaffen machte. Bei seinem überstürzten Abgang wäre er auch noch fast über seine eigenen Stiefel gestolpert, was mich ebenso zum Lachen brachte. Dann verabschiedete ich mich noch kurz von Marina mit den Worten: "Sie können ihn mir ja hoch schicken, wenn er fertig ist." "Das werde ich machen. War nett Sie kennen gelernt zu haben. Vielleicht können Sie mich ja mal wieder besuchen wenn Sie Zeit haben", sagte sie und wandte sich schon von mir ab, da ihr Kleiner mehr und mehr nach ihrer Aufmerksamkeit verlangte. "Das werde ich. Danke noch mal", erwiderte ich. Ich wollte auch endlich gehen, als Bofur munter pfeifend mit dem schweren Paket auf dem Armen aus der Küche heraus kam, als wäre es nichts und mich noch einmal anhielt. "Warte Cuna. Noch kurz auf ein Wort", sagte er und stellte es in der Diele ab, ehe er mich am Arm packte. Was dann kam, hätte ich so nicht von ihm erwartet. Er zog mich für einen kurzen Moment an sich und schmatze mir dann unversehens, rein freundschaftlich auf die Wange, ehe er mir ins Ohr flüsterte: "Danke dir. Du bist eine echte Freundin." Ich kicherte nur verlegen und schüttelte dann den Kopf. "Gern geschehen. Aber versau es nicht. Die Frau ist eine verdammt gute Partie", entgegnete ich zwinkernd und löste mich dann von ihm. Er grinste nur wie ein Honigkuchenpferd und murmelte: "Da kannst du dir sicher sein. Bis nachher." Daraufhin verneigte er sich mit einem leichten Nicken, schob seine Mütze gerade und verschwand dann ins Schlafzimmer. Nun konnte ich mich den restlichen Vieren widmen, die immer noch ungeduldig, aber mit verwirrten Gesichtern auf mich warteten. "Was in Durins Namen sollte das denn jetzt?", fragte Nori und schüttelte ungläubig den Bart, nachdem die Tür hinter uns ins Schloss gefallen war. "Was denn? Ich weiß nicht was du meinst", erwiderte ich schulterzuckend und marschierte ebenso munter pfeifend wie der Mützenzwerg in Richtung Treppenhaus. "Du weißt genau was ich meine. Warum lässt du Bofur bei dieser Frau hier unten?", hakte der Zwerg erneut nach und tapste mir zügig hinterher, bis wir auf derselben Höhe waren. "Ich war ihm was schuldig, weil er mir mit Benni geholfen hat. Und selbst dir dürfte nicht entgangen sein, dass er sich ein bisschen in sie verguckt hat", meinte ich schmunzelnd. "Ach. Und deshalb küsst er dich auf die Wange?", kam es von Ori, der hinter mir mal wieder ein verärgertes Grollen von sich gab. "Das war rein freundschaftlich und das weißt du auch, Ori. Davon abgesehen, was beschwerst du dich die ganze Zeit über? Du hättest auch schon die Chance auf einen Kuss von einem netten Mädchen haben können", warf ich über die Schulter zurück. Daraufhin erwiderte der dunkelblonde Junge nichts, sondern murmelte nur verlegen auf Khuzdul in seinen Bart hinein. Er wusste genau auf was ich mit meiner Aussage angespielte. Ich konnte zwar nur vermuten, was er wohl gerade sagte, aber es hatte mit Sicherheit mit dem Discoabend auf der Zeltstadt zu tun, an dem er mit meiner Bekannten Patchi ausgegangen war. Doch offensichtlich hatte er da die Chance nicht beim Schopfe gepackt, um sich von mir zu lösen, sondern vielmehr die Gute in den Wind geschossen. Offenbar, weil er sich weiterhin Hoffnungen machte, dass ich meine Meinung änderte. Ich konnte nur den Kopf darüber schütteln und tief seufzen, als ich nun eine Stufe nach der anderen nahm. Zwerge waren einfach zu kompliziert. Aber in diesem Fall konnte ich wirklich sagen, dass es sein eigenes Pech war. Denn ich glaubte nicht daran, dass er jemals noch eine Chance bei ihr bekommen würde. Schade war es natürlich schon um die Beiden. Sie hatten wie ein wirklich süßes Pärchen ausgesehen. Doch wie Fili es bereits erwähnt hatte, so würden sich Zwerge nicht noch einmal umentscheiden, wenn sie sich einmal in Jemanden verliebt hatten. Bei Menschen war das ja wesentlich anders. Einige konnten ihr Leben lang genauso wie sie nur den Einen oder die Eine lieben, andere liebten gleich mehrere auf einmal und wieder andere, so wie ich, konnten zwar einen lieben, aber nur, wenn der Vorherige nicht mehr da war. Sei es nun durch Trennung oder Tod. Da machte ich kaum Unterschiede. Doch als ich in diesem Moment daran dachte, begann wieder etwas an meinem Herzen zu nagen. Und zwar die bevorstehende Konfrontation mit dem Zwergenkönig, die mit jeder Stufe näher rückte. Doch nicht nur Thorin bereitete mir Sorgen, sondern auch seine beiden Neffen. Was wäre, wenn es tatsächlich zu einer Trennung kommen würde? Was würde dann werden? Wäre es nur eine auf Zeit? Wäre sie für immer? Was würde dann aus Fili und Jana? Sie würden sich vermutlich nie wieder sehen. Und das obwohl er sich so auf ein Wiedersehen mit ihr gefreut hatte. Aber auf der anderen Seite stand wiederum, dass ich mir nicht sicher sein konnte, ob Thorin seine Tat wirklich bereute und sich das Ganze nicht doch noch mal wiederholen konnte. Wäre es das wirklich wert? Konnte. Nein. Wollte ich meine Beziehung mit ihm wirklich aufrecht erhalten, mit der Begründung, seinem Neffen nicht das Herz zu brechen? Aber wenn ich Fili bei mir behalten würde, bis er vielleicht mit Jana zusammen zog, was war dann mit Kili? Er würde sicherlich ohne seinen großen Bruder noch mehr vereinsamen als ohnehin schon. Das konnte ich doch nicht über mich bringen. Nicht nachdem, was ich auf dem Spielplatz erfahren hatte. Das war unmöglich. Wenn, dann müsste ich sie beide bei mir behalten. Aber das konnte ich auch nicht tun. Ihr Onkel wäre am Boden zerstört. Die Familie wäre auseinander gerissen. Und das alles wegen einem schweren Streit. Chaos pur. Fragen über Fragen. Und die Meisten davon konnte ich selbst nicht beantworten. Am besten war es wohl, wenn ich sie selbst entscheiden ließe. Doch zuvor musste ich mit ihnen noch einmal unter Sechs Augen darüber reden. Und das bevor ich mich Thorin stellte. Wir erklommen die letzten vier Stockwerke schweigend und doch wesentlich leichter als zuvor. Dank Marinas Kopfschmerztabletten und dem Wasser war mein Kreislauf auch wieder soweit stabil. Doch gerade am letzten Treppenabsatz hielt ich plötzlich inne und blieb stehen. Die Zwerge die hinter mir liefen, bekam das natürlich zu spät mit, weshalb sie genau in mich hinein stolperten, was mich beinah zu Fall brachte. "Was... Warum bleibst du stehen, Cuna?", japste Ori, der mir direkt in den Rücken gelaufen und welchem wiederum Kili hinten drauf gestoßen war. "Schaffst du es nicht mehr? Soll ich dich das letzte Stück tragen?", kam es von Fili der an meiner rechten Seite auftauchte. Ich seufzte nur und schüttelte den Kopf. "Nein. Ich. Das ist es nicht", nuschelte ich und schaute dabei auf meinen linken Fuß, der schon auf der untersten Stufe stand. "Wenn es das nicht ist, dann komm doch weiter", meinte Nori verständnislos von weiter oben. Er stand schon an der gläsernen Tür zu meinem Stockwerk und hielt diese erwartungsvoll auf. Ich biss mir kurz verlegen auf die Unterlippe, als ich zu ihm aufsah und schnaufte dann betreten. "Ach. Nori. Geh doch schon mal vor und. Und kündige uns an, ja?", bat ich ihn nach ein paar schweren Atemzügen. Dieser nickte daraufhin nur knapp, auch wenn ihm dabei irritiert eine Augenbraue in die Stirn wanderte. Doch er verschwand kommentarlos und eilte voraus. "Ori. Du gehst deinem Bruder bitte nach", ergänzte ich und drehte mich zu diesem um. "Was? Aber... Aber warum denn?", fragte er und schüttelte verständnislos den Kopf. Ich atmete noch einmal ganz tief durch und seufzte: "Ich hab noch eine Kleinigkeit mit Fili und Kili zu klären. Familiensache." Der junge Zwerg öffnete kurz den Mund um etwas zu erwidern, doch als ich ihn bittend ansah, schloss er ihn wieder und nickte betreten. Er verstand, dass er in diesem Moment wohl nicht dabei sein durfte. Denn es war etwas wirklich Wichtiges und das sollte gerade ihn nicht betreffen. "Wir kommen gleich nach", warf ihm Kili hinterher, als sich Ori Wortlos an mir vorbei zwängte und seinem Bruder folgte. Ich meinte ihn zwar noch kurz am oberen Absatz inne halten zu hören, doch dann fiel die gläserne Tür ins Schloss. Nun war ich mit meinen beiden, angenommenen Brüdern allein und musterte einen nach dem anderen eingehend und ernst. Sie taten dasselbe mit mir, auch wenn ihre Mienen zusätzlich einen leicht fragenden Ausdruck annahmen. "Also. Worum geht es?", fragte der Ältere, nachdem wir uns eine Weile angeschwiegen hatten. Ich seufzte einmal gedehnt und strich mir kurz mit einer Hand über die freien Stellen meines Gesichtes. Es war für mich nicht leicht das Ganze anzusprechen. Doch auch ihr Schicksal und ihre beiden Leben hingen davon ab, wie das mit ihrem Onkel und mir nach dem Gespräch weiter ging. So sammelte ich meinen ganzen Mut zusammen und sah sie beide betreten und entschuldigend an. "Hört zu, Jungs. Ich. Also. Egal wie das gleich mit Thorin und mir endet. Ich. Ich möchte. Dass ihr beide wisst, dass ihr bei mir weiterhin ein Zuhause haben könnt. Vorausgesetzt natürlich, dass ihr das wollt. Ich will euch beide nicht auseinander reißen. Aber auch nicht von eurem Onkel fern halten. Ihr. Ihr seid schon länger eine Familie. Und ich will keinen Keil dazwischen treiben", erklärte ich und wollte eigentlich fortfahren, doch da fuhr mir Kili mitten ins Wort. "Cuna. Du treibst keinen Keil zwischen uns. Du gehörst mit zu unserer Familie, seit wir dich im Zeltlager getroffen haben. Du hast mir das Leben gerettet. Und das bedeutet uns sehr viel. Du bedeutest allen sehr viel. Und Thorin weiß das. Für ihn bist du genauso viel wert, selbst wenn du das im Moment nicht glauben magst oder kannst. Du bist unser Schwesterchen. Unsere Tante. Und unsere beste Freundin. Wir lieben dich beide fast genauso sehr wie unser Onkel. Glaub mir, es gibt nichts, was du zerstören könntest. Wir sind eine Familie und die kann nichts auseinanderreißen, hörst du? Gar nichts", meinte er und legte mir dabei mit einem zuversichtlichen Lächeln eine Hand auf die Schulter. "Ja. Aber. Wenn. Wenn es dazu kommen sollte, dass... Dass sich die Wege eures Onkels und meine trennen sollten, was wird dann aus euch? Er wird sicherlich nicht wollen, dass ihr weiterhin hier bleibt. Was wird dann aus dir und Jana, Fili?", fragte ich und warf dem Älteren dabei einen verunsicherten Blick zu. Doch dieser fing ihn nur gelassen auf und schüttelte seine blonde Mähne, bevor auch er eine Hand auf meine andere Schulter legte. "Wenn er wirklich denkt, dass sein gebrochener Stolz ihm wichtiger ist als mein Glück, dann werde ich mich gegen eine Rückkehr ins Reich der Götter aussprechen. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Dafür kenne ich ihn viel zu lange. Thorin war wie ein zweiter Vater für uns. Sicher. Er war hart zu uns. Hat uns bestraft, wenn wir Unsinn gemacht haben und uns auch das ein oder andere Mal übers Knie gelegt. Aber er war auch für uns da, wenn wir krank, verletzt und traurig waren. Er hat uns getröstet, uns Geschichten erzählt, Lieder vorgesungen und selbst wenn er ungemein beschäftigt war, hat er seine Arbeit nieder gelegt und sich unserer Sorgen und Probleme angenommen. Du kannst uns wirklich glauben. Das was er mit dir getan hat, war gewiss keine seiner gewollten Absichten. Er liebt dich von ganzem Herzen. Vielleicht tut er sich schwer damit es zu zeigen, weil er so viel Bitterkeit erfahren hat und ist deshalb verunsichert, wie er jetzt damit umgehen soll. Ich meine, was du geschafft hast, das ist bisher noch keinem gelungen. Nicht mal unsere Mutter hat es geschafft ihren Bruder dazu zu bringen, Tränen über den Verlust unseres Großvaters zu vergießen", meinte er ruhig und lächelte mich vielsagend an. Nun musste ich doch ein wenig schlucken. Nicht nur, weil mich die Worte der beiden Brüder so berührten. Nein. Sie schienen mitbekommen zu haben, was in der vergangenen Nacht im Badezimmer geschehen war. Gut, wie hätten sie auch nicht? Sie hatten bestimmt noch wach gelegen um darauf zu warten, dass wir zurück zum Sofa kamen. Was ja im Endeffekt nicht passiert war. Und wer weiß, wer es noch gehört hatte? Außer denen, die bei mir Wache gehalten hatten? Doch war mir das in diesem Moment eigentlich egal. Denn es schien ihnen nichts auszumachen. Im Gegenteil. Sie freuten sich darüber, dass ich bei ihrem Onkel offenbar einen wunden Punkt berührt und diesen auch noch so weit es ging heil überstanden hatte. Und doch war ich trotz all ihrer zuversichtlichen Worte immer noch verunsichert, ob der nächste Schritt nicht doch wieder in irgendeiner Katastrophe enden würde. So wie es bei mir passierte, wenn ich etwas in Angriff nahm. Vor allem, wenn es dabei inzwischen um Zwerge ging. Doch noch ehe ich meine Zweifel mit ihnen teilen konnte, zogen mich die beiden in eine ganz feste Gruppenumarmung, bei der mir fast die Luft weg blieb. Dabei murmelten sie weiterhin aufmunternde, tröstende Worte zu. "Ganz gleich, was passiert. Wir sind eine Familie. Uns kann nichts trennen. Weder eine Schlacht, noch der Tod. Und du erst recht nicht. Vergiss das nachher nicht, wenn du mit ihm sprichst", meinte Kili erneut, wobei sich seine Stimme leicht belegt anhörte. "Richtig. Wir bleiben zusammen. Komme was da wolle", murmelte Fili mit nicht minder belegten Tonfall. Ich schnaufte kurz erschrocken aufgrund ihrer spontanen Geste, doch dann legte ich auch meine Arme um die Beiden und spürte einmal mehr, wie sich das Wasser in meinen Augenwinkeln sammelte. "Ich. Ich danke euch Jungs. Ich hab euch so lieb", nuschelte ich ihnen leicht heiser und mit hoher Stimme zu. "Wir dich auch", entgegneten sie wie im Chor und drückten mich noch fester. Wir standen noch einige Minuten so reglos beieinander, bis ich nach einem kurzen Schniefen meinte: "Wir. Wir sollten jetzt langsam weiter. Sie warten schon auf uns. Nicht dass die einen Suchtrupp los schicken, weil sie denken, dass wir abgehauen sind." "Ja. Recht hast du", murmelte Kili und löste sich als Erster. Dann folgte sein Bruder. Ich wischte mir unterdessen noch einmal die Augen mit meinem Handrücken, nachdem ich diese wieder frei hatte und musterte die Beiden kurz. Meine Freunde. Meine Brüder. Die jungenb Zwerge waren einfach einmalig. Ihre Worte machten mir insgeheim wieder Hoffnung, dass vielleicht doch alles gut gehen würde. Doch nachdem wir den letzten Treppenabsatz eher schweigend genommen hatten und ich die Hand schon an der Türklinge hatte, hielt mich Fili noch mal ganz kurz an. "Warte mal, Cuna", meinte er und ich drehte mich mit fragendem Blick zu ihm um. "Was ist denn noch?", hakte ich nach. "Also. Ich möchte dir noch etwas mit auf den Weg mitgeben. Denn du wirst ja allein mit Onkel reden, nehme ich an", sagte er, wobei er ein bisschen herum druckste. "Was ist es denn? Nun sag schon", forderte ich und war natürlich irgendwie neugierig, was er vor hatte. Doch ehe er mir antwortete, streckte er seine rechte Hand vor sich aus, sodass sie genau zwischen uns dreien war. "Leg deine darauf. Dann legt Kili seine darüber, dann lege ich meine andere Hand darauf und so weiter", erklärte er kurz angebunden, aber mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Ich hob nur leicht verwirrt eine Augenbraue, zuckte aber dann mit den Schultern und tat einfach, was er von mir verlangte. Als ich es getan hatte, folgte auch schon Kili dem Wink, bis wir irgendwann einen kleinen Stapel aus unseren Händen gebildet hatten. "So. Und jetzt?", fragte ich mit erwartungsvollem Blick auf ihn. "Jetzt. sprich mir einfach nach. Khayamu!", sagte er und lächelte noch breiter. "Was? Kajak muh?", fragte ich verwirrt und sah wie beide unterdrückt kicherten. "Nicht Kajak Muh. Hör mal genau hin, wie ich es ausspreche. Khayamu", meinte Kili mit einem breiten grinsen. "Und was heißt das?", hakte ich nach, wobei ich innerlich leise seufzte, da sie schon wieder mit diesem schwierigen Khuzdulwörten um sich warfen, die ich nicht aussprechen konnte. Zumindest gab mir der Ältere nach meiner Frage direkt die Übersetzung dazu. "Das bedeutet, 'In den Sieg'. Es ist ein alter Schlachtruf unseres Volkes. Aber ich denke er wird dir bestimmt helfen und dir Mut machen", meinte er und sah mich dann erwartungsvoll an. Nun gab ich noch ein Seufzen von mir und schüttelte mit einem verlegenen Lächeln den Kopf. Wirklich. Die Zwei waren einfach nur Großartig. Ein bisschen verspielt und bekloppt, wie alle jungen Zwerge. Aber gerade deswegen einfach liebenswert. So atmete ich einmal tief durch, als Fili mich fragte, ob ich bereit war und nickte ihm dann mit entschlossener Miene zu. Dann übernahm Kili das Kommando und zählte von drei runter. Nach der Eins hoben wir dann gemeinsam die Stimmen, welche in dem leeren Treppenhaus bis in die untersten Etagen widerhallten, "Khayamu!" Als wir schließlich die Hände wieder voneinander lösten und ich die Tür zum Außenbalkon meines Stockwerkes aufstieß, erklang das Wort immer noch in meinem Gehörgang. Doch als ich sah, wer bereits auf unsere Ankunft wartete, war ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob ich an diesem Tag wirklich einen Sieg davon tragen würde. - 91. Familienbande / ENDE - Kapitel 92: 92. Entscheidungen und deren Folgen ----------------------------------------------- Wie nicht anders erwartet wurden Kili, Fili und ich bei unserer Rückkehr von den zurückgebliebenen Zwergen in Empfang genommen. Wobei es zunächst nur ein Zwerg war. Dwalin um genau zu sein. Er stand mit verschränkten Armen auf dem Außenbalkon und schaute uns mit seiner üblich grantigen Miene entgegen. Diese verhärtete sich allerdings noch ein wenig mehr, als wir schlussendlich direkt vor ihm standen. "Da seid ihr ja endlich. Was hat das so lange gedauert?", raunte er und musterte zunächst die beiden Jungs eingehend, ehe er einen flüchtigen Blick auf meine Erscheinung warf. Ich erwiderte diesen eher gleichmütig, obwohl es mich doch ein klein wenig nervös machte vor dem, was mir bevor stehen würde. Auch wenn sein Gesicht zunächst noch nicht ganz durchblicken ließ, was ihn beschäftigte. Nur eines wusste ich. Er stand nicht ohne Grund vor der Tür und versperrte uns mit seinem breiten Astralkörper den Zugang zu meiner Wohnung. Und meine Vermutung bestätigte sich wenig später. Denn er wartete nicht erst ab, bis wir auf seine Frage geantwortet hatten, sondern wand sich direkt an die beiden Jungs hinter mir. "Kili. Fili. Thorin will euch beide zuerst sprechen", meinte er knapp und ruckte mit dem Kopf zur Wohnungstür, die halb offen stand. Leicht verwirrt schaute ich über die Schulter und sah Beide fragende Blicke austauschen. Damit hatte nun keiner von uns gerechnet. Besonders die beiden jungen Zwerge nicht. Eigentlich hatten wir gedacht, dass der Zwergenkönig sich umgehend mit mir befassen würde, sobald ich wieder da war. Doch vermutlich wollte er zunächst noch ein Hühnchen mit seinen Neffen rupfen, bevor es ans Eingemachte ging. Die Jungs hatten sich ihm gegenüber vor nicht mal ganz zwei Stunden sehr respektlos und aufmüpfig verhalten. Das konnte eigentlich nur Ärger für sie bedeuten. Ein ungutes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus. Es konnte doch nicht sein, dass Kili und Fili vor unserer Aussprache dafür bestraft wurden, weil sie doch eigentlich richtig gehandelt hatten. Aber vermutlich war das mal wieder eine dieser Zwergenlogiken, die ich nicht nachvollziehen konnte. Und die Zwei offenbar auch nicht, denn sie machten noch keine Anstalten Dwalins Wink Folge zu leisten. Zumindest nicht, bis er noch einmal deutlicher wurde. "Braucht ihr zwei eine Extra-Einladung? Los! Rein mit Euch", raunte er barsch und die Jungs zuckten synchron zusammen. "Ja. Aber. Dwalin. Was ist mit Cuna? Sollte sie nicht...?", setzte Kili leicht verstört an, doch der Zwerg mit der Glatze blieb weiterhin hart bei seiner vorangegangenen Forderung. "Ihr geht zuerst, sage ich. Um das Weibstück werde ich mich schon kümmern. Und jetzt keine Diskussion. Rein da. Ihr findet ihn auf dem anderen Balkon", entgegnete er und ruckte erneut mit dem Kopf zur Tür. Seufzend und Kopfschüttelnd ließen die Jungs die Schultern hängen. Es hatte wohl keinen Sinn sich dem zu widersetzten. Bevor sie allerdings rein gingen, legten mir beide noch einmal eine Hand auf die Schultern und murmelten mir aufmunternde Worte zu, ehe sie verschwanden. Nun stand ich zunächst mit Dwalin allein draußen, welcher mich abschätzig und genauer musterte als zuvor. Sein Starren wurde nach einigen Sekunden ziemlich nervig. Auch da es meine Nervosität immer mehr steigerte. Schließlich senkte ich meinen Blick, damit ich ihn zumindest nicht mehr beim Starren sehen konnte. Doch in dem Moment als ich mich ein wenig abwand, hob er wieder die Stimme. "Siehst mitgenommen aus, Weibstück", stellte er fest. Ich nickte Wortlos, konnte mir aber ein bedrücktes Schnauben nicht verkneifen. "Deinetwegen hatten wir hier oben einigen Ärger. Ich denke aber, dass Nori dir das schon gesagt hat", ergänzte der Zwerg ohne dabei einen leicht vorwurfsvollen Unterton in seiner Stimme zu verbergen. "Ja. Er hat es zumindest angedeutet", meinte ich mit einem knappen Seufzen und ließ die Schultern hängen. War ja klar, dass er gleich wieder anfing zu stänkern und alles auf mich abwälzte. Und zu einem Teil konnte ich ihm das nicht verübeln. Es lag ja auch einiges im Argen. Um nicht zu sagen, dass die Aussichten alles andere als Rosig waren. Ich fühlte mich ein klein wenig schuldig, dass es zu diesem Zwischenfall gekommen war, der während meiner Abwesenheit für noch mehr Wirbel gesorgt haben musste. Wobei ich mir auf der anderen Seite recht dumm vorkam, da ich mir eigentlich nichts vorzuwerfen hatte. Außer, dass es vielleicht klüger gewesen wäre, Thorin nicht so direkt anzugehen. Doch in Anbetracht der Lage, hatte ich so handeln müssen, um mich selbst vor größerem Schaden zu bewahren. So war ich wenigstens NUR verletzt und saß nicht mit Handschellen gefesselt im nächstbesten Streifenwagen, auf dem Weg zu einer Gerichtsverhandlung wegen zweifachen Mordes. Im Nachhinein betrachtet eine eher bittere Erkenntnis, aber besser als nichts. Der Gedanke warf bei mir allerdings wieder einige Fragen auf, die Nori bisher nicht beantwortet hatte. Wohl auch, weil ich sie in der Zeit einfach beiseitegeschoben und mich nicht mehr darum gesorgt hatte. Doch hoffte ich, dass mir vielleicht Dwalin weiter helfen konnte, der mich nun wieder eisern anschwieg. "Sag mal, was habt ihr eigentlich mit den Menschen gemacht?", fragte ich vorsichtig, da ich insgeheim schon ziemliche Angst vor seiner Antwort darauf hatte. Aber ich musste einfach wissen, was sie mit den Zeugen angestellt hatte. Davon hing vielleicht sogar ab, ob nicht doch die Herren mit Blaulicht und Handschellen bei mir aufschlugen, um mich abzuführen. Insgeheim lauschte ich sogar in die Ferne, ob sich eines der 'Lalülalas' in unsere Richtung bewegte. Tatsächlich lief mir kurz ein eisiger Schauer über den Rücken, als tatsächlich so ein Wagen auf einer nahegelegenen Seitenstraße lärmend vorbei fuhr. Zum Glück entfernte sich die Sirene recht zügig vom Plattenbau, weshalb meine Anspannung wieder etwas nachließ. Dwalin hatte in der Zeit einmal tief durchgeatmet und gab dann ein Seufzen von sich, als er brüchig antwortete: "Sie. Leben." Zum ersten Mal seit ich nun vor ihm stand, hob ich wieder den Kopf und sah überrascht zu ihm. "W-Wirklich? Ihr. Ihr habt sie doch am Leben gelassen?", hakte ich ein wenig ungläubig nach, da seine grantige Miene immer noch keinerlei Aufschluss über seine Gefühlswelt gab. Er nickte mir allerdings ganz knapp zu und verlagerte dabei sein Gewicht etwas auf die Mauer des Außenbalkons, gegen die er sich anschließend lehnte. "Ja. Wir haben ihnen jedoch zuvor das Gedächtnis genommen. Sodass sie sich an nichts mehr erinnern, was vorgefallen ist", meinte er ruhig. Erleichtert atmete ich tief durch und schüttelte kurz betreten den Kopf. "Meine Güte. Ich hatte schon Sorgen, dass ihr es doch durchgezogen habt", erwiderte ich und musste mir kurz mit einem Handrücken über die Augen wischen. Dabei flog ein flüchtiges Schmunzeln über meine Lippen, ehe ich Dwalin erneut ansah. Dieser betrachtete mich mit einigem Unverständnis und grunzte verächtlich. "Denkst du wirklich, dass wir das noch hätten tun können, nachdem du uns derart ins Gewissen geredet hast, Weibstück?", hakte er fast schon leicht belustigt nach, woraufhin ich nur mit den Schultern zuckte. "Bei euch Zwergen steckt man da nicht drin. Ich hab bisher die Erfahrung mit euch gemacht, dass ihr auch das durchzieht, was ihr euch vornehmt. Ganz egal wer was dagegen sagt", meinte ich und seufzte erneut. Nun musste der Glatzenzwerg tatsächlich auflachen. Ich musterte ihn ein bisschen verwirrt, während er sich mit einer Hand über das Gesicht und den Bart stricht und er ungläubig den Kopf schüttelte. "Bei Durins Bart. Du kennst uns Zwerge offenbar doch nicht so gut, wie du dachtest", gluckste er und drehte sich nun komplett mit der Vorderseite zur Balkonmauer um, an der er sich nun vor Lachen festhielt. Leicht verständnislos hob ich eine Augenbraue in die Stirn und trat noch etwas näher an ihn heran. "Was ist daran denn so lustig? Ich fand es gar nicht witzig, dass ihr mich beinah in Schwierigkeiten gebracht habt", raunte ich ihn recht laut an, damit er aufhörte zu lachen. Das tat er dann auch, wobei weiterhin ein hämisches Grinsen hinter seinem Bart hervor schaute. "Darüber hatten wir in dem Moment auch nicht wirklich nachgedacht. Wir waren nur wegen der Worte der Götterboten so aufgebracht. Wärst du nicht dazwischen gegangen, hätten wir das Ganze wohl auch durchgezogen. Du hast damit ziemlich viel Eindruck geschunden. Wobei ich für meinen Teil sagen muss, dass das nicht nur sehr mutig, sondern auch sehr dumm war. Ich denke aber, dass ist dir selbst bewusst. Doch dadurch ist den Meisten von uns im Nachhinein klar geworden, dass wir damit nicht das Richtige getan hätten. Erst recht als Thorin... Nun ja...", sagte er mit zum Ende hin ruhiger, leicht abwesender Stimme. Ich schluckte kurz geknickt, wobei sich mir aber auch eine leichte Schamröte ins Gesicht schoss. Er hatte ja recht. Es war dumm gewesen, mich einer Horde wütender Zwerge in den Weg zu stellen. Aber das Dwalin mir mit seiner Aussage auch ein verstecktes Lob zukommen ließ, freute mich insgeheim ein wenig. Zumindest eine Sache, die er nicht zu beanstanden hatte. Was mich weniger glücklich machte, war der Ausdruck, den sein Gesicht danach annahm. Er wirkte angespannt. Ja, fast reumütig und leicht erschöpft. Nach seinen letzten Worten strich er sich seufzen über den kahlen Schädel und schüttelte den Bart. Sagte aber vorerst nichts mehr. Ich wusste gar nicht, ob ich überhaupt nachfragen sollte, was denn nach meinem Verschwinden noch vorgefallen war. Mit Sicherheit nichts Gutes. Sonst wäre ja auch Oin zu mir gekommen, um mich zu verarzten. Es war durchaus wahrscheinlich, dass es ordentlich geknallt hatte. Vermutlich waren sogar die Fäuste geflogen, was bei aufgebrachten Zwergen untereinander nun doch nichts Ungewöhnliches war. Nur wusste ich nicht, wer wem da eine verpasst hatte. Es gab da zwar nicht viele Möglichkeiten, aber einige waren doch recht plausibel. Vielleicht hatte Dwalin seinem König eine verpasst, damit dieser wieder zu Verstand kam. Oder Letzterer war wieder mit Gloin aneinander geraten. Schließlich hatte er ja dessen Rat befolgt, weshalb ich verletzt worden war. Es konnte aber auch alles nacheinander passiert sein. Aber wie es auch sein mochte. Es war gewiss nicht schön gewesen. Besonders nicht für den muskelbepackten Krieger, der nun gedankenverloren vor sich hin starrte. Erneut verfielen wir in Schweigen, während ich weiterhin darüber nachdachte, was ich denn gleich mit Thorin alles bereden müsste und wie die Folgen für mich daraus resultierten. Mich interessierte zudem auch brennend, warum er vorerst seine Neffen zu sich geholt hatte und ich außer den normalen Unterhaltungen aus der halb offenen Wohnungstür kein weiteres Geschrei oder sonstige Beschimpfungen hörte. Was ich allerdings vernahm, war ein erneutes Seufzen von Dwalin, der sich kurz räusperte und dann sehr leise vor sich hin murmelte: "Es tut mir leid, Weibstück." Erschrocken machte ich einen Schritt nach Hinten und zuckte zusammen, als hätte er mir damit eine Ohrfeige verpasst. Ich war wirklich baff. Hatte ich das gerade richtig gehört? Dwalin und sich entschuldigen? Noch dazu bei mir? Und für eine Sache, die er gar nicht alleine zu verantworten hatte? Nun wurde aber wirklich der Mond viereckig. Ich schien etwas nicht ganz mitbekommen zu haben. Was war nur so dramatisches geschehen, dass ausgerechnet er sich dazu herab ließ, mir gegenüber solche Worte zu verwenden? Gut, außer meiner Kopfwunde, die leicht unter dem Verband herum pochte, da die Betäubung endgültig nach ließ. Aber ich war trotzdem leicht verstört, als ich ihn weiterhin musterte, während er immer noch jeglichen Blickkontakt mit mir tunlichst vermied. "Ähm... wie... was? Hast du gerade gesagt, dass es dir leid tut oder hab ich was an den Ohren?", fragte ich mit einem leicht verunsichertem Grinsen. "Ich wiederhole das jetzt nicht noch mal. Aber ja, das habe ich gesagt", raunte er, womit er seine alte, grantige Form für den Moment kurz zurück gewann. "Äh. Ja. Ich. Aber was tut dir denn bitte leid? Ich meine, du hast mir nichts getan. Zumindest nicht direkt", stammelte ich und kratzte mir verlegen neben dem Verband am Hinterkopf. Nun wandte er sich langsam wieder zu mir. Sein Gesichtsausdruck erschreckte mich erneut, sodass ich noch einen Schritt von ihm zurück trat. Ich hatte ja schon viel von dem Zwerg mit der Glatze erwartet, aber dass er mich irgendwann einmal derartig unglücklich ansehen würde mit Sicherheit nicht. Das passte irgendwie gar nicht zu ihm. Wobei mir dieser Anblick irgendwie bekannt vorkam. Ja, so langsam fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren. Er hatte Thorin einst so angesehen, als dieser sich geweigert hatte Dain in der Schlacht beizustehen. Himmel. Dass ich das mal erleben durfte. Und damit nicht genug. Er räusperte sich erneut und senkte den Blick gen Boden, ehe er mir mit recht belegter Stimme auf meine Frage antwortete: "Ich habe dir vor mehr als einem Monat versprochen, dass ich gut auf Thorin aufpasse. Dass ihm ja nicht Schlimmes wiederfährt. Aber ich habe versagt. Ich habe es nicht geschafft ihn vor sich selbst zu beschützen. Ich hätte ihn schon viel früher wieder zu Verstand bringen müssen. Doch obwohl ich die Zeichen gesehen habe, bin ich untätig geblieben und dachte mir nichts dabei. Nun hat er dich angegriffen und schwer verletzt. Und daran bin ich schuld. Ich hätte früher handeln müssen, damit es nicht soweit hätte kommen können. Ich bin so ein einfältiger Narr." Nun begann er auf Khuzdul über sich selbst zu schimpfen und schlug einmal verzweifelt mit der Faust auf die Balkonmauer. Doch im Gegensatz zu seiner Aussage, machte ich ihm keinen Vorwurf. Im Gegenteil. Er tat mir sogar ziemlich leid. Offenbar nahm ihn das gebrochene Versprechen ziemlich mit. Und auch die Folgen daraus, gingen nicht ganz spurlos an ihm vorbei. Wobei er es doch vermied auch nur eine Träne darüber zu verdrücken. Echte Krieger weinten eben nicht. Schon gar nicht vor Frauen. Deswegen fuhr er sich auch kurz mit dem Arm über die Augen und die Stirn, damit sich auch ja keine feige Träne daraus stehlen konnte, die seinen inneren Konflikt verraten hätte. Mich bewog das allerdings dazu kurz betreten zu seufzen und die Hände nach ihm auszurecken. Diese legte ich ihm genau auf den Arm und zog diesen runter, damit ich ihm in die Augen sehen konnte. Er versuchte zwar meinem Blick auszuweichen, aber das schaffte er nur so lange, bis ich ihn ruhig und versöhnlich ansprach. "Hör mal, Dwalin. Ich mach dir keine Vorwürfe deswegen. Und du solltest dir auch keine machen. Thorin ist ein erwachsener Mann und für sein Handeln selbst verantwortlich. Dass es so gekommen ist, ist weder deine Schuld, noch war es Teil deines Versprechens mir gegenüber, ihn vor sich selbst zu schützen. Das kann niemand und wird auch nie jemand können. Er ist und bleibt nun mal ein eigenwilliger Sturkopf, der sich nicht gern in die Karten schauen lässt. Und ich weiß inzwischen, dass es viele Auslöser für diese Tat gab. Was nicht heißt, dass es die Sache weniger schlimm für mich macht. Aber noch mal. Du bist nicht der Schuldige. Und erst recht nicht derjenige, der die Konsequenzen daraus zu tragen hat. Das ist jetzt allein eine Sache zwischen Thorin und mir. Die Suppe haben wir uns selbst eingebrockt. Er mit seinem dummen Stolz und ich mit meinem Übermut und Unwissenheit. Jetzt löffeln wir sie zusammen aus. Was dann am Ende übrig bleibt, wird sich zeigen, sobald ich endlich zu ihm darf", meinte ich und sah den kahlköpfigen Krieger entschlossener an, als ich mich fühlte. Ja, mir zitterten richtig die Knie. Trotzdem wollte ich mir nicht direkt anmerken lassen, dass ich am liebsten schreiend davon gelaufen wäre. Das merkte Dwalin jedoch sofort und ein ziemlich verdrießliches Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. "Bist du sicher, dass du das ganz alleine schaffst? Ich meine, du kannst dich ja jetzt schon kaum aufrecht halten, so sehr wie du vor Angst schlotterst", sagte er leicht spottend, doch ich schüttelte nur den Kopf. "Ich. Ich muss es einfach allein schaffen. Was anderes geht nicht", stammelte ich und konnte meine Unsicherheit nun doch nicht verbergen. Ich war eben nicht so gut darin, mit meinen Gefühle bewusst lange hinterm Berg zu halten. Zumindest hatte es etwas Gutes an sich. Dwalin schienen meine Worte ein klein wenig aufgemuntert zu haben, weshalb er die andere Hand von der Balkonmauer löste und mir fest auf die Schulter drückte. "Ich hab mich wirklich in die getäuscht. Du bist doch eine wahre Königin", sagte er und grinste noch breiter, als ich ein empörtes Schnauben von mir gab. Doch bevor ich dem etwas erwidern konnte, schwang plötzlich die Wohnungstür auf und Balin erschien im Rahmen. Ruckartig löste ich mich von seinem Bruder und musterte den alten Zwerg, der mich ein wenig überrascht ins Auge fasste. Mein dicker Verband schien ihn doch leicht zu verstören und aus der Fassung zu bringen, doch er schüttelte nur kurz den Bart, ehe er sich räusperte und direkt an mich wand. "Cuna. Ihr. Also Thorin erwartet Euch", meinte er leicht betreten, wobei er einen Schritt zur Seite machte, damit ich rein konnte. Ich nickte halbherzig zu und wand mich dann noch mal kurz an Dwalin, der mir ein letztes Mal auf die Schulter klopfte. "Viel Glück, Weibstück. Du wirst es brauchen", sagte er knapp. "Danke", erwiderte ich knapp, bevor ich einmal tief Luft holte und schließlich mit zögerlichen Schritten in mein Apartment trat. Der Weg kam mir weit länger vor, als der den ich über das Treppenhaus genommen hatte. Dabei waren es vielleicht nur gut zehn Schritte vom einen bis zum anderen Balkon. Auch weil durch mein Erscheinen im Raum sämtliche Gespräche verstummten. Ich spürte alle Blicke auf mir ruhen, als ich bei der Hälfte der Strecke anhielt, um mich umzuschauen. Die Menschen waren tatsächlich verschwunden und die Zwerge hatten während meiner Abwesenheit weiter aufgeräumt. Inzwischen Stand auch mein Bett vollendsaufgebaut an der Wand. Dort und auch auf dem Sofa hatten es sich einige der Zwerge bequem gemacht. Andere standen herum oder lehnten sich mit ernsten Mienen an meine Küchenzeile. Nachdem ich einen nach dem anderen einen flüchtigen Blick zugeworfen hatte, blieb dieser vorerst an Gloin haften. Dieser sah ordentlich ramponiert aus. Sein roter Bart war genauso zerzaust wie sein Haarschopf und die unübersehbare Beule über seinem linken Auge verfärbte sich bereits in ein unansehnliches Blau mit einem kleinen Stich ins Violett. Nebenher drückte ihm sein Bruder Oin noch ein Tuch auf die rechte Seite, wo er sich auf der Wange einen kleinen Cut eingefangen hatte. Offenbar hatte ich mit meiner Vermutung recht behalten, dass dieser was auf die Mütze bekommen hatte. Dementsprechend grantig und beleidigt verschränkte er die Arme vor der Brust, als er meinen Blick auffing. Sicher, er gab mir die Schuld, dass man ihm eine rein gehauen hatte. Doch wer es im Endeffekt gewesen war, konnte ich nicht wirklich fest machen. Es sah nämlich so aus, als habe er von allen Seiten eine kleine Abreibung bezogen. Denn gerade als er den Mund aufmachen wollte, um mir wohl seine Meinung kund zu tun, fuhr ihn auch schon sein Bruder sehr barsch an. "Sei still, hab ich dir gesagt, oder es setzt noch eine", knurrte der alte Heiler, woraufhin Gloin den Mund wieder schloss und nur noch säuerlich vor sich hin schmollte. Ich wusste zwar, dass ich nicht selbstgefällig hätte grinsen sollen. Doch in diesem Fall machte ich für mal eine Ausnahme. Zumindest lenkte es mich von meiner plötzlich hochkochenden Wut auf ihn ab. Wie hatte er nur Thorin einen so sau dämlichen Rat erteilen können? Am liebsten hätte ich ihm dafür auch noch eine rein gehauen. Doch fürs erste schien er gestraft genug zu sein. Außerdem hatte ich andere Probleme, die ich irgendwie bereinigen musste. Und das Erste davon war, den Zwergenkönig ausfindig zu machen. Aber das war so gesehen noch das Leichteste. Ich brauchte nur den Blick in Richtung Fenster schweifen zu lassen. Dort stand er. Mit dem Rücken zum Raum und auf die Ellenbogen gestützt über die Mauer des Balkons gebeugt. Ich musste schlucken. Die Anspannung stieg bei mir bis ins unermessliche. Nur die paar Schritte noch, dachte ich vor mich hin. Ja, nur ganz wenige Schritte brauchte ich um bei ihm zu sein. Doch meine Füße wollten sich nicht vom Boden lösen. Ein Schwall aus Panik, Unsicherheit und Furcht kroch mir durch die Venen. Mein Herz begann heftig zu pochen und meine Hände fühlten sich klamm und taub an. Herrje, warum ging ich nur nicht weiter? Ich konnte doch nun keinen Rückzieher machen. Nicht wo mich alle so erwartungsvoll anstarrten. Ich schluckte heftig. Mir wurde langsam immer bewusster, auf welchem steinigen Pfad ich mich gerade befand. Einem Weg, der noch einmal Hoffnung, aber auch unendliches Leid versprechen konnte. Sowohl für mich, als auch für ihn. Er wusste sicherlich schon, dass ich da war. Aber er drehte sich nicht zum Raum um. Er blieb weiter auf dem Balkon und betrachtete wohl das bescheidene Kleinstadtpanorama. Ob er genauso angestrengt über die Situation nachdachte wie ich? Oder dachte er vielleicht an etwas anderes, um sich abzulenken, ehe es zur Sache ging? Ich war mir unschlüssig. Auch darüber, ob ich das Ganze tatsächlich allein durchstand. Schweigend aber verzweifelt nach Hilfe suchend, blickte ich mich noch einmal bei den restlichen Männern im Raum um. Dann erhaschte ich Kili und Fili, die sich an meiner Küchenzeile aufhielten. Als sie bemerkten, dass ich sie ansah, warfen sie mir beide ein sehr angespanntes, aber doch tröstendes Lächeln zu. Anscheinend hatten sie doch nicht die erwartete Schelte bekommen, von der ich ausgegangen war. Ihr Anblick machte mir wieder Mut. Sofort fiel mir unser kleiner Schlachtruf wieder ein, den wir zuvor noch ins Treppenhaus gebrüllt hatten. 'Khayamu'. In den Sieg. Gut. Dann mal los, dachte ich und nickte ihnen entschlossen zu. Ich es schaffte meine Füße wieder in Bewegung zu setzten, obwohl es immer noch zögerlich und unentschlossen wirkte. Aber mit der Zuversicht der beiden Jungs im Rücken, fiel es mir doch wesentlich leichter die Distanz zu überbrücken, meine Hand an den Griff der Balkontür zu legen, diese zu öffnen und schlussendlich nach draußen zu treten. Dann schloss Balin, der die ganze Zeit wohl hinter mir her gegangen war, die Tür von innen, sodass ich allein mit dem Zwergenkönig war. Auch das Fenster war geschlossen, damit wir uns in aller Ruhe unterhalten konnten und die Anderen nicht so viel mit bekamen. Aber zunächst geschah erst einmal nichts. Ich stand nur steif und klamm an der geschlossenen Tür und Thorin lehnte sich weiterhin mit recht starrem, und wie ich nun sehen konnte, auch leeren Blick auf das Mäuerchen. Ein warmes Sommerlüftchen strich vorbei, welches sanft meine Haut streichelte. Es ließ mich kurz erzittern und eine Gänsehaut bildete sich auf meinen Armen. Sicher, es war warm. Sehr sogar. Doch mir war kalt. Kein Wunder, denn ich schwitzte wie verrückt. Thorin hingegen sah man nichts dergleichen an. Ihm schien weder heiß noch kalt zu sein. Wobei ich bei seinem Pokerface sowieso nie ganz durch stieg. Was ich nur erahnen konnte war, dass er genauso nach Worten suchte wie ich. Aber auch unser eisernen Schweigen sprach bereits Bände. Es war so unwirklich. So schmerzhaft, dass sogar meine Wunde dadurch leicht zu ziepen begann. Ich biss mir auf die Unterlippe und atmete etwas schneller. Fast schon stoßweise. Mehr und mehr breitete sich wieder das Gefühl von Hilflosigkeit und einer gewissen Ohnmacht gegenüber all dessen in meiner Brust aus. Vor nicht mal vierundzwanzig Stunden hatten wir zum ersten Mal gemeinsam dort gestanden. Ich hatte in seinen Armen gelegen und er hatte mir leise ins Ohr gesungen. Dieser glückliche Moment. Er kam mir so fern vor. Als sei es Monate her gewesen, dass wir uns angelächelt. Ja, sogar geküsst hatten. Nie hätten wir beide auch nur im Ansatz davon geträumt, dass wir binnen weniger Stunden auf eine solche Zwickmühle zu steuerten. Doch sie war nun da. Und es gab kein Entrinnen vor den Zahnrädern, die unser beider Gefühle zerquetschten. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Ich holte einmal ganz tief Luft und öffnete den Mund. Aber die Worte, die über meine Lippen kamen, waren mir selbst so fremd und abgeklärt, dass ich dachte, jemand anderes hätte sie gesprochen. "Ich. Bin da", sagte ich sehr leise. Zunächst kam noch keine Reaktion darauf. Dann schien er sie gehört zu haben, denn sein Mundwinkel zuckte ein wenig. Mit einem fast gleichmütigen brummen, bestätige er das auch wenig später. Das machte mir zwar alles andere als Mut, aber zumindest schaffte ich es eine kleine, wenn auch recht dumme Frage zu stellen. "Hast. Hast du dich wieder beruhigt?", hakte ich nach und legte den Kopf ein wenig zur Seite. Nun öffnete auch er zum ersten Mal den Mund. Er atmete ganz tief ein und gab ein gedehntes "Ja" von sich. Gut, wenigstens sprach er mit mir, dachte ich ein wenig erleichtert. Das ließ schon mal darauf hoffen, dass wir auch mehr als nur ein paar Worte wechseln konnten. Nur wollte er von sich aus nicht wirklich etwas sagen. So musste ich weiterhin mit meinem angekratzten Nervenkostüm nach etwas suchen, das ich sagen oder vielmehr fragen konnte. Schließlich fand ich doch noch etwas und räusperte mich knapp, bevor ich zögerlich fragte: "Wie. Wie geht. Es dir?" Diesmal sagte er nichts. Er brummte auch nicht. Stattdessen zuckte er nur mit den Schultern. Das brachte mich jedoch zum Seufzen. So ging das nicht. Wie sollten wir uns denn aussprechen, wenn er nur beiläufige Gesten von sich gab und ich so gesehen nur bescheuerte Fragen stellte. Nein. So ging das wirklich nicht. Es mussten Klarheiten her. Ich wollte nicht weiterhin im Ungewissen darüber sein, was aus uns werden sollte. Und obwohl es eigentlich nicht richtig war, wagte ich wortwörtlich den ersten Schritt und trat näher an ihn heran. "Thorin. Ich. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß auch nicht, was ich denken soll. Ich. Ach, scheiße verdammt. Das bringt uns nicht weiter. Steh nicht einfach da rum und starr Löcher in die Luft. Sag doch wenigsten irgendetwas und lass mich hier nicht dumm sterben", sagte ich mit nun energischem Tonfall. Nun schnaubte er und schloss die Augen. Ganz bedächtig und kaum merklich begann er den Kopf zu schütteln, während er sich ein klein wenig aufrichtete. Danach öffnete er den Mund und murmelte fast kaum hörbar: "Und was willst du hören? Soll ich mich entschuldigen? Mich vor dir auf die Knie werfen und dich darum anflehen mir zu verzeihen? Dir versprechen, dass ich mich bessern und dir nie wieder ein Leid antun werde? Denkst du wirklich, dass ich es wagen würde mich für meine Gräueltat auch noch bei dir anzubiedern, damit du mir vergibst? Nein. Nein, Cuna. Das werde ich alles nicht tun. Ich war ungerecht und grausam dir gegenüber. Aber ich bin kein Schwein. Ich habe dir viel Schmerz und Leid zugefügt. Ausgerechnet Das vor dem ich geschworen habe dich zu schützen, habe ich dir selbst angetan. Weil ich einmal mehr meinen Stolz über das Wohl eines geliebten Wesen gestellt habe. Etwas das ich mir selbst niemals mehr verzeihen könnte. Dafür habe ich wahrlich keine Vergebung von dir verdient." Ich musste kurz schlucken, als er mit jedem Satz lauter wurde. Dabei löste er die Ellenbogen von der Mauer und stützte stattdessen die Hände darauf. Seine Finger krallten sich fest in den Stein, dass ich sehen konnte, wie seine Knöcheln vor Anspannung weiß wurden. Er war wütend. Ja, wütend auf sich selbst. Dass er so die Beherrschung verloren hatte. Und irgendwie fürchtete ich, dass er diese erneut verlieren würde, wenn er noch ein Wort sagte. Außerdem hatte ich unschlüssiger weise Angst, dass es gleich knackte und die verputzten Ziegel anfangen würden zu zerbröseln. Trotzdem blieb ich wie angewurzelt an der Stelle stehen, wo ich mich hin bewegt hatte und verschränkte seufzend die Arme vor dem Körper. "Ja. Du hast recht. Du hattest von Anfang an mit allem recht", sagte ich und blickte betreten auf meine Füße. Nun wand er sich ruckartig zu mir um und wollte etwas erwidern. Doch stattdessen hörte ich nur ein kurzes, erstickendes Keuchen. Ich wusste, was ihn so erschrocken hatte. Seit ich gegangen war, hatte er mich nicht mehr gesehen und der Verband schien ihn genauso zu verstören wie Balin zuvor. Doch wie der alte Zwerg riss er sich zusammen und fuhr dann mit dem fort, was er sagen wollte. Jedoch bedeutend ruhiger, als er es wohl zunächst vor hatte. "Nein. Ich hatte eben nicht mit allem recht. Ich hätte sehen müssen, dass du ein freies Wesen bist, das man nicht so einfach an sich binden kann. Dass du alt genug bist um selbst zu wissen, was du brauchst und was du willst. Ich hätte darauf vertrauen sollen, dass du weißt was in deiner Welt das Richtige ist. Stattdessen habe ich seit meinem erneuten Eintreffen immer wieder versucht dich auf jede nur erdenkliche Art zu manipulieren und an meine Welt zu fesseln. Aber ich war zu blind um zu erkennen, dass du dafür nicht geschaffen warst. Du bist eine einfache Menschenfrau. Keine einfältige, pflichtgetreue Zwergin. Ich wollte dich zu etwas machen, was du nicht bist. Und um ehrlich zu sein, Mahal sei Dank, dass ich es nicht geschafft habe deinen Willen genauso zu zerbrechen wie deine Haarspange", meinte er und seufzte, wobei in seiner Stimme tatsächlich ein klein wenig Freude mit schwang. Ich hob ein wenig verwirrt den Kopf und legte diesen fragend schief, bis er Wortlos in die Tasche seiner Leinenhose griff, um etwas hervor zu holen. Dann strecke er mir seine geschlossene Faust entgegen, die er schließlich auch wieder öffnete. In seiner Handfläche lagen tatsächlich die Bruchstücke der glitzernden, silbernen Haarspange. Sie war in zwei Hälften gebrochen, einige der Edelsteine schienen zu fehlen und das recht filigrane Muster aus silbernen Schnörkeln war reichlich verbogen. Ich beäugte das Ding noch ein paar Minuten lang, ehe ich vorsichtig eine Hand aus meiner Verschränkung löste und mir eines der Stücke nehmen wollte. Doch bevor ich sie berührte, fiel mir plötzlich Oins Geschichte über die beiden Gegenstände von gleichem Wert und Art wieder ein, weshalb ich mit einem Mal wachsam zögerte. Ich wusste zwar nicht warum, aber irgendwie erweckte diese Geste mein Misstrauen. Deshalb zog ich sie meine Hand nochmal zurück und Blickte dem Zwergenkönig ruhig, aber abschätzig ins Gesicht. "Das ist jetzt hoffentlich nicht wieder irgendeiner deiner Tricks, um sich hinterrücks doch bei mir anzubiedern?", hakte ich vorsichtshalber nach. Zunächst schien Thorin gar nicht zu wissen worauf ich mit der Frage hinaus wollte, da er seine Augenbrauen hoch zog. Doch dann erkannte er offensichtlich, was er gerade tat und verstaute die Spangenstücke rasch wieder in seiner Tasche. "Nein. Das hatte ich im Augenblick nicht beabsichtigt. Ich wollte sie dir lediglich zeigen und dich nicht in Versuchung bringen ein weiteres Ritual meines Volkes zu vollziehen. In Anbetracht der gegenwärtigen Umstände war dies wirklich nicht Weise von mir", meinte er und verzog verdrießlich den Mund hinter seinem dunklen Bart. Ich schüttelte nur seufzend den Kopf und verschränkte wieder meine Arme miteinander. "Ja. Das wäre sau dämlich. Zum Glück hab ich es rechtzeitig bemerkt, bevor ich vielleicht einen Fehler begangen hätte", sagte ich, was ihn zaghaft schmunzeln ließ. "Du hast doch ziemlich viel von einer Zwergin. Wobei ich nicht wieder damit anfangen möchte. Das wäre noch ein Fehler meinerseits", sagte er mit reichlich ernstem Ton. "Wir. Begehen wohl beide im Augenblick jede Menge Fehler", stellte ich fest und schaute ihm dabei in seine wunderschönen blauen Augen. Er nickte knapp und schloss diese kurz um zu seufzen, bevor er meinen Blick erwiderte. Dann schwiegen wir eine Weile. Sonst taten wir nichts. Wir sahen uns an. Standen unschlüssig voreinander. Und tauschten Wortlos unsere Gedanken aus. Zumindest kam es mir so vor. Denn ich bekam mehr und mehr das Gefühl, dass unser Gespräch bald richtig beendet sein würde und nicht nur für einen Moment der Stille. Mit meiner Vermutung lag ich auch dementsprechend Gold richtig, als er erneut den Mund öffnete, um endlich die klaren Worte zu sprechen, vor denen ich zum einen Angst, aber welche ich zum anderen auch erwartet hatte. "Ich. Ich denke. Ich werde jetzt meine Männer nehmen... und gehen", sagte er ruhig. Ich zuckte kurz verschreckt zusammen und musterte ihn verunsichert. "Du. Gehst? Komm... Kommst du denn wieder?", fragte ich, da ich im ersten Moment doch ein wenig überfordert damit war. Er war hingegen ebenso überfordert mit meiner Frage. Damit hatte er nun wieder nicht gerechnet. "Ich... Ich weiß es nicht. Willst du denn, dass ich wieder komme? Ich meine, nachdem was ich dir angetan habe?", erwiderte er verwirrt. Ich zuckte nur mit den Schulter und löste den Blickkontakt um auf den Boden zu sehen. "Ich denke, das ist wohl wieder etwas, bei dem ich dir recht geben muss. Nämlich, dass du recht hattest unrecht zu haben", meinte ich und druckste ein wenig um die Antwort herum. "Ich verstehe dich nicht. Willst du es nun oder nicht? Und was meinst du mit, ich hätte recht unrecht zu haben?", fragte er nun etwas direkter. Ein wenig verlegen begann ich mir auf der Unterlippe herum zu kauen und trat von einem Bein aufs andere. Es war schwer für mich die passenden Worte zu finden, um ihm das zu sagen, was mich beschäftigte. Denn es war verdammt viel was mir im Kopf herum ging. Unter anderem diese neuen Bilder einer glücklichen Familiengründung. Schließlich schaffte ich es nach einigen geschlagenen Minuten meine Gedanken und Worte so weit zu sortieren, dass ich wieder aufblicken konnte, um es ihm ruhig zu erklären. "Was ich meine ist. Nun ja. Du hast unrecht damit, wenn du sagst, dass ich genau wüsste was ich will. Denn in Wahrheit, weiß ich gar nicht was ich will. Einerseits will ich im Augenblick nicht wirklich in deiner Nähe sein. Aus Angst, dass du mir wieder weh tun könntest und alles noch viel schlimmer wird. Auf der anderen Seite will ich nicht sagen, geh mir aus den Augen und komm nie wieder. Dann würde ich mir selbst das Herz brechen. Denn egal was vorgefallen ist, ich kann dich nicht für das hassen was du getan hast. Obwohl ich es eigentlich sollte. Ich ertrage diese Ungewissheit nicht, was nun aus uns wird. Verstehst du? Ich will dich bei mir haben, aber nicht so wie es derzeit ist. Nicht mit dem Gedanken im Hinterkopf vor einem erneuten Ausraster von dir Angst haben zu müssen. Vor allem nicht, wenn später vielleicht noch Kinder mit im Spiel sind. Ich will so einen Mann und auch so eine Liebe nicht, in der wir auf höflichen Abstand leben. Ich will...", sprudelte es aus mir heraus, doch bevor ich noch weiter reden konnte, legte er mir unversehens und fest beide Hände auf die Schultern. "Ich habe verstanden, Cuna. Ich verstehe deine Einwände, deine Sorgen, deine Ängste und deinen Schmerz. Daher möchte ich dir einen Vorschlag unterbreiten, der vielleicht zu unser beider Wohl ist", meinte er und näherte sich ganz vorsichtig meinem Gesicht. Allerdings nur bis seine Stirn ganz vorsichtig den Verband berührte. "Und... Und der wäre?", fragte ich verunsichert, wobei meine Stimme ängstlich zu zittern begann. Nicht nur weil mir seine plötzliche Nähe wieder unangenehm wurde, sondern auch weil ich nicht wusste was genau sein Vorschlag war. Doch bevor er antwortete, schloss er noch mal kurz die Augen und atmete schwerfällig durch. Es fiel ihm absolut nicht leicht das auszusprechen, was er mir unterbreiten wollte. Das merkte ich allein schon daran, dass seine Stimme ebenso begann zu beben wie meine, und seine wunderschönen blauen Augen einen traurigen Glanz annahmen, als er sagte: "Lass uns vorläufig getrennte Wege gehen." - 92. Entscheidungen und deren Folgen / ENDE - Kapitel 93: 93. Steinige Wege ----------------------------- "Du. Du willst, dass wir uns vorläufig trennen?", fragte ich vollkommen verwirrt und riss meine Augen weit auf. Erneut atmete Thorin tief durch und brummte dann nur bestätigend. "Es muss sein, Cuna. Ich will es nicht, aber ich weiß einfach nicht, wie ich dich vor mir beschützen soll", ergänzte er mit schwermütiger, ernster Stimme, bevor er den Blick leicht senkte. Was er sagte, sickerte mir nur langsam in meine Gedanken. Vierundzwanzig Stunden. Länger hatte mein Wiedersehen mit dem Zwergenkönig nicht angedauert. Gut, vielleicht waren es auch inzwischen etwas mehr. Doch im Großen und Ganzen betrachtet, waren es wohl tatsächlich nur so wenige Stunden, die ich im wachen Bewusstsein mit ihm und seinen Männer verbracht hatte. Und nun stand er da. Seine schweren, kräftigen Hände auf meine Schultern, die Stirn behutsam auf meinen Verband gelegt und ein trauriges Glitzern in den eisblauen Augen. Es war Schmerz. Er litt ganz deutlich unter dem, was er von sich gegeben hatte und es erschreckte ihn zugleich. Seine Worte waren ihm nur sehr schwer über die Lippen gekommen. Vermutlich hatte er sie gar nicht sagen wollen. Denn sie lösten auch bei mir einen mittelschweren Schock aus, als sie noch ein ganze Weile in meinen Ohren wiederhallten, wie ein grausames Echo. Eine Trennung auf Zeit? Das konnte nicht sein Ernst sein. Aber es war immerhin Thorin und von solchen dummen Witzen hielt er für gewöhnlich gar nichts. Zumindest von dem, was ich bisher von ihm kannte. Wobei ich mir nicht mehr ganz so sicher war, ob ich ihn überhaupt noch richtig kannte. Jedoch sprachen nicht nur seine Worte, sondern auch sein Blick Bände. Ich verstand was er damit meinte. Er wollte nicht, dass es noch einmal zu so einer Kurzschlussreaktion seinerseits kam. Wäre dieser Vorschlag von einem Menschen gekommen, hätte ich mit Sicherheit gewusst, dass dies das endgültige Aus für unsere Beziehung war. Bei Menschen gab es in so einem Fall meist keine Rettung mehr für die Liebe. Doch Thorin war ein Zwerg. Für diese existierte kein Aus und Vorbei. Nicht auf diese Art jedenfalls. Das hatte ich schon in Kilis Geschichte heraus gehört. Denn obwohl der junge Bursche schon so lange von seiner rothaarigen Elbin getrennt war, konnte und wollte sein Herz sich einfach nicht von ihr lösen. Doch hier ging es nicht um ihn. Hier ging es um Thorin, mich und einen Konflikt, den es niemals hätte geben dürfen. Nur kam mir eine Trennung, selbst wenn sie vorerst Zeitweilig war, ein wenig übereilt vor. Einerseits war es wohl in Anbetracht der Umstände richtig und ein Großteil von mir stimmte diesem Schritt auch schon Bedingungslos zu. Andererseits machte sich Unbehagen in mir breit. Ich biss mir auf die Unterlippe und seufzte kurz. Viele Fragen brannten mir auf der Seele und ich wusste, dass nur er sie mir beantworten konnte. Jedoch stand es auf einem ganz anderen Blatt, ob mir diese gefallen würden. Immerhin sagte mir sein Vorschlag ja auch nicht zu hundert Prozent zu. Deshalb musste ich mir einfach Luft machen, bevor mich das alles innerlich zu sehr erdrückte oder gar auffraß. "Thorin. Was... Was soll in der Zeit passieren? Ich meine, was wird aus dir? Wo gehst du hin? Und... Und was mach ich hier alleine?", fragte ich, wobei meine Stimme leicht bebte. Er schnaubte kurz und hob dann für einen Moment die Augen, um mich eindringlich anzusehen. "Was aus mir wird, lass meine eigene Sorge sein. Und wohin ich gehe, weiß ich zu dieser Stunde noch nicht. Aber ich habe dafür gesorgt, dass du in deinem Zustand nicht allein sein wirst", meinte er ruhig, wobei ich etwas die Augenbrauen zusammen zog. "Wie? Du wolltest doch gerade noch mit all deinen Männer abreisen. Oder irre ich mich jetzt schon wieder?", hakte ich vorsichtig nach, woraufhin er seine Stirn von mir löste und mit seinen rauen Händen meine Oberarme sehr nachdenklich entlang streichelte. "Nicht mit allen. Kili und Fili werden sich um dich kümmern", entgegnete er schlicht, was über meinem Kopf ein imaginäres Fragenzeichen aufleuchten ließ. Ein wenig stutzig runzelte ich die noch halbwegs freie Stirn und versuchte irgendwie zu erfassen, was er gesagt hatte. Ich konnte mir zu diesem Zeitpunkt beileibe nicht vorstellen, dass er seine beiden Neffen einfach so in meiner Obhut zurück ließ. Dafür war zu viel vorgefallen. Nicht nur in meiner Wohnung, sondern auch auf der Zeltstadt. An der Sache musste es mal wieder einen Haken geben. Sicher, mir hätte klar sein müssen, dass er nicht aus seiner Haut konnte. Und so gesehen empfand ich es auch als Erleichterung, dass die Beiden bleiben sollten. Dann war ich zumindest nicht ganz allein und hatte etwas Hilfe, wo es mir so bescheiden ging. Trotzdem schien die Sache wieder einen gewissen bitteren Beigeschmack zu haben. Gut, es war ja eigentlich schon zuvor sein Plan gewesen, dass die Zwei sich in Zeiten seiner Abwesenheit bei mir befanden, um nicht nur als meine Beschützer, sondern auch als Aufpasser zu fungieren. Im Gegenzug, sollte ich ihr Mutterersatz sein. Nur schien Thorin nicht zu wissen, dass sie mir am Vorabend bereits davon berichtet hatten. Dementsprechend misstrauisch beäugte ich den kleinen, dunkelhaarigen Mann vor mir und verzog skeptisch den Mund. "Also lässt du die Jungs hier. Und sie wollen auch wirklich beide freiwillig hier bleiben? Sie handeln nicht wieder auf irgendeinen Befehl von dir? Du hast sie eben in dem Gespräch zu nichts genötigt, was sie nicht wollen?", fragte ich ruhig, aber ernsthaft nach. Der Zwergenkönig hob für einen Moment beide Augenbrauen, ehe er sie wieder senkte und dann den Kopf schüttelte. "Offenbar haben sie dir gesagt, was ich ursprünglich für dich erdacht hatte. Aber ich kann dich beruhigen. Nein. Dieses Mal nicht. Sie machen es freiwillig und ohne, dass ich darauf Einfluss genommen habe. Als ich sie zu mir bat, ließ ich ihnen die Wahl, ob sie mit ihrem Volk zurück kämen oder ob sie hier in Terra Gaia bleiben wollten. Fili hat keinen Augenblick gezögert und mir sofort gesagt, dass er nicht gehen kann, weil auch er hier eine Liebste hat. Und Kili wollte nicht ohne seinen Bruder zurück. Vor allem aber wollten sie dich in deiner Not nicht im Stich lassen", erklärte er beschwichtigend, doch ich gab mich damit noch nicht ganz zufrieden. "Ganz sicher? Das ist die Wahrheit? Und die verheimlichst mir nicht noch irgendetwas von deinen geheimen Plänen?", bohrte ich weiter nach, doch wieder schüttelte er den Kopf. "Cuna, es ist die Wahrheit. Es ist ihr freier Wille. Ich habe nichts damit zu tun. Du kannst sie nachher selbst fragen, wenn du mir nicht glauben willst", raunte er nun reichlich ungeduldig. Dabei packte er meine Oberarmen wieder fester und sah mich sehr eindringlich an. Dass ich ihm nicht mehr wirklich vertrauen konnte, regte ihn sichtich sehr auf. Auch wenn er so gesehen vergleichsweise ruhig blieb. Trotzdem bereitete mir sein erneut aufflammendes, energisches Verhalten ein wenig Angst, weshalb ich kurz zusammen zuckte. Ich wollte nicht, dass er plötzlich wieder durchdrehte und irgendetwas noch verheerenderes passierte. Besonders nicht, wo wir allein auf meinem Balkon standen und die anderen Zwerge nicht rechtzeitig zu Hilfe eilen konnten. Zumindest bemerkte er diesmal selbst, dass er wieder kurz davor war, wegen Nichts seine Beherrschung zu verlieren. Er löste ruckartig seine Hände von meinen Armen und drehte mir einen Augenblick nur seine linke Seite zu. Er musste einige Mal tief durchatmen und schloss dabeidie Augenlider. Dann schüttelte er den Kopf und seufzte schwermütig. "Mahal. Um ein Haar wäre es wieder mit mir durchgegangen. Wieso bin ich nicht mehr ich selbst?", murmelte er mehr zu sich, als zu mir. Danach strich er sich mit einer Hand über das Gesicht und versuchte seine Fassung weiter zu erlangen. Ich spürte deutlich, wie sehr er litt. Dass er große Probleme hatte mit sich selbst und seinen Gefühlen klar zu kommen. Thorin wirkte müde. Fast sogar ein wenig kränklich, wo ich ihn mir nun bei Tageslicht betrachten konnte. Bofur, Kili, Fili und Ori hatten mir ja schon erzählt, dass er vor seiner Reise zu mir, Tag und Nacht an seinen Plänen für uns gearbeitet hatte. Das zehrte natürlich sehr an den Nerven, wie ich aus persönlicher Erfahrung wusste. Und der Druck war für ihn noch größer geworden, als Thranduil ihn beleidigt und seine Verlustängste mir gegenüber noch mehr geschührt hatte. Ein Tropfen Öl in ein bereits loderndes Feuer. Er war ein unverbesserlicher Perfektionist, dem selbst das Beste vom Besten nicht gut genug war. So hatte ich früher auch gedacht, bis ich notgedrungen ein paar Gänge runter schalten musste. Aber Thorin konnte es nicht so einfach. Dafür war er viel zu stolz. Er hatte durch mich wieder eine Aufgabe bekommen. Ein ganz neues Leben, das er ordnen und nach seinen Vorstellungen strukturieren wollte. Wobei er jedoch vollkommen vergessen hatte, dass es mehr als nur ihn betraf. Er hatte die Gefühle außer Acht gelassen und war blind in diese Miesere hinein geraten. Kurz um. Der Zwergenkönig stand unmittelbar vor dem endgültigen Burn out. Dass so etwas bei Zwergen auch auftreten konnte, verwunderte mich schon. Denn eigentlich waren sie ja sehr zäh und widerstandsfähig. Gut, so gesehen hatte ich auch meinen Teil dazu beigetragen. Denn unterbewusst hatte ich genauso versucht aus ihm Jemandem zu machen, der er nicht war. Nur weil ich immer noch nicht richtig verstand, wie Zwerge, beziehungsweise er richtig tickte. Nun hatten wir beide unsere Quittung bekommen. Vermutlich war ein Neuanfang nach einer Pause doch nicht ganz unausweichlich. Auch wenn es mir einen kleinen Stich versetzte, dass ich allmählich selbst so dachte. Aber ich wusste insgeheim, dass wir beide Ruhe brauchten. Vor allem ich zu diesem Zeitpunkt. Denn Marinas Tabletten, die ich mir eingeworfen hatte, wirkten doch recht einschläfernd. Daher sah ich es nach einem kurzen unterdrückten Gähnen auch angebracht, das Gespräch zu beenden, sodass ich mich endlich hinlegen konnte. "Thorin. Ich. Ich denke, wir sind beide im Augenblick völlig überfordert mit den ganzen Gefühlen und Umständen. Und nicht wirklich in der Lage zusammen zu leben. Wir haben uns in den letzten Stunden fast ununterbrochen wegen allem möglichen und unmöglichen Mist gestritten. So kann es nicht weiter gehen. Es tut mir zwar in der Seele weh das zu sagen, aber... aber wir brauchen diese Auszeit, die du mir vorgeschlagen hast. Und ich meine eine Richtige. Ohne tagelanges Pläneschmieden und Diskutieren. Damit wir etwas zur Ruhe kommen und darüber nachdenken können, was wir beide wollen", meinte ich mit ruhiger, leicht belegter Stimme, was ihn dazu bewog sich wieder zu mir um zu drehen und zu nicken. "Ja. Das würde vielleicht helfen", sagte er recht leise und straffte die Schultern. Ich erwiderte das Nicken und seufzte schweren Herzens. Wir waren noch nicht so lange zusammen und es belastete mich dementsprechend sehr so früh eine Auszeit einzulegen. Aber anders kam ich mit der Situation nicht mehr zurecht. Vielleicht. Ja, vielleicht konnte ich doch darauf hoffen, dass es besser werden würde, wenn wir uns beim nächsten Mal wieder trafen. Ich musste einfach hoffen. Egal wie es dann aussehen würde. Aber ein seltsames Zwicken in meinem Gewissen sprach mir in dem Punkt wieder etwas Mut zu. Mut den ich brauchen würde, wenn ich mit Fili und Kili allein war und sie auf das Leben in meiner Welt vorbereitete. Zuvor musste ich mich jedoch noch um Thorin kümmern, der nach einigen Minuten immer wieder von mir zur Balkontür schielte. Ein klares wortloses Zeichen dafür, dass er eigentlich gehen wollte, es aber doch nicht wirklich konnte. Und mir erging es da nicht anders. Die Unterhaltung war definitiv beendet und trotzdem standen wir uns weiterhin unschlüssig gegenüber. Keiner von uns wollte bei dieser Verabschiedung den Anfang machen. Es war noch schlimmer, als das Gespräch an sich. Schließlich fasste ich mir ein Herz, atmete einmal tief durch, bevor ich den dicken Kloß in meiner Kehle runter schluckte und wandte mich dann zur Tür mit den Worten: "Ich denke es wird Zeit. Deine Männer warten bestimmt schon." Zunächst erwiderte er nichts darauf, außer einem bestätigenden Brummen. Doch als ich zwei Schritte gemacht hatte, spürte ich plötzlich, wie sich seine Hand ruckartig um meinen linken Arm schloss und Thorin ein keuchendes "Warte" von sich gab. Ich hielt in meiner Bewegung inne und warf behutsam einen Blick über meine Schulter. "Was gibt es noch?", fragte ich und legte leicht den Kopf schief. Der Zwergenkönig verzog ein wenig das Gesicht und biss sich verdrießlich auf die Unterlippe, während er mich festhielt. Er kämpfte wieder mit sich selbst. Um das, was gerade in seinem Kopf vor ging. Schien irgendetwas abzuwägen und versuchte eine Entscheidung zu treffen, was er als nächstes sagen wollte. Schließlich seufzte er schwermütig, nachdem er sich zu etwas durchgerungen hatte und trat näher an mich heran. "Cuna. Ich. Ich weiß es ist unangebracht, aber... Ich würde gern ein aller letztes Mal deine Lippen berühren wollen. Nur für. Für den Abschied", murmelte er und sah mich dabei fast schon verlegen mit leicht gesenktem Kopf von unten her an. Ein wenig überrascht von seiner dreisten, aber doch bescheidenen Bitte drehte ich mich wieder gänzlich zu ihm um. "Ein Kuss? Nichts weiter?", fragte ich vorsichtig und er nickte. Nun war ich diejenige, die sich auf die Lippen beißen musste, um diese Sache abzuwägen. Es war schon recht viel, was er nach dem ganzen Schlamassel von mir verlangte. Noch dazu wusste ich unterbewusst, dass wir seit Beginn unseres Gesprächs aus dem Apartment beobachtet wurden. Wie würden die anderen Zwerge darauf reagieren, wenn ich seinem Wunsch einfach so statt gab? Sicherlich würde es ein völlig falsches Bild auf die tatsächliche Lage der Dinge geben. Doch abgesehen davon, würde ich ihn wahrscheinlich auch für sehr lange Zeit nicht wiedersehen. Und ich liebte ihn so gesehen noch immer. Allerdings hatte ich Angst, dass es dadurch für uns nur schwerer werden würde einander gehen zu lassen. Es war wirklich keine leichte Entscheidung, die ich treffen musste. Ich zögerte und haderte mit mir selbst. Dieses Für und Wider war einfach zum Kotzen. Sollte ich? Sollte ich nicht? Nur ein Kuss für den Abschied. Mehr wollte er ja nicht. Ob das gut ging? Konnte ich denn zu diesem Zeitpunkt schon seinem verführerischen Charisma widerstehen, um die Sache nicht ausarten zu lassen? Und konnte er sich genauso zurück halten, ohne sich darin zu verlieren. Was zumindest schon mal für ihn sprach war, dass er sich diesen nicht einfach so genommen hatte, wie sonst. Aber das hatte eigentlich noch nichts zu bedeuten. Es konnte sich bei ihm auch ganz schnell wieder ändern. Zurzeit stufte ich ihn immer noch als unberechenbar ein. Vermutlich war es das Beste ihm das Ganze zu verweigern, damit ich es nicht bereute. Aber meine Gefühle für den Zwergenkönig konnte ich auch nicht so einfach beiseiteschieben. Die Fragen und Zweifel in meinem Kopf häuften sich mit jeder Sekunde. Was wäre, wenn er aus unerfindlichen Gründen nicht wieder zu mir zurück kommen konnte? Wenn ihm etwas in der ganzen Zeit der Trennung passieren würde? Ich würde es genauso bereuen, wenn ich mich nicht zumindest ansatzweise versöhnlich von ihm verabschiedete. Wie oft hörte man die Geschichten von Leuten, deren Partner einfach aus dem Haus ging und einen schweren Unfall hatten. Sofort schoss mir wieder die Erinnerung an meinen Verblichenen durch den Kopf. An seinen Tod und dass ich ihm zuvor weder gesagt, noch gezeigt hatte, wie sehr ich ihn liebte. Nein. Nein, das wollte ich nicht noch einmal erleben. Nicht mit dieser Ungewissheit im Nacken. Das würde ich kein zweites Mal überstehen. Nicht mal wenn Kili und Fili bei mir blieben. Ich würde durchdrehen. Denn wie ich mein leidiges Glück kannte, konnte genau dieses Fiasko eintreten. So atmete ich schlussendlich einmal tief durch und entschied mich dann doch dazu, seinem Wunsch nach zu kommen. Nicht nur für ihn, sondern auch für meinen Seelenfrieden. "Also. Also gut. Für. Für den Abschied, Thorin. Aber nicht mehr als das", erklärte ich feierlich, wobei für einen kurzen Wimpernschlag ein sanftes Schmunzeln über seine Züge huschte. "Nicht mehr", entgegnete er schlich. Dann löste er seine Hand von meinem Arm und legte diese ganz bedächtig an meine Wange. Ich atmete ganz tief durch. Mein Herz begann heftig in meiner Brust zu schlagen, als er sich mir langsam näherte. Ich schloss die Augen und schmiegte mein Gesicht ruhig in seine raue, warme Handfläche. Dann spürte ich kurz drauf auch schon, wie sich ganz zögerlich seine weichen, warmen Lippen auf die meinen drückten und seinen Bart, der mich zaghaft unter der Nase kitzelte. Sein warmer Atem streichelte ganz sanft meine Haut. Genauso wie eine sonderbar kühle Brise, die unverhofft um den Plattenbau wehte. Das erste Anzeichen dafür, dass der Sommer sich dem Ende neigte und einem unerbittlichen Herbst Platz machte. Ich atmete währenddessen einmal ganz tief ein. Verinnerlichte seinen wundervollen, berauschenden Duft. Wie üblich begann es in meinem Bauch heftig zu kribbeln. Ja, ich hatte noch sehr starke Gefühle für ihn übrig. So makaber es nach alledem auch war. Es ließ mich wissen, dass ich ihn nach wie vor liebte. Dennoch widerstand ich dem stärker werdenden Drang mich diesem Kuss hinzugeben, wie ich es sonst getan hätte. Seine berauschende, hypnotisierende Ausstrahlung, hatte dieses Mal überraschenderweise keine größere Wirkung auf mich. Obwohl einiges in mir danach schrie nachzugeben und meine Entscheidung noch mal zu überdenken. Aber das wollte ich nicht. Die Worte waren ausgesprochen worden und ich wollte sie nicht mehr zurück nehmen. Ihre Folgen würde ich erst wesentlich später zu spüren bekommen. Soviel war mir klar. Zunächst musste ich allerdings meinen Körper zur Ordnung rufen, damit ich nicht meine Selbstbeherrschung verlor. Ich verschränkte meine Hände wieder fester vor meinem Körper, damit diese sich nicht lösten, um ihn zu umarmen. Ich erwiderte lediglich die Bewegungen seines Mundes auf meinem. Zu mehr wollte ich mich in diesem Moment nicht hinreißen lassen. Aber das schien ihm schon zu genügen. Er genoss noch ein letztes Mal das, was er für längere Zeit nicht mehr haben würde und ich ließ es stumm über mich ergehen. Ich wusste, dass es so nicht sein sollte. Dass man sich so nicht von dem Mann verabschiedete, den man über alles liebte. Aber es war besser als nichts. Und insgeheim auch eine kleine Wohltat für unsere beiden Gemüter, dass wir uns gegenseitig nicht einfach eiskalt stehen ließen. Sowohl für mich als auch für ihn. Wenigstens konnten wir nun in friedlicher Absicht voneinander gehen. Das war das Wichtigste in deisem Moment. Was jedoch genauso wichtig war, war die Tatsache, dass nun dumpfe Jubelschreie aus meinem Apartment hervor drangen. Ich wusste ja, dass die anderen Männer die ganze Zeit über zugesehen hatten und nun vermutlich ihre falschen Schlüsse daraus zogen. Aber damit musste dann wohl der Zwergenkönig aufräumen, welcher kurz drauf seinen Mund und die Hand von mir löste. "Danke", murmelte er mit einem erleichterten Schnaufen und ich öffnete die Augen. "Nicht dafür. Übrigens wäre da noch eine Sache meinerseits. Wenn du die Jungs besuchen willst, kannst du gern vorbei kommen. Du hast ja noch das Foto mit den Tagen und Uhrzeiten nehme ich an", gab ich flüsternd von mir und beobachtete seine Reaktion auf mein Angebot. Er nickte ruhig, wobei sich ein zaghaftes, vermitztes Lächeln über seine Lippen zog. Seine wunderschönen, eisblauen Augen leuchteten dabei auch ein wenig. Es machte ihn wie immer ungemein jung und unwiderstehlich. Da wusste ich, dass es doch das Richtige gewesen war, seinem Wunsch nach zu kommen. Allein um ihn mir mit diesem Lächeln in Erinnerung zu behalten, sofern ihm etwas zustoßen sollte. Nur hielt zu meinem Bedauern er es nicht sehr lange aufrecht. Denn kurz drauf wandelte sich seine Miene und er wurde wieder ernster. "Pass gut auf meine Neffen auf. Und auch auf dich", sagte er und tätschelte mir noch mal kurz die Schulter. "Das werde ich. So gut ich kann", entgegnete ich mit einem betretenen Seufzen. "Das weiß ich. Nun. Auf bald, Cuna", meinte er endgültig abschließend. Dann senkte er sein Haupt ein wenig und schob mich leicht zur Seite, damit er zur Tür gehen konnte. Ich blieb stehen und sah ihm noch einen Augenblick lang hinterher, während er schon die Hand auf den Türgriff legte. Doch bevor er ihn runter drückte, atmete er noch einmal ganz tief durch. Er straffte die Schultern, hob seinen Kopf wieder an und drehte diesen noch einmal kurz zu mir. Dann sagte er plötzlich ganz klar und deutlich in seiner Muttersprache: "Men lananubukhs menu." Ich musste ein wenig verwirrt blinzeln und legte fragend den Kopf zur Seite. "Was. Was bedeutet das?", hakte ich nach. Doch nun wandte er seinen Blick wieder von mir ab und drückte den Griff nach unten, um die Tür auf zu stoßen. Erst als diese offen war, schaute er stur geradeaus in mein Apartment und murmelte so leise, dass nur ich ihn hören konnte: "Ich liebe dich." Nun war ich platt. Er hatte mir zum erste Mal aufrichtig gesagt, dass er mich liebte. Die Worte trafen mich wie ein Faustschlag in die Magengrube. Mir blieb bis auf ein erschrockenes Keuchen die Luft weg. Mein wummerndes Herz schien plötzlich auszusetzen, bevor es sich schmerzhaft zusammen zog. Ich wusste nicht mehr was ich sagen sollte. Das konnte er doch nicht einfach so tun. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Warum nicht früher? Warum unter diesen Umständen? Wieso musste er mir ausgerechnet in einem so unpassenden Moment derartig weh tun? Dieser verdammte, kleine Mistkerl. Immer wieder musste er dafür sorgen, dass ich wegen allen möglichen und unmöglichen Sachen anfing zu weinen. So wie dieses Mal auch. Dabei hatte ich mir eigentlich vorgenommen an diesem Tag nicht mehr in Tränen auszubrechen. Doch noch während er die ersten Schritte in den Raum hinein tat, konnte ich die Flut an Gefühlen nicht mehr zurückhalten. Ich legte mein Gesicht und in Hände, sank langsam auf meine Knie und schluchzte nur noch. Eigentlich wollte ich ihm hinterher rufen. Ihm zu brüllen, was für ein Arsch er war, mir solche letzten Worte zu hinterlassen. Doch obwohl ich spürte, dass sich meine Lippen bewegten, drang lediglich nur das Schluchzen aus meiner Kehle. Ich war endgültig fertig mit allem. Ich war müde. Ich wollte Ruhe. Ich wollte nur noch schlafen und nicht mehr an die letzten Stunden denken. Doch das gestaltete sich bereits im Ansatz als schwierig. Ich kam nicht mehr von selbst auf die Beine. Dafür zitterten sie von der sich lösenden Anspannung zu sehr. So musste ich zunächst weiterhin allein da hocken. Während ich mich noch in meinem Heulkrampf hingab, nahm ich gerade so schemenhaft war, wie Thorin im Apartment verkündete, dass alle, die nicht bleiben sollten, noch ein paar Minuten Zeit hätten, um sich von mir zu verabschieden. Dann hörte ich noch wie er Fili und Kili zu mir nach draußen schickte, damit sie mich vom Boden auflesen konnten. Wenig später schlurften auch schon zwei Paar Stiefel heran, welche vor mir inne hielten. Einen Wimpernschlag später legte sich von jeder Seite eine Hand auf meinen Rücken, welche mich beruhigend streichelten. "Scht. Ist ja gut, Schwesterchen. Nicht weinen. Du hast es hinter dir", murmelte Kili, der links von mir hockte. Ich schluckte und schniefte heftig, als ich das hörte. Ja, ich hatte es hinter mir. Zumindest das Gespräch. Aber nun überkam mich das, was ich die ganze Zeit über tapfer nieder gekämpft hatte. Die Sehnsucht. Obwohl Thorin noch nicht ganz weg war, sehnte ich mich trotz der wideren Umstände danach, dass er wieder kam. Ein Punkt den ich am Frausein immer verabscheut hatte. Ich konnte meine Emotionen einfach nicht gut genug beherrschen. Besonders in Liebesangelegenheiten nicht. Und das behinderte mich nun. Es machte mich unfähig wirklich klare Gedanken zu fassen. Denn immer noch hallten Thorins Worte in meinem Ohren wieder. Ich sah sein liebevolles, verschmitztes Lächeln vor meinem inneren Auge. Spürte das Echo seines Kusses auf meinen Lippen. In mir brach buchstäblich die Hölle los. Hoffnungslosigkeit, Frustration, Wut, Angst und Schmerz. Alles durchströmte gleichzeitig meine Adern, wie ein tödliches Gift. Es machte mich fast vollkommen Bewegungs- und Handlungsunfähig. Ich suchte verzweifelt nach Worten, die ich hätte sagen können. Doch jedes Mal, wenn ich den Mund öffnete kam nur wieder dieses leidige Schluchzen hervor. Wie sehr ich es doch hasste so Hilflos zu sein. Für gewöhnlich hätte ich in solchen Augenblicken den Halt bei meinen Freunden gesucht. Aber die waren nicht da. Und um ehrlich zu sein, wollte ich sie auch gerade nicht da haben. Das hätte nur zu noch mehr Ärger geführt. Den wollte ich nicht mehr. Nicht noch mehr Streit, Zank und Anschuldigungen, die in eine Sackgasse führten. Ich brauchte Ruhe von dem ganzen Scheiß der letzten Stunden. Ich war müde. So unglaublich müde. Das bemerkten wohl auch die beiden jungen Zwerge, welche mir immer wieder leise, aufmunternde Worte zukommen ließen. "Komm schon, Cuna. Ich weiß, es ist schwer, aber versuch wenigstens aufzustehen. Die Anderen wollen sich von dir verabschieden. Tu ihnen den Gefallen. Bitte", meinte Fili ganz sacht zu meiner Rechten. "Ich. Ich. Kann. Kann das nicht, Fili. Ich. Ich bin müde. Ich will schlafen", brachte ich mühevoll unter einem heiseren Jammern hervor und hob dabei leicht den Kopf, damit ich ihn ansehen konnte. Er nickte mit verstehender Miene, als er meinen Blick auffing und lächelte dann tröstend. "Ja. Ich weiß. Das kannst du auch gleich. Aber zunächst musst du mal vom Boden aufstehen. Du willst doch bestimmt nicht hier draußen liegen bleiben, oder?", meinte er ruhig. Ich schniefte noch einmal kurz und nickte dann matt mit dem Kopf. "Na siehst du. Also komm. Wir helfen dir hoch", kam es mit versucht optimistischer Stimme von Kili, der schon dabei war mir unter die Arme zu greifen, um mich auf die Fuße zu wuchten. Ich ließ seine Geste widerstandslos über mich ergehen und stand bereits innerhalb weniger Augenblicke auf meinen wackligen Beinen. Fili erhob sich zusammen mit mir und legte mir dabei einem Arm um die Hüfte. Sein Bruder legte mir seinen von der anderen Seite um die Schultern. Auf diese Weise schafften es die Beiden, mich schützend und geborgen in die Wohnung zu bringen, wo sich die restlichen Männer befanden. Diese beluden sich bereits gegenseitig mit den ganzen Partyutensilien, welche sie mitgebracht hatten oder redeten leise miteinander. Als wir rein kamen hielten sie jedoch in ihrem Tun wieder inne und warfen mir leicht betrübte Blicke zu. Niemand sagte ein Wort, bis mich die beiden Jungs zu meinem Bett führten und mich am Fußende absetzten, bevor sie neben mir Platz nahmen. "Ist alles in Ordnung mit Euch, Cuna?", fragte Balin mit schwermütiger Stimme, während ich mir mit einer Hand die Tränen aus den Gesicht wischte. "Nein. Nichts ist in Ordnung", entgegnete ich heiser und schüttelte den Kopf. "So etwas ist niemals leicht. Solche Wunden brauchen Zeit um zu verheilen", meinte Oin mit einem tiefen Seufzer und trat näher an mich heran. Ich sah betrübt zu dem alten Zwerg auf und wusste zunächst gar nicht welche er meinte, denn sein Blick fuhr prüfend über den dicken Verband um meinen Kopf. "Ich weiß nicht, ob diese wirklich jemals verheilen wird, Oin. Sie sitzt verdammt tief", erwiderte ich nachdenklich. Nun schnaubte der alte Zwerg und schnalzte missbilligend mit der Zunge. "Mein liebes Kind. Ihr könnt mir vertrauen, wenn ich euch sage, dass sie verheilen werden. Sowohl die Äußeren als auch die Inneren. Das Wichtigste ist nur, dass Ihr sie nun als einen Teil Eurer selbst annehmt. Sicherlich war es eine unangenehme Erfahrung für Euch. Doch bedenkt, dass alles immer zwei Seiten hat. Auch schlechte Erfahrungen können gute Dinge hervor bringen. Euer beherzter Einsatz hat bewirkt, dass zwei unschuldige Leben gerettet wurden. Im Übrigen bedaure ich unser aller Handeln zutiefst. Wir hätten diese Götterboten niemals gegen Euren Wunsch hier einlassen dürfen. Bitte vergebt uns dafür, dass wir Euch beinah in große Schwierigkeiten gebracht haben", meinte er und verneigte sich demütig vor mir. Ich schluckte kurz und sah mich danach im ganzen Raum um. Jeder einzelne von ihnen neigte betreten sein Haupt in meine Richtung und murmelte mir eine Entschuldigung zu. Nun ja, alle bis auf Gloin. Dieser stand nur mit verschränkten Armen in der Diele herum und starrte mit beleidigter Miene an die Decke. Thorin war gar nicht mehr anwesend. Er wartete wohl draußen darauf, dass die anderen kamen. Es schmerzte mich erneut ihn nicht noch einmal zu sehen, ehe sie verschwanden. Aber vermutlich war es besser so. Noch mehr hätte er sicherlich nicht ertragen. Es war schlimm genug für uns beide, dass wir einen solchen Einschnitt machen mussten. Und er war eben einfach nicht der Typ dafür, solche Gefühle in die Öffentlichkeit zu tragen. Zumindest die, die er mir zukommen ließ. Mit Ausnahme von Küssen und Umarmungen. Ein weiterer Punkt, der mir verdeutlichte, wie ähnlich er meinem Verblichenen war. Dieser hatte seine Gefühlswelt genauso verborgen und für sich behalten, wenn es unangenehm wurde und kriselte. Doch wollte ich in diesem Moment keine direkten Vergleiche mit den Beiden ziehen. Das tat nur in doppelter Hinsicht weh. Stattdessen wand ich mich wieder den Zwergen zu, die immer noch die Häupter gesenkt hatten. "Hört mal. Ich. Ihr müsst euch nicht dafür entschuldigen. Es war nicht schön, was die Menschen zu euch gesagt haben. Auch wenn es wider besseren Wissen war. So etwas hätte mich an eurer Stelle auch aufgeregt", meinte ich immer noch recht heiser und hob beschwichtigend die Hände. Nun sahen sie wieder auf und nickten mir dann zu. "Trotzdem war es unklug von uns, in deiner Gegenwart so zu reagieren. Wir wollten dir unter keinen Umständen derartige Scherereien bereiten", meinte Dori ein wenig betrübt und zupfte sich dabei an einem seiner Zöpfe herum. "Ich weiß, dass ihr das nicht mit der Absicht getan habt, mir Probleme zu bereiten. Das nächste Mal solltet ihr aber wirklich vorher darüber nachdenken, ehe ihr so überstürzt handelt", sagte ich und musterte alle ruhig. "Das können wir Euch leider nicht versprechen. Denn seht. Es liegt in gewisser Weise in unser Natur. Außerdem zweifle ich ein wenig daran, dass es ein Nächstes Mal geben wird", kam es mit leicht betretener Stimme von Balin. Ein wenig verwirrt hob ich eine Augenbraue in die Stirn und musterte den alten Zwerg. "Soll. Soll das heißen, dass ihr nicht mehr wieder kommen werdet?", hakte ich nach, wobei mir dann vor Bestürzung der Mund aufklappte, als ich sie Reihum nicken sah. "Uns hält hier eben nichts, Weibstück. Diese Menschenwelt ist nichts für Zwerge. Aber das solltest du eigentlich besser wissen als wir", raunte Dwalin, der wohl nach mir herein gekommen war und sich nun an der Küchenzeile herum drückte, wo zuvor noch Kili und Fili gestanden hatten. Ich schnaufte kurz und nickte ihm dann verstehend zu. "Ja. Du hast recht. Ich denke, für die Meisten von euch ist es hier nicht besonders toll. Aber es tut mir schon ein bisschen in der Seele weh, dass eure Gemeinschaft durch mich nun so auseinander gerissen wird. Ich meine, ihr habt ja da drüben in der Götterwelt niemanden mehr außer euch", meinte ich und seufzte kurz. "Es ist sehr freundlich von dir, dass du das sagst. Aber du solltest dir um uns wirklich keine Gedanken machen. Wir kommen damit schon zurecht. Bedenke mal wie alt wir sind. Wir haben viele hundert Jahre auf dem Rücken. Das ist viel Zeit um jede Art von Erfahrungen zu sammeln. Außerdem denke ich nicht, dass du uns so einfach auseinander reißt. Im Gegenteil. Ich für meinen Teil bin sehr froh darüber dich kennen gelernt zu haben. Nicht nur, weil du meinem jüngeren Bruder das Leben gerettet hast. Nein. Auch weil mich deine Ansprache vorhin sehr beeindruckt hat. Ich muss zugeben, es verlangt mir einiges an Respekt ab, dass du dich so mutig gegen uns gestellt hast, als es nötig war. Und nachdem du deine Überzeugung gegenüber Thorin vertreten hast, ist mir klar geworden, dass du ein wirklich ganz besonderer Mensch bist. Du hast viel innere Stärke und einen Dickschädel, der einer waschechten Zwergin würdig wäre. Und das sage ich nicht zu jeder dahergelaufenen Frau", erwiderte Nori und trat näher an mich heran. Bei seinen ernstgemeinten Worten klappte mir kurz der Mund auf und ich spürte wie mir die Schamröte in den Kopf schoss. Als ich dann noch das zustimmende Murmeln der Anderen aus dem Hintergrund hörte, wäre ich am liebsten vor Verlegenheit im Boden versunken. Dass der Großteil der Zwerge so von mir dachte, war mir bisher gar nicht bewusst gewesen. Dabei hatte ich solche Dinge wie Freiheit und Respekt vor unschuldigem Leben immer als Selbstverständlich betrachtet. Vermutlich lag es aber auch daran, dass ich in einer Welt groß wurde, die solche Ideale inzwischen versuchte an ihre Kinder weiter zu geben. Ganz im Gegensatz zu Mittelerde, wo es wohl immer noch ums nackte Überleben und die Sicherstellung der Erbfolge ging. Bei uns musste man dies nur noch bedingt. Sicher, es gab auch solche Missstände in meiner Welt. Manche davon auch direkt vor meiner eigenen Haustür, wenn ich dabei an die Obdachlosen dachte, die tagein tagaus in den Fußgängerzonen saßen und die Leute entweder um Kleingeld, ein belegtes Brötchen oder im Winter um ein warmes Getränk baten. Ein ums andere Mal hatte ich diesen mittellosen Menschen auch mal eine Kleinigkeit zukommen lassen, wenn ich was erübrigen konnte. Auch wenn mich danach die restlichen Passanten mit abwertenden Blicken bedacht hatten und mich hinter vorgehaltener Hand als 'Gutmensch' bezeichneten. Ich empfand dieses Wort nicht als Beleidigung, sondern als Kompliment. Denn ich führte mir selbst immer wieder vor Augen, dass ich auch irgendwann so enden konnte, wenn ich nicht um mein Leben und ein Dach über dem Kopf kämpfte. Von daher empfand ich es für mich selbst bereits als kleine Wohltat, wenn ich jenen, die sich selbst aufgegeben hatten, ein bisschen den Alltag verschönern konnte. Sei es nun auf diese Art oder eben so, wie Nori es wohl gemeint hatte. Auch wenn mich das eher bizarre Kompliment von dem ehemaligen Dieb und Barden ziemlich ehrte, wollte ich lieber bescheiden bleiben. Deshalb winkte ich auch wenig später ab und druckste ein bisschen herum. "Na nun hör aber mal auf. So toll bin ich wirklich nicht", murmelte ich und schaute dabei auf meine Füße. "Stimmt. Du bist nicht toll. Du bist besser", warf Ori ein, wobei ich kurz seufzte. "Jetzt hört doch mal auf mich zu beweihräuchern. Ich mag es nicht, wenn man mir solche Komplimente macht. Das macht es nur schwerer für mich, euch allen 'auf Wiedersehen' zu sagen", grummelte ich vor mich hin. "Sie hat recht. Ich denke es wird langsam Zeit, dass wir uns auf den Weg machen", erklärte Balin daraufhin feierlich. Danach traten sie nacheinander an mich heran, damit sich jeder auf seine Weise bei mir verabschieden konnte. Gloin wollte sich gar nicht die Mühe machen, sich den anderen anzuschließen. Sollte mir aber auch recht sein. Es war besser für seine Gesundheit, wenn er außerhalb meiner Reichweite blieb. Natürlich fingen Oin und Nori an, da diese ja bereits bei mir standen. Zum Glück durfte ich dabei sitzen. Denn ich wollte mich ungern auf meine wackligen Beine stellen. Der alte Zwerg tätschelte mir kurz die Schulter und murmelte mir zusätzlich noch einige 'Gute Besserungs' Wünsche zu. Nori gab nicht nur mir, sondern auch Kili und Fili einige Anweisungen, wie sie meine Kopfwunde fortan behandeln und pflegen sollten, damit diese besser verheilte. "Ich denke nach einer Woche könnt ihr auch die Fäden entfernen. Aber seid vorsichtig dabei. Nicht dass ihr sie wieder auf reißt", ergänzte er und wir drei nickten einstimmig. "Vergiss du nicht Bofur unten abzuholen", meinte ich, als er Bombur Platz machte. "Ich gehe sofort runter und sage ihm schnell Bescheid", erwiderte Nori und schon eilte er zur Tür hinaus. Nun stand der rundliche Zwerg vor mir und spielte sich verlegen an den Fingern herum. "Also. Cuna. Ähm. Du. Du hattest mir ja noch was versprochen", sagte er und schielte mich verlegen, aber vielsagend an. Zunächst wusste ich gar nicht was er meinte, bis mir plötzlich die Sache mit dem Kochtopf wieder einfiel. "Ach so. Ja klar. Geh mal drüben zur Küche und hol dir einen von den kleinen Töpfen aus dem Schrank. Ich weiß grade nicht, wo ihr die nach dem Abwasch hin geräumt habt", sagte ich, woraufhin Bombur ein freudiges Johlen von sich gab und sich kurz drauf an einem meiner Küchenschränke bediente. Nach ihm verabschiedete sich Bifur mal wieder recht Wortkarg von mir, bevor Dori und Ori zu mir kamen. "Alles Gute, Cuna. Erhole dich ein wenig", meinte der jüngere mit einem leidigen Seufzen. "Ich leg mich gleich etwas schlafen, keine Sorge", erwiderte ich ruhig, woraufhin er mit einem leicht gequälten Gesichtsausdruck nickte. Mir war klar, dass er wohl auch liebend gern bei mir geblieben wäre. Doch das hätte nur wieder zu Komplikationen geführt und das wusste er insgeheim auch. Sein älterer Bruder klopfte mir hingegen einmal freundlich lächelnd auf die Schulter und sprach mir ein klein wenig Mut für die kommende Zeit zu. Als letzte kamen noch Balin und Dwalin zu mir. Beide ließen mir wie beim letzten Mal einige wohlwollende Worte zu kommen. Wobei ich Dwalin hoch und heilig versprechen musste, dass ich ja gut auf die beiden Jungs ein Auge haben sollte. "Wir sind keine Zwerglinge mehr. Wir können gut auf uns selbst achten", protestierte Kili daraufhin lauthals. "Eben. Zwerglinge kann man in eine Kiste stecken, wenn sie sich nicht benehmen. Für euch beide benötigt man schon einen Käfig aus Mithril", raunte der Zwerg mit der Glatze, was mich zu guter Letzt doch noch einmal zum Lachen brachte, als die beiden Brüder neben mir irritierte Blicke austauschten. Wobei es doch ein eher hohles, leidvolles Lachen war, da sich Fili kurz danach neben mir erhob, um seine Freunde nach draußen zu begleiten. Als sie dann alle aus meinem Blickwinkel verschwunden waren und ich die Tür ins Schloss fallen hörte, wurde mir eines ganz klar bewusst. Nun begann ein neues Leben mit neuen Zielen. Nicht nur für die anderen Zwerge, sondern in erster Linie für Kili, Fili und mich. Und ich wusste für meinen Teil, dass es ein verdammt steiniger Weg für uns drei werden würde. Was wir aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnten war, dass sich noch jemand auf diesen holprigen Pfad verirrt hatte. - 93. Steinige Wege / ENDE - Kapitel 94: 94. Die ersten holprigen Schritte im neuen Alltag ------------------------------------------------------------- Ein nervtötendes, schabendes Geräusch drang an meine Ohren. So als würde jemand mit einer Gabel über eine Schiefertafel kratzen. Nur eben nicht einmal, sondern mehrfach. Gleichmäßig. Rhythmischer. Dabei vernahm ich zusätzlich noch ein leises, aber derbes Murren in einer anderen Sprache. Ich schnaufte kurz und drehte mich vom Rücken auf die linke Seite, wo dieses Kratzen und Schaben her kam. In der Hoffnung, dass das Geräusch dadurch gemildert würde oder vielleicht sogar aufhörte. Tatsächlich verstummten das Murren und das Schaben wenig später. Doch es setzte auch recht schnell wieder ein. Verdammt. So konnte doch kein normaler Mensch schlafen. Wer veranstaltete denn da so einen unnötigen Krach mitten in meiner Wohnung? Hatte ich den Fernseher vielleicht angelassen? Nein das konnte nicht sein. Als ich schlafen gegangen war, hatte ich diesen nicht einmal mehr angesehen. Benommen begann ich langsam umher zu tasten. Mein Kopf fühlte sich so unsagbar schwer und benebelt an. Wie in dicke Watte gehüllt. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es wirklich so war. Ich ließ meine Hand vorsichtig nach oben wandern, um meinen Schädel zu berühren. Tatsächlich. Da war etwas. Es war weich, warm und irgendwie stoffartig. Zuerst rätselte ich, was es denn genau sein könnte. Vielleicht ein Kissen? Nein. Meine Kissenbezüge fühlten sich nicht so an. Das war etwas ganz anderes. Der Stoff umgab meinen gesamten Kopf und umschloss zusätzlich meinen Kiefer. Noch dazu schmerze es leicht, als ich zaghaft mit den Fingern darauf drückte. Dann fiel es mir plötzlich wieder ein. Richtig. Ich war am Kopf verletzt worden, als Thorin einen Wutanfall bekommen und mich gegen meinen Sicherungskasten geschlagen hatte. Thorin? Oh mein Gott, nun fiel mir auch noch der Rest ein. Der Umzug, die Party, der Klangrausch und der ungebetene Besuch dieser Bibelfanatiker am Vormittag, welcher erst zu dem geführt hatte, was ich nun trug. Eine Gruppe aus Zwergen hatte sich daraufhin abgesondert, um mich vor weiterem Schaden zu schützen. Sie hatten mich erst weggeschafft, mich dann versorgt und schließlich nach einem kleinen Zwischenstopp bei einer meiner neuen Nachbarinnen zurück gebracht. Genau. Marina war ihr Name gewesen. Danach waren wir zurück in meine Wohnung gegangen, damit ich mich mit dem Zwergenkönig aussprechen konnte. Und dieses Gespräch war nicht gerade gut verlaufen. Ein eiskaltes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus und eine kräftige Faust schien dabei zu sein mein Herz zu zerquetschen. Thorin war fort. Er war aufgrund all der Vorkommnisse der letzten Stunden gegangen. Nur um mich vor sich selbst zu schützen. Damit er mir nie wieder so ein Leid antun könnte. Und es war ungewiss, wann und ob er jemals wieder zu mir zurück kehren würde. Doch bevor er ging, sagte er noch etwas ganz entscheidendes. Etwas, dass mich genauso fertig machte, wie das unaufhörliche Kratzen und Knirschen in meiner Wohnung. Ich liebe dich. Das waren seine letzten Worte an mich gewesen, bevor er mir den Rücken kehrte und dann einfach verschwunden war. Zusammen mit seinen Männern. Weg. Weit fort. In eine Welt, in die ich ihm nicht folgen konnte. Meine Kehle fühlte sich mit einem mal unheimlich trocken an. Dafür bildeten sich unter meinen geschlossenen Augenlidern die ersten Spuren von Tränen. Ehe ich mich versah, drang ein leises, leidiges Schluchzen über meine Lippen. Hunderte von Fragen schossen mir durch meinen, vom Halbschlaf ertrunkenen Geist. Doch die Einzigen, die wirklich greifbar war, war das Warum. Warum war es nur so weit gekommen? Warum musste unsere noch recht junge Liebe einen so plötzlichen Einschnitt hinnehmen? Ich verstand es nicht. Ich wollte es auch nicht verstehen. Was sich lediglich durch meine Grübelei nur einstellte, waren Kopfschmerzen. Wobei diese wohl auch von der Wunde auf meiner rechten Gesichtshälfte und dem nervtötenden Schaben her rührten. Zum Glück hörte dieses erneut abrupt auf, als ich ein weiteres Schluchzen von mir gab. Dann vernahm ich das deutlich klebende Schaben von Stuhlbeinen auf meinem PVC-Boden. Schlurfende, schwere Schritte näherten sich mir ganz langsam, bis sie schlussendlich neben meinem Bett am Kopfende zum Stehen kamen. Eine warme, raue Hand legte sich behutsam auf meinen Unterarm und zog diesen vorsichtig von meinem Gesicht weg. Dann murmelte mir eine sehr vertraute Stimme leise, aber unglaublich besorgt zu: "Cuna? Bist du Wach, Schwesterchen?" Ich schluckte kurz und versuchte zu blinzeln. Doch meine Lider fühlten sich unsagbar schwer und von den Tränen auch leicht verklebt an. Aber ich erkannte die Stimme nach wenigen Sekunden. "Fili?", fragte ich verwirrt mit leicht heiserer Stimme, woraufhin dieser ein zustimmendes Brummen von sich gab. Ich atmete ganz tief durch und seufzte dann. Ja. Richtig. Thorin hatte seine beiden Neffen bei mir gelassen, damit diese sich um mich kümmerten, wo es mir noch so schlecht ging. Nun fiel mir auch ein, dass die Beiden mich nach dem Abschied ihrer Gemeinschaft sofort in mein Bett komplementiert und zugedeckt hatten. Danach musste ich gleich eingeschlafen sein. Doch wann war das? Wie lange hatte ich überhaupt geschlafen? Waren es nur Stunden oder schon Tage? Auf jeden Fall wusste ich, dass ich mich immer noch erschöpft und ausgelaugt fühlte. Und nebenbei auch noch unglaublich durstig. Ich musste ganz dringend was trinken. Dann täte mir der Hals auch nicht mehr so weh, dachte ich bei mir und wollte mich schon aufrichten. Doch der blonde Junge hielt mich sanft, aber bestimmt davon ab, mich zu schnell und ruckartig zu bewegen. "Langsam, Cuna. Überstürze es nicht gleich wieder. Du musst dich noch schonen", ermahnte er mich und drückte mich zurück auf mein Kissen. "Ich hab Durst. Will mir nur was zu trinken holen", murrte ich noch ein wenig verpeilt, wobei ich versuchte mich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Doch wie zu erwarten, schaffte ich es nicht mal meinen Arm aus seiner Hand zu befreien. Stattdessen musste ich mich vorläufig damit zufrieden geben, dass ich liegen blieb. Zumindest kam aber sein Bruder meinem Verlangen nach, indem er aus dem Hintergrund zu uns herüber rief: "Ich bringe dir gleich etwas." Dann ging irgendwo in meiner Küchenzeile eine Schranktür auf. Ein kurzes klappern und klingeln war zu hören, als Kili sich wohl eines meiner Gläser schnappte und dann mit Wasser aus dem Wasserhahn über meiner Spüle füllte. Gut ich hätte ihm sagen können, dass ich im Kühlschrank noch die ein oder andere Flasche Mineralwasser herum stehen hatte. Aber gegen einen Schluck Kranenwalder war auch nichts einzuwenden. Erst recht, weil der dunkelhaarige Zwerg binnen weniger Augenblicke neben seinem Bruder auftauchte und mir das Glas an die Lippen setzte. Dann neigte er das Glas ein wenig, sodass sich der Inhalt langsam in meine trockene Kehle ergießen konnte. Es war wirklich eine Erleichterung, das kühle Nass über meine Zunge gleiten zu fühlen. Als er das Glas wieder wegnahm, nachdem ich ausgetrunken hatte, schaffte ich es sogar meine Augen endlich zu öffnen und mich ein bisschen umzusehen. Es war ungewöhnlich dunkel geworden. Ein wenig verwirrt wendete ich den Kopf Richtung Balkonfenster und schielte hinaus. Im Laufe des Tages waren dichte, dunkle Wolken aufgezogen. Außerdem konnte ich nun, da das Schaben aufgehört hatte, ein leises Grummeln hören. Offenbar zog gerade ein Gewitter auf, oder es war bereits vorbei. Gut, das erklärte auch ein bisschen, warum ich mich gegenwärtig so schlapp fühlte. Aber zumindest kühlte es vielleicht ein bisschen ab, dachte ich ruhig, und wand mich dann wieder den beiden Jungs zu. "Wie spät ist es?", fragte ich und stellte dabei fest, dass Fili endlich meinen Arm losgelassen hatte. "Weit nach Mittag. Du hast einige Stunden geschlafen", erklärte dieser ruhig und ließ sich auf der Bettkante nieder. Ich seufzte kurz und wischte mir den Rest meines Schlafes aus den Augen. "Meine Fresse. So lange wollte ich gar nicht schlafen", grummelte ich und rollte mich auf den Rücken. "Dafür, dass du das nicht wolltest, hast du aber ganz schön laut geschnarcht", meinte Kili und stellte mit einem breiten Grinsen das leere Glas auf die Spüle. "Jaja. Mach dich nur lustig über mich. Ich hätte wahrscheinlich auch noch länger geschlafen, wenn mich nicht so ein ätzendes Kratzen und Schaben dabei gestört hätte", brummte ich mit einem abfälligen Schnauben. "Oh. Das waren wohl wir. Tut mir leid", meinte Fili und grinste ebenso breit wie sein Bruder. "Ihr? Was habt ihr denn gemacht?", hakte ich nach, wobei sich bei mir unterbewusst ein ungutes Gefühl ausbreitete. Das bestätigte sich auch wenig später, als ich zu Kili sah. Dieser schritt eilig an meinem alten Küchentisch, den sie wohl auch in der Zeit zusammen gebaut hatten und auf dem nun einiges an Krempel lag. Mein Krempel. Oder um genau zu sein, meine kleine Sammlung von scharfen Dolchen, die ich nicht auf dem Trödelmarkt verkauft hatte. Doch nicht nur diese schienen dort herum zu liegen, sondern auch noch einige andere Messer aus meiner Küchenschublade. Das demonstrierte der dunkelhaarige Junge auch prompt, indem er ein Schmiermesser hoch hob, welches bereits von Ferne unheimlich verhunzt aussah. "Wir haben einige deiner Messer und Dolche geschliffen. Manche von denen waren so stumpf, dass man mit ihnen gar nichts mehr schneiden konnte. Daher haben wir versucht sie für dich ein wenig zu schärfen. Allerdings sind gerade diese hier sehr widerspenstig", meinte dieser und verzog ein wenig den Mund, als er dieses musterte. Empört klappte mir der Mund auf, nachdem Kili es wieder zu den anderen legte. "Ihr... Ihr habt nicht ernsthaft versucht ALLE Messer zu schleifen, oder?", hakte ich völlig perplex nach und richtete mich ganz langsam auf, sodass ich mich mit dem Rücken an mein gepolstertes Bettgestell lehnen konnte. "Doch haben wir. Ist damit etwas nicht in Ordnung?", fragte Fili besorgt, als mir ein schmerzhaftes Stöhnen aus der Kehle rutschte und mir an den bandagierten Kopf fasste. "Fili. Das sind Schmiermesser. Die müssen so stumpf sein", jammerte ich vor mich, woraufhin von beiden fast gleichzeitig ein peinlich berührtes "Oh" kam. Na tolle Wurst. Das konnte doch nicht wahr sein. Da ließ ich die Jungs einmal für ein paar Stunden außer Acht, weil ich mich schlafen gelegt hatte und schon konnte ich mir eine ganze Garnitur neuer Schmiermesser zulegen. Meine Güte, das ging ja gut los. Damit hatte ich dann wohl meine erste Lektion in Sachen Zusammenleben mit Zwergen gelernt. Niemals unbeaufsichtigt lassen. Nicht mal in den eigenen vier Wänden. "Das. Das tut uns wirklich leid. Wir konnten ja nicht wissen, dass man die nicht schleifen darf", nuschelte Fili und kratzte sich dabei betreten am Hinterkopf. "Dann fragt das nächste Mal, bevor ihr einfach an meine Sachen geht. Im Zweifel lasst ihr einfach die Finger davon. Jetzt muss ich neue kaufen", murrte ich seufzend und nahm die Hände wieder runter. "Wir ersetzen sie dir. Versprochen. Wir haben ja noch das Geld, was wir vor einigen Wochen bei der Versteigerung erhalten haben. Ich denke, dass müsste reichen, damit du dir Neue holen kannst. Aber mal davon abgesehen, wie fühlst du dich eigentlich?", fragte Kili, um von diesem Thema weg zu kommen und trat wieder näher. Ich zuckte nur mit den Schultern und starrte auf meine Bettdecke, als er mich danach fragte. So wirklich sicher war ich mir nicht, wie ich mich fühlen sollte. Gut, ich war verärgert wegen den kaputten Messern. Aber sonst? Ja, wie ging es mir sonst? Eigentlich hätte ich sagen können recht gut, wenn auch ein wenig erschöpft. Aber das wäre wohl gelogen gewesen. Wieder musste ich daran denken, was alles vorgefallen war und an welchem Punkt ich nun stand. Mir wurde ein bisschen übel bei dem Gedanken daran, dass alles so kommen war. Dabei hatte ich es mir ganz anders ausgemalt. Ein einfaches Leben in trauter Zweisamkeit mit dem Zwergenkönig. Doch es hatte nicht sein sollen. Nein. Das Schicksal hatte sich mal wieder gegen mich gewandt. Und nun saß ich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich schwer verletzt in meinem Bett mit Thorins Neffen beisammen, welche auf meine Antwort warteten. Doch diese schienen sie gar nicht erst abwarten zu wollen. Mein langes Schweigen sagte ihnen bereits alles. "Ist schon gut, Cuna. Du brauchst nichts zu sagen", meinte Fili mit einem Mal, als ich den Kopf hob und den Mund öffnete. Nachdem ich sein Gesicht musterte, warf er mir ein tröstendes Lächeln zu und legte seine Hand auf meine, welche er kurz drückte. Ich nickte ruhig und schluckte dann rasch einen kurzen Anflug von Tränen runter, die erneut in mir aufsteigen wollten. Das Verständnis, was mir die beiden Jungs entgegen brachten, war für mich sehr erleichternd. Und ich war unendlich dankbar, dass sie zurück geblieben waren. So fühlte ich mich nicht ganz so einsam und verlassen. Auch wenn sie das Loch nicht stopfen konnten, was ihr Onkel durch seinem gekränkten Stolz in meinem Herzen hinterlassen hatte. Doch nicht nur dieses verlangte danach gestopft zu werden, sondern auch eines in meinem Magen, der lauthals anfing zu grummeln. Und wie als Antwort darauf, vernahm ich dasselbe Geräusch von den beiden Jungs. Das war eigentlich nur selbstverständlich, da wir seit dem Morgen gar nichts mehr gegessen hatten, außer einer Scheibe Speckbrot. "Ich glaube, wir sollten langsam mal was Essen", meinte ich und musste nun doch wieder etwas lächeln. "Guter Vorschlag. Aber was? Ich meine, dass du gesagt hättest, dass du nichts im Hause hast, außer den eingemachten Früchten, die uns deine Mutter hat zukommen lassen. Und um ehrlich zu sein, stünde mir der Sinn nach etwas warmen", sagte Kili ruhig, woraufhin ich kurz nickte. "Ja. Ich weiß. Aber ich hab schon eine Idee was wir machen können", meinte ich und ließ meine Hand zur rechten Bettseite wandern, wo ich mein Handy abgelegt hatte. Ich nahm es mit einer lässigen Handbewegung auf und musterte das Display. Wobei mich die Jungs immer noch mit fragenden Blicken beobachteten. Oh. Da war ja endlich die Antwort von Jana, dachte ich, als ich das kleine Briefchen entdeckte und ein kurzes Schmunzeln huschte über mein Gesicht. Zusätzlich sah ich noch, dass ich das Handy wohl auf Stumm geschaltet hatte. Denn die Nachricht war bereits vor gut zwei Stunden bei mir eingegangen. Kein Wunder, dass es weder vibriert, noch geklingelt hatte. Gut. Wenn sie mir schon zurück schrieb, dann konnte ich mir das auch durchlesen, bevor ich zu meinem eigentlichen Plan zurück kehrte. Mit einem kurzen Knopfdruck öffnete ich diese und las sie mir eingehend durch. "Hallo Jacky. Ich bin so erleichtert, dass du dich endlich bei mir meldest. Ich warte schon eine gefühlte Ewigkeit darauf. Mir geht es soweit ganz gut und ich hab mich riesig darüber gefreut zu hören, dass Fili wieder da ist. Kannst du ihn fragen, ob er mich mal anruft? Das wär echt super von dir. HDGDL Jana." Nachdem ich zu Ende gelesen hatte, schmunzelte ich noch ein bisschen breiter und schrieb auch direkt meine Antwort darauf. Die beiden jungen Zwerge irritierte das allerdings ein wenig. "Cuna, was machst du denn da? Ich dachte wir wollten uns etwas zu Essen suchen?", kam es ziemlich ungeduldig von Fili, der noch keine Ahnung hatte, was ich gerade für ihn persönlich organisierte. "Nur die Ruhe. Ich muss erst einmal einer bestimmten Person eine Nachricht schicken. Dann kümmere ich mich um unser Essen", erklärte ich ruhig, während ich noch mal kurz meinen Text überflog. "Hi Jana. Klar. Kann ich Fili sagen. Er wird sich in ein paar Minuten bei dir Melden. Liebe Grüße, Jacky" Nachdem ich auf Senden gedrückt hatte, sah ich wieder zu den jungen Zwergen auf und grinste breit. "So. Erledigt. Jetzt kommt das Essen dran. Was haltet ihr von Pizza?", fragte ich ein wenig unbedacht, woraufhin beide verwirrt die Bärte schüttelten. "Warte mal einen Augenblick. Was hast du da gemacht? Und was ist Pitra?", fragte Kili und trat noch näher an mich heran. "Langsam. Nicht alles auf einmal. Zunächst heißt es nicht Pitra, sondern Pizza. Das ist so eine Art flaches Brot, das man mit allen möglichen Sachen belegen kann und was dann mit Käse überbacken wird. Ist verdammt lecker, je nachdem was man mag. Und was ich grade gemacht habe. Nun ja. Ich habe eine Angelegenheit geregelt. Aber dazu komme ich, sobald ich für uns bestellt habe. Also was sagt ihr? Wollt ihr das mal versuchen?", meinte ich ruhig und suchte schon die Nummer meines altbekannten Lieferservices heraus. Einer von Vielen, die ich gelegentlich in Anspruch nahm, wenn ich zu faul zum Einkaufen und Selbstkochen gewesen war. Von diesen gab es in meiner Gegend eine unendliche Anzahl, welche auch immer wieder meinen Briefkasten mit ihren Angebotsflyern zu müllten, trotz der Aufschrift 'Keine Werbung'. Doch davon konnte man tatsächlich nur die Wenigsten wirklich gebrauchen, ohne Angst haben zu müssen, mit einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus zu landen. Bei einem davon bestellte ich eigentlich regelmäßig, da nicht nur die Preise erschwinglich, sondern auch eine recht große Auswahl an Menüs vorhanden waren. Außerdem schmeckte es mir da immer noch am besten, da ich wusste, dass sie wirklich frische Zutaten verwendeten. Für die beiden Jungs, war so etwas allerdings wieder Neuland, was sie mir deutlich mit sehr skeptischen, aber neugierigen Blicken bestätigten. In Mittelerde hatte man das schnelle Essen auf Rädern ja noch nicht erfunden. Und vermutlich würde keiner, der dort lebenden Menschen, sich vorerst dazu anzuschicken, den Adlerexpress zu nutzen, um sich aus dem nächstgelegenen Gasthof eine halbe Sau auf Toast bringen zu lassen. Nein. In Mittelerde ging man noch zum Essen aus, wenn man zuhause nichts bekam. Aber meist war dies vor Ort ja immer teurer als selbstgemacht und die einfache bäuerliche Bevölkerung konnte sich dies bestimmt auch nur bedingt bis gar nicht leisten. Von daher besaß die moderne Gesellschaft meiner Welt schon wesentlich mehr Vorzüge in der Hinsicht. Und mit diesen wollte ich die Zwerge nun eingehend vertraut machen, auch wenn sie es zunächst eher als abschreckend empfanden. "Also. Das hört sich ja durchaus köstlich an, Cuna. Aber ich verstehe nicht, was du mit deinem Plapperkasten vor hast?", hakte Kili verunsichert nach und legte den Kopf schräg. "Ganz einfach, Jungs. Ich rufe damit gleich bei einem sogenannten Lieferservice an, sage denen was wir essen wollen und die bringen es uns dann direkt nach Hause", erklärte ich ihm, ohne aufzusehen. "Du redest über deinen Plapperkasten mit einem Gasthof und die schicken ihre Bediensteten zu dir, um hier das Essen zu zubereiten?", fragte Fili und schüttelte verständnislos seine lange blonde Mähne, was mich dazu veranlasste zu kichern. "Nein. Hört ihr mir nicht richtig zu? Sie machen das nicht hier in meiner Wohnung, sondern in ihrem Laden. Dann schicken sie einen Boten, der das fertige Essen dabei hat. Den müssen wir hier bezahlen. Jetzt verstanden?", erwiderte ich belustigt und sah beide langsam, aber immer noch verwirrt nicken. "Also. Nun. Ich weiß ja nicht, was ich davon halten soll. Das klingt ganz schön verrückt, Cuna. Aber wir wollen dir mal vertrauen", meinte Fili nach einer Weile und sein jüngerer Bruder brummte bestätigend. "Gut. Habt ihr einen besonderen Wunsch, womit ihr sie belegt haben wollt?", fragte ich, wobei ich endlich die gesuchte Nummer fand. "Ich weiß nicht. Was kann man denn darauf legen?", erwiderte Kili schulterzuckend. "Also. Alles Mögliche. Zwiebeln, Schinken, Pilze, Salami, Paprika, Mais, Fisch und sogar Obst", erklärte ich ihm lächelnd. "Auch Wildschweinkeulen?", fragte Fili, dessen Magen nach dem Wort wieder bedrohlich laut knurrte, was mich wieder zum Lachen brachte. "Nein. Nein. Das ist dann doch etwas zu groß und schwer dafür. Aber die anderen Sachen, die ich genannt habe, werden recht gerne genommen", meinte ich und wischte mir kurz eine Lachträne aus dem Augenwinkel. Bei der Gelegenheit fiel mir ein sehr alter Comedy-Sketch von Jochen Busse ein, der an einem Imbisswagen eine Pizza mit Rahmschnitzel bestellte. Aber gut, wenn man wie die Zwerge nicht wusste, mit welchen Zutaten man diese italienische Köstlichkeit belegen konnte, war natürlich alles möglich. So hatte ich tatsächlich einmal auf einer Bestellkarte eine Pizza mit Schnitzelstreifen entdeckt. Allerdings hatte ich diese nie bestellt. Ich liebte in dieser Hinsicht nur Pizza Hawaii. Wobei die auch jeder Laden anders zubereitete. Am schlimmsten fand ich dabei die Versionen mit Cocktail-Kirschen, die man auch gerne mal auf die allseits beliebte Schwarzwälder Torte drauf klatschte. Absolut widerlich. Für mich sollte es nur Schinken und Ananas sein. Was die beiden Jungs anging, musste ich wohl vorläufig improvisieren, da sie anfingen miteinander zu diskutieren. Was wie üblich darin endete, dass sie sich nicht einig werden konnten, welche der aufgezählten Zutaten sie haben wollten. Kili war mehr für Schinken und Pilze. Aber sein Bruder wollte lieber Salami und Zwiebeln. Das steigerte sich binnen weniger Sekunden zu einem handfesten Streit, wobei sich beide fast an die Gurgel gingen. Doch bevor sich das Ganze zu sehr in die Länge zog oder noch mehr ausartete, hob ich beschwichtigend die Hände und rief dazwischen: "Hey. Immer mit der Ruhe. Ich bestell euch beiden einfach irgendwas, wo alles drauf ist, was ihr wollt. Dann könnt ihr mal schauen ob es euch schmeckt oder nicht." Sie hatten sich gerade beide am Kragen gepackt und wollten schon aufeinander stürzen, als sie mein Zwischenruf dazu bewog die bereits gehobenen Fäuste sinken zu lassen. "Ist das denn möglich?", fragte Kili und ließ seinen Bruder los. Ich nickte nur seufzend und drückte dann endlich auf die Nummer, ehe ich das Handy ans Ohr hob. "Ja, ist es. Aber jetzt seid bitte still, sonst verstehe ich die Leute am anderen Ende nicht", brummte ich und konzentrierte mich auf das gleichmäßige Tuten im Hörer. Ich atmete erleichtert auf, als die beiden Jungs sich wieder beruhigt hatten und wartete geduldig, ob jemand abnahm. Nach einigen Sekunden erstarb das Freizeichen und ein Mann mit türkischem Akzent meldete sich, mit den Worten: "Ayran Imbiss, guten Abend" "Ja. Hallo. Ich möchte gerne bei euch etwas bestellen", entgegnete ich freundlich, bevor ich die gewünschten Speisen aufzählte. Für mich selbst nahm ich natürlich eine einfache Hawaii Pizza. Für die beiden Zwerge sollte hingegen eine große Familien Pizza werden, wo die eine Hälfte mit Kilis und die andere mit Filis Zutaten belegt werden sollte. Damit musste ich dann wohl beide zufrieden gestellt haben. Auch weil ich wusste, was Zwerge so alles verdrücken konnten, wenn sie wirklich hunger hatten. Und um ganz sicher zu gehen, dass ich kein Besteck verwenden musste, bat ich zusätzlich noch darum, die Pizzen vorzuschneiden. Das ersparte uns im Endeffekt einiges an Arbeit. Und das nicht nur, weil die beiden Jungs mein Schneidewerkzeug verstümmelt hatten. Es war einfach gemütlicher. Nachdem das dann endlich erledigt war, nannte ich nur noch meinen Namen und Adresse, und legte dann mit einem erleichterten Seufzen auf. "So. Das wars schon. Der Bote wird in gut einer halben bis dreiviertel Stunde hier auftauchen. Ihr könnt in der Zwischenzeit mal den Küchentisch von meinen Messer befreien, damit wir da nachher das Zeug drauf stellen können", befahl ich und scheuchte die Beiden umgehend von meinem Bett weg. Eines musste ich ihnen in der Hinsicht auch wieder lassen. Wenn es darum ging etwas anzupacken, brauchte man ihnen nichts zweimal sagen. Sie schnappten sich prompt den ganzen Krempel und verstauten diesen vorsorglich auf meiner Küchenzeile. Dann wischten sie sogar den Tisch ab und stellten eigenständig die Teller darauf. Bis Fili plötzlich etwas entscheidenden einfiel. "Sag mal. Kannst du überhaupt schon aufstehen, Cuna? Oder willst du lieber im Bett essen?", hakte er nach und musterte mich besorgt. Ich zuckte nur lässig mit den Schultern und schnaubte kurz nachdenklich. "Mir ist das egal. Ich kann auch im Bett essen. Aber fernsehen wäre dabei nicht schlecht", grübelte ich vor mich hin. "Wie willst du denn vom Bett aus in die Ferne sehen? Das ist von diesem Punkt aus fast unmöglich. Außer wir würden es näher an das Fenster stellen", meinte Kili und strich sich über seinen, für einen Zwerg ungewöhnlich kurzen Bart. Dabei huschten seine rehbraunen Augen immer wieder von mir, meinem Bett und dem Fenster hin und her, als zöge er tatsächlich in Erwägung die Möbel erneut umzustellen. Ich konnte indessen nur wieder belustigt mit dem Kopf schütteln. Es hätte mir aber klar sein müssen, dass sie Fernsehgeräte genauso wenig kannten, wie einen Lieferservice. Aber auch hier konnte ich gegen ihre Unwissenheit etwas tun, bevor der dunkelhaarige Junge tatsächlich den Entschluss fassen konnte meine Wohnung noch weiter auf den Kopf zu stellen. "Kili. Ich meinte nicht in die Ferne sehen. Sondern fernsehen. Das macht man mit dem flachen schwarzen Ding da drüben an der Wand", meinte ich und deutete auf das Gerät, gegenüber von meinem Fußende, welches über meinem Hi-Fi-Schränkchen hing. Nun musterten mich beide wieder so ungläubig, als hätte ich ihnen gerade erzählt, dass der Weihnachtsmann und der Osterhase ein und dieselbe Person wären. Mit hochgezogenen Augenbrauen legten beide die Köpfe schief und warfen immer wieder Blicke zwischen mir und dem schwarzen Ding hin und her. "Du willst dir die ganze Zeit über dieses schwarze Gemälde ansehen? Ist das dein Ernst?", fragte Fili irgendwann und verzog fast schon belustigt den Mund hinter seinem Bart. "Jungs. Das ist kein Gemälde. Das ist ein Apparat, mit dem man sich Bildergeschichten ansehen kann. Das kennt ihr auch schon. Erinnert euch an unseren ersten Ausflug zum Einkaufszentrum. Da wo ihr fast die Fenster des Kinos eingeworfen habt", erklärte ich ruhig. Als ich das erwähnte, erhellten sich ihre Mienen und sie grinsten breit. "Du hast auch so ein Ding, wo kleine Menschen drin sind? Das ist ja toll. Kannst du uns zeigen wie das funktioniert?", fragte Kili und strahlte dabei, wie ein Kind, das gerade ein leckeres Stück Kuchen bekommen sollte. Ich erwiderte sein Lächeln kurz und nickte dann. "Sicher kann ich. Nichts einfacher als das. Einer von euch muss mir nur eben die Fernbedienung bringen. Das ist das kleine, längliche, schwarze Teil, das auf dem Schrank davor liegt", sagte ich und ließ meinen Finger etwas tiefer sinken, bis er genau auf das zeigte, was ich haben wollte. Die Jungs ließen sich natürlich mal wieder nicht ein zweites Mal darum bitten und hechteten fast gleichzeitig nach vorne, wobei der Ältere von ihnen schneller dran war und mir das längliche Ding, mit den unzähligen Knöpfen und Schaltern brachte. Nachdem er es mir in die Hand gedrückt hatte, fiel mir aber plötzlich wieder eine andere Sache ein. "Danke, Fili. Im Übrigen kannst du gleich mal hier bleiben. Ich habe da eine freudige Überraschung für dich", sagte ich und lächelte ihn breit an. "Eine Überraschung? Für mich? Weil ich dir dieses Ding gebracht habe?", hakte er nach und hob beide Augenbrauen in die Stirn. Doch bevor ich Antworten konnte, trat sein jüngerer Bruder neben ihn und schmollte empört: "Fili kriegt eine Überraschung? Und was ist mit mir? Ich hab vorhin als du geschlafen hast den Tisch zusammen gebaut und gerade eingedeckt." "Ja, Kili. Das hab ich gesehen. Du darfst dir nachher, wenn das Essen kommt das größte und erste Stück Pizza nehmen. Aber das hier ist wirklich nur was für deinen Bruder. Es geht um die Angelegenheit, die ich vorhin geregelt habe", sagte ich und hob einmal mehr beschwichtigend die Hände. "Und welche wäre das?", fragte der blonde Bursche ungeduldig und ließ sich erneut auf meiner Bettkante nieder. Sein Bruder schnaubte unterdessen nur beleidigt und verschränkte mit einer trotzigen Schnute die Arme vor der Brust. Ich seufzte kurz und rollte mit den Augen, als ich das im Augenwinkel bemerkte. Meine Güte, die beiden jungen Zwerge konnten wirklich anstrengend sein. Keiner von beiden wollte, dass der andere übervorteilt wurde. Es kam mir beinah schon so vor, als führten sie einen geheimen Wettbewerb um meine Gunst. Das konnte ja noch heiter werden. Aber ich hoffte, dass sie dies wenigstens nicht allzu oft taten. Zumindest hatte ich in diesem Moment aber einen guten Einblick darin bekommen, was Thorin wohl Tag für Tag mit seinen Neffen durchmachen musste. Und irgendwie belastete mich der Gedanke, dass ich die Bändigung der Jungzwerge nun allein meine Aufgabe war. Na danke, Herr Eichenschild. Wirklich die perfekte Generalprobe für das Auf- und Erziehen von Kindern, dachte ich verbittert und seufzte erneut, ehe ich endlich auf Filis Frage einging. "Also. Pass auf. Als ich vorhin auf mein Handy geschaut habe, war da eine Nachricht drauf. Von Jana", begann ich und konnte zunächst gar nicht mehr weiter reden, da der blonde Zwerg ruckartig aufgesprungen war und mich vollkommen aufgeregt anfuhr. "Jana hat dir eine Nachricht zukommen lassen? Und das sagst du mir erst JETZT? Wie geht es ihr? Braucht sie Hilfe? Ist sie verletzt? Sag schon, Cuna! Ich muss es wissen!“, rief er aus, packte mich fest an beiden Schultern und begann an mir herum zu rütteln. "Hey! Hey! Fili! Hör auf! Mir wird schlecht! Beruhige dich! Es geht ihr gut, verdammt!", brüllte ich ihm entgegen. Daraufhin ließ er Gott sei Dank von mir ab und atmete erleichtert auf. "Oh Mahal. Jag mir nie wieder so einen Schrecken ein. Ich fürchtete schon ihr sei etwas geschehen", murmelte er und strich sich mit seinem Arm über die Stirn. Ich seufzte nur und schüttelte den Kopf. Herr im Hemd. Dass Zwerge immer gleich ausflippen mussten, wenn es um ihre ach so geliebten Personen ging. In dem Punkt war Fili seinem Onkel ähnlicher denn je. Dieser wäre wahrscheinlich genauso abgedreht. Zum Glück war er nicht da, sonst hätte er seinem Neffen bestimmt die Ohren dafür lang gezogen, dass er mich in meinem Zustand so rüde angegangen war. Und wieder reifte in mir die Erkenntnis, dass ich vorerst mit solchen Problemen alleine klar kommen musste. Unglaublich. Der Zwergenkönig war nicht mal einen halben Tag weg und ich begann schon ihn zu vermissen. Das war in dieser Situation alles andere als gut. Nein. Es tat einfach nur weh darüber nachzudenken. Das zeichnete sich wohl auch recht deutlich auf meinem Gesicht ab, weshalb Fili mich ein wenig beklommen musterte. "Ich. Tut mir leid, Cuna. Ich wollte dir nicht weh tun. Wirklich nicht. Das wird auch nie wieder vorkommen versprochen. Es ist nur so. Ich warte schon die ganze Zeit darauf sie endlich wieder zusehen und ihre Stimme zu hören. Es macht mich fast wahnsinnig", stammelte er und legte mir eine Hand auf den Arm. Ich schnaubte einmal kurz und verzog den Mund zu seinem schiefen Lächeln. "Das kann ich schon verstehen. Aber versuch dich ein bisschen mehr im Zaum zu halten. Ich habe keine Lust noch einen Zwerg ausrasten zu sehen. Erst recht nicht mir gegenüber", erwiderte ich leise und hob den Blick. "Bitte. Glaub mir. Das wollte ich wirklich nicht. Aber nun sag mir, wie die Nachricht lautet", meinte er und wurde erneut etwas ungeduldiger. Ich atmete tief durch und schloss für einen Moment die Augen. Na, den hatte es ja auch ordentlich erwischt, dachte ich so bei mir. Nur ob ich auf sein Versprechen etwas geben konnte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Vermutlich war es das Beste, wenn ich ihm zunächst einmal erzählte, was seine Angebetete mir geschrieben hatte. Vielleicht konnte ihn das ein bisschen beruhigen. So öffnete ich die Augen wieder, nachdem ich mich etwas gesammelt hatte und setzte an dem Punkt an, wo er mich unterbrochen hatte. "Nun. Wie schon gesagt. Sie hat mir eine Nachricht geschrieben. Es geht ihr gut. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Allerdings hat sie mich darum gebeten dich zu fragen, ob du sie anrufen möchtest", erläuterte ich ihm knapp, wobei ich bemerkte, dass seine blauen Augen anfingen zu leuchten. "Ja. Ja, natürlich möchte ich das. Aber. Aber wie mache ich das?", hakte er nach. "Ganz einfach. Ich habe ihre Nummer in meinem Handy. Die werde ich gleich auswählen, dann reiche ich es an dich weiter und du hältst es dir einfach an Ohr. Du wirst erst ein Tuten hören. Das ist ganz normal. Also keine Angst haben. Sobald das aufhört und du ihre Stimme hörst, kannst du ganz ruhig mit ihr reden, so als wäre sie gerade hier im Raum. Verstanden?", meinte ich, woraufhin Fili eifrig nickte. "Ja. Ja, tu das bitte. Bei Durins Bart, ich kann es kaum erwarten", murmelte er fröhlich vor sich hin und richtete zu allem Überfluss sogar noch sein Leinenhemd. Ich schnaubte kurz belustigt und griff nach meinem Handy um den Datenspeicher zu durchforsten. Da ich nicht so viele fremde Nummern besaß, die mit J anfingen, hatte ich sie auch recht schnell gefunden und klickte bereits auf grün. Danach richte ich das Gerät an ihn weiter und deutete ihm an, dass er es sich sofort ans Ohr halten solle. Keine zwei Sekunden später hob der blonde Bursche ruckartig den Kopf und keuchte ein wenig erschrocken, bevor er der Stimme am anderen Ende antwortete: "Ha-Hallo? J-Jana? Ja. Ich bin es. Oh Mahal, es ist so wundervoll deine Stimme zu hören. Du hast ja keine Ahnung wie sehr ich dich vermisst habe. Wie? Was sagst du? Ja. Ich wohne im Augenblick bei Cuna, warum fragst du? Ob ich mich mit dir treffen will? Natürlich. Jetzt sofort? Oh. Verstehe. Wann? Das klingt gut. Wo ist das? Ich kenne mich hier nicht so gut aus, kannst du mir sagen, wie ich da hin gelangen kann? Mhm. Verstehe. Gut. Ich denke Cuna kann mir helfen das zu finden. Was sagst du? Ja, ich freue mich auch schon darauf. Gut. Dann sehen wir uns dort. Mhm. Ja. Verstehe. Kann ich tun. Liebend gern. Also. Bis. Bis dann. Auf bald." Mit diesen Worten nahm er das Handy von seinem Ohr und reichte es mir, breit grinsend, wie ein Honigkuchenpferd, zurück. Ich hatte große Mühe bei seinem Anblick nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Auch weil sein Bruder während dem gesamten Telefonat die Nase gerümpft und sich irgendwann sogar einen Finger in den Hals gesteckt hatte, um einen Würgereiz zu imitieren. Ja, Liebesgesäusel von anderen Leuten konnte schon das ein oder andere Mal ein wenig nervig sein. Wobei sich Fili ja doch ziemlich zurück genommen hatte. Eigentlich hatte er sich die ganze Zeit über dabei schon fast professionell verhalten. So als würde er den ganzen Tag nichts anderes tun, als herum zu telefonieren. Ich musste immer wieder anerkennen, dass Zwerge wirklich verdammt schnell lernten, mit neuartigen Sachen umzugehen. Gut, ich hatte ihm ja auch eingehend erklärt, wie er sich dabei zu verhalten hatte. Von daher war dementsprechend nichts zu beanstanden. Allerdings packte mich jedoch meine angeborene, weilbliche Neugierde, nachdem ich mein Handy ausgeschaltet und wieder beiseitegelegt hatte. "Und? Wie wars?", hakte ich spitzfindig mit einem breiten Grinsen nach. Fili atmete einen Augenblick tief durch und seufzte dann fast schon theatralisch, ehe er sich langsam auf meiner Bettkante nieder ließ. "Sie. Oh Mahal, es war so wundervoll ihre Stimme hören zu können. Du kannst dir nicht vorstellen, was mir das gerade bedeutet hat", säuselte er vor sich hin. "Doch, Fili. Das kann ich mir vorstellen. Das kenne ich nur zu gut. Aber jetzt sag mir endlich, was sie dir erzählt hat", entgegnete ich und musterte ihn fordernd. Bevor er mir aber darauf antworten konnte, klopfte es plötzlich an meiner Wohnungstür und eine dumpfe Stimme verkündete: "Hallo! Ihr Essen ist da!" - 94. Die ersten holprigen Schritte im neuen Alltag / ENDE - Kapitel 95: 95. Pizza, Fernsehen und überraschender Besuch ---------------------------------------------------------- Schneller als ich schauen konnte waren die beiden Jungs von meiner Seite gewichen und in Richtung Diele geeilt, wo sich kurze Zeit später die Wohnungstür zu meinen Apartment öffnete. Sie wechselten einige schnelle freundliche Worte mit dem Pizzaboten, der ihnen wenig später den Preis für seine Lieferung verkündete. "Wartet einen Augenblick. Ich hole Eure Bezahlung, Herr", kam es von Kili, der kurz drauf wieder mitten im Raum auftauchte. Allerdings kam er nicht zu mir, um mich nach Geld zu fragen, sondern schritt zielstrebig am Fußende meines Bettes vorbei, in Richtung Sofa. Da bemerkte ich erst, dass einige der Körbe, die sie für die Party angeschleppt hatten, noch bei mir verweilten. Nicht ohne Grund wie ich feststellen konnte. Denn es waren jene, in denen sich die wenigen Habseligkeiten der beiden Jungs und ihres Onkel befanden. Natürlich. Sie hatten ja geplant bei mir zu bleiben. Warum sollten sie da nicht schon mal ihre Kleidung und andere Sachen mit sich führen? Wobei ich mich ernsthaft fragte, ob es wirklich ratsam war, dass sie ihre mittelalterliche Gewandung auch weiterhin trugen. Ich mochte mir gar nicht das Gesicht des Boten vorstellen, vor dem Fili immer noch stand, um auf seinen Bruder zu warten. Mit Sicherheit war es eine Mischung aus Belustigung und genervtem Schnaufen, da dieser bis in den achten Stock hatte laufen müssen. Es verwunderte mich auch, dass er nicht zuvor unten die Wohnungsklingel benutzt hatte. Aber wahrscheinlich, war diese genauso kaputt wie der klapprige Aufzug. Und wieder wurde mir schmerzlichst bewusst, dass ich Plattenbauten dieser Art bis aufs Äußerste verabscheute. Gerade weil immer alles Mögliche auf gut Deutsch gesagt im Arsch war. Vermutlich musste ich in den nächsten Tagen einmal den werten Herrn Hausmeister kontaktieren, auch wenn mir dieser unliebsame Zeitgenosse alles andere als wohlgesonnen war. Und seine Frau erst recht nicht, welche ich insgeheim für einen billig gezüchteten Klon meiner Ex-Schwiegermutter hielt. Ein ums andere Mal war sie mir während meiner Renovierungsarbeiten in die Quere gekommen. Hatte geschimpft über den Dreck und den Lärm, welchen ich doch verursachte und dass ich mal wieder eine dieser unliebsamen Landplagen sei, die nur Ärger mit sich brachte. Wo ich ihr zu einem Teil zustimmen mochte. Auch wenn sie noch nichts von den Zwergen zu wissen schien. Denn sonst wäre sie längst bei mir aufgetaucht und hätte mich buchstäblich zusammen gefaltet. So konnte ich zunächst nur von Glück reden, dass meine kleinen Geheimnisse vorerst vor ihr verborgen blieben. Ich wollte gar nicht daran denken, dass sie wegen meinen Mitbewohnern womöglich noch den Vermieter und das Amt verständigte, welche dann wohl zu Kontrollbesuchen kam. Unangekündigt selbstverständlich. Mir wurde ein klein wenig flau im Magen, als ich mir vorstellte, wie die Herrschaften bei mir herum schnüffelten. Oft genug hatte ich gehört, wie streng und gnadenlos diese Menschen sein konnten, wenn sie erfuhren, dass mit ihren Geldern eine gesamte Gemeinschaft durchgefüttert wurde, die man nicht in den Bergen von Formularen angemeldet hatte. Sofort kam mir meine kleine, geistige Checkliste in den Sinn, auf der ich einige Dinge bereits abhaken, aber nun auch wieder eintragen konnte. Denn um einer Strafe zu entgehen, würde ich wohl oder übel die kleinen bärtigen Männer als Teil meiner sogenannten Bedarfsgemeinschaft eintragen lassen müssen. Wobei man da auch unterscheiden konnte, ob sie tatsächlich von den Bezügen betroffen waren, oder selbstständig mit im Haushalt lebten. Letzteres wäre wohl weit sinnvoller. Solche vorbeugenden Maßnahmen wären mit Sicherheit angemessener, als die Zwerge gänzlich zu verheimlichen. Würde ich sie nämlich mit in die Liste eintragen, mit der ich womöglich zusätzliches Geld vom Staat erhalten würde, dann müssten nicht nur die Jungs, sondern auch Thorin irgendwann dem Amt Rede und Antwort stehen. Sicher, das Geld hätten wir zu viert gut gebrauchen können. Aber ich hinterging den Staat ja bereits damit genug, dass sich Wesen in meiner Gegenwart aufhielten, die gar nicht existieren sollten. Zumindest nicht in Fleisch und Blut. Und doch waren sie eben da. Obwohl sie für mich schon lange nicht mehr so befremdlich und ungewöhnlich waren wie zu Anfang. Eigentlich konnte ich auch froh sein sie bei mir zu haben. Denn sonst würde ich ganz allein in meiner neuen Bude hocken und weiter in meiner Trauer um meinen Verblichenen vor mich hin vegetieren, wie noch vor wenigen Monaten. Ein flüchtiges Lächeln huschte über meine Lippen als ich sah, wie Kili sich von dem Korb erhob, in dem er einige Minuten herumgewühlt hatte, bis er schließlich einen kleinen ledernen Beutel hoch hob, aus dem er dann einige bunte Scheine heraus zog. Damit eilte er zügig wieder in Richtung Diele zurück. Kurz drauf vernahm ich das freundliche und überraschte Lachen des Lieferboten, als die Jungs verkündeten: "Der Rest ist für Eure Mühen." Dann verabschiedeten sie den Mann und schlossen rasch die Tür, ehe sie mit den Schachteln voller Essen und einem breiten Grinsen auf den Gesichtern zu mir zurück kamen. Der übergroße Karton mit der Familienpizza für die Jungs war kaum zu übersehen. Er war ganz schön sperrig, weshalb Fili, der diesen auf den Armen trug einige Mühe hatte ihn vorsichtig auf den Küchentisch zu stellen. Der Karton mit meiner Pizza wirkte darauf schon eher mickrig und einsam, als Kili diesen seinem Bruder abnahm und irgendwo daneben stellte. Es wunderte mich ein bisschen, wie sie es schafften unter die Schachtel zu greifen, wo ich selbst wusste, dass das Zeug eigentlich furchtbar heiß war. Aber Zwerge waren ja nicht halb so empfindlich was Hitze betraf wie gewöhnliche Menschen. Durch die ganzen harten Arbeiten in den Schmieden, Bergwerken und Kämpfe besaßen sie allgemein eine ziemlich dicke Schicht Hornhaut an den Händen. Wobei ich mir auch dachte, dass sie wohl schon von Natur aus vorhanden sein musste. Wahrscheinlich konnten sie auch genau deshalb die vorgeschnittenen Stücke der Pizzen ohne Besteck einfach so mit bloßen Fingern auf die Teller legen, nachdem sie die Kartons geöffnet hatten und sich ein absolut köstlicher Duft in dem kleinen Raum verteilte. Wir seufzten alle drei fast gleichzeitig sehr sehnsüchtig, als uns dieser in die Nasen stieg und unsere Mägen erneut begannen mahnend zu knurren. Es wurde höchste Zeit für etwas Handfestes zu Futtern. Eigentlich wollte ich schon meine Füße neben das Bett stellen, um mich zu den beiden zu gesellen, damit wir gemeinsam am Tisch essen konnten. Doch noch ehe ich auch nur zur Kante rutschen konnte, hatte sich Fili schon mit einem Teller zu mir umgedreht und hielt mir diesen lächelnd unter die Nase. "Bleib sitzen. Du musst erst mal wieder richtig zu Kräften kommen", meinte er, bevor ich ihm den Teller abnahm. "Ach, zu Kräften kommen. Jetzt behandelt mich nicht so als wäre ich todkrank und unglaublich Hilfsbedürftig. Wir können doch zusammen am Tisch sitzen", erwiderte ich mit einem belustigten Schnauben. "Wir sorgen uns eben um unser Schwesterchen. Außerdem haben wir versprochen gut auf dich aufzupassen. Besonders, bis deine Wunde wieder verheilt ist", kam es von Kili, der mit seinem Essen einmal um mein Bett herum ging und sich dann auf der anderen Seite niederließ. Dann schwang einfach unversehens seine kurzen Beine hoch und ließ diese auf meiner Bettdecke nieder. Natürlich ohne sich vorher seiner Stiefel zu entledigen, weshalb ich beleidigt den Mund verzog. "Hey. Keine Schuhe im Bett!", fauchte ich und rutschte zu ihm herüber, um seine Beine wieder auf den Boden zu befördern indem ich meinen Fuß gegen seine kräftigen Waden presste. Doch sie bewegten sich keinen Millimeter weit, was den dunkelhaarigen Jungen nur dazu brachte kurz zu lachen. "Jetzt hab dich nicht so wegen meinen Stiefeln. Ich zieh sie ja schon aus", sagte er immer noch lachend, stellte seine Pizza zwischen uns ab und griff dann nach unten, wo er die Lederriemen öffnete und sich dann lässig von seinen Tretern befreite, indem er ein wenig mit den Füßen strampelte. Diese flogen im hohen Bogen mit einigen Überschlägen durch den Raum und verfehlen dabei nur sehr knapp meinen Schreibtisch. Ich musste kurz den Atem anhalten, als diese polternd gegen meinen alten Drehstuhl krachten. "KILI! Verdammt! Sei doch etwas umsichtiger. Du zertrümmerst noch meine ganze Bude!", knurrte ich und boxte ihm einmal kräftig gegen die Schulter, was für sein Empfinden wohl nur ein leichtes Streicheln war. "Was hast du denn? Ist doch nichts passiert", erwiderte er mit einem feixenden Grinsen auf dem Gesicht, während er sich an das gepolsterte Gestell meines Bettes zurück lehnte und seinen Teller wieder auf den Schoß setzte. "Cuna hat recht, Bruder. Wir haben schon genug kaputt gemacht. Es ist nicht notwendig den Rest ihrer wenigen Habe auch noch zu zerstören", kam es plötzlich von Fili, noch bevor ich dem Jüngeren für seine Aussage erneut gegen die Schulter boxen konnte. Als ich mich mit leicht überrascht gehobenen Augenbrauen zu dem blonden Bursche umdrehte, hatte sich dieser bereits auf die andere Bettkante sinken lassen, wo er nun ganz ordentlich die Stiefel von den Füßen schnallte. Den Teller mit seinem Essen, hatte er vorsorglich auf einen meiner alten Küchenstühle abgelegt. Nachdem auch er fertig war, tat er es seinem Bruder gleich und schwang sich mit samt seinem Essen auf die andere Seite neben mich. "Was wird denn das, wenn es fertig ist?", fragte ich leicht verwirrt, nachdem es sich die Jungs richtig bequem gemacht hatten. "Wir dachte, wir leisten dir ein klein wenig Gesellschaft. Außerdem wolltest du uns doch zeigen, wie man mit dem schwarzen Gemälde in die Ferne sehen kann", meinte Kili und grinste breit, bevor er sich seinem ersten Stück Pizza zu wand. Ich seufzte kurz und rollte mit den Augen. Oh man, das hatte ich schon fast wieder vergessen. Zum Glück lag schon die Fernbedienung bei mir, sonst hätte ich einen der Jungs wieder aufscheuchen müssen, um sie mir zu bringen. Diese machten sich bereits unter gierigem Schmatzen und genüsslichem Aufstöhnen daran das Essen in sich rein zu stopfen. Den Beiden schmeckte diese Fremdartige italienische Köstlichkeit sichtlich. Denn als ich nach meiner Fernbedienung suchte, die ich nach einigen Minuten zwischen Fili und mir fand, bemerkte ich, dass dem blonden Burschen schon einige Fäden des geschmolzenen Käses in seinem ordentlich geflochtenen Bart hingen. Dementsprechend musste ich spontan anfangen drauf los zu prusten, da er unglaublich albern mit diesen fast endlos langen, ungleichen Zotteln aussah. Er hob hingegen nur kurz die Augenbrauen als er mein Prusten bemerkte. "Waff iff denn? Warum lafft du?", hakte er mit halbvollem Mund nach, ehe er sich erneut sein Pizzastück in den Mund schob. "Du. Du solltest mal den Käse aus deinem Bart ziehen, Fili. Sonst verklebt der dir noch deine Zöpfe", gluckste ich, woraufhin er sich fast erschrocken ans Kinn griff und an den Käsefäden herum zog. Doch anstatt sie zu lösen, verzwirbelte er sie nur noch mehr in seinem Bart. Nun fluchte er knurrend und ließ das Pizzastück auf den Teller sinken, um beide Hände zum Saubermachen zu nehmen. Kili wurde indessen auf die leidige Käseverstrickung seines Bruders aufmerksam und begann ebenso wie ich zu lachen, als der blonde Zwerg sich wutschnaubend seinen Teller von den Oberschenkeln nahm und wieder vom Bett erhob. Sein Weg führte ihn zu meiner Küchenzeile, wo er sich kurz über das Spülbecken beugte. Dort stelle er das Wasser an und wusch sich unter einigem Platschen und Prusten gründlich das Gesicht, während Kili und ich uns auf dem Bett fast kugelten. "Hört auf so zu lachen! Das ist alles andere als witzig!", fauchte er uns wenig später über die Schulter hinweg entgegen, ehe er den Hahn wieder zu drehte. "Ach komm schon, Fili Käsebart. Sowas kann jedem passieren. Iss beim nächsten Mal etwas aufmerksamer", lachte ich und wischte mir kurz einige Tränen aus dem Augenwinkel. "Dir und Kili kann so etwas ja nicht passieren. Oh Mahal. Nicht auszudenken, wenn ich diesen Käse nicht mehr hätte entfernen können", grummelte er und schüttelte sich mit angewidert verzogenem Mund. "Dann hättest du deinen Bart eben ein klein wenig stutzen müssen. Was ist denn schon dabei?", meinte ich reichlich unbedacht. Doch hätte ich mir den letzten Satz am besten gut verkneifen sollen. Denn Filis Miene verfinsterte sich mit einem Mal zusehends, weshalb mir mein Lachen buchstäblich in der Kehle stecken blieb. Sein Anblick verursachte ein unangenehmes Kribbeln in meinem Nacken, welches nicht daher rührte, dass Kili mir geradewegs schnaufend dagegen blies. Ich bekam das ungute Gefühl, dass ich gerade etwas unglaublich Dämliches und Falsches gesagt hatte. Das bestätigte sich auch wenig später, als ich sah, wie der blonde Bursche kurz die Hände zu Fäusten ballte und die Schultern straffte. "Dein Glück, dass ich dich gern habe und du keine Ahnung von den Worten hast, die eben deiner vorlauten Zunge entsprungen sind. Sonst hätte ich sie dir dafür nämlich herausgeschnitten", knurrte er und spannte seine Fäuste immer wieder an. Ich schluckte heftig zusammen und zog ein klein wenig den Kopf ein, aus Angst er würde vielleicht irgendetwas nach mir werfen wollen. Himmel! Was hatte ich denn nun wieder falsch gemacht? So wütend war er bisher noch nie auf mich gewesen. Dabei hatte ich doch wissentlich gar nichts Böses gesagt. Aber offensichtlich lag ich damit mal wieder komplett daneben. Denn er brauchte einige Sekunden um sich zu beruhigen. Er atmete ein paar Mal tief durch und schloss die Augen, bevor die Anspannung aus seinem Körper wich und sich seine Fäuste lockerten. Indessen warf ich fast verzweifelt einen kurzen Blick zu Kili, welcher lang seufzte und mit den Augen rollte. "Cuna. Das mit dem Bart war sehr unhöflich. Etwas Derartiges sagt man nicht zu einem Zwerg", meinte er und beantwortete mir damit ruhig meine unausgesprochene Frage. "Was? Wie...Wieso? Ich meine, stutzt ihr eure Bärte nicht gelegentlich, wenn ihr sie in Ordnung halten wollt?", hakte ich ein wenig besorgt und leise nach. "Doch. Das tun wir. Jedoch nicht so, wie du es dir wohl denkst. Dir sollte eigentlich klar sein, dass unsere Bärte uns sehr heilig sind. Sie sind ein Ausdruck von Ehre und Stolz, und spiegeln einem Anderen gegenüber sogar den Stand und die Herkunft wieder. Bei uns sagt man nicht umsonst, je länger der Bart umso ehrenhafter der Zwerg", erklärte er und biss wieder in seine Pizza. Nun musste ich mir verlegen auf die Unterlippe beißen und zog meinen Kopf noch mehr ein. Herrje, das hatte ich wirklich nicht ahnen können. Wobei es mir tatsächlich hätte klar sein müssen. Schließlich wurden Zwerge nicht ohne Grund immer mit langen, vollen Rauschebärten auf Bildern dargestellt. Das sie jedoch ein derartiges Statussymbol oder Markenzeichen waren wäre mir als Mensch niemals in den Sinn gekommen. Kein Wunder, warum Fili unglaublich wütend durch meinen dummen Satz geworden war. Zumindest wusste ich mit Kilis Erklärung im Hinterkopf, dass ich demnächst wohl besser erst denken und dann reden sollte, wenn ich irgendetwas in dieser Hinsicht erwähnte. Nicht auszudenken wie es gekommen wäre, wenn ich dies zu Thorin gesagt hätte. So langsam begriff ich auch, warum er von Zeit zu Zeit Gloin gegenüber die Drohung ausgesprochen hatte, dass er ihm jedes Barthaar einzeln ausreißen würde. Es war nicht allein die Tatsache, dass es sehr unangenehm war, wenn man an solchen Härchen herum zupfte. Nein, er wollte ihm damit Stückchen für Stückchen einen Teil seines Ansehens und der Ehre berauben, was für einen Zwerg wohl weitaus schmerzvoller war, als das Zupfen selbst. Ein Zwerg ohne Bart war wohl in der Gesellschaft seines eigenen Volkes nichts mehr wert. Die Erkenntnis meines schweren Faux pas ließ mich betreten schlucken und auf mein bisher nicht angerührtes Essen starren, ehe ich reumütig vor mich hin murmelte: "Tut mir leid, Fili. Ich wollte dich nicht beleidigen." Dieser stöhnte daraufhin leise im Hintergrund, bevor er knapp erwiderte: "Wie ich schon sagte, du hattest keine Ahnung von dem was du sagst. Und ich hab dich immer noch gern, Schwesterchen. Aber das nächste Mal mache dir lieber vorher bewusst, zu wem du was sagst." Ich nickte langsam und sah ihn noch einmal entschuldigend an, während er nur seine blonde Mähne schüttelte. Es war wohl besser das Thema nun beiseite zu schieben und nicht weiter darauf einzugehen. Auch wenn mich meine Neugier auf der anderen Seite mal wieder mit der interessanten Frage plagte, was Zwerge denn noch so alles mit ihrem Bart in Zusammenhang brachten außer geschmolzenem Käse, wie in diesem Fall. "Kommt nicht wieder vor. Versprochen. Aber wo du gerade da stehst. Kannst du vielleicht das Licht anmachen? Es wird langsam dunkel und ich möchte gern sehen, was ich auf dem Teller habe", meinte ich ruhig. Fili nickte langsam und seufzte noch einmal, bevor er sich kurz umdrehte, um den Lichtschalter zu betätigen. Sofort ging meine Deckenleuchte an, die immer noch dasselbe schummrige Licht wie am vergangenen Abend von sich gab. "Gut so?", hakte er wesentlich entspannter nach und ich nickte. "Ja. Das reicht schon. Mehr brauchen wir nicht. Kannst wieder her kommen, wenn du magst. Dann können wir endlich fernsehen", entgegnete ich, was sich der blonde Bursche nicht zweimal sagen ließ und wenig später erneut zu meiner Linken Platz nahm. Ich atmete noch einmal ganz tief durch, während er sich zurecht rückte und ich endlich die Fernbedienung hob. "Seid ihr bereit?", fragte ich vorsorglich, da ich nicht wusste, wie sehr sie sich vielleicht vor dieser ungewöhnlichen Errungenschaft meiner Welt erschrecken würden. "Nur zu. Und du solltest danach auch endlich etwas Essen. Mir scheint dieses eigenwillige Brot wird ungewöhnlich schnell kalt", kam es auffordernd von Kili. Ich nickte ihm kurz zu und richtete dann meine Aufmerksamkeit auf den noch schwarzen Bildschirm, ehe ich meinen Zeigefinger zum Anschaltknopf bewegte und diesen in die Schaltfläche drückte. Mein Fernseher gab ein kurzes elektrisches Knistern von sich und binnen eines Wimpernschlages, gab es sowohl ein Bild als auch Worte wieder. Wie nicht anders zu erwarten, zuckten die jungen Zwerge zu meinen Seiten verschreckt zusammen. Allerdings nicht halb so sehr, wie ich gedacht hatte. Sie waren keineswegs verängstig oder verstört wegen den vielen verschiedenen Bildern, die gerade vor ihren Augen immer wieder die Szenen wechselten. Zurzeit lief sowieso nur Werbung und ich wusste nicht einmal welchen Sender ich gerade erwischt hatte. Das würde sich aber herausstellen, sobald das bunte Artikelschauspiel vorbei war und die Programmvorschau über die Mattscheibe flimmerte. Doch bereits die Werbung, war für die beiden Jungs ein wahrer Hochgenuss. Neugierig und manchmal vollkommen verwirrt lehnten sie sich nach vorne und blinzelten ungläubig, als ihnen zunächst ein animierter Fuchs etwas über saubere Wäsche erzählte und kurz drauf ein muskelbepackter Mann mit Glatze eine komplett verschmutze Wohnung wieder auf Fordermann brachte, sodass alles glitzerte und blinkte. Ich lehnte mich hingegen entspannt zurück, legte die Fernbedienung aus der Hand und vergnügte mich ausgiebig mit meiner Hawaiipizza. Gut, sie war, wie Kili schon angedeutet hatte, fast kalt. Aber das machte mir nichts aus. Ich hatte mir zusammen mit meinem Verblichenen irgendwann angewöhnt auch solche Sachen von Zeit zu Zeit kalt zu mir zu nehmen. Es war zwar alles andere als Gesund für den Magen, aber Pizza war ja so oder so nicht gerade das ausgewogenste Essen. Auf Dauer konnte ich es den Zwergen sowieso nicht auftischen. Schließlich waren diese kleinen Männer gute alte Hausmannskost gewohnt. Und wer konnte schon wissen, was mit ihnen geschah, wenn sie sich zu viel Fast und Junk Food einverleibten. Dann hätte ich mit größter Wahrscheinlichkeit binnen weniger Wochen zwei ausgewachsene Klone von Bombur in meiner Wohnung herum sitzen oder rollen. Nicht auszudenken, was ihr Onkel dann mit mir anstellen würde, wenn ich seine Neffen in zwei Hefeklöße verwandelte. Immerhin hatte ich ja in einem kleinen Teil meines Herzens noch die Hoffnung, dass sich alles irgendwie wieder einrenken ließ, wenn wir die Zeit der vorübergehenden Trennung überstanden hatten. Nur konnte ich wie immer meine eigene Skepsis nicht niederringen, welche genauso stark, wie die Sehnsucht nach ihm an meinem geschundenen Herzen nagte. Ich ertappte mich kurz dabei, wie ich mich fragte, was der Zwergenkönig wohl im Augenblick anstellte. Ob er und der Rest seiner Truppe es geschafft hatten heil und unversehrt wieder im Reich der Götter zu landen? Ob Thorin vielleicht Gandalf kurz nach seiner Ankunft aufsuchte, um ihm zu erklären, dass er riesigen Mist gebaut hatte und nun einen anständigen Rat bräuchte, damit nicht noch mehr passierte sobald er zurück kehrte? Wobei ich den Zwergenkönig eigentlich inzwischen doch weit besser kannte und irgendwie wusste, dass er seine Fehler niemals mit irgendeiner anderen Person, als mit sich selbst klärte. So war das Bild, wie der kleine dunkelhaarige Mann auf einer Psychologen-Couch in einem typisch klischeebehaftetem Behandlungszimmer eines Gandalfs herum lag, welcher sonderbarerweise ein bisschen an Siegmund Freud erinnerte, seine komplette Lebensgeschichte Preis gab, während der Zauberer eifrig etwas auf einem Klemmbrett notierte und dabei eine Pfeife mit Altem Tobi rauchte, wirklich äußerst abwegig. Deshalb verwarf ich diesen Gedanken auch schnell wieder und widmete mich stattdessen lieber dem Fernseher, wo sich die Werbung dem Ende geneigt hatte und nun das Intro des regionalen Nachrichtenstudios aus den Lautsprechern dudelte. Zumindest wusste ich ab dann, welchen Kanal ich zuletzt geschaut hatte. Den beiden Jungs, war es jedoch alles andere als recht, dass die Werbung aufgehört hatte. Sie protestierten lauthals und warfen den Sprecher, der sie eh nicht hören konnte, wüsten Beschimpfungen zu. "Verschwindet aus dem Gemälde, unverschämter Bastard!", blaffte Kili und hob drohend die Faust gegen meinen Fernseher. "Wir wollen die vielen Bildergeschichten wieder sehen! Schert Euch weg!", knurrte sein Bruder von seiner anderen Seite, während der Sprecher weiterhin ungerührt in die Kamera starrte und den Text auf seinem Zettel vorlas. Ich konnte mich indessen nur wieder kugeln vor Lachen und musste aufpassen, dass ich nicht beim Prusten die Pizza überall herum spuckte. Aber es war einfach mal wieder zu köstlich, wie die Zwerge verzweifelt versuchten den Mann, der immer noch wie ein Roboter vor sich hin brabbelte und die Nachrichten der Region verkündete, mit ihren wedelnden Fäusten dazu zu bewegen der Werbung erneut Platz zu machen. Das ging einige Minuten so weiter, bis sie schließlich endgültig ihre geringe Zwergengeduld verloren und beinah meine Teller in Richtung der Mattscheibe feuerten. Zu meinem und auch dem Glück meines Fernsehers, bemerkte ich recht schnell ihren enormen Ärger und Unmut, und packte die beiden Brüder fest an den Ärmeln ihrer Leinenhemden, bevor sie tatsächlich noch etwas zerstörten. "Jungs! JUNGS! STOPP!", brüllte ich gerade noch rechtzeitig, was sie inne halten und zu mir schielen ließ. "Was ist, Cuna? Willst du vielleicht mit dem Mann da reden, dass er verschwinden soll?", hakte Kili verwirrt nach und senkte den Teller wieder auf seinen Schoß. Ich seufzte nur kurz und schüttelte den Kopf, ehe ich ganz ruhig und sachlich versuchte ihnen zu erklären, dass all ihre Mühen in dieser Hinsicht umsonst waren. "Boah. Jungs. Ernsthaft. Das was ihr vorhin gesehen habt waren keine Bildergeschichten, das nennen wir bei uns Werbung. Da bieten Händler ihre Waren an, die man dann in den Läden kaufen soll. Was ihr jetzt seht ist das eigentliche Fernsehprogramm. Wir nennen es Nachrichten. Und der Mann da erzählt gerade etwas über das aktuelle Geschehen in dieser Gegend. Ist euch nicht aufgefallen, dass er euch gar nicht hören kann?", fragte ich und versuchte sie damit erst einmal ins Grübeln zu bringen. Das gelang mir auch glücklicherweise recht gut, denn die Brüder sahen zunächst mich, dann sich selbst und dann wieder den Nachrichtensprecher an, hinter dem nun ein Bild über die aktuellen Bürgermeisterwahlen aufgeploppt war. "Er. Er kann uns nicht hören?", meinte Fili ein wenig verdattert und schüttelte ungläubig seinen blonden Haarschopf. "Nein. Kann er nicht. Weil er nämlich eigentlich nicht hier im Raum ist", entgegnete ich und löste nun meine Finger von ihrem Hemdsärmeln. "Du meinst, der Mann da ist ein Geist?", fragte Kili, wobei sich auf seiner Stirn eine tiefe Sorgenfalte bildete. Erneut musste ich seufzen und schüttelte ruhig mit dem Kopf. "Nein, ist er nicht. Er ist ein Mensch aus Fleisch und Blut wie ich. Was ihr da seht, ist lediglich seine Projektion. Also sein Spiegelbild, das von einer Kamera aufgefangen wird und dann mit Hilfe von Strom und Funkwellen auf meinem Fernseher wieder gegeben wird. Natürlich gibt es noch andere Faktoren, die da mit rein spielen. Aber ganz ehrlich, das könnte ich euch nicht erklären, selbst wenn ich es wollte. Was Technik und so einen Kram angeht, habe ich eine richtige Allergie. Ich bin froh, wenn ich weiß wie meine Computerprogramme so halbwegs funktionieren. Wenn es euch allerdings interessiert, dann könnt ihr vielleicht meinen Freund Richi danach fragen. Der ist in vielen Dingen bewandert. Ein wahres Lexikon. Wir nennen ihn insgeheim nicht umsonst Richi-Pedia", sagte ich und grinste die jungen Zwerge breit an, als sich ihre Mienen nach meiner Erklärung verstehend erhellten. "Dann ist der Mann da also auch Teil einer Bildergeschichte. Aber wovon redet er eigentlich da?", fragte Fili schließlich deutlich beschwichtigt und lehnte sich langsam zurück. "Wenn ihr leise seid, dann könnt ihr auch verstehen was er gerade erzählt. Er berichtet nämlich über das, was zur Zeit hier in der Gegend alles so passiert ist", erklärte ich, nahm vorsorglich die Fernbedienung wieder zur Hand und drehte die Lautstärke ein kleines bisschen höher, sodass wir nun alle drei verstehen konnten, was der Sprecher verkündete. "... Die Wahlen gingen zu Gunsten des parteilosen Kandidaten Herbert Matuschek aus, welcher demnächst sein Amt als neuer Bürgermeister antreten wird. Kommen wir nun zu einem anderen Thema. Die örtliche Polizeibehörde fahnden weiterhin nach der Einbrecherbande, die bereits seit mehreren Wochen rund hundert Einbrüche und Diebstähle in der Region begangen hat. Bisher sei aber kein genaues Muster zu erkennen, so der Pressebeauftragte der Polizei. Es handele sich wohl um rein willkürlich geplante Taten, die sich durch sämtliche Gesellschaftschichten ziehen. Vom einfachen Mittelständler über Großunternehmer bis hin zu Mittellosen Familien und Rentnern. Tatsache sei jedoch, dass die Täter immer skrupelloser mit ihren Opfern umgehen. So wurde der betagte Rentner Wolfgang P. jüngst in seinem Keller von der Bande überrascht, als er gerade in seinen Garten wollte. Die Täter waren allem Anschein nach schwer bewaffnet und schlugen den älteren Mann heimtückisch nieder, als dieser gerade ahnungslos die Hintertür öffnete. Eine aufmerksame Nachbarin fand schließlich den Rentner verletzt am Boden, nachdem dieser wieder zu Bewusstsein gekommen und lauthals um Hilfe gerufen hatte. Die Frau verständigte kurz nach ihrem Fund umgehend die Polizei und den Notarzt. Laut den Angaben der eingetroffenen Rettungskräfte erlitt Wolfgang P. eine Platzwunde am Kopf und ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma, weshalb er sich nicht an den genauen Tathergang erinnern konnte. Allerdings sei er sich sicher, dass es sich bei den Einbrechern um mindestens zwei bis drei männliche Personen handele. Nach einer kurzen Befragung am Tatort wurde der Rentner ins örtliche Krankenhaus gebracht, wo er sich gegenwärtig noch in Behandlung befinde. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach diesem Vorfall nicht mehr nur wegen Einbruch-Diebstahl, sondern auch wegen schwerem räuberischen Diebstahls und Körperverletzung. Die Bevölkerung wird angehalten ihre Wohnungen beim Verlassen gut zu verschließen und falls nötig weitere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Sollten Sie etwas Verdächtiges in Ihrer Nachbarschaft oder in der näheren Umgebung bemerken, ergreifen Sie bitte keine Eigeninitiative. Die Verbrecher sind Gewaltbereit und schrecken vor nichts zurück. Bleiben Sie im sicheren Abstand und verständigen Sie umgehend die Polizei. Und nun zum Sport, mit Claudia Heinrich....", sagte der Sprecher und gab an seine Kollegin weiter, die nun munter etwas über den regionalen Fußball zum Besten gab. Ich blies unterdessen meine Backen auf und schnaufte danach schwer, während ich leicht unbehaglich auf dem Bett herum rutschte. Meine Güte. Das war nun alles andere als schön. Nicht auszudenken, wenn besagte Herren es wagen würden sich in meinem Plattenbau herum zu treiben. Offenbar gab es nun nicht mehr nur die Zwerge um die ich mir Sorgen machen musste, sondern auch die Gefahren meiner Welt, mit denen mich das Fernsehen so schön konfrontierte. Normalerweise glaubte ich nicht unbedingt dem ganzen Medien Dschungel, aber in diesem Fall wurde ich doch ein wenig hellhörig. Seitdem mich Susi vor gut einem Monat bereits gewarnt hatte, war mir diese ganze Geschichte aus verständlichen Gründen vollkommen entfallen. So hatte ich es das ein oder andere Mal tatsächlich versäumt meine alte Wohnung wie gewünscht nachts gut abzuschließen. Dementsprechend panisch warf ich nun einen Blick auf die Schlösser am Balkon und richtete mich ein klein wenig auf, in der Hoffnung, dass ich auch in meine Diele schauen konnte, um dort alles zu prüfen. Allerdings eher erfolglos, da ich aus meiner Sitzposition nur bis zum verbeulten Sicherungskasten und dem überdeutlichen Blutfleck am unteren Teil der Wand schielen konnte. Fili und Kili bemerkten mein stetig ansteigendes Unwohlsein und musterten mich leicht besorgt. "Cuna? Ist alles in Ordnung?", fragte der Jüngere und legte mir behutsam eine Hand auf die Schulter. "Ja. Nein. Ich. Habt ihr vorhin die Wohnungstür richtig zu gemacht?", erwiderte ich und warf beiden sehr ungeduldige Blicke zu. "Ja. Keine Sorge. Das haben wir", meinte Fili und schlug lässig die Beine übereinander. "Sind auch alle Riegel vorgeschoben? Habt ihr wirklich nichts vergessen?", fragte ich und merkte gar nicht, dass ich langsam ein klein wenig hysterisch wurde. "Cuna. Schwesterchen. Es ist alles in Ordnung. Wir haben alles gut verschlossen. Du brauchst wirklich keine Angst zu haben, dass irgendwelche Verbrecher hier eindringen können. Außerdem sind wir für den Notfall ja da. Mit so ein paar Menschen werden wir schon fertig. Jetzt beruhige dich wieder", entgegnete Kili beschwichtigend und versuchte mich vorsichtig, aber dennoch bestimmt zurück an die Lehne des Bettgestells zu drücken. Jedoch konnte und wollte ich mich vorerst noch nicht beruhigen. Zu viele Gedanken schossen mir mit einem Mal durch den Kopf. Sicher, die Jungs waren Kampferprobt und konnten es mit dutzenden Orcschaaren aufnehmen. Aber wie würde es sein, wenn sie einer Gruppe schwerbewaffneter Männer gegenüber standen, welche aus heiterem Himmel auftauchen konnten? Mit Grauen dachte ich an den Moment zurück, als Stiernacken mit seinem Schlägertrupp, am Zeltstadteingang aufgetaucht war, von denen einer mit einer Pistole auf mich geschossen hatte. Wobei schließlich Thorin verletzt worden war. Oh nein. So etwas durfte nie im Leben passieren. Der Zwergenkönig würde mich vierteilen, wenn auch nur einer seiner Neffen durch so etwas verletzt oder gar getötet wurde. Ich hatte ja nicht nur ihm sondern auch den Anderen versprochen gut auf die beiden jungen Zwerge aufzupassen. Und so wie es bereits den gesamten Tag gelaufen war, ahnte ich für diesen Abend nicht wirklich etwas Gutes. Zumindest nicht bei dem Glück, welches ich mal wieder für mich gepachtet hatte. Da half auch das gute Zureden der beiden Brüder nichts. Wenigstens ließ sich der Ältere von ihnen irgendwann von mir dazu erweichen, mit einem leicht genervten Augenrollen aufzustehen, nebenher die leeren Teller einzusammeln, welche er auf die Küchenzeile stellte und dann noch mal zur Wohnungstür zu laufen, um noch einmal alle Schlösser zu überprüfen. "Es ist alles gesichert, Cuna. Hier kommt niemand rein, außer er hätte einen Schlüssel. Du brauchst dir also um deine Habe keine Gedanken zu machen. Wie Kili schon sagte, wir beschützen dich, sofern es doch jemand wagen sollte hier unerlaubt einzudringen", meinte dieser, als er sich schließlich wieder zu seinem Bruder und mir gesellte. Ich nickte knapp und schloss für einen Moment die Augen um tief durch zu atmen. Wenigstens das war in Ordnung, auch wenn ich wohl unangebracht etwas überreagierte, was gerade die Zwerge nicht nachvollziehen konnten. Dabei ging es mir nicht mal um die Sachen, die die Männer wohl klauen konnten, sondern einzig und allein um die Sicherheit der beiden Jungs. Auch wenn sie noch so zuversichtlich waren, konnte ich mich für den Rest des Abends nicht mehr wirklich entspannen. Ich musste mich irgendwie ablenken und die Nachrichten waren dabei wirklich nicht das beste Mittel. So griff ich ein letztes Mal nach der Fernbedienung, nachdem sich Fili zu mir gesetzt und mich kurz zur Beruhigung gedrückt hatte, und wechselte das Programm. Ich schaltete Wahllos durch die Sender und Kanäle auf der Suche nach etwas, dass alle trüben Gedanken dieses verkorksten Tages doch noch vertreiben konnte. Und schließlich wurde ich bei einem Comedy-Sender fündig, wo an diesem Abend eine alte, aber sehr beliebte Filmreihe mit dem berühmten Blödelbarten Otto Walkes starten sollte. Ja, der ostfriesische Junge, der inzwischen eigentlich schon ein älterer Herr war, brachte mich auch noch nach Jahren immer wieder zum Lachen. Für meine zwergischen Brüder war diese Art der Unterhaltung wieder etwas vollkommen Neues. Natürlich. Woher sollten sie auch das moderne Kabarett und Comedy im Allgemeinen kennen? In Mittelerde gab es ja nur Gaukler, Spielmänner und Akrobaten, die die Leute mit ihren Geschichten zum Lachen oder Weinen brachten, wie einst vor vielen hundert Jahren in meiner Welt. Heutzutage fand man so etwas nur noch auf mittelalterlichen Festivitäten oder wenn man Glück hatte in der städtischen Fußgängerzone. Sicher, es war von Zeit zu Zeit schön anzusehen und eine willkommene Abwechslung vom tristen eintönigen Alltag. Trotzdem ging mir persönlich nichts über die im Vergleich noch junge Fernsehnlandschaft, welche je nach Bedarf und Vorlieben eine Menge Auswahl an Unterhaltung bot. Obwohl, es in den letzten Jahren schwer abgenommen hatte. Zumindest zeigten sie zwischen Hartz-Vier- TV und den zeitweise ermündenden Dokumentationen über den zweiten Weltkrieg immer noch einige ältere Filme. Und diese den beiden jungen Zwergen zu zeigen und ihnen schmackhaft zu machen, war einfacher als ich erwartet hatte. Sie waren über alle Maße begeistert von dem quirligen, reichlich verrückten Ostfriesen, der immer wieder durchs Bild hampelte und dabei allerhand Blödsinn anstellte. Besonders, wenn die anderen Schauspieler in Mitleidenschaft gezogen wurden. Tja, Schadenfreude gab es wohl auch in anderen Welten, dachte ich so bei mir und lachte lauthals, nachdem zum x-ten Mal der Name "Harald" aus dem Lautsprecher an unsere Ohren drang und die arme Gräfin damit unwillkürlich in einen komatösen Zustand versetzt wurde. Stunde um Stunde verging, in denen ich mehr und mehr meine Sorgen und Bedenken vergas. Auch weil Fili und Kili in den Werbepausen es sich nicht nehmen ließen ihre Lieblingsmomente Detailgetreu nachzuspielen. Was mich sehr überraschte, da sie die Filme zum allerersten Mal sahen. Wieder ein Pluspunkt, weshalb ich die kleinen bärtigen Männer inzwischen nicht mehr missen wollte und sehr ins Herz geschlossen hatte. Mein Unmut war wie weggeblasen, was auch den Brüdern zusagte, als sie bemerkten, wie sehr mich ihre Darbietungen amüsierten. Sie waren aufgestanden und hatten sich vor meinem Bett positioniert, damit ich beide gut im Blick hatte. Ich konnte mich um ein Haar nicht mehr einkriegen, nachdem Fili kurz "Harald" rief und Kili danach theatralisch auf dem Bett in Ohnmacht fiel. Ich hielt mir den Bauch, der vom vielen Lachen unsagbar schmerzte und klatschte mir einmal heftig auf den Oberschenken, als plötzlich ganz unerwartet meine Deckenlampe flackerte und von draußen ein lauter Knall zu hören war. Verschreckt verstummten wir, zuckten bei einem erneuten Knall und Lichtflackern zusammen und sahen fast gleichzeitig nach oben und dann ganz langsam zum Balkonfenster. Draußen hatte es begonnen zu gewittern und zu regnen. Durch die eingekehrte Stille konnten wir auch endlich hören, wie der Wind um das Gebäude pfiff, der schwere dicke Regentropfen gegen die Scheiben schmetterte. Na großartig. Damit war der Fernsehabend wohl gelaufen. Seufzend rollte ich mit den Augen und ergriff meine Fernbedienung, bevor ich die Mattscheibe ausknipste, was den Jungs jedoch gar nicht gefiel. "Was bei Durins Bart...? Cuna, warum hast du das Gemälde wieder geschwärzt?", brummte Kili entsetzt, nachdem er sich wieder vom Bett aufgerichtet hatte. "Ganz einfach. Bei Gewitter sollte man nicht fernsehen. Wenn der Blitz irgendwo einschlägt, dann könnte es sein, dass das Gerät kaputt geht und das will ich nicht. Außerdem können wir uns doch auch so ganz gut unterhalten, oder?", meinte ich und streckte mich ein wenig. "Das stimmt wiederum. Bedauerlich ist es trotzdem. Ich hätte zu gern erfahren, wie die Geschichte endet und ob der verrückte Mann die Frau seiner Begierde bekommt", entgegnete Fili ein wenig genickt, aber doch mit einem zaghaften Schmunzeln auf den Lippen. "Ach, Kopf hoch. Das werdet ihr schon irgendwann erfahren. Spätestens Morgen, wenn sie die Wiederholung bringen", erklärte ich und rutschte zum Bettrand. "Sie zeigen die Bildergeschichte noch einmal? Das ist ja wundervoll. Aber sag mal, was hast du denn eigentlich vor?", hakte der Jüngere nach und musterte mich leicht irritiert, als ich meine Füße auf den Boden setzte und versuchte aufzustehen. "Ich muss mal dringend aufs Klo, sonst mach ich mich noch nass vor Lachen. Und keine Angst. Das schaff ich ohne euch", erwiderte ich, als sie beide schon wieder Anstalten machten mir zu Hilfe zu eilen. "Also gut. Wenn du das sagst. Aber sollte irgendetwas sein, dann ruf uns bitte sofort und sperr die Tür nicht ab", kam es von Fili, der mich trotz meiner Widersprüche am Arm packte und auf die Füße zog. "Werde ich nicht machen. Was soll mir denn im Bad schon passieren?", meinte ich und tapste danach langsam mit leicht wackligen Beinen in Richtung Diele. Ich musste mich zwar nebenher am Küchentisch und auch der Wand festhalten, damit ich nicht doch aus Versehen stolperte. Aber alles in allem ging es mir doch recht gut. Obwohl ich wieder leichte Kopfschmerzen hatte. Aber das störte mich bei weitem nicht so sehr, wie die teilweise übertriebene Fürsorge meiner zwergischen Mitbewohner, welche mir natürlich argwöhnisch und besorgt hinterher schauten, als ich die Badezimmer Tür öffnete und wenig später darin verschwand. Sicher, ich war ihnen insgeheim sehr Dankbar dafür, dass sie sich um mich kümmerten. Doch wenn ich nach dem Streit allein geblieben wäre, dann hätte ich diesen Gang auch selbst und ohne Hilfe hinter mich bringen müssen. Außerdem war es mir bereits peinlich genug, dass ihr Onkel in der vergangenen Nacht schon bei mir gewesen und aufgepasst hatte, als ich den selbigen Geschäften auf meinem Porzelanthron nachgegangen war. So etwas wollte ich nicht unbedingt in Anwesenheit von Anderen tun. Selbst wenn wir uns so nah standen, wie eine richtige Familie. Gewissen Grenzen gab es dann doch noch für mich und diese würde ich dementsprechend vorläufig auch nicht beiseite räumen. So verbrachte ich einige Minuten in meinem weißgekachelten kleinen Bad und lauschte nebenher dem Gewitter, das von Mal zu Mal lauter zu werden schien. Puh. Das konnte wirklich noch eine sehr unangenehme Nacht werden. Insbesondere, da das Licht immer wieder flackerte und meinen schlafenden Unmut erneut weckte, nachdem ich fertig war und mir die Hände wusch. Und gerade als ich mir diese abtrocknen wollte, geschah das unvermeidliche. Ein Surren. Ein Krachen. Ein kurzes Brizzeln in der Luft und schon war alles stock dunkel. Vom Lärm und der plötzlichen Finsternis überrascht fuhr ich erschrocken zusammen und konnte mir bedauerlicherweise einen kleinen Aufschrei nicht verkneifen. Himmel, Gesäß und Nähgarn! Ein Stromausfall. Das hatte gerade noch gefehlt. Zu allem Übel kamen wenig später die beiden Jungs zu mir ins Bad gestürzt und rissen panisch rufend die Tür auf. "Cuna! Bist du in Ordnung? Ist dir etwas geschehen?", kam es von einer dunklen Silhouette, die ich nur durch ihre Stimme als Kili erkannte. "Ja. Keine Sorge. Mir gehts gut. Hab mich nur erschrocken. Nichts passiert", erwiderte ich schnaufend und ein wenig zittern, bevor ich halbblind umher tastete. "Was in Durins Namen war das? Wieso ist das Licht mit einem Mal ausgegangen?", hörte ich Fili fragen und spürte wenig später eine Hand die meinen Arm ganz vorsichtig berührte. "Der Strom ist weg. Wahrscheinlich ist der Blitz irgendwo ins Hausdach eingeschlagen. Aber keine Angst. Das geht mit Sicherheit bald wieder an, sofern der Generator im Keller anspringt. Kann aber ein paar Minuten dauern", antwortete ich, während mich die Hand ganz langsam in die Diele führte. "Ich hoffe, dass du Recht hast. Mahal sei Dank, dass du wohl auf bist", meinte der blonde Bursche, der mich wohl am Arm gepackt hielt. "Ach, mir konnte nichts passieren. Im Haus sind wir sicher. Aber wir sollten jetzt erst einmal ganz vorsichtig zurück in den Raum gehen und dort warten, bis das Licht wieder da ist", schlug ich zur Beruhigung vor, was mir die Beiden mit einem zustimmenden Brummen bestätigten. Das war wohl das Beste, was wir in dieser Situation tun konnten. Hinsetzen und die Sache ausharren. Allerdings kamen wir nicht einmal aus der Diele heraus. Der Grund dafür war jedoch nicht, dass wir in dieser Finsternis fast keine Hand vor Augen sehen konnten, denn das Gewitter erhellte ja die Szenerie immer wieder für einige Wimpernschläge. Nein, der eigentliche Grund dafür war vielmehr ein kurzes aber überdeutliches Schaben, welches ich zunächst nicht einordnen konnte. Zunächst dachte ich noch es wäre von meiner Badezimmertür gekommen, als einer der Jungs diese hinter mir schloss. Doch nachdem diese zu war, schabte es erneut und ein wenig lauter irgendwo hinter uns. Ich hielt inne und begann heftig zu schlucken. "Ähm. Habt ihr das gehört?", fragte ich und spürte, wie die Anspannung in meinen Körper zurück kehrte. "Ja. Was war das?", hakte Kili nach, der irgendwo vor mir stand. "Ich weiß es nicht. Es klang wie ein Stück Metall, das über ein anderes kratzt", schlussfolgerte sein Bruder nachdenklich. Schlagartig wurde ich aufmerksamer und ein fast panisches Keuchen entkam meiner Kehle. Himmel nein! Oh lieber Gott, das durfte doch nicht wahr sein! Bitte, bitte nicht! Nicht heute Abend, schoss es mir durch den Kopf, wobei mein Herz sich in der Brust schmerzhaft vor Angst verkrampfte. Das durfte nicht sein. Das konnte einfach nicht sein. War meine dunkle Vorahnung doch keine einfache Einbildung gewesen? Konnte es tatsächlich sein, dass sich eben jene Männer, vor denen noch in den Nachrichten gewarnt wurde, just in diesem Moment an meiner Wohnungstür zu schaffen machten? Mein Atem ging schnell und mir wurde fast schon schlecht vor lauter Angst, als das Kratzen und Schaben erneut ansetzte und schließlich darin mündete, dass etwas ins Schloss geschoben wurde. Ein Dietrich? Oder ein Schlüssel? Mein Schlüssel vielleicht? Oh großer Gott! Hatte ich ihn vielleicht aus Versehen draußen liegen lassen? Erst in diesem Augenblick fiel mir ein, dass ich diesen den gesamten Tag schon nicht mehr gesehen hatte. Fahrig faste ich mir an die Hosentasche, wo er eigentlich hätte sein müssen. Doch da war er nicht. Die war leer. "Fili? Hast du meinen Schlüssel zuletzt gehabt?", fragte ich hektisch flüsternd, während ich immer noch verzweifelt im Dunkeln meinen Körper abtastete. "Nein. Ich dachte Kili hätte ihn", meinte dieser aufrichtig. "Ich? Nein. Ich dachte du hättest ihn benutzt, nachdem der Bote da gewesen war", erwiderte der Jüngere verwirrt. "Oh. Oh...", stammelte ich und hörte reihum ein angespanntes Schlucken. Ich wusste, dass wir alle das Selbe dachten. Denn wenn ich ihn nicht hatte und die beiden Zwerge auch nicht, konnte es nur bedeuten, dass ich diesen vielleicht draußen irgendwo verloren haben musste. Scheiße! Verdammte Scheiße noch mal! Das war alles andere als gut. Besonders, da der neue Besitzer meines Schlüssel langsam begann diesen im Schloss herum zu drehen, woraufhin sich nach und nach alle vorhandenen Riegel und Sicherheitsvorrichtungen öffneten. Sicher, wir hätten versuchen können sie nacheinander wieder zu verschließen, aber denn wäre ich wohl niemals wieder an meinen Schlüssen gekommen und der Eindringling hätte später wiederkommen können um meine Bude auszuräumen. Auch wenn es nicht so viel zu holen gab. Folglich mussten wir der Dinge harren, die da auf uns zu kamen. Die beiden Jungs wurden indessen immer wachsamer. Ohne ein Wort zu sagen schoben sie mich vorsichtig hinter sich, wobei sie mir mit leisen Zischgeräuschen klar machten, keinen Mucks von mir zu geben. Danach breiteten sie ihre kleinen, aber stämmigen Körper in der Diele aus. Beunruhigt verschränkte ich meine Finger vor der Brust, um mein Herz genauso zum Schweigen zu bringen, welches inzwischen so laut in meinem Ohren pochte, dass ich meinte es würde für alle zu hören sein. Doch das Einzige was wir noch vernahmen, war das stetige Knacken und Knirschen der Schlösser, und gelegentlich ein Donnergrollen von draußen. Eines nach dem Anderen ging der Reihe nach auf. Ich zitterte und bangte, wagte aber nicht irgendeinen Ton von mir zu geben. Dann war nach einigen Minuten der letzte Riegel überwunden, sodass die Tür langsam und bedächtig aufglitt. Kalte verregnete Luft wehte zu uns herein und ließ mich erschaudern. Ich hörte die beiden Brüder schnaufen und sah sie schon zu einem Hechtsprung auf ihr Gegenüber ansetzen, als sich durch einen weiteren Blitz der Himmel hinter diesem erhellte, welcher seine Silhouette unheilvoll und schrecklich erhellte. Das was ich kurz hatte sehen können, ließ das Blut in meinen Andern gefrieren. Die Gestalt war zwar nicht sehr groß, dafür aber unglaublich breit gebaut. An ihrem Kopf standen zwei undefinierbare, geschwungene Dinger ab, die ein bisschen an Teufelshörner erinnerten. Sie gab schwere, gleichmäßige Atemzüge von sich, welche beim Ausatmen kleine Dunstwolken bildeten. Heilige Scheiße! Ich hatte mit einem Einbrecher gerechnet, aber doch nicht mit dem Leibhaftigen selbst! Und den Jungs schien es da ähnlich zu gehen. Denn anstatt nach Vorne zu stürmen, wie sie es ursprünglich geplant hatten, machen sie just einen Satz nach hinten. Wobei sie natürlich nicht auf mich achteten und wir alle panisch aufschreiend übereinander fielen, als sich die Gestalt bedächtigen Schrittes in meine Wohnung bewegte. Vom Gewicht der beiden Brüder halb erdrückt, konnte ich mich nicht einmal befreien, um vor dem Wesen zu flüchten, welches sich nach wenigen Sekunden begann zu uns herunter zu beugen. Oh Gott! Das musste so etwas wie die himmlische Rache für die Misshandlung der beiden Zeugen vom Vormittag sein. Anders konnte ich mir das Ganze in diesem Moment nicht erklären. Dabei war ich ganz und gar nicht abergläubig. Doch seit der Begegnung mit den Zwergen, war für mich selbst das Unmögliche möglich. Völlig von Sinnen vor Angst begann ich flehend vor mich hin zu stammeln: "Oh bitte, bitte, bitte nicht. Tu uns nichts. Wir haben nichts. Bitte lass uns am Leben." Und ich war nicht die Einzige, die solche Worte verwendete. Auch meine nun nicht mehr ganz so unerschrockenen Mitbewohner waren starr vor Schreck und stammelten zum Einen in Khuzdul, als auch in meiner Sprache vor sich hin. Sie flehten, beteten und klammerten sich sowohl an mir als auch an sich gegenseitig fest. Unsere Lage schien aussichtslos zu sein. Wir waren unbewaffnet, lagen hilflos übereinander auf meinem PVC-Boden und waren definitiv nicht auf das vorbreitet gewesen, was nun vor uns aufragte. Die Gestalt, das Monster oder das Wesen, egal was es auch war, kam kurz vor Filis Stiefeln zum Stehen und musterte uns alle aus seinem finsteren Gesicht. Dann hob es plötzlich einen Arm und streckte diesen nach uns aus. Ich kniff die Augen zu und rechnete schon mit dem Schlimmsten. Ganz gleich was passieren würde, wenn die Hand uns berührte, so waren meine letzten Gedanken bei Thorin, der unendlich weit weg von uns war und nicht einmal ahnte in welcher vermeintlichen Gefahr wir schwebten. Davor konnte ich die Jungs nicht schützen. Nicht vor einer wahren Ausgeburt der Hölle. Ich schloss meine Arme um meine angenommenen Brüder und stammelte weiter verängstigt vor mich hin. Dann krachte und donnerte es erneut. Diesmal wesentlich lauter, da die Tür offen stand. Und ich konnte nicht umhin noch ein letztes Mal laut und verzweifelt nach dem Einen zu rufen, von dem ich dachte, dass ich ihn nach dieser Prozedur nie mehr wieder sehen würde. "THORIN! HILFE UNS!", schrie ich mit letzter Kraft. Doch nicht er war es, der uns zu Hilfe kam. Nein, es war der Generator im Keller der endlich angesprungen war und den Raum wieder mit Licht erfüllte. Im selben Moment vernahm ich zum ersten Mal die Stimme der sonderbaren Gestalt vor uns, welche so vertraut ruhig und vergnügt zu uns sprach. "Bei Durins Bart. Was für ein Unwetter. Seid ihr drei wohl auf?", fragte sie anschließend besorgt. Meiner Kehle entsprang ein halb ersticktes und überraschtes Keuchen. Das konnte doch nicht sein? War das möglich? Aber wie? Hätte er nicht mit den Anderen zurückreisen sollen? Wie kam er hier her? Und war er es wirklich? Es gab nur eine Möglichkeit das herauszufinden. Ganz langsam und immer noch am ganzen Leib zitternd öffnete ich die Augen und hob meinen Blick, bis ich ihn endlich sah. Kili und Fili klammerten sich immer noch an mich und wimmerten, während mir vor Verwunderung und zu einem Teil auch Erleichterung der Mund weit aufklappte. Ja. Er war es. Da gab es keinen Zweifel. Diese Frisur mit den dunkelbraunen Zöpfen und vor allem die Mütze waren unverwechselbar. Auch das sonnige und leicht verwirrte Lächeln hinter seinem auffälligen Bart, war unverkennbar das von... "Bofur?" - 95. Pizza, Fernsehen und überraschender Besuch / ENDE - Kapitel 96: 96. Die Herzdame und ihre drei Spitzbuben ----------------------------------------------------- Völlig perplex und verwirrt starrte ich den Zwerg über mir an, wobei mein Mund sperrangelweit offen stehen blieb. Immer noch zitterten die beiden Jungzwerge in meinen Armen und bekamen noch gar nicht mit, dass zum Einen das Licht angegangen war und ich zum Anderen erkannt hatte, wer uns da so überraschend heimgesucht hatte. Aber auch der Besucher war ein klein wenig verstört. Was ich ihm eigentlich nicht verübeln konnte. Immerhin hatte ich lauthals geschrien und lag unter den schweren Körpern der beiden Brüder begraben. Bofur kratzte sich angesichts dessen, was er zu seinen Füßen vorfand fragend am Kopf, welchen er leicht zur Seite neigte. "Kili? Fili? Cuna? Warum in Durins Namen liegt ihr alle am Boden?", hakte er bedröppelt nach und musterte uns eingehend. Gut, diese Frage war durchaus berechtigt. Und am liebsten hätte ich ihn gern darauf hingewiesen, dass er für unsere mehr als peinliche Ausgangsposition verantwortlich war. Doch kam ich zu meinem und auch seinem Bedauern nicht dazu. Denn endlich hatten sich die beiden Jungs von ihrem Schrecken erholt und ebenso zu dem Mützenzwerg aufgeblickt. "Bofur?!", entfuhr es beiden überrascht und aufgebracht, was ich durchaus verstehen konnte. Schließlich hatte er uns ja einen riesigen Schrecken eingejagt. Gut, bei mir wandelte sich dieser in eine gewisse Erleichterung, was bei Kili und Fili jedoch nicht der Fall war. Diese waren ungemein aufgebracht und sogar regelrecht wütend über den armen Mützenzwerg, welcher nun all ihren Ärger abbekam. Denn die beiden Jungzwerge sprangen umgehend auf ihre kurzen Beine und begannen den Ärmsten heftig gegen die Schultern zu boxen, ehe sie in eine fast einstimmig schimpften. Zumindest brachte das die Jungs dazu sich endlich von mir runter zu gehen. Auch wenn mir Bofur im nächsten Moment unglaublich leid tat, da er für sein Auftreten eigentlich gar nichts konnte. "Du hast uns halb zu Tode erschreckt! Wir dachten schon du wärest ein Balrog! Was fällt dir ein, so unangekündigt in Cunas Gemächer einzudringen?", fauchte der jüngere und versah ihn mit einem sehr giftigen Blick, während er ihm einen weiteren Hieb gegen seine Schulter versetzte. "Ich... Ich? Ein... Aua.... Ein Balrog? Das... Das tut mir leid. Au... Hört auf mich zu schlagen! Das war nicht meine Absicht. Ich dachte... ihr... aua. Ihr schlaft schon und... und da wollte euch nicht wecken", brachte dieser mit entschuldigender Miene und einem recht abgehackten Wortschatz hervor. "Haben wir aber nicht. Du solltest eigentlich wissen, dass wir Wache halten, solange Cuna nicht bei voller Gesundheit ist. Wir müssen sie schließlich vor allen Gefahren beschützen", erwiderte Fili und versetzte Bofur noch mal einen Schlag. Ich gab indessen nur ein spöttisches Schnauben von mir und schüttelte den Kopf, während ich mich langsam selbst auf meine leicht zittrigen Beine stemmte. "Oh ja. Ihr seid ja auch so furchtbar mutige Wachen. Verkriecht euch ängstlich bei der Frau, die ihr zu schützen gedenkt und begrab sie zu allem Überfluss noch unter eurem Gewicht, sodass sie nicht mal vor der Gefahr flüchten könnte, wenn sie es wollte. Außerdem, wie kommt ihr Jungs eigentlich auf Balrog? Sowas gibt es in meiner Welt nicht. Und selbst wenn. Seit wann sind die ein Meter fünfzig groß und verwenden Schlüssel, um in Wohnungen zu kommen? Gut, dass euer Onkel nicht hier ist. Der würde euch Möchtegern Helden die Ohren lang ziehen, wenn er das gesehen hätte", fauchte ich ihnen entgegen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ein wenig überrascht hielten Kili und Fili plötzlich inne und drehten mir leicht verdattert ihre Köpfe zu. Kurz drauf stürzten sie auch schon sich in kleine stammelnde Erklärungen. "Aber... Aber, Cuna... Wir... Wir dachten wirklich er wäre ein Balrog... oder Schlimmeres. Außerdem waren wir unbewaffnet und...", begann Fili händefuchtelnd zu murmeln. "Jetzt mal ernsthaft, Jungs. Seid ihr jemals einem echten Balrog begegnet?", fragte ich mit spitzem Ton nach, was die zwei noch mehr verunsicherte. "Ich... Wir... Nein... Sind wir nicht... Gandalf hat uns mal von seinem Kampf gegen eine dieser Kreaturen erzählt. Und seine Beschreibung passte Haargenau auf das, was wir gesehen haben", ergänzte der jüngere Bruder, was mir nur ein leidendes Stöhnen abgewann, bei dem ich mir mit einer Hand über das Gesicht fuhr. Meine Güte. Ein Balrog. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Wobei konnte es so gesehen schon. Schließlich waren sie noch nie einem Echten begegnet. Und dem alten Zauberer hatten sie offensichtlich bei seiner Erzählung genauso wenig zugehört. Sonst hätten sie wahrscheinlich gewusst, dass Balrogs knapp fünfzehn Meter groß waren, in Flammen standen und nicht einfach so in Wohnviertel herum geisterten. Gut, ich musste innerlich schon zugeben, dass Bofur für mich ausgesehen hatte wie der Leibhaftige. Welcher tatsächlich ein bisschen Ähnlichkeit mit der Flamme von Udun hatte. Und im Nachhinein war mir die ganze Sache unendlich peinlich, dass ich überhaupt an eine solche Begegnung aus der Hölle gedacht hatte. Aber das wollte ich den beiden Jungs nicht auf die Nase binden. Stattdessen straffte ich meine Schultern ein wenig und begann ihnen zu erläutern, was an der ganzen Sache von Anfang an nicht stimmen konnte. Nämlich dass man diese Wesen nicht in aller Öffentlichkeit antraf und Waffen sowieso blanker Unsinn waren. Egal ob nun Axt, Schwert oder Streitkolben. Dabei wurden die Augen der Jungs von Mal zu Mal immer größer und ihre Gesichter deutlich Länger. Wohl auch, weil sie erstaunt waren, dass ich so viel über diese Wesen wusste. "... Ihr seht also. Man kann sie nicht so einfach bezwingen. Wir können weder zaubern, noch ist es möglich sie mit 'Du kannst nicht vorbei', an zu brüllen, während man ihnen die Tür vor der Nase zu schlägt. Selbst Gandalf hatte große Mühe einen zu bekämpfen und ist dabei sogar kurzzeitig gestorben. Sein Glück war nur, dass die Götter ihn zurück geschickt haben. Denn sonst... Naja, ich will nicht noch mehr ins Detail gehen. Aber ich denke ihr begreift jetzt, dass wir so oder so keine Chance gehabt hätten. Wir sollten lieber froh sein, dass es nur Bofur war", sagte ich abschließend. Das bewog die beiden Brüder mit verwirrten und beschämten Gesichtern endlich dazu vom Mützenzwerg abzulassen. Dieser richtete danach prompt seine Kleidung und seine pelzige Kopfbedeckung, welche sich in dem kleinen Handgemenge auf seinen dunklen Haarschopf verschoben hatte. Dann hob er seinen Blick wieder und musterte mich ruhig, wenn auch verwirrt, bevor er fragte: "Oh. Bei Durins Bart. Danke, Cuna. Ich hätte ja nie gedacht, dass du so viel über diesen Morgulabschaum weißt und ich derart furchterregend auf euch wirke. Aber nun noch einmal zu etwas anderem. Habe ich das vorhin richtig verstanden? Thorin ist nicht hier? Ist er noch nicht wieder zurück aus dem Reich der Götter?" "Nein... Ist er nicht, wie du siehst... Wird er auch vorläufig nicht...", entgegnete ich und schüttelte betreten den Kopf. "Das verstehe ich nicht. Er ist doch um die Mittagszeit mit den Anderen aufgebrochen. Da müsste er schon längst wieder da sein", meinte Bofur und kratzte sich seitlich an der Schläfe, was mir nur ein kurzes Seufzen abgewann. Er hatte wirklich keine Ahnung von dem, was vorgefallen war und wusste offensichtlich genauso wenig, wie der nicht mehr vorhandene Rest der Zwerge, vom Plan seines Königs, dass er sich zunächst nicht mehr bei mir blicken lassen wollte. Sonst hätte Nori ihm bestimmt etwas in dieser Richtung gesagt. Also musste ich wohl oder übel in diesem Punkt Aufklärungsarbeit leisten. So schwer es mir in dem Moment auch fiel. Es war mir ja schon peinlich genug, dass ich nach dem kleinen dunkelhaarigen Mann, mit den wunderschönen eisblauen Augen, um Hilfe geschrien hatte. Obwohl mir hätte klar sein müssen, dass er dies in der anderen Welt nicht hören konnte. Bestimmt wäre er sonst sofort erschienen und hätte sich schützend vor mir und seinen Neffen positioniert. Oder er hätte neben uns gestanden und ebenso wie ich, einige Minuten zuvor, ein leidiges Stöhnen von sich gegeben, während er sich mit einer Hand über das Gesicht fuhr. Im Anschluss daran hätte er wahrscheinlich noch gesagt, dass wir uns alle wie überängstliche Kinder verhalten hätten. Und ich war mir schon fast sicher, dass es wohl Letzteres sein konnte. Schließlich kannte er seine Männer in und auswendig. Somit wäre ihm natürlich klar gewesen, dass es nur Bofur hätte sein können. Doch darüber wollte ich mir in diesem Augenblick nicht den Kopf zerbrechen. Stattdessen bereitete mir etwas anderes mehr Sorgen. Denn wenn der Mützenzwerg hier war und nicht noch nachträglich von Thorin abgeholt wurde, bedeutete das schlichtweg, dass er nun in meiner Welt fest saß. Meine Güte. Da dachte man es könnte nicht noch verzwickter werden, indem ich mit zwei Jungzwergen vorlieb nehmen musste. Nein, nun hatte ich auch noch einen Dritten an den Fersen kleben. Oder um Otto Walkes zu zitieren: "Da waren sie wieder, meine drei Probleme." Aber gut. Das Kind war nun endgültig in den Brunnen gefallen. Also musste ich mit dem zurechtkommen, was sich immer noch in meiner Diele aufhielt und nicht in der Lage war schon mal meine Wohnungstür zu schließen, damit es nicht noch kälter in meiner Bude wurde. Denn wegschicken konnte ich Bofur nicht. Wo hätte er auch hin gehen sollen? Ich glaubte nicht, dass Marina ihn so ohne weiteres bei sich aufnehmen würde. Egal wie hilfsbereit und freundlich er sich ihr gegenüber auch verhielt. Er war immer noch ein wildfremder Mann und hatte so gesehen bei einer alleinerziehenden Mutter nichts verloren. Selbst wenn sie ungemein Nett war. Aber auch ich hätte dies an ihrer Stelle nicht haben wollen. Da konnte ja jeder kommen. So blieb mir schlichtweg nur eines zu tun. Ich musste den Zwerg mit der Mütze ebenfalls bei mir aufnehmen. Zumindest so lange, bis Thorin wieder zurück war. Oder sich vielleicht andere Möglichkeiten ergaben. Aber bis dahin würde noch viel Wasser den Fluss runter fließen. Ich seufzte einmal schwer und winkte ihn wortlos zu mir in den großen Raum, während ich die beiden Jungs freundlich, aber bestimmt darum bat die Tür dieses Mal anständig zu verriegeln. Der Schlüssel, den Bofur für sein unerlaubtes Eindringen verwendet hatte, steckte ja noch in der Tür. Wobei mir erst bei dem Gedanken eine Sache auffiel, die ich die ganze Zeit über in den Hintergrund gedrängt hatte. Wo zum Teufel hatte der Mützenzwerg diesen nur her? Hatte ich ihn vielleicht bei Marina in der Wohnung verloren? Nein. Mit Sicherheit nicht. Das wäre mir aufgefallen. Immerhin war ihre Wohnung bis auf ein paar Babysachen gut aufgeräumt gewesen. Vielleicht hatte er diesen auch von Nori bekommen, nachdem ich ihn runter zu Marinas Wohnung geschickt hatte? Ja, das war um einiges logischer. Gut, damit war zumindest für mich das Rätsel des verschwundenen Haustürschlüssels geklärt und ich konnte mich in aller Ruhe um meinen Überraschungsgast kümmern. Dieser stand nun leicht unentschlossen zwischen meiner Küchenzeile, dem Tisch und dem Bett herum und blickte mich immer noch fragend an, als ich mich zu ihm umdrehte. "Zieh erst mal deine nassen Sachen aus und häng sie über einen der Küchenstühle. Magst du was essen? Ich glaube, wir haben noch etwas Pizza da. Obwohl die wahrscheinlich inzwischen kalt ist. Aber ich könnte dir auch einen Tee machen. So zum aufwärmen. Was sagst du?", fragte ich freundlich. Der Zwerg ließ sich das Erste nicht zweimal sagen und entledigte sich prompt seines nassen Mantels, den er einfach über die Rückenlehne des nächstbesten Stuhls warf. Jedoch schüttelte er den Kopf, als ich ihm etwas von den Resten des Abendessens und den Tee anbot. "Nein, Danke. Das ist sehr freundlich von dir. Aber ich möchte nichts. Ich habe schon etwas gegessen. Frau Marina hat mich zum Dank für meine Mühen bekocht. Ich muss sagen, diese Frau ist wirklich einmalig. Und ihr Eintopf ist eine wahre Gaumenfreude", erwiderte der Zwerg und schenkte mir ein versonnenes herzliches Lächeln. Ich nickte nur knapp, setzte mich langsam auf die Kante meines Bettes und musterte ihn eingehend. Er sah wirklich zufrieden, ja fast schon unsagbar glücklich darüber aus, dass ich ihm diese Gelegenheit mit der jungen Mutter verschafft hatte. Doch wunderte mich sein Dasein ein bisschen. Ich konnte mir partout nicht vorstellen, dass er so viele Stunden gebraucht hatte, um ein simples Kinderbettchen aufzubauen. Bei meinem Kleiderschrank war er ja auch recht flink vorgegangen. Also musste unten noch irgendetwas anderes passiert sein, was seinen Aufenthalt dort hinausgezögert hatte. Doch bevor ich ihn fragen konnte, kamen die beiden Brüder zu uns und setzten sich auf zwei der übrigen Stühle, ehe sie ihn selbst mit den Fragen bombardierten, die mir im Kopf herum schwirrten. "Warst du die ganze Zeit bei dieser Menschenfrau da unten?", hakte Kili nach und hob skeptisch eine Augenbraue in die Stirn. Bofur nickte nur, wobei er sich jedoch leicht verlegen auf die Unterlippe biss und ihm ein zarter rosaner Schimmer über die Wangen lief. "Nun. Nun, ja. Ja. Ich war die ganze Zeit über unten. Hab mich ein bisschen um ihren Sohn gekümmert, während sie... ähm... also...“, stammelte er und nahm die leicht feuchte Mütze vom Kopf, ehe er sich zu den Jungs setzte. "Was ist denn unten passiert?", fragte Fili neugierig, woraufhin der Mützenzwerg noch ein wenig nervöser und verlegener wurde. "Sie... ähm. Nun... Das war so... Ich. Ich hatte gerade das Bettchen hergerichtet und wollte es ihr zeigen. Da. Da fand ich sie ähm... Schlafend auf dem... wie nannten die Menschen das hier gleich noch... äh... Sofa.. genau. Auf dem Sofa", erklärte er und knautschte seine Mütze, die daraufhin ihren feuchten Inhalt auf meinem PVC-Boden verteilte und eine nette Wasserlache hinterließ. Ich musste mir bei dem Anblick ein genervtes Seufzen und Augenrollen verkneifen. Na großartig. Nun durfte ich auch noch putzen, dachte ich beleidigt. Aber darum musste ich mich später kümmern. Zum Glück war es ja kein Laminat oder Parkett. Das hätte mich vermutlich weit mehr aufgeregt. Von daher war ein bisschen Wasser auf dem Plastikbelag nicht ganz so schlimm. Was mich mehr interessierte war, wie die Geschichte von Bofur weiter ging, ehe ich mich derart belanglosen Dingen zuwandte. "Was hast du dann gemacht?", fragte ich stattdessen und konnte mir ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, da ich innerlich schon ahnte, worauf die Sache wohl hinaus gelaufen war. Denn Bofur war während seiner Erzählung ein wenig in sich zusammen gesunken und wirkte dadurch noch viel kleiner, als er ohnehin war. Irgendwie war es ja schon niedlich mit anzusehen, wie Zwerge manchmal zusammen schrumpfen konnten, wenn ihnen gewisse Situationen peinlich waren. Das mochte man den Meisten von ihnen gar nicht zutrauen. Wobei ich mir bei ihm doch recht sicher war, dass er nichts Unanständiges getan hatte. Dafür war er einfach zu lieb. Auch wenn er es wohl ein bisschen anders sah als ich. Aber diese zusammengesunkene Haltung behielt er nicht lange bei. Nachdem er bemerkte, wie ich ihn eingehend und neugierig beobachtete, räusperte er sich hastig und straffte seine Schultern. Ganz nach dem Gesetz des mir inzwischen gut vertrauten Zwergenegos. Zeige niemals irgendeine Art von Schwäche, wenn eine Frau im Raum ist und zuhört. Auch seine Stimme festigte sich dadurch etwas mehr, als er antwortete: "Also, Cuna. Es war so. Sie. Sie hat geschlafen. Und. Und sie hielt ihren Sohn noch fest in den Armen. Da hab ich ihr Benni behutsam abgenommen. Ich meine. Nur um sicher zu gehen, dass er ihr nicht aus den Armen rutscht und zu Boden fällt. Danach hab ich den Kleinen in sein neues Bettchen gelegt und sie zugedeckt. Wenig später klopfte Nori schon an die Tür und. Nun ja. Sagte, dass wir aufbrechen wollten. Aber... Aber... weißt du ich... Ich wollte sie nicht einfach so verlassen, ohne mich gebührlich zu verabschieden. Da hab ich Nori gesagt, dass ich nachkommen werde, sobald Thorin zurück ist." "Nun, da hast du bedauerlicherweise Pech. Wie Cuna vorhin schon erwähnte, ist unser Onkel noch nicht zurück. Und wir wissen auch nicht, wann er wieder hier auftaucht", meinte Fili und schlug ein Bein über das andere, während er den Mützenzwerg inzwischen wieder etwas ruhiger ansah. Bofur hob leicht empört beide Augenbrauen in die Stirn und schaute zunächst fragend die beiden Jungs an, bis er zu guter Letzt bei mir angelangt war. "Was... Was ist denn geschehen? Warum kommt er denn nicht zurück?", hakte er nach und versah mich mit einem leichten Dackelblick, bei dem sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete. Nun kamen wir also zu dem unangenehmsten Teil des Tages. Das Gespräch zwischen dem Zwergenkönig und mir. Eigentlich musste ich Bofur erzählen, was während seiner Abwesenheit auf meinem Balkon geschehen war und welche Worte ich mit Thorin gewechselt hatte. Doch ich bekam verständlicherweise nur sehr schwer meine Zähne auseinander. Es fiel mir immer noch nicht leicht darüber zu reden. Geschweige denn daran zu denken. Ein sehr unangenehmes Kribbeln kroch über meine Haut, während ich noch meine nächsten Worte abwog. Ich begann sogar mich abwesend an den Unterarmen zu kratzten, in der Hoffnung, dass es davon aufhörte. Aber je länger ich ihn anschwieg, umso erdrückender wurde sein wartendes, fast flehendes Starren. Doch ich konnte einfach nicht. Ich fürchtete mich sogar regelrecht davor es ihm zu erzählen. Ich wusste ja nicht, wie er auf die Botschaft, dass er bei mir fest saß, reagiere. Außerdem wollte ich mich immer noch nicht der harten Realität stellen, welche mich früher oder später sowieso einholen würde. Das Ganze auszusprechen, hätte in diesem Moment für mich etwas Endgültiges, sobald es mir über die Lippen kam. Eine Sache, die ich nicht mehr rückgängig machen konnte. Was es zweifellos von Anfang an war. Doch bevor ich meine Arme noch blutig kratzte, entschloss ich mich schwermütig dazu, Bofur die langerwartete Antwort zu geben. Ich musste jedoch zuvor ein paarmal tief durchatmen und die Augenschließen, um all meinen Mut zusammen zu nehmen. Dann öffneten sich meine Lippen fast wie von selbst, wobei meine Stimme, die beinah tonlos aus meiner Kehle entkam, selbst für mich so klang, als hätte gerade ein Fremder gesprochen. "Er... Er ist fort, weil... Weil er mich vor sich selbst schützen wollte. Er hat es nicht ertragen können, was er mir angetan hat. Deshalb hat er für uns beide entschieden, dass... Dass es das Beste ist, wenn... Wenn sich unsere Wege vorläufig trennen", entgegnete ich knapp und neigte betreten mein Haupt. Ich konnte zwar nicht sehen, wie sich die Miene des freundlichen Zwerges veränderte, doch sein erschrockenes, entsetztes Keuchen sprach ganze Brockhausbände. Am liebsten hätte ich mich irgendwohin verkrochen. In eine dunkle Ecke, wo ich allein sein konnte. Vielleicht das Badezimmer, das ich wenigstens abschließen konnte. Aber dazu kam es nicht. Da ich kurze Zeit später schon das klebende Schaben eines Stuhles auf meinem PVC-Boden vernahm, ehe sich mir langsame tapsige Stiefelschritte näherten. Für eine schnelle Flucht bestand also keine Chance mehr. So wartete ich einfach ab, wie Bofur auf diese schockierende Nachricht reagieren würde. "Oh... Cuna... Das...Das ist schrecklich... Es tut mir so unsagbar leid für dich... Ich... Ich weiß nicht, was ich sagen soll...", hauchte Bofur schwer betroffen, als er vor mir zum Stehen kam. Ich schluckte einen Moment und versuchte damit das beengende Gefühl in meiner Kehle und der Brust los zu werden, welches durch seine sanfte, tröstliche Stimme nur noch schlimmer wurde. Erst recht, als sich zu meiner Linken, die Bettkante ein wenig senkte und mir der Mützenzwerg vorsichtig eine Hand auf die Schulter legte. Es war zwar nur eine ganz einfache freundschaftliche Geste. Doch spürte ich nach seiner Berührung plötzlich wieder dieses Gefühl von Ruhe, welches er mir bereits am Vormittag vermittelt hatte, wo ich mich auf den kleinen Benni fixieren musste. Er gab mir halt. Sicherheit. War einfach nur da, ohne noch mehr zu sagen. Wie es eben ein guter Freund machte. Und es tat in diesem Moment einfach nur gut dies zu fühlen. Irgendwie schien er ein gewisses Talent dafür zu haben, selbst in den traurigsten und schwersten Zeiten jemandem aufmuntern zu können und neuen Mut zu geben. Vielleicht nicht immer für sich selbst, aber für andere. Deshalb hob ich auch ganz langsam meine rechte Hand, um die seine auf meiner Schulter zu berühren. Bofurs knubbelige, raue Zwergenfinger waren noch leicht feucht vom Regen und ganz klamm von der Kälte draußen. Doch ich wagte es einfach sie für einen Augenblick zu drücken, ehe ich den Kopf langsam hob, die Augen öffnete und mich langsam zu ihm umdrehte. Doch anders als erwartet, war seine Miene nicht etwa deprimiert oder unglücklich. Nein. Als sich unsere Blicke trafen, begann er ruhig und aufmunternd zu lächeln. Auch wenn ich in seinen Augen deutlich erkennen konnte, dass ihn meine Trennung vom Zwergenkönig fast genauso sehr traf wie mich. Dabei hatte er damit eigentlich nichts zu tun gehabt. Bofur sollte sich deswegen nicht schuldig fühlen. Es war eine Sache zwischen Thorin und mir, für die wir einen hohen Preis bezahlen mussten. Nur bezog dieser Preis nun auch den Zwerg mit dem ungewöhnlich sonnigen Gemüt mit ein. Es war viel passiert. Ob nun aus Unachtsamkeit oder Dummheit. Aber schuld war Bofur nicht daran. Und das wollte ich ihm auch umgehend klar machen. Ich straffte mich ein klein wenig und setzte mich aufrechter hin, ehe ich ruhig und eingehend zu ihm sprach: "Bofur. Dir braucht gar nichts leid zu tun. Es war der Wunsch von Thorin und mir, dass wir erst einmal nicht beisammen sind. Mir müsste es leidtun. Immerhin kannst du jetzt erst mal wegen uns nicht mehr zu den Anderen ins Reich der Götter zurück." Doch der Zwerg schüttelte nur den Kopf und sein Lächeln wurde durch meine Worte noch breiter, bis es sogar endlich seine Augen erreichte. "Ach. Das ist nicht so schlimm. Schließlich hat Thorin ja gesagt, dass er nur vorläufig weg ist. Kein Grund um traurig zu sein. Er wird früher oder später wieder kommen", erwiderte er versöhnlich und gut gelaunt. Von seiner Aussage ein wenig irritiert, hob ich kurz eine Augenbraue in die Stirn. "Dein Optimismus in allen Ehren, Bofur. Aber, vermisst du deinen Bruder denn nicht? Er macht sich doch bestimmt schon Sorgen, weil du nicht bei ihm bist. Macht dir das denn gar nichts aus?", fragte ich, woraufhin Bofur tatsächlich auflachte und erneut den Kopf schüttelte. "Glaub mir, leicht fällt es mir nicht gerade, das zu hören. Aber mach dir mal wegen Bombur keine Gedanken. Er ist erwachsen und kein Zwergling mehr, auf den ich achtgeben müsste. Außerdem ist Bifur noch bei ihm. Er wird schon ein Auge auf ihn haben. Keine Angst. Er wird zurecht kommen und ich auch. Um ehrlich zu sein, bin ich froh noch hier zu sein. Und ich denke du weißt auch warum", sagte er und zwinkerte mich kurz vielsagend an. Ich schnaubte daraufhin belustigt und auch erleichtert, über seine aufheiternde Stimmung. Es machte mich sogar richtig froh, dass er die Sache nicht ganz so eng sah. Natürlich, wusste ich bereits, was ihm seinen Aufenthalt in meiner Welt erträglich machte. Oder vielmehr wer. Marina und Benni hatten ihn voll und ganz vereinnahmt. Oder um es anders zu sagen. Er hatte sich einfach einer neuen Aufgabe verschrieben. Und ich wusste insgeheim, dass er dieser vielleicht sogar gewachsen war. Zumindest eine positive Errungenschaft an diesem verkorksten Tag. Der Mützenzwerg war bis über beide Ohren verschossen in die Menschenfrau und hatte einen Narren an ihrem Sohn gefressen. Ich glaubte in diesem Augenblick kaum noch daran, dass er tatsächlich wieder ins Reich der Götter zurückkehren wollte. Vielleicht. Ja, höchst wahrscheinlich würde er in meiner Welt bleiben wollen. Und wenn ihm das Glück hold blieb, bekam er früher oder später das, was er sich schon immer gewünscht hatte. Eine eigene glückliche Familie. Das hoffte ich von ganzem Herzen. Er hatte es sich wirklich verdient. Allein schon damit, dass er mich so schlagartig aus meinem kleinen depressiven Loch herausgezogen hatte, in welches ich um ein Haar hinein geschlittert wäre. Auch Kili und Fili wurden davon angesteckt. Als ich kurz zu ihnen herüber schielte, tauschten sie schweigend und breitgrinsend ihre Gedanken aus, bevor sie einander ruhig zu nickten. Bei mir stellte sich unterdessen endlich wieder ein Gefühl der Erleichterung ein. Eine kleine Last war mir von der Seele genommen worden und das machte diesen turbolenten Abend um einiges erträglicher. Erst recht nachdem Bofur seine Hand von meiner Schulter nahm und sich feierlich mit beiden auf seine Oberschenkel klatschte. "So. Nachdem wir das hinter uns haben, was tun wir jetzt? Wollen wir uns schon schlafen legen oder hat einer von euch Lust mit mir eine Runde Karten zu spielen?", fragte er anschließend, damit das Thema endgültig vom Tisch war. Der unerwartete Vorschlag fand bei allen zustimmende Worte und war eine willkommene Ablenkung für uns. Da immer noch das Gewitter über uns tobte, war fernsehen ja immer noch nicht möglich. Und müde war auch noch keiner. So stand Kili bereits munter auf und grinste breit mit den Worten: "Das ist eine vortreffliche Idee. Ich hole sie." "Gut. Tu das, Bruder. Aber wo spielen wir?", fragte Fili, der sich suchend im Raum umsah. Die Frage nach einem geeigneten Ort zum Spielen war wirklich berechtigt. Auf dem Küchentisch lagen immer noch die Pizzakartons und am Boden befanden sich nach Bofurs eintreten einfach zu viele Pfützen, die die Sache ungemütlich gemacht hätten. Aber in dem Punkt konnte ich Abhilfe schaffen. "Wie wäre es, wenn wir uns alle auf mein Bett setzen und da spielen?", fragte ich und musterte einen nach dem anderen mit einem ruhigen Lächeln. "Wunderbar. Dann machen wir das", sagte der Mützenzwerg, welcher sich schon direkt ganz darauf setzen wollte. Natürlich ohne sich vorher die Schuhe auszuziehen, was ich aber gerade noch zu verhindert wusste. "Bofur! Schuhe aus! Du machst meine Laken mit den Stiefeln dreckig!", fauchte ich und packte den Zwerg dabei am Unterarm. Dieser sah mich zunächst ein wenig verwirrt an, denn erhellte sich seine Miene und er lachte kurz verlegen. "Oh. Entschuldige. Das ist mir vollkommen entfallen", erwiderte er und griff umgehend nach unten, damit er sich seiner Treter entledigen konnte. Wenig später saßen wir vier dann alle zusammen in einem kleinen Kreis auf meinen Matratzen und Kili mischte den Kartenstapel. "Was wollen wir denn jetzt spielen? Noch mal Schwarzes Schaf, wie auf der Zeltstadt? Oder kennt ihr noch andere?", fragte ich neugierig. "Wie wäre es, wenn du uns ein Spiel deiner Welt beibringst. Das würde mich sehr interessieren", meinte Fili und streckte sich ein wenig. "Hrm... Also ich kenne ein paar. Aber ich weiß nicht ob man die mit euren Karten spielen kann. Ich kann eure Runen ja nicht lesen. Und das leichteste, was mir einfallen würde, wäre Mau Mau", erklärte ich ruhig. "Mau Mau? Das hört sich interessant an. Benötigt man dafür eine Katze?", fragte Kili, der den Kartenstapel tatsächlich nach einem dieser Stubentiger durchsuchte. Ich musste kurz kichern und schüttelte den Kopf. "Nein. Dafür braucht man keine Katze. Die Regeln sind recht einfach. Zuerst wird gemischt und jeder bekommt fünf Karten. Der Stapel kommt in die Mitte. Danach wird die Oberste herunter genommen und es geht im Uhrzeigersinn weiter. Also wäre der erste der Anfängt derjeniger, der links neben dem Mischer gesessen hat. In diesem Fall wäre ich dran, weil ich links neben Kili sitze. Pro Runde darf danach jeder eine Karte von seiner Hand ausspiel, sofern sie das selbe Muster, die gleiche Farbe oder eben die entsprechende Ziffer besitzt. Dann gibt es drei spezielle Karten. Die sieben bedeutet, dass der Nächste, der an der Reihe ist sich zwei Karten vom Stapel nehmen muss. Er darf danach aber nicht mehr legen, sondern muss warten, bis er in der nächsten Runde wieder dran ist. Bei einer Acht muss der Nächste eine Runde aussetzen und darf weder ziehen noch ablegen. Dann gibt es bei den Karten in meiner Welt die sogenannten Buben. Die könnt ihr jederzeit spielen. Sie sind dafür da, wenn ihr mehrere Karten von einer Art und Farbe habt, aber die nicht ausspielen könnt, weil eine andere Farbe im Spiel ist, oder so. Dann könnt ihr euch die wünschen, die ihr gerade auf der Hand habt. Wer irgendwann nur noch eine Karte auf der Hand hat, muss kurz sagen, 'Letzte Karte'. Tut er das nicht, muss er noch mal eine zweite Karte vom Stapel ziehen. Kann derjenige in der nächsten Runde seine letzte Karte ablegen, sagt er 'Mau Mau'. Habt ihr das soweit verstanden oder soll ich es nochmal erklären?", hakte ich abschließend nach, als ich sah wie die Gesichter der kleinen Männer immer länger und verwirrter wurden. "Also. Das. Äh. Wie war das? Die Buben sind zum Wünschen da und bei Acht und Sieben muss man irgendetwas tun?", stammelte Fili und kratzte sich seitlich am Kopf. "Das ist irgendwie sehr kompliziert. Ich glaube nicht, dass ich dieses Spiel verstanden habe", meinte Kili und mischte erneut. Ich schnaubte kurz und zuckte mit den Schultern. "Also. Ich finde es ist sehr einfach. Aber wenn ihr nicht wollt, dann müssen wir das auch nicht machen. Dann spielen wir etwas, was ihr könnt", entgegnete ich gelassen und lehnte mich an das gepolsterte Bettgestell zurück. "Vielleicht lernen wir es, wenn wir es mal angefangen haben. Du bist ja da, um es uns zu erklären. Das wird schon", kam es gut gelaunt von Bofur. "Gut. Wenn ihr mir sagt, was die Runen bedeuten, kann Kili die Karten verteilen", meinte ich und erntete reihum zustimmendes Nicken. Dann konnte es auch schon los gehen. Kili mischte noch ein bisschen und teilte danach jedem fünf Karten aus. Der Anfang war unglaublich holprig, da ich zunächst noch große Mühe hatte die Zahlen voneinander zu unterscheiden. Und die drei Zwerge taten sich mit den eigentlich recht einfachen Regeln sehr schwer. So dauerte es wohl mindestens eine Stunde, bis wir wirklich flüssig spielen konnten. Aber auf diese Weise lernte jeder ein bisschen was. Ich bekam eine erste Einführung in zwergischer Runenkunde, oder wie auch immer sie es nennen mochten, und die Herren bekamen einen netten Einblick in die Beschäftigungen meiner Welt. Nachdem wir einige Runden gespielt hatten, bekam ich jedoch irgendwie das Gefühl, dass der gute Nori Kili die ein oder anderen Tricks in Sachen Falschspielen beigebracht hatte. Nur war der dunkelhaarige Bursche bei weitem nicht so geschickt darin, wie sein Lehrmeister. "Kili! Du schummelst schon wieder. Spiel gefälligst anständig. Sonst darfst du Morgen meine Wohnung putzen", meinte ich und boxte ihm kurz gegen die Schulter. "Das stimmt doch gar nicht. Wie kommst du denn darauf?", fragte er und versuchte die ganze Sache abzustreiten. Allerdings ziemlich erfolglos. Denn ich ergriff umgehend seinen Hemdsärmel und zog blitzschnell eine Karte heraus. Völlig ertappt ließ er die Mundwinkel sinken, was Bofur und seinen Bruder dazu veranlasste schallen drauf los zu lachen. "Also, Kili. Was das Verstecken von Gegenständen angeht, musst du wirklich noch viel lernen. Wenn selbst Cuna es schafft eine Karte in deinem Ärmel zu finden", meinte Fili und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel. "Ja. Sieht ganz so aus. Aber ich bin ja auch nicht so talentiert wie du, wenn es darum geht Sachen zu verstecken", grummelte dieser mit einer beleidigten Schnute. "Ach, jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt. Dein Bruder hat Jahre dafür gebraucht um seine Dolche so verstecken zu können, dass sie niemand findet", sagte Bofur und klatschte dem dunkelhaarigen Jungen aufmunternd auf den Rücken, wobei ihm noch drei weitere Karten aus seinem Kragen fielen. "Mit Ausnahme einiger Elben aus dem Düsterwald und Onkel Thorin. So Bofur muss aussetzen", ergänzte der blonde Bursche und legte eine Acht. "Ja. Onkel kann man eben nicht so leicht hinters Licht führen. Und mit Elben spielt man am besten auch nicht. Selbst Nori hat einige Spiele gegen sie verloren, weil sie ihn durchschaut haben. Du musst zwei Karten ziehen, Cuna", meinte Kili und legte eine Sieben. Diese nahm ich auch prompt vom Stapel und seufzte kurz. Tja. Mit Elben und einem Zwergenkönig legte man sich besser nicht an. Auch wenn ich glaubte, dass ein kleiner Betrug im Kartenspielen bei den wandelnden Wald- und Wiesenglühwürmchen nicht ganz so schwer wog, wie bei Thorin selbst. Ich wusste ja wie eingeschnappt und ungehalten sie werden konnten, wenn man sie betrog. Das war mir bereits am Piratentag aufgefallen, nachdem die kleinen bärtigen Männer den vermeintlichen Schatz begutachtet hatten. Doch wo ich gerade an Schatz dachte, fiel mir etwas ganz entscheidendes wieder ein, was ich über die Stunden hinweg vollkommen vergessen hatte. Und zwar das Telefonat von Fili und Jana. So sah ich den jungen Zwerg zu meiner linken einen Augenblick später an und erkundigte mich noch einmal, worum es dabei gegangen war. "Sag mal, Fili. Du hast mir immer noch nicht erzählt, was du mit Jana vorhin besprochen hast. Du wolltest mich ja auch noch was fragen, wenn ich mich nicht irre", sagte ich ruhig und zog in der nächsten Runde eine weitere Karte, da ich nicht legen konnte. Als ich diesen darauf ansprach, weiteten sich plötzlich seine Augen und er seufzte leidig, bevor er verstehend nickte. "Ja. Ja, das ist richtig. Oh Mahal, das habe ich ja ganz vergessen. Weißt du, Jana hat mich gefragt, ob wir uns am kommenden Wochenende treffen möchten. Allerdings kenne ich mich hier ja nicht so gut aus wie du. Kannst du mir vielleicht sagen, wo ich diesen Ort namens, 'Herbstfestival' finden kann?", fragte er ruhig. Ich blinzelte kurz und musste mir Kichern verkneifen, ehe ich ihm antwortete: "Fili.'Herbstfestival' ist kein Ort. Das ist ein Jahrmarkt um genau zu sein. Der wird jedes Jahr hier am Stadtrand aufgebaut." Nachdem sie das hörten, warfen sich die Zwerge allesamt wieder verwirrte und ratlose Blicke zu. Gut, mir hätte klar sein müssen, dass es in Mittelerde so etwas in der Form, wie in meiner Welt, nicht gab. Daher konnte ich gut verstehen, dass sie mich kurze Zeit später erneut mit einigen Fragen bombardierten. "Was ist denn ein Jahrmarkt?", hakte Bofur als erster nach und musterte ich neugierig interessiert. Ich schnaufte einmal belustigt und legte zunächst grinsend eine Karte ab, bevor ich es ihnen ganz ausführlich erklärte. "Also. Ein Jahrmarkt. Das ist, wie der Name schon sagt, ein Markt, der nur einmal im Jahr stattfindet. Ein großes Fest sozusagen. Da gibt es viele kleine Buden, wo man sich Essen kaufen und Spiele spielen kann. Außerdem gibt es noch andere Attraktionen. Die nennen wir Fahrgeschäfte oder Karussells, falls euch das mehr sagt. Da sind so große Gestelle, wo man sich drauf setzen kann und die sich dann um sich selbst drehen. Und da will Jana sich mit dir treffen, Fili?", fragte ich anschließend, woraufhin dieser bestätigend nickte. "Ja, das hat sie gesagt und ich soll fragen, ob du nicht Lust hättest mit zu kommen", sagte er. "Hrm. Na ich weiß nicht. Immerhin ist es eure Verabredung. Da sind andere doch eher störend", murmelte ich nachdenklich und schulterzuckend. Eigentlich war es ja keine schlechte Idee, um mal wieder raus zu kommen und nach den ganzen stressvollen Wochen etwas auszuspannen. Außerdem war es bestimmt nicht besonders klug Fili schon so früh allein auf die hiesige Menschheit los zu lassen. Wenn ihm irgendetwas zustieß, würde Thorin mir bestimmt den Hals umdrehen. Auf der anderen Seite empfand ich es wiederum falsch, die beiden Turteltäubchen bei ihrem ersten Date mit meiner Anwesenheit zu belästigen. Das hatte wohl auch etwas mit meinem anerzogenen Anstand zu tun. Doch diese Entscheidung fällte mal wieder nicht ich, sondern der Rest meiner kleinen Wohngemeinschaft. "Warum denn nicht? Es hört sich doch sehr lustig an. Und ich würde das nur zu gern mal sehen. Außerdem hat Jana uns eingeladen. Und gemeinsam werden wir bestimmt viel Freude daran haben. Ach ja, letzte Karte", meinte Kili hastig und legte eine ab. "Dann lasst uns das tun. Gehen wir am kommenden Wochenende auf den Jahrmarkt. Wenn Cuna uns zeigt, wie wir dorthin gelangen und sie mit dabei ist, kann schon nichts schief gehen", kam es überschwänglich von Bofur, der sich daraufhin entschlossen mit einer Faust in die Handfläche schlug. Ich schüttelte indessen nur den Kopf und hob beschwichtigend die Hände, als die drei schon anfingen Pläne für diesen Tag zu schmieden. "Jungs! Jungs! Jetzt wartet doch mal! Stopp!", rief ich dazwischen, damit ich ihre Aufmerksamkeit zurück bekam. "Was ist denn noch, Cuna? Stimmt etwas nicht?", fragte Fili mit hochgezogenen Augenbrauen. "Also. Ich. Ich weiß ja, es hört sich ungemein verlockend an. Aber überlegt doch mal kurz. Ich bin hier für alles verantwortlich, was mit euch passiert. Und das ist ein wirklich großes Fest auf einem riesigen Platz. Da kommen hunderte von Menschen hin. Wenn wir uns da irgendwie in der Menge verlieren und jemandem von euch etwas zustößt, könnte ich mir das nicht verzeihen. Davon abgesehen, muss ich euch allen vorher noch zeigen, wie man sich in meiner Welt vernünftig in der Öffentlichkeit verhält. Damit ihr hier als Menschen und nicht als Zwerge durchgeht. Ich weiß, euch gefällt das nicht, aber auf der Zeltstadt war das was anderes. Da durftet ihr euch so verhalten wie immer. Aber bei einer solchen Massenveranstaltung sehe ich keine andere Möglichkeit, um eure Existenz in meiner Welt geheim zu halten", erklärte ich ein wenig aufgekratzt. Die Zwerge sahen es unterdessen weit lockerer als ich. Sie begannen sogar während meiner Erklärung noch breiter zu grinsen und lachten schlussendlich sogar kurz auf. "Was ist denn daran so lustig? Ich meine es wirklich ernst", fauchte ich beleidigt und zog eine Schnute, da ich mich irgendwie verarscht und nicht ernstgenommen fühlte. "Das wissen wir, Cuna. Aber du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Bis dahin sind doch bestimmt noch ein paar Tage Zeit. Da kannst du uns das Wichtigste beibringen", meinte Bofur gelassen. "Ja, und wir werden dir auch bestimmt keinen großen Ärger machen. Wir bleiben alle schön zusammen. Dann kann nichts schief gehen. Oh und... äh... Mau Mau", sagte Kili, der damit seine letzte Karte ablegte. Damit war dann wohl auch das letzte Wort gesprochen. Ich war eindeutig überstimmt. Doch war mir ganz und gar nicht wohl bei der Sache. Denn ich ahnte bereits, dass das ganze wieder in eine Katastrophe endete. Aber welches Ausmaß es dieses Mal haben würde, das konnte wohl niemand vorher sagen. - 96. Die Herzdame und ihre drei Spitzbuben / ENDE - Kapitel 97: 97. Morgendliche Startschwierigkeiten ------------------------------------------------- "Cuna? Cuna, wach auf", murmelte mir eine sanfte wohl vertraute Stimme ins Ohr, während ich ein sanftes Rütteln an meiner Schulter spürte. Noch vollkommen schlaftrunken rollte ich mich auf den Rücken und murrte: "Nee. Cuna, schlafi schlafen..." Kurz nachdem ich zu Ende gesprochen hatte, vernahm ich ein mehrstimmiges belustigtes Kichern, ehe die sanfte Stimme erneut zu mir sprach. "Nun wach schon auf. Die Sonne ist bereits aufgegangen und du wolltest uns doch heute unterrichten. Erinnerst du dich?", fragte sie anschließend, was meiner leicht trockenen Kehle ein leidiges Stöhnen entlockte und ich mir genervt meine Decke über den Kopf zog. "Nee. Ich kaufe keine Fremden von Süßigkeiten. Will nur schlafen", gab ich in gedämpftem Ton von mir, was wieder für allgemeines Gekicher sorgte. Dabei fand ich es alles andere als witzig. Die Zwerge und ich waren nämlich erst vor nicht allzu langer Zeit zu Bett gegangen, nachdem wir bis frühmorgens noch einige Runden Karten gespielt hatten. Wobei die Verteilung der Schlafgelegenheiten sich als ziemlicher Akt herausgestellt hatte. Kili, Fili und Bofur sahen es nämlich partout nicht ein, dass ich mich freiwillig auf mein Schlafsofa zurück ziehen wollte und sie sich zu dritt dafür mein Bett teilen sollten. Nein, die drei Herren hätten lieber auf dem kalten Boden genächtigt, anstatt zuzulassen dass ich mich auf die vergleichsweise unbequemere Schlafcouch legte. Doch in diesem Punkt hatte ich es ausnahmsweise geschafft meinen eigenen Dickschädel durchzusetzen. Dabei half mir natürlich das Totschlagargument, dass wir an diesem Tag allerhand zu tun hatten. Was nicht mal gelogen war, denn neben dem Benimm-Unterricht für die drei bärtigen, kleinen Männer, wollte ich auch unbedingt noch meinen Hausarzt wegen der Kopfwunde konsultieren. Immerhin hatte mir die gute Marina ja dazu geraten. Und den fachmännischen Rat einer Krankenschwester wollte ich nicht unbedingt ausschlagen. Außerdem war es höchste Zeit, dass ich nach all den Wochen, die ich mit Umzug und Renovierung verbracht hatte, das Grab meines Verblichenen aufsuchte. Inzwischen sollte ja auch der neue Grabstein aufgestellt worden sein und ich war sehr neugierig, was mein werter Schwiegerdrache wieder kurioses ausgesucht hatte. Da kam wohl an diesem Tag noch so einiges auf mich zu. Eigentlich zu viel, wenn ich meine Laune betrachtete. Denn ich konnte mich einfach nicht dazu aufraffen, meinen Hintern vom Sofa zu erheben. Doch kannten die drei Zwerge in ihrer Ungeduld und Rigorosität was Weckaktionen anging, mal wieder keine Gnade. Nachdem sie noch ein paar Mal versuchten mich mit freundlichen Worten zum Aufstehen zu bewegen, rissen sie mir einfach die Bettdecke weg. Dummerweise versuchte ich in meinem verschlafenen Zustand, diese natürlich festzuhalten, indem ich mich mit einem Ruck herum drehte und die Arme danach ausstreckte. Dabei ließ ich allerdings außer Acht, dass meine Liegefläche weit schmaler war als zunächst vermutet. So kam es wie es kommen musste. Ich rutschte von der Sofakante und klatschte schreiend und polternd auf den Boden, was die Zwerge zum Anlass nahmen in schallendes Gelächter auszubrechen. Na großartig. Das war dann wohl der Zeltplatz-Gedächtnis-Sturz, wie mir nach dem Aufprall schmerzhaft bewusst wurde. Nun lag ich keuchend und schnaufend auf dem Bauch und hatte mal wieder selbst zur allgemeinen Belustigung beigetragen. Zum Glück war ich nicht auf den Kopf gefallen, weshalb sich der Schmerz lediglich auf meinen Bauch und Brustbereich beschränkte. Trotzdem war es mehr als Peinlich für mich, Ziel dieses unliebsamen Running-Gags geworden zu sein, der mich fast genauso sehr nervte, wie die Kaltwasser-Freiluftduschen-Bestrafungen des Zwergenkönigs. Zumindest hatten die Jungs recht bald ausgelacht und knieten sich mit unterdrücktem Kichern zu mir. "Guten Morgen, Cuna. Bist du jetzt wach?", hörte ich Kili fragen, der sich nah bei meinem Kopf befand. Ohne ihn anzusehen und ziemlich genervt öffnete ich die Augen und starrte zunächst meinen Bodenbelag an, bevor ich beleidigt knurrte: "Ja... Bin ich..." "Wunderbar, dann kannst du ja aufstehen", kam es von Bofur, der mich vorsorglich an den Schultern packte, um mir zu helfen, als ich versuchte mich aufzurichten. Immer noch murrend und mit einem leichten Schwindelgefühl in meinem Schädel schaffte ich es dank der Hilfe, der drei Männer mich schlussendlich erst einmal wieder auf mein Sofa zu setzen. "Boah, Ernsthaft. Ihr habt doch nicht mehr alle Latten am Zaun. Ich hab ganz vergessen, wie anstrengend ihr Zwerge sein könnt. Womit hab ich das nur wieder verdient?", fragte ich mich laut maulend selbst und hob langsam die Augen, um sie endlich anzusehen. Alle drei hatten ein so breites und fast unschuldiges Grinsen auf ihren Lippen, dass ich nur eine beleidigte Schnute zog. "Ach, nun beschwere dich doch nicht. Du hast gestern noch gesagt, dass du nicht ständig von uns bemuttert werden möchtest. Und daran haben wir uns eben gehalten", meinte Fili, der meine Decke in Armen hielt und diese sorgsam zusammen faltete. "Das hab ich, ja. Aber das heißt nicht, dass ihr mich derartig aus dem Federn werfen müsst. Stellt euch mal vor ich wäre auf meinen Kopf geknallt. Dann hättet ihr wirklich Probleme bekommen. Das kann ich euch sagen", erwiderte ich daraufhin mit einem leisen Seufzen. "Bist du aber nicht. Außerdem ist es deine eigene Schuld. Du hättest nicht versuchen sollen die Decke festzuhalten. Dann wärst du auch nicht gefallen", meinte der Mützenzwerg und hob wie ein alter Mathelehrer den Zeigefinger in die Luft, als wollte er mir erklären, dass man Null nicht mit Eins malnehmen kann. Meine Laune besserte dieser Spruch am frühen Morgen allerdings nicht. Im Gegenteil. Er nervte mich erst richtig. Und das aus meiner Sicht gesehen zu recht. Erst schmissen sie mich auf der Zeltstadt fast permanent aus der Hängematte und nun auch noch von meinem Sofa. Wieder fragte ich mich womit ich das alles nur verdient hatte. Jedoch musste ich ihm unterbewusst sogar ein wenig recht geben. In diesem Fall, im wahrsten Sinne des Wortes, war es meine Schuld gewesen. Trotzdem konnte ich nicht umhin die Zwerge weiterhin mit einem beleidigten Blick zu bedenken, was sie mit ungewöhnlich gut gelaunten Mienen einfach so hinnahmen. Auch etwas, was ich um diese Tageszeit nicht wirklich um mich haben wollte. Leute die trotz wenig Schlaf eine muntere Stimmung versprühten, stießen bei mir grundlegend auf Unverständnis. Aber Zwerge waren nun einmal so. Und das musste ich einfach akzeptieren. Ob ich nun wollte oder nicht. Nun war ich zumindest wach und konnte mich allmählich mal an die anstehenden Arbeiten machen. Meine erste Amtshandlung als Hausherrin war jedoch, die kleinen Männer in ihre erste Lektion in Sachen Menschsein einzuführen. "Also, hört mal. Das mag ja für euch ganz witzig sein. Aber ich fand das gar nicht lustig. Sowas macht man nicht. Man schmeißt Frauen nicht einfach so aus dem Bett. Das gilt besonders für euch beide, Fili und Bofur. Wenn ihr das mit euren Liebsten macht, dann schmeißen sie euch ganz schnell aus der Wohnung. Und glaubt mir, sie werden es euch noch sehr lange übelnehmen. Frauen meiner Welt sind unglaublich nachtragend und sie werden es euch mit ihren eigenen Waffen heimzahlen. Und damit meine ich weder Axt noch Schwert, habt ihr das verstanden?", hakte ich am Ende nach und rieb mir kurz mit den Fingern den Schlaf aus den Augen. Von den Dreien kam daraufhin nur ein bestätigendes Brummen und als ich sie wieder ansah nickten sie einstimmig. "Glaub mir, so etwas würden wir nie mit unseren Liebsten tun", meinte Fili und lächelte ruhig. "So ist es. Das machen wir nur mit dir, Schwesterchen", kam es von Kili, der wieder lachte, als ich empört die Augenbrauen hochzog. Doch dieses Mal wollte ich das nicht auf mir sitzen lassen. So fuhr ich auch gleich damit fort die Lektion ein wenig zu vertiefen, indem ich kurz nach rechts Griff, um mir mein Kissen zu schnappen. Dieses landete binnen weniger Sekunden mitten im Gesicht des noch lachenden, dunkelhaarigen Zwergs, welcher überrascht ein paar Schritte nach hinten stolperte. "Was?! Hey! Warum hast du das gemacht?!", drang es gedämpft durch das Kissen zu mir herüber, woraufhin ich nur zufrieden nickte. "Was habe ich gerade gesagt? Frauen meiner Welt sind sehr nachtragend und sie kämpfen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Waffen. Und sie setzen sie dann ein, wenn ihr es nicht erwartet. Habt ihr das jetzt verstanden?", fragte ich und sah mich erneut bei den Herren um. "Ja. Ja, ist schon gut. Ich hab es verstanden. Tut mir leid, Cuna", murrte Kili und nahm mein Kissen wieder vom Gesicht, welches er mir zurück reichte. "Gut, wenn das bei allen angekommen ist, dann kann ich mich jetzt erst einmal frisch machen. Danach seid ihr dran", meinte ich gelassen und klatschte mir anschließend auf die Oberschenkel, nachdem ich das Kissen wieder ordentlich aufs Sofa gelegt hatte. Dann stand ich gemächlich auf und streckte mich kurz mit einem herzhaften Gähnen. Die Zwerge sahen mich indessen mit leicht irritierten Mienen an, als ich mich zwischen ihnen hindurch quetschte, um an meinen Kleiderschrank zu kommen. "Was meinst du mit, 'danach seid ihr dran'?", fragte Fili ruhig, während ich die Schranktür aufzog, um mir frische Unterwäsche und Kleidung herauszuholen. "Ganz einfach. Das ist die nächste Lektion. Ihr werdet euch alle waschen und dann bekommt ihr von mir neue Kleidung, die ihr fortan hier in meiner Welt tragen werdet. In eurer gewöhnlichen Kluft kann ich euch nicht permanent draußen herumlaufen lassen. Damit fallt ihr zu sehr auf", erklärte ich sachlich und schloss die Tür wieder. Als ich mich mit meinem kleinen Klamottenstapel jedoch zu ihnen umdrehte, stand allen dreien vor Entsetzen der Mund weit offen und sie tauschten untereinander empörte Blicke aus. Offenbar kam es ihnen so vor, als hätte ich gerade damit gedroht, sie noch einmal gegen Smaug kämpfen zu lassen. "Das... Bei Durins Bart. Das ist doch nicht etwa dein Ernst, Cuna?", kam es irgendwann stammeln von Bofur, welcher ungläubig blinzelte. "Ist mein Ernst, mein Lieber", entgegnete ich knapp und schritt schon einmal in Richtung Bad. "Aber... Aber warum? Warum waschen? Und warum neue Kleidung? Was stimmt denn nicht mit unseren Sachen?", fragte Fili, dem sein Bruder bestätigend zunickte. "Alles. Das ist das Problem. Aber darüber reden wir, wenn ich fertig bin, okay?", meinte ich kurz angebunden und noch bevor einer der Herren mich weiterhin löchern konnte, war ich schon aus dem Raum verschwunden und schloss das Bad hinter mir ab. Sicher ist sicher, dachte ich mir da. Nicht dass sie plötzlich zu mir herein platzten, wenn ich gerade unbekleidet vor meinem Waschbecken stand und mich mit einem Waschlappen reinigte. Duschen war ja wegen des dicken Verbands und meiner Kopfwunde nicht möglich, auch wenn ich es mir noch so sehr wünschte. Aber Seife konnte in frischen Wunden einigen Schaden anrichten. Und eine Entzündung konnte und wollte ich nicht riskieren. So blieb mir nur die alternative Katzenwäsche übrig. Den Zwergen würde ich allerdings anraten die Dusche zu verwenden. Und sei es nur zu Demonstrationszwecken. Früher oder später würden sie ohnehin damit konfrontiert werden. Besonders Fili und Bofur, sobald sie die Beziehungen zu ihren Frauen etwas vertieft hatten. Gut, ich konnte schon nachvollziehen, dass ihnen die ganze Sache mit dem Waschen nicht schmeckte. Aber ich hatte in diesem Fall keine andere Wahl, wenn ich sie so gut es eben ging tarnen wollte. Sie waren zu auffällig. Und ich hatte immer noch Thorins mahnende Worte im Hinterkopf, dass niemand wissen sollte wer sie waren und wo sie her kamen. Ich hatte die Sache einmal verbockt, indem es mir bei Chu herausgerutscht war. Auch wenn ich da nur gute Absichten im Sinn hatte. Doch ein weiteres Mal wollte ich diesen schweren Fehler nicht begehen. Und schaden konnte es den Zwergen ja nicht, wenn sie sich meiner Welt zumindest äußerlich schon einmal anpassten. Sie würden ohnehin genug Aufsehen mit ihren langen Haaren, den Bärten und den geflochtenen Zöpfen erregen. Kurzum, sie waren einfach zu markant und wiedererkennbar. Ich hoffte nur inständig, dass sie sich meinen Unterricht auch zu Herzen nahmen. Alles wollte ich ihnen ja nicht nehmen. Und in meiner Gegenwart durften sie sich auch weiterhin so verhalten, wie sie es von zuhause gewohnt waren. Doch um zu verhindern, dass ihnen etwas Schlimmes zustieß, musste ich sie eben dazu bewegen einige Opfer zu bringen. Aber ich ahnte schon, dass sie gerade dieser Plan als besonders schwierig herausstellen würde. Nachdem ich nämlich mit meiner Waschung fertig war und frisch angezogen wieder vor sie trat, saßen sie bereits alle drei wie die Hühner auf der Stange nebeneinander auf meinem Bett und starren mich erwartungsvoll an. Fili saß ganz links, Kili in der Mitte und Bofur hatte sich rechts nieder gelassen. Zunächst stimmte mich ihre Haltung noch einigermaßen zuversichtlich, weshalb ich sie freundlich lächelnd musterte und einmal in die Hände klatschte. "So. Ich bin durch. Wer von euch möchte als nächster?", fragte ich ruhig. Doch kaum hatte ich diese Frage gestellt, wandelte sich ihr ganzes Gebaren. Sie wurden ernster, verhaltener und ein klein wenig abweisend, als sie fast synchron ihre Arme vor den breiten Oberkörpern verschränkten. Auch ihr Ton spiegelte genau das wieder, was ich sah, als Bofur mich abschätzig musterte. "Keiner", erwiderte dieser knapp, was die beiden Jungs mit einem Nicken bestätigten. Umgehend gefror mir das Lächeln auf dem Gesicht und ich legte irritiert den Kopf schief. "Keiner? Warum? Was habt ihr daran denn auszusetzen?", hakte ich vorsichtig nach und trat einen Schritt an sie heran. "Alles", kam es diesmal von Fili, dessen Miene sich deutlich verfinsterte. "Wir haben uns beraten, nachdem du in die Waschkammer gegangen bist und wir empfinden deine Forderungen mehr als unangebracht", ergänzte Kili, welcher mich mit jedem Wort schärfer ins Auge fasste. Das bewegte mich dazu einmal kurz zu seufzen und die Schultern hängen zu lassen. Natürlich. Es hätte mir klar sein müssen, dass die kleinen, bärtigen Männer nun auf Stur schalteten. In ihren Augen waren meine Forderungen wohl mehr als nur beleidigend und falsch. Also musste ich mich wohl oder übel dazu anschicken es ihnen so schonend wie möglich näher zu bringen. In der stillen Hoffnung, dass sie sich doch zu etwas bewegen ließen, was für sie vollkommen untypisch war. "Hört zu. Ich... Ich sage das doch nicht um euch zu ärgern. Nur bedenkt doch einmal wo ihr hier seid. Das ist nicht Mittelerde. Hier läuft es nun mal anders. Die Menschen, die Gesellschaft, einfach alles ist sehr kompliziert verstrickt. Ihr habt wahrscheinlich ein falsches Bild von den hiesigen Gegebenheiten bekommen, als ihr auf der Zeltstadt wart. Dort wird jeder so angenommen wie er ist. Keiner schaut darauf, was der Andere für Eigenarten und Gebräuche an den Tag legt und jedem ist bekannt, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat. Er wird so akzeptiert wie er ist. Aber im Alltag ist das anders. Da wird niemand hingehen und euch mit einem Schwert den Kopf abschlagen, weil er euch nicht leiden kann. Nein, die Leute werden euch fröhlich ins Gesicht lächeln, um dann hinter euren Rücken die wildesten Geschichten und Gerüchte zu streuen. Und je auffälliger man sich verhält und aussieht, desto mehr wird sich dies häufen. Das kann verdammt gefährlich für euch alle werden. Versteht ihr, was ich euch damit sagen will?", erklärte ich und sah sie fragend an. "Ja. Durchaus. Du willst uns zu etwas machen, was wir nicht sind, damit die Menschen denken, wir wären Mitglieder ihres Volkes. Verzeih und berichtige mich, wenn ich mich irre, aber warst du nicht diejenige, welche gestern noch so große Töne von sich gegeben hat, dass sie sich nicht einfach so zu einem Zwerg machen lassen würde? Oder haben wir uns da alle verhört, Cuna?", hakte Fili mit spitzer werdendem Tonfall nach. Dabei beugte er sich leicht vor, um mich noch schärfer mit seinen hellblauen Augen zu erfassen. Nun musste ich schlucken. Herr im Hemd, er hatte recht. Das hatte ich gesagt und auch so gemeint. Es stimmte. Ich wollte nicht einfach zu einer Zwergin gemacht werden. Ich wollte nicht irgendetwas sein, was ich nicht war. Verdammt, damit verwendeten sie meine eigene Überzeugung gegen mich selbst. Sie waren der festen Meinung, dass ich umgekehrt genau das Gleich mit ihnen anstellen wollte, was Thorin bei mir versucht hatte. Wobei er kläglich an mir gescheitert war. Dass sie sich nun genauso gegen meine Forderungen ihnen gegenüber stellten, war von meiner Seite aus definitiv verständlich. Aber auf der anderen Seite stand allerdings immer noch das Versprechen, welches ich dem Zwergenkönig gegeben hatte. Ich sollte gut auf die Jungs aufpassen und verhindern, dass noch mehr Menschen erfuhren, woher sie kamen und wie sie unsere Welt betreten konnten. Dafür mussten sie sich eigentlich notgedrungen anpassen. Ich wollte ja nicht ihre komplette Persönlichkeit verändern. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätten sie gerne mit all ihren Eigenheiten und Ansichten so bleiben können wie sie waren. Nur was sollte ich tun? Wie konnte ich diesen sturen Kerlen nur meinen inneren Konflikt klar machen? Es ging natürlich nicht, dass sie sich in der Gesellschaft meiner Welt weiterhin wie Zwerge benahmen. Doch wenn ich derart in ihre Individualität eingriff, dann konnte es durchaus sein, dass sie bald zu genau dem werden würden, was ich auch nicht werden wollte. Sie würden zu einer etwas makaberen Version von Menschen mutieren. Ich würde sie zu anderen Wesen machen. Nein. Das ging auf keinen Fall. Damit würde ich mich bei ihnen direkt ins Aus katapultieren. Besonders nach meinen großen Worten vom Vortag. Sie hatten immerhin bei den Zwergen ein enormes Gewicht und gewaltig Eindruck geschunden. Wenn ich diese, mit meinem Versuch sie eigentlich schützen zu wollen, Lügen strafte, dann würde ich sie vermutlich als meine Freunde verlieren. Noch dazu waren sie sehr ungeduldige Freunde, die mich weiterhin dabei beobachteten, wie ich eher unbewusst begonnen hatte auf und ab zu gehen. "Was ist nun? Du weißt das ich recht habe, nicht wahr?", hakte Fili mit leicht barschem Tonfall nach. Ich konnte nur matt mit dem Kopf nicken und gab ein kurzes Seufzen von mir. "Ja, Fili. Ich weiß. Ich weiß das alles. Es ist nur...", stammelte ich und hob ratlos die Hände. "Was ist es nun? Sag es uns. Was erhoffst du dir davon, dass du uns zu so etwas zwingen willst?", fragte diesmal Kili reichlich ungeduldig. Ich öffnete den Mund um ihm zu antworten, doch so wirklich fand ich keine Worte dafür. Seine Fragen waren durchaus berechtigt. Und dafür gab es auch eine gute Erklärung. Nur war ich mir nicht sicher, ob sie diese auch so verstehen würden. Ich atmete einmal ruhig durch und schloss die Augen, ehe ich meine Schultern straffte und ihnen eher flehend antwortete: "Ich will euch eigentlich zu gar nichts zwingen. Es ist nur... Seht mal... Ich... Ich will das nicht tun, um mir mit euch einen Spaß zu erlauben. Das Ganze soll einzig und allein eurem Schutz dienen." "Unserem Schutz? Wovor? Du hast doch mal gesagt, es gäbe nichts in deiner Welt, was uns gefährlich werden könnte", meinte Bofur und zupfte sich grübelnd am Bart. "Das ist richtig. Allerdings war das bevor ich wusste wer ihr seid und ich Thorin das Versprechen gegeben habe eure Herkunft und euer Dasein vor den Menschen meiner Welt geheim zu halten. Ich hab das schon einmal verbockt und ich will nicht, dass das wieder passiert. Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, dass ihr weiterhin so bleiben könnt wie ihr seid, dann würde ich euch die nennen. Aber leider gibt es die nicht. Zumindest fällt mir keine ein", erklärte ich ihnen verzweifelt mit den Händen fuchtelnd und wandte ihnen dabei den Rücken zu. Was darauf folgte war ein langes, angespanntes Schweigen. Ich wusste zwar nicht was die Zwerge taten. Ob sie nun Blicke tauschten oder mich beobachteten. Aber als einige Minuten vergangen waren, in denen niemand ein Wort sagte, meldete sich Kili plötzlich mit einem leicht genervten Seufzen zu Wort. "Also. Also gut. Es gefällt mir zwar nicht, was du mit uns vor hast. Aber wir haben unserem Onkel ebenso wie du versprochen, dass wir uns hier anständig verhalten und auf dich Acht geben. Wenn es notwendig ist, dass wir uns verkleiden und verstellen müssen, um in deiner Welt Fuß zu fassen, werden wir es versuchen", sagte er und ich konnte ein deutliches Platschen hinter mir hören. Als ich mich umwandte und die Augen öffnete, sah ich, wie der dunkelhaarige Junge mir mit entschlossener Miene entgegen blickte. Auch die anderen Beiden standen nacheinander auf und pflichteten Kilis Worten mit einem knappen Nicken bei. Das bewog mich dazu erleichtert aufzuatmen und zaghaft zu Schmunzeln. "Danke. Das bedeutet mir sehr viel. Dann hol ich schon mal ein paar Sachen und ihr drei könnt unter euch ausmachen, wer zuerst ins Bad geht", murmelte ich zufrieden und wollte bereits zu meinem Kleiderschrank gehen, um ihnen dort Handtücher, Unterwäsche und sonstige Kleidungsstücke herauszusuchen. Doch kam ich vorerst nicht an ihnen vorbei, da sie mir noch kurz den Weg versperrten. "Warte. Eine Sache wäre da noch, bevor wir deinem Plan endgültig zustimmen, Cuna", kam es von Fili, der eine Hand hob, um mich zum Anhalten zu bewegen. Ein wenig irritiert zog ich die Augenbrauen hoch und musterte ihn mit fragendem Blick. "Was möchtet ihr denn?", hakte ich nach. "Nur ein paar kleine Bedingungen. Nichts weiter", meinte Kili in ruhigem Ton. Ich schnaufte kurz verstehend und nickte gelassen. Es war abzusehen gewesen, dass die Drei nicht einfach so der ganzen Prozedur zustimmen würden. Zwerge taten in der Regel nie irgendetwas, wenn sie nicht eine gewisse Gegenleistung erhielten. Auch wenn Kili und Fili diese Gewohnheiten ihres Volkes eher selten in Anspruch nahmen. Aber hier ging es ja nicht einfach um eine simple Familienangelegenheit, wie vor einigen Wochen, als ich mit ihrem Onkel zusammen gekommen war. Es ging um sie selbst und die Tatsache, dass ich in ihren Lebensstil eingriff. Von daher war es immerhin schon einmal gut, dass sie überhaupt bereit waren, meinem Plan eine Chance zu geben. Da konnte ich mir wohl oder übel auch ihre Bedingungen anhören. "Also gut. Wenn ich etwas im Gegenzug für euch tun soll, dann sagt mir, was ihr von mir verlangt. Ich bin ganz Ohr", erwiderte ich gelassen und neugierig. "Ich denke, das kannst du. Es ist etwas ganz einfaches. Wenn wir draußen in deiner Welt sind, dann werden wir uns auch so verhalten, wie du es uns lehrst. Im Gegenzug dürfen wir uns in deiner Behausung und Gegenwart weiterhin so kleiden und verhalten, wie wir es gewohnt sind", kam es geschäftsmäßig von Kili. "Und das ist alles? Sonst verlangt ihr nichts?", fragte ich ruhig, woraufhin sie alle die Köpfe schüttelten. "Nein. Mehr wollen wir nicht. Obwohl. Nun ja. Vielleicht doch", meinte Bofur, der süffisant grinste und mir zu zwinkerte. Sein Gesichtsausdruck verwirrte mich einen Moment lang und ich setzte bereits dazu an ihn nach seinen Wünschen zu fragen. Doch bevor ich den Mund geöffnet hatte, ergänzte er schon: "Du kochst für uns." Ein wenig perplex blinzelte ich den Mützenzwerg an, nachdem er ausgesprochen und die beiden Brüder zustimmend genickt hatten. Natürlich. Was hätte ich auch anderes erwarten sollen? Gut, vielleicht dass ich ihre ganzen Waffen polieren sollte. Aber diese hatten sie ja bei meinem Umzug noch gar nicht mitgebracht. Wobei ich mir da bei Fili nicht ganz so sicher war. Dieser hatte bestimmt den ein oder anderen Dolch mit geschmuggelt. Immerhin war er mir ja bereits aus den Filmen und von der Zeltstadt her als wandelnde Waffenkammer bekannt. Aber das sollte mir in diesem Augenblick egal sein. Solange er sie gut verstaut hatte und nicht einfach offen überall liegen ließ, war mir das nur recht. Ansonsten waren die kleinen Männer wirklich sehr einfach gestrickt. Ein Dach über dem Kopf, wo sie einfach mal Mann sein durften, ein warmer Platz zum Schlafen und eine Frau, die sie jeden Tag bekochte. Etwas anderes brauchten sie nicht um glücklich zu sein. Damit forderten die drei immerhin ein bisschen weniger als der Zwergenkönig. Und solange ich noch nicht in Arbeit war, konnte ich dem auch getrost zustimmen und nachgehen. Schaden würde es mir auf keinen Fall, da ich ohnehin geplant hatte meine Kochkünste zu erweitern und zu verbesser. "Also gut. Abgemacht. Das lässt sich alles einrichten", meinte ich mit einem entschlossenen Nicken und streckte ihnen meine Hand entgegen. Breit grinsend und zufrieden nickend schlugen die Zwerge nacheinander bei mir ein. Damit war unser Vertrag bindend abgeschlossen und die Herren ließen mich zum Schrank gehen, damit ich ihnen endlich ihre neuen Klamotten reichen konnte. Zum Glück trug ich recht gern Männersachen, darunter natürlich auch Unterwäsche, was in diesem Fall sehr praktisch war. Da ich auch nicht besonders groß war hoffte ich, dass den Herren meine Kleidung ansatzweise passte. Sicher war ich mir zwar nicht, aber probieren ging ja bekanntlich über studieren. Als ich schließlich für die Drei jeweils ein Unterhemd, eine Boxer-Short, ein T-Shirt und eine einfache Jogginghose herausgesucht hatte und mich zu ihnen umdrehte, berieten sie noch immer, wer als Erster mit mir in die von ihnen so schön betitelte Waschkammer ging. "Also, Jungs. Wer macht den Anfang?", fragte ich und trat näher an ihr kleines Grüppchen heran. "Ich gehe", kam es umgehend von Bofur, dem ich daraufhin ruhig zu nickte. "Gut, dann folge mir bitte", meinte ich und ging schon mal voraus. Er tapste mir ganz gemächlich und langsam hinterher. Im Bad angekommen schloss er die Tür hinter uns und ich legte die einzelnen Kleiderstapel auf dem Klodeckel ab, den ich zuvor herunter klappte. "So. Wenn du mit waschen fertig bist, dann nimm dir jeweils ein Teil von den Sachen weg die ich hier hingelegt habe. Aber erst mal zeig ich dir, wie die Dusche funktioniert", erklärte ich ihm sachlich ohne ihn anzusehen. Der Mützenzwerg gab ein zustimmendes Brummen von sich. Er blieb allerdings stehen, als ich mich auf den Weg zur Wanne machte und den Duscharmaturen zuwandte. Jedoch entging mir dabei nicht, dass ich hinter mir kurz ein leises Rascheln hörte. Ich vermutete, dass er schon einmal meine Kleidung in Augenschein nahm und argwöhnisch musterte. Gut, das sollte mir nur recht sein. Immerhin kannte er das Zeug im Gegensatz zu den beiden Brüdern noch nicht. Ich machte mich indessen daran, ihm zu erklären wie die Dusche funktionierte. "Also, Bofur. Hier an der Amatur ist ein Hebel, den musst du nach rechts drehen, dann kommt das Wasser von Oben. Steht er auf links, läuft es normal aus dem Hahn. Dann hast du hier zwei Knöpfe, die du drehen kannst. Der eine hat einen roten und der andere einen blauen Punkt. Bei Rot bekommst du heißes, bei blau kaltes Wasser. Pass bei beiden gut auf, dass du sie nicht zu weit öffnest, sonst könntest du dich entweder verkühlen oder verbrühen. Hier drin stehen auch ein paar Flaschen in denen sich so etwas wie flüssige Seife befindet. Die kannst du gerne benutzen, wenn du magst. Aber ich rate dir, das Zeug nicht zu trinken, auch wenn es vielleicht lecker riecht. Das ist nämlich nicht gerade gesund. Ist das soweit klar?", hakte ich freundlich nach, ohne aufzusehen. "Ja. Verstanden. Aber wo lege ich nun meine normale Kleidung hin?", fragte er ein wenig ratlos, was mich dann doch aufblicken ließ. Allerdings bereute ich es nur wenige Augenblicke später mich unbedacht zu ihm umgedreht zu haben. "Die kannst du einfach auf den Boden.... HEILIGE SCHEISSE! BOFUR!", kreischte ich erschrocken und klatschte mir die Hände vor die Augen, nachdem ich endlich sah, was tatsächlich hinter mir geraschelt hatte. Oh Gott, diese verdammten Zwerge, fluchte ich innerlich und spürte wie mir die Schamröte in den Kopf schoss. Da hatte sich der Mützenzwerg einfach hinter mir unversehens ausgezogen. Und zwar bis auf das letzte Kleidungsstück. Noch dazu hatte er zum ersten Mal seit ich ihn kannte, seine Zöpfe geöffnet und die Haare entblößt, welche ihm in dunklen Locken über die Schultern fielen. Ein Anblick, der sich ziemlich böse in mein Gedächtnis einbrannte. Das konnte doch einfach nicht wahr sein. Wie unbedarft gingen die Herren denn nur in Anwesenheit von Frauen mit ihrem eigenen Körperschaubild um? Schamgefühl kannte offensichtlich keiner von ihnen. Im Gegenteil. Bofur amüsierte sich sogar köstlich über mein entsetztes Gekreische und fragte belustigt: "Was hast du denn? Du wirst doch wohl schon mal einen nackten Mann gesehen haben, wo du doch einst verheiratet warst." "Ja. Ja, verdammt. Aber um Himmels Willen, das zeigt ein Mann nur der Frau, die er liebt und nicht irgendwem", quietschte ich mit hoher Stimme und schüttelte heftig den Kopf. Nun musste der Mützenzwerg lachen und tapste langsam auf mich zu. "Also, ihr Menschen seid schon eigenartig. Du bist eine gute Freundin und nicht irgendwer", meinte er gelassen, als er vor mir stand. "Freundin oder nicht, dass ist mir persönlich egal. Es gehört sich einfach nicht, so vor einer Frau herum zu laufen, die man nicht liebt. Und selbst dabei sollte man darauf achten, dass die Frau einen auch liebt. Sonst hast du ganz schnell riesigen Ärger am Hals", meinte ich und versuchte tunlichst zu vermeiden zwischen meinen Fingern hindurch zu schielen. Daraufhin schnaufte Bofur gelassen und klatschte mir kurz eine Hand auf die Schulter. Dieses Mal jedoch nicht mehr ganz so fest wie er es sonst getan hatte, wofür ich ihm sehr dankbar war. Wenigstens das beherzigte er inzwischen. "Ist ja gut. Ich tue das nicht wieder, solange du im Raum bist. Wenn du mich nun bitte allein lassen würdest", meinte er und schob mich ein kleinwenig zur Seite, sodass er in die Wanne steigen konnte. Erleichtert, dass er sich nun nicht mehr in meinem direkten Blickfeld befand, nahm ich die Hände vom Gesicht und eilte schleunigst zur Badezimmer Tür, welche ich heftig atmend von außen schloss. In der Diele angekommen, ließ ich mich erst einmal mit dem Rücken an die Tür gelehnt zu Boden rutschen, um meine Atmung und meinen Herzschlag zu beruhigen. "Meine Fresse, was für eine Geburt", murmelte ich schnaufend und richtete meinen Blick Richtung Zimmerdecke. Dieser Morgen ging ja gut los. Erst warfen mich die Herren vom Sofa, dann musste ich mir fast ein Bein ausreißen, damit sie in meinen Plan einwilligten und nun auch noch zwergisches Kopfkino. Die kleinen, bärtigen Männer waren einfach nur unglaublich und das nicht zwangsläufig im positiven Sinne. Erst Kili auf der Zeltstadt, dann Thorin in dem kleinen Bootlager und nun Bofur in meinem Badezimmer. Gut, ich musste mir eingestehen, dass der Mützenzwerg, genauso wie die anderen, auch recht passabel gebaut war. Zumindest, wenn man auf Männer stand, die ein bisschen wilder und ungezähmter aussahen. Doch für mich persönlich gab es nur einen Zwerg, dessen körperliche Erscheinung ich vor meinem inneren Auge sehen wollte. Nur war er leider für michin diesem Augenblick einfach nicht greifbar, was ich sehr bedauerte. Als ich daran dachte, wie ich mich noch am Vortag morgens mit dem Zwergenkönig innig umschlungen auf dem selben gekachelten Boden herum gewälzt hatte, bildete sich in meiner Brust ein recht unangenehmer, schmerzhafter Knoten. Es war immer noch so unwirklich und falsch, dass Thorin nicht mehr da war. Wer weiß, wie dieser Morgen sonst begonnen hätte. Vielleicht wäre ich dann nicht so unsanft neben dem Sofa gelandet, sondern einfach ruhig in seinen Armen erwacht. Danach hätten wir uns gewiss angesehen, einen 'Guten Morgen' gewünscht und kurze, zärtliche Küsse ausgetauscht. Die Vorstellung war vor meinem inneren Auge so erschreckend real, das ich sogar regelrecht spürte, wie seine Lippen ganz sanft die meinen berührten. Ich konnte seinen warmen Atem über mein Gesicht streichen und seinen kurzen Bart unter meiner Nase kitzeln fühlen. Ich holte einmal tief Luft und meinte seinen betörenden, männlichen Geruch in meine Lungen einsaugen zu können, obwohl dieser schon längst verflogen war. Aber auf diese Art war das Ganze einfach nicht richtig. Es tat unsagbar weh mich zu diesem Zeitpunkt an solche schönen, und gleichzeitig erschreckend reale Gedanken zu heften. Wieder stellte ich mir die Frage, wie es ihm wohl derzeit ging. Ob er auch erst vor einigen Minuten aufgestanden war und vielleicht schon etwas gefrühstückt hatte? Das heiß, sofern er es konnte. Denn mir selbst war gar nicht nach Essen zumute. Im Gegenteil. Es reichte nur ein Gedanke an Thorin aus, damit sich mein Magen im Kreis drehte und mir schlecht wurde. Nicht weil ich ihn wegen irgendetwas verabscheute, sondern einfach weil ich ihn in meiner Nähe vermisste. Stärker als bei seinem ersten Abschied. Verdammt, was war nur los mit mir? Das letzte Mal konnte ich mich doch auch dazu aufraffen meinem Alltag nachzugehen und die Arbeiten zu verrichten die anstanden. Warum konnte ich es dieses Mal nicht genauso tun? Es würde mich ablenken und den Schmerz der vorläufigen Trennung beiseiteschieben. Doch stattdessen blieb ich einfach wo ich war und starrte weiterhin an meine Zimmerdecke wie ein Zombie. Das ging so einfach nicht. Ich konnte nicht nur da sitzen und nichts tun, während um mich herum das Leben tobte. Es gab Dinge zu erledigen. Wichtige Dinge. Ich musste meinen Arzt anrufen, damit ich wenigstens an diesem Tag noch einen Termin für eine Behandlung bekam. Außerdem würde Bofur gewiss bald mit duschen und umziehen fertig sein. Wenn ich dann immer noch vor der Tür hockte, würde ich diese garantiert mit voller Wucht an den Hinterkopf geschlagen bekommen. Ich musste aufstehen. Egal wie anstrengend es für mich war, meine Beine dazu zu zwingen meinen Körper zu tragen und voran zu treiben. Außerdem wollte ich den Jungs nicht noch mehr Probleme machen. Sie waren ohnehin schon mehr als besorgt über meinen gesundheitlichen Zustand. Meine schwachen Momente musste ich mir für eine Zeit aufsparen, in der ich allein sein konnte. Und das war vermutlich nur dann, wenn ich mich morgens oder abends im Badezimmer aufhielt. Ich musste fortan stark sein. Nicht nur für mich, sondern auch für meine überraschenden Mitbewohner. So schwer es mir auch fallen würde. Ich durfte einfach nicht mehr in mich zusammen sinken und der Vergangenheit nachtrauern. Das was vor mir lag, der Weg den ich mit ihnen beschreiten musste, war mein Ziel. Und mochte kommen was da wolle, ich würde mir alle Mühe geben, damit wir friedlich und gut zusammen leben konnten. Ob mit oder ohne Thorin. Ich war schon immer meinen Weg gegangen und das musste ich weiterhin so beibehalten. Sonst ertrank ich womöglich noch in meinem eigenen Selbstmitleid. Von diesen Gedanken neu beflügelt bekam ich wieder Kraft in die Beine und stand langsam vom Boden auf. Als ich jedoch aus der Diele zurück ins Apartment trat, waren die beiden Brüder allerdings nicht mehr im Raum. Dafür stand die Balkontür offen auf dem ich beide pfeiferauchen sah. Auch gut. Dann konnte ich in aller Ruhe telefonieren. Doch dafür musste ich erst mein Handy finden, von dem ich nicht mehr wusste, wo ich es nach dem Kartenspielen hingelegt hatte. Das Letzte was ich wusste war, dass ich es auf dem Bett liegen gelassen hatte. Langsam ging ich darauf zu und begann sorgsam zu suchen. Zunächst fand ich es jedoch nicht. Zumindest nicht unter der Bettdecke. Vielleicht war es ja unter eines der Kissen gerutscht auf denen die Zwerge geschlafen hatten. Ja, das war durchaus denkbar. Arglos und ohne eines davon anzuheben, griff ich darunter und begann dort nach meinem Handy zu forsten. Doch hätte ich mir im nächsten Moment lieber selbst in den Hintern gekniffen, dass ich die Kissen nicht gleich beiseitegelegt hatte. Denn das Nächste was ich fühlte war, dass meine Hand an etwas hartem, metallischen und unglaublich scharfem vorbei strich. "AUTSCH!", fluchte ich laut und zog schlagartig die Hand zurück, nachdem ich an meinem Zeigefinger einen kurzen reißenden Schmerz verspürte. Als ich diesen musterte, sah ich, wie sofort aus einer recht kleinen Schnittwunde Blut heraus lief. Mit einem verstimmten Brummen stopfte ich mir diesen in den Mund und riss mit meiner anderen Hand das Kissen weg. Was ich dort erblickte, ließ mich genervt mit den Augen rollen. Gut, mein Handy hatte ich damit auch umgehend gefunden. Doch es war nicht das Einzige, was dort lag. Direkt daneben konnte ich einen etwa unterarmlangen, schön verarbeiteten Dolch erkennen, an dessen Schneide sich nun ein paar kleinere rote Flecken befanden. Na großartig. Genau, dass hatte ich bereits befürchtet. Und ich wusste auch schon wem dieses Gerät gehörte. "FILI!", brüllte ich wütend zum Balkon, woraufhin ich sah, wie dieser zusammenzuckte und binnen weniger Sekunden an der Tür erschien. "Was ist denn, Cuna?", fragte er leicht irritiert und besorgt zugleich, nachdem er sah, wie ich die Waffe von der Matratze hob und mit der Klinge in seine Richtung zielte. "Was macht der Dolch hier im Bett?!", fuhr ich ihn recht barsch an, während ich immer noch an meinem Finger nuckelte. "Das.... Ähm.... Oh. Hast du dich verletzt?", hakte er leicht verdattert nach und trat zügig an mich heran. Ich schnaubte nur beleidigt und drückte ihm das Teil in die Hände, als er diese offen hielt. "Ja, habe ich. Was soll das? Warum deponierst du Waffen in meinem Bett?", knurrte ich beleidigt. "Das... Das tut mir leid. Aber ich lege mir immer einen Dolch unter mein Kissen. Sonst kann ich nicht ruhigen Gewissens schlafen", erklärte er mit einem verschmitzten Lächeln, wobei er sich mit der Dolchspitze verlegen am Kopf kratzte. Von mir erntete er dafür nur ein reichlich genervtes Augenrollen und Aufstöhnen. Natürlich. Das hätte ich wissen müssen. Andere Leute nahmen sich Kuscheltiere mit ins Bett, aber Herr Fili konnte ohne seinen geliebten Schmusedolch nicht einschlafen. Wenn der Tag so weiter ging, dann würde ich vermutlich den Abend nicht mehr erleben. Seufzend und tief durchatmend schüttelte ich den Kopf, griff nach meinem Handy und brummte: "Gewöhn dir das bitte ab. Ich habe keine Lust mir deswegen jeden Tag die Hände zu verunstalten oder irgendwann neue Bettlagen zu kaufen, weil Löcher drin sind." "Hrm.... Gut. Ich werde es versuchen", meinte der blonde Bursche mit entschuldigender Miene und packte seine Waffe weg. "Nicht versuchen, Fili. Tu es einfach. Wenn du irgendwann mal bei Jana übernachten solltest, könntest du sie damit verletzten. Und ich glaube nicht, dass du das willst", entgegnete ich zu guter Letzt. Nachdem ich seine Angebetete erwähnte, weiteten sich plötzlich erschrocken seine hellblauen Augen und er begann heftig zu nicken. "Ja. Ja, ich verstehe. Tut mir wirklich leid. Brauchst du vielleicht irgendetwas?", fragte er hastig, als ich erneut an meinem Finger nuckelte und mit der anderen Hand die Nummer meines Arztes suchte. "Ja. Ich brauche gerade Ruhe. Ich muss meinen Arzt anrufen und einen Termin für heute machen. Hoffentlich kann der noch Patienten aufnehmen", murmelte ich nachdenklich vor mich hin. "Du möchtest einen Heiler wegen einem kleinen Schnitt aufsuchen?", kam es recht ungläubig von Kili, der nun auch im Hintergrund an der Balkontür erschienen war. "Nein. Nicht wegen dem Schnitt. Sondern wegen der Kopfwunde. Marina hat doch gestern gesagt, dass ich da mal hingehen soll", erklärte ich mit einem weiteren Augenrollen. "Das ist doch gar nicht notwendig. Nori hat uns erklärt, wie wir deine Wunde behandeln sollen", warf Fili mit verständnislosem Ton ein. "Jungs. Bei allem Respekt und Achtung, die ich vor euch und den Heilkünsten eures Volkes habe, aber das muss sich ein Experte ansehen. Und sei es nur, um den Verband zu wechseln. Ich habe nämlich keine im Haus. Außerdem müssen wir so oder so in die Stadt. Wenn ich euch laut Vereinbarung bekochen soll, brauche ich dringend ein paar Lebensmittel und allein will ich euch nicht los schicken. Sonst verlauft ihr euch noch. Jetzt aber Ruhe bitte. Ich muss telefonieren", meinte ich und hob mein Handy ans Ohr. Schlagartig verstummten die Brüder und beobachteten mich immer noch recht verständnislos, während ich nur darauf wartete, dass das Tuten im Hörer verstummte und die Sprechstundenhilfe abnahm. Das konnte oftmals ein paar Sekunden dauern, da ich wusste, dass dort immer viel Betreib war. An diesem Tag hatte ich aber zumindest in diesem Punkt mal Glück. Die Frau nahm nach ein paarmal Klingeln ab und erklärte mir, dass noch einige Termine frei geworden waren. Dafür musste ich allerdings bis spätestens Mittag da sein. Gut, das war durchaus machbar. Vorausgesetzt, dass die Zwerge sich nicht mehr zu lange mit duschen und anziehen aufhielten. Aber darum brauchte ich mir so gesehen keine Sorgen zu machen. Nachdem ich gerade aufgelegt hatte, war Bofur schon wieder im Raum erschienen. Er hatte sich die Kleidung übergestreift, die ich für sie breit gelegt hatte und grinste uns breit hinter einem dichten Vorhang aus nassen, dunkelbraunen Haaren an. "Ich bin Fertig. Fili, willst du der Nächste sein?", fragte er gut gelaunt. Offenbar hatte ihm das Duschen doch mehr Spaß gemacht, als er zunächst angenommen hatte. Auch die Klamotten schienen ihm zu gefallen und sie standen ihm sogar ziemlich gut. Der angesprochene Zwerg nickte knapp und wand sich daraufhin wieder an mich. "Kommst du mit und zeigst mir auch, wie das geht?", fragte er ruhig, woraufhin ich jedoch den Kopf schüttelte. "Nein. Ich würde gern hier bleiben und schon mal eine Einkaufsliste schreiben. Bofur kann dir ja bestimmt zeigen, wie alles im Bad funktioniert, oder?", sagte ich und warf dem Mützenzwerg ohne Mütze ein freundliches Lächeln zu, das er mit einem höflichen Nicken erwiderte. "Natürlich. Mache ich sehr gern. Komm, Fili", sagte er und führte den blonden Burschen aus dem Raum. Erleichtert und dankbar atmete ich ruhig durch. Wenigstens funktionierte so langsam mal etwas und ich konnte mich mit anderen Dingen beschäftigen. Einen weiteren nackten Zwerg hätte ich wohl nicht mehr ertragen. Dafür musste ich mich allerdings nun mit der Frage konfrontieren, wie der Rest des Tages wohl verlief. Denn egal, was noch alles passierte, so ahnte ich schon, dass unser kleiner Stadtausflug, noch einige weitere Probleme mit sich bringen würde. - 97. Morgendliche Startschwierigkeiten / ENDE - Kapitel 98: 98. Chaos-Quartett im Kleinstadt-Dschungel ------------------------------------------------------ Es dauerte eine ganze Weile bis meine ungewöhnlichen Mitbewohner mit der Aufgabe, die ich ihnen auferlegt hatte, fertig waren. Doch schließlich waren sie vollständig geduscht und soweit umgezogen, dass sie zumindest ansatzweise als Menschen durchgingen und ich sie draußen herumlaufen lassen konnte, ohne viel Aufsehen zu erregen. Nun saßen wir noch einmal kurz vor unserem Tagesausflug beisammen und ich wurde Zeuge eines Rituals, welches wohl bisher keinem Menschen, weder in Mittelerde und schon gar nicht in meiner Welt, offenbart wurde. Da die kleinen Männer für ihre Waschung, wie sie es nannten, die Haare geöffnet hatten, mussten sie diese nun auch wieder ordentlich zu Zöpfen flechten. Tatsächlich musste ich zu meinem Erstaunen feststellen, dass es sich dabei fast schon um eine kleine Wissenschaft handelte. So sah ich, wie Kili seinem Bruder half, dessen Zöpfe seitlich am Kopf zurecht zu machen, während dieser seinen Bart wieder ordentlich in Form brachte. Bofur hingegen verstärkte seine recht aufwendige Frisur mit einigen Lederbändern, die er in seine dunkle Haarpracht hinein wob, damit diese auch hielt. Im Anschluss band er die Enden ebenfalls mit Lederbändern zusammen. Es war wirklich faszinierend und befremdlich zugleich, wie präzise und geschickt sie dabei vorgingen. Da konnte man als Frau tatsächlich ein bisschen neidisch werden. Vor allem, wenn man wie ich zwei linke Hände besaß. Frisieren war einfach nie meins gewesen. Ein einfacher Pferdeschwanz war da schon das höchste der Gefühle. Doch auf die Art und Weise, wie die Zwerge das alles bewerkstelligten, konnte vermutlich nicht einmal der beste Friseur der Stadt die Haare stylen. Bisher hatte ich ja nie sehen können, was die Herren der Schöpfung alles dabei anstellten, wenn sie mit dieser Arbeit beschäftigt waren. Gut, wie hätte ich auch? Jedes Mal wenn sie mir die Haare geflochten hatten, wobei das auch nur zweimal passiert war, konnte ich mir kein direktes Bild davon machen. Welcher Mensch hatte denn auch hinten Augen? Als Otto-Normal-Verbraucher blieb einem der Blick nach Hinten recht häufig verwehrt. Da musste man entweder Gandalf oder Lehrer sein. Zumindest hatte ich als Kind immer den Eindruck gehabt, dass meine Lehrer früher in der Schule ein solches Auge unter ihrem Schopf verbargen. Sie wussten immer ganz genau, wer gerade hinter ihrem Rücken Blödsinn angestellt oder Spickzettel an den Tischnachbarn weitergereichte. Ein ums andere Mal hätte ich mir eine solche Fähigkeit auch herbei gewünscht. Dann wäre mir vermutlich nie entgangen, wenn einer meiner Klassenkameraden eines dieser ärgerlichen "Tritt mich!"-Schilder auf den Rücken geheftet oder mit Papierkügelchen nach mir geschossen hatte. Aber zu meinem Glück waren diese Zeiten ja irgendwann vorbei gegangen. Ich hatte diese ganze Bagage und ihre nervenden Hänseleien hinter mir gelassen und mich meiner eigenen Zukunft zu gewandt. Die wohl beste Entscheidung meines Lebens. Auch wenn mir unterbewusst wieder recht flau im Magen wurde, als ich kurz daran dachte, dass ich irgendwann mit meinem derzeit abwesenden Zukünftigen dorthin zurück musste, weil dieser unbedingt meine Familie kennenlernen wollte. Aber für einen Wochenend-Tripp würde ich es wohl oder übel ertragen können. Zumindest solange ich niemandem begegnete, den ich von Früher her kannte. Aber darum konnte ich mir noch Sorgen machen, wenn es eines Tages soweit war. Zunächst musste ich mich um wichtigere Dinge kümmern. Nämlich das fertigstellen der Einkaufsliste. So saß ich einige Minuten lang grübelnd über meinem Zettel und nuckelte am hinteren Ende meines Stiftes herum. Was ich kochen wollte, wusste ich bereits. Für den Einstieg in unsere Wohngemeinschaft waren meine bereits bekannten Bratkartoffeln wohl das Beste. Die Zutaten hatte ich schon ordentlich notiert. Mir war aber klar, dass ich nicht nur Lebensmittel für meine Vertragserfüllung kaufen musste, sondern auch noch andere Sachen, die gerade für meine Mitbewohner noch sehr wichtig werden konnten. Darunter auch andere Dinge, die im hygienischen Bereich lagen. Sprich, Zahnbürsten, Zahnpasta und für jeden einen Becher. Das musste auf alle Fälle sein. Allerdings konnte ich mir zu diesem Zeitpunkt schon ausmalen, welches Affentheater, beziehungsweise Zwergenaufstand, die Herren veranstalten würden, sobald ich mit ihnen auf das Thema Mundhygiene zu sprechen kam. Ich fragte mich dahingehend auch, ob sie mir erneut einige Vertragsbedingungen unterschieben wollten, wenn sie sich weigerten. Denn davon konnte ich nach ihrer Reaktion auf das Duschen ausgehen. Wahrscheinlich würden sie es irgendwann soweit mit mir treiben, dass sie gar keinen Handschlag im Haushalt machten und ich ihnen alles hinterher räumen durfte. Aber das konnten die Herren mal schön vergessen. Nein. Nicht mit mir. Ich konnte zwar einige Kompromisse eingehen. Doch wie einen Haussklaven, würde ich mich nicht behandeln lassen. Ein kleinwenig Stolz hatte ich ja immer noch. Die Zwerge sollten bloß nicht glauben, dass sie mir permanent auf der Nase herumtanzen und mir nur ihre Bedingungen stellen konnten. Entweder würden sie einige von meinen für ein harmonisches Zusammenleben akzeptieren oder ich würde für sie keinen Handschlag mehr tun. Ich hoffte nur, dass wir in der ganzen Zeit nicht zu sehr aneinander gerieten. Schließlich war das Letzte was ich im Haus brauchte drei wütende, eingeschnappte und beleidigte Zwerge. Was sie jedoch zusätzlich brauchten, waren eigentlich noch andere Anziehsachen. Ich konnte sie ja schlecht die ganze Zeit über mit meinen alten, abgetragenen Sachen herumlaufen lassen. Zumindest draußen nicht. In der Wohnung, wollten sie ja wie gehabt ihre alten Fetzen tragen. Wobei ich den Klamottenkauf lieber auf einen anderen Tag verschob. Ich wollte mich ja nicht zusammen mit den Dreien todschleppen. Nicht nachdem letzten Einkaufsausflug, wo wir Kilometerweit hatten wandern müssen. Denn das würde uns definitiv auch dieses Mal bevorstehen, da die örtlichen Busunternehmen leider und sonderbarerweise nicht mitten in die Plattenbausiedlung fuhren. So stand uns wohl wieder ein fast endlos langes Gelaufe und Geschleppe bevor, wofür sich die Zwerge im Nachhinein vermutlich sehr bedanken würden. Ich glaubte nämlich nicht daran, dass der Fahrstuhl inzwischen repariert worden war. Wie ich den Hausmeister kannte, würde er dem auch erst nachgehen, wenn ihm die Hausverwaltung genau auf die Finger schaute. Und das konnte recht lange dauern. "Bist du bald fertig mit deiner Liste, Cuna?", fragte Bofur ganz unerwartet und riss mich damit aus meinen Gedanken heraus. Ich zuckte kurz zusammen und sah ihn danach ruhig an. "Ja. Ja, ich denke ich hab alles soweit notiert. Seid ihr denn fertig mit eurem Kram?", erwiderte ich und musterte sie nacheinander. Tatsächlich hatten sie es endlich geschafft ihre Haare und Bärte wieder in ihre Ursprungsform zurück zu versetzte, weswegen Fili mich kurz anlächelte und erwartungsvoll meinte: "Schon längst. Wir warten nur noch auf dich, Schwesterchen." Ich schnaufte kurz gelassen und nickte dann entschlossen, als ich mich von meinem Stuhl erhob, den Stift weglegte und den Zettel einsteckte. "Gut, dann können wir los", sagte ich und straffte meine Schultern. Wenig später verließen wir meine Wohnung, nachdem ich mir noch den Schlüssel und mein Handy eingesteckt hatte. Danach machten wir uns recht zügig auf den Weg nach unten durch das Treppenhaus, passierten die Eingangshalle und waren schlussendlich nach einigen Minuten an der Straße angelangt, die uns mitten in die Stadt führen sollte. Der Himmel war an diesem Morgen noch von trüben, grauen Wolken bedeckt und gelegentlich wehte uns eine kühle Brise um die Ohren, als wir den Hügel hinab stiefelten. Zum Glück hatten die Zwerge und ich daran gedacht vorher unsere Jacken anzuziehen. Gut, eigentlich trug nur ich meine einfache Regenjacke und die Herren waren in ihre langen Mäntel gehüllt. So war das Wetter für uns nicht ganz so unangenehm. Auch wenn uns zeitweilig der ein oder andere Tropfen auf die Schädel fiel, wenn wir zufällig unter einem Baum hindurch gingen. Doch das war bei weitem noch das Erträglichste an unserer Tour. Zumindest für meine Verhältnisse. Wie ich nämlich bereits erwartet hatte, wurde dieser kleine Ausflug mal wieder zu einem ganz schön anstrengendem Spießroutenlauf. Nicht nur, dass ich die kleinen Männer stets daran hinter musste einfach so auf der asphaltierten Straße herum zu laufen. Nein, ich musste ihnen auch die hiesigen Verhaltensregeln im Straßenverkehr nahe bringen. Ich hatte ja schon mit Dwalin Schwierigkeiten gehabt, diesen heil zu mir nach Hause und wieder zurück zur Zeltstadt zu bringen. Aber diese drei waren nochmal ein ganz anderes Kaliber. Besonders Kili und Fili waren zeitweise nicht mehr zu halten, wenn sie auf unserer oder der anderen Straßenseite etwas unglaublich Interessantes in Auge fassten und dabei Blindlinks mitten in den Verkehr hinein stolperten. Ich konnte gar nicht mehr zählen, wie oft ich sie am Kragen packen und ermahnen musste stehen zu bleiben, um zu verhindern, dass sie unter die nächstbesten Räder kamen. Nebenher spürte ich auch noch die neugierigen und verstörten Blicke der anderen Passanten auf uns ruhen, welche hinter vorgehaltener Hand kicherten und tuschelten, als ich erneut hinter den Zwergen her hechtete, damit sie keinen Unfall produzierten. Bofur hingegen bleib zwar weitgehend bei mir. Allerdings gab er dem Wort "stehenbleiben" genau die zutreffende Bedeutung. Egal an welchen Läden wir auch vorbei kamen. Er ging nicht eher weiter, bis er sich alle Artikel in den Schaufenstern genau angesehen hatte. Besonders die kleinen, aber feinen Spielwaren-Geschäfte hatten es ihm sichtlich angetan. Kein Wunder, wenn ich bedachte, welcher Tätigkeit er früher in Mittelerde nachgegangen war. Doch sorgte sein stetiges Anhalten und das permanente Vorrennen der beiden Brüder dafür, dass ich kurz vor einem kleinen Nervenzusammenbruch stand. "Sagt mal, könntet ihr auch auf dem Gehweg bleiben?! Wegen euch komme ich erst beim Arzt an, wenn ich alt und klapprig bin!", fauchte ich Kili und Fili dementsprechend leise und barsch an, als sie erneut die vielbefahrene Hauptstraße überqueren wollten, ohne nach den Autos zu schauen. "Aber, Cuna. Sieh doch mal dort drüben. Diese vielen bunten Lichter", meinte der blonde Bursche strahlend und deutete fast schon wehmütig zu der recht auffälligen Spielhalle hinüber. Ich seufzte nur und verdrehte die Augen. "Ja, das ist ein Casino. Da kann man recht schnell all sein Geld los werden, wenn man nicht aufpasst. Aber da gehen wir garantiert nicht hin. Und jetzt kommt endlich. Wir haben genug Zeit verplempert mit eurem Herumgetrödel", knurrte ich und zog die beiden an den Oberarmen zurück auf den Bürgersteig. "Ach, nun hab dich doch nicht so. Wir wollen nur ein klein wenig Spaß", erwiderte Kili und grinste mich sehr frech an. "Ja. Spaß auf Kosten meiner Nerven! Vielen Dank, Jungs!", knurrte ich erneut und wurde langsam aber sicher wesentlich lauter. Allmählig verstand ich, warum Thorin so häufig schlecht gelaunt und ungehalten gegenüber seinen Neffen war. Die Jungs waren in ihrem Eifer sich in Schwierigkeiten zu bringen einfach nicht zu bremsen. Was eigentlich gut nachvollziehbar war. Meine Welt bot ihnen so viele neue und schier unendliche Möglichkeiten sich zu amüsieren, dass sie ihr Versprechen, mir keine unnötigen Scherereien zu machen, vollkommen in den Hintergrund ihrer Zwergenschädel verdrängten. Bei mir sorgte dies natürlich nicht nur dafür, dass mein eigener Kopf beinah vor Anspannung und Schmerzen platzte, sondern auch, dass ich mir vorkam wie ein völlig unfähige Erzieherin, die ihre zu betreuende Kinderschar nicht im Zaum halten konnte. Und seit langem stellte ich mir erneut die Frage, auf was ich mich da nur eingelassen hatte. Zwerge gehörten wirklich nicht in meine Welt. Besonders wenn sie noch so jung waren wie Kili und Fili. Was meinen Kragen jedoch endgültig zum Platzen brachte, war das ungemein ruhige und sonnige Gemüt von Bofur, welcher sich auch endlich einmal vom nächstbesten Schaufenster losreißen konnte. "Nun sei doch nicht so streng mit den Beiden. Sie haben so viel Freude daran, deine Welt zu entdecken", meinte er und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd. "Ich soll nicht streng sein mit den Beiden?! Sie rennen hier die ganze Zeit schon fast in ihren sicheren Tod! Du könntest mir zur Abwechslung mal helfen, sie im Zaum zu halten, anstatt schöne Reden zu schwingen und deine Nase an den Schaufenster platt zu drücken! Habt ihr alle vergessen, was ihr mir versprochen habt?! Ihr wolltet euch anständig benehmen, solange wir unterwegs sind und jetzt baut ihr nacheinander nur noch Bockmist! Könnt ihr euch nicht mal für fünf Minuten zusammen reißen?! NUR FÜR FÜNF MINUTEN?!", brüllte ich nun so laut, dass die vorbeiziehenden Menschen mir empörte Blicke zuwarfen. Die Zwerge zuckten indessen leicht erschrocken zusammen und schluckten deutlich hörbar, während ich versuchte meinen hastigen Atem und rasenden Herzschlag wieder zur Ruhe zu zwingen. Meine Fresse, warum eigentlich immer ich? Womit hatte ich das nun wieder verdient? Es wäre wohl besser gewesen, sie in meiner Wohnung zu lassen und allein los zu ziehen. Dann wäre mir sehr viel erspart geblieben. Unter anderem auch das zunehmende Schwindelgefühl, von dem mir kurzzeitig schwarz vor Augen wurde, sodass ich nicht mal merkte, wie ich kurz das Gleichgewicht verlor und gegen den Mützenzwerg stolperte. Dieser keuchte erschrocken und fasste mich ruckartig an den Schultern, damit ich nicht gänzlich zu Boden fiel. "Cuna! Was in Durins Namen...? Geht es dir nicht gut?", fragte er plötzlich besorgt und versuchte mich wieder einigermaßen aufrecht hinzustellen. "Ja. Verdammt. Mir geht’s total beschissen", brummte ich und fuhr langsam mit einer Hand über mein mit kaltem Schweiß bedecktes Gesicht. "Bei Durins Bart. Du bist Kreidebleich, Schwesterchen", warf Kili beunruhigt ein und trat näher an mich heran. "Ach, wirklich? Wäre ich gar nicht drauf gekommen, wenn du mir das jetzt nicht gesagt hättest. Danke für die Info, Herr Kili", entgegnete ich sehr bissig und sarkastisch. Beschissen war wirklich das richtige Wort für meinen miserablen Zustand. Nicht nur, dass ich unheimlich gereizt von ihren ganzen Eskapaden war. Nein, mein ganzer Körper zitterten vor Anspannung und zu allem Übel tobte sich Klaus-Günther auch noch mit seinem Hammer in meinem geschundenen Kopf aus. Zum Glück erkannten die Männer nun den Ernst meiner Lage, weshalb es endlich mal voran ging. Wobei das Ganze mit einer Gruppe besorgter Zwerge ein klein wenig anders aussah, wie ich zunächst gehofft hatte. Als ich nämlich mein Gleichgewicht wieder gefunden und kurz meinen benommenen Kopf geschüttelt hatte, tauschten sich die Herren mit ein paar Worten in ihrer Muttersprache über das weitere Vorgehen aus. Ohne viel Federlesen und mich um Erlaubnis zu fragen, hockte sich Fili plötzlich mit dem Rücken zu mir auf den Boden, sodass Bofur mich einfach wie einen kleinen Sack Kartoffeln über ihn warf. Dann schnappte sich der blonde Junge meine Knie und stemmte sich hastig auf seine kurzen Beine mit den Worten: "Halt durch, Cuna. Wir bringen dich umgehend zum Heiler." Ich konnte indessen nur kurz aufschreien und lauthals protestieren, als alle drei einfach drauf los stürmten, wobei sie hier und da einige der schaulustigen Passanten aus dem Weg schubsten. So ging es eine ganze Weile kreuz und quer, durch die Menschenansammlungen, welche uns verständlicherweise heftige und sehr unfreundliche Schimpfworte hinterher warfen. Manche sprangen sogar freiwillig schon aus der Bahn, als sie uns heranbrausen sahen. Einige lachten sogar über das Bild, welches wir wohl gerade abgaben. Gut, als Außenstehende hätte ich vermutlich brüllend vor Lachen am Boden gelegen. Als Beteiligte jedoch, fand ich die ganze Situation einfach nur peinlich und beschämend. Das wars dann wohl mit meinem Plan, die Zwerge unauffällig durch die Stadt und wieder zurück nach Hause zu bringen. Fehlte nur noch, dass wir in eine Polizeistreife hinein stolperten, weil die Herren nicht darauf achteten, wo genau sie hin liefen. Gut, das wussten sie sowieso nicht. Sie kannten weder den Weg zu meinem, noch zu einem anderen Arzt, der auch auf der Strecke lag. Wenn ich sie nicht bald aufhielt, dann würden sie sich hoffnungslos in dem Gewirr aus Gassen, Nebenstraßen und Hauptstraßen verlaufen. "Hey! Hey! Lass mich wieder runter, Fili! Nicht so schnell! Passt doch auf die Leute auf! Wo rennt ihr denn mit mir hin?!", rief ich aus, doch diese sturen Kerle ließen sich nicht in ihrem Tun aufhalten, denn sowohl Kili als auch Bofur stießen bereits die nächsten Passanten aus dem Weg, damit Fili mit mir auf dem Rücken durch die entstandene Lücke laufen konnte. Egal was ich auch sagte und wie sehr ich mich gegen den eiserenen Klammergriff, des Burschen wehrte, es half einfach nichts. Stattdessen fuhr er mich nur irgendwann recht ungehalten und abgehetzt an: "Nein. Das werde ich nicht, Cuna. Es ist unsere Schuld, dass es dir im Augenblick so schlecht geht und ich werde nicht zulassen, dass es dir noch schlechter geht. Wir bringen dich zu einem Heiler, koste es was es wolle. Und jetzt zappel nicht so rum, sonst lass ich dich noch fallen." "Ja, schön dass ihr drei da jetzt drauf kommt. Aber ihr wisst doch gar nicht wo ihr hin müsst", entgegnete ich barsch und merkte, wie der blonde Zwerg plötzlich immer langsamer wurde, bis er schlussendlich völlig außeratem stehen blieb. "Ma-Mahal.... Du... Du hast recht...", keuchte er erschöpfte und schüttelte kurz seine blonde Mähne. Ich schnaufte erleichtert, da die Hetzjagd endlich ein Ende hatte und seufzte dann, als die anderen Beiden nach einigen Metern bemerkten, dass wir ihnen nicht mehr folgten. "Was ist los, Bruder? Soll ich Cuna übernehmen und du räumst den Weg mit Bofur frei?", fragte Kili, nachdem dieser mit dem Mützenzwerg zu uns zurück kam. "Nein. Nein. Das ist es nicht. Cuna hat mich nur gerade auf eine sehr wichtige Kleinigkeit hingewiesen", schnaufte Fili immer noch und schüttelte erneut den Kopf dabei. "Und welche wäre das? Wir haben keine Zeit zu verlieren. Sie muss dringend zum Heiler gebracht werden", meinte Bofur und wedelte sich ebenfalls schnaufend mit seiner Mütze etwas Luft zu. "Dann sag du mir mal, wo hier der Heiler ist, Herr Bofur", warf ich mit einem leichten Augenrollen ein. Auf meine indirekte Frage hin klappte dem Mützenzwerg kurz der Mund auf und wieder zu. Danach sah er verwirrt und ratlos am Hinterkopf kratzend in sämtliche Richtungen und stammelte kleinlaut: "Also, der Heiler... Der Heiler ist... der ist... ja... Ich... Ich habe keine Ahnung... Der muss hier irgendwo... also..." "Schon gut, Bofur. Hör auf darüber nachzudenken, sonst tust du dir noch weh. Fakt ist, ihr habt alle drei keinen blassen Schimmer davon, wo ihr gerade hin rennt und wie ihr überhaupt das Haus meines Arztes erkennen sollt", entgegnete ich seufzend und sah wie sich die Mienen von Kili und Bofur zu zwei betretenen Schnuten verzogen. "Aber... Aber Cuna. Dir. Dir geht es schlecht und... Und wir wollen dir doch helfen", meinte Kili reichlich verhalten und sah mich mit seinen brauen Rehaugen und gesenktem Kopf von unten her an. "Ja, Jungs. Ich weiß, ihr wollt mir nur helfen und das finde ich auch wirklich süß von euch. Aber was bringt es denn bitte, wenn ihr hier wie eine Horde wütender Orks auf Red Bull durch die Menschen pflügt und dabei noch einen neuen Rekord im Marathon aufstellt, wenn ihr gar nicht wisst, wo ihr mit mir hin wollt?", hakte ich etwas ruhiger nach, woraufhin alle drei ganz zaghaft und betrübt nickten. "Tut uns wirklich leid, Cuna. Wir... Wir hätten besser auf dich hören sollen", nuschelte Fili mit einem Blick über die Schulter und rückte mich ein wenig hinter sich zurecht, als ich zu rutschen drohte. Ich schnaufte nur genervt und schloss kurz die Augen. Oh man, was für eine Erkenntnis. Als hätte ich ihnen dies nicht schon ein paar Mal gesagt. Und das nicht nur an diesem Morgen. Ihr Verhalten, war aber auch mal wieder so typisch für ihr Volk. Erst handeln, dann denken, wenn man nicht mehr weiter kommt. Oder eben alles kaputt machen. Hauptsache, man kam zu irgendeinem Ergebnis. Unser Ergebnis sah nun wie folgt aus: Ich hing weiterhin Huckepack auf Filis Rücken, während die drei kleinen, bärtigen Männer betreten zu Boden starrten und ratlos mit den Schultern zuckten, während die ganzen Passanten, die sie in ihrer Raserei umgestoßen und beiseite geschoben hatten, immer noch wütend hinter uns her brüllten. Eine wirklich tolle Ausgangsposition, aus der ich uns natürlich wieder herausziehen musste. Gut, etwas Besseres hatte ich sowieso nicht zu tun. Erst recht nicht, wenn ich endlich bei meinem Arzt ankommen wollte. So atmete ich noch einmal ganz tief durch und hielt den Zwergen zunächst eine kleine Standpauke in Sachen Benehmen in der Öffentlichkeit. "Also. Passt mal auf Jungs. Ihr habt gesehen, dass es so nicht geht. Ihr könnt nicht einfach irgendwo hin rennen oder an jedem Schaufenster stehen bleiben, wenn euch etwas gefällt. Zumindest nicht wenn wir es ohnehin schon eillig haben. Außerdem schubst man nicht einfach irgendwelche Leute aus dem Weg, nur weil man plötzlich durchs herumtrödeln Zeitdruck hat. Das ist verdammt unhöflich. Die sind jetzt nämlich ziemlich sauer auf uns. Wir können von Glück reden, dass noch keiner die Polizei gerufen hat. Sonst säßen wir gewaltig in der Tinte", meinte ich und musterte sie soweit es ging nacheinander eingehend. "Aber, was hätten wir denn tun sollen? Du brauchst doch Hilfe", verteidigte sich Kili ein wenig halbherzig, was mir nur ein spöttisches Schnauben abgewann. "Hilfe hin oder her. Ich hab vorhin noch gesagt, dass ihr euch benehmen und nicht auffallen sollt. Und das war mehr als nur auffällig. Ihr habt einen halben Straßenzug voller Leute in Aufruhr versetzt. Mich wundert es, dass ihr bei eurem Versuch mir zu helfen, nicht auch noch durch irgendwelche Hauswände gebrochen seid. Ernsthaft, so läuft das nicht. Von jetzt an tut ihr gefälligst was ich euch sage. Andernfalls ist unser Deal mit dem Essenkochen geplatzt und ihr könnt selbst sehen, wie ihr heute Mittag an was zu futtern kommt. Ich mache keinen Handschlag mehr, bis ihr wieder vernünftig geworden seid. Punkt aus", brummte ich und fixierte den dunkelhaarigen Burschen scharf. Von meiner klaren Ansage ein wenig überrumpelt, zuckten alle drei kurz zusammen und warfen sich gegenseitig ausdruckslose Blicke zu. Gut, ich hätte meine Drohung nie im Leben wahr gemacht. Ich wollte sie ja nicht verhungern lassen. Aber zumindest half es, dass die Zwerge endlich Vernunft annahmen und einige Minuten später knapp und zustimmend nickten. "Also... Also schön. Wir... Wir halten uns von jetzt an gänzlich an deine Anweisungen, Cuna. Aber mich würde schon noch interessieren, wie wir weiter vorgehen sollen", meinte Bofur und setzte sich seine Mütze wieder auf. "Nur die Ruhe. Ich habe einen Plan. Aber zunächst setzt du mich mal bitte ab, Fili", sagte ich, doch bei meiner Aufforderung streikte der junge Zwerg schlichtweg. "Kommt gar nicht in Frage. Du läufst keinen einzigen Schritt mehr, bis wir beim Heiler angekommen sind", fuhr er mich bockig wie eh und je an. Erneut entkam meiner Kehle ein Seufzen. Meine Güte, bewahre mich einer vor der Sturheit der Zwerge, schossen mir plötzlich Gandalfs Worte durch den Kopf. Und wie Recht der alte Zauberer da hatte. Nicht nur, dass sie schlimmer zu hüten waren wie ein Sack Flöhe. Nein, sie mussten bei allen Kompromissen, die sie eingingen, trotzdem noch bei gewissen Punkten ihre Dickschädel durchsetzen. Und insgeheim spürte ich dabei sogar leichte parallelen zu meiner eigenen Persönlichkeit. Nur dass ich mit den Jahren gelernt hatte einige Dinge so in Kauf zu nehmen wie sie waren. Aber gut, dagegen konnte ich nun auch nichts mehr machen. Ich wollte nicht weiter streiten und dadurch Zeit verlieren. Wir waren ohnehin schon spät dran. Also ließ ich mich mit einem weiteren Seufzen darauf ein, dass mich der blonde Zwerg solange tragen durfte, bis wir beim Arzt angekommen waren. Bis dahin konnte es noch ein paar Minuten dauern. Vor allem, da ich die drei Herren nun wieder mit einigen Lektionen belehren musste, als ich ihnen den richtigen Weg wies. Zumindest ließen sie sich nun von nichts mehr ablenken, was mich sehr erleichterte. Es dauerte jedoch nur so lange an, bis wir eine überschaubare Kreuzung erreichten, welche wir passieren mussten. "Wohin jetzt? Welchen Weg müssen wir nehmen?", fragte mich Kili, der inzwischen links neben seinem Bruder her trottete. Bofur hatte uns rechts flankiert. "Wir müssen nach links, über die Straße. Dann sind es noch ein paar Meter bis mir da sind", erklärte ich ihnen ruhig. "Gut, dann gehen wir", meinte Fili entschlossen, wandte sich auf dem Absatz um und wollte schon die Fahrbahn betreten, als ich ihn gerade noch rechtzeitig davon abhielt. "Stopp! Keinen Schritt weiter", rief ich aus und der blonde Zwerg blieb wie angewurzelt stehen. Gerade noch rechtzeitig, als ein Sportwagen donnernd an uns vorbei brauste. "Was denn nun schon wieder, Cuna? Hast du nicht eben gesagt, dass wir über die Straße müssen, um zu deinem Heiler zu kommen?", hakte Fili mit einem Schulterblick ungeduldig nach. "Doch, das habe ich gesagt. Aber ihr könnt nicht einfach so da rüber spazieren. Ihr müsst warten, bis wir Grün haben", erklärte ich sachlich, woraufhin ich reihum verwirrte und fragende Blicke erntete. "Grün? Wer oder was ist Grün? Woher bekommen wir sowas? Und wozu brauchen wir das eigentlich?", fragte Bofur und zupfte sich nachdenklich am Bart herum. Ich konnte auf seine Fragen hin nur kurz amüsiert kichern und den Kopf schütteln. Ganz egal, was ich ihnen auch sagte, ihre Reaktionen darauf waren jedes Mal wieder zu goldig. Doch wollte ich die Zwerge nicht zu lange im Dunkeln tappen lassen und erklärte ihnen stattdessen einmal die Funktionen einer Verkehrsampel. "Also, passt auf. Ihr seht doch diese langen Masten aus Metall mit den schwarzen Kästen oben dran", sagte ich und bemerkte wie die Männer langsam nickten, ehe ich fort fuhr, "Das sind sogenannte Verkehrsampeln. Die zeigen sowohl den Autos, als auch den Fußgängern an, wann sie sich bewegen dürfen oder stehenbleiben müssen. Das machen die mit Lichtern, die in den schwarzen Kästen sind. Autos haben drei davon. Rot, Gelb und Grün. Die sind für uns jetzt aber nicht ganz so wichtig. Wir müssen auf die kleinen Kästen mit den zwei Lichtern achten. Oder vielmehr auf die zwei Männchen darin. Könnt ihr sie sehen?", hakte ich ruhig nach und deutete auf die andere Straßenseite. Die Zwerge spähten der Reihe nach meinem ausgestreckten Arm hinterher und nickten dann, als sie das kleine rote Ampelmännchen erblickten. "Ja. Ich sehe es. Aber da ist nur ein Rotes. Wo ist das Zweite, von dem du gesprochen hast?", fragte Fili mit einem erneuten Schulterblick. "Alles zu seiner Zeit. Ich sag euch noch kurz was das Rote bedeutet. Ist wichtig, wenn ihr mal allein in der Stadt unterwegs seid. Solltet ihr nämlich so etwas an einer Kreuzung leuchten sehen, wenn ihr eine Fahrbahn überqueren wollt, dann müsst ihr stehen bleiben, weil ihr sonst von den Autos überfahren werden könnt. Erst wenn das Männchen weg ist und unter diesem ein Grünes erscheint dürft ihr weitergehen. Vorher nicht. Guckt aber sicherheitshalber, ob die Autos tatsächlich alle stehen geblieben sind und euch passieren lassen. Je aufmerksamer ihr seid, umso sicherer kommt ihr auch an euer Ziel. Habt ihr das verstanden oder möchtet ihr, dass ich das noch mal wiederhole?", fragte ich am Ende, doch die Zwerge schüttelten nur ruhig ihre Bärte. "Nein, musst du nicht. Ich denke, das haben wir verstanden. Aber kannst du uns vielleicht sagen, wann dieses grüne Männchen erscheint?", entgegnete Kili und grinste mich neugierig an. Ich erwiderte sein Grinsen und nickte ihm dann gelassen zu, bevor ich ihm darauf antwortete: "Ganz einfach. Wir müssen es so gesehen erst rufen." Nach meiner Erklärung machte Kili vor Erstaunen große Augen. Doch hätte ich bei meiner letzten Erläuterung doch ein klein wenig Präziser sein müssen. Denn schon begann der dunkelhaarige Bursche lauthals und ungehalten mitten über die Straße zu brüllen: "HALLO! GRÜNES MÄNNCHEN! KOMM RAUS! WIR WOLLEN DEINE STRASSE PASSIEREN!" Die umstehenden Fußgänger auf unserer Seite, wichen bei seinem Aufschrei kurz empört zurück. Einige lachten sogar über Kili, was dieser überhaupt nicht verstand. Selbst ich hatte Schwierigkeiten nicht plötzlich drauf los zu prusten. Wobei mir sein Verhalten auf der anderen Seite auch wieder unheimlich peinlich war. Die Menschen mussten langsam wirklich denken, dass ich mit einer Gruppe geistig Behinderter unterwegs war, was ich ihnen nicht verübeln konnte. Inzwischen kam ich mir zwar nicht mehr so vor wie eine erfolglose Kindergärtnerin, dafür eher wie eine Grundschullehrerin, die gerade ihre Erstklässler in Verkehrssicherheit unterrichtete. Kurz um, ich war mittlerweile der absolute Inbegriff von "Fremd-Schämen-TV". Ich konnte nur im Stillen hoffen, dass diese Situation nicht mit einem Handy gefilmt und dann auf einer der angesagten Video-Plattformen im Internet hochgeladen wurde. Wobei mir unterbewusst dafür bereits ein treffender Titel eingefallen wäre. "Zwerg terrorisiert Fußgängerampel". Das hätte bestimmt eine Menge "Clicks" und "Likes" ergattern können. Das Dumme an der Sache wäre nur, dass ich wahrscheinlich auch mit auf einem dieser Videos zu sehen gewesen wäre. Und diesen Gedanken konnte ich unter keinen Umständen ertragen. So löste ich auch kurze Zeit später meine linke Hand von Filis Schulter und ergriff den Arm seinen Bruders, den er zu allem Überfluss erhoben hatte, um dem roten Ampelmännchen auch noch zuzuwinken. "Kili! Kili, verdammt! Hör auf mit dem Blödsinn! So macht man das nicht!", fauchte ich ihm genervt entgegen, woraufhin er mir wieder seine ganze Aufmerksamkeit schenkte. "Wie?... Was?... Wie soll ich denn dann das grüne Männchen rufen?", fragte er und legte verwirrt den Kopf schief. Ich schnaufte erleichter, als er inne hielt und nickte dann zum Ampelmast neben dem wir standen hin. "Du musst den gelben Kasten hier benutzen. Da ist ein Knopf dran. Den musst du drücken. Dann dauert es noch eine Weile bis das Männchen erscheint. Aber sobald es da ist, können wir rüber. Verstanden?", erklärte ich rasch, bevor er auf noch weitere dumme Ideen kam. Kilis Miene erhellte sich nach einem Augenblick in dem er kurz erfasste, was ich ihm gerade erläuterte. Dann wandte er sich neugierig und beinahe ehrfürchtig der Schaltanlage zu, welche er eingehend in Augenschein nahm. "Also, einfach auf den Knopf da drücken. Habe ich dich richtig verstanden, Schwesterchen?", hakte er kurz drauf nach, als er bereits seinen Zeigefinger danach ausstreckte. Ich nickte nur knapp und bestätigend über meine Schulter hinweg. Nachdem er dies gesehen hatte, grinste er breit und drückte den Knopf in den Kasten hinein. Anschließend gesellte er sich wieder neben seinen Bruder und wartete mit uns gemeinsam auf den bevorstehenden Lichtwechsel. Das dauerte natürlich einige Sekunden. Doch als dieser eintrat, machte der junge Zwerg wortwörtliche Luftsprünge vor Freude über seinen Triumpf, einer Ampel einen Befehl erteilt zu haben. Den ganzen restlichen Weg bis zur Praxistür meines Hausarztes sprach er über nichts anderes. Irgendwann nannte er sich selbst sogar, den Herrn der Lichtermänner. Bofur nahm sogar respektvoll seine Mütze ab und verneigte sich vor Kili. Fili lachte indessen nur kurz über das Gebaren seines Bruders. Ich konnte nur mit einem belustigten Schmunzeln den Kopf schütteln. Wie leicht Zwerge doch von irgendwelchen Sachen begeistert sein konnten, die sie nicht aus ihrer Welt kannten, war für mich immer noch ein Rätsel. Aber vielleicht würde sich diese Freude irgendwann legen, sobald derartige Dinge auch für sie zum Alltag wurden. Wobei ich insgeheim den Tag bereits ein wenig verfluchte, an dem es wohl soweit war. Doch bis dahin konnte ich mich ja immer noch über solche Gefühlsausbrüche freuen. Worüber ich mich allerdings weniger freute, war der nun bevorstehende Besuch bei meinem Arzt. Denn eines war mir definitiv bewusst, als wir endlich vor der Praxistür anhielten und Fili mich von seinem Rücken steigen ließ. Nicht nur ich würde an diesem Tag wegen den Zwergen einige Kopfschmerzen in Kauf nehmen müssen. -98. Chaos-Quartett im Kleinstadt-Dschungel / ENDE - Kapitel 99: 99. Hallo Onkel Dok ------------------------------- Was für ein Morgen. Und dabei hatte ich noch gedacht es könnte nach dem vergangenen Tag nicht schlimmer werden. Gut, eigentlich war es bei weitem nicht so schlimm, aber in dem Moment als mich Fili endlich vor der Praxis meines Hausarztes absetzte, war ich bereits fix und fertig mit den Nerven. Bestimmt ging es auch den meisten Passanten auf der Hauptstraße so, nachdem mein kleines Zwergenrudel, wie eine Horde wildgewordener Nashörner durch die Reihen geprescht war und den halben Straßenzug dabei zerlegt hatte. Bei all dem Chaos, was sie auf dem Weg hinterlassen hatten, bekam ich doch leichte Bauchschmerzen, als ich meine Hand auf den Griff der mit Milchglas versehenen Tür legte. Ich hoffte nur inständig, dass an diesem Tag nicht allzu viel los war und wir uns rasch aus dem Staub machen konnten, bevor es den kleinen, bärtigen Männern langweilig wurde. Zwerge waren nun mal nicht die Geduldigsten und bei dem was sie schon in den wenigen Minuten angestellt hatten, die wir unterwegs gewesen waren, wollte ich nicht, dass sie womöglich auch noch die Praxis in Schutt und Asche legten. Und da behaupteten die meisten Leute, dass nur Drachen zu so etwas in der Lage waren. Aber die mussten sich ja nie mit waschechten Zwergen herumschlagen. Zumindest nicht die aus meiner Welt. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was die Herren in Mittelerde so alles anstellen mochten, wenn man ihnen dort freie Hand ließ. Wobei ich die kleinen Kerle auf der anderen Seite absolut nicht mehr missen wollte. Sie waren schließlich inzwischen ein großer Bestandteil meines Lebens. Egal wie sehr sie es auch durcheinander wirbelten. Auf eine gewisse Art und Weise schafften sie es immer wieder mich zum Lachen zu bringen. Ob es nun wegen ihrer Unwissenheit oder dem Talent selbst in den schlechtesten Dingen das Positive zu sehen war. Allerdings überwog ihre Unwissenheit bezüglich der Gegebenheiten meiner Welt schon sehr, was ich mal wieder sehr deutlich zu spüren bekam. Denn die erste Hürde auf meinem Weg zu einer zügigen Behandlung stellte sich bereits für mich und die kleinen, bärtigen Männer als ungemein große Herausforderung dar. So kam ich nicht einmal dazu die Tür zu öffnen, da Bofur plötzlich meinen Arm packte mit den Worten: "Cuna. Warte. Geh nicht da rein." Verwirrt hob ich beide Augenbrauen in die Stirn und musterte den Zwerg mit der Mütze fragend, nachdem ich mich zu ihm umgedreht hatte. "Was ist denn nun schon wieder los? Sag jetzt nicht, dass ihr mich auch noch reintragen wollt", entgegnete ich leicht gereizt mit dem erschreckend realen Gedanken im Hinterkopf, dass die Herren es vielleicht tatsächlich vor hatten. Vermutlich würde es einen sehr makaberen Anblick abliefern, wenn die Herren mich auf den Armen zur Rezeption trugen und vielleicht sogar lauthals Hilfe für mich forderten. Doch wie schon so oft täusche mich meine Wahrnehmung im Hinblick auf die kleinen Männer. Diese hatten ein ganz anderes Problem. Allerdings rückten sie wie gewohnt nicht direkt mit der Sprache raus. So musterte ich den Mützenzwerg einen Augenblick, bis dieser nur heftig den Bart schüttelte und mit besorgter Miene auf die Milchglasscheibe starrte, ohne sein Handeln weiter zu kommentieren. Ich folgte seinem Blick ein wenig skeptisch und nahm ebenfalls die Tür in Augenschein. Wie üblich war darauf nur der Name der Praxis, der meines Hausarztes und die gebräuchlichen Öffnungszeiten in schlichten, schwarzen Lettern zu lesen. Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Zumindest für mich. Doch die Zwerge sahen das natürlich weitaus anders. Als ich mich von der Tür wieder abwandte und gerade den Mund öffnen wollte, um sie zu fragen, was denn los sei, kam mir Fili mit düsterer, ernster Miene zuvor. "Ich glaube kaum, dass du hier einen Heiler finden wirst", meinte er und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ähm... Doch, Fili. Hier arbeitet mein Arzt", erwiderte ich schulterzuckend mit gerunzelter Stirn, woraufhin sie alle drei sehr ungläubig die Köpfe schüttelten, was mich noch mehr verwirrte. Zumindest solange, bis Kili mir endlich eine der wohl interessantes Erklärungen für ihr wachsames Verhalten lieferte, die ich bis dahin je von ihnen gehört hatte. "Ich glaube, du hast doch mehr abbekommen, als wir dachten. Du bist wohl nicht ganz bei Verstand, wenn du einen Fleischer mit einem Heiler verwechselst", meinte er schlicht und die anderen Beiden pflichteten ihm mit einem kurzen Nicken bei. Als seine Worte in meinem Gehörgang ankamen, sich kurz in meinem Geist drehten und wieder zusammensetzten, ging mir schließlich nach einigen Sekunden ein Licht auf. Um nicht zu sagen ein ganzer Kronleuchter. Natürlich. Wie hatte mir das entgehen können? Nun wusste ich, was die Zwerge so beunruhigte. Und diese Tatsache brachte mich fast dazu laut loszubrüllen vor Lachen. Es war der Name meines Hausarztes, der sie offenbar abschreckte und an meinem Verstand zweifeln ließ. Gut, zugegebener weise war auch ich damals ein wenig skeptisch gewesen, als ich das erste Mal dessen Namen gelesen hatte. Auf der anderen Seite war es wiederum recht amüsant einen Hausarzt zu besitzen, der Doktor Fleischer hieß. Allerdings besaß er noch den harmlosesten Namen unter den Ärzten, die ich regelmäßig besuchte. So trug mein Zahnarzt den recht kuriosen, aber beruflich passenden Namen Doktor Bohrer. Wer aber auf der Liste, der verrücktesten Nachnamen wirklich den Vogel abschoss, war meine werte Frauenärztin, Frau Doktor Gail. Im Allgemeinen sorgte es bei den meisten Menschen meiner Welt jedes Mal für sehr großes Gelächter, sobald ich auf meine behandelnden Ärzte zu sprechen kam. Für mich waren diese Namen inzwischen selbstverständlich und alltäglich geworden. Allerdings nicht für die drei Zwerge, welche versuchten mich von der Tür wegzuziehen, um wohl einen anderen Arzt aufzusuchen. Da hatte ich jedoch noch ein Wörtchen mitzureden, als sie mich wortlos der Reihe nach packten und am Weitergehen hinderten. Nachdem sie mich schon unaufgefordert bis dorthin getragen hatten, wollte ich mich nicht erneut ihrem Willen beugen. Einmal reichte mir vollkommen. Außerdem hatte ich nicht den ganzen Tag über Zeit mir einen anderen Arzt zu suchen, der den Ansprüchen dieser ach so feinen Herren gerecht wurde. Das konnte nämlich noch länger dauern und darauf hatte ich nach ihrer letzten Aktion überhaupt keine Lust mehr. Zumal es auch noch mit großen Schritten auf Mittag zuging und viele Praxen erst wieder gegen zwei Uhr ihre Pforten öffneten. Nein, es musste einfach sein. Ob sie nun wollten oder nicht. Ich musste sie davon überzeugen, dass sie sich keine Sorgen darum machen mussten, was mir womöglich an diesem Ort passieren würde. "Hey! Hört auf an mir rum zu zerren. Was soll denn der Blödsinn schon wieder?", maulte ich sie dementsprechend ungeduldig an und wehrte mich nach Leibeskräften gegen ihre eisernen Klammergriffe, sodass mir schon die Arme weh taten. "Cuna. Du bist nicht ganz bei Sinnen. Das ist kein Heiler. Da steht ganz deutlich Fleischer an der Tür. Du kannst doch nicht ernstlich glauben, dass wir dich zu einem Mann gehen lassen, der von Heilkunst keinen Deut versteht. Wer weiß, was er mit dir anstellen würde, wenn wir das zuließen", meinte Fili beunruhigt, während er mich an der Schulter festhielt. Diese entzog ich ihm allerdings schnell wieder und riss mich auch mit einem genervten Stöhnen von Bofur und Kili los. Anscheinend war es wieder einmal Zeit bei den Zwergen Aufklärungsarbeit zu leisten. Und das am besten so kurz und bündig wie nur möglich. Als ich von ihren kräftigen Händen befreit war, straffte ich langsam meine Schultern und erklärte es ihnen auf die eine für sie hoffentlich nachvollziehbare Art und Weise. "Jungs. Ich kann verstehen wenn euch der Name ein bisschen verwirrt. Aber glaubt mir, der Mann zu dem ich gehen möchte ist kein echter Fleischer. Er heißt nur so, weil seine Familie in der Vergangenheit wohl einmal dieser Tätigkeit nachgegangen ist. In meiner Welt ist es Tradition, dass die nachfolgende Generation den Titel des Vaters annimmt und weitergibt. Ist in etwa so, wie bei eurem Onkel, Fili. Wenn ich Thorin irgendwann heiraten sollte, dann kann ich den Namen Eichenschild annehmen. Und ebenso seine Nachfahren. Auch wenn sie und ich mit seiner großen Tat nie etwas zu tun hatten. Seht mal, ihr braucht wirklich keine Angst zu haben, dass mir da drin irgendetwas Schlimmes zustößt. Ich gehe seit Jahren zu diesem Arzt und er ist der Beste den ich mir vorstellen kann. Vertraut mir doch einfach, dass alles gut wird", entgegnete ich und hob beschwichtigend die Hände, ehe sie erneut versuchen konnten mich zu ergreifen. Von meinen Worten überrascht warfen sich die bärtigen Herren besorgte, flüchtige Blicke zu. Ich konnte ganz deutlich sehen, wie sehr ihnen das Unverständnis aus den Gesichtern sprang. Trotz meiner eigentlich noch einfachen, verständlichen Erklärung, war ihnen die Praxis nicht ganz geheuer. Dies äußerte sich unter anderem darin, dass sie wenig später einen kleinen Kreis bildeten, in dem sie sich beratschlagten, ob sie meiner Eingebung nun vertrauen konnten oder nicht. Ich verschränkte indessen augenrollend die Arme vor meiner Brust und wartete, bis die Herren nach einigen Minuten endlich zu einem für mich vernünftigen Ergebnis kamen. "Nun... nun gut. Es fällt uns zwar schwer das zu glauben. Aber wenn du sagst, dass dieser Mann ein guter Heiler ist, dann wollen wir dir vertrauen. Nur eine Kleinigkeit wäre da noch", meinte Kili und musterte mich ernst, ehe sie den Kreis auflösten. "Was denn noch?", brummte ich gereizt und trippelte schon ungeduldig mit der Fußspitze auf den Pflastersteines des Bürgersteigs herum. "Wir möchten gern dabei sein, wenn er deine Wunde versorgt. Nur damit wir auch ganz sicher gehen können, dass der Mann nichts Unsittliches mit dir anstellt", kam es mit entschlossener Miene von Fili, woraufhin ich nur entrüstet den Mund verzog und ihm entgegen schnaubte. "Sagt mal, was denkt ihr denn, was der mit mir da drin anstellt? Glaubt ihr, dass er mir die Klamotten vom Leib reißt, sobald die Tür vom Behandlungszimmer geschlossen ist und dass ich mich mit ihm amüsiere? Haltet ihr mich wirklich für sein so leichtes Mädchen?", fragte ich mit empörtem Unterton, was ihnen nur ein synchrones Schulterzucken abgewann. "Wir... Also... Nein. Natürlich nicht, Cuna. Das wollten wir so nicht sagen. Wir sind nur eben besorgt, weil wir diesen Heiler nicht kennen. Und Thorin würde uns die Köpfe von den Hälsen trennen, wenn er wüsste, dass wir dich blindlinks einer derartigen Gefahr aussetzen würden", stammelte Bofur, welcher betreten den Mund verzog. Nun musste ich mir endgültig mit einer Hand vors Gesicht klatschen. Herr im Himmel, womit hatte ich das nur wieder verdient? Dass die Drei keine anderen Sorgen hatten, außer meinem Zukünftigen, der ihnen wegen einem Arztbesuch ans Leben wollte. Aber zumindest waren sie endlich bereit mich zu begleiten, auch wenn sie das Ganze wieder an sehr lästige Bedingungen knüpften. Doch da ich nicht weiter mit ihnen streiten wollte und wir schon genug Zeit verplempert hatten, willigte ich mit einem kurzen Nicken ein. So konnte ich mich nach einem bestätigenden Nicken ihrerseits endlich wieder zur Tür umdrehen und die Praxis betreten. Nachdem diese ins Schloss gefallen war, stöhnen die drei bärtigen Männer aber auch schon ziemlich leidig hinter mir. Der Grund dafür war kaum von der Hand zu weisen. Der komplette Eingangsbereich war wie üblich hellerleuchtet und die strahlend weißen Wände blendeten so sehr, dass einem die Augen schmerzten. Noch dazu wehte uns der typische Geruch von Desinfektionsmittel, Salben und anderen undeffinierbaren Sachen in die Nasen. Von einem penetranten Parfum-Duft einer älteren Dame, die am Tresen genau vor uns stand abgesehen. Wobei mir das Ganze weniger ausmachte, als meinen drei Begleitern. Wo ich sie kurz über meine Schulter hinweg musterte, hielten sie sich ihre Arme vor die Augen und wedelten sich mit einer Hand vor den Gesichtern herum. Ein bisschen taten sie mir ja schon leid, wie sie hustend und auf Khuzdul fluchend in der Diele herum standen. Aber auf der anderen Seite empfand ich nach dem ganzen Stress, den sie mir auf dem Hinweg gemacht hatten, unterbewusst doch ein klein wenig Genugtuung und vielleicht sogar etwas Schadenfreude bezüglich ihre Situation. Manche Dinge rächten sich eben immer. Zu ihrem eigenen Glück handelte es sich hierbei aber lediglich um eine recht unangenehme Umgebung und nicht etwa um einen LKW, der sie auf der Hauptstraße plattgefahren hätte. Das wäre weitaus gravierender gewesen. Nicht nur für sie, sondern auch für meine Wenigkeit. Von daher ließ ich die drei Zwerge zunächst einmal in ihrem geringeren Leid stehen und wandte mich stattdessen dem Tresen zu, hinter dem bereits die rundliche, blonde Sprechstundenhilfe, die älteren Dame freundlich ins Wartezimmer auf der linken Seite wies und mich danach erwartungsvoll ansah. "Ah. Da sind Sie ja. Was kann ich denn für Sie tun?", fragte sie höflich, nachdem ich zu ihr getreten war. "Ich müsste mal kurz zum Dok. Ich denke, ich brauche nicht zu erwähnen, worum es geht", meinte ich mit einem verlegenen, unsicheren Schmunzeln auf den Lippen. Die Frau betrachtete mich kurz mit großen Augen und nickte dann mit einem tiefen Seufzen. "Ja. Ich sehe schon. Was genau ist denn passiert?", hakte sie nach und tippte bereits einige Notizen auf ihrem PC. "Unfall beim Umzug. Hab mir bei einem Sturz die rechte Gesichtshälfte an einem Nagel aufgeschlitzt", log ich knapp mit sehr resignierter Stimme. Die Frau nickte, wandte ihren Blick kurz auf ihren Bildschirm und tippte fleißig weiter, bevor sie erneut zu mir aufsah. "Jeden zweiten Tag was Neues, nicht wahr?", sagte sie und lächelte dabei ungemein süßlich, was mir ein kurzes unsicheres Kichern entlockte, ehe ich ihr zustimmend zunickte. Ja, ich war einschlägig in dieser Praxis bekannt und derartige "Unfälle" waren schon lange keine Seltenheit mehr bei mir. Wobei es mich bisher nie so oft so schlimm hintereinander getroffen hatte. Sonst waren es eher kleinere Blessuren, wie ein verstauchter Knöchel. Aber man konnte es sich ja nicht aussuchen, wie einen das Schicksal traf. Und meines hatte eben beschlossen mich richtig fertig zu machen. Zumindest etwas Positives hatte das ganze Chaos doch hervorgebracht. Auch wenn selbst das immer noch einige Probleme machte. Dabei dachte ich natürlich an die Zwerge oder vielmehr einen bestimmten Zwerg, der durch seine Abwesenheit glänzte. Nicht auszudenken, wie Thorin sich in dieser Umgebung gefühlt hätte. Bestimmt hätte er genauso reagiert wie seine beiden Neffen und Bofur, welche sich weiterhin in der Diele herumdrückten und partout keinen Schritt weiter gehen wollten. Auch nicht, als mich die Sprechstundenhilfe bat ins Wartezimmer zu gehen, bis ich aufgerufen wurde. "Nun kommt schon, Jungs. So schlimm ist es doch auch wieder nicht", meinte ich irgendwann ruhig und ging auf sie zu. "Oh Mahal, du weißt ja nicht, wovon du da sprichst, Schwesterchen", stöhnte Kili und blinzelte mich unter seinem Arm hindurch leidend an. Ich schnaubte nur belustigt und grinste die drei daraufhin frech an. "Oh doch. Ich weiß genau, dass euch nicht wohl ist. Aber ihr gewöhnt euch schon dran. Nun stellt euch nicht an wie kleine Mädchen und folgt mir ins Wartezimmer. Da ist es nicht ganz so hell wie hier. Versprochen", sagte ich und deutete dann auf den Raum links von ihnen. Mit einigem Widerstreben und vielem Bitten meinerseits setzten sich die Herren dann doch irgendwann in Bewegung und schritten mit mir zusammen durch die gläserne Tür. Der Raum war nicht besonders groß, aber immerhin nicht ganz so voll mit Patienten, wie ich erwartet hatte. An der linken Wand befand sich eine lange Sitzbank, die mit blauem Stoff überzogen war. Daneben waren direkt einige großes Fenster, die ebenso wie die Eingangstür mit Milchglas versehen waren, damit man nicht von den vorbeilaufenden Passanten draußen beobachtet werden konnte. Eines davon war grundlegend gekippt, da es sonst keinerlei Luftzirkulation gab, sobald die Tür ins Schloss fiel. Davor zog sich eine ganze Reihe von schwarzen Stühlen entlang, welche sich über die rechte Wand fortsetzte und schließlich an der Garderobe neben der Glastür endete. In der Mitte des Raumes stand ein recht alter, hölzerner und flacher Tisch, auf dem sich wie gewöhnlich die teilweise schon abgegriffenen Zeitschriften befanden. Und irgendwo im Hintergrund dudelte leise Musik aus einem Deckenlautsprecher. Eben ein ganz normales Wartezimmer, wie man es überall antraf. Ich begrüßte die wenigen Leute mit einem knappen "Guten Morgen" und wandte mich dann den Zwergen zu, die hinter meinem Rücken nach und nach zügig hereingeschlichen kamen. Im Warteraum angekommen atmeten sie erleichtert auf, als sie bemerkten, dass es dort nicht mehr ganz so hell war wie im Eingangsbereich und nahmen ihre Arme wieder runter. "Puh... Bei Durins Bart. Dieser Ort ist fürchterlich. Warum muss das hier so hell sein, Cuna?", fragte Bofur schnaubend, nachdem er die Tür hinter sich schloss. "Damit es freundlicher und sauberer aussieht. Deshalb. So und jetzt setzt euch und seid leise. Wir müssen warten bis ich dran bin", erklärte ich ihnen mit ruhiger, gedämpfter Stimme und nahm auf der dunkelblauen Sitzbank Platz. Die Zwerge taten es mir wenig später gleich und flankierten sich so gut sie konnten um mich herum. Links saßen Kili und Bofur. Fili nahm zu meiner Rechten Platz. Dabei bemerkte ich gelegentlich, wie der ein oder andere Mitpatient hinter seiner Zeitschrift oder dem Handy hervor lugte, um mich und meine ungewöhnliche Begleitung flüchtig zu mustern. Gut, wir gaben bestimmt ein sehr makaberes Bild ab. Ich mit meinem dicken Kopfverband und die Zwerge mit ihrem befremdlichen Erscheinungsbild. Ganz konnte selbst meine Kleidung ihre zwergische Herkunft nicht verbergen. Aber immerhin war es besser als nichts. Trotzdem konnten sich einige ein Kopfschütteln und unbehagliches Räuspern nicht verkneifen, wenn sich plötzlich ihre Blicke mit denen der kleinen, bärtigen Männer kreuzten. Für mich war die ganze Sache auch nicht gerade angenehm. Das Warten konnte einem weitaus länger vorkommen, wenn man sehr angespannt und ohne richtige Beschäftigung war. Auch die Zwerge wurden nach einigen Minuten in diesem doch recht stillen Ambiente immer nervöser und unruhiger, was ich daran merkte, dass sie permanent wachsam und neugierig umher blickten. Als zum ersten Mal eine Ansage durch den Deckenlautsprecher kam und der nächste Patient durchgerufen wurde, fuhren sie fast gleichzeitig erschrocken von ihren Plätzen hoch und sahen sich irritiert nach allen Seiten um. "Was in Durins Namen war das? Wer spricht da? Zeigt euch!", rief Fili beinah panisch aus, was bei den Anwesenden für leises, verhaltenes Gekicher sorgte. "Pscht. Ganz ruhig, Jungs. Das war nur die Sprechstundenhilfe. Sie sagt uns, wann wir zum Arzt können. Setzt euch wieder", murmelte ich ihnen beschwichtigend mit hoch rotem Kopf zu und deutete hastig auf die Bank. "Die Frau mit der du vorhin gesprochen hast, kann ihre Stimme aus dem Nichts erscheinen lassen, um Leute zu rufen?", fragte Bofur verwundert und kratzte sich kurz an der Schläfe. Ich seufzte nur, nickte ihm dann aber zu. Ich hatte beileibe keine Lust ihm diese Technik genauer zu erläutern. Dafür fehlten mir inzwischen einfach die Nerven. Stattdessen bat ich die Herren erneut und sehr energisch darum, sich wieder zu mir zu gesellen, damit Ruhe im Raum einkehrte. Etwas zögerlich und auch argwöhnisch kamen sie meiner Aufforderung schließlich nach. Doch die ganze Sache widerholte sich noch mindestens dreimal, bis sie sich irgendwann daran gewöhnt hatten. Es war schon ziemlich nervenaufreibend, die Zwerge bei einem so simplen Arztbesuch ruhig zu halten. Denn ich wusste, dass ihre Geduld recht schnell am Ende sein würde. Viele Minuten krochen dahin, in denen sich der Raum immer wieder leerte und füllte. Bis ich an der Reihe war, konnte es zwar nicht mehr allzu lange dauern, aber für die kleinen Männer war es eine einzige Tortur. Bald war schon über eine halbe Stunden vergangen in der sich mehr und mehr der Unmut unter der Herren breit machte. Ich saß indessen einfach nur da und starrte mehr oder weniger ins Leere ohne einen bestimmten Gedanken zu erfassen. Tunnelblick war das Beste was ich machen konnte, um die nerv tötenden und inzwischen recht gereizten Blicke der anderen Menschen zu ignorieren. Dadurch entging mir allerdings, dass meine Begleiter irgendwann endgültig die gähnende Langeweile erfasst hatte. "Hier herrscht eine Stimmung, wie nach einer verlorenen Schlacht", murmelte Bofur plötzlich vor sich hin, was mich einen Augenblick zusammen zucken und aufsehen ließ. "Ja, ich weiß. Das ist aber normal. Arztbesuche sind nicht so schön, wie ein Ausflug ins Grüne", entgegnete ich leise und gähnte kurz. "Mich verwundert es nicht, dass die Menschen in deiner Welt so krank sind, wenn sie die ganze Zeit derart griesgrämig und freudlos beieinander sitzen, ohne sich zumindest einmal zu unterhalten", stellte Kili recht ernüchternd fest. "Wohl wahr Bruder. Vielleicht sollten wir sie ein wenig aufmuntern?", schlug Fili gut gelaunt vor, was die anderen Beiden dazu bewog zustimmend zu brummen. Doch bevor sie wieder aufspringen und ihren Plan in die Tat umsetzen konnten, ergriff ich die beiden Brüder hastig und fest an den Unterarmen. Bofur, der bereits auf den Beinen war, konnte ich nur einen mahnenden Blick zuwerfen. Aber das allein genügte schon, damit er inne hielt. Ich musste sie anscheinend noch einmal daran erinnern, wo sie sich im Augenblick befanden und dass sie sich gefälligst anständig benehmen sollten. "Den Teufel werdet ihr tun. Das hier ist keine Taverne, sondern ist eine Praxis. Ihr könnt nicht so einfach alles machen wozu ihr gerade Lust und Laune habt. Das macht man nicht. Ihr bleibt schön hier sitzen und verhaltet euch gefälligst ruhig. Wenn euch langweilig ist, dürft ihr von mir aus eine von den Zeitschriften vom Tisch holen. Aber hier gibts keine Zwergenparty. Ich hab keine Lust rausgeschmissen zu werden, weil ihr eure Dollen fünf Minuten habt, verstanden?", zischte ich ihnen entgegen, woraufhin sie fast gleichzeitig die Augenbrauen hoben. "Wir sollen uns diese eigentümlichen Bücher holen? Stehen darin denn auch spannende Geschichten?", hakte Fili leicht argwöhnisch nach und warf einen flüchtigen Blick zum Zeitschriftenstapel. "Naja, es kommt darauf an für was man sich so interessiert. Ihr könnt euch auch nur die Bilder darin ansehen. Mach ich jedenfalls manchmal", erklärte ich ihm schulterzuckend. "Also, ich weiß nicht was ich davon halten soll", warf Bofur nachdenklich ein. "Was meinst du?", hakte ich ruhig nach, als er sich zu dem kleinen Tisch in der Mitte bewegte und ein reichlich zerfleddertes Modemagazin hochnahm, wo er anschließend drin blätterte. "Die Menschen hier drin sehen reichlich eigenartig aus. So erschreckend dünn. Und die Kleidung, die sie tragen, ist wahrlich geschmacklos", brummte er leise vor sich hin. "Wirklich? Zeig mal her", kam es neugierig von Kili, der Bofur zu uns herüber winkte. Dieser reichte das Heft an den dunkelhaarigen Burschen weiter, welcher sich eingehend mit der Seite beschäftigte, die der Mützenzwerg zuletzt aufgeschlagen und überflogen hatte. Nach einigen Sekunden verengte er angewidert die Augen und schüttelte heftig den Kopf. "Schon wieder solche Bilwissinzuchten", stöhnte er leidig, während er das Heft zu mir herüber schob. Als ich es unter der Nase hatte, konnte ich mir ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen. Es handelte sich dabei nämlich um die Sparte Brautmode der diesjährigen und letzten Saison. Ja, da hatten Bofur und Kili wirklich recht. Die Kleider und Frauen waren extrem geschmacklos. Entweder waren die Klamotten sehr freizügig und viel zu eng geschnitten oder über und über mit Rüschen und Schleifchen besetzt, sodass die Trägerinnen selbst aussahen wie lebendig gewordene Hochzeitstorten. Das war mit einer der Gründe, weshalb ich seinerzeit nicht im üblichen obligatorischen Weiß geheiratet, sondern mir eines der günstigeren Mittelalter-Gewandungen zugelegt hatte. Wobei mir plötzlich kurz die Frage in den Sinn kam, wie Zwerge wohl heiraten mochten. Schließlich würde ich den schönsten Tag meines Lebens ein weiteres Mal begehen, sobald Thorin zurück war und ein paar Wörtchen mit meinen Eltern gesprochen hatte. Doch bevor es überhaupt soweit war, würde noch sehr viel Zeit vergehen. Und bis dahin wollte ich mir noch keine Gedanken darum machen. Das konnte noch warten. Eine andere Sache konnte jedoch nicht warten. Und das war die Sprechstundenhilfe, welche nun endlich auch meinen Namen in den Lautsprecher hinein posaunte. "Ah, wunderbar. Wir können zum Arzt", meinte ich erleichtert, nahm Kili das Magazin ab, klappte es zu und erhob mich langsam. "Das wurde auch Zeit. Dein Heiler scheint ein vielbeschäftigter Mann zu sein, wenn er dich mit dieser Wunde so lang warten lässt", brummte Fili und erhob sich zusammen mit seinem Bruder, während ich die Zeitung zurücklegte. "Kann man so sagen. Außerdem hatte ich für heute keinen direkten Termin. Wir können froh sein, dass er mich noch dazwischen schieben konnte", erwiderte ich gut gelaunt. Nachdem wir das Wartezimmer in geschlossener Formation verlassen und die Zwerge sich einmal mehr über die unliebsame Helligkeit beschwerten, führte uns die Sprechstundenhilfe den langen Flur auf der rechten Seite des Eingangsbereichs entlang, wo sich zu beiden Seiten Türen zu vorhandenen Behandlungsräume befanden. Unser Weg führte allerdings bis ganz zum Ende des Flurs. Dort angekommen öffnete die blonde, pummelige Frau den Raum und bat uns mit einem freundlichen Lächeln einzutreten. Ich folgte ihrer Bitte mit einem knappen Nicken und betrat als erste das Zimmer. Es war der Hauptbehandlungsraum, in dem häufig die Fälle mit schweren Verletzungen versorgt wurden. An den Wänden standen überall Schränke mit Verbandszeug, Medikamenten, Büchern und was man sonst noch alles brauchte, damit es dem Patienten gut ging. Natürlich gab es auch eine recht große Liege, ein paar Stühle für Begleitpersonen und einen Schreibtisch, wo der Arzt sich Notizen zu den Behandlungen machen konnte. Also für menschliche Verhältnisse nichts Außergewöhnliches. Was jedoch mal wieder nicht für die Herren Zwerge galt, welche sich nur sehr vorsichtig herein trauten. Zu Recht, wie ich zu meinem Bedauern erst viel zu spät erkannte. Denn alle drei stießen fast gleichzeitig einen spitzen Schrei aus, bei dem ich heftig zusammen zuckte und herum fuhr. Das Zwerge überhaupt zu soetwas in der Lage waren, war ja schon allein erschreckend genug. Aber dass sie es so unverhofft hinter meinem Rückten taten, brachte mich fast an den Rand eines Herzinfarktes. "Seid ihr bekloppt geworden oder was? Warum schreit ihr denn plötzlich die halbe Nachbarschaft zusammen?", fuhr ich sie dementsprechend gereizt an. "Da-d-d-d-da...Da... Cuna... Da... Da ist... Ist...", stammelte Kili mit aschfahlem Gesicht und vor Panik geweiteten Augen, während er mit ausgestrecktem, zitterndem Arm in die linke Ecke neben dem Schreibtisch deutete. "Was ist denn da? Hör auf zu stottern und sag mir was auf einmal mit euch los ist", forderte ich energisch, da alle drei sich aneinander klammerten und wie Espenlaub zitterten. "Sieh... Sieh doch selbst hin. Oh Mahal, steh uns bei. Wir hätten nie herkommen dürfen. Das... Das ist... ", quiekte Bofur mit ungewöhnlich hoher Stimme und zog die Mütze tief über die Augen. Ich schnaubte kurz und wandte mich um, damit auch ich das erblickte, was die Zwerge so in Aufruhr versetzte. Da fiel es mir buchstäblich wie Schuppen aus den Haaren. Oh du meine Güte. Natürlich. Das hätte ich mir auch selbst denken können. In der Ecke, auf die Kili immer noch mit zitterndem Arm deutete, stand das Modell eines menschlichen Skeletts, welches uns mit seinen leeren Augenhöhlen und leicht geöffnetem Kiefer entgegen starrte. Kein Wunder, dass die kleinen, bärtigen Männer fast aus den Latschen kippten vor Angst. Sie mussten wohl glauben, dass dieses Ding echt war. Von der Tatsache völlig überrascht drehte ich mich ungläubig blinzelnd wieder zu ihnen um und konnte mir bei ihrem Anblick ein lautes Lachen nicht mehr verkneifen. Das stieß jedoch bei ihnen erneut auf großes Unverständnis, weshalb sie mich ziemlich beleidigt anstarrten. "Was... Was in Durins Namen ist denn daran so lustig, Cuna? Hast du nun vollkommen den Verstand verloren?! Dein Heiler hat einen Toten im Raum! Wir sollten machen, dass wir hier weg kommen, bevor wir auch so enden!", fuhr mich Fili empört und wütend an, während er versuchte nach meinen Arm zu greifen. Diesen entzog ich ihm aber umgehend, indem ich ein paar Schritte Rückwärts machte und mir die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischte. "Oh... Oh mein Gott. Ihr seid so Ahnungslos. Das ist einfach zu köstlich", kicherte ich vor mich hin und grinste die Drei breit an. "Was? Was ist zu köstlich? Sag jetzt nicht, dass du uns hier her gebracht hast, damit uns dieser Heiler fressen kann?", rief Bofur entsetzt aus und sah sich bereits panisch nach allen Seiten um. Ich atmete indessen ein paarmal ruhig durch und schüttelte kurz den Kopf. "Aber nein. Jetzt kommt mal wieder runter. Niemand will euch fressen, glaubt mir. Das Ding da hinten ist nicht echt. Das ist eine Puppe", erklärte ich ihnen kurz und bündig. "Ei... Eine Puppe? Aber... Aber... Es sieht so echt aus", murmelte Kili und blinzelte erst mich und dann das Skelett argwöhnisch an. "Natürlich sieht es echt aus. Das muss es auch. Die Heiler meiner Welt verwenden es, um den Leuten zu zeigen, welche Knochen in ihrem Körper kaputt sind, damit sie sich auch ein Bild von ihrem Innenleben machen können. Seht mal, das ist ganz harmlos", ergänzte ich gut gelaunt und wandte mich demonstrativ zu dem Gerippe um. Anschließend schnappte ich mir einen der herunterhängenden Arme, hob diesen kurz an und winkte ihnen gelassen zu. Sie keuchten einen Moment lang erschrocken, als ich dies tat, doch nach einigen Sekunden, erhellten sich ihre Mienen und sie lösten sich wieder voneinander. Genau im rechten Augenblick, da die Tür hinter ihnen aufging und mein Hausarzt mit einem freundlichen Grinsen eintrat. Er war großgewachsen, schlank, hatte graues Haar und ein paar Fältchen unter den Augen. Ansonsten wirkte er noch relativ jung, obwohl ich wusste, dass er bereits weit über fünfzig war. Vermutlich lag es daran, dass er immer noch viel Sport trieb und er deswegen noch fit und meist sehr gut gelaunt war. "Guten Morgen allerseits. Was war denn das für ein Geschrei hier drin?", fragte er prompt, ehe er meine Begleiter und mich eingehend musterte. "Mahlzeit Dok. Meine Freunde haben sich vor deinem Skelett ein bisschen erschrocken. Nichts weiter", sagte ich und winkte auch ihm mit dem knochigen Arm zu. Einen Moment lang runzelte der Arzt kurz die Stirn und musste dann genauso wie ich kurz auflachen. "Meine Güte. So furchterregend ist 'Hildegard' doch gar nicht", meinte er und schob sich an den Zwergen vorbei, welche ihn kurz nach seinem Erscheinen abschätzig und wachsam beobachteten. "Hi-Hildegard?", fragte Fili und legte etwas irritiert den Kopf schief, während seine blauen Augen zwischen mir, dem Dok und dem Skelett hin und her wanderte. Der Dok nickte ihm mit einem freundlichen Lächeln bestätigend zu und ergänzte: "Nun ja. Das ist ihr Name. Den habe ich ihr gegeben, damit ich Kindern zeigen kann, dass sie keine Angst davor haben müssen." Mit leicht verständnislosen Mienen sahen sich meine drei Begleiter kurz an und schüttelten anschließend ihre Bärte. So etwas war ihnen auch noch nicht untergekommen. Es war ihnen unbegreiflich, wie man ein derart abscheuliches Objekt mit einem Namen versehen und dann auch noch unschuldigen Kindern vorführen konnte. Am Ende nahmen sie es aber denn doch einfach so hin und setzten sich nach einer kurzen Aufforderung meines Arztes auf die vorhandenen Stühle, bevor er mich zur Behandlungsliege komplementierte. "Na, was hast du denn jetzt schon wieder angestellt?", fragte er umgehend, als er damit begann meinen Verband abzutasten. "Hatte einen kleinen Unfall bei meinem Umzug", erklärte ich ihm kurz angebunden, woraufhin er ein tiefes Seufzen von sich gab. "Du bist unverbesserlich. Wenn du Privatpatientin wärst, würde ich an dir noch reich werden. Dann lass mal sehen, was passiert ist", meinte er schlicht und begann vorsichtig den Verband abzunehmen. Ich hielt indessen vollkommen still und wartete geduldig, während meine drei Begleiter immer noch recht angespannt und wachsam meinen Arzt im Auge behielten. Auch dieser bemerkte ihre Blicke im Nacken und fragte mich schmunzelnd: "Wer sind eigentlich die drei Herren, die du mitgebracht hast?" Ich schnaubte kurz belustigt und lächelte breit. "Der mit der Mütze ist ein guter Freund und die beiden Jungs sind die Neffen meines neuen Lebensgefährten", antwortete ich ruhig, was die drei im Hintergrund mit einem kurzen Nicken bestätigten, als der Dok ihnen einen flüchtigen Blick zuwarf. Seine Miene erhellte sich kurz, ehe er sich daran machte die zweite Schicht Stoff zu entfernen. "Ah. Na sieh mal einer an. Du hast eine neue Liebe gefunden. Freut mich sehr für dich. Warst du deswegen nicht bei den Nachuntersuchungen für deine gebrochene Nase?", hakte er mit einem flüchtigen Zwinkern nach, woraufhin mir wenig später die Wangen heiß wurden und sich mein Herzschlag etwas beschleunigte. "Ähm... Äh... Ja... Ja, das auch. Aber ich hatte noch so viel anderes zu tun und... Und da hab ich es einfach...", nuschelte ich verlegen und spielte etwas mit meinen Fingern herum. "Vergessen. Wie immer. Ja, das kenne ich schon von dir. Den Kopf immer in den Wolken. Wenn du mehr auf das achten würdest, was auf der Erde passiert, dann müsste du nicht so oft hier sitzen", meinte er mit einem leisen glucksen in der Stimme. Ich schnaufte kurz und blickte beschämt auf meine Knie. Der Dok hatte wirklich Recht mit seiner Aussage. Früher war ich immer vollkommen unbehelligt und gedankenlos umhergestreift. Nur konnte ich ihm diesmal nicht sagen, dass mein 'Unfall' eigentlich gar nicht aufgrund von Unachtsamkeit entstanden war, sondern von einem Mann verursacht wurde, der seine Beherrschung verloren hatte. Wenn es nicht zu diesem bedauerlichen Streit gekommen, ja wenn nicht diese verdammten Gottesanbeter bei mir aufgeschlagen wären, dann wäre mir dieser Weg wirklich erspart geblieben. Aber so musste ich mich nun damit herumschlagen, dass ich vor meinem Arzt saß, welcher mir eine kleine, indirekte Standpauke über Achtsamkeit hielt. Gut, es war besser als die Wahrheit zu sagen, womit ich mir und vor allem den Zwergen noch mehr Probleme eingehandelt hätte. Diese wurden nämlich mit jeder Schicht, die von meinem Kopf verschwand nervöser. Als dann endlich das letzte bisschen verschwunden war, klebte nur noch die Kompresse an meiner Schläfe fest. Aber die musste ja auch noch runter. Und ich wusste, dass das sehr unangenehmer werden würde. Denn so wie es sich anfühlte, würde der Dok wohl einmal ruckartig daran ziehen müssen, um sie los zu bekommen. "Na, da hast du dir aber ganz schön was zugezogen. Das wird wohl nicht ganz ohne Gewalt abgehen. Am besten du beißt schon mal kurz die Zähne zusammen", meinte er wenig später und ergriff eine Ecke des Stoffs. Ich tat unterdessen was er sagte und kniff zusätzlich die Augen zu. Je schneller es vorbei war, umso besser für mich, dachte ich noch so beimir, ehe der Dok mir ein indirektes Zeichen gab. "Gut. Wenn du bereit bist... Wie heißt das größte Land am Zipfel von Südamerika?", fragte er ruhig und noch während ich meine Antwort gab, zog er mit einem Ruck den blutverklebten Stoff ab. "AAAAAAAaargentinien!", brüllte ich kurz auf und krallte dabei meine Finger in das künstliche Leder der Liege. Im ersten Augenblick wurde mir ein klein wenig übel und schwindlig, weshalb ich beinahe vorn über gekippt wäre, wenn ich mich nicht festgehalten hätte. Die Stelle pulsierte und zwickte etwas, als nach diesen ganzen Stunden Luft an die frische Wunde kam. Heiliger Strohsack. Das hatte ja mal ordentlich gezwiebelt. Zum Glück verflüchtigte sich mein körperliches Unbehagen recht schnell wieder. Das Ganze war wirklich reibungslos von Statten gegangen. Meine drei Begleiter sahen das jedoch mal wieder aus ihrer ganz eigenen Perspektive. Ihnen passte es ganz und gar nicht, wie schnell und leider auch schmerzhaft der Verbandswechsel abgelaufen war. Sie sprangen nach meinem Aufschrei fast gleichzeitig von den Stühlen auf und eilten hastig zu mir. "Cuna! In Durins Namen! Geht es dir gut? Hast du Schmerzen?", fragte Bofur besorgt, ehe ich kurz drauf eine Hand auf meiner rechten Schulter spürte. Doch bevor ich ihm antworten und sagen konnte, dass alles gut war, hörte ich auch schon die beiden Brüder vor mir den Arzt anbrüllen. "Was fällt Euch ein?! Wollt Ihr sie umbringen?!", raunte Kili ungehalten. "Es geht ihr bereits unsagbar schlecht. Warum fügt Ihr Cuna auch noch Schmerzen zu?!", ergänzte Fili mit wütendem Unterton. Als ich meine Augen einen Spalt öffnete, um die Situation zu erfassen, hatten sich die Beiden wir ein Wall vor mich geschoben und meinen Arzt mit ihren breiten Zwergenkörpern von mir abgeschnitten. Bofur musterte mich indessen nur besorgt und murmelte mir beruhigende Worte zu. Der Dok selbst, hob etwas erschrocken, aber beschwichtigend die Hände und wich ein paar Schritte zurück, bis er mit dem Rücken an seinen Schreibtisch stieß. "Aber, aber. Meine Herren. Kein Grund so aus der Haut zu fahren", murmelte er hastig und weitete erschrocken die Augen, da die Jungs mit jedem Schritt den er vor ihnen zurückwichen, ihrerseits einen weiteren vortraten. "Kein Grund?! Ihr habt Cuna weh getan! Das werden wir Euch niemals verzeihen, Ihr verdammter Quacksalber!", knurrte der blonde Zwerg und machte schon Anstalten meinen Arzt am Kittel zu packen. Na großartig. Nun war mal wieder die Luft am brennen. Und ich war die Einzige, die die Zwerge wieder zur Vernunft bringen konnte, bevor sie in ihrem Beschützerwahn noch die halbe Praxis und vor allem meinen Arzt in seine Einzelteile zerlegten. Super-Cuna musste mal wieder ihre Verkleidung ablegen und die ahnungslosen Menschen vor den wildgewordenen Zwergen retten, dachte ich genervt. So riss ich mich schlagartig von Bofur los, sprang mit einem Satz von der Liege und packte die beiden Brüder mit einem schnellen Griff hinten am Kragen. "Das reicht jetzt! Sofort aufhören! Mir geht es gut, verdammt!", brüllte ich ihnen in die Ohren und zerrte sie mit aller Kraft die ich noch hatte vom Dok weg. Dieser atmete erleichtert auf, als die beiden jungen Zwerge nach Hinten stolperten und mich dabei mit verwirrten und entsetzten Augen musterten. "Aber.. Aber, Cuna. Er hat doch... Ich meine...", stammelte Kili völlig perplex, doch er verstummte recht schnell, als er mein wütendes Gesicht sah. "Ja, verdammt. Das hat wehgetan. Aber das gibt euch nicht das Recht hier herum zu randalieren! Vorhin hab ich noch gesagt, dass ihr euch anständig benehmen und ruhig sitzen bleiben sollt, solange wir hier sind. Oder rede ich seit neustem Orkisch?", fauchte ich sie sehr giftig an, woraufhin beide laut schluckten. "Das... Wir... Nein... Nein, tust du nicht... Wir wollten doch... nur... also", warf Fili mit betretener Miene ein, bevor auch ihm bei meinem Anblick der Mund zu schnappte und er auf seine Füße starrte. "Ihr wolltet mich nur beschützen. Ja, nee. Ist klar. Darüber reden wir nachher noch. Ihr drei wartet ab jetzt VOR dem Raum, bis ich hier drin fertig bin und wehe ihr stellt weiterhin Unsinn an. Aber zuerst entschuldigt ihr euch bei Doktor Fleischer für euer unhöfliches Benehmen, ist das angekommen?!", knurrte ich sie bestimmend an und drehte sie an ihren Krägen gepackt zum Dok hin. Dieser hob ein wenig überrascht die Augenbrauen, als sich die beiden Jungs und auch Bofur im Hintergrund mit sehr verhaltenen Gesichtern vor ihm verneigten und leise Entschuldigungen murmelten, ehe sie mit hängenden Schultern geschlossen den Behandlungsraum verließen. Meine Güte. Das war gerade noch mal gut gegangen, dachte ich schwer atmend und wischte mir den Schweiß von der Stirn, nachdem ich das Türschloss knacken hörte. Dem Dok ging es ähnlich wie mir. Auch wenn er es nicht direkt zugab, so konnte ich ihm an seiner leicht blassen Nasenspitze ansehen, dass er ziemlich erleichtert war die Zwerge nicht mehr in seiner näheren Umgebung zu haben. "Tut mir echt leid, Dok. Die Jungs sind im Augenblick ein klein wenig... ähm... ungehalten", nuschelte ich verlegen, doch er schüttelte nur den Kopf. "Schon in Ordnung. Es ist ja nichts weiter passiert. Am besten wir vergessen das Ganze und kümmern uns jetzt endlich mal ums Wesentliche", meinte er schlicht und komplementierte mich zurück auf die Liege. Ich nickte ihm zustimmend entgegen und nahm mit einem tiefen Seufzer wieder Platz. Nun, wo endlich Ruhe eingekehrt war, konnte der Dok sind meiner Wunde widmen. Wobei er mich hin und wieder darüber ausfragte, wie es denn dazu gekommen war und wer eine so formidable Naht gesetzt hatte. Ich versuchte mich indessen mal wieder herauszureden und ihm nur knappe, aber schlüssige Antworten zu liefern, die nichts mit den kleinen, bärtigen Männern zu tun hatten. Etwas anderes blieb mir ja auch nicht übrig. Zumindest nahm er diese einfach so hin. Das war auch das Beste an meinem Arzt. Ihn interessierten keine allgemeinen Details zu medizinischen Fällen. Er kümmerte sich wirklich nur um das Wesentliche und das war auch gut so. Nachdem er schließlich fertig und mein Kopf wieder fachmännisch in einen dicken Verband gehüllt war, schrieb er mir kurz noch ein paar weitere Termine auf, zu denen ich bei ihm erscheinen sollte. Medikamente brauchte ich ja nicht unbedingt. Die hatte ich noch irgendwo zuhause in einigen meiner Umzugskartons. Danach entließ er mich mit einem freundlichen Lächeln und wünschte mir wie es sich gehörte, gute Besserung. Doch ob es an diesem Tag noch irgendetwas gab, was besser werden konnte, würde sich erst herausstellen, wenn ich mir meine drei Pappenheimer zur Brust genommen hatte. Und diese erwarteten mich auch schon mit betrübten Mienen, an die weißen Wände gelehnt, im Praxisflur. - 99. Hallo Onkel Dok / ENDE - Kapitel 100: 100. Sag's durch die Blume --------------------------------------- "Cuna! Cuna, so warte doch! Lauf nicht weg! Wo willst du denn hin?! Es tut uns wirklich leid! Nun bleib doch mal stehen!", rief mir Fili ununterbrochen hinterher, nachdem wir die Praxis verlassen hatten. Ich stellte indessen meinen Gehörgang auf Durchzug. In mir brodelte es wie in einem Kochtopf. Und das zu Recht. Ich konnte schon gar nicht mehr zählen, wie oft ich sie bereits an diesem Tag schon ermahnt und dazu angehalten hatte, sind endlich einmal mal Riemen zu reißen. Aber die Herren vergaßen jedes Mal, in ihrem Eifer mich vor allen möglichen und unmöglichen Gefahren schützen zu wollen, dass sie versprochen hatten sich an meine Anweisungen zu halten. Doch wie immer redete ich dabei gegen Meter dicke Backsteinmauern. Zum Glück hatte der Dok diesen beinah Zusammenstoß mit dem heißblütigen, zwergischen Gemüt noch halbwegs gut weggesteckt. Obwohl ich mir vorstellen konnte, dass er sich, nach diesem turbulenten Besuch, erst mal eine ganze Schachtel Beruhigungstabletten einverleibt hatte. Zumindest hätte ich das getan. Gut, eigentlich konnte ich nach diesem Drama auch welche gebrauchen. Seit ich das Zimmer verlassen und kurz der Sprechstundenhilfe auf Wiedersehen gesagt hatte, war kein weiteres Wort über meine Lippen gekommen. Unter anderem aus Angst davor, dass ich sofort explodieren würde, sobald ich die Herren direkt in oder vor der Praxis zusammenfaltete. Ich hatte an diesem Tag nun wirklich schon genug Nerven wegen sehr peinlichen und Aufsehen erregenden Aktionen an die kleinen, bärtigen Männer verloren. Wenn ich nun auch noch dafür sorgen würde, dass die ganzen Passanten auf mich und meine Begleiter aufmerksam wurden, konnte ich auch gleich ein Neonschild mit der Schlagzeile für die nächste Abendzeitung in die Luft halten. Darauf würde dann sicherlich in riesigen Buchstaben "Menschenfrau brüllt Zwerge aus Mittelerde zusammen" geschrieben stehen. Das wäre jedoch alles andere als gut. So war ich mir einig, dass ich die Männer erst zusammen stauchen würde, wenn wir zurück in meiner Wohnung waren. Bis dahin schlug ich sie eben mit eisernem Schweigen. Die Drei sollten ja nicht glauben, dass ich ihnen ihr erneutes Fehlverhalten so einfach durchgehen ließ. Nein, dieses Mal waren sie definitiv zu weit gegangen und sobald ich mir eine gerechte Strafe ausgedacht hatte, erfuhren sie das auch postwenden. Gut, manch einer hätte mich für mein trotziges Verhalten als ungemein kindisch abgestempelt. Aber, wer mit drei so alten Kindsköpfen unterwegs war, durfte sich auch ein solches Trotzbenehmen leisten. Irgendwo lag immerhin die Grenze meiner menschlichen Geduld und die Zwerge hatten sie mehr als genug strapaziert. Aber häufig wussten ja die Leute, die so etwas sagten nicht, dass hinter dem Ganzen eben mehr steckte. Und es ihnen lang und breit zu erklären, brachte da in vielen Fällen auch nichts. Außer weitere Kopfschmerzen und verständnislose Blicke. Eben solche Blicke spürte ich auch in diesem Moment in meinem Nacken, während ich die Herren Zwerge durch einige Nebenstraßen führte. Ich hatte noch meine Tagesplanung im Hinterkopf und diesen wollte ich unter allen Umständen verfolgen. Da konnten mich selbst meine drei Mitbewohner nicht stoppen. Wobei sie es wenig später doch taten, als ich ihnen nach rund einer viertel Stunde immer noch nicht geantwortet hatte. "Cuna! In Durins Namen! Bleib endlich stehen!", fauchte Kili abgehetzt, nachdem er es irgendwie geschafft hatte mich einzuholen und umfasste ruckartig mein linkes Handgelenk. Doch im nächsten Moment musste er sich wohl innerlich gewünscht haben, dass er dies nicht getan hätte. Seine Berührung durchfuhr meinen ganzen Körper, wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel. Nun sah ich endgültig Rot. Alles in mir spannte sich ruckartig an. Meine Finger ballten sich in meinen Händen so fest zu Fäusten, dass meine Nägel sich regelrecht in meine Haut vergruben. Ich konnte mein Herz in den Ohren pulsieren hören und spürte wie sich meine Brust vom Atmen immer schneller hob und senkte. Jede einzelne Faser meiner Muskeln begann zu zittern von der Anstrengung mich weiterhin unter Kontrolle zu halten, bevor ich noch dem dunkelhaarigen Burschen hinter mir neben seinen rehbrauen Augen noch ein veilchenblaues dazu verpasste. Zu seinem und auch meinem Glück kam es nie dazu, da ich meine ganze Energie einzig und allein auf meine Stimme konzentrierte. Nachdem ich direkt auf dem Absatz kehrt machte und ihn scharf ins Auge fasste, platzte schließlich die ganze Wut aus meinem Mund heraus, welche ich bisher einsern zurückgehalten hatte. "WAS, KILI?! WAS?!", brüllte ich ihm laut entgegen, sodass er mein Handgelenk genauso ruckartig losließ, wie er es umklammert hatte. Danach stolperte er ein paar Schritte rückwärts, wobei er gegen seinen Bruder und Bofur stieß, welche ein kurzes Keuchen und gemurmelte Flüche von sich gaben. Als sie mir jedoch ins Gesicht blickten, verstummten sie schlagartig und schluckten einige Male schwer. Ich konnte ihnen genau ansehen, dass sie nicht so recht wussten, was sie in einer solchen Situation mit mir anfangen sollten. So ausfallend war ich ihnen gegenüber noch nie geworden. Da war selbst mein Ausraster auf der Zeltstadt noch harmlos gewesen. Und mit größter Wahrscheinlichkeit würde ich es früher oder später bereuen, wenn ich mich nicht wieder unter Kontrolle bekam. Besonders in meinem angeschlagenen Zustand, kam ein solcher Ausraster mehr als nur schlecht. Das merkte Bofur auch wenig später an, als er sich nach unserem langem gegenseitigen Anstarren mutig hinter den Brüdern vor wagte und beschwichtigend die Hände hob, ehe er sehr ruhig und eindringlich auf mich einredete. "Cuna. Ganz ruhig. Bitte. Hör uns an. Du. Du hast jedwedes Recht wütend auf uns zu sein...", sagte er und trat dabei näher an mich heran, bevor ich ihm jedoch ins Wort fiel. "Oh ja! Davon könnt ihr drei Pappnasen ausgehen! Nicht nur, dass ihr seit dem Aufstehen mit mir einen einzigen Nervenkrieg führt! Nein! Ihr nehmt euch nichts zu Herzen, was ich euch gesagt habe und macht munter weiter, so wie ihr es von Mittelerde her gewohnt seid. Und dabei nehmt ihr weder Rücksicht auf andere, noch auf mich! Vor allem nicht auf mich! Sicher ich hab es noch hingenommen, dass ihr die halbe Hauptstraße in ein Schlachtfeld verwandelt habt. Und auch, dass ihr bezüglich der Regeln in meiner Welt unwissend seid. Aber den Schnitzer, den IHR euch bei MEINEM Arzt erlaubt habt, werde ich euch so schnell nicht verzeihen! IHR drei seid erwachsene Männer, die eigentlich nach mehrmaligen Belehrungen wissen sollten, dass man nicht wegen jedem kleinen Furz gleich anderen Leuten den Schädel einschlägt! Meint ihr vielleicht, ich treibe den ganzen Aufwand hier zu eurer persönlicher Unterhaltung?! Bin ich euer Beppo, oder was auch immer?!", polterte ich munter drauf los, weshalb Bofur kurz stehen blieb und sehr knapp, aber verstehend nickte. "Nein. Nein, bist du nicht. Was auch immer ein 'Beppo' sein mag. Aber so ist es nicht. Es... Es ist richtig, was du sagst, Cuna. Nur. Bitte. Reg dich nicht weiter so auf. Du brichst noch zusammen. Und wenn das passiert, dann finden wir den Weg zurück nicht mehr", erwiderte er hastig mit stetig besorgter werdemden Tonfall, währendi sich eine tiefe Falte auf seiner Stirn bildete. Dies überging ich allerdings in meinem ungehaltenen Zustand und schnaubte nur abfällig: "Besser wärs für mich gewesen, ich hätte euch bei mir in der Wohnung gelassen. Dann wäre mir Einiges erspart geblieben. Aber ich hab euch ja mitschleifen müssen, weil IHR ja so besorgt um meine Gesundheit wart. Die im übrigen jetzt auch wegen eurem Bockmist wieder leiden muss." "Schwesterchen. Wir.... Wir wissen, dass wir unser Versprechen gebrochen und nicht nach deinem Wunsch gehandelt haben. Wir wollten dir keinen Ärger bereiten. Es ist nur so, dass...", warf Fili plötzlich ein, der fast unbemerkt hinter der rechten Schulter des Mützenzwergs hervor trat. Ich hob nur hämisch eine Augenbraue und verschränkte meine Arme fest vor der Brust, als ich seine Worte vernahm. Dann wandte ich mich ihm zu und fixierte ihn mit gefährlich zischender Stimme: "Es ist wie, Fili?" Doch nicht er war es der mir antwortete, sondern sein Bruder, welcher auf der anderen Seite von Bofur auftauchte. "Was... Was er meint ist,... Wir. Also Fili und ich, haben unserem Onkel vor seiner Abreise noch in die Hand versprochen, dass wir dich vor allen Gefahren so gut wir es vermögen beschützen. Zumindest solange, bis es dir wieder besser geht. Versteh doch, wir... Wir hatten keine bösen Absichten mit unserer Tat. Und dass wir dir Kummer und Ärger bereitet haben, tut uns mehr als leid", meinte er schließlich, wobei er sich mutiger und entschlossener anhörte, als er sich offensichtlich fühlte. Meine Augenbrauen wanderten indessen immer weiter in meine Stirn, bis ich sie fast an meinem Haaransatz spüren konnte, wenn der Verband nicht im Weg gewesen wäre. Wieder konnte ich über diese verzweifelten Ausflüchte für ihr Handeln nur abwertend schnauben. Natürlich. Thorins Befehlskette. Auf den feinen Herrn Eichenschild hörten die Drei selbstverständlich wie folgsame, dressierte Zirkus-Pudel. Aber die Worte der Frau, bei der sie lebten und welche sie schon einige Male vor größerem Schaden bewahrt hatte, wurden konsequent ignoriert. Als wenn ich den ganzen Tag nichts Besseres zu tun hätte, wie mir über die Verhaltensweisen der Gesellschaft, den Mund fusselig zu reden. Aber damit musste nun endgültig Schluss sein. Wenn sie den Ernst der Lage nicht mit freundlichen Worten begriffen, dann eben mit harten. So lockerte ich meine verschränkten Arme wieder und musterte die Zwerge der Reihe nach, bevor ich ihnen sehr deutlich und direkt, den aktiellen Stand der Dinge klar machte. "Ja, ich weiß was ihr eurem werten Onkel alles versprochen habt. Aber sofern IHR euch erinnert, musste ich ihm auch ein Versprechen leisten. Und zwar nicht erst gestern, sondern schon auf der Zeltstadt. Falls ihr drei das vergessan haben solltet, werde ich es euch noch einmal in euer Gedächtnis rufen. Ich stehe nämlich in der Pflicht eure werten, noblen Zwergenhintern vor meiner Welt so gut es geht geheim zu halten. Niemand soll erfahren, dass ihr aus Mittelerde kommt, echte Zwerge seid und mit Hilfe eines magischen Edelsteins zwischen den Welten hin und her hopsen könnt, wie ihr lustig seid. Ich musste schon einmal mein Versprechen was ich Thorin gab brechen, um ihn vor genau diesem Schaden zu bewahren. Euer Glück war es, dass es sich dabei 'nur' um meine beste Freundin Chu gehandelt hat. Von der weiß ich zumindest, dass ich ihr so etwas anvertrauen kann. Eben weil sie dicht hält. Ich frage mich aber so langsam, wie ich dieses Geheimnis noch weiter aufrecht erhalten soll, wenn ihr euch selbst und mir das Leben so schwer macht. Ich habe für euch kleine, einfache Bedingungen aufgestellt, von denen ich zu eurem Schutz wollte, dass ihr sie einhaltet. Aber wenn ihr das nicht könnt, muss ich euch bei mir zuhause einsperren. Und ich kann euch sagen, dass ich das auch sofort machen werde, solltet ihr euch heute nochmal den kleinsten Patzer erlauben. Dann ist der Jahrmarkt am Wochenende gestrichen. Und es wird auch keine weiteren Ausflüge mehr geben. Habt ihr das jetzt endlich verstanden?", hakte ich abschließend nach und wartete gespannt auf die Reaktion meiner Begleiter. Eigentlich wollte ich nie derart auf eine solche Maßnahme zurück greifen. Doch in diesem Moment war ich einfach nur mit meinem Latein am Ende. Ich wusste einfach nicht mehr weiter. Gab es denn in einer solchen Situation überhaupt noch irgendeine Alternative? Irgendeinen Weg, wie ich die Jungs davor bewahren konnte, sich weiterhin in aller Öffentlichkeit durch ihr Verhalten selbst zu verraten? Wenn ja, dann fiel mir einfach nichts Besseres ein. Und sicherlich würden sie nach meiner Ansage anfangen lauthals zu protestieren, wie unfair es doch sei ihnen einfach etwas wegnehmen zu wollen, worauf sie sich schon so sehr gefreut hatten. Zunächst sagten und taten sie aber zu meiner eigenen Überraschung gar nichts. Sie warfen sich gegenseitig und mir nur erschrockene Blicke zu. Beinahe als hätte sie um ein Haar der nächstbeste Linienbus überfahren. Besonders in Filis Gesicht zeichnete sich deutlich der Schmerz ab, den meine Worte bei ihm hinterließen. Ich wusste, dass er an Jana dachte und dass er mit seinem und dem Verhalten der anderen Beiden, sich womöglich selbst die Chance nahm sie jemals wieder zu sehen. Aber auch Bofur, der sonst immer versuchte alles positiv und optimistisch zu sehen, verzog den Mund zu einer betrübten Grimasse. Bei ihm waren es Marina und Benni, die ihm sehr am Herzen lagen. Dabei kannte er die alleinerziehende Mutter mit ihrem Spross erst seit gut drei Tagen. Trotzdem hatte sich innerhalb dieser wenigen Stunden ein so festes Band zwischen ihnen gebildet, dass die Gefühle der kleinen, bärtigen Männer verständlicherweise weit über die normalen, menschlichen Verhältnisse hinaus ging. Die beiden Zwerge waren bis über beide Ohren verliebt. Daran gab es keinerlei Zweifel. Allerdings begannen nun in mir selbst einige Zweifel zu wachsen, ob ich mit meiner Ansage nicht vielleicht doch zu weit gegangen war. Unterbewusst trafen mich nun auch meine eigenen Worte, als ich ihre leidenden, gequälten Gesichter noch eine ganze Weile musterte. Außerdem waren da ja nicht nur die beiden verliebten Hammel, sondern auch noch Kili. Er hatte zwar keine Frau aus meiner Welt in seinem Leben, aber sein Bruder hingegen schon. Ich vermutete stark, dass ihn gerade diese Tatsache sehr beschäftigte, als er sich nachdenklich und unbehaglich auf der Unterlippe herum kaute. Hin und wieder schielte er hilfesuchend zu seinem älteren Bruder herüber, da er offensichtlich nicht weiter wusste. Das Band zwischen Geschwistern, war unter Zwergen mindestens genauso stark, wie das zu dem geliebten Partner. Und ich konnte mir gut vorstellen, dass der dunkelhaarige Bursche seinem Bruder gewiss nicht seine Zukunft mit der Frau die dieser liebte verbauen wollte. Mit einem Mal begann ich mir plötzlich die Frage zu stellen, wie ich wohl reagiert würde, wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich Thorin nicht wiedersehen durfte, weil ich mich eben so verhielt, wie ich es von zuhause gewohnt war. Gut, wir lebten ja so gesehen bereits in einer Trennung. Aber gab mir dies wirklich das Recht den Zwergen ihre Freiheit zu nehmen, weil ich sie beschützen wollte? Nein. Nein, das konnte und durfte ich einfach nicht. Dann wäre ich nicht viel besser als der Zwergenkönig. Das waren seine Methoden, um jemanden dazu zu bringen genau das zu tun, was er wollte. Verdammt, ich hatte mich direkt in eine unumgängliche Entscheidungskriese hinein manövriert. Und diese ließ meinen Gemütszustand auch schon seit Stunden ziemlich am Rad drehen. Ich wollte alles richtig machen. Nur um am Ende, wenn er wieder da war, erfolgreiche Resultate präsentieren zu können. Dass ich es im Alleingang geschafft hatte, aus den dreien vor mir funktionierende Mitglieder der menschlichen Gesellschaft zu machen. Dafür riskierte ich in diesem Moment einfach alles. Früher wäre ich nie auf die Idee gekommen meinen Freunden gegenüber solche Drohungen auszusprechen, weil sie so waren wie sie eben waren. Ich fühlte mich, als wäre ich nicht mehr ganz ich selbst. Es war, als würde ich mich, mit jedem Tag der verging, in jemanden verwandeln, der es unbedingt nötig hatte jemandem zu beweisen, dass er genauso gut mit solchen Führungspositionen klar kam und alles im Griff hatte. Einzig und allein, damit die Person, die ich liebte mit mir zufrieden war. Das Dumme daran war nur, dass ich es eben nicht hatte. Im Gegenteil. Egal was ich auch anpackte und sagte, ständig holten mich meine Selbstzweifel wieder ein. So auch in diesem Fall. Und das bereitete mir erneut starke Kopfschmerzen. Gott verdammt. Was war nur los mit mir? Bereits nach dem Aufstehen hatte ich mit dieser ganzen Scheiße angefangen. Es schien sogar mit jeder Minute schlimmer zu werden. Die Zwerge und allen voran Thorin hatten mein Leben bereits voll und ganz vereinnahmt. Ihr Erscheinen hatte so viel verändert. Es bedeutete eine Unmenge an Verantwortung. Verantwortung, die ich niemals in diesem Übermaß hatte tragen wollen. Und nun sah ich nicht einmal einen Ausweg aus meinen Gedanken. Alles überflutete mich. Ich fand plötzlich nichts, woran ich mich irgendwie halten konnte. Zu viele Wege. Zu viele Leben um die ich mich zu sorgen hatte. Allen voran mein Eigenes. Kurz um. Es war einfach alles viel zu viel, um es allein in den Griff zu bekommen. Ich brauchte Beistand. Hilfe. Irgendetwas, was mich wieder zu mir selbst führte. Dann fiel es mir plötzlich wieder ein. Mein Plan, den ich nach dem Waschen gefasst hatte. Etwas, was mich wieder dahin brachte, wo ich mich verankern konnte. Auch wenn es etwas makaber war, sich ausgerechnet an den Ort zu begeben, der noch mehr schmerz verursachen würde. Allerdings war es das Beste, was mir noch einfiel. Ich musste zum Friedhof. Zu dem Ort auf dem genau der Mann lag, der mich zu seinen Lebzeiten schon immer aus meinen emotionalen Löchern herausgezogen und wieder aufgebaut hatte. Auch wenn er mir nun nicht mehr seine tröstenden Worte schenken konnte. Unterbewusst hoffte ich, dass es mir vielleicht helfen konnte meine wirren Gedanken zu ordnen, wenn ich ihm von meinen letzten Tagen und Wochen zu erzählen. So wie ich es früher immer getan hatte, sobald ich in einer Sackgasse steckte. Ja, das würde wohl wirklich das Richtige sein. Vor allem da es auf dem Friedhof schön ruhig war und nicht so laut wie mitten in der Kleinstadt, wo alle fünf Minuten ein Krankenwagen samt Notarzt, Feuerwehr und Polizei mit Sirene durch die Straßen bretterte. Einfach nur ein wenig Ruhe und die Möglichkeit für den Moment abschalten zu können. Das brauchte ich. Und zwar sehr dringend, wie mir schien. Viel zu lange hatte ich es wegen dem Umzug hinausgezögert. Doch bevor ich mich auf den Weg dorthin machte, mussten noch unsere Streitigkeiten aus dem Weg geräumt werden. Meine drei Begleiter standen immer noch ratlos vor mir und wussten nicht recht, was sie nun sagen sollten. Bis sich Fili schließlich ein Herz fasste und mit betretener Stimme sagte: "Cuna. Das... Das kannst du uns doch nicht antun. Ich meine, du kannst uns nicht einfach etwas derart Wichtiges verwehren. Ich warte seit Wochen darauf Jana wieder in die Arme zu schließen. Dieses Wiedersehen auf dem Jahrmarkt ist bisher die einzige Gelegenheit für mich. Ich zähle jede einzelne Minute, die ich nicht an ihrer Seite verweilen kann. Es macht mich schier verrückt nicht zu wissen, wie es ihr geht und was sie im Augenblick macht. Ich weiß, dein Versprechen genauso wichtig ist wie unseres. Aber verstehst du denn nicht, wie sehr ich an dieser Sache hänge? Fühlst du denn nicht dasselbe, wenn du an Thorin denkst? Oder verdrängst du deine Gefühle für meinen Onkel, um weiterhin dein Leben zu leben, bis er zurück ist? Willst du mir das wirklich entreißen, nur weil wir die Verhaltensweisen deiner Welt bisher nicht verstehen können?" Als ich seine Worte hörte, schloss ich einen Moment die Augen, atmete tief durch und fasste mir kurz an den Kopf. Seine Fragen am Schluss waren mit sehr viel Bitterkeit aus seinem Mund gekommen. Er schien wirklich zu glauben, dass mich sämtliche Geschehnisse des vergangenen Tages kalt ließen. Aber das taten sie nicht. Sie waren präsenter denn je. Und sie schmerzten noch mehr wie der Hammer von Klaus-Günther in meinem erschöpftem Hirn. So gab es eigentlich nur eine Antwort, die ich dem blonden Burschen geben konnte, als ich meine Augen öffnete und ihn verbissen ansah. "Nein, Fili. Ich will es nicht tun müssen, wenn es sich vermeiden lässt. Nur weiß ich eben nicht, wie ich es euch noch deutlicher machen soll, dass ihr vorhin zu weit gegangen seid und es so nicht weiter gehen kann. Ich bin hin und her gerissen zwischen meinen Gefühlen und dem richtigen Handeln. Was ich vorhin gesagt habe, tut mir auch von ganzem Herzen leid. Ich war nur so wütend darüber, dass einfach nichts funktioniert, was ich mir fest vorgenommen habe. Ich... Ich kann irgendwie nicht mehr zwischen richtigem Tun und richtigem Denken entscheiden. Schon seit vorgestern drehen sich meine Gedanken immer nur im Kreis und ich finde einfach keinen Ausweg. Es ist... Es ist einfach... Es ist einfach alles zu viel für mich, Jungs. Ich... Ich schaffe es nicht so viel Verantwortung allein zu tragen. Ich meine, ich hab euch drei wirklich ganz Doll lieb, aber ihr seid nun mal auf der anderen Seite unglaublich anstrengend. Weil ich auch einfach nicht verstehe, wie ihr Zwerge so tickt und was man bei euch sagen darf und nicht sagen darf. Wie man Handeln muss, wenn es Komplikationen gibt. Und.... Und...", antwortete ich, wobei ich beim letzten Teil anfing mich erneut in Rage zu reden, sodass mir schlussendlich komplett die Worte dafür fehlten, was ich ihnen vermitteln wollte. Doch anders als erwartet, verstanden die Zwerge meine Probleme sogar ziemlich gut. Als ich völlig verzweifelt vor mich hin fuchtelte, fasste mich plötzlich Bofur bei den Schultern und schüttelte mich kurz, damit ich wieder halbwegs zur Vernunft kam. "Cuna. Cuna, ganz langsam. Beruhige dich und hör mich an", sagte er und drehte mich zu sich, bis ich ihn ansah. Ich hob daraufhin mit reichlich beflissener Miene den Kopf und erwiderte seinen Blick. Bofur begann tröstlich zu lächeln, als sich unsere Blicke kreuzen, ehe er dazu über ging mit ruhiger Stimme auf mich einzureden. "Cuna. Glaube mir, ich verstehe, was du im Augenblick fühlst und mit uns durchmachen musst. Mir würde es an deiner statt nicht anders ergehen. Aber ich befürchte du überstürzt die ganze Sache. In deinen Augen, magst du uns nur sehr einfache Dinge lehren, die für Menschen deiner Welt alltäglich sind. Für uns ist jedoch alles sehr neu und schwer zu begreifen. Es ist recht viel verlangt, dass wir uns sofort an deine Welt gewöhnen und uns dieser anpassen. Was ich dir sagen will ist, dass du dir die Mühe machst einem Kind das Laufen zu lehren, obwohl es weder krabbeln noch sprechen kann. Du stellst hohe Erwartungen an uns. Und auch an dich. Dass du Thorin nicht noch einmal enttäuschen möchtest ist selbstverständlich. Doch auf diese Art, wie du sie bisher angewandt hast, wirst du nicht viel bei uns erreichen können. Zumindest nicht so schnell. Wir Zwerge sind und bleiben ein stures kleines Völkchen. Daran solltest du dich langsam gewöhnt haben. Wir lassen uns nicht einfach so herumkommandieren und nehmen auch nicht gern irgendwelche Befehle von Mitgliedern anderer Völker an. Das hat nichts mit dir selbst zu tun. Wir mögen dich genauso sehr, wie du uns. Es liegt in unserem Blut. Und das wirst du niemals ändern können. Nicht mal, wenn du tausende von Jahren leben solltest", meinte er und versah mich, während er sprach zusätzlich mit einem sehr ernsten Blick. Ich gab nur ein betretenes Seufzen von mir und schüttelte deprimiert den Kopf. Oh man. Wie recht der Mützenzwerg doch hatte. Ich hatte mich wieder einmal viel zu sehr an einer Sache festgebissen, in der verzweifelten Hoffnung, dass etwas in meinem Leben auf Anhieb funktionierte. Und dabei war ich wieder mal auf die Nase gefallen. "Was... Was soll ich denn machen, Bofur? Wie... Wie kann ich es denn schaffen, dass ich nicht ständig bei allem was ich anpacken will versage?", fragte ich und bemerkte dabei zum ersten Mal, wie erschöpft und wehleidig meine Stimme klang. Ich war irgendwie müde. Ausgelaugt von den ganzen stressigen Tagen zuvor. Ich hatte mich tatsächlich zu sehr in die ganze Thematik hinein gesteigert und mich darin vollkommen verloren. Und doch konnte ich irgendwie von Glück reden und froh darüber sein, dass ich in diesem Augenblick, wo ich mich wieder schwach und hilflos fühlte, Freunde an meiner Seite hatte, die meinen inneren Zwist auf ihre Weise zu lösen wussten. Denn kurz nachdem ich meine Fragen an den Mützenzwerg gerichtet hatte, tauchten Kili und Fili an seinen Seiten auf und versahen mich ebenso mit einem tröstenden Lächeln. "Schwesterchen, du hast nicht versagt. Du solltest dir und allen voran uns nur mehr Zeit lassen, das Gesehene und Erlebte in die Tat um zusetzten. Anderenfalls wirst du irgendwann den Mut, die Hoffnung und dein Selbstvertrauen verlieren", meinte Fili und legte dabei eine Hand auf meine rechte Schulter neben die von Bofur. "Fili hat recht. Als unsere Vorfahren den Erebor zu ihrer Heimat aus erkoren, haben sie auch nicht am gleichen Tag den Arkenstein gefunden. Wir haben noch so viel Zeit. Du musst unserem Onkel nicht beweisen, dass du viel erreicht hast, wenn er wieder zurückkehrt. Dass es uns und dir gut ergangen ist, ist doch die Hauptsache. Darüber freut er sich gewiss mehr, als über eine so große Veränderung", kam es von Kili, der es seinem älteren Bruder und Bofur gleich tat, wobei er meine Schulter kurz aufmunternd drückte. Ich seufzte erneut mit schwerem Gemüt und schüttelte den Kopf. "Ich frage mich, wie ich dafür sorgen kann, dass ihr weiterhin unverletzt und wohl auf bleibt, wenn ihr mir nicht zuhört. Ihr habt euch so oft in den letzten Stunden in Gefahr gebracht und all meine Warnungen in den Wind geschossen. Ich meine, wenn ich nicht ständig darauf geachtet hätte, wo ihr hin rennt, dann könntet ihr jetzt schon Tod sein. Ich weiß ja, dass ihr nicht wirklich etwas davon haltet, wenn euch irgendjemand Befehle erteilt, von dem ihr das nicht gewohnt seid. Aber könntet ihr mir nicht zumindest ein bisschen entgegenkommen? Ich dreh sonst noch durch", meinte ich und musterte die drei Zwerge nacheinander. Diese warfen sich daraufhin kurz gegenseitig und dann mir nachdenkliche Blicke zu, ehe sie einstimmig nickten. "Das werden wir. Wir haben dich lang genug auf Trab gehalten. Von jetzt an werden wir achtsamer sein und dem zuhören was du uns sagst, und wie du uns führst. Du hast uns heute schon vor so vielen schlimmen Dingen bewahrt, da ist es nur gerecht, wenn wir deinem Urteil und Handeln vertrauen. Verzeih uns bitte, dass wir dich in eine derartige Lage gebracht haben. Das war nie unsere Absicht gewesen", meinte Fili und senkte mit entschuldigender Miene seine blonde Mähne. Auch Bofur und Kili murmelten indessen reuevolle, entschuldigende Worte, während sie ihre Häupter neigten. Ich atmete sehr tief ein und aus, bevor ich wieder den Kopf schüttelte. Sie hatten ja irgendwie recht. Ich hatte meine Erwartungen einfach viel zu hoch gesteckt. Sie konnten ja nichts dafür, dass es ihnen als Zwergen schwerfiel sich direkt an meine Welt anzupassen. Ich musste einfach, wie Fili es bereits treffen formulierte, den Herren mehr Zeit einräumen, bis sie sich ansatzweise an alles gewöhnt hatten. Mir wäre es wohl an ihrer Stelle nicht anders ergangen. Nur mochte ein winzig kleiner Teil von mir dem Frieden nicht ganz trauen, dass die Zwerge sich tatsächlich an ihre Worte hielten. Doch das würde ich vermutlich nur dann erfahren, sobald wir unseren Weg fortsetzten. Und das wollte ich eigentlich recht schnell, da die Glocken der großen Kirche mitten im Ort bereits lauthals verkündeten, dass es schon elf Uhr war. Eigentlich hatte ich vor, bis spätestens ein Uhr wieder zurück im Plattenbau zu sein, damit ich für die kleinen Männer das Essen zubereiten konnte. Aber wie immer kam es erstens anders und zweitens als ich dachte. Zumindest schien nun erst mal wieder alles einigermaßen ruhig geworden zu sein. Meine Wut auf die Zwerge war ein wenig verraucht und so nahm ich ihre Entschuldigungen etwas gelassener entgegen. Erleichtert seufzten die Drei und grinsten mich dann sehr breit an, ehe mir Bofur kurzerhand seine Mütze wieder einmal auf den Kopf klatschte und fragte: "So. Wenn nun wieder alles gut ist, wo führst du uns hin, Cuna?" "Also, ich wollte noch eben zum Friedhof um das Grab meines Mann zu besuchen. Ich war schon lange nicht mehr da und würde gerne mal nach dem Rechten sehen", erwiderte ich und schob Bofurs Mütze auf meinem Kopf ein wenig zurecht. "Wollen wir nicht zuvor etwas essen? Wir hatten heute Morgen noch gar kein Frühstück", warf Kili ein, dessen Magen zur Bestätigung laut anfing zu knurren. Oh man, das hatte ich in der Hektik des Aufbruchs ja gar nicht mehr mit einkalkuliert. Wir waren ohne ein Frühstück in die Stadt marschiert. Da war es nur logisch, dass die Herren und auch ich ein wenig hungrig nach der ganzen Aufregung geworden waren. Zum Glück wusste ich, dass auf dem Weg zum Friedhof noch eine kleine Bäckerei lag, wo wir uns mit ein paar belegten Brötchen eindecken konnten. So löste ich mich von den drei Herren und führte sie mit wenigen Worten auf sicheren Wegen mit möglichst wenig Verkehr bis dorthin. Die Bäckerei lag gut versteckt an der Ecke einer winzigen Gasse mit vielen älteren Häusern. Die alte Marktstraße des Ortes, wie auch das Straßenschild an der Ecke eines großen Fachwerkhauses verkündete. Hier reihten sich die Gebäude noch dicht an dicht und die schmale Straße, sowie der Bürgersteig waren mit Kopfsteinpflaster versehen. Dort sah es fast noch so aus, wie vor rund hundert Jahren. Der einzige Unterschied war, dass es inzwischen elektrische Straßenlaternen gab und auch die winzigen Geschäfte ein wenig moderner eingerichtet waren. Der zweite Weltkrieg hatte seinerzeit an diesem Ort wenig bis gar keinen Schaden hinterlassen. Und selbst wenn eines der Häuser getroffen worden war, so hatte die Stadtverwaltung diese anhand von Fotos und Gemälden wieder eins zu eins neu errichtet. Ich liebte diesen Stadtteil wirklich sehr. Es war wie der Sprung in eine ganz andere Welt. Weit weg von den ganzen neumodischen und teilweise abstrus gestalteten Bauten der Neuzeit. Das wunderte auch meine Begleiter ein bisschen, die sich mit großen Augen umsahen, als wir dem gewundenen Weg bis zu unserer Zwischenstation folgten. "Bei Durins Bart. Wo sind wir denn hier gelandet? Man könnte meinen, wir wären mitten in Bree", stellte Kili fest und grinste süffisant, während er den Kopf in sämtliche Richtungen wandte und dabei plötzlich mit der nächstbesten Straßenlaterne kollidierte, die ein dumpfes "Klonk" von sich gab. Ich blieb kurz stehen und konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, als der dunkelhaarige Bursche laut fluchend den stählernen Mast in Khuzdul beschimpfte. Aber auch sein Bruder und Bofur kugelten sich regelrecht, als Kili sich mit einem beleidigten Schnauben die Stirn rieb und auf dem weiteren Weg immer wieder unfreundliche Worte vor sich hin brabbelte. "Unfassbar. Warum müssen diese Dinger überall im Weg herum stehen?", fragte er verärgert und drehte sich immer wieder zur Laterne um. "Du solltest eben besser darauf Acht geben, wo du hin läufst, Bruder. Dann wäre dir das nicht passiert", erwiderte Fili mit einem frechen Grinsen über die Schulter hinweg, wobei es ihn im gleichen Moment genauso hart traf, wie seinen Bruder zuvor. Nun fluchte auch er, was Kili dazu veranlasste eine schmollende, aber doch leicht schadenfrohe Schnute zu ziehen. "Das sagt mal wieder genau der Richtige. Wenn du mich schon belehren willst, dann solltest du dich selbst an deine eigenen Worte halten", brummte dieser spöttisch. Fili schnaubte indessen Kopfschüttelnd, während er sich die Stelle rieb mit der er selbst gegen einen anderen Mast gedonnert war. Ich lachte erneut über das Missgeschick der Beiden. Es war einfach zu köstlich, wie sie sich über die armen Laternen aufregten. Aber nun hatten sie endlich zu spüren bekommen, wie wichtig es war in meiner Welt etwas aufmerksamer mit seiner Umgebung umzugehen. Doch war ich nicht die Einzige, die plötzlich aufgelachte. Eine weitere glockenhelle Stimme wehte von der anderen Seite der Gasse zu uns herüber und ließ mich herum fahren. Genau gegenüber von uns befand sich ein winziges Blumengeschäft, mit einem recht großen Schild über der Eingangstür auf der in verschnörkelter Schrift "Garten Eden" zu lesen war. Vor dem Laden stand eine junge Frau, die gerade den Gehweg fegte und einige Töpfe in den Auslagen zurecht rückte. Sie war recht hochgewachsen, gertenschlank und hatte fast hüftlanges rotblondes Haar, welches ihr zu einem Zopf geflochten über der linken Schulter hing. Sie trug außerdem eine grüne Schürze mit einem übergroßen, weißen Gänseblümchen auf der Brust und dazu nicht ganz so passende quietsch gelbe Gummistiefel. Auch die Zwerge wurden wenig später auf die Frau vor dem Blumenladen aufmerksam und begannen sie eingehend zu mustern. Nur einige Sekunden später gab Kili plötzlich ein erstickendes Keuchen von sich, was ich allerdings zunächst noch ignorierte und als nicht weiter wichtig empfand. Nachdem die Frau aufhörte zu lachen und uns freundlich mit sanfter Stimme entgegen rief, keuchte der junge Zwerg erneut sehr heftig, was mich unterbewusst schon leicht stutzig machte. "Oh Entschuldigen Sie. Ich wollte sie nicht auslachen. Aber es sah zu komisch aus", meinte sie und stellte den Besen an die Ladentür. "Ach, ist doch nicht schlimm. Es war ja auch echt witzig", erwiderte ich grinsend und zuckte gelassen mit den Schultern. Sie warf darauf nur mit einer lässigen Handbewegung ihren Zopf über die Schulter zurück und schüttelte mit einem strahlenden Lächeln den Kopf, ehe sie sich wortlos einen Gartenschlauch schnappte, der aufgerollt an der Wand des Geschäftes hing. Danach ging sie weiter ihrer Arbeit nach und pfiff fröhlich eine Melodie vor sich hin, während sie die Blumen goss. Ich wandte mich wieder von ihr ab und deutete den Zwergen an, dass wir weiter gehen sollten. Doch nicht alle folgten meiner freundlichen, bestimmenden Bitte. Nach gut hundert Metern drehte ich mich um und musste feststellen, dass Kili nicht weiter hinter uns her lief. Auch Fili bemerkte umgehend das fernbleiben seines jüngeren Bruders und rief: "Kili! Beeil dich!" Doch der Zwerg rührte keinen Muskel. Als ich mich ihm wieder zuwandte und ihn genau beobachtete, stolperte er rittlings mit panisch aufgerissenen Augen gegen die nächstbeste Hauswand und seine Lippen formten nur ein einziges Wort, ohne das ein Ton aus seiner Kehle entkam. Zunächst verwirrte mich sein Verhalten, bis ich mit leicht fragend angehobener Augenbraue zwischen der Frau und ihm hin und her sah. Dann ging mir plötzlich ein Licht auf. Oh verdammt. Die Floristin auf der anderen Seite hatte bei genauerem Hinsehen gewisse Ähnlichkeiten mit einer ganz bestimmten Elbendame, die der junge Zwerg bereits seit ungezählten Jahren vermisste und suchte. Gut, sie war definitiv kein waldländisches Glühwürmchen, sondern ein Mensch. Das sah man schon allein daran, dass sie keine spitzen Ohren hatte und nicht diese typische Anmut an den Tag legte, wie sie bei Elben gebräuchlich war. Wie hätte Tauriel auch in meine Welt kommen können? Noch dazu zu diesem Zeitpunkt und ausgerechnet in diese Straße? Das war schlichtweg ein Ding der Unmöglichkeit. Dennoch war Kili so vor ihrer Erscheinung erschrocken, dass er die Augen nicht abwenden konnte. Der arme Zwerg stand gerade völlig unter Schock und sah sich nicht mehr im Stande auch nur einen Schritt zu tun. Er hörte nicht mal, dass ihn sein Bruder mehrfach ungeduldig beim Namen rief. Sogar Bofur wunderte sich über das Verhalten des dunkelhaarigen Burschen und murmelte: "Was hat er denn auf einmal?" "Ich weiß es nicht. Kili! Kommst du jetzt endlich!", brüllte sein älterer Bruder erneut, doch wieder reagierte der Junge nicht. Offenbar war ich die Einzige in der Runde die begriff, was gerade in Kilis Kopf vor sich ging. Mir wäre es wohl genauso ergangen, wenn mir ein Mann begegnet wäre, der meinen Verblichenen ähnlich gesehen hätte. Nur wäre mir vermutlich auf Anhieb klar geworden, dass so etwas einfach nicht sein konnte, da ich seinen Leichnam mit eigenen Augen gesehen hatte. Bei dem jungen Zwerg lag das Problem aber ganz woanders. Seine Tauriel galt lediglich als verschwunden und war nie für Tod erklärt worden. Auch wenn alle Anzeichen möglicherweise dafür sprachen. Im Kopf des Burschen musste es gerade drunter und drüber gehen. Vielleicht eine Mischung aus Unverständnis und stiller Hoffnung. Fakt war jedoch, dass er sich einfach nicht vom Fleck rühren wollte. Das sorgte natürlich für Unmut bei meinen anderen beiden Begleitern. Besonders bei Fili, der kurz davor war ungehalten zu ihm zurück zu stapfen und ihn hinter uns her zu zerren. Ich hob aber noch gerade rechtzeitig den Arm und hielt den blonden Burschen auf, ehe er sein Vorhaben in die Tat umsetzten konnte. Dementsprechend fragend musterte mich dieser und öffnete verwirrt den Mund. "Cuna, was tust du? Wir sind in Eile", meinte er und zuckte irritiert mit den Schultern. Ich schüttelte aber nur kurz mahnend mit dem Kopf und murmelte: "Fili. Nicht so vorschnell. Ich weiß, dass wir es eilig haben. Aber da ist etwas, was ihn gerade sehr beschäftigt. Siehst du denn nicht das, was wir sehen?" "Also ich sehe, dass er die ganze Zeit über diese Menschenfrau anstarrt. Was soll daran besonders sein?", fragte Bofur verständnislos und zupfte sich nachdenklich am Bart. Ich seufzte nur genervt und rollte mit den Augen. Die beiden ignorierten augenscheinlich das vollkommen Offensichtliche. Also musste ich sie wohl direkt mit der Nase darauf stoßen. "Schaut euch die Frau doch mal ganz genau an. Fällt euch denn gar nichts auf?", fragte ich doch nach einem erneuten Mustern schüttelten die beiden nur wieder die Bärte. "Jungs. Ernsthaft. Die Haare, die Länge, die Farbe, ihre Körperstatur. Erinnert euch das nicht an eine ganz gewisse Dame, zu der sich Kili mal hingezogen fühlte?", hakte ich ein wenig energischer nach. Wieder schüttelten die Zwei kurz die Köpfe. Bis sie jedoch mit einem Mal inne hielten und ihnen die Kiefer fast synchron einige Etagen tiefer rutschten. "Nein. Nein, Cuna. Nein. Das... Das ist unmöglich. Diese... Diese Frau da... Das kann unmöglich Tauriel sein. Wie soll sie hergekommen sein? Oder glaubst du vielleicht, dass sie gestorben und in deiner Welt als Mensch wiedergeboren wurde?", murmelte Fili und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich schnaubte indessen nur spöttisch und erwiderte: "Mach dich nicht lächerlich. So etwas wie Wiedergeburt gibt es in meiner Welt nicht, auch wenn manche Religionen an so etwas glauben wollen. Wenn irgendwer Tod ist, dass bleibt er das. Zumindest steht das für mich fest. Aber du hast schon recht. Die Frau da ist nicht Tauriel. Sie sieht ihr allerdings recht ähnlich. Ich denke mal, dein Bruder ist im Augenblick vollkommen verwirrt und stellt sich dieselben Fragen wie du mir." Fili nickte knapp nach meiner Erklärung und gab anschließend einen tiefen Seufzer von sich. "Ich denke, du hast recht. Aber was machen wir jetzt mit ihm? Er kann doch nicht die ganze Zeit über da stehen bleiben und diese Frau anstarren", meinte er, wobei nicht nur in seiner Stimme, sondern auch in seinem Gesicht deutlich die Sorge um seinen jüngeren Bruder zu lesen war. Ich hatte mir jedoch bereits einen kleinen Plan zurecht gelegt, den ich auch umgehend in die Tat umsetzen wollte. Oder vielmehr musste, da wir sonst wirklich nicht weiter kamen. "Ich werde mit ihm reden. Er braucht gerade Jemand, der seine Gefühle nachvollziehen kann. Und entschuldigt, wenn ich das sage, aber ihr beide habt leider noch nicht das durchlebt, was er und ich durchmachen mussten", meinte ich entschlossen und entschuldigend zugleich, weil meine Worte doch ein kleinwenig unhöflich klangen. Vor allem, da es sich ja bei Fili um dessen leiblichen Bruder handelte. Dieser warf mir dementsprechend kurz einen recht empörten Blick zu, welchen er aber wenig später in ein verstehendes, ernstes Nicken umwandelte. Bofur sah das Ganze hingegen wesentlich entspannter und murmelte: "Ja, ich denke das wäre wohl das Beste. Viel Glück, Cuna." Ich nickte dem Mützenzwerg ruhig zu, atmete dann noch einmal tief durch und begab mich schließlich zu dem vollkommen versteinerten Kili. Nachdem ich mich diesem ganz langsam genähert hatte, betrachtete ich mir kurz seine Erscheinung. Er war kreidebleich, hatte den Mund einen Spalt breit geöffnet und seine breite Brust hob und senkte sich so rasch, als wäre er soeben einige Kilometer weit gerannt. Kurz gesagt, er stand ganz knapp vor einem kleinen Kollaps. Ich musste also sehr vorsichtig sein. Jede kleine Berührung konnte vielleicht dazu führen, dass er zusammen brach oder vielleicht sogar um sich schlug, wenn ich nicht aufpasste. Ganz behutsam und vorsichtig hob ich eine Hand und versuchte zunächst ganz ruhig mit ihm zu reden. "Kili? Kili, ist alles in Ordnung?", hakte ich leise und ruhig nach, doch wie bereits bei seinem Bruder, reagierte er weder auf seinen Namen, noch auf irgendwelche Fragen bezüglich seiner Person. Ich versuchte es zwar noch einige Male, aber mit guten Worten war dem jungen Zwerg einfach nicht beizukommen. Dann musste ich ihn wohl doch berühren. Notfalls sogar Ohrfeigen, wenn nichts anderes half, dachte ich ein wenig verbittert bei mir und biss mir bereits unbehaglich auf die Unterlippe. Wobei ich Letzteres auch wirklich nur im äußersten Notfall anwenden wollte. Doch das war zum Glück gar nicht erst notwendig. Denn gerade als meine Finger ganz leicht seine Schulter streiften, zuckte der Bursche unwillkürlich zusammen und fuhr erschrocken zu mir herum. Auch ich hatte mich kurz erschrocken und machte einen kleinen Satz nach hinten, um gegebenenfalls einem unerwarteten körperlichen Reflex zu entgehen. Dieser blieb jedoch zu meiner großen Erleichterung aus. Stattdessen blinzelte Kili nur verwirrt und schüttelte dann heftig seine braune Mähne. Nachdem er mich dann wohl endlich erkannte, stammelte er ganz verlegen und verwirrt vor sich hin. "Cuna? Was machst du denn hier? Ich... Ich meine... Wolltest du nicht los und das Grab deines verstorbenen Mannes besuchen?", fragte er und kratzte sich nachdenklich an der Schläfe. Ich schnaufte nur und schüttelte dann mit beflissener Miene den Kopf. "Doch, das hatten wir eigentlich vor. Aber wir wollten nicht ohne dich da hin", erklärte ich ihm knapp, wobei ich eine wegwerfende Handbewegung über die Schulter zu seinem älteren Bruder und Bofur machte. Kili blinzelte einen Augenblick und zuckte mit den Schultern. "Ich... Ich habe euch doch eben gesagt, geht schon voraus. Ich wollte nachkommen, sobald ich mich mit dieser Frau da unterhalten habe", meinte er aufrichtig, wobei er fest davon überzeugt war, dass er genau diese Worte verwendet hatte. Er war allem Anschein nach nicht mehr so ganz bei Verstand. Das musste wohl ein wenig an dem Schock liegen, der ihn beim Anblick der Floristin überkommen hatte. Mich verwunderte das nicht. Sowas konnte immer passieren. Besonders, wenn der Sehnsuchtsschmerz sehr tief saß. Etwas Ähnliches kannte ich aus meiner Vergangenheit. Und ich wusste, wenn ich ihn nicht schnell genug vom Gegenteil überzeugte, würde er sich vermutlich in irgendwelche Dinge hinein steigern, die er nicht mehr kontrollieren konnte. So erklärte ich ihm schließlich schweren Herzens, was wirklich passiert war. "Kili. Du... Du hast nichts gesagt. Du hast einfach nur hier gestanden und diese Frau da drüben angestarrt. Fili hat schon eine ganze Weile nach dir gerufen, aber du hast nicht auf ihn reagiert. Erst als ich dich kurz an der Schulter berührt habe, bist du wieder zu dir gekommen", sagte ich und blickte ihn dabei sehr besorgt an, als sich mit jedem Wort seine Augen weiteten und er skeptisch die Augenbrauen in die Stirn hob. "Nein. Nein ich bin mir sicher, dass ich euch gesagt habe, dass ich nachkommen werde, wenn ich...", stammelte er und gestikulierte wild mit seinen Händen herum. Diese bekam ich allerdings recht schnell zu fassen und hielt sie gut fest, bevor er damit noch irgendwo gegen schlug und sich womöglich verletzte. Danach sah ich ihm sehr ernst und tief in seine rehbraunen Augen, bis er für den Moment zur Ruhe kam und meinen Blick fragend erwiderte. "Kili. Hör mir zu. Du magst im Augenblick denken, dass du das gesagt hast. Aber es war nicht so. Glaub mir, wenn ich es dir sage. Ich weiß, du verstehst es gerade nicht ganz. Ich hingegen schon. Ich weiß, was in dir vorgeht und ich weiß auch, dass du sehr verwirrt und durcheinander bist. Doch die Frau da drüben, ist nicht die, für die du sie hältst. Sie ist nicht Tauriel. Sie ist ein Mensch, der gewisse Ähnlichkeit mit ihr hat. Nicht mehr und nicht weniger", erläuterte ich ihm, doch wie zu erwarten stießen meine ernst gemeinten Worte auf taube Zwergenohren. Er schüttelte noch während ich sprach vehement mit den Kopf und versuchte seine Hände aus meinem Griff zu befreien. "Nein. Nein das ist nicht wahr! Du lügst! Wie kannst du so etwas nur sagen?! Ich meine, du siehst sie doch auch! Sie muss es sein! Ich bin mir meiner ganz sicher! Diese Frau da, das ist Tauriel! Sie muss erfahren haben, dass ich wieder lebe und hier in deine Welt gekommen bin. Und sie ist mir nachgereist. Sie hat nach mir gesucht! Und jetzt ist sie hier. Warum glaubst du mir nicht?!", sagte er, wobei er mich in seinem Wahn fast schon anbrüllte, während er immer wieder verzweifelt vor Sehnsucht sein Gesicht zu dem Blumenladen umwandte. Ich rollte nur leicht genervt mit den Augen und versuchte ihn weiterhin festzuhalten. Er war komplett außer sich. Seine ganze Gefühlswelt klammerte sich so fest an diesen Wunschtraum, dass er die offensichtlichen Tatsachen komplett ignorierte. Dasselbe Problem, welches ich ganz zu Anfang meiner Trauerbewältigungsphase auch hatte. Und ich wusste worin es enden konnte. Gedächtnisverlust und Abschottung von der Außenwelt. Das durfte mit Kili unter keinen Umständen passieren. Doch die einzige Möglichkeit ihm zu viel Schmerz zu ersparen, war ihm das Herz zu brechen. So furchtbar es auch sein mochte. Es war besser, als ihn die ganze Zeit über leiden zu lassen. So fackelte ich nicht lange und fuhr ihn mit einem knappen, energischen "Komm!" an, wobei ich ihn über die Gasse zu der Frau vor dem Blumengeschäft zerrte. Anders als erwartet, ließ er sich bereitwillig mit ziehen, was mir die Sache um einiges erleichterte. Auch wenn er mich mit einem sehr überraschten Blinzeln ansah, nachdem wir bei der Floristen angekommen waren. Die junge Frau war immer noch damit beschäftig ihre Blumentöpfe mit dem Gartenschlauch zu gießen, sodass sie uns erst bemerkte, als ich mich kurz aber laut räusperte. Ein wenig erschrocken fuhr sie zu uns herum und richtete sich ein wenig auf. Für eine Frau war sie wirklich recht groß. Ich schätzte sie auf gut ein Meter achtzig. Aber dafür hatte sie eine doch sehr anschauliche Figur, wie ich neidlos zugeben musste. Und das dachte ich nicht über jede Frau. Ihr Gesicht hingegen war nicht ganz so lang wie der gesamte Körper, sondern eher Herzförmig. Ihre grünblauen Augen strahlten eine freundliche willkommene Wärme aus, nachdem sie Kili und mich kurz betrachtete und anschließend ganz sanft lächelte. "Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie behilflich sein?", fragte sie umgehend, was ich mit einem ernsten Nicken bestätigte. "Ja, das können Sie vielleicht", meinte ich und zog den Jungen Zwerg noch etwas näher an die Frau heran, wobei er es mir dieses Mal nicht ganz so einfach machte. Im Gegenteil. Er war viel mehr kurz davor plötzlich die Flucht zu ergreifen. Das merkte ich allein schon daran, wie sich sein Handgelenk verkrampfte und wieder ein erschrockenes Keuchen von sich gab. Ich hielt ihn jedoch so gut ich konnte davon ab und erläuterte der Floristin mein, beziehungsweise sein persönliches Anliegen. "Also. Also mein Freund hier möchte Sie gerne etwas fragen", sagte ich und zog Kili mit einem Ruck an meine linke Seite heran. Dieser stolperte etwas ungeschickt über den Bürgersteig und hob mit leicht verwirrtem Blick den Kopf. "Ähm.... Ich.. Ich... Wollte... Wollte... Ihr... Euch... Ich...", begann er zu stammeln, woraufhin das Lächeln der Frau ein wenig breiter, aber auch etwas unsicher wurde. "Was kann ich denn genau für Sie tun?", fragte sie nach einigen Minuten, da der junge Zwerg es immer noch nicht schaffte sein Anliegen in klare Worte zu fassen. Schließlich erbarmte ich mich dann mit einem recht genervten Seufzen, der Frau alles zu erklären. "Also, sehen Sie, es ist so. Mein Freund hier glaubt, dass er Sie von irgendwoher kennt. Er meint, dass Sie sich schon mal begegnet sind und wüsste gerne, wie sie heißen und ob sie sich an ihn erinnern", sagte ich kurz angebunden. Nun erhellte sich die Miene der Floristin und sie nickte sehr langsam, als sie verstand was unser kleines Attentat auf sie zu bedeutete. Doch wie ich bereits erwartet hatte, schüttelte sie wenig später den Kopf, nachdem sie Kili noch einmal eingehend musterte und murmelte mit entschuldigender Miene. "Nun, es tut mir wirklich leid. Aber... Aber ich kenne Sie nicht, mein Herr. Sie müssen mich wohl mit Jemandem verwechseln. Wobei ich mir da nicht ganz sicher bin. Ich stehe auch oft auf Wochenmärkten. Vielleicht haben Sie mich ja da mal gesehen. Dann aber nicht mit dem Namen meines Ladens. Vielleicht sagt Ihnen ja 'Yvonnes Blumenwagen' etwas?", hakte sie kurz drauf hoffnungsvoll nach, nachdem sie bemerkte, wie sich Kilis Gesicht vor Enttäuschung und Schmerz verzog. Doch der dunkelhaarige Bursche winkte ab und ließ die Schultern hängen. "Nein. Verzeiht. Ich... Ich habe euch wohl wirklich verwechselt", murmelte er mit tonloser Stimme und wandte sich von ihr ab. Dann schaffte er es sich von mir los zu reißen und eilte ohne ein weiteres Wort zu sagen zu seinem Bruder und Bofur, die immer noch auf uns warteten. Ich seufzte nur und schüttelte betreten den Kopf. Es tat wirklich weh ihm ihn so davonlaufen zu sehen. Aber es war einfach das Beste für ihn. Vielleicht konnte er mir das früher oder später verzeihen, wenn er sich etwas beruhigt und sacken gelassen hatte. Auch Yvonne schien es sehr leid zu tun, dass sie dem Zwerg derart hatte enttäuschen müssen. "Oh weh. Hab ich etwas Falsches gesagt?", fragte sie mich leicht besorgt und stellte den Gartenschlauch ab. Ich zuckte nur mit den Schultern und seufzte erneut. "Nein. Mir war von Anfang an klar, dass er Sie nicht kennen konnte. Aber Sie sehen bedauerlicherweise einer Frau ähnlich, die er einmal sehr geliebt hat. Leider ist sie eines Tages verschwunden, ohne ein Lebenszeichen zu hinterlassen. Seitdem sucht er sie. Er würde Himmel und Erde in Bewegung setzten, um sie wiederzufinden. Bisher war seine Suche und sein Warten erfolglos. Und ich glaube auch nicht, dass er sie jemals wiedersehen wird. Trotzdem klammert er sein ganzes Herz daran. Er schafft es einfach nicht loszulassen", erklärte ich ihr sachlich, woraufhin sie verstehend nickte. "Das ist sehr traurig. Ich verstehe nicht, wie manche Frauen so grausam sein und einen jungen Mann einfach im Stich lassen können. Das hat doch niemand verdient", meinte sie mit sehr angespannter Stimme. Eine kleine Falte bildete sich auf ihrer Stirn und ihre Augenbrauen zogen sich verärgert zusammen, als sie sich ausmalte, wer wohl diese unverschämte Person war, die Kili so schwer verletzt hatte. Ich verzog indessen nur das Gesicht. Sicher, es war nicht schön so von dem Schicksal einer jungen Liebe zu hören. Dennoch konnte ich Tauriel für ihr Handeln da keine Schuld geben. Immerhin war Kili einst Tod gewesen und es hatte keine Hoffnung gegeben, dass er jemals wieder ins Leben zurück gekehrt wäre. Wenn nicht die geheimen Kräfte des Arkensteins die Zwerge zurück geholt hätten, dann wäre ich ihnen ja auch nie begegnet. Folglich musste ich da doch noch eine kleine Sache richtig stellen, ehe ich mich wieder meiner Gruppe anschloss. Zum Glück war ich inzwischen schon recht gut darin, mir Ausreden bezüglich der kleinen Herren auszudenken. So konnte ich Yvonnes düstere Gedanken doch ein klein wenig zerstreuen, als ich ihr die von mir erfundene Lebensgeschichte des Jungen erzählte: "Ach, sehen Sie. So wie Sie denken, war die Sache gar nicht. Mein Freund hatte damals einen fast tödlichen Unfall. Er lag mehrere Wochen und Monate im Koma und die Ärzte hatten ihn bereits aufgegeben. Dass er doch wieder aufgewacht ist, war so gesehen ein kleines Wunder. Von daher verstehe ich ein wenig, dass diese Frau damals so gehandelt hat. Eine halbe Ewigkeit auf einen Mann zu warten, der vielleicht nie wieder aufwachen würde, ist eine ziemliche Belastung. Ich denke man hat ihr einfach irgendwann geraten, dass es das Beste ist sein Leben zu leben, anstatt sich an etwas festzuklammern, wo es keine Hoffnung gibt. Sicher, für den Betroffenen ist es im Endeffekt schwer nachzuvollziehen. Aber ich denke, dass er früher oder später darüber hinweg kommen wird." Nun entspannten sich die Gesichtszüge der Floristin wieder und sie nickte langsam. "Das ist sehr traurig. Aber jetzt wo Sie es sagen, verstehe ich es auch. Es ist nur schade um so einen jungen Mann", erwiderte sie und seufzte schwermütig. Ich zuckte nur gelassen mit den Schultern und wandte mich von ihr ab, da ich das Gespräch nun beenden wollte. "Tja. Das Leben ist kein Wunschkonzert. Danke trotzdem, dass Sie sich Zeit genommen haben", entgegnete ich abschließend und setzte bereits einen Fuß in Richtung der wartenden Zwerge. Doch bevor ich mich richtig entfernen konnte, rief Yvonne mich noch einmal zurück mit den Worten: "Warten Sie bitte!" Ich blieb wie angewurzelt stehen und warf einen fragenden Blick über die Schulter. "Was gibt es denn noch?", hakte ich verwirrt nach. Doch bekam ich zunächst keine Antwort von ihr. Stattdessen beobachtete ich, wie sie plötzlich ihre Blumentöpfe durchforstete. Ich blinzelte leicht verwirrt, als sie nach wenigen Sekunden einen der Kleineren vom Boden aufhob und mir unter die Nase hielt. "Hier. Nehmen Sie die mit", sagte sie schlicht und lächelte breit. Mir klappte kurz verblüfft der Mund auf, als ich die kleinen Blümchen musterte, die mich in ihrem strahlenden Hellblau anlachten. "Vergissmeinnicht?", hakte ich nach, während ich den Topf verwirrt entgegen nahm und Yvonne sachte nickte. "Ja. Es sind die Letzten die ich habe. Eigentlich sollten sie zu dieser Jahreszeit gar nicht mehr blühen. Sonderbarerweise tun sie es aber doch. Geben Sie die Ihrem Freund. Vielleicht hilft es ihm seine Trauer ein wenig zu überwinden", erklärte sie ruhig und lächelte noch breiter, als sie meine sehr entgleisten Gesichtszüge musterte. "Das. Also. Ähm. Wie. Wieviel sollen die denn kosten?", fragte ich verwirrt, nahm dem Topf in eine Hand und wollte schon meinen Geldbeutel zücken. Doch Yvonne hob abwehrend beide Hände und meinte: "Die schenke ich Ihnen. Nehmen Sie sie ruhig mit." Nun konnte ich mir ein breites, verlegenes Grinsen nicht länger verkneifen. Unglaublich. Was für eine herzensgute Frau. In letzter Zeit begegnete ich wirklich den verrücktesten und zugleich fürsorglichsten Menschen, die es wohl in meiner Welt gab. Dass ich nun auch noch Blümchen geschenkt bekam, auch wenn sie eigentlich für Kili bestimmt waren, war schon ein ziemlicher Hammer, den ich irgendwie verdauen musste. Genauso wie das flaue Gefühl in meinem Magen, der sich ebenso wie die Zwerge ungeduldig knurrend meldete. "CUNA! WAS TREIBST DU DA SO LANGE?! KOMM! WIR HABEN HUNGER!", brüllte Fili ungehalten die Straße hinunter, was mich zusammenzucken ließ. "Oh... Entschuldigen Sie. Ich... Ich muss los. Danke für die Blümchen. Ich denke, Kili wird sich darüber freuen", sagte ich und drehte mich dann wieder von ihr weg. "Nichts zu danken. Gern geschehen. Kommen Sie doch wieder mal bei mir vorbei, wenn Sie etwas brauchen", meinte sie und winkte mir zum Abschied hinterher. Auch ich winkte kurz nach hinten und beeilte mich, dass ich schnell hinter den kleinen Männern her kam. Diese hatten in der Zwischenzeit die Bäckerei an der nächsten Ecke gefunden, zu der ich sie ursprünglich bringen wollte. Als ich sie schließlich mit dem Topf unter dem Arm erreichte, grinste ich immer noch breit, obwohl sie mich ein klein wenig verwirrt musterten. Nun ja eigentlich nur Bofur und Fili. Kili schaute die ganze Zeit nur auf seine Füße und seufzte von Zeit zu Zeit. "Was hast du da noch so lange gemacht? Und was sollen diese lächerlichen Blumen da bedeuten?", fragte Fili ungeduldig und deutete auf den Topf. "Alles nacheinander. Zunächst mal was anderes", meinte ich und ging mit den Vergissmeinnicht auf Kili zu. Dieser hob betreten den Kopf, als ich vor ihm stand und zog verwundert die Augenbrauen nach oben, nachdem ich ihm diese reichte. Ein wenig verwirrt drehte er den Topf in seinen Händen und musterte abwechseln die Blumen und mich. "Was ist das? Was soll ich damit?", fragte er ein wenig abwertend und wollte sie wieder an mich zurück reichen. Ich schüttelte aber nur den Kopf und schenkte ihm ein tröstliches Lächeln. "Das sind Vergissmeinnicht. Die Blumenfrau hat sie mir für dich gegeben. Sie sollen dich immer daran erinnern, dass es mal Jemanden in deinem Leben gab, der dich sehr geliebt hat. Und wenn du sie ansiehst, können sie dich vielleicht ein wenig über den Verlust der geliebten Person hinweg trösten", erklärte ich ihm ruhig. Zunächst schien er damit aber nicht wirklich etwas anfangen zu können, da er den Blumentopf weiterhin unschlüssig von links nach rechts drehte. Doch dann erhellte sich sein Gesicht, nachdem er die hellblauen Blüten näher betrachtet hatte und ein jugendliches und sonniges Lächeln trat auf seine Lippen. "Danke, Cuna", meinte er schlicht, löste eine Hand von dem Topf und ehe ich mich versah, schlang er seinen Arm um meine Hüfte und drückte mich fest an sich. Ich musste während dessen zwar erschrocken keuchen und anschließend nach Luft schnappen, aber dass er wieder lachen konnte, war für mich das Wichtigste. Allein dafür hatte es sich gelohnt, dass wir diese kleine, beschauliche Gasse entlang geschländert waren. So verschwanden wir kurz in der kleinen Backstube, wo wir uns kurz mit einigen Leckereinen eindeckten und zu guter Letzt unseren Weg fortsetzten. Denn dieser würde trotz der wieder aufgekommenen, guten Stimmung, kein leichter werden. - 100. Sag's durch die Blume / ENDE - Kapitel 101: 101. Wenn Herzen sich wandeln ------------------------------------------ Mit halbwegs guter Stimmung und vollgepackt mit einigen belegten Brötchen, verließen die Zwerge und ich nach einigen Minuten Fußweg die alte Marktstraße. Die Damen in der Bäckerei hatten ganz schön große Augen gemacht, als unsere Gruppe in den Laden gekommen war und meine drei Begleiter postwendend die halbe Auslage leerkaufen wollten. Ich hatte sie gerade noch so davon abhalten können neben den Brötchen zusätzlich auch noch ein ganzes Blech Mandarinen-Käsekuchen einpacken zu lassen. Schließlich wollten wir ja nur eine Kleinigkeit essen. Wobei Kleinigkeit bei Zwergen offenbar wirklich als relativ betrachtet werden konnte. Während diese nämlich jeweils eine schwere volle Tüte auf den Armen trugen und munter schmatzend die Straße entlang gingen, war ich bereits nach Zweien fürs Erste satt. Die kleinen, bärtigen Männer stopften sich unterdessen immer noch eines nach dem anderen in den Mund, bis irgendwann alle aufgebraucht waren. Ich konnte bei dem Anblick nur den Kopf schütteln und murmelte: "Unglaublich. Wo stopft ihr das Zeug nur hin? Soviel kann doch kein Normalsterblicher essen." Die Jungs begannen auf meinen Kommentar hin herzhaft zu lachen. "Daff liegt daran, daff wir keine Normalpfterblichen find, Cuna. Wir pfind Pfwerge", meinte Bofur mit vollgestopften Backen und grinste breit. Das ließ ihn ein bisschen aussehen wie einen Hamster, weshalb ich mir ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen konnte. "Trotzdem wundert es mich, dass ihr trotz eurer Körpergröße so viel futtern könnt. Wenn das jeden Tag so geht, bin ich innerhalb von einer Woche pleite, weil ihr mir die Haare vom Kopf gefressen habt", entgegnete ich gelassen. "Das wäre doch mal ein netter Anblick. Zumindest würdest du immer noch besser aussehen wie Dwalin", meinte Fili und zwinkerte mir frech zu. Ich schnaubte nur und verzog daraufhin beleidigt den Mund. "Besser auszusehen wie Dwalin ist ja wohl kein Kunststück. Das schafft selbst ein Hobbit. Ich meine, stellt euch den mal in Frauenkleidern und mit seinem übelgelaunten Gesichtsausdruck vor. Das wäre wirklich unheimlich", entgegnete ich und schauderte ein wenig, als ich mir dies tatsächlich vorstellte. Es war zum Einen ein wirklich erschreckender, aber zum Anderen auch ein unsagbar witziger Gedanke. Dieser muskelbepackte, kahlköpfige Krieger in einem dieser hautengen flitter-glitzer-schicki-micki-Kleidern, welche viele der Sängerinnen meiner Welt häufig trugen. Gut, zugegeben er würde gewiss einem ganz bestimmten Österreicher gewaltig Konkurrenz machen, der den Nachnamen eines bestimmten Fleischproduktes trug. Vor allem da ich wusste, dass die Zwerge allesamt gut singen konnten. Aber nein, DAS wollte ich mir unter keinen Umständen ausmalen. Dieser vor Kraft strotzende, kleine Kerl, bei einem Gesangswettbewerb, in einem so albernen Kleid. Nein, nein, nein. Das ging unter keinen Umständen. Nicht mal in tausenden von Jahren. Wobei meine drei Begleiter plötzlich bei der Vorstellung, die sie sich wohl davon machten, gleichzeitig grinsen mussten. "Also, so abwegig ist dieser Gedanke von dir gar nicht", meinte Bofur und zupfte sich verträumt am Bart. Leicht irritiert hob ich eine Augenbraue und musterte den Zwerg zu meiner Rechten ungläubig. "Was soll das denn jetzt heißen?", hakte ich daraufhin interessiert nach, weil mich seine Aussage doch irgendwie neugierig gemacht hatte. "Ja, weißt du, es gab da so eine Sache, die..." begann er, doch bevor er weiter sprechen konnte, fiel ihm Fili, der einige Schritte vor uns her ging, mit einem mahnenden Blick über die Schulter hinweg ins Wort.“Sei still! Das soll sie doch nicht wissen!", zische er ihm ein wenig aufgebracht zu. Daraufhin schlug sich Bofur kurz erschrocken mit einer Hand auf den Mund und schüttelte heftig den Kopf. Das Dumme an dieser Aussage war nur, dass meine Neugier damit noch mehr geweckt wurde. Irgendetwas musste im Reich der Götter vorgefallen sein, worüber sie mit mir nicht reden durften, das ganz offensichtlich mit Dwalin und vielleicht sogar mit einem Kleid zu tun hatte. Doch wie ich wusste, würden mir die Drei auf eine direkte Nachfrage hin nichts sagen. So schlussfolgerte ich einfach laut vor mich hin murmelnd herum, in der stillen Hoffnung, dass sie mir dabei auf den Leim gingen und mit der Sprache rausrückten. "Also, Dwalin hat einen geheimen Fetisch für Kleider. Ist ja sehr interessant", meinte ich, wobei ein süffisantes Grinsen meine Lippen umspielte. Und wie zu erwarten schnappte meine kleine Falle zu. Denn nun blieben die Herren kurz stehen und schüttelten mit verwirrten Gesichtern die Köpfe. "Was? Nein. Dwalin würde sich niemals freiwillig wie eine Frau kleiden. Dafür ist er viel zu Stolz", kam es umgehend von Kili. "Dann hat er wohl eine Wette verloren und musste deshalb eines anziehen?", fragte ich ruhig und grinste noch breiter, als sie erneut die Bärte schüttelten. "Nein. Nein, so war das wirklich nicht. Er... nun ja... Es ist jedenfalls nicht so wie du denkst. Vergiss einfach was Bofur gesagt hat und lass uns weiter gehen", meinte Fili und hob hastig beschwichtigend eine Hand. Ich rührte mich jedoch nicht vom Fleck, als die Herren Anstalten machten weiter zu ziehen. Stattdessen tippte ich mir mit einem Finger und gespielt grübelnder Miene ans Kinn, während ich einfach nach oben zum grau bewölktem Himmel schaute. "Hrm... Fassen wir mal zusammen. Dwalin hat ein Kleid angezogen. Aber nicht freiwillig. Hat auch keine Wette verloren. Aber es geht dabei irgendwie um mich, weshalb ihr mir das nicht sagen dürft. Dann hat es vermutlich etwas mit der bevorstehenden Hochzeit von Thorin und mir zu tun", beendete ich meine Schlussfolgerungen und wartete bereit gespannt auf die Reaktionen meiner Begleiter. Diese kam auch prompt, indem sie alle drei gleichzeitig ein leidendes, genervtes Stöhnen von sich gaben und mit den Augen rollten, ehe sie sich mir zuwandten. "Na großartig. Danke Bofur. Jetzt weiß sie es schon!", fuhr Fili den Mützenzwerg ungehalten an, welcher nur unschuldig mit den Schultern zuckte. "Was denn? Was weiß ich?", fragte ich und setzte eine lammfromme, unschuldige Miene auf. Doch ich wurde indessen vollkommen von den Herren ignoriert, da unter ihnen plötzlich ein kleiner Streit losbrach. Bofur ließ es sich nämlich gar nicht gefallen, dass der Jungspund ihn so anfeindete und konterte dementsprechend barsch: "Ich habe nichts gesagt. Sie ist von selbst darauf gekommen." "Du hättest gar nicht erst auf ihre Worte eingehen dürfen! Das sollte ein Geheimnis bleiben! Thorin hat uns wieder und wieder dazu angehalten ihr gegenüber Stillschweigen zu bewahren", warf Kili ebenso aufgebracht ein und fixierte Bofur scharf und wütend mit seinen rehbraunen Augen. Dieser verzog beleidigt den Mund und schnaubte verächtlich. Dass er nun Schuld an etwas haben sollte, was in seinen Augen wohl nur eine kleine Nebensächlichkeit war, schmeckten dem sonst so gut gelauten Zwerg gar nicht. Besonders weil ihn die beiden Brüder derart bedrängten und runter machten. "Ich wollte sie nach den letzten schweren Stunden nur etwas zum Lachen bringen. Ihr habt euch doch auch sehr darüber amüsiert, als ihr davon erfahren habt. Was ist daran denn verwerflich?", fragte er und verschränkte trotzig die Arme vor der breiten Brust. Wieder stöhnten die beiden Brüder genervt, bevor der Ältere auf Bofurs Frage einging. "Darum geht es doch gar nicht. Dass du sie zum Lachen bringen wolltest, ist nicht das Problem. Auch nicht, dass wir es amüsant fanden. Es sollte eine Überraschung für sie werden", raunte Fili seufzend und rollte erneut mit den Augen. "Ihr wolltet mir Dwalin in einem Kleid zur Hochzeit schenken?", warf ich kichernd dazwischen und musste mich schwer zusammen reißen, dass ich bei meiner eigentlich sehr dummen Frage, nicht wirklich noch anfing haltlos drauf los zu lachen. Mein Einwurf ließ sie allerdings kurz ihre Streitigkeiten untereinander vergessen, weshalb sie ihre Blicke wieder auf mir ruhen ließen. Doch zunächst antwortete sie nicht. Sie schienen unschlüssig zu sein, ob sie es mir nun das große Geheimnis verraten sollten oder nicht. Dann beschlossen sie aber doch mit verschwiegenem, aber geschlagenen Nicken zu den jeweils Anderen, dass es keinen Sinn mehr hatte noch länger mit der Wahrheit hinter den Erebor zu halten. So trat Fili mit einem leicht zerknirschten Gesichtsausdruck an mich heran und erklärte mir endlich, weswegen sie so aufgebracht reagiert hatten. "Nun, Cuna. Schwesterchen. Hör zu. Wir sollten es dir eigentlich nicht erzählen, weil Thorin dich damit überraschen wollte. Aber nun hast du es ja beinah erraten und... Dann können wir es dir auch sagen. Also... Nun ja. Es geht um die geplante Vermählung zwischen dir und unserem Onkel. Er... er wollte ein angemessenes Kleid für dich anfertigen lassen, welches du an jenem Tage tragen solltest. Es ist auch bereits fertig. Nur wissen wir eben noch nicht, ob es dir passt", sagte er ruhig und kratzte sich dabei verlegen am Hinterkopf. Ich blinzelte indessen nur ungläubig und leicht verwirrt. Dass Thorin tatsächlich für mich ein Brautkleid hatte anfertigen lassen, konnte ich gerade noch so nachvollziehen. Ich fand es auch wirklich süß von ihm. Und es tat mir nun ein bisschen leid, dass ich seine Neffen und Bofur dazu genötigt hatte, mir von der Sache zu erzählen. Er machte sich solche Mühe, es vor mir geheim zu halten, weil er mich damit überraschen wollte. Allerdings erschloss sich mir immer noch nicht, was das nun alles mit Dwalin zu tun haben sollte. Obwohl ich unterbewusst irgendwie schon so eine Ahnung hatte, was denn geschehen war. Schon allein Bofurs leicht verschmitztes Grinsen deutete an, dass die Suche nach einer geeigneten Person, die für ein solches Kostümchen Modell stehen sollte, nicht gerade leicht gewesen war. Immerhin gab es in Mittelerde keine Kleidung von der Stange, wie in meiner Welt. Dort wurde ja alles noch von Hand hergestellt. Noch dazu befanden sich die Zwerge nicht direkt in Mittelerde, sondern in ihrem Göttereich, wo es hauptsächlich nur von Elben wimmelte. Diese hatten definitiv nicht mal im Ansatz meine Statur und Größe. Noch dazu würde sich keine diese erhabenen Lichtgestalten unter diesen Umständen darum bitten lassen, für das Kleid der Braut des Zwergenkönigs, Modell zu stehen. Gerade die sollten ja nicht einmal erfahren, dass ich überhaupt im Leben des Zwergenkönigs existierte. Gut, das war, inzwischen sowieso hinfällig. Sie waren ja in meine Existenz eingeweiht. Aber von den Elben einmal abgesehen, gab es sonst keine Wesen im Reich der Götter, welche mich angemessen hätten vertreten können. Folglich war Thorin wohl nur zu der einen, für ihn vernünftigen Lösung des Problems gekommen. Einer seiner Männer hatte sich und seinen Stolz opfern müssen, um seinem Wunsch nachzukommen. Und welcher wäre da naheliegender, als der kahlköpfige, breitgebaute Krieger, der alles für seinen König tun würde, wenn dieser es ihm befahl. Doch um ganz sicher zu gehen, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag, musste ich mit einem ungemein breitem Grinsen, noch einmal bei den dreien nachhaken. "Hab... Ich euch richtig verstanden? Thorin hat für mich ein Kleid anfertigen lassen und... Und Dwalin musste dafür... Modell stehen?", fragte ich behutsam, woraufhin sie einstimmig nickten. Das Einzige was mir nach ihrer Reaktion aus dem Mund kam war ein überlautes ungläubiges: "Nein!" "Wir haben es mit eigenen Augen gesehen. Du kannst uns glauben, Dwalin sah nicht gerade sehr glücklich dabei aus", meinte Kili, der nun seinerseits anfing sehr breit zu grinsen. Völlig perplex blinzelte ich einen Zwerg nach dem anderen an und klappte den Mund immer wieder auf und zu. Das konnte nicht wahr sein. Sie mussten mich auf den Arm nehmen mit dieser an den Barthaaren herbeigezogenen Geschichte. Denn egal wie nah und treu der kahlköpfige Krieger seinem König stand, DAS hätte er doch niemals mit sich machen lassen. Noch dazu während die Anderen davon Wind bekommen hatten. Unmöglich. Andererseits wusste ich inzwischen, wie Thorin sich die ganze Zeit über im Reich der Götter aufgeführt und verhalten hatte, damit alles seinen Vorstellungen entsprach. Es musste also wirklich so abgelaufen sein, wie es mir die Drei berichteten. Als sich das Ganze dann auch noch zu einem sehr lebhaften Bild in meinem Kopf zusammen setzte, konnte ich nicht mehr an mich halten und brach in schallendes Gelächter aus, sodass mir beinah auch noch Bofurs Mütze vom Kopf fiel. Mein Lachen war wohl unter anderem auch noch so ansteckend, dass meine Begleiter laut und herzlich mit lachten. Es dauerte sogar einige Minuten bis wir uns wieder halbwegs beruhigt hatten und ich mir die Tränen aus den Augenwinkeln wischen konnte. "Ach... Ach du heiliges Schnitzel! Ich... Ich... Oh Gott. Ich kann nicht mehr! Das ist ja herrlich. Ich glaube ich kann Dwalin von jetzt an nicht mehr ernst ins Gesicht sehen, ohne daran denken zu müssen", murmelte ich kichernd und schüttelte mich immer noch. Dabei musste ich jedoch aufpassen, dass ich nicht von meiner eigenen lebhaften Fantasie übermannt vom Bürgersteig fiel. Zu meinem Glück stand Kili links von mir, weshalb ich bei dem Versuch mich aufrecht hinzustellen, etwas gegen ihn stolperte. "Oh ha. Vorsicht Cuna. Ich hätte fast die Blumen fallen gelassen", meinte er ein wenig erschrocken und klammerte sich fest an seinen Topf mit den Vergissmeinnicht. "Entschuldige. Sind die Blumen noch heil?", fragte ich tief durchatmend und musterte den Zwerg zusammen mit dem Geschenk der Floristin. Dieser schmunzelte mich jedoch sachte an, als ich unsere Blicke kreuzten und nickte kurz, ehe er antwortete: "Ja. Es ist nichts passiert. Achte nur etwas auf deine Schritte. Ich möchte nicht, dass sie kaputt gehen." Ich erwiderte das Nicken mit entschuldigender Miene und schaute anschließend nach Vorne. Als ich aufblickte musste ich feststellen, dass es bis zum Friedhof nicht mehr allzu weit sein konnte. Ich sah bereits von Weitem die steile Querstraße, welche, wie ich wusste, nach oben zum Kirchhofshügel führte. Schlagartig war bei mir die gesamte gute Stimmung wieder dahin. Das fiel auch den Zwergen auf, die mich die ganze Zeit über beobachtet hatten. "Cuna? Was... Was hast du?", fragte Bofur, als dieser meine sich anspannenden Gesichtszüge musterte. "Wir... Wir sind bald da, Jungs", murmelte ich etwas abwesend und deutete mit ausgestrecktem Arm die Straße hinauf. Die Herren folgten meinem Wink und brummten dann unverständliche Worte vor sich hin, bis Fili ruhig und ernst an alle gewandt meinte: "Dann sollten wir weiter gehen." Ich nickte mit einem betretenen Schnaufen und setzte meinen Weg flankiert von den kleinen, bärtigen Männern fort. Das ein einziger Wimpernschlag reichte um sämtliche Glücksgefühle aus meinen Gedanken zu verbannen, war wirklich lästig. Und ich hasste meine verdammten Emotionen dafür, dass sie mir diese Stimmung verdarben. Denn eigentlich hätte ich diese gute Laune zur Abwechslung einmal gebrauchen können. Aber nein. Ich musste mal wieder zu einem dieser Sonderlinge mutieren, die nicht nur sich selbst, sondern auch alle Umstehenden in ihr tiefes Loch mit hinein zogen. Und das auch ganz ohne viele Worte. Da reichte schon meine blpße Anwesenheit. Besonders tat es mir in diesem Moment um meine Begleiter unglaublich leid, weil sie ja zumindest versucht hatten mich so gut sie konnten aufzumuntern und nun mit angespannten Gesichtern neben mir her gingen. Im Endeffekt war also die ganze Aktion, auf gut Deutsch gesagt, für die Katz gewesen. Denn sobald ich mich diesem unliebsamen Ort näherte, überkam mich stets ein bedrückendes und sehr beklemmendes Gefühl. Es war, als würde ich auf etwas Endgültiges und unwiederbringliches zugehen. Eine Sackgasse aus der es für mich kein Entrinnen gab. Und dennoch setzte ich wie gewohnt langsam einen Fuß vor den anderen. Es war wirklich zum Kotzen. Wieso musste ich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt wieder in Depressionen verfallen? Ich hatte doch gar keinen ersichtlichen Grund dafür. Alles hatte sich verändert. Ich hatte eine neue Liebe in mein Leben gelassen. Auch wenn es mit dieser im Augenblick nicht gerade einfach war. Es gab einen anderen Mann in meinem Leben, an dem mein ganzes Herz hing. Warum zum Teufel fühlte ich mich immer noch so schlecht, wenn ich an meinen Verblichenen dachte? Wieso zitterte mein gesamter Körper bei jedem Schritt? Ich hatte doch beschlossen meine Trauer endlich zu begraben. Ich wollte ein neues Leben beginnen. Mich nicht mehr an die Schrecken der Vergangenheit klammern. Und trotzdem verfolgten sie mich weiterhin. Die Bilder, die ich die meiste Zeit über in meinen Hinterkopf verdrängte, kamen erneut hervor. Sie vernebelten meinen Verstand und ließen die Welt um mich herum, wie in einem unheimlichen Horrorfilm ablaufen. Ich konnte nicht wirklich einordnen, was mich langsam versuchte zu übermannen. Aber was es auch war, es engte mich mehr und mehr ein. Nachdem wir an der nächsten Ecke nach rechts abbogen, um den Hügel zum Eingangstor hinauf zu stiefeln, schluckte ich einige Male und senkte den Blick auf den Bürgersteig. Ich brauchte nicht wissen wo ich hin lief. Die Strecke kannte ich in- und auswendig. Obwohl ich für gewöhnlich einen anderen Weg ging. Doch es war im Nachhinein egal welchen ich nahm. Jedes Mal wenn ich die Hälfte des Hügels allein zu Fuß gegangen war, wurden mir irgendwann die Beine schwer wie Blei und in meiner Brust zog sich ein fester Knoten zusammen. So auch an diesem trüben Tag. Es war lange her, dass ich dort gewesen war. Einige Wochen oder um genau zu sein, zuletzt als ich mit Thorin, Gloin, Bifur, Nori und Dwalin die zertrümmerten Überreste des alten Grabmales zusammengesucht hatte. Da ging es mir allerdings wegen anderer Umstände nicht gerade gut. Und ich hoffte, dass ich diesen nicht schon wieder begegnen musste, als ich schweigend mit den Zwergen die Straße überquerte und durch die Pforte schritt. Ich flehte innerlich zu allen möglichen Göttern, dass SIE nicht da waren. Besonders, wo ich wieder in so auffälliger Begleitung unterwegs war. Noch eine Konfrontation zwischen den kleinen Herren und meiner werten Ex-Schwiegermutter, konnte ich gerade an diesem Tag nicht gebrauchen. Wenn sie da oben am Grab wäre und wieder streitlustig über sie herzog, dann würde ich vermutlich endgültig ausrasten. Seit der letzten unliebsamen Begegnung mit ihr, hatte ich nichts mehr von diesen Herrschaften gehört. Woüber ich dementsprechend sehr dankbar war. Es endete sowieso stets damit, dass ich am Ende die Dumme war. Doch wusste ich nicht, ob ich mir ihre Sticheleien auch dieses Mal gefallen lassen konnte, wo ich ohnehin schon ein sehr schwaches Nervenkostüm hatte. Vermutlich würde ich nicht mal die Kraft aufbringen, um die drei Zwerge davon abzuhalten, ihr die Leviten zu lesen, sollte sie tatsächlich am Grab warten. Nein. Ich war mir sicher, dass ich es nicht schaffen konnte. Dafür fühlte ich mich in diesem Moment einfach viel zu schwach und angreifbar. Und auch wenn ich die Männer um mich herum nicht mehr ansah, wusste ich dass sie mich die ganze Zeit über im Auge behielten und mein Verhalten wachsam beobachteten. Ein kühler Wind wehte uns plötzlich um die Ohren und blies dabei vereinzelt das Wasser von den Blättern der noch übrig gebliebenen Bäume auf uns hinunter. Irgendwo in der Ferne konnte ich einige Krähen rufen hören, deren Stimmen nicht gerade zu einer guten Atmosphäre beitrugen. Das äußerte auch Bofur, der ein wenig abwesend vor sich hin murmelte: "Mahal. Hier sieht es aus, wie auf einem Schlachtfeld." Ich hob ganz langsam den Kopf und brummte ihm bestätigend zu, als ich mir einen flüchtigen Überblick der Umgebung verschafft hatte. Nach dem großen Sturm, der rund Dreiviertel der gesamten Bepflanzung eingefordert hatte, wurde immer noch aufgeräumt. Überall standen kleine Bagger und Transporter herum, welche neue Setzlinge geladen hatten. Von den Arbeitern, sah man allerdings nicht das gerinste. Entweder machten sie pause oder kamen wegen dem schlechten Wetter nicht. So oder so würde ihre arbeit nicht viel bewirken können. Bis dieser Ort wieder so aussehen würde wie früher, gingen bestimmt noch einige Jahre ins Land. Auch viele der bereits Jahrhunderte alten Gräber und Mausoleen mussten wieder hergerichtet oder komplett erneuert werden. Das ging natürlich nicht innerhalb von wenigen Wochen. Besonders, da viele wieder werden sollten, wie vor dem Unwetter. Bei den jüngeren Gräbern ging das wesentlich einfacher. Diese bestanden aus weit billigerem Material, welches die Nachkommen und Angehörigen schneller beschaffen konnten. So auch der bereits erneuerte Grabstein meines Mannes, welcher trotz des trüben, grauen Wetters strahlend Weiß in der Ferne zu uns herüber blitzte. Wobei es sich bei näherer Betrachtung nicht direkt um einen Grabstein handelte, sondern vielmehr um einen neuen Sockel, aus dem bereits wieder einige stählerne Vorrichtungen herausragten, die wohl für eine neue Statue bestimmt waren. Hoffentlich nicht wieder so ein lächerlicher Marmorengel, dachte ich leicht verbittert mit einem abfälligen Schnauben. Schwiegermütterchen war wirklich unbelehrbar. Sie wusste doch genau, wie kostspielig solche Sachen waren. Doch anstatt eine Sache einfach mal schlicht zu halten, musste sie immer wieder übertreiben. Natürlich zum Leidwesen ihres Mannes, der für alles aufkommen musste, da sie ja nichts mehr beisteuern konnte. Ein Glück nur, dass sie nicht da war, als wir eintrafen. So löste sich zumindest einer der Knoten in meiner Brust. Dafür zog sich ein anderer wesentlich enger im mein Herz und mein Körper begann erneut heftig zu zittern. Merkwürdig. Sonst war es mir doch nicht so gegangen, wenn ich an diesen Ort gekommen war. Warum spürte ich auf einmal ein so unangenehmes Kribbeln in meinem Nacken? Wieso wurden meine Hände plötzlich ganz klamm und schwitzig? Auch das Atmen fiel mir immer schwerer und meine Beine ließen mich nur noch stolpernd Vorwärts laufen. Mein Pulsschlag hämmerte das Blut rasend schnell durch meine Venen, als wäre ich auf der Flucht vor einem gewaltigen Monster. Mir wurde regelrecht übel davon. In meinem Kopf drehten sich die Gedanken und Fragen, was plötzlich in mich gefahren war. Dann blieb ich mit einem Mal stehen. Einfach so. Ohne ersichtlichen Grund. Und egal wie sehr ich mich dabei innerlich anschrie und anflehte weiter zu gehen, ich konnte es nicht. Ich konnte da nicht hin gehen. Ich konnte den Ort nicht betreten, den ich in der Vergangenheit schon so oft ohne die geringsten Regungen aufgesucht hatte. Himmel, Gesäß und Nähgarn! Das konnte doch nicht mein Ernst sein! Bitte keine Panikattacke! Nicht in diesem Augenblick! Ich hatte es doch immer geschafft. Wieso hielt mich mein Körper davon ab etwas so gewöhnliches zu tun? War es vielleicht, weil ich bereits zu lange damit gewartet hatte wieder herzukommen? Oder lag es an etwas anderem? An etwas, dass mit der Veränderung in meinem Leben zu tun hatte? Wieso hatte ich nur... Wieso... hatte ich... plötzlich diese... "Cuna? Cuna, ist alles in Ordnung mit dir?", hörte ich Filis Stimme besorgt von rechts kommen und spürte wenig später eine kräftige Hand meine Schulter drücken. Ich zuckte erschrocken mit einem kurzen Aufschrei zusammen und riss mich ruckartig von dem blonden Zwerg los. Dieser hob verwirrt eine Augenbraue in die Stirn und musterte mich leicht betreten. Auch die anderen beiden schienen nicht recht zu verstehen, was so unerwartet in mich gefahren war und legten fragend die Köpfe schief. Erst nachdem ich eine Zeit lang tief durchgeatmet und mir mit meinen zitternden Fingern über das Gesicht gewischt hatte, wurde mir wieder bewusst, dass ich ja gar nicht allein auf den Friedhof gegangen war. Ich hatte die Zwerge vollkommen aus meinen Gedanken verbannt und war der festen Überzeugung gewesen, dass ich ganz allein an diesen Ort gekommen war. Ebenso, wie ich es von Früher her kannte. Doch sie waren da. Alle drei. Kili, Fili und Bofur. Und es freute mich zu einem gewissen Teil, dass sie bei mir waren. Vermutlich hätte ich sonst noch Stundenlang auf der Stelle gestanden, ohne einen Schritt weiter zu gehen. Vielleicht wäre ich auch irgendwann einfach gegangen. Das wusste ich nicht. Sicher war nur, dass ich die Herren mit einem Aufschrei wohl ziemlich verstört hatte. "Bei Durins Bart. Was ist mit dir, Schwesterchen? Wieso schreist du, als sei Azog hinter dir her?", fragte Kili nach einigen Minuten vorsichtig und trat näher an mich heran. Ich schüttelte nur knapp den Kopf, um wieder klar denken zu können, ehe ich ihm mit leiser, abwesender Stimme antwortete: "Nichts. Nichts. Alles... Alles gut... Ich... Ich war nur gerade. ähm... nur in Gedanken. Das ist... alles." "Das haben wir gesehen. Aber es scheinen keine besonders schönen gewesen zu sein. Du bist kreidebleich geworden und zitterst seit geraumer Zeit am ganzen Leib", stellte Bofur ruhig fest und beugte sich nach unten, um seine Mütze vom Kiesweg aufzuheben. Diese musste mir wohl bei meiner heftigen Reaktion vom Schädel gerutscht sein. Ich schnaufte noch ein paar Mal und schüttelte ein weiteres Mal erschöpft den Kopf. "Ja... Nein... Ich... Ich weiß nicht genau an was ich gedacht habe... Ich... Ich verstehe es selbst nicht so ganz...", stammelte ich und wischte mir fahrig über das Gesicht. So langsam beruhigte sich mein Herzschlag und meine Atmung wieder. Doch das ungute Gefühl in meiner Brust blieb weiterhin bestehen. Es wurde sogar wieder stärker, als ich mich einen Moment von den Zwergen abwandte und zu dem unfertigen neuen Grabmal herüber sah. Doch nachdem sie mich aus meiner Gedankenwelt herausgeholt hatten, konnte ich dieses endlich bestimmen. Es war Angst. Nur, wovor hatte ich so eine Angst? Bestimmt nicht, dass sich die Toten aus ihren Särgen erhoben. Bis Halloween dauerte es noch einige Wochen und es war helllichter Tag. Eine Neuauflage von 'The Walking Dead' konnte ich daher schon mal als Grund für meine Gefühle ausschließen. Nein. Das konnte es nicht sein. Es war etwas anderes. Vielleicht etwas ganz Simpels. Allerdings kam ich nicht direkt darauf. Es musste einen anderen Zusammenhang geben. Vielleicht hing es an Dingen, die mir erst vor kurzen zugestoßen waren. Da gab es allerdings nicht viel. Ich ging nacheinander alle Ereignisse durch. Angefangen bei den Jüngsten. Der Weg durch die alte Marktstraße, Kilis Gefühlsdrama, mein Ausraster, der Arztbesuch, der Weg zum Arzt, das Erwachen am Morgen. Alles Dinge, die mich an diesem Tag ungemein belastet hatten. Aber daran konnte es nicht liegen. Ich musste weiter suchen. Dann stieß ich unwillkürlich auf ein Ereignis, welches am vergangene Tag stattgefunden hatte und blieb schließlich vollkommen daran hängen. Es war die eine Sache, die dem Ganzen einem Sinn verlieh. Oder vielmehr die Person, weswegen ich mich zu diesem Zeitpunkt so unwohl fühlte. Thorin. Es war schlichtweg und ergreifend Thorin. Oder vielmehr seine Liebeserklärung mir gegenüber. Genau diese war es, die mich plötzlich so blockierte. Sie gab mir das Gefühl, dass ich nicht den Friedhof hätte betreten dürfen. Dass ich gar nicht erst auf die Idee hätte kommen sollen, das Grab eines Mannes aufzusuchen, den ich vor ihm geliebt hatte. Und da war noch mehr außer der angst. Es war schuld. Ich fühlte mich schuldig gegenüber dem Mann, dessen lebloser Körper bereits seit knapp zwei Jahren gut drei Meter unter der Erde lag und langsam in seinem Sarg vor sich hin verweste. Nunja, er war eigentlich gar keine Person mehr, wegen der ich mich hätte schuldig fühlen müssen. Er war, wenn ich es genauer betrachtete, nur noch eine leere, fleischliche Hülle. Ohne Gefühle, ohne Herzschlag, ohne Atmung. Er war... Ja, er war Tod. Wie kam ich nur auf den Gedanken, dass ich immer noch bei ihm den Trost fand, den ich brauchte? Er konnte ihn mich doch gar nicht mehr geben. Und wieso dachte ich auf einmal so abgeklärt und distanziert über ihn? War er mir denn ganz egal geworden? Ich hatte ihn doch geliebt. Genau wie ich nun den Zwergenkönig liebte. Aber war es wirklich genauso? War es das Selbe? Das gleiche Gefühl von Liebe, das ich für sie Beide empfand? Für zwei Männer, von denen einer nicht mehr da war und der andere Wiederauferstanden von den Toten? Ging das überhaupt? Konnte ein Mensch wie ich denn zwei so unterschiedliche Personen, die sich doch irgendwie vom Charakter her glichen, gleichzeitig lieben? Das war, wenn ich es logisch betrachtete, schier unmöglich. Einfach unvereinbar. Und dennoch waren weiterhin solche Empfindungen in meinem Herzen vorhanden. Aber weit schwächer als noch vor über einem Monat. Denn egal wie lange ich versuchte mich an die schönen Erinnerungen mit ihm zu klammern, umso häufiger sah ich Thorin an dessen Stelle treten. Irgendwann kam es mir so vor, als hätten alle vergangenen Ereignisse nicht mit meinem Verblichenen, sondern mit dem Zwergenkönig stattgefunden. Und ein gewisser Ärger sammelte sich plötzlich in meiner Brust. Verdammt noch mal! Was hatte dieser Mistkerl von einem Zwerg nur mit mir gemacht? Hatte er mich etwa heimlich mit einem Zauber belegt, während ich unschuldig in seinen starken Armen ruhte? Oder war ich es vielleicht selbst, die sich nicht traute diese anderen Sache ein für allemal abzuschließen und in guter Erinnerung zu behalten? Ich war doch schließlich nicht nur Thorins Frau. Nein, ich war auch die Frau dieses Toten gewesen. Und ich war es meinem Verblichenen schuldig, dass ich vor sein Grab trat, wo ich mit allem aufräumen konnte, was mich so sehr beschäftigte. Auch wenn ich wusste, dass er es nicht mehr hören und mir gute Ratschläge geben konnte. Einer Sache war ich mir in dem Punkt auf jeden Fall sicher. Er hätte bestimmt nicht gewollt, dass ich weiterhin vor Trauer um ihn verging. Sei es nun wie es sei, dachte ich leicht verbittert und kaute mir auf der Unterlippe herum. Ich konnte den Rest des Tages, nein, sogar den Rest meines verdammten Lebens, nicht damit zubringen von Ferne auf das frische Grabmal zu starren und dabei zu hoffen, dass sich alles von allein in Wohlgefallen auflöste. Ich musste endlich eine Grenze ziehen. Abschließen. Den Frieden zwischen ihm und mir herstellen. Erst dann konnte ich mich zukünftigen Dingen widmen. Mein Leben neu beschreiten. Und zwar mit einem Anderen an meiner Seite. Doch bevor ich mich dem unausweichlichem stellte, drehte ich mich ein weiteres Mal zu meinen Begleiter um, die mich in den ganzen Minuten schweigend beobachtet hatten. "Bleibt hier und wartet auf mich. Ich komme gleich wieder", sagte ich mit fester, aber leicht abwesender Stimme, ehe ich den ersten Schritt auf das Grab zutrat. Doch bevor ich weiter gehen konnte, ergriff mich plötzlich eine raue, warme Hand am Unterarm und hielt mich auf. Ich fuhr unwillkürlich mit dem Kopf herum und sah Kili in die Augen, wo ich deutlich aufrichtige Besorgnis lesen konnte. "Warte, Cuna. Bist du sicher, dass... Dass du das allein schaffst? Sollen wir nicht lieber mit dir gehen?", fragte er und schielte dabei unruhig zu seinem Bruder und Bofur, die mich angespannt musterten. Ich schüttelte jedoch nur den Kopf und versuchte dem dunkelhaarigen Jungen ein knappes, aufmunterndes Lächeln zu schenken, was mir Angesichts dieser Situation schwerer fiel als erwartet. "Kili. Ich... Ich weiß, dass ihr euch sorgen um mich macht. Aber... Aber ich muss das allein machen. Es ist nicht nur wichtig für mich. Sondern auch für die Zukunft mit deinem Onkel. Ich muss ein Ende für meine Trauer finden. Nur dann kann ich vielleicht endlich mit etwas Neuem anfangen. Das ist mein Weg. Versteh das bitte", meinte ich entschlossen und versuchte mich aus seinem eisernen Griff zu befreien. Doch anstatt mich nach meiner Bitte loszulassen, drückte er meinen Arm nur noch fester und machte sogar Anstalten mich zurück zu ziehen. "Cuna. Nein. Ich lass dich da nicht hingehen. Nicht allein. Das schaffst du nicht. Sieh dich doch einmal an. Du zitterst und bist Aschfahl. Es geht dir nicht gut. Du solltest dich nicht überanstrengen. Wir sollten gehen. Sofort", forderte er in einem ungewöhnlich scharfen Befehlston, den ich nur Selten von dem jungen Zwerg gehört hatte. Ich spürte, dass er nicht dort bleiben wollte. Es bereitete ihm deutliches Unbehagen. Er wollte einfach nur weg von diesem Ort, der mir in seinen Augen nicht gut tat. Ich verstand sehr gut, dass er sich so fühlte. Mir ging es ja auch nicht wirklich anders. Aber unverrichteter Dinge abzuziehen, war das Letzte was ich wollte. Dann würde das Chaos in meinem Herzen niemals aufhören. Ich würde nie ganz mit mir ins Reine kommen. Und der Einzige, der es wohl von ihnen nachvollziehen konnte war Bofur, welcher wenig später an Kilis Seite trat und ihm beschwichtigend eine Hand auf die Schulter legte. "Lass sie gehen, Kili. Wenn wir sie jetzt von hier wegbringen, war der ganze Weg umsonst. Cuna ist stark. Sie schafft das", murmelte er ihm ruhig und ernst zu. Doch der Bursche wollte sich immer noch nicht von mir lösen. Er hielt mich weiterhin fest und schüttelte heftig seine braune Mähne, bevor er den Mützenzwerg fast schon verzweifelt ansah. "Bofur. Du siehst sie doch auch. Es war genug Aufregung für heute. Und... Und dieser Ort hier macht es noch schlimmer. Ich... Ich kann sie da nicht hingehen lassen. Nicht unter diesen Umständen. Sie wird zusammenbrechen. Ich weiß es. Was wäre ich denn für ein Bruder, wenn ich meine kleine Schwester nicht vor einem solchen Unheil bewahren würde? Sie hat mir doch vorhin auch mit dieser Frau geholfen. Warum darf ich ihr nun nicht im Gegenzug helfen? Warum wollt ihr sie allein dahin gehen lassen? Bedeutet sie euch denn gar nichts?", fuhr er sie ungehalten an und zerrte dabei weiter an mir herum. Nun schritt allerdings sein älterer Bruder ein und ergriff seinerseits energisch den Arm, welcher meinen festhielt. "Kili. Hör auf so etwas zu sagen! Natürlich bedeutet sie uns auch etwas, sonst wären wir nicht mitgekommen. Aber wir haben ihr vorhin noch einmal ein Versprechen gegeben. Dass wir auf sie hören sollen, wenn sie uns etwas sagt. Und wenn sie sich sicher ist, dass sie das allein schafft, dann vertraue ich ihr. Das solltest du auch tun, anstatt sie zu entmutigen, Bruder", raunte Fili ihn barsch und bestimmt an, wobei er mir für einen kurzen Wimpernschlag entschuldigend ins Gesicht schaute. Doch selbst seine Worte ließen den störrischen Jungen nicht von mir ablassen. Auch nicht, als die beiden anfingen an ihm herum zu zerren. Er klammerte sich weiterhin an mir fest und begann nun in seiner Muttersprache auf die Beiden einzureden. Oder zu schimpfen. So genau konnte ich es nicht auseinander halten. Natürlich mit wenig Erfolg. Das Ganze mutierte mehr und mehr zu einer kleinen Rangelei, in die ich mitten hinein gezogen wurde. Ich musste etwas unternehmen, bevor sie sich noch inmitten all der Gräber prügelten und ich vielleicht auch noch etwas abbekam. Außerdem hatte ich sorge, dass dabei zusätzlich Kilis Geschenk zu Boden fiel und der Topf mit den armen Blumen zerbrach. Unter anderem konnte es dazu führen, dass die lauten Schreie und Rufe den Friedhofswärter auf den Plan riefen, den ich partout nicht am Hals haben wollte. So tat ich das einzig Richtige in dieser Situation. Ich erhob meine Stimme über die der Zwerge und brüllte: "HEY! HEY SCHLUSS JETZT! VERDAMMT NOCH MAL! HABT IHR VERGESSEN, WO IHR HIER SEID?! AUFHÖREN! SOFORT!" Und tatsächlich wurden die drei kleinen Männer schlagartig ruhig, wobei sie mir verwirrte, fragende Blicke zuwarfen. Ich atmete indessen erleichtert auf und seufzte anschließend, nachdem ich wieder ihre Aufmerksamkeit hatte. Meine Güte, was hatte ich mir da nur für eine Bande ans Bein gebunden? Ich konnte durchaus verstehen, dass sie sich Sorgen um mich machten. Besonders Kili, da dieser der Jüngste unter ihnen war und mein Verhalten nicht ganz verstand. Doch so ging es einfach nicht. Anscheinend hatte ich wohl keine andere Wahl. Wenn ich wollte, dass sie Ruhe gaben und sich nicht weiter wegen mir und meinem Vorhaben stritten, musste ich sie eben mit ans Grab nehmen. Obwohl es für mich sehr komisch werden würde, bei meinem eigentlich sehr persönlichen Gespräch, Zuschauer zu haben. Aber eine andere Alternative sah ich in diesem Moment nicht. So befreite ich mich endlich von Kilis Griff, welchen er unachtsam gelockert hatte und positionierte mich mit gestrafften Schultern vor ihnen. "Also. Ernsthaft. Ich weiß, ihr fühlt euch auf dem Friedhof nicht wohl. Es ist unheimlich und ihr habt Angst, dass mir etwas passieren könnte, wenn ich allein irgendwo hingehe. Hab ich verstanden. Ist notiert und angekommen. Aber es geht nicht, dass ihr hier so einen Terz deswegen veranstalten und damit womöglich die Totenruhe stört. Wir bekommen riesige Probleme mit dem Wärter, wenn er uns hier raufen hört. Und ich habe keine Lust, dass er mir für die nächste Zeit Platzverbot erteilt, weil ihr euch wegen einer solchen Lappalie geprügelt habt. Von daher habe ich beschlossen, dass ihr mich zum Grab begleiten dürft, damit ich meinen Frieden habe. Seid ihr damit einverstanden oder gibt es noch irgendwelche Einwände?", hakte ich zum Ende meiner Standpauke nach. Zunächst tauschten alle drei nur sehr verblüfft und verwirrt Blicke über meinen Vorschlag aus. Doch stimmten sie recht schnell mit einem einstimmigen, schweigenden, knappen Nicken zu. Erleichtert darüber, dass ich gerade eben noch Schlimmeres verhindert hatte, seufzte ich kurz und führte die Zwerge schließlich vor das unfertige neue Grabmal. Als wir davor standen, wand ich mich noch einmal zu den kleinen Männern um und erläuterte ihnen mein weiteres Vorhaben. Obwohl ich mir immer noch unsicher war, ob ich sie wirklich mit mir hätte nehmen sollten. Aber dafür war es ja nun definitiv zu später. Es hieß nur noch, Augen zu und durch. Vielleicht war es ja gut, dass sie doch bei mir waren. Wenn es half den Frieden an diesem Ort zu wahren, dann konnte es mir nur recht sein. "Also. Ihr bleibt bitte genau hier mit etwas Abstand zu mir stehen. Ich... ähm... werde gleich mit ihm reden und... Und ihm einige Dinge sagen. Es ist zwar etwas sehr persönliches, aber... Nun ja.. es wäre nett, wenn ihr euch nicht dazu äußert. Ich wollte ja eigentlich allein mit ihm reden. Von daher. Wundert euch bitte nicht über meine Worte und mein Verhalten, okay?", erklärte ich ruhig und ein wenig nervös zugleich. Doch ein weiteres zustimmendes Nicken ihrerseits genügte schon um mich etwas zu beruhigen. "Tu, was du tun möchtest. Wir werden dich währenddessen nicht stören", meinte Fili mit eindringlichem Blick und legte mir kurz eine Hand auf die Schulter. Ich atmete tief durch und sah noch einmal Sicherheitshaber zu den anderen beiden. Diese neigten sachte ihre Häupter und schlossen dabei die Augen. Ein gutes Zeichen. Die Zwerge schienen bereit zu sein. Nun lag es allein an mir, nachdem Fili von mir zurück getreten war und es seinen Gefährten gleichtat. Es war schon ein unwirkliches Bild, was die drei vor mir ablieferten. Andächtig. Ruhig. Ganz in sich selbst gekehrt. Sie zollten dem Toten hinter meinem Rücken ihren gesamten Respekt. So wie sie es auch bei einem Mitglied ihres Volkes tun würden. Bofur hielt sogar seine Mütze in den Händen vor sich hinweg. Ich war wirklich tief beeindruckt. Das hatte ich nach dem ganzen Stress und ihrem aufgebrachten Verhalten vorhin nicht mehr zu hoffen gewagt. Was ich auch nicht erwartet hatte war, dass sie mir damit plötzlich wieder Kraft gaben und Mut machten. Da wusste ich, dass es doch die richtige Entscheidung gewesen war sie mit mir zu nehmen. Mit einem derart stummen Halt im Rücken, konnte ich mich langsam umdrehen und endlich das Grabmal genauer in Augenschein nehmen. Es war tatsächlich fast schon wieder so hergerichtet worden, wie es Früher einmal gewesen war. Die Grabplatte war neu und mit frischen Messingbuchstaben beschlagen, wo der Name, das Geburts- und das Todesdatum zu lesen war. Unter dem noch leeren Sockel des Monumentes, war wieder ein neues Bild meines Verblichenen angebracht worden. Darüber waren in goldener Schrift einige Segenssprüche zu erkennen. Das Einzige was allerdings wirklich neu war, war ein Gefäß, wo man einen Blumentopf hätte reinstellen können und eine kleine Blechlaterne, die für ein Grablicht vorgesehen war. Bisher hatte sich darum aber niemand gekümmert. Vermutlich wollten meine werten Ex-Schwiegereltern warten, bis das neue Monument geliefert und aufgestellt worden war. Gut, sollte mir fürs Erste egal sein. Ich hatte ohnehin nichts dabei, womit ich diese Gegenstände füllen konnte. Von daher blieb für mir nur noch eines zu tun. Ich musste mich vor das Grab hocken und ein weiteres Mal tief durchzuatmen. Ich schloss zusätzlich meine Augen und ließ ganz langsam eine Hand zu der frischen, kühlen Grabplatte wandern, um sie darauf abzulegen. Dann begann ich ganz ruhig, wie gewohnt vor mich hin zu reden und versuchte dabei die Zwerge hinter mir auszublenden. Obwohl mir dies, wie erwartet sehr schwer fiel, da ich mir irgendwie lächerlich vorkam. Aber ich machte es eben immer so und würde auch nicht wegen den kleinen, bärtigen Männern damit aufhören. "Hey... Lange nicht gesehen... Ich glaub... ich brauch nicht zu fragen, wie es dir geht... ähm... Also... Es... Es ist sehr viel passiert seitdem... seitdem ich das letzte Mal bei dir war und... Nun ja... Es... Es haben sich einige Dinge in meinem Leben aufgetan, die ich so nicht erwartet hätte... Du bestimmt auch nicht... Und eigentlich weiß ich... gar nicht so recht, wo ich anfangen soll... Am... Am besten wohl gleich mit dem, was nach unserem... Letzten Gespräch alles passiert ist", murmelte ich leise vor mich hin und streichelte dabei behutsam über den nackten Stein. Ich machte eine kurze Pause, in der ich wieder tief Luft holte und etwas angespannt lauschte. Die Blätter der alten Eiche hinter dem Grab rauschten, als eine kühle Brise über den Hügel wehte und mein Gesicht sanft streichelte, wie eine liebevolle Hand. Mir war, als hörte ich dadurch ein leises Flüstern in meinem Ohren, das lediglich von den Krähen aus der Ferne, mit ihren nervtötenden Schreien, unterbrochen wurde. Die schweren Stiefel der Zwerge knarzten kurz hinter mir auf dem steinigen Boden, doch ansonsten blieben die Zwerge stumm. Ich schnaufte einen Moment lang, als ich dachte tatsächlich SEINE Stimme hören zu können. Doch das war lediglich nur Einbildung. Er konnte ja nicht mehr reden. Konnte mich nicht fragen, was ich ihm erzählen sollte. Genauso wenig konnte er wohl meine Stimme hören, die zu ihm sprach. Und doch kam es mir so vor, als wäre er plötzlich allgegenwärtig. Ich fühlte mich ein wenig unbehaglich und rutschte nervös auf meinen Knien herum. Wagte allerdings nicht aufzuspringen und die Sache abzubrechen. Es war zu wichtig. Das konnte nicht mehr warten. Jetzt oder nie, schossen mir kurz durch den Kopf, als sich meine Lippen langsam und zögerlich wieder öffneten. Danach begann ich dem leblosen, kaltem Stein vor mir mein Herz auszuschütten. Alles. Und damit meinte ich auch alles, was mir auf der Seele lag sprudelte in einem fort aus mir heraus. Dass ich jemandem begegnet war, den es eigentlich nicht geben sollte. Dass dieser Jemand nun mit mir zusammen war und ich ihn sehr liebte. Dabei ließ ich nicht einmal das Detail aus, dass ich mit dieser Person bereits eine wundervolle Nacht verbracht hatte. Nach dieser Erwähnung gab allerdings einer der Zwerge ein kurzes verlegenes Hüsteln von sich. Nur von welchem es kam, konnte ich in diesem Augenblick nicht genau sagen. Was ich aber wusste war, dass meine Stimme mit jedem Wort belegter und abgehackter wurde. Ich begann erneut heftig zu zittern, als ich versuchte die heißen Tränen zurück zu halten, die sich doch irgendwann unter meinen geschlossenen Lidern hervor stahlen und mir feucht über die kalten Wangen liefen. Wieder kam eine kühle Brise auf und wehte dieses Mal sogar einige vereinzelte Regentropfen aus dem grauen Himmel herab. Na großartig. Nun musste es zu allem Überfluss auch noch anfangen zu regnen. Aber das war mir vorerst egal. Ich redete ununterbrochen weiter. Ganz gleich wie sehr der Himmel auch anfing zu weinen. Ich zog die Prozedur bis ganz zum Ende durch. "... Du... du siehst... Ich... Ich hab einiges durchgemacht... Aber... Aber ich will weiterhin stark sein... Und... Und mein Bestes geben... Ich glaube... Das... Das hättest du dir für mich auch gewünscht... Also... Also... machs gut und... Und bis... zum nächsten Mal", sagte ich abschließen und erhob langsam meine inzwischen steifen Glieder vom Boden. Nun rührten sich auch die Zwerge wieder und traten näher an mich heran. Ich wischte mir indessen mit dem Ärmel meiner Jacke die letzten Tränenspuren aus dem Gesicht und öffnete die Augen. Dann wandte ich mich langsam vom Grab meines Verblichenen ab und setzte bereits dazu an, diesen Ort so schnell es ging zu verlassen. Jedoch ließen mich meine drei Begleiter nicht so einfach von Dannen ziehen. Sie ergriffen mich gemeinsam und zogen mich unter ruhigen, tröstenden Worten in ihre Arme. Eigentlich war es mir gar nicht recht, dass sie dies taten. Denn es hatte nur zur Folge, dass bei mir endgültig alle Dämme brachen und ich lauthals anfing zu schluchzen. Ich wusste zunächst nicht einmal an wen ich mich gerade klammerte, als mein Kopf auf einer ihrer kräftigen Schultern lag. Doch das war auch nicht weiter wichtig. Sie waren da. Sie hielten mich fest. Gaben mir halt. Spendeten mir all ihr Mitgefühl und Trost, den sie aufbieten konnten. So verbrachte ich noch einige lange Minuten schützend und warm in ihrer Mitte, bevor es doch irgendwann an der Zeit war aufzubrechen. Und endlich den Ort, an dem ich nun mit mir selbst und meinem Verblichenen Frieden geschlossen hatte, zu verlassen. - 101. Wenn Herzen sich wandeln / ENDE - Kapitel 102: 102. Vom Regen in die Traufe ----------------------------------------- Schritt für Schritt und Etappe für Etappe flitzen meine drei Begleiter und ich von einem Vordach zum nächsten. Seit wir den Friedhof verlassen hatten, war über uns ein heftiger Wolkenbruch niedergegangen und wie es aussah, hörte dieser wohl auch in der nächsten Zeit nicht wieder auf. Keine wirklich guten Voraussetzungen um zurück in die Innenstadt zu gehen, wo ich noch meine Einkäufe tätigen wollte. Aber es half ja nichts. Nicht einmal das einsetzende Fluchen der Zwerge, welche in einem weiteren Unterstand drohend die Fäuste gen Himmel streckten und ihre langen Haare zum gefühlt fünfzigsten Mal ausrangen. "Bei Durins Bart! Mir scheint, dass wir durch unseren Streit auf den Grabhügeln deine Götter erzürnt haben, Cuna. Wenn es so weiter regnet, werden die Häuser noch alle überflutet", maulte Bofur und drückte das Wasser aus dem Pelz seiner Mütze. Selbst diese hielt dem Sturzbach von Oben offensichtlich nur bedingt stand. Sein dunkles Haar darunter war ebenso tropfnass wie das der beiden Brüder und auch seine Zöpfe hingen ungewöhnlich schlaff herunter. Auch meine Regenjacke samt Kapuze, die ich mir eilig über den Schädel und meinen Verband gezerrt hatte, war inzwischen vollgesogen und wurde nach und nach immer schwerer. Gut, sie war auch nicht mehr die Neuste und hatte hier und da an den Nähten kleinere offene Stellen, wo nun das Wasser rein sickerte. Was natürlich zur Folge hatte, dass ich aufgrund immer feuchter werdender Unterbekleidung genauso schlechte Laune bekam, wie die Zwerge. Ich schnaubte daher nach seiner Aussage nur beleidigt und verzog etwas gequält den Mund. Natürlich. MEINE Götter. Was auch sonst? Beim Denken dieser kleinen, konservativen Herren war das wohl der logischste Grund. Gut, ich wollte ihnen ihren Glauben eigentlich nicht streitig machen. Schließlich gab es in ihrer Welt ja welche. Nur war ich mir sehr sicher, dass diese gewiss keinerlei Einfluss auf die Wetterverhältnisse in meiner Welt hatten. Und ich selbst glaubte an so einen Unsinn, dass übernatürliche Wesen irgendwo auf einer Wolke herum saßen und mit großer Freude literweise Wasser auf uns herab schütteten, einfach nicht. Das wäre ja noch schöner. Die hätten bestimmt wichtigeres zu tun. Das Ozonloch in der Atmosphäre stopfen, um ihre ach so geliebte Schöpfung vor den tödlichen UV-Strahlen zu schützten, zum Beispiel. Aber da es für mich keine Götter gab, die mit einer riesigen Nadel und einem magischen Faden irgendwelche Löcher im Himmel stopften, konnte ich es mir nicht verkneifen den Mützenzwerg kurz über die Gegebenheiten meiner Welt aufzuklären. "Glaub mir Bofur, das hat wenig mit bösen Göttern zu tun. Und selbst wenn dem so wäre, dann hätte euch umgehend der Schlag getroffen, bevor ihr nur ansatzweise an Streit gedacht hättet. Manchmal regnet es eben viel. Bei euch in Mittelerde ist das doch auch so. Es gibt Tage mit viel, wenig und gar keinem Regen. Alles ganz natürlich. Da hat keine höhere Macht Einfluss drauf", gab ich trocken an ihn zurück und lehnte mich zunächst einmal gegen die Wand, um durchzuatmen, während die schweren Tropfen auf das schmale Plexiglas-Vordach schlugen. Ich hasste solche Wetterumschwünge. Besonders, wenn ich angeschlagen war. Dabei hatte ich schon genug Kopfschmerzen von unserem stressigen Tripp und meinem kleinen Heulanfall am Grab. Ich hoffte mit jeder Minute, die wir dort herumstanden, dass der Schauer rasch vorüber sein würde. Doch als ich unter dem Vordach hervor lugte und zu den dunkelgrauen Wolken empor blickte, verging jegliche Hoffnung auf Besserung der Wetterlage. Also mussten wir trotz allem weiter. So wenig es den Herren und mir gefiel. Auch wenn ihr Gezeter dadurch vermutlich noch schlimmer werden würde. Das konnte ich jedoch verkraften. Immerhin blieben sie bei dem Wetter in meiner Nähe und rannten nicht wieder in alle möglichen Richtungen davon. Sie zogen es vor so wenig wie möglich mit der flüssigen Materie in Kontakt zu kommen. Es war ganz deutlich, dass sie kein Wasser von oben mochten. Das wusste ich schon seit dem ersten Hobbitfilm und dem Buch, wo sie in einer Tour darüber gemeckert und gemotzt hatten. Zwerge waren wirklich unglaublich zickig, wenn ihnen etwas nicht ganz zusagte. Und da behaupteten böse Zungen immer wieder, es gäbe keine weiblichen Diven. Nun gut, die gab es zweifellos auch unter den Menschen. Vor allem wenn sie hungrig waren und keinen Erdnuss-Schokoriegel bei sich hatten. Wobei mir in dem Zusammenhang wieder das unglaublich makabere Bild von Dwalin in meinem Hochzeitskleid durch den Kopf strich. Dieses wurde auch mit jedem Mal besser. Inzwischen stellte ich mir vor, dass es überall kleine Schleifen, Rüschen und Raffungen besaß und noch dazu in einem wirklich abartigen Pastell-Rosa erstrahlte. Oh mein Gott, bitte lass es bloß nicht so aussehen, dachte ich und biss mir kopfschüttelnd auf die Unterlippe, damit ich dieses Bild wieder los wurde. Wenn Thorin mich tatsächlich in so ein widerliches Model rein quetschen wollte, dann würde ich ihm noch während der Anprobe irgendetwas mitten ins Gesicht klatschen. Nein, bloß nicht das! Ich wollte nicht aussehen wie eine mehrstöckige Torte mit zu viel Erdbeersahne. Dann würde ich es sogar vorziehen nackt zu gehen. In einem solchen Aufzug würde ich niemals vor dem Altar oder dem Standesbeamten 'Ja, ich will' sagen. Allerhöchsten, 'Ja, ich will das Kleid ausziehen und auf dem nächsten Lagerfeuer verbrennen'. Aber wie ich Thorin kannte, würde er selbst niemals so einen schlechten Modegeschmack haben. Von dieser Seite her hatte ich dann doch wenig zu befürchten. Was ich in diesem Augenblick eher befürchtete war, dass ich mit Kili, Fili und Bofur noch bis zum Abend unter dem Vordach stehen und auf bessere Wetterverhältnisse warten musste. Denn die kleinen, bärtigen Männer wussten partout nicht wohin ich sie führte und welchen Weg wir nehmen mussten. So stieß ich mich schließlich seufzend mit dem Rücken von der Wand ab und spähte die Straße runter, um den nächsten Unterstand ausfindig zu machen. Durch die dichten, feuchten Schleier war kaum etwas zu erkennen. Aber wenn mich mein Orientierungssinn nicht täuschte, mussten wir ganz nah an einem kleinen Computerfachgeschäft sein. Dort konnten wir garantiert erneut Schutz finden. "Na los. Kommt weiter. Wir wollen ja hier nicht versauern", meinte ich wenig motiviert mit hängenden Schultern und trat als erste wieder in die Fluten. Und wie zu erwarten brummten die drei genervt und mürrisch vor sich hin, als wir weiter hechteten. Stückchen für Stückchen näherten wir uns dem Laden und waren bereits erleichtert zu sehen, dass die Besitzer ihre Markise vor dem Gebäude nicht eingerollt hatten. Doch bevor wir uns unterstellen konnten, mussten wir noch eine kleine Seitenstraße überqueren. Ich stoppte wie gewohnt um nach links und rechts zu schauen, damit uns nicht zufällig ein heranbrausender Wagen überrollte. Meine Begleiter dachten hingegen gar nicht erst daran stehen zu bleiben und flitzten schnurstracks an mir vorbei. "Hey! Wartet auf mich! Nicht so schnell!", rief ich ihnen wütend hinterher, da sie nun doch wieder unachtsam und kopflos davon rannten. Zumindest blieben sie nach meinem Ruf auf der anderen Seite stehen und warteten mit abgehetzten, reichlich genervten Gesichtern darauf, dass ich wieder zu ihnen stieß. "Nun spute dich endlich! Worauf wartest du so lange?!", brüllte mir Kili ungehalten entgegen, als ich wieder nach dem Verkehr Ausschau hielt. Ich stöhnte nur genervt und rollte mit den Augen, ehe ich zurück brüllte: "Jetzt hetzt mich doch nicht! Ich komm ja schon!" Doch gerade als ich den Fuß auf die halb überflutete Fahrbahn setzen wollte, kam einer dieser Nobelschlitten in einem Affenzahn herangebraust und fuhr in einem scharfen Bogen um die Kurve und damit auch in die gewaltige Pfütze, die sich im Rinnstein gebildet hatte. Der Fahrer war so schnell unterwegs, dass ich gerade eben noch zurück auf den Bürgersteig flüchten konnte, ehe ich buchstäblich unter die Räder kam. Dummerweise schützte mich das nicht vor der gewaltigen Welle an Wasser, die aufgrund der recht hohen Geschwindigkeit des Wagens über mich schwappte. Ich konnte nicht einmal empört aufschreien und dem Fahrer hinterher brüllen. Das dreckige Pfützenwasser nahm mir vollkommen die Sicht und die Luft für sehr unflätige Beschimpfungen, welche mir umgehen durch den Kopf gingen. Doch blieben sie bis auf weiteres unausgesprochen. Stattdessen stand ich einfach nur da wie ein begossener Pudel und prustete heftig, während sich meine Kleidung unter der Jacke bis auf die Haut vollsog. Zusätzlich wischte ich mir den gesamten Straßendreck aus den Augen und spuckte angewidert einige winzige Steine, welche in meinen Mund geschwappt waren, zurück auf den Boden. Eigentlich hätte ich es vorhersehen müssen. Bei meinem Glück, war es stets nur eine Frage der Zeit, bis so etwas passieren musste. Und natürlich waren die allseits bekannten Gesetzeshüter mal wieder nicht in der Nähe, um diesen rasenden Idioten zu stoppen. Somit musste ich mich mit meiner unfreiwilligen Dusche abfinden, ohne etwas unternehmen zu können. Doch was ich nicht tun konnte, taten die Zwerge für mich, welche den ganzen Schlamassel hatten mit ansehen müssen. Sie kamen umgehend, nachdem der Wagen davon gerauscht war zu mir geeilt und nahmen mich schützend in ihre Mitte. Wobei es eigentlich nur Kili und Bofur waren. Fili rannte noch einige Schritte hinter dem davonfahrenden Wagen her und schrie dem Fahrer einige Beschimpfungen auf Khuzdul hinterher, bevor er sich auch zu mir gesellte. "Bei Durins Bart! Dieser verrückte Kutscher! Geht es dir gut, Schwesterchen?", fragte der blonde Bursche außer Atem und musterte meine zerlaufene Erscheinung. Ich prustete nur den letzten Rest Wasser aus meinem Gesicht und schüttelte mit beleidigter Schnute den Kopf. "Nein. Natürlich nicht. Ich bin nass bis aufs Unterhemd. Verdammter Bonzenpenner mit seinem Nobelschlitten. Aber jetzt habt ihr mal gesehen was passieren kann, wenn man unachtsam über die Straße gehen will", brummte ich im wahrsten Sinne des Wortes bedröppelt und schnaufte verärgert. "Ja. Du hattest wahrlich recht. Mahal sei Dank, dass dir nichts geschehen ist. Ich hätte dich nicht so zur Eile drängen sollen", meinte Kili entschuldigend und neigte betreten den nassen, brauen Haarschopf. "Ach. Mach dir keine Vorwürfe. Solche Idioten tauchen immer dann auf, wenn man sie am wenigsten brauch. Mir wäre es erst mal lieber, wenn wir uns schnell wieder unterstellen", erwiderte ich schulterzuckend und trat wieder an den Straßenrand. "Du solltest deine Kleidung auch so schnell wie möglich ablegen, Cuna. Sonst erkältest du dich noch", warf Bofur mit fachmännischer Miene ein. Ich schnaubte ihm jedoch nur spöttisch entgegen, während wir nun gemeinsam, sicheren, wenn auch in meinem Fall sehr nassen Fußes unseren Weg zum nächsten Unterstand fortsetzten. "Wirklich? Wäre ich gar nicht drauf gekommen. Ausgezeichnete Idee, Doktor Watson. Wenn du mir noch sagen könntest, wo ich das machen soll und woher ich trockene Kleidung bekomme, wäre mir noch mehr geholfen. Und bevor ihr auch nur auf den dummen Gedanken kommt, nein, ich ziehe mich hier nicht in aller Öffentlichkeit nackt aus", brummte ich meinen Begleitern zynisch zu. Sicher, er hatte durchaus recht. Ich musste schleunigst meine Klamotten los werden. Doch in Anbetracht des Umstandes, dass wir mitten in der Stadt und somit weit entfernt von meiner kuschligen Wohnung mit trockener Kleidung waren, war guter Rat wirklich teuer. Auch die Zwerge zuckten nur mit den Schultern, nachdem wir endlich das Vordach des kleinen Computerfachgeschäftes erreichten. "Ich würde dir wirklich gern meinen Mantel geben, Schwesterchen. Aber ich befürchte, mit dem wirst du auch nicht viel trockener bleiben", nuschelte Fili nachdenklich, bevor er seufzte und sich selbst ausgiebig musterte. Dadurch, dass er wie ein Verrückter hinter dem Bonzenwagen her gerannt war, sah er nun fast genauso zerlaufen aus wie ich. Das T-Shirt unter dem Lederfetzen klebte fest an seiner breiten Zwergenbrust, Bart und Haare waren nur noch ein einziger feuchter Wust und die Trainingshose hatte auch schon mal sonnigere Tage gesehen. Von den anderen Beiden konnte ich in dieser Hinsicht auch keine Hilfe erwarten. Sie sahen nicht viel trockener aus, nach dieser Aktion. Zusätzlich hielt Kili auch noch den Blumentopf mit den Vergissmeinnicht unter seinem Mantel verborgen, weshalb er sich den gesamten Weg nicht richtig hatte schützen können. Dabei achtete er selbst in den trockenen Unterständen stets peinlichst genau darauf, dass den zarten Blümchen ja nichts zustieß. Ich vermutete stark, dass es wohl etwas mit der Floristin zu tun haben musste, die ihm dieses Geschenk gemacht hatte. Ganz sicher konnte ich mir zwar nicht sein, doch ich meinte ihn gelegentlich verträumt lächeln gesehen zu haben, wenn er den Topf begutachtet und unter seinem Arm zurecht gerückt hatte. Vielleicht gab er die Hoffnung immer noch nicht auf, dass es sich bei der Frau um jemanden handelte, der ihm sehr am Herzen lag. Oder es machte ihn einfach glücklich, dass ihm eine Wildfremde, auf so eine ungewöhnliche Art und Weise Trost spendete. Tatsache war jedoch, dass uns dieses Gartengestrüpp auch nicht helfen konnte. So schön es für den jungen Zwerg war. Und Bofur. Nun ja, bei ihm war ja auch schon die Mütze undicht. Mit dem Rest konnte es also auch nicht weit her sein. Folglich saßen wir fest. Mitten in einer Sackgasse aus strömenden Regen unter einer Markise, die, wie ich zu unserem Leidwesen feststellen musste, auch noch hier und da Löcher hatte. So ein verdammter Mist aber auch, fluchte ich innerlich. Warum hatte ich dumme Nuss nur wieder die Schirme zuhause gelassen? Jedes Mal dasselbe mit mir. Da dachte ich, ich hätte alles, was ich brauchte dabei und dann wieder so etwas. Mit gefrustetem Stöhnen lehnte ich meinen Rücken an die Scheibe des Schaufensters und tropfte dabei fröhlich auf den noch halbwegs trockenen Bürgersteig, während meine Begleiter und ich uns verhalten anschwiegen. Was sollten wir nur tun? Was konnten wir noch tun? Gut, warten war wohl endgültig die einzige Alternative. Schließlich hatten wir keinen Zauberer dabei, der einmal mit dem Finger schnipsen musste, um das Wetter schlagartig zu ändern. Somit schied Gandalf schon mal aus. Der alte Mann besaß ja auch nicht diese Macht, wie man einschlägig wusste. Er konnte es nur, wie ich auf dem Trödelmarkt erfahren hatte, aus heiterem Himmel donnern lassen. Und ein Gewitter brauchten wir gerade nicht. Das der vergangen Nacht war für meine Verhältnisse genug gewesen. Nein, was wir wirklich brauchten war ein Wunder. Doch woher nehmen und nicht stehlen? Vielleicht half es ja ausnahmsweise einmal um eines zu bitten? Wobei sich dieser Gedanke schnell wieder in Wohlgefallen auflöste. Ich war nicht der Typ dafür irgendwo auf die Knie zu fallen und den angeblich existierenden Allmächtigen auf seiner Wolke darum anzubetteln die Schleusentore wieder zu schließen. Aber dazu musste es auch nicht kommen. Just in dem Moment, wo ich mich von der Schaufensterscheibe löste und mit den drei bärtigen Herren dem Regen zum Trotz weiter gehen wollte, hörten wir unwillkürlich die Glöckchen der Ladentüre klingen und eine fröhliche, mir sehr vertraute Männerstimme rief: "Danke schön! Einen schönen Tag noch! Tschüss!" Ruckartig fuhr ich mit dem Kopf herum und erblickte den Kunden, der eben dabei war die Türe wieder zu schließen und seinen großen Dunklen Schirm aufzuspannen. Er war groß, gertenschlank und strohblond. Sofort stahl sich ein überraschtes und gleichzeitig erleichtertes Grinsen auf mein Gesicht. Ich kannte den jungen Mann. Ziemlich gut sogar. Und ich wusste, dass der Mann mich auch kannte. Nur hatte er mich und meine Begleiter noch nicht bemerkt. Er war viel zu sehr damit beschäftigt an seinem Regenschirm herum zu werkeln, sodass er erst aufsah, als ich ihn freudestrahlen ansprach. "Richi!", rief ich aus und schon ruckte der Kopf meines besten Freundes in die Höhe. Zunächst blicke er sich nur verwirrt um. Dann erkannte er mich und begann breit zu grinsen. "Jacky! Hi! Was machst du denn hier? Und wie siehst du aus? Hattest du Lust auf Flach-Köpper im Straßenverkehr?", hakte er prompt mit belustigtem Unterton nach, während er mich frech grinsend und flüchtig musterte. Ich zuckte nur halbherzigen mit den Schultern und schüttelte schließlich seufzend den Kopf. "Könnte man so sagen. Hab gerade von so einer Bonzenkarre ne unfreiwillige Dusche bekommen. Und was machst du hier? Solltest du nicht auf Arbeit sein?", fragte ich ruhig, woraufhin er mit einem knappen Nicken antwortete, "Eigentlich ja. Aber weil meine Werkstatt am Wochenende Inventur hat, hab ich heute frei. Da dachte ich mir, dass ich endlich mal das neue USB-Kabel für mein Mischpult holen könnte. Mein altes hat vor ein paar Tagen das Zeitliche gesegnet. Aber genug von mir. Du hast mir immer noch nicht gesagt, was du hier so treibst." "Ja... weißt du... ähm... Das ist ein wenig... kompliziert...", nuschelte ich verlegen und kratzte mich am hinteren Teil meiner Kapuze, wo für gewöhnlich mein Nacken war. Tja, 'Treiben' war das richtige Wort. Ich hatte an diesem vermaledeiten Tag schon einiges hinter mir. Da war die Rinnstein-Taufe noch das kleinste Problem. Und ihm die ganze Geschichte zu diesem Zeitpunkt mitten auf der Straße zu erklären, wäre ziemlich schwer geworden. Vor allem, weil ich nicht wusste, wo ich anfangen sollte. Stattdessen kaute ich mir nur nachdenklich auf der Unterlippe herum und starrte auf meine durchweichten Füße. Da kam mir plötzlich etwas anderes in den Sinn, was mir vielleicht helfen konnte aus meinen nassen Sachen raus zu kommen. Ich wusste, dass Richi und Chu ihre Wohnung ganz in der Nähe hatten. Und wenn er da war, konnte ich ihn vielleicht fragen, ob er mir etwas zum Anziehen leihen konnte. So langsam begann ich nämlich zu frieren. Aber nicht nur mir kam der Gedanke meinen Freund Richi im Hilfe zu bitten, sondern auch meinen drei Begleitern, die ich in meiner euphorieschen Laune mal wieder ganz vergessen hatte. "Richi. Schön dich wiederzusehen. Du kommst genau zur rechten Zeit", kam es von Bofur, der eilig an mir vorbei huschte und in gewohnt überschwänglicher Manier meinem verdutzt dreinblickenden Freund kräftig auf die Schulter klopfte. Von dem freundlichen Schlag überrumpelt bemerkte nun auch dieser, dass ich nicht allein bei diesem Sauwetter unterwegs war und lachte überrascht auf. "Oh Ha! Zwergenbesuch! Mit euch Kerlchen hätte ich jetzt nicht gerechnet. Freut mich auch euch zu sehen", meinte er und grinste den Dreien freundlich entgegen. Allerdings nur so lange bis er bemerkte, dass nicht der Eine dabei war, welchen er wohl als ersten in meiner Gefolgschaft erwartet hätte. So blieb natürlich die eine Frage, vor der ich mich am meisten fürchtete, sie beantworten zu müssen, nicht aus. "Wo ist denn Prince-Princy-Mc. Broodypants? Habt ihr den zuhause gelassen oder schleppt der bei dem Wetter deine Sachen allein in die neue Wohnung?", hakte Richi ruhig nach, während er dabei zusah, wie die Herren untereinander verwirrte Blicke tauschten. Ich hätte ihm unterdessen für seinen Kommentar am liebsten kurz in die Seite geknufft. Seit ich mit Thorin zusammen war, dachte sich mein bester Freund alle möglichen und unnötigen Spitznamen für ihn aus. Darunter auch recht bekannte, wie König Drosselbart. Bei Gelegenheit musste ich Richi unbedingt einmal darauf hinweisen, dass er solche Dinge nicht unbedingt vor den Zwergen sagen sollte. Besonders nicht vor meinem Zukünftigen. Dieser war ja aufgrund seines königlichen Stolzes ohnehin schon recht leicht zu reizen. Umso besser war es eigentlich, dass er im Augenblick nicht bei mir war. Vermutlich hätte er Richi dann auf seine Weise die Meinung gesagt. Aber so konnten wir beide froh sein, dass lediglich Thorins Neffen und Bofur an meiner Seite waren, die glücklicherweise nicht sofort verstanden, worauf er hinaus wollte. Das demonstrierte auch Fili sehr deutlich, als er beide Augenbrauen bis unter seinen Haaransatz rutschen ließ und nachdenklich fragte: "Wer ist Prince-Princy,... wie war der Name?" "Na, Thorin. Wo ist der?", erkundigte sich Richi erneut, woraufhin die Zwerge verstehend nickten und ein einstimmiges, langgezogenes "Aaah" von sich gaben. "Ach, unser Onkel. Also der... ähm. Der ist nicht hier", kam es leise von Kili, wobei er mir einen kurzen besorgten Blick zuwarf, welchen ich mit verzogenem Mund auffing. Ich wusste natürlich, was dem dunkelhaarigen Burschen durch den Kopf ging. Und auch den anderen beiden, welche ich kurz verlegen hüsteln hörte. Mir war klar, dass sie vor meinem besten Freund nicht über die unangenehme Sache vom Vortag reden wollten. Schon gar nicht, wenn ich ihnen dazu nicht die ausdrückliche Erlaubnis gab. Das war, wie sie es immer so schön betitelten, reine Familiensache und ging somit alle Außenstehenden nichts an. Ganz egal wie gut sie mit den Betroffenen befreundet waren. Und innerlich war ich ihnen ziemlich dankbar dafür, dass ihre zwergische Natur sich rechtzeitig eingeschaltet hatte um eine direkte Erklärung hinaus zu zögern. Die Frage war nur, wie lange sich Richi hinhalten ließ. Gut, ich wusste, dass er aufhören würde zu bohren, wenn man es ihm sagte. Doch im Augenblich verstand er nur Bahnhof und legte fragend den Kopf schief, bevor er sich verwirrt an mich wandte. "Ja, ich sehe, dass er nicht bei euch ist. Aber wo ist er denn jetzt? Ist irgendwas passiert, Jacky?", hakte er nach, wobei seine Stimme immer besorgter und unruhiger wurde. Ich begnügte mich jedoch nur damit wieder auf meine Füße zu starren und biss mir vor lauter Verlegenheit und Scham fast meine Unterlippe blutig. Herrje, das hatte ich in all den Stunden vollkommen verdrängt. Dass ich so früh einem meiner Freunde begegnen würde, war mir nie in den Sinn gekommen. Wie hätte es auch? Schließlich war es nicht Dienstagabend, wo sie sich sonst immer bei mir zuhause trafen. Somit hatte ich mir auch keinen Plan zurecht legen können, wie ich ihnen den ganzen Schlamassel schonend beibringen sollte. Außerdem schien Richi meinen Verband noch gar nicht bemerkt zu haben, den ich offenbar so gut unter der Kapuze versteckt hatte, dass er ihm bisher nicht aufgefallen war. Doch früher oder später würde er ihn sehen. Und Chu gewiss auch. Oh Gott, das würde ein gewaltiges Donnerwetter geben. Nicht gegen mich, aber gegen den abwesenden Zwergenkönig. Meine Fresse, warum musste alles immer nur so verzwickt sein? Da hatte ich mich schon gefreut irgendwo ins Trockene zu kommen und mich aufzuwärmen, und dann musste mir ausgerechnet Jemand über den Weg laufen, den ich noch über den aktuellen Stand der Dinge in Kenntnis setzen musste. Mal wieder das typische Unglück im Glück. Und je länger ich Richi anschwieg, umso drückender empfand ich die Stimmung um mich herum. Schließlich ergriff aber endlich einer meiner Begleiter das Wort, bevor ich dazu ansetzen konnte tief Luft zu holen und Richi doch an Ort und Stelle die ganze Wahrheit zu sagen. "Ähm... Hör mal, Richi. Das können wir dir gern gemeinsam erklären. Aber nicht hier. Wir würden es vorziehen, wenn Cuna erst einmal aus dem Regen heraus kommt und ihre nasse Kleidung ablegen kann. Das heißt, sofern du einen Ort kennst, an dem sie das tun kann", kam es hastig von Kili, der sich plötzlich von links vor mich schob, um mich vor den Blicken meines Freundes abzuschirmen. Ich hob daraufhin ruckartig den Kopf und starrte zunächst nur auf den dunklen Haarschopf des Burschen, der zu Richi aufblicke. Wenn ich in diesem Moment nur gewusst hätte was 'Danke' auf Khuzdul hieß, dann hätte ich ihm dies ganz flüchtig zugemurmelt. Er hatte gerade noch verhindert, dass ich in aller Öffentlichkeit mein Herz ausschüttete und für die richtige Ablenkung gesorgt. Denn als ich über seinen Kopf hinweg schaute, sah ich Richi ruhig nicken und sich nachdenklich am Kinn streichen. Das tat er immer, wenn er eine schnelle Lösung für bestimmte Probleme suchte und die Eventualitäten abwog. Nach ein paar Sekunden kam er aber genau zu dem Schluss, zu dem ich auch gekommen war. "Nun. Da kann ich wirklich helfen. Chu und ich wohnen nicht weit von hier. Ich denke da könnt ihr vorerst unterkommen, bis der Regen nachlässt. Chu hat glaube ich auch noch ein paar alte Sachen, die sie eh nicht mehr anzieht, weil sie ihr zu weit geworden sind. Die kann Jacky denke ich haben. Ja, das dürfte reichen", murmelte er ruhig vor sich hin und nickte dann noch einmal sich selbst zustimmend. Meine drei Begleiter begannen unterdessen breit zu grinsen. Man sah ihnen deutlich an, wie sehr ihnen die Aussicht auf ein trockenes, warmes Plätzchen gefiel. So rieb sich Bofur genüsslich die Hände, ehe er Richi erneut munter auf die Schulter klatschte und rief: "Wundervoll. Worauf warten wir dann noch? Geh voraus. Wir werden dir folgen." Ein wenig hustend und schwankend schüttelte sich mein Freund kurz, nachdem er diesen netten Klaps zu spüren bekommen hatte. Ich musste mir bei diesem Anblick ein aufkommendes Kichern verkneifen. Ja, diese zwergischen Freundlichkeiten hatte ich in der Vergangenheit auch mehrfach einstecken müssen. Und sie waren jedes Mal aufs Neue gewöhnungsbedürftig. Egal wen es dabei im Endeffekt traf. So brauche Richi auch erst einige Minuten, bis er sich von diesem Zusammenstoß erholt hatte, ehe er seinen riesigen Regenschirm aufspannte, unter den locker zwei Personen passten. Natürlich wurde mir die Ehre zuteil, mich zu Richi zu gesellen. Wobei ich das Selbe auch meinen Begleitern anbot. Besonders Kili, welcher immer noch verzweifelt versuchte den Blumentopf zu schützen. Doch wie zu erwarten, setzten sich die kleinen, sturen Männer mit ihrer Forderung durch und so marschierten wir gemeinsam mit Richi um die nächste Ecke. Unterwegs gerieten wir auch irgendwann in Plauderlaune. Mein Freund interessierte sich sehr dafür, wie es den Zwergen denn in der Zwischenzeit im Reich der Götter ergangen war und was sie dort alles erlebt hatten. Das war allerdings nicht so besonders viel. Zumindest von dem was Richi erfuhr. Mich hatten sie dahingehend doch etwas besser über die dort vorherrschenden Umstände informiert. Selbstverständlich nicht ganz freiwillig, sondern vielmehr aus der Not heraus. Andererseits war es auch besser, dass er nicht so viel von den Vorkommnissen dort erfuhr. Das hätte ihn nur beunruhigt. Stattdessen war es besser, wenn ihn die kleinen, bärtigen Männer soweit bei Laune hielten, dass er nicht weiter nach Thorin und dem Rest der Gruppe fragte. Ich hatte bisher auch noch nie erlebt, dass die Zwerge einen Menschen derartig und wortwörtlich besoffen reden konnten. Und das alles nur um die offensichtlichen Tatsachen zu vertuschen. Natürlich. Sie taten es mir zuliebe. Doch wusste ich, dass sie mich nicht vor dem schützen konnten, was uns in Richis Wohnung erwarten würde. Nämlich die direkte Konfrontation mit meiner Kopfverletzung. Während wir so gingen, kaute ich mir weiterhin gedankenverloren auf der Unterlippe herum. Ich versuchte mir noch auf die Schnelle etwas zurecht zu legen, wie ich es ihm sagen konnte, sobald wir da waren. Doch egal welche Ausrede mir auch in den Sinn kam, sie wurde sofort wieder verworfen. Eine war schlechter als die andere und keine davon erklärte, warum ich nun diese drei bei mir hatte und nicht etwa einen hoch besorgten Zwergenkönig, welcher sich gerade bei einem solchen Umstand um mich zu kümmern hätte. Folglich blieb mir am Ende doch nur eines. Die Wahrheit. Auf Dauer konnte ich es nicht verstecken. Besonders nicht vor Chu. Sie würde sofort merken, wenn ich sie belog. Und das hatte ich in der nahen Vergangenheit schon zu oft tun müssen. Unter anderem um gerade Thorin zu schützen. Doch nun gab es nichts mehr, wovor ich ihn wirklich schützen konnte. Meine Freunde waren eingeweiht und Mitwissende. Also war ein weiteres Versteckspiel zwecklos. Das Einzige, was ich aber doch noch tun konnte, war die Aussprache hinauszuzögern. Nur wie? Wie konnte ich mich lange genug davor bewahren, die Tatsachen offen zu legen? Mir musste etwas einfallen. Und das ziemlich schnell, denn wir hatten bereits die dritte Kreuzung überquert und schritten zügig über den Parkplatz eines winzigen Discounters, hinter dem sich auch schon die Straße befand, wo Richis Wohnung lag. Dann fiel es mir plötzlich wie Schuppen aus den Haaren. Ja! Die Einkäufe! Verdammt, warum hatte ich da nicht sofort dran gedacht? Nun waren wir schon mal in der Nähe eines Geschäftes, wo ich alle Waren auf meiner Liste bekommen konnte und ich blindes Huhn kam erst darauf, als wir schon halb am Eingang vorbei waren. Gott, ich war mal wieder die Königin der Blitzmerker, schimpfte ich innerlich und blieb wie angewurzelt stehen. Das hatte natürlich zur Folge, dass der Rest meiner Gruppe ebenfalls zum Stillstand kam, nachdem sie bemerkten, dass ich mich weigerte weiter zu gehen und den Laden interessiert musterte. "Cuna! Worauf wartest du? Kannst du nicht mehr weiter?", fragte Bofur und zupfte sich dabei am tropfenden Bart. Ich schüttelte nach seiner Frage nur den Kopf und begann sämtliche Taschen an meinem Körper nach dem Zettel zu durchsuchen. Auch Richi kam mein Verhalten ein wenig spanisch vor, weshalb er sich ganz zu mir umdrehte und sich freundlich erkundigte: "Was ist los, Jacky? Hast du was verloren? Sollen wir noch mal zurück gehen?" "Nein. Nein, mir ist nur gerade eingefallen, dass wir eigentlich hier runter gekommen sind, um Zeug einzukaufen", erwiderte ich kurz angebunden und schnaufte erleichtert, als ich den Zettel endlich in den Untiefen meiner nassen Hose gefunden hatte. Wobei ich jedoch mit einiger Ernüchterung feststellen musste, dass dieser vollkommen durchgeweicht und die Kugelschreiber Tinte komplett verlaufen war. So konnte ich unmöglich erkennen, was ich alles mitnehmen wollte. Nun ja, ich hatte noch die ein oder andere Sache im Kopf behalten. Aber eben verständlicherweise nicht alles. Sonst hätte ich es mir ja nicht aufschreiben müssen. Na großartig. Damit war der Plan wohl auch hinfällig. Wäre ja auch zu schön gewesen, wenn an diesem Tag noch irgendetwas funktionierte, dachte ich und begann verärgert vor mich hin zu grummeln. Auch die vier Herren waren nicht gerade begeistert von meinem plötzlichen Sinneswandel. Besonders Richi, der etwas argwöhnisch eine Augenbraue nach oben zog und den Kopf leicht zur Seite neigte. "Das könnt ihr doch später machen, wenn ihr euch etwas aufgewärmt und du trockene Sachen angezogen hast, Jacky. Oder musst du etwas sehr wichtiges holen?", hakte er ruhig nach, wobei er allerdings einen skeptischen Unterton in seiner Stimme nicht verbergen konnte. In diesen verfiel er meist, wenn ihm etwas nicht ganz geheuer war. So langsam wurde es richtig knifflig. Viel konnte ich mir auf die Schnelle nicht aus den Fingern saugen. Dazu kam ich so gesehen auch nicht wirklich. Denn bevor ich ihm antworten konnte, riss mir Fili mit einem beherzten, "Lass mal sehen", den durchgeweichten Einkaufszettel aus der Hand. Natürlich kam es genauso wie es kommen musste. Während ich versuchte den Zettel vor dem raschen Zugriff des blonden Burschen zu retten, zog dieser so kräftig an dem feuchten Papier, dass es komplett auseinander riss. "Man! Fili! Jetzt hast du die Liste kaputt gemacht!", fuhr ich den blonden Zwerg ungehalten an, welcher etwas erschrocken drein blickend die andere Hälfte begutachtete. "Ich... äh... Oh... Verzeih. Das wollte ich nicht, Cuna", murmelte er und verzog das Gesicht zu einer Mischung aus Belustigung und gequälter Miene. Ich schnaubte ihm angesäuert entgegen und verschränkte die Arme vor der Brust. Wundervoll. Mal wieder eine astreine Leistung von den kleinen, bärtigen Männern. Damit hatte sich der letzte Rest meines Plans wortwörtlich in Wohlgefallen aufgelöst. Richi fand das ganze hingegen ungemein amüsant. Er lachte kurz auf und schüttelte den Kopf über unser Missgeschick. Mir war das Lachen Angesicht der letzten Stunden bereits mehr als einmal vergangen. Es war einfach nicht mehr zu ertragen, wie ich ständig umdisponieren und improvisieren musste. Aber vermutlich war es einfach so, wenn man mit Zwergen zusammen lebte. Man konnte oder durfte sich vielmehr keine Pläne machen. Denn egal was man sich vornahm, die Herren warfen es eh wieder über den Haufen. Nur mein bester Freund nahm die Dinge so hin wie sie kamen. Eigentlich eine seiner sehr positiven Eigenschaften, für die ich ihn sehr beneidete. Nur half sie mir und meiner wachsenden, mentalen Zwickmühle nicht. Schon gar nicht, als er mir tröstend auf den Rücken klopfte und meinte: "Naja. Kann passieren. Noch ein Grund, weshalb wir zu mir gehen sollten. Dann könnt ihr eine neue Liste schreiben. Außerdem kann ich Chu bitten etwas mitzubringen, wenn sie Feierabend hat. So und jetzt komm weiter. Stehen wir hier nicht in der Gegend herum." Ich brummte verstimmt und ließ die Schultern hängen, als er mich mit einem freundlichen Lächeln zum Weitergehen animierte. Ich zögerte zwar noch einen Moment und wandte mich fast schon sehnsüchtig dem hellerleuchteten Discounter zu, doch blieb da nur der Wunsch Vater des Gedanken. Ich musste folgen. Ob ich wollte oder nicht. Schließlich war ich vier zu eins überstimmt worden. So verließen wir zügigen Schrittes den Parkplatz und Bogen um die nächste Ecke, während ich genickt meine Augen auf den Bürgersteig senkte. Wie sollte ich es Richi nur erklären? Wie um alles in der Welt?! Es war eine mentale Katastrophe. Mir kamen auch keine spontanen Ideen mehr in den Sinn, die ich noch hätte anwenden können, um wieder umzudrehen. Immerhin standen wir einige Minuten später vor der Treppe eines älteren Mehrfamilienhauses, wo Richi hastig den Regenschirm zusammen faltete, seinen Schlüssel hervor zog und zur Tür hinauf stieg. Mit einem etwas nervigen, metallenen Klimpern hörte ich, wie sich das Schloss knirschend öffnete, ehe die Pforte ins Innere aufsprang. Das Haus in dem meine beiden Freunde lebten, war schon ziemlich alt. Aber im Gegensatz zu meiner alten Wohnung hielten der Vermieter und die Hausverwaltung das Gebäude noch einigermaßen in Schuss. So sorgte sie stets für frische Farbe an den Wänden, den Treppen und auch für die Reparaturen von kaputten Flurkacheln. Ansonsten wirkte alles immer noch sehr rustikal. Doch interessierte das Ambiente zu diesem Zeitpunkt niemanden. Alle waren nur froh endlich trockene Gefilde erreicht zu haben. Nun ja, alle bis auf mich. Ich nahm diesen Umstand nur mit einem halbherzigen Lächeln hin, als sich mein bester Freund wieder zu uns umdrehte. "So, dann mal rein in die gute Stube!", rief Richi fröhlich von oben auf uns herab. Das ließen sich die Zwerge nicht zweimal sagen und stürzten fast schon panisch in den halbdunklen Hausflur. Ich trottete ihnen langsam hinterher und unterdrückte dabei ein wehmütiges Seufzen. Mir war, als wäre ich ein armes Lamm, welches zu einer Schlachtbank geführt wurde. Ich hatte keinen Plan mehr. Keine Ahnung was auf mich zukommen würde, wenn ich mein Geheimnis offenbarte. Ich konnte nur hoffen und bangen, dass mein bester Freund die gesamte Geschichte nicht so dramatisieren würde, wie es Chu wohl täte. Nachdem Richi hinter mir die Haustür zu schob und abschloss, kam ich mir endgültig gefangen vor. Und keiner der anwesenden Herren ahnte auch nur wie es mir ging und welche Gedanken ich mir machte. Die Zwerge waren nur heilfroh endlich ein Dach über den Kopf zu haben, was sie mit einem entspannten Aufstöhnen bestätigten. "Mahal sei Dank. Wir haben es geschafft. Wohin jetzt?", fragte Bofur gut gelaunt, der sich erneut seiner Mütze entledigte und den gesamten Inhalt ungeniert über den gekachelten Flur verteilte. "Einfach die Treppe rauf. Gleich im ersten Stock bei den vier Türen", meinte Richi und deutete dabei auf die schmalen, hölzernen Stiegen hinter den Zwergen. Die Drei wandten sich auf seinen Wink hin gleichzeitig nickend um und stapften dann einfach sang, aber nicht klanglos die Treppe hinauf. Wobei stapfen fast schon das richtige Wort war. Ihre schweren Stiefel polterten regelrecht durch das gesamte Haus, sodass ich fast schon meinte die Wände wackeln zu sehen. Richi folgten ihnen danach schon direkt auf dem Fuße. Ich zockelte hingegen nur langsam, wie ein folgsamer Hund hinterher. Mit jeder Stufe wurde mir flauer im Magen. Sobald ich den ersten Stock erreichte und meine Jacke ablegte, würde mein bester Freund alles sehen. Einfach alles. Und ich würde in Erklärungsnot geraten. Vor allem da Kili ihm auch noch versprochen hatte, die vorherrschenden Umstände zu erläutern. Wobei ich mir nicht sicher war, ob mich die Zwerge dabei unterstützen würden. Trotzdem klammerte ich mich unterbewusst an diese schwindende Hoffnung. Immerhin betraf es uns alle zu gleichen Teilen. Mit gegangen, mit gehangen, mit gefangen, wie der Volksmund so schön sagte. Doch wie es am Ende aussehen würde, musste sich zeigen. Oben angekommen standen die drei kleinen Männer jedoch zunächst einmal vor einem kleinen Rätsel. Vor ihnen offenbarte sich ein gut drei Quadratmeter schmaler Absatz mit sage und schreibe vier weißen, hölzernen Türen, die in sämtliche Richtungen des Flurs abgingen. Ich wusste natürlich, dass sie alle zu einer einzigen Wohnung gehörten und nur eine davon als Eingang vorgesehen war. Die anderen waren von der gegenüberliegende Seite mit Schränken zugestellt worden und besaßen dahingehend auch keine funktionstüchtigen Schlösser mehr. Ein kleiner Alptraum für jeden Einbrecher. Wenn so jemand versuchte in diese Wohnung einzudringen und dabei plötzlich mitten auf die Rückwand eines Schrankes starrte, musste das für den Betreffenden schon sehr frustrierend sein. Besonders, weil es bereits einen Heidenlärm machte eine davon unter normalen Umständen zu öffnen. Meine drei Weggefährten waren allerdings im ersten Moment genauso überfordert. Sie warfen die Köpfe hin und her, kratzten sich an den Schläfen und blinzelten sich gegenseitig verwirrt an. "Welche ist es? Welche Tür sollen wir nehmen?", fragte Bofur an Richi gewandt. Dieser grinste verschwörerisch und erwiderte mit geheimnisvollem Ton: "Alle. Aber eigentlich nur eine." Nun stutzten die Drei und blinzelten ihn ungläubig an. "Wie meinst du das?", fragte Fili prompt und warf erneut die blonde Mähne hin und her. Ich seufzte indessen nur leidet und versah Richi mit einem leicht genervten Blick, als dieser noch breiter grinste. Ja, er mochte es von Zeit zu Zeit Leute ein wenig auf die Folter zu spannen, wenn diese schwer von Begriff waren. Ich hatte allerdings ein wenig die Nase voll von so etwas. Mir war kalt, ich war müde und bis zum Zerreißen angespannt. Folglich hatte ich für derlei Spielchen einfach keine Nerven mehr. So trat ich etwas näher und löste das sagenumwobene Rätsel der vier Wohnungstüren mit leicht gereiztem Tonfall auf. "Was Richi meint ist, dass alle Türen zu seiner Wohnung gehören, aber nur eine davon ins Innere führt", erklärte ich ihnen recht knapp, woraufhin sich ihre Mienen endlich wieder erhellten und sie mit großen Augen nickten. Mein Freund wirkte ein wenig pikiert, da ich ihm den Überraschungsmoment etwas verdorben hatte. Doch hielt er sich bis auf weiteres geschlossen, nachdem ich ihm einen vielsagenden Blick zuwarf. Ich ließ ihn merken, dass ich nicht in der Stimmung war mich wegen so einer Kleinigkeit zu streiten. Stattdessen demonstrierte Richi auf erneute Nachfrage der Zwerge, wo wir hinein gelangen konnten. Er schob sich geschickt an den drei Männern vorbei und steckte den Schlüssel in das Schloss der zweiten Tür von links. Doch bevor er diesen umdrehte, wandte er sich noch einmal kurz an uns. "Zieht bitte die Schuhe aus. Dann könnt ihr rein kommen", meinte er schlicht und öffnete anschließend die Tür. Wieder warfen sich die Zwerge gegenseitig verwirrte Blicke zu. Kein Wunder. Bisher hatte sie niemand aufgefordert ihre Stiefel einfach so draußen stehen zu lassen und Barfuß irgendwohin zu gehen. "Ich verstehe nicht ganz. Wieso sollen wir uns unserer Stiefel entledigen?", hakte Bofur nach und wandte sich mit dieser Frage direkt an mich. Ich war unterdessen bereits dabei mich meiner Latschen zu entledigen, welche mit einem sehr schlüpfrigen Geräusch von meinem Füßen rutschten. Vorsorglich zog ich auch noch meine triefnassen Socken aus, um nicht auf dem kühlen Flurboden auszurutschen. Währenddessen seufzte ich leise und erklärte ihnen das Ganze mit versucht ruhigem Tonfall: "Ganz einfach. Der Boden in der Wohnung besteht aus Echtholz-Panelen. Wenn die zu nass und schmutzig werden, können die kaputt gehen und anfangen zu schimmeln. Das sieht der Besitzer des Hauses nicht so gern. Deshalb Schuhe aus." Als ich mich aufrichtete und die drei ins Auge fasste, nickten sie mit leicht verzogenen Mündern. Natürlich sagte den Herren eine derartige Behandlung nicht wirklich zu. In Mittelerde war eben alles anders. Da nahm man keine Rücksicht darauf, ob der Boden durch Schmutz und Nässe kaputt gehen konnte. Man nahm es einfach so hin. Dennoch beugten sie sich unter einigem Murren dem Wunsch unseres unfreiwilligen Gastgebers, welcher bereits sehr geräuschvoll in seiner Bude herum werkelte. Dem Klappern und Scheppern nach vermutete ich in der Küche, welche sich direkt links um die Ecke neben der Eingangstür befand. Da ich schon fertig war, betrat ich als erste die recht breite Diele. Sie war sehr geräumig und relativ großzügig geschnitten. Dort hatte Richi sein eigenes Reich. Und das durfte man mit Fug und Recht behaupten. Überall standen verschiedene Habseligkeiten herum, die ein normaler Mensch eigentlich nicht benötigte. Aber Richi war so gesehen kein "Normaler" Mensch. Er hatte viele Interessen und Hobbies, die er mit Leidenschaft auslebte. Hauptsächlich beschränkte er sich dabei jedoch darauf Dinge zu Sammeln, die er zusammen mit Chu auf diversen Trödelmärkten fand. Dabei kam einiges zusammen. So stapelten sich in einer Ecke viele alte Bücher, deren Auflagen zum Teil über hundert Jahre alt waren. In einer anderen lagen Kartons mit besonders seltenen Brettspielen aus den achtziger und neunziger Jahren. Und mitten in diesem eigentlich noch geordneten Chaos befand sich sein Schreibtisch, auf dem sein PC stand. Doch besonders viel Wert legte er auf seine Musikinstrumente. Er spielte für sein Leben gern Gitarre, war aber auch dem Elektro-Pop nicht ganz abgeneigt. Jedoch waren seine musikalischen Vorlieben nicht unbedingt jedermanns Geschmack. Besonders, wenn er selbst anfing herum zu experimentieren. Chu hatte mir des öfteren schon erzählt, wie sehr ihr das manchmal auf die Nerven ging. Aber sie liebte ihn trotzdem über alles dafür. In meinen Augen waren sie einfach das perfekte Paar. Sie ergänzten sich in vielerlei Hinsichten. Und wenn sie sich in aller Öffentlichkeit zeigten, wirkten sie für Außenstehende immer noch so, als wären eben frisch zusammen gekommen. Dabei lag der Beginn ihrer Beziehung schon wesentlich weiter zurück. Sie waren bereits während ihrer Schulzeit schon ein Paar gewesen. Lange bevor ich überhaupt meinen Verblichenen kennengelernt hatte. Die Beiden und er waren einst richtig dicke Freunde gewesen. Nach der Schule hatten sie sich jedoch kurz aus den Augen verloren. Erst Jahre später hatten sie sich wiedergetroffen. Zu diesem Zeitpunkt war ich auch dazu gestoßen. Ich erinnerte mich noch gut daran, dass ich mich sehr einsam und fehl am Platz gefühlt hatte. Doch sie hatten mich schnell ins Herz geschlossen und zum Teil ihrer Gruppe werden lassen. Ich hatte in meinem ganzen vorherigen Leben nie so gute Freunde wie die beiden gefunden. Deswegen waren sie auch Trauzeugen bei meiner ersten Hochzeit gewesen. Und ich wollte ihre Freundschaft unter keinen Umständen einbüßen. Sie waren mir wichtig. Viel zu wichtig. Für mich waren die Beiden in all der schweren Zeit nach dem Tod meines Mannes wie eine Familie geworden. Doch nun drohte diese Familie wegen einer anderen, die in mein Eigen nannte, auseinander zu brechen. Ein schwerer Eisblock rutschte mir in die Magengegend. Mir wurde schier schlecht bei dem Gedanken, dass ich die zwei wichtigsten Menschen im meinem Leben verlieren würde. Und das nur wegen Thorins Ausraster. Oh Herr Gott, was sollte ich nur tun? Ich war machtlos dem gegenüber. Es gab keinen Ausweg. Keine Reißleine, die ich noch ziehen konnte, um mich vor diesem schmerzhaften Aufprall zu schützen. Die Gedanken und Gefühle kreisten in einem endlosen Strudel durch meinen Kopf. Mir wurde schwindlig und die Übelkeit nahm auch mit jeder Sekunde zu. Alles was ich mir über die Jahre hinweg aufgebaut hatte. Alles, was mir wichtig war, sah ich plötzlich vor meinem inneren Auge zusammen brechen. Mein erster Mann war weg, Thorin war fort und nun sollten auch noch meine besten Freunde folgen. Das Schwindelgefühl wurde schlimmer. Ich schwankte heftig und zitterte vor äußerer und innerer Kälte. Mein Schädel war vom vielen Denken kurz davor zu zerplatzen. Ich hätte nicht herkommen sollen. Niemals. Nicht zu diesem ungünstigen Zeitpunkt. Ich begann zu taumeln und versuchte mich irgendwo festzuhalten. Doch der einzige Halt den ich bekam, war einer der Zwerge, die unbemerkt hinter mir eingetreten waren. Ich konnte Fili erschrocken aufkeuchen hören. Offenbar war ich genau gegen ihn gefallen. Zu meinem Glück ergriff er mich reflexartig und hielt so meinen Körper davon ab zu Boden zu stürzen. Aber auch die anderen Beiden waren umgehend zu Stelle. Ich spürte wie sie mich packten und anschließend panisch meinen Namen riefen. "Cuna?! Cuna?! In Durins Namen, was hast du?!", kam es bestürzt von Kili, der mich heftig rüttelte. Ich hob matt den Kopf um sie anzusehen. Doch meine Sicht war sonderbar verschwommen. Es war als würden sich dicke Nebelschwaden vor meine Augen schieben, die das Bild der Drei erst verzerrten, dann schärften, aber schließlich erneut verschwimmen ließen. Nein! Nein ich durfte nicht zusammen brechen! Bitte! Bitte nicht jetzt, brüllte ich mich innerlich an. Ich versuchte wach zu bleiben. Kämpfte einige Minuten gegen die zunehmende Ohnmacht an, welche mich überkam. Doch am Ende verlor ich diesen kräftezehrenden Kampf. Das Letzte woran ich mich noch erinnerte war, dass sich mein Mund öffnete und meiner Kehle ein leidendes Stöhnen entkam. Dann fiel ich ungebremst in eine endlose Dunkelheit. - 102. Vom Regen in die Traufe / Ende - Kapitel 103: 103. An guten wie an schlechten Tagen -------------------------------------------------- Dunkelheit. Tiefe undurchdringliche Dunkelheit. So weit meine Augen reichten gab es nichts anders. Kein Licht. Kein Schimmern. Nicht mal ein wirrer Traum wollte sich in meinen benommenen Geist hinein stehlen. Sämtliche guten und bösen Gedanken waren vollkommen aus meinem erschöpften Gemüt verschwunden. Da war nichts. Nur Leere. Leere und Dunkelheit. Für mich überraschenderweise sehr erholsam. Einfach nicht denken und fühlen. So schien ich irgendwo zwischen Schlafen und Wach sein zu schweben. Was um mich herum passierte und wie viel Zeit seit meinem Zusammenbruch verging wusste ich nicht. Doch irgendwann vernahm ich etwas. Zwar nur leise und sehr verzerrt, aber da waren Geräusche. Wirklich sonderbar, Auf der einen Seite war es still, auf der anderen hörte ich Geräusche, Stimmen wenn ich mich nicht ganz täuschte. Nicht so wie die, als ich dem Klangrausch erlegen war. Sie klangen besorgt, unruhig und eine schien sogar sehr aufgebracht zu sein. Ich spürte nur unterbewusst, dass sich die Kälte gelöst und einer wohltunenden Wärme gewichen war. Das war in meiner Situation sehr angenehm. Sie erfüllte mich mit viel Geborgenheit und Schutz. Und ich verfluchte bereits den Augenblick indem ich erwachte. Doch ich wusste, dass ich nicht für alle Ewigkeit dort bleiben konnte. Ich musste zurück. Dahin, wo ich die sehr leisen, zum Teil ziemlich aufgeregten Stimmen hörte. Sie versprachen mir definitiv nichts Gutes. Aber weiter in der Dunkelheit vor mich hin dümpeln konnte und wollte ich irgendwie auch nicht. Nur wie sollte ich mich entscheiden? Die Dunkelheit und Stille tat meinem geschundenen Geist ziemlich gut, doch kam sie mir sehr falsch vor. Der Ort wo die Stimmen waren, versprach mir wieder in Stress zu verfallen, aber wirkte auf der anderen Seite richtig. Es war wirklich knifflig. Am sinnvollsten war es wohl, dass ich beide Seiten kurz noch einmal miteinander abwog. Zunächst die dunkle Seite. Die Ruhe. Die Stille. Irgendwie wundervoll. Aber da war zu meinem Bedauern kein anderes Gefühl. Weder in meinem Körper noch sonst etwas, was ich empfinden konnte. Und auf Dauer gesehen wirkte es ziemlich beklemmend. Danach widmete ich mich der Seite der Stimmen. Je näher ich dieser kam, umso deutlicher konnte ich meinen Körper wieder spüren und hören was die vielen Anwesenden sagten. Und je mehr ich mich ihr näherte, umso deutlicher wurde alles und zog mich wie magisch in seinen Bann. Wobei es wohl weniger Magie, als vielmehr meine weibliche Neugier war. So sagte ich in Gedanken der Dunkelheit und Stille Lebewohl und konzentrierte mich stärker auf die wache Welt. Das Gefühl kehrte ungewöhnlich schnell wieder in meinem Körper zurück. Die Stimmen wurden auch mit jeder Sekunde lauter, obwohl ich vorerst nur unzusammenhängende Bruchstücke verstand, wie "... vollkommen Verantwortungslos!" oder "...hätten sofort nach Hause gehen sollen". Zwischendrin rauschte und raschelte es leicht in meinen Ohren. Mehr war von meinem Gehör noch nicht wieder aktiv. So musste ich mich zunächst darauf beschränken meine Umgebung zu ertasten. Das fiel mir nicht weiter schwer. Einige sehr offensichtliche Tatsachen bemerkte ich direkt, als meine Finger leicht zuckten. Ich lag auf einem relativ weichen Untergrund, über mir befand sich eine flauschige Wolldecke und unter meinem Kopf hatte jemand ein Kissen geschoben. Ich vermutete stark, dass mich irgendwer in ein Bett oder auf ein Sofa verfrachtet hatte. Allerdings traute ich mich nicht wirklich umherzutasten oder mich anderweitig zu bewegen. Denn je nachdem wo ich nun lag, konnte die Gefahr bestehen runter zu fallen. Nach dem Erwachen am Morgen, hatte ich keine große Lust mehr den Fußboden zu knutschen. Einmal reichte voll und ganz an diesem Tag. Stattdessen wand ich meinen benommenen Geist umgehend wieder den Stimmen zu ohne auf weitere Details meiner Umgebung zu achten. Nach einigen Sekunden in denen ich etwas herum rätselte, wurde mir plötzlich klar, wer sich da unterhielt. Oder vielmehr eine handfeste Auseinandersetzung hatte. Eine recht hohe, weibliche Stimme irgendwo in der Nähe meiner Füße faltete gerade jemanden zusammen, der versuchte sie mit beschwichtigenden, leisen Worten zu beruhigen. "... nicht hier... braucht Ruhe", ertönten die abgehackten Wortfetzen einer Männerstimme auf das anhaltende Gezeter. Das musste Richi sein. Kein anderer behielt in einer so aufgeheizten und angespannten Situation dermaßen die Ruhe. "...hat sie verletzt! ...allein gelassen! ... kann was erleben! ...keine Hilfe!", erwiderte die Frauenstimme darauf so laut, dass ich wieder ein unliebsam schmerzhaftes Pochen an meiner verwundeten Schläfe spürte. Doch dieser Wutausbruch brachte mich zumindest schon mal darauf, wer in meiner halbwachen Anwesenheit so ausrastete. Wie konnte ich sie auch nicht erkennen? Ihre Stimme war mir genauso vertraut, wie die aller anderen, die sich mit im Raum befanden und weiter auf sie einredeten. Aber wenn sie da war musste es bedeuten, dass es bereits früher Abend war. Da hatte ich wohl wirklich lange geschlafen. Wenn man es überhaupt Schlaf nennen konnte. Ohnmacht war schon etwas zutreffender. Zumindest wenn ich mich flüchtig an das Letzte erinnerte was ich gesehen hatte, bevor mir sämtliche Lichter ausgegangen waren. Mit jeder Minute oder Sekunde die verstrich, wurden die Worte der Anwesenden immer flüssiger, bis sie schlussendlich ganze Sätze bildeten. Nebenbei bemerkte ich, dass sich die Unterlage auf der linken Seite leicht nach unten bog. Jemand musste sich zu mir gesetzt haben. Und auch denjenigen erkannte ich bald, nachdem mir seine Stimme in den Ohren erklang. "Chu. Bei Durins Bart! So hör uns doch endlich an. Wir wissen, dass es falsch war, was unser Onkel getan hat. Und dass es ihr seitdem schlecht geht, ist uns auch nicht fremd. Aber sie hätte sich davon nicht abbringen lassen, in diesem Zustand aus dem Haus zu gehen. Selbst wenn wir uns dagegen ausgesprochen hätten, wäre sie vermutlich trotzdem gegangen. Deswegen sind wir mit ihr zusammen losgezogen. Obwohl ich zutiefst bedaure, dass wir mitverantwortlich für ihren Zusammenbruch sind", raunte die besorgte, aber dennoch leicht gereizte Stimme von Kili. Er war es also, der sich an meine Seite begeben hatte. Gleichzeitig fühlte ich, wie ein leicht angefeuchtetes Tuch behutsam über meine Stirn strich und dabei vorsichtig die Haut abtupfte. Man hatte mir offensichtlich den Verband abgenommen. Meine Wunde lag frei und war für alle sichtbar. Kein Wunder, dass Chu am Rad drehte. Sie hatte wohl eben erst erfahren, was mit mir passiert war und wer dafür die Verantwortung trug. An ihrer Stelle wäre es mir auch nicht anders ergangen. Wenn ich nach Hause gekommen wäre und gesehen hätte, was irgendein Mann mit meiner besten Freundin angestellt hatte, würde ich genauso an die Decke gehen. Allerdings hatte Richi schon recht. Sie sollte nicht so in meiner Gegenwart herumschreien. Davon bekam ich erneut heftige Kopfschmerzen. Aber wenigstens waren die Zwerge noch da. Man hatte sie nicht einfach so sang und klanglos raus geschmissen. Nur schien es aus meiner Sicht lediglich eine Frage der Zeit zu sein, bis meine beste Freundin richtig explodierte und die Herren allesamt vor die Tür setzte. Vermutlich hatte Richi sie die ganze Zeit über davon abgehalten. Doch tat sich dieser inzwischen ziemlich schwer damit, die Situation einigermaßen unter Kontrolle zu halten. "Nun hör doch endlich auf so zu brüllen, Schatz. Es nun mal passiert. Wir können es nicht ändern. Wir können nur warten, bis der Arzt da war und Jacky endlich wieder zu sich kommt", meinte er mit einem tiefen Seufzen, als sie erneut dazu ansetzte zu schimpfen. Ich musste mir nach seiner Aussage ein Schlucken verkneifen. Oh man, das konnte ja heiter werden. Wenn mein Arzt wirklich unterwegs zu meinen Freunden war, dann konnte ich mich tierische auf was gefasst machen. Er hatte mich noch eindringlich dazu ermahnt, mich nicht zu überanstrengen und recht zügig meinen Erledigungen nachzugehen. Außerdem würde es ihm mit Sicherheit gar nicht gefallen, dass ich meine Medikamente noch nicht zu mir genommen hatte. Dass ich zuvor noch besorgt wegen der Reaktion von Chu und Richi auf meine Wunde gewesen war, kam mir nun reichlich lächerlich vor. Im Gegensatz zu ihm, konnten sie mir das Leben nicht mal halb so schwer machen. Unter Garantie würde er mich nicht nur zusammen falten, wie einen Origami-Schwan. Nein, er würde mir auch noch andere Sachen auferlegen, die mir bereits zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich gefielen. Ich vermied es daher tunlichst mir auf die Unterlippe zu beißen. Ich wollte wirklich nicht, dass die Zwerge und meine Freunde auf mich aufmerksam wurden. Sicher, es war nicht gerade die feine englische Art mich schlafend zu stellen, während sie über mich redeten und sich offenkundig riesige Sorgen machten. Nur war ich mir uneinig, ob ich tatsächlich dieses Risiko eingehen sollte. Ich hatte schließlich immer noch keinen wirklichen Plan, wie ich mich zu der Sache äußern sollte. Besonders wo Chu noch so aufgeregt war und haltlos meinen Zukünftigen vor allen Anwesenden beschimpfte. Und eigenartiger Weise ließen sich Kili und Fili das Ganze sogar gefallen. Sie äußerten sich mit keinem Ton zu Chus kleiner Hasspredigt. Vermutlich waren sie in dem Moment einfach ein bisschen überfordert. Nur Bofur seufzte irgendwann genervt aus einer Ecke des Raumes hervor und brummte verdrießlich: "Chu, wir wissen das. Wir waren dabei, als es passierte. Aber indem du Thorin vor uns für das was er getan hat verurteilst, hilfst du ihr nicht. Du solltest wirklich auf Richi hören. Cuna braucht Ruhe. Wir können nur warten, bis der Heiler bei ihr war. Danach geht es ihr hoffentlich besser." Von seiner direkten Aussage überrascht, hörte ich meine beste Freundin kurz nach Luft schnappen. Dass der eigentlich Harmonie verbreitende Mützenzwerg sich auf die Seite ihres Lebensgefährten schlug und ihr mit ruhigen, aber durchaus ernst gemeinten Worten in die Parade fuhr, verblüffte sie offensichtlich sehr. Gut, wenn ich ihn in den letzten Tagen nicht schon so erlebt hätte, wäre ich auch darüber erstaunt gewesen. Vermutlich bewog sie gerade dieses Auftreten dazu, noch einige Male ganz tief durchzuatmen, bevor sie etwas leiser vor sich hin raunte: "Ich weiß. Ich weiß. Ihr habt recht. Aber ist doch wahr. Dieser miese, einfältige Drecksack von einem Zwerg! Ich kann es immer noch nicht glauben, was er ihr angetan hat. Wir haben sie ihm anvertraut. Er hat mir versprochen, dass er ihr kein Haar krümmt. Und jetzt DAS! Warum hat sie sich nur nicht bei uns gemeldet? Wieso mussten wir es auf diese Weise erfahren? Wir hätten ihr doch helfen können. Ich hätte diesen Kerl in Stücke gerissen! Und das werde ich auch, wenn er ihr nochmal zu nah kommt." "Und eben das wird der Grund sein, weshalb sie sich nicht bei uns gemeldet hat. Weil sie genau wusste, wie du reagieren würdest", erwiderte Richi knapp und ebenso ernst wie Bofur. Nun konnte ich Chu heftig schlucken hören. Mit zwei Männern, die nun versuchten sie zu beschwichtigen, hatte sie nicht gerechnet. Am liebsten hätte ich die Augen etwas geöffnet, um ihr Gesicht zu sehen. Das Dumme war nur, dass meine Lider sich nicht dazu bewegen ließen aufzuklappen. Nicht mal zu einem kleinen Spalt. Vielleicht war es auch gut so. Mich überkam nämlich wieder ein leichtes Schwindelgefühl bei dieser doch eher geringen Anstrengung. Ich war wohl bei weitem nicht so Fit, wie ich noch am Morgen gedacht hatte. Einer der Gründe, weshalb ich nun irgendwo in der Wohnung meiner besten Freunde herum lag und ihrem erhitzten Gespräch lauschte. Aber eigentlich brauchte ich auch gar nicht zu sehen, was Chu nach den Worten der Beiden machte. Ich wusste, dass sie sich bestimmt betreten auf den Lippen herum kaute oder hilfesuchend zu Thorins Neffen schaute. Doch diese hielten sich in dem Punkt vornehmlich mit ihrer Meinung bedeckt. Ich konnte nur Kili von links betreten Schnaufen hören, während sein älterer Bruder nachdenklich irgendwo zu meiner rechten vor sich hin brummte. Dann räusperte sich der blonde Bursche doch kurz und äußerste sich zum ersten Mal, seit ich wach war. "Ich finde auch, dass Cuna Ruhe benötigt. Nach alldem, was sie in den letzten Tagen unseretwegen durchstehen musste, wäre es das Beste, wenn wir sie schlafen lassen und auf den Heiler warten", murmelte er ruhig, wobei ich spürte, wie sich eine schwere Hand auf meinen Schädel legte und langsam durch mein Haar strich. Kili pflichtete seinem Bruder mit einem knappen Murmeln bei und seufzte leise. Am liebsten hätte ich die Beiden in diesem Augenblick gerne in die Arme genommen. Meine angenommenen Brüder waren, trotz der ganzen Aufregung und dem Stress den sie mir gemacht hatten, einfach viel zu süß. Sie kümmerten sich so aufopferungs- und liebevoll um mich, dass ich ein leises betrübtes Schnaufen nicht unterdrücken konnte. Doch anders als ich erwartet hatte, reagierte niemand so wirklich darauf. Offenbar hatte ich während meiner Ohnmacht immer wieder unbewusst solche Geräusche von mir gegeben, weshalb sich keiner darüber wunderte. Der Einzige, der ein klein wenig darauf ansprang war Kili, der mir aber nur ein knappes, "Sch", zu wisperte. Der Rest hüllte sich nach Filis Äußerung in nachdenkliches Schweigen. Nun war es auch in der Realität sehr Still geworden. Was ich lediglich noch hören konnte, waren einige schwere Atemzüge und ein gelegentliche Seufzen. Schließlich fand Chu nach einigen Minuten ihre Stimme wieder und wandte sich dabei fragend an die Zwergen und ihrem Lebensgefährten. "Wird.... Meint ihr Jacky wird wieder aufwachen?", murmelte sie verunsichert und schluckte schwer, als hätte sie die Worte gar nicht erst ausspucken wollen. Doch nun standen sie im Raum, wo sie auch zunächst einmal unbeantwortet blieben. Erneut trat Schweigen ein. Keiner traute sich eine klare Diagnose über meinen Zustand abzugeben. Auch Kilis Getupfe auf meiner Stirn wurde langsamer. Er wirkte nachdenklich. In sich gekehrt. Nur sein Bruder kraulte mir weiterhin im selben Tempo den Kopf. Ich fragte mich unterdessen, ob es gut wäre, wenn ich mich bemerkbar machte. Ob ich die finsteren Gedanken meiner Freunde zerstreuen und ihnen sagen sollte, dass ich die ganze Zeit über wach gewesen und stummer Zeuge ihrer Diskussion geworden war. Allerdings kam ich weder dazu mich zu bewegen noch irgendetwas zu sagen. Da gerade als ich mich entschieden hatte den Mund zu öffnen, um ihnen zu antworten, plötzlich die Türklingel schellte. Diese hämmerte mir so durchdringend schrill in den Gehörgang, dass ich anstatt klare Worte von mir zu geben, nur mit einem leisen Stöhnen zusammenzucken musste. Und erneut bemerkte kaum einer, dass ich längst bei Bewusstsein war. Außer natürlich Kili, der mit seinem Getupfe inne hielt, bevor er mir beschwichtigend und leise zu murmelte: "Sch... Alles ist gut. Ganz ruhig, Schwesterchen." Der Rest gab hingegen ein mehrstimmiges erschrockenes Keuchen von sich, bis es erneut läutete. "Das wird wohl der Arzt sein. Ich geh runter und mach mal eben auf", stelle Richi knapp und sachlich fest, ehe er mit eiligen Schritten den Raum verließ. "Na endlich. Das wurde auch Zeit. Warte, ich komme mit!", rief Fili hastig und löste sich rasch von mir, um ihm zügig hinterher zu tapsen. Chu, Bofur und Kili warteten indessen etwas planlos bei mir. Im Treppenhaus ertönte ein enormes Gepolter, als der blonde Zwerg und Richi die Stufen runter flitzten. In diesem Haus konnte man selbst durch die dicksten Wände noch hören, wenn irgendwo die Post abging. Am liebsten hätte ich kurz gegrinst, als ich mir vorstellte, wie die zwei fast übereinander fallend zur Haustür stürmten. Nicht weil ich den Anblick lustig gefunden hätte, sondern eben weil ich es sehr süß fand, wie besorgt sie um mich waren. Doch eine solche Reaktion meinerseits empfand ich Angesichts des schwerwiegen Grundes äußerst taktlos und unangebracht. Schließlich waren immer noch andere im Raum und diese hätten das durchaus missverstehen können. Nein. Manche Dinge sollte man eben nicht tun. Besonders nicht in meiner Situation. So beschränkte ich mich lediglich auf einige tiefe Atemzüge, bevor es wenig später zur Sache gehen sollte. Lange brauchte ich nicht zu warten bis drei paar Füße aus dem Treppenhaus und die Stimme meines Hausarztes zur Wohnung herein kamen. Und er klang wie ich erwartet hatte alles andere als begeistert. "... sie war ja noch nie wirklich umsichtig mit ihrer Gesundheit. Aber ich hätte doch erwartet, dass sie mit so einer Kopfverletzung nicht noch stundenlang draußen rum springt. Gut, dass du sie gefunden und mit zu dir nachhause genommen hast, Richi. Nicht auszudenken, was noch alles hätte passieren können. Wo gehts lang?", fragte er anschließend mit einem schwermütigen Seufzen, ehe Richi ihm mit einem kurzen, "Im Schlafzimmer auf dem Bett", antwortete. So wurde nun auch meine unausgesprochene Frage endlich beantwortet, wo ich mich befand, ehe die drei durch die Tür zu mir in den Raum schritten. Mein Dok begrüßte nach seinem Eintreten umgehend die übrigen Anwesenden mit einem knappen, "Guten Abend“, welches alle in einem gemurmelten Chor erwiderten. Unterdessen stellte jemand, vermutlich Fili, etwas Schweres in der Nähe von meinem Kopfende ab, bevor sich dieser wieder entfernte. Ein sehr unangenehmer Geruch von feuchtem Leder und Desinfektionsmittel stieg mir einige Sekunden später in die Nase. Das musste wohl die Behandlungstasche vom Dok sein. Dieser muffige Gestank war mir sehr vertraut. Jede Arzttasche roch danach. Am schlimmsten sogar, wenn es draußen regnete, wovon ich aufgrund dieser ekelerregenden Ausdünstung einfach mal ausging. Anders konnte ich es mir nicht erklären. Während ich versuchte diesen Geruch irgendwie zu ertragen, erkundigte sich der Dok schon einmal vorweg bei den anderen über den Stand der Dinge. "Also, ich habe ja schon am Telefon gehört, dass sie plötzlich zusammengebrochen ist und nicht mehr ansprechbar war. Hat sich in der Zwischenzeit etwas geändert?", hakte er ruhig nach, woraufhin ihm Kili mit einem gedehnten Seufzen antwortete, "Nicht viel. Sie friert zwar nicht mehr und atmet etwas ruhiger, aber sie stöhnt gelegentlich auf als habe sie starke Schmerzen." Der Dok brummte kurz bestätigend, bevor er weiter fragte: "Hat einer von euch ihren Puls schon überprüft und Fieber gemessen?" "Ja. Das hab ich gemacht. Vorhin war er noch ziemlich hoch und sie war etwas unterkühl", meinte Richi ruhig, aber ich hörte deutlich ein klein wenig Verzweiflung darin. "Verstehe. Woher stammt die Unterkühlung? Wisst ihr das auch?", hakte der Arzt in fachmännischen Ton nach und ging nun endlich zur rechten Bettseite. Danach öffnete er seine Tasche, während mein bester Freund ihm lang und breit von dem Auto erzählte, welches mir meine unfreiwillige Dusche verpasst hatte und dass sie mir deswegen auch den nassen Verband hatten abnehmen müssen. Zum Glück übernahm er diesen Teil der Geschichte, bevor die Zwerge Gelegenheit hatten, sich dazu zu äußern, obwohl sie eigentlich diejenigen waren, die es mitangesehen hatten. Ihre Aussage hätte aber womöglich nur unangenehme Fragen zur Folge gehabt. Nicht weil sie falsch gewesen wäre, sondern allein wegen ihrer doch recht rückständigen Wortwahl. Noch mehr Probleme durch ihre Herkunft konnten sich meine besten Freunde auch nicht leisten. Und die Zwerge nahmen es recht gleichmütig hin, dass sie nicht selbst etwas preisgeben mussten. Von daher war eigentlich allen geholfen. Nunja, allen bis auf meine Wenigkeit. Seitdem der Dok die Tasche geöffnet hatte, um darin seine Instrumente herauszusuchen, verströmte diese ihren bestialischen Gestank noch viel stärker in meine Richtung. So war es nicht verwunderlich, dass ich die Nase etwas rümpfte, das Gesicht zu Kilis Seite wegdrehte und meinen Mund ein klein wenig verzog. Der dunkelhaarige Bursche spürte natürlich sofort, dass ich mich bewegte und gab ein erschrockenes Keuchen von sich. "Was in Durins Namen...? Cuna? Cuna, kannst du mich hören? Bist du wach?", fragte er aufgeregt und verlagerte sein Gesicht auf dem Bett ein Stückchen. Dann fasste er mich mit einer Hand an der Schulter und rüttelte leicht an mir herum. Wobei 'Leicht' mal wieder nicht ganz so zutraf, außer man interpretierte es auf Zwergenart. In Wahrheit fühlte es sich für mich an, wie ein Erdbeben der Stufe sieben Komma acht auf der Richterskala. Und durch seinen Aufschrei wurden zusätzlich noch die Anderen auf mich aufmerksam. "Kili was ist los? Was hast du denn plötzlich?", kam es überrascht von Bofur, der mit wenigen Schritten auf der Bettseite des Jungzwergs stand. Doch zunächst bekam dieser bis auf einige Fetzen in meiner und seiner Muttersprache keine klaren Worte heraus. Zumindest solange bis Chu ihre Stimme erhob und ihn ungehalten anpflaumte: "Kili! Meine Fresse, hör auf Jacky in ihrem Zustand so zu schütteln und sag uns gefälligst was plötzlich in dich gefahren ist!" "Sie... Sie... Sie hat sich bewegt. Sie hat den Kopf bewegt. Ich hab es genau gesehen! Sie kommt wieder zu sich!", rief er völlig überdreht vor Euphorie, während er mich noch etwas schüttelte. "Sie hat sich bewegt? Bist du sicher?", warf Fili mit ungläubigem Ton ein und stolperte dabei gegen das Fußende des Bettes, was zu noch mehr Erschütterungen führte. Als dieser das mit einem zuversichtlichen Brummen bestätigte, brach in meinem Krankenzimmer erst recht die Hölle los. Alle plapperten wild durcheinander. Die Zwerge waren dabei noch die zuversichtlichsten. Sie jubelten bereits vor Freude, noch bevor ich blinzeln konnte. Richi und Chu nahmen das Ganze hingehen eher sehr skeptisch und ungläubig zur Kenntnis. Sie versuchten die kleinen, bärtigen Männer in ihrer Vorfreude zu bremsen, was angesichts ihrer Lautstärke nur mit Brüllen zu bewältigen war. Doch der Lärm, den sie alle dabei produzierten, war nicht gerade besonders berauschend. Vor allem, da meine Kopfschmerzen wieder so unerträglich wurden und in Zusammenhang mit meiner eh schon vorhandenen leichten Übelkeit beinah wieder dazu geführt hätten, dass ich mein Bewusstsein verlor. Und es wäre auch so gekommen, wenn der Dok nicht rechtzeitig eingegriffen, beziehungsweise die Gruppe zur Ordnung gerufen hätte. "RUHE!", brüllte er über ihre Köpfe hinweg und schlagartig verharrten alle in der letzten Position, die sie eingenommen hatten. Danach schnaubte er aufgebracht und begann meine besten Freunde, sowie die Zwerge gleichermaßen nach alter Manier ordentlich zusammen zu falten. "Mein Gott! Was ist in euch gefahren?! Habt ihr den Verstand verloren?! Das ist ein Krankenzimmer! Eure Freundin ist schwer krank und benötigt absolute Ruhe!", fuhr er sie an, woraufhin ein mehrseitiges Schlucken zu hören war. "Das... ähm... Tut uns leid Doktor Fleischer, aber... wir... also...", stammelte Richi entschuldigen, doch schon setzte mein Hausarzt seine Gardinenpredigt energisch fort ohne direkt auf ihn einzugehen, "Es interessiert mich nicht, wie leid es euch tut oder wie sehr ihr euch darüber freut, dass sie für euch augenscheinlich bei Bewusstsein ist. Ihr behindert mit euren Geschrei und Gezanke ihren Genesungsprozess und darüber hinaus meine Behandlung. Ihr geht am besten Raus, wenn ihr weiter krach machen wollt und warten, bis ich hier fertig bin. Und jetzt ab mit euch. Raus!" Damit war definitiv das letzte Wort gesprochen und nicht einmal die Zwerge wagten es sich dieser Anweisung zu wiedersetzen. Wobei ich dennoch meinte sie ein wenig in ihrer Muttersprache vor sich hin murren zu hören, ehe die Tür hinter der Gruppe ins Schloss fiel. Sie konnten meinem Arzt immer noch nicht wirklich vertrauen. Das merkte man allein schon an der Tonlage ihrer Worte. Aber sie mussten es hinnehmen, dass wohl nur er mir in diesem Moment noch helfen konnte. Richi und Chu waren indessen leise und kommentarlos aus dem Raum verschwunden. Für sie war es einfach eine klare, deutliche Ansage, welche sie stets stillschweigend hinnahmen. Auch wenn es sich bei dem Raum um ihr privates Schlafzimmer handelte, das Wort eines behandelnden Arztes war zu respektieren und daran hielten sie sich in den meisten Fällen. Ich stöhnte unterdessen erleichtert auf und war froh darum wieder etwas Ruhe zu haben und nicht mehr durchgeschüttelt zu werden. Was natürlich nicht automatisch hieß, dass ich in einer besseren Situation, als meine Freunde und die Zwerge war. Denn nun kam mein Arzt wieder ans Bett und grollte mit schweren Atemzügen vor sich hin, während er wieder in seiner Tasche kramte. Trotzdem wollte ich es mir nicht nehmen lassen dem Halbgott in Weiß für diese fast schon todesmutige Rettungsaktion meinen tiefsten Dank auszusprechen. Als ich jedoch meinen Mund öffnete, um ihm genau das zu sagen, kamen allerdings nur ein trockenes krächzendes, " 'Anke...'Ok", aus meiner Kehle hervor. Wieder schnaubte er mit einem leichten grollen. Wobei es sich nicht mehr ganz so wütend anhörte, wie zuvor. Dafür bedachte er mich jedoch mit einigen recht vorwurfsvollen Belehrungen. "Was machst du wieder für Sachen? Hab ich mich vorhin in der Praxis nicht klar genug ausgedrückt? Du solltest dich schonen und ausruhen. Jetzt hast du den Salat. Sei froh, dass du so gute Freunde hast, die dich aufgenommen haben. Dir hätte Gott weiß was zustoßen können. Hast du zumindest genug gegessen und getrunken, wie ich es dir geraten habe?", hakte er am Ende seiner Standpauke ruhig nach. Nebenher ergriff er dabei ungefragt meinen Arm, rollte den Ärmel nach oben und legte die Manschette zum Blutdruckmessen darum. In dem Zusammenhang fiel mir plötzlich auf, dass ich nicht mehr meine ursprüngliche Kleidung am Leib trug. Irgendwer musste meine Kleidung gewechselt haben, während ich körperlich und geistig weggetreten war. Ich erinnerte mich nämlich nicht daran ein langärmliges Oberteil und eine Stoffhose angezogen zu haben. Und da gab es nicht viel Auswahl. Entweder hatten das Richi, die Zwergentruppe oder, und das war am wahrscheinlichsten, alle zusammen in die Hand genommen. Chu schloss ich in dem Punkt aus, da ich ja recht zügig die nasse Kleidung hatte loswerden müssen und sie für gewöhnlich erst gegen Abend nach Hause kam. So traf mich meine Schlussfolgerung wie ein Vorschlaghammer mitten in die Magengrube. Oh mein Gott, wie peinlich. Verdammtes Schicksal! Warum eigentlich immer ich? Wieso musste ich auch in einer Wohnung voller Männer ohnmächtig werden? Noch dazu wenn ich bis aufs Unterhemd durchnässt war. Heiliges Nudelholz, das würde mir wohl mein Lebtag noch nachhängen, dachte ich beschämt und spürte schon wie mir die Schamröte ins Gesicht schoss. Schlimmer hätte es wirklich nicht mehr kommen können. Zumindest aus meiner Sich der Dinge. Daher beschloss ich auch prompt niemals einen der Vier danach zu fragen, wer sich dazu bereit erklärt hatte. Es stand definitiv für mich fest. Keine Fragen. Nicht eine einzige in diese Richtung. Das ersparte mir zumindest weitere Peinlichkeiten in diese Richtung. Außerdem hätte ich demjenigen nie wieder offen ins Gesicht sehen können. Doch in Punkto unangenehme Fragen, war ich in der letzten Zeit wirklich zum Hauptansprechpartner geworden. Wie auch bei der Letzten meines Arztes, wo ich mir unwillkürlich auf die Unterlippe beißen musste. Sicher, ich hatte etwas gegessen. Aber zwei Brötchen konnte man schlecht als vollwertige, ganze Mahlzeit anerkennen. Und getrunken hatte ich tatsächlich nichts. Nunja, sofern man das widerliche Pfützenwasser aus dem Rinnstein nicht mit rechnete, welches ich unfreiwillig hatte schlucken müssen. Ich war also eigentlich, wenn man es recht betrachtete, immer noch ziemlich nüchtern. Und ebenso fiel meine Antwort auf seine Frage auch aus. "Ähm....", krächzte ich bedröppelt. Er gab daraufhin ein schwermütiges Seufzen von sich. "Dachte ich es mir. Nicht gegessen, keine Flüssigkeit und deine Medikamente hast du folglich auch nicht zu dir genommen. Kein Wunder, dass dein Kreislauf im Keller ist. Du bist und bleibst unverbesserlich, meine Liebe. So und jetzt halt kurz still, damit ich vernünftig messen kann", meinte er und begann die Manschette aufzupumpen, während er zusätzlich sein Stethoskop in meine Armbeuge drückte. In der Zeit wo wir uns anschwiegen und der Dok seiner Arbeit nachging, wagte ich den Versuch endlich meine Augen zu öffnen. Ich tat mich immer noch sehr schwer damit, doch gelang es mir zumindest sie zu winzigen Schlitzen aufzuzwingen. Nun konnte ich den Raum auch endlich mustern. Tatsächlich lag ich mitten im Bett von Chu und Richi. Ein recht kurioses und eigenwilliges Gestell. Eigentlich handelte es sich dabei um ein altes Schlafsofa, auf dem sich zwei Matratzen befanden. Hinter dem Fußende ragte ein riesiger alter Kleiderschrank aus massivem Holz auf. Direkt daneben stand ein recht ansehnliches Terrarium, welches Richi und Chu selbst gebaut hatten. Dieses war natürlich nicht leer und unbenutzt, obwohl man es aufgrund der Dunkelheit hinter der Glasscheibe hätte vermuten können. In Wahrheit befanden sich darin einige ganz spezielle Haustiere. Schlangen um genau zu sein. Selbstverständlich keine der giftigen Sorte. Nein, es waren nur ein paar kleinere Königspythons. So gesehen relativ harmlose Würgeschlangen. Nicht Jedermanns Geschmack, aber mich interessierten diese Kaltblüter hingegen schon ein bisschen. Ich hatte diese Tiere auch schon mal um den Hals getragen und durch meine Hände geführt. Für den Menschen waren sie praktisch ungefährlich. Außer wenn man diese zu sehr provozierte oder direkt aus ihren Heimatländern entführte. Dann konnte es vorkommen, dass ein Biss unangenehme Infektionen zur Folge hatte. Die Tiere die in unseren Breiten gezüchtet wurden, musste man nicht so sehr fürchten. Da reichte es, wenn man sich eine Tetanus-Spritze beim Arzt holte. Dennoch hatten mir Chu und Richi stets geraten, sich vor der Anschaffung solcher Exoten genau zu informieren. Nicht nur was die Haltung und Handhabung, sondern auch den Charakter und die Schutzmaßnahmen betraf. Ich hatte zwar früher einmal mit diesem Gedanken gespielt selbst welche zu halten, doch mein Verblichener empfand es als keine besonders gute Idee. Er hatte nämlich schon von Kindesbeinen an Angst vor diesen schuppigen Spaghetti gehabt. Gut, ich hingegen hatte ein enormes Problem mit diesen besonders widerlichen, achtbeinigen Krabblern, welche leidenschaftlich gern ihre Netze direkt über meinem Bett zu weben pflegten. Und das ebenso seit meinen frühen Kindertagen. Es war aber auch wirklich nicht schön, morgens aufzuwachen und dann so ein riesiges Vieh mitten auf der Nasenspitze hocken zu sehen. Ich erschauerte unwillkürlich, als ich an diese abartige Begegnung dachte. Seit damals waren die meisten Arachniden ein dunkelrotes Tuch für mich. Egal wann und wo sie mir über den Weg liefen, konnte ich nicht anders als laut schreiend davon zu rennen. Für Außenstehende war das jedes Mal ein enormer Spaß, wenn sie mich auf Tische und Stühle springen sahen, um zu flüchten. Auch mein Verblichener hatte das ein oder andere Mal vor Lachen am Boden gelegen oder mich damit auf den Arm genommen, wenn ich ihn mal wieder darum bitten musste diese Viecher zu entfernen. Er hatte sich dann stets als großer Held aufgespielt, sobald er mich vor ihnen "rettete". In dem Zusammenhang wollte ich mir gar nicht erst ausmalen, wie Thorin wohl reagieren würde, wenn wirklich eine solche Situation eintrat. Und sie würde früher oder später eintreten. Dessen war ich mir zu hundert Prozent sicher. Das würde wahrscheinlich noch weit peinlicher, als die Umziehaktion an diesem Tag. Doch zunächst wollte ich mir darum wirklich keine Gedanken machen. Ich musste mich nun auf die Behandlung meines Hausarztes konzentrieren, der nach dem Blutdruckmessen und einem ernsten Nicken sein volles Programm durchzog. Viel unterhielten wir uns nicht dabei. Er fragte mich nur das Nötigste und ich antwortete ihm soweit es mein trockener, rauer Hals zuließ. Am Ende erhob er sich mit einem tiefen Seufzen und legte die nicht mehr benötigten Utensilien in seine Tasche zurück. "Und... wie... siehts aus... Dok?", fragte ich murmelnd und drehte ihm mein Gesicht zu. Er zuckte zur Antwort nur unschlüssig mit den Schultern ohne mich anzusehen. Stattdessen holte er nun andere Sachen aus der Tasche. Einen neuen Verband, einige Kompressen, etwas Salbe, Desinfektionsmittel und zu meinem persönlichen Unbehagen ein Fläschchen mit klarer Flüssigkeit samt Spritze. Nicht, dass ich neben Spinnen auch noch Angst vor Nadel gehabt hätte. Nein. Der Grund dafür, dass ich diese Objekte sehr kritisch musterte war recht simpel. Für gewöhnlich verabreichte mein Hausarzt nie irgendwelche Mittelchen, die den Kreislauf wieder in die richtige Bahn bringen sollten. "Ähm.... Dok.... Ist das... wirklich nötig?", hakte ich ruhig nach, als dieser den langen Ärmel meines geliehenen Oberteils noch etwas höher schob und meinen Oberarm mit dem Desinfektionsmittel abwischte. "Muss, meine Liebe. Du hast einen Puls, wie ein alter Dieselmotor. Viel zu rasant. Und dein Blutdruck schießt fast bis unter die Decke. Wenn ich die nicht irgendwie runter bringe, könnte es sein, dass du möglicherweise ein Gerinnsel im Hirn bekommst. Vergiss nicht, du hast von deinem kleinen Sturz eine leichte Gehirnerschütterung. Auch wenn du es vielleicht nicht bemerkt hast. Aber daher kommen diese massiven Kopfschmerzen, über die du dich so beschwert hast", murmelte der Dok, während er die Spritze aus der Verpackung zog, die Nadel frei legte und anschließend im Fläschchen versenkte. Ich gab unterdessen nur ein bedröppeltes Stöhnen von mir. Da hatte ich mir wohl wirklich etwas eingehandelt. Wobei mich die Diagnose nicht wunderte. Immerhin hatte ich mich in den letzten Stunden so sehr unter Druck gesetzt und mit Stress beladen, dass es so hatte enden müssen. Gut, die Zwerge hatten ihren Teil dazu beigetragen, aber im Endeffekt war ich immer noch selbst für meine Gesundheit verantwortlich. Und diese hatte ich wie immer nicht beachtet. So nahm ich den kleinen Piekser mit einem kurzen Zucken meines Mundwinkels hin, bevor der Dok ein winziges Pflaster über die Stelle klebte. Den Ärmel konnte ich getrost selbst runter ziehen. So viel Kraft hatte ich ja noch. Das Nächste wurde schon etwas schwieriger. Der Verband musste wieder um meinen Kopf. Und dafür konnte ich natürlich nicht auf dem Kissen liegen bleiben. Zumindest musste ich mich nicht ganz aufrecht hinsetzen. Das hätte ich auch gar nicht gekonnt. Denn sobald ich den Kopf zum ersten Mal anhob, damit mein Arzt das Kissen darunter höher schieben konnte, wurde mir gleich wieder kotzübel. Gott, verdammt, fluchte ich innerlich und strich mir mit einer Hand über das Gesicht. Dabei hoffe ich so sehr, dass die Spritze bald wirkte. Lange würde ich das nicht mehr aushalten. Das schien der Dok auch zu ahnen, denn er ließ mir ausreichend Zeit, damit ich kurz durchatmen konnte. Nachdem ich mich wieder halbwegs gefangen hatte, half er mir etwas, meinen Schulter und Brustbereich so hinzurücken, dass er mit Leichtigkeit die Kompresse und den Verband anlegen konnte. Anschließend durfte ich mich mit einem erleichterten Stöhnen wieder flach hinlegen und der Dok packte ganz gediegen seine Sachen ein. "So. Ich denke, damit ist meine Arbeit getan", murmelte er ruhig, wobei er diese ekelhaft riechende Tasche endlich aus meiner Geruchszone räumte. Doch bevor er mich verlassen konnte, musste ich ihn noch einige Dinge fragen. "Sag mal, Dok? Wann kann ich denn aufstehen und nach Hause gehen? Ich muss auch noch Einkaufen und so. Kann ich das nachher machen?", hakte ich ein wenig unüberlegt nach, wobei er ein leicht spöttisches Schnauben von sich gab. "Du, gehst im Augenblick nirgendwohin. Weder zum Einkaufen, noch nach Hause. Du wartest jetzt erst mal bis das Mittel zu wirken beginnt. Vorher trinkst du reichlich und lässt dir eine Kleinigkeit zu Essen bringen. Danach besorgst du dir eine Mitfahrgelegenheit, ein Taxi oder so etwas, das dich auf direktem Weg nach hause bringt. Aber mit Begleitung. Für die nächsten Tage verordne ich dir strikte Bettruhe. Keine zu langen Touren und kein langes Sitzen. Nimm deine Medikamente und miss täglich mindestens dreimal deinen Blutdruck. Die Ergebnisse schreibst du auf und teilst sie telefonisch meiner Sprechstundenhilfe mit", erklärte er mir in ernstem, fachmännischen Ton, wobei meine Augen mit jedem Wort größer wurden und mein Mund ungläubig aufklappte. "Was? Bettruhe? Die nächsten Tage? Aber... Aber Dok... wie soll ich denn... Ich hab nichts zu Essen im Haus. Wo soll ich das her nehmen? Und außerdem hab ich den Jungs da draußen versprochen, dass wir am Wochenende auf den Jahrmarkt gehen. Ich kann sie da nicht allein hinschicken. Sie kennen sich in der Gegend nicht aus. Ich will nicht, dass sie sich verlaufen", erwiderte ich protestierend, wobei mir schlagartig der Mund wieder zuklappte, als der Dok mir einen seiner recht seltenen, aber doch gefürchteten, eindringlichen Blicke schenkte. Dabei straffte er die Schultern und entgegnete streng: "Ich sage es dir jetzt nur noch einmal. Bettruhe. Die nächsten Tage. Wenn sich deine Werte zum Wochenende hin verbessern sollten, dann können wir gegebenenfalls darüber reden. Solltest du aber entgegen meiner Anweisungen handeln und wieder zusammen brechen, stopfe ich dich ins nächstbeste Krankenhaus. Glaub mir, dass willst weder du noch ich nicht. Tut mir leid, wenn ich so mit dir reden muss, aber du denkst schon wieder mehr an andere als an dich selbst. Und ich habe dir früher schon einige Male gesagt, dass dich das nochmal umbringen wird. Nimm das von heute als Warnschuss und hör auf die Probleme deiner Freunde über deine zu stellen. Die stehen im Augenblick da draußen vor der Tür und machen sich große Sorgen um dich. Mehr als du dir vielleicht vorstellen magst. Wenn du ihnen also wirklich etwas Gutes tun willst, dann stell ihre Bedürfnisse hinten an und kümmere dich um deine eigenen. Damit hilfst du ihnen zurzeit am meisten. Alles andere kann warten, bis du wieder fit bist. Ich hoffe, das hast du jetzt verstanden." Ein wenig überfahren von dieser Ansage begann ich kurz heftig zu schlucken und konnte nichts mehr tun, außer reumütig zu nicken, ehe er mit einem "Auf Wiedersehen" und "Gute Besserung" den Raum verließ. Meine Güte, ich hatte den Dok noch nie so aufgebracht erlebt. Dabei hatte er eigentlich nur recht. Ich nahm zu viel Rücksicht auf die Anderen und riskierte dabei mein Wohlbefinden. Und nun ging es ihnen schlecht, weil es mir schlecht ging. Ich fühlte mich hundeelend nachdem mir dies bewusst wurde. Nicht nur wegen meinem körperlichen, sondern auch wegen meinem mentalen Zustand, der ein wenig gen Null tendierte. Dieses verdammte Helfersyndrom. Seit es auf der Zeltstadt wieder zum Vorschein gekommen war, ließ es sich nicht mehr abstellen. Zwei Jahre lang hatte ich mich nur um mich selbst und mein Leben gekümmert. Ich war fast täglich Rad gefahren, hatte meinen Haushalt gut organisiert und auf eine Person reduziert. Zusätzlich hatte ich noch das Rauchen aufgegeben und nur sehr selten Alkohol zu mir genommen. Doch inzwischen hatte sich das Blatt enorm gewendet. Gut, ich rauchte zwar immer noch nicht und bis auf das eine Mal, wo Bofur mir seine Pfeife angeboten hatte, war ich nicht wiedser rückfällig geworden. Doch der Alkohol, war gerade bei den langen Abenden mit den Zwergen sehr in Strömen geflossen. Und das Schlimmste für mich daran war, dass es mir irgendwo gefallen hatte. Ob es nun an der unterhaltsamen Gesellschaft gelegen hatte oder an anderen Umständen, konnte ich nicht wirklich sagen. Fakt war jedoch, dass ich meine Vorsätze alle weggeworfen und auf sämtliche Konsequenzen gepfiffen hatte. Ich hatte wieder dieses Bedürfnis mich um Alles und Jeden kümmern zu müssen. Mir war in den vergangenen Wochen nichts wichtiger geworden, als das neue, gemeinsame Leben mit Thorin. Seitdem dies für mich feststand, hatte ich mich wirklich gehen gelassen. Alle neu errungenen Gewohnheiten beiseitegeschoben und nur noch darauf hingearbeitet wieder in eine Beziehung zu gehen. Es war sicherlich nicht ganz das schlechteste, was ich unternommen hatte. Immerhin war eine Umstellung vom Singledasein auf die traute Zweisamkeit sehr wichtig. Doch nun hatte ich weit mehr bekommen, wie nur einen Zwergenkönig. Vieles was ich nicht bedacht und eingeplant hatte. Unter anderem diese Situation. Und nun lag ich flach auf dem Rücken im Bett meiner besten Freunde und starrte gedankenverloren auf die Lampe an der weißen Zimmerdecke. Nur schemenhaft bemerkte ich, dass sich mein Arzt auch von Chu, Richi und den Zwergen verabschiedete und diese sich langsam um mich versammelten. Erst als sich Kili wieder zu meiner linken niederließ und mir mit einer Hand vor den Augen herum wedelte zuckte ich heftig zusammen und keuchte erschrocken, bevor ich ihn ansah. "K-Kili...", stammelte ich kurz verwirrt und blinzelte etwas. Der junge Zwerg lächelte hingegen sanft und legte mir eine Hand auf den Oberarm. "Wie fühlst du dich, Schwesterchen? Geht es dir schon besser?", fragte er mit wesentlich leiser und ruhiger Stimme als vor der Behandlung. Ich schnaubte ihm nur erschöpft entgegen und hob kaum erkennbar die Schultern. "Wie mans nimmt. Besser als vorhin, aber immer noch schlecht genug", brummte ich und musterte die anderen im Augenwinkel. Alle lächelten mich ebenso tröstend an, wie der dunkelhaarige Bursche, doch in ihren Augen konnte ich deutlich lesen, dass sie sehr angespannt, ja sogar irgendwie erwartungsvoll waren. Und ich ahnte schon, was sie hören wollten. Doch wagte keiner es direkt anzusprechen. Dann musste ich wohl von selbst den ersten Schritt wagen. Zeit zum Nachdenken, hatte ich nun wirklich genug gehabt. Ich hatte zwar immer noch keinen wirklich Plan, was ich ihnen sagen sollte. Eines musste ich in jedem Fall tun. Mich entschuldigen. Für die Umstände, für das Chaos, für meine völlig verschrobene Art. Einfach für alles, was sie meinetwegen in den letzten Stunden hatten durchmachen müssen. Doch ehe auch nur ein Ton des Bedauerns über meine leicht geöffneten Lippen kam, meldete sich meine beste Freundin Chu unerwartet zu Wort. "Jacky. Bevor du irgendetwas sagst, du brauchst dich weder zu entschuldigen, noch sonst wie rechtfertigen. Die Jungs haben uns alles erzählt. Und nichts von dem was passiert ist, war deine Schuld. Wenn einer dafür grade stehen muss, dann ist es Thorin", meinte sie mit ernstem Ton, woraufhin die Zwerge und sogar Richi leise seufzend die Augen verdrehten. "Schatz, was haben wir vorhin noch in der Küche besprochen", murmelte er ihr zu und stubste sie leicht mit dem Ellenbogen in die Seite. Sie zuckte jedoch nur mit den Schultern und grummelte: "Was denn? Ich sag doch nur die Wahrheit." "Und wir waren uns einig, dass wir sie in ihrem Zustand nicht aufregen wollen", erwiderte er und fasste sie ernst ins Auge. "Jetzt fangt nicht schon wieder an zu streiten. Die Aktion vorhin war schon schlimm genug", fuhr ich ihnen genervt dazwischen, bevor Chu wieder den Mund aufmachen konnte. Schlagartig verstummte meine beste Freundin und vermied es sogar zu seufzen. Dafür war ich ihr insgeheim sehr dankbar. So konnte ich zumindest das aussprechen, was ich ihnen sagen wollte. Auch wenn mir die Worte fast die Kehle zuschnürten. "Hört zu. Bitte. Ich weiß, ihr wollt keine Entschuldigung und auch keine Rechtfertigung von mir. Aber ich kann nicht anders, als euch zu sagen, dass es mir leid tut. Es ist einfach so. Dabei geht es nicht darum, was Thorin mir gestern angetan hat, sondern eher um die Umstände, die ich euch immer wieder mache. Das wollte ich eigentlich so gut es geht vermeiden. Aber ich hatte solche Angst davor alles falsch zu machen und dadurch jeden einzelnen von euch zu verlieren, dass ich mich selbst ignoriert habe. Und das tut mir wirklich leid... ", murmelte ich zum Ende hin und schloss kurz die Augen um mir ein paar Tränen zu verdrücken. Einerseits tat es unendlich weh ihnen so meine Gefühlswelt zu offenbaren. Auf der Anderen war mir so, als würde eine ganze Felslawine von meinem Herzen fallen. Ein Knoten schien geplatzt zu sein, der mich schon den gesamten Tag über eingeengt hatte. Mir die Luft zum Atmen nahm. Und nun, da ich endlich darüber gesprochen hatte, fühlte ich mich plötzlich frei. Ungebunden. Erlöst von einer schweren Bürde, die ich mit mir herum geschleppt hatte. Ebenso wie vor einigen Stunden auf dem Friedhof. Ich hatte es über mich gebracht mich etwas zu öffnen und Klartext zu reden. Doch das schönste nach meinem Befreiungsschlag war, wie Chu mich plötzlich wieder an etwas erinnerte, was sie mir vor langer Zeit einmal gesagt hatte. "Jacky, du weißt doch. Egal was auch kommt, wie auch immer du dich in deinem Leben entscheidest und welche Dummheiten du noch begehen wirst, ich werde dir immer eine weitere Chance geben. Du bist ein ganz besonderer Mensch. Nicht nur für Richi und mich, sondern auch für die Zwerge hier. Und meinetwegen auch für Thorin. Obwohl er eine komische Art hat dir das zu zeigen. Aber eins solltest du wissen. Wir haben uns eben in der Küche noch unterhalten und sind uns einig geworden. Dass es egal was passieren mag, wenn er wieder da ist. Wir werden für dich da sein, wenn du uns brauchst. Genauso wie du für uns da bist, wenn wir Hilfe brauchen. Und du musst keine Angst davor zu haben mit uns zu reden. Keiner hier wird dir wegen irgendetwas so böse sein. Und niemand wird dich im Stich lassen. Weder jetzt noch in Zukunft", sagte sie mit entschlossener Stimme, woraufhin ihr alle zustimmend nickend beipflichteten. Und ehe ich mich versah, nahmen sie der Reihe nach auf dem Bett Platz, legten ihre Hände entweder auf meine Beine oder Arme und lächelten mich aufmunternd an. Ich konnte mir unterdessen ein kurzes, trockenes Schniefen nicht verkneifen, als ich die fünf ungleichen Personen um mich herum eingehend betrachtete und innerlich etwas den Kopf schütteln musste. Ich hatte die besten Freunde der Welt. Ausgerechnet ich, wo mir das Schicksal jeden verdammten Tag das Bein stellte. Doch genau dann waren sie da. Sie griffen mir unter die Arme und halfen mir immer wieder auf die Füße zurück, wenn ich stürzte. Am liebsten hätte ich sie in diesem Moment nacheinander gepackt und fest an mich gedrückt. Doch da machte mir leider mein Kreislauf immer noch einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen lachte ich mit einigen Tränen in den Augenwinkeln auf und gab den wohl dümmsten Kommentar von mir, den man in einer solch emotionalen Situation von sich geben konnte. "Meine Fresse. Ihr habt alle ganz doofe Ohren, wisst ihr das", nuschelte ich halb kichernd, woraufhin die komplette Gruppe anfing haltlos drauf los zu prusten. Das Gelächter war so laut und ungehalten, dass es einige Minuten dauerte, bis sich alle wieder halbwegs gefangen hatten. Doch ehe es ruhiger werden konnte, warf Bofur etwas in den Raum, was erneut für Gekicher sorgte. "Da wir das nun bereinigt haben. Wann gibt es was zu essen?" - 103. An guten wie an schlechten Tagen / Ende - Kapitel 104: 104. Helfer und Helfershelfer ------------------------------------------ "So. Da wären wir endlich. Wie fühlst du dich, Cuna?", fragte Fili schnaufend, aber mit ruhigem Blick über die Schulter. Wobei er den Kopf nicht ganz zu mir drehen konnte, da er mich mal wieder auf seinem kräftigen Rücken trug. Ich seufzte nur leise und nuschelte leicht verschlafen vor mich hin: "Gut. Gut. Naja... Müde..." Der blonde Zwerg lachte kurz, bevor er geschickt mit einer Hand die Tür vor uns aufschloss und über die Schwelle in unsere kleine, stockfinstere Wohnung trat. Sein jüngerer Bruder folgte ihm auf dem Fuß. Bofur glänzte unterdessen etwas durch seine Abwesenheit. Da Fili mich ja unbedingt tragen musste und Kili zusätzlich noch seine Pflanze in den Armen hielt, hatte sich der Mützenzwerg der leidigen Aufgabe verschrieben, den Großteil der Einkäufe zu schleppen. Folglich war er noch nicht mit uns an der Tür, als wir eintraten, sondern wohl noch irgendwo im Treppenhaus zu Gange. Ja, inzwischen waren wir nach einer kurzen Taxifahrt wieder zuhause angekommen. Die vergangenen Stunden bei Chu und Richi waren aus meiner Sicht recht ereignislos verlaufen. Viel hatte ich auch nicht tun können. Die erste Zeit hatte ich nur flach auf dem Rücken gelegen und mich ruhig mit ihnen und den Zwergen unterhalten. Das Thema mit dem Essen, welches Bofur angeschnitten hatte, war zunächst etwas heikel zu bewältigen gewesen. Chu hatte nicht genügend Nahrungsmittel im Haus gehabt um alle zu versorgen. Sicher, ein paar belegte Brote mit Käse waren schon drin gewesen. Doch was eine gute, anständige Mahlzeit ámging, war zu diesem Zeitpunkt etwas Ebbe im Vorratsschrank. Folglich hatten sich Richi und ebenso die Zwerge dazu bereit erklärt für die Nahrungsbeschaffung zu sorgen. Mit etwas Hilfe meinerseits war eine neue Einkaufsliste erstellt worden, auf der wir alles eingetragen hatten, was wir brauchten. Anschließend waren die Männer losgezogen, während Chu mich in der Zwischenzeit mit einem gefühlten Tanklaster voller Tee abgefüllt hatte. Ich hatte sie zum Ende hin bremsen müssen, dass sie mir nicht noch in eine volle Tasse nachschenkte. Meine beste Freundin war sichtlich mit den Nerven am Ende gewesen. Auch wenn sie mir davon weder etwas sagte noch in irgendeiner anderen Art und Weise zeigte. Gut, die meiste Zeit war ich ohnehin allein im Schlafzimmer gewesen. Selbst als Richi mit den kleinen Männer vom Einkaufen zurückgekehrt war. Ich musste nur einmal recht breit grinsen, als ich hörte, wie er mit einem leisen, genervten Stöhnen Chu verkündete, dass die Zwerge schwerer zu hüten wären wie ein Sack Flöhe. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, was die Drei mit dem armen Richi so alles angestellt hatten. Unter Garantie hatten sie den halben Laden auf den Kopf gestellt und bei meinem besten Freund fast für einen Herzinfarkt gesorgt. Aber mit dem Entdeckungswahn dieser Herrschaften, hatte ich auch schon meine ganz eigenen Einkaufserfahrungen gemacht. Vielleicht würde es im Laufe der Zeit besser werden, wenn meine Welt ihnen in alltäglichen Dingen nichts Neues mehr zu bieten hatte. Doch bis es soweit war, lebten sie wie ein paar neugierige Kinder auf dem größten Abenteuerspielplatz, den sie je gesehen hatten. Allerdings blieb Richis Einkaufsausflug mit den kleinen, bärtigen Männern so gesehen noch das Highlight des Abends. Danach hatten sie sich in der Wohnung verstreut. Kili und Fili hatten die meiste Zeit an meiner Seite gesessen und die ein oder anderen Worte mit mir gewechselt. Viel allerdings nicht, da sie nach ihrer eigenen Aussage nicht wollten, dass ich mich überanstrengte. Chu war währenddessen in der Küche verschwunden, um das Essen zu zubereiten und Bofur hatte sich mit Richi über die Unterschiede der Instrumente aus Mittelerde und meiner Welt unterhalten. Danach hatten wir schweigend im Schlafzimmer meiner besten Freunde zu Abend gegessen. Chu hatte uns ihre allseits bekannte und geliebte Gemüsepfanne gemacht. Für die Zwerge unter normalen Umständen eine recht böse Beleidigung. Die Herren waren stets auf Fleischgerichte aus. Egal wann, egal wo, egal zu welcher Uhrzeit. Bei Grünzeug streikten sie für gewöhnlich. Doch ließen sie es sich dieses Mal trotz des Mangels an tierischen Produkten ordentlich schmecken, obwohl ich ihnen deutlich hatte ansehen können, dass sie ihre Münder verzogen. Zwerge würden wohl niemals zu Vegetariern mutieren. Sie schätzten das Zeug zwar als kleine Beilage, aber das war dann das Ende ihrer Toleranzgrenze. Deswegen begnügten sich die Drei auch nur mit einem Teller pro Person und lehnten jedes weitere Angebot in diese Richtung ab. Was mich betraf, kannten zumindest meine beiden, angenommenen Brüder keine Gnade. Sie wollten mir Sage und Schreibe fünf Portionen aufdrängen, damit ich rasch wieder zu Kräften kam. Aber mein Fall war derart vitaminreiche Kost auch nicht. Besonders dann nicht, wenn man versuchte mich damit gegen meinen Willen zu füttern, wo ich gut und gerne auch alleine hätte essen können. Allerdings hatten sich die Jungs die klaren Worte meines Arztes wohl extrem zu Herzen genommen, mit denen der Dok sie wohl vor seinem Abschied auch bedacht hatte. Keine Anstrengung. In keinester Weise. Weder durfte ich meine Gabel selbst halten, noch mich irgendwie aufsetzen, wo ich mich bereits etwas besser fühlte. Als es nach dem Aufräumen und dem Abwasch Zeit war zu gehen und das zuvor bestellte Taxi unten vor dem Haus gewartet hatte, trug mich Fili einmal mehr Huckepack bis zu unserem fahrbaren Untersatz. Die Einkäufe für uns hatten Chu und Richi mit Hilfe von ein paar Rucksäcken, welche sie uns für den Transport ausliehen, im Kofferraum des Wagens verstaut, ehe sie uns verabschiedeten. Wobei ich meiner besten Freundin im schwachen Schein der Straßenlaterne deutlich hatte ansehen können, dass sie mich und die Zwerge am liebsten begleitet hätte. Doch Richi hatte ihr diesbezüglich wohl eingebläut, dass es besser wäre, wenn ich mit den Männern allein nach Hause fuhr, da sie selbst langsam schlafen gehen wollten. Es war zwar noch nicht ganz so spät als wir sie verließen, aber sie mussten beide am kommenden Tag zur Arbeit antreten und Richi brauchte, soviel ich wusste, immer eine halbe Ewigkeit bis er Bettfertig war. So waren die Zwerge und ich schließlich allein davon gebraust. Die Fahrt war vergleichsweise friedlich verlaufen. Kili und Fili behagten diese Pferdelosen Kutschen immer noch nicht. Sie hatten sich die ganze Zeit über auf der Rückbank ein wenig zu sehr an mir festgeklammert, sodass mir winig später etwas die Arme taub wurden. Bofur hatte hingegen richtig Spaß an diesem Gefährt gehabt. Der Mützenzwerg konnte seine Neugier nicht zurückhalten und stellte dem Fahrer alle möglichen und unmöglichen Fragen über die Beschaffenheit und Gerätschaften, die dieser mit sich führte. Hin und wieder hatte er sich auf dem Beifahrersitz in alle Richtungen umwandte und gelegentlich hinten bei mir nachhakte, ob alles in Ordnung sei. Ich hatte meist nur matt genickt oder ein Gähnen von mir gegeben. Die Spritze gepaart mit dem warmen Essen, dem Tee und dem Geschaukel der Fahrt verursachte eine starke Müdigkeit. So war ich ganz kurz vor der Ankunft etwas eingenickt und hatte erst bemerkt, dass wir angekommen waren, als Fili mich zusammen mit seinem jüngeren Bruder aus dem Wagen gezogen und auf seinen Rücken genommen hatte. Kili hatte zu diesem Zeitpunkt den Fahrer bereits angemessen bezahlt und mit Bofur die Rucksäcke aus dem Kofferraum genommen. So waren wir schlussendlich im Gänsemarsch die vielen Stufen des Plattenbaus nach oben zu meiner Wohnung gelangt, wo mich der blonde Bursche nun langsam auf dem Sofa absetzte. Ich ließ mich postwendend seitlich auf mein Kissen fallen und schaffte es gerade noch so selbstständig meine schwerfälligen Beine auf die Liegefläche zu hieven. Endlich! Endlich Zuhause, dachte ich mit einem leisen Seufzen und sog mit geschlossenen Augen den wohl vertrauten Geruch meiner Habseligkeiten in die Lungen. Nach diesem anstrengenden Tag mit hohen Höhen und unendlichen Tiefen war ich über den eigentlich normalen Komfort unendlich glücklich. Einfach nur ich und meine gemütliche Schlafgelegenheit. Nun ja und die Zwerge selbstverständlich. Aber diese schienen ebenso wie ich dankbar zu sein, dass wir zurück waren. Besonders Fili, der ein erleichtertes Stöhnen von sich gab, nachdem er mich abgesetzt und sich erneut aufgerichtet hatte. Eines musste ich dem jungen, blonden Burschen ja lassen. Er hatte mich mit Leichtigkeit die vielen Stufen nach oben geschafft ohne wirklich ins Schwitzen zu geraten. Sicher, er schnaufte schon ein wenig. Doch alles in allem war er nach einigen tiefen Atemzügen wieder soweit fit, dass er mich zudecken und anschließend seinem Bruder helfen konnte die Lebensmittel in den Schränken meiner Küche zu verstauen. Was mich allerdings nach kurzer Zeit doch verwunderte war, dass sie kein Licht machten. Das Einzige was vorhanden war schien durch die Wohnungstür, die wir absichtlich wegen dem Mützenzwerg offen gelassen hatten. Und die Lampe auf den Außenbalkonen beleuchtete nicht einmal im Entferntesten den Küchenbereich. Dafür aber mir mitten ins Gesicht, weswegen ich etwas genervt blinzelte und vor mich hin grummelte. Wo steckte Bofur eigentlich? Es konnte doch nicht so lange dauern mit dem Kram hoch zu kommen. Er hatte zwei Tage zuvor Sachen herauf geschafft, die weit mehr wogen, als diese Rucksäcke. Vielleicht war er ja irgendwo auf halber Stecke aufgehalten worden. Doch da gab es nicht viele Optionen, die ihn hätten stoppen können. Wovon ich eine von vorne herein ausschloss. Dabei dachte ich natürlich an die Frau des Hausmeisters, welche unter Garantie irgendwo in den Gängen herum geisterte. Sie musste immer ihre gewohnte Patrouille laufen, sobald die Sonne untergegangen war. Auch ich war einige Male in sie rein gelaufen, während ich meine Wohnung noch etwas renoviert hatte. "Wie kann man nur einen solchen Radau um diese Zeit veranstalten?! Und den ganzen Dreck den ihr macht! Ihr jungen Leute habt keinen Respekt vor der Hausordnung! Wenn ihr noch einmal die Nachtruhe stört, dann rufe ich die Polizei!", brüllte sie mich bei unserer ersten Begegnung an, nachdem ich aus Versehen eine saubere Farbrolle im Treppenhaus hatte fallen lassen. Kein Hallo. Keine Vorstellung. Nichts. Dementsprechend freundlich, wie sie mir gegenüber aufgetreten war, hatte ich sie auch wütend angeranzt, dass es noch nicht einmal zehn Uhr war und die Polizei bei ihr sicherlich etwas zu lachen bekommen würde, wenn sie die Herren in Blau-Weiß wegen Renovierungsarbeiten antanzen ließ. Sie hatte meine recht bissige Bemerkungen natürlich konsequent ignoriert und erst nach über zehn Minuten Gezeter und Gekeife endlich einmal erklärt wer sie überhaupt war. So eine Schreckschraube. Wenn Bofur ihr tatsächlich in die Arme gelaufen war, dann Prost Mahlzeit. Der arme Zwerg. Es würde mich nicht wundern, wenn ihr einen gewaltigen Tinitus davon trug, sobald sie drauf los brüllte. Wobei ich es unter Garantie schon längst gehört hätte. Ihr Geschrei war so unerträglich schrill, dass man es im ganzen Wohnblock hören konnte, wenn sie mal loslegte. Zumindest kam es mir zeitwillig so vor. Da ich allerdings nichts dergleichen wahrnehmen konnte, außer dem Geklapper der beiden Brüder am Küchenschrank, brauchte ich mir um die Hausmeisterfrau keinerlei Sorgen zu machen. Stattdessen kam mir der Gedanke, dass ihn wohl ein paar moosgrüne Augen und ein knubbeliger, kleiner Säugling aufgehalten hatten. Bestimmt war er kurz bei ihr, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Ich musste ein leises Seufzen unterdrücken, als ich mir vorstellte wie Bofur alles stehen und liegen ließ, weil er Marina mit irgendetwas zur Hand gehen wollte. Meine Güte. Bis über beide Ohren verliebte Zwerge waren ja noch anstrengender, als unter normalen Umständen. Der erste Eindruck den ich davon ja bereits gewonnen hatte, nachdem ich Fili von Janas SMS berichtete, genügte schon für meine Verhältnisse. Und mein Zukünftiger war in dieser Hinsicht fast schon doppelt, wenn nicht sogar dreimal so schlimm. Sobald irgenetwas mit der Herzensdame nicht in Ordnung war, vergaßen die kleinen Männer alles andere und waren nur noch in Sorge um die geliebte Person. Eine sowohl positive wie auch negative Einstellung. Sicher, Frau gefiel es in gewissen Punkten, wenn Mann sich um sie kümmerte und sorgte. Aber eben nur in gewissen Punkten. Thorin hatte schon während der Zeltstadt maßlos übertrieben. Mit einigem Unbehagen dachte ich an den armen Rumpel, dem er fast ein neues Gesicht verschafft hatte. Nicht auszudenken, was der Zwergenkönig sonst noch so anrichten konnte. Gut, das hatte ich ja schon am eigenen Leib erfahren. Und ich bekam einige Gewissensbisse. War es wirklich richtig ihn wieder zurück in mein Leben zu lassen? Dem Zwergenkönig eine zweite Chance zu geben, obwohl jeder vernünftig denkende Mensch ihm den Laufpass gegeben hätte? Was, wenn er sich nach seiner Rückkehr nicht ein bisschen mehr am Riemen riss? Wenn er sein Ego nicht unter Kontrolle halten konnte und sich der ganze Quatsch der letzten Tage widerholte? Und die Gefahr bestand immerhin. Das konnte die Hölle werden. Und Chu wollte ihm ja auch noch ordentlich die Leviten lesen. Herr im Hemd! Wieso eigentlich immer ich? Ein Fettnäpfchen nach dem anderen stand mir zukünftig bevor. Das war doch nur noch zum Kotzen. Nun verstand ich auch so langsam was Thorin einst gemeint hatte, als er sagte, ich wüsste nicht worauf ich mich bei ihm einließe. Zwerge waren anders. Zu kompliziert und komplex in ihrer Denkweise und ihrem Handeln. Dennoch hatte ich mich Hals über Kopf in diese Sache verstrickt und ausgerechnet in ihn verliebt. War meinem Herzen gefolgt, anstatt auf meinen gesunden Menschenverstand zu hören. Und wieder wurde mir bewusst, dass der Preis, den ich für diesen Bund zahlen musste, extrem hoch war. Aber ich hatte mich dafür entschieden diesen zu bezahlen. Thorin durfte zurück kommen und wieder über meine Schwelle treten. Und sei es nur dafür, dass er seine Neffen sehen konnte. Mit einem leisen, gequälten Seufzen rollte ich mich auf den Rücken und starrte an die Zimmerdecke. Wie es ihm wohl gerade ging? Dachte er auch so angestrengt über uns nach wie ich? Oder war er ganz bei sich und seinen persönlichen Problemen? Vielleicht Letzteres. Zumindest hoffte ich das. Um mich brauchte er sich keine Gedanken zu machen. Ich war sicher, solange die Jungs und Bofur an meiner Seite waren. Mehr als einmal hatten sie mir an diesem Tag demonstriert, dass sie nichts unversucht ließen, um mich zu schützen. Auch wenn es im Endeffekt nicht notwendig gewesen war. In meiner Welt war ich eben weit sicherer, als sie in Mittelerde oder wo sie sonst herum geisterten. Wobei mich ihr Herumgegeister in meiner Küche im Moment mehr an die Anwesenheit eines Poltergeistes erinnerte. Viel Rücksicht auf mein Mobiliar nahmen die Jungs nicht gerade. Und so kam es auch wie es kommen musste. Nachdem ich gerade beschlossen hatte, die Augen zu schließen um einzuschlafen, schepperte es so laut, dass ich kerzengerade auf dem Sofa hoch schreckten. "Meine Fresse! Was veranstaltet ihr zwei denn da drüben?", fauchte ich mit heftigem Herzklopfen ziemlich barsch und musterte ihre dunklen Silhouetten. "Entschuldige, Cuna. Einer der Kessel ist uns aus dem Schrank gefallen. Wir wollten dich nicht wecken", murmelte Kili mit leicht zerknirschter Stimme. Ich schnaufte nur und schüttelte den Kopf. "Meine Güte, warum macht ihr denn kein Licht an? Ihr seht doch gar nichts. Kein Wunder, dass euch da was aus dem Schrank fällt", brummte ich und ließ mich ganz langsam auf die Liegefläche zurück sinken. Meine Bemerkung fanden die beiden Jungs allerdings recht amüsant, wie ich an ihrem einsetzenden Gekicher deutlich erkennen konnte. "Was denn? Warum lacht ihr so?", grummelte ich und drehte meine Kopf in Richtung Küche. "Wir brauchen nicht unbedingt Licht, Schwesterchen", meinte Fili gut gelaunt, was mich noch mehr verwirrte. "Was soll denn das jetzt heißen?", erwiderte ich und schnaubte spöttisch. "Das heißt, dass wir an finsteren Orten besser sehen können, wie ihr Menschen. Hat Thorin dir nie gesagt, dass wir Zwerge zu so etwas in der Lage sind?", fragte plötzlich Jemand ebenso belustigt von der Wohnungstür her. Als ich den Blick dorthin schweifen ließ, erkannte ich die sehr markante und recht unheimliche Erscheinung des Mützenzwerges, welcher schwer bepackt herein stapfte. Nach seiner recht knappen Erklärung hob ich mit einem verstehenden Brummen die Augenbrauen. Nun wunderte es mich nicht mehr, dass er uns am vergangenen Abend auch ohne viel Licht am Boden erkannt hatte. Wobei, was sollte mich überhaupt noch bei Zwergen wundern? Gut, wenn ihnen Flügel wachsen würden und dabei noch Eier legten vielleicht. Dann hätte ich vermutlich jeden Morgen ein ordentliches Frühstück. Da ich Eier allerdings nicht unbedingt zu meinen Lieblingsgerichten zählte, sondern höchstens als Beilage zu einer guten Portion Spinat oder Grünkohl, und ich mir unter diesen Umständen wirklich nicht vorstellen wollte, wie Zwerge beim Eierlegen aussahen, ließ ich meine neue Erkenntnis einfach mal so im Raum stehen. Stattdessen interessierte mich da doch mehr, wo der Zwerg mit dem sonnigen Gemüt so lange abgeblieben war. "Nein, hat er nie erwähnt. Wo warst du eigentlich so lange, Bofur?", entgegnete ich ruhig, während die beiden Brüder ihm den Rest der Rücksäcke abnahmen und sich erneut daran machten, die Vorräte zu verstauen. "Ich wurde aufgehalten", antwortete er mit knappen und beiläufigen Tonfall. Danach streckte er sich recht ausgiebig und erleichtert aufstöhnend, diese Last endlich los zu sein, ehe er sich anschließend wieder der Wohnungstür widmete. Als diese ins Schloss fiel, tauchte der Raum endgültig in völlige Dunkelheit ein, sodass ich nicht länger das blendende Licht auf meinem Schlafplatz ertragen musste. Meine eher rein informative Frage hatte aber nun die beiden Brüder neugierig gemacht. Denn sie kamen nicht umhin die ihren Freund nun ihrerseits ein wenig über seinen Verbleib in den letzten Minuten auszuhorchen. "Wer oder was hat dich denn so lange aufgehalten?", erkundigte sich Kili ruhig, während er erneut am herum klappern war. "Frau Marina", kam es ebenso kurz angebunden wie zuvor aus dem Mund des Mützenzwerges, wobei ein freudiger Unterton in seiner Stimme mitschwang. Ich gab daraufhin ein weiteres verstehendes Brummen von mir. Mehr brauchte ich nicht zu wissen. Das hatte ich mir ja auch schon gedacht. Die Jungs waren mit dieser Aussage wohl auch schon ausreichend bedient. Denn sie bohrten nicht weiter bei ihm nach. Außerdem hatte ich inzwischen gelernt Zwerge und ihre Handlungen nicht weiter zu hinterfragen. Das war einzig und allein Bofurs Angelegenheit und ging keinen von uns etwas an. Und mich erst recht nicht. Auch wenn mich insgeheim meine angeborene, weibliche Neugier quälte. Vermutlich hielten mich dabei auch die Medikamente vom Dok zurück, welche meinen Geist nach dem Hinlegen wieder träger werden ließen. Aber viel konnten die Zwei in der kurzen Zeit nicht gemacht haben. Vielleicht ein paar freundliche Worte gewechselt. Marina hatte mit Sicherheit nach meinem Befinden gefragt und Bofur ihr alles was passiert war brühwarm erzählt. Eben ein gewöhnlicher Smalltalk auf dem Hausflur. Den gab es schließlich überall. Und der kleine Mann mit den abstehenden Zöpfen war, was das anging, wortwörtlich ein richtiges Waschweib. Es war schon verwunderlich, dass er es überhaupt geschafft hatte innerhalb einer Stunde sein vorangegangenes Ziel zu erreichen. Aber zumindest war er endlich da und das war die Hauptsache. Meine Mitbewohner waren nun versammelt, werkelten noch einige Zeit lang munter in der Küche herum und die Tür war ordnungsgemäß abgeschlossen. Zeit für mich Ruhe einkehren zu lassen und meine wohlverdiente Mütze voll Schlaf zu nehmen. Das viel mir trotz des Geklappers ziemlich leicht, da ich wirklich einmal erschöpft war. So brauchte ich dem Zimmer nur den Rücken zu zu drehen und war binnen weniger Sekunden weggedöst. In jener Nacht hatte ich einen eigenwilligen Traum. Ich wachte auf dem Sofa auf und befand mich mitten in einem sonnigen Birkenwäldchen. Verwirrt schaute ich mich um und musterte die Gegend. Die Blätter der Bäume waren hellgrün und tauchten meine Umgebung in ein frühlingshaftes, warmes Licht. Der Himmel darüber war blassblau. Es musste noch früher Morgen sein. Die Vögel zwitscherten fröhlich vor sich hin und riefen regelrecht dazu auf, das Leben in diesem Wald zu genießen und zu feiern. Um mein Sofa herum stand das Gras etwa zwanzig Zentimeter hoch und überall blühten Blumen, die ich nie zuvor gesehen hatte. Bienen und Hummeln summten und schwirrten auf der Suche nach Honig um die Blütenkelche herum. Ein bunter Schmetterling landete auf meinen Knien und schlug langsam mit den Flügeln. Ich versuchte ihn vorsichtig dazu zu bewegen auf meine Hände zu krabbeln. Als ich mich allerdings nur ein bisschen bewegte, flog das Insekt auf und davon. Ein wirklich schöner Traum. So etwas hatte ich schon lange nicht mehr gehabt. Es freute mich so sehr, dass ich leise vor mich hin lachte und einfach die Atmosphäre genoss. Ich fühlte mich leicht und unendlich entspannt. Mir ging es gut, ich hatte keine Schmerzen und alle schlechten Gedanken waren wie weggeblasen. Und dann war da plötzlich noch etwas. Irgendwo in der Nähe hörte ich eine Stimme oder vielmehr einen Gesang, der meine Aufmerksamkeit erregte. Neugierig schlug ich meine Decke beiseite und erhob mich gemächlich. Ich trug an diesem Ort weder Schuhe, noch Socken und auch sonst war mein Körper nur bekleidet mit einem recht langem, luftigen, dunkelblauen Nachthemd. Das Gras fühlte sich leicht feucht, aber dennoch angenehm warm unter meinen blanken Fußsohlen an. Eine ganze Weile lief ich so über die Grasfläche in eine Richtung davon. Immer dem schönen Gesang hinterher, der mich wie magisch anzog. Mit jedem Schritt wurde dieser lauter und ich konnte sogar erkennen, dass es die Stimme eines Mannes war. Und es war nicht irgendein Mann, der da vor sich hin sang. Die Erkenntnis, wer es wohl sein könnte, ließ mein Herz höher schlagen und beschleunigte meine Schritte mit jedem Meter, den ich überwand. Als ich ein paar der weißen Stämme umrundet und mein Sofa weit hinter mir gelassen hatte, fand ich eine weite, sonnendurchflutete Lichtung, auf der mir das Gras bis zu den Augen reichte. Tautropfen glitzerten auf den langen Halmen wie kleine Diamanten. Alles schimmerte und strahlte in einem unwirklichen Licht aus Gold-, Grün-, und Blautönen. Und irgendwo in der Mitte des Ganzen Schauspiels stiegen vereinzelt Rauchringe in den Morgenhimmel, wo sich daraus Wolken in verschiedenen Formen bildeten. Und wenn mich meine Ohren nicht täuschten, kam auch der Gesang von dort. Ich blieb stehen und lauschte kurz. Nach einigen Sekunden musste ich breit lächeln. Kein Zweifel. Er war es. Ganz sicher. Doch was machte er hier an diesem Ort? Sollte er nicht im Reich der Götter sein? Oder war ich vielleicht dort? Aber wie? Wie um alles in der Welt hätte ich dahin gelangen können? Ohne den Arkenstein war es doch vollkommen unmöglich. Dennoch war ich der festen Überzeugung ihn zu hören und zu wissen, dass er da war. Eine leichte Brise wehte mir sogar seinen unverwechselbaren Duft in die Nase. Er musste es sein. Er war da draußen auf dem Feld. Er sang vor sich hin und rauchte seine Pfeife. Ich musste nur zu ihm laufen, wenn ich es wollte. Doch da hielt mich plötzlich etwas zurück. Ich konnte meine Beine nicht mehr bewegen. Egal wie sehr ich mich auch bemühte, sie rührten sich einfach nicht. Nun gut. Wenn ich nicht zu ihm konnte, vielleicht kam er ja zu mir. Ich musste ihn bestimmt nur rufen. Irgendwie auf mich aufmerksam machen, damit er wusste, dass ich da war. So öffnete ich meinen Mund versuchte einmal quer über die Lichtung zu brüllen. "Thorin?! Thorin, bist da?!", kam es fröhlich über meine Lippen. Doch meine Stimme war nur ein immer widerhallendes Flüstern. Verdutzt langte ich mir mit einer Hand an meine Kehle und schüttelte den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein. Wieso flüsterte ich, obwohl ich auf der anderen Seite das Gefühl hatte laut zu schreien? Ich wagte einen erneuten Versuch. Doch wieder kam nur ein Flüstern aus meinem Mund. Diesmal sogar noch weit leiser, als zuvor. Verdammt noch mal, was sollte das denn? So würde er mich nie hören. Und das tat er wohl auch nicht. Er sang in der Ferne weiter vor sich hin, ohne die geringste Notiz von meiner Anwesenheit zu nehmen. Es war zum Mäusemelken. Ich versuchte es noch einmal. Wieder und wieder. Gefühlte tausendmale. Doch nichts passierte. Meine Stimme blieb weiterhin nur ein Flüstern. Schließlich war ich so frustriert von der ganzen Situation, dass ich einfach auf die Knie sank und leise ins Gras schluchzte. Verdammt, verflixt und zugenäht, fluchte ich innerlich. Warum konnte ich nicht zu ihm? Wieso konnte ich ihn auch nicht rufen? Ich wollte ihn zumindest sehen. Wissen, dass es ihm gut geht und ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. Doch der Wunsch wurde mir verwehrt. Stattdessen entfernte sich sein Gesang langsam von mir. Wurde leiser und leiser, bis ich schließlich nur noch den Vogelgesang hören konnte. Und fast im selben Moment spürte ich eine Hand auf meinem Rücken, die mich beruhigend streichelte. Danach sprach jemand sehr leise und eindringlich zu mir. Aber ich konnte und wollte mich nicht rühren. Ich erschrak nicht einmal aufgrund der plötzlichen Berührung. Ich blieb einfach nur am Boden hocken und lauschte den leisen beruhigenden Worten. "Sch. Cuna. Alles ist gut. Du brauchst keine Angst um ihn zu haben", murmelte mir die Stimme, die mir seltsam bekannt vorkam, ganz leise in mein rechtes Ohr. "Aber... Aber er ist... Er ist so weit weg... Wenn... Wenn er nicht zurück kommt... Ich will nicht... Ich will nicht wieder allein sein...", japste ich leise ins Gras, woraufhin das Streicheln intensiver wurde. "Du bist nicht allein, Cuna. Er kommt zurück. Thorin geht es gut. Du musst ihm nur vertrauen. Dann wird er bald wieder bei dir sein. Glaub mir. Mach dir keine Sorgen. Du träumst nur", murmelte die Stimme sehr eindringlich und etwas energischer. Wer war das nur? Ich kannte die Stimme, aber von wem stammte sie. Ich schniefte kurz ins Gras, versuchte den Kopf etwas zu heben und die Augen zu öffnen. Ich wollte herausfinden, wer da mit mir sprach. Doch es fiel mir unsagbar schwer mich überhaupt zu bewegen. Ich kam einfach nicht hoch. Mein Körper rollte nur auf die Seite und blieb da liegen. Das Streicheln blieb aber bestehen. Ich musste mich wohl oder übel damit abfinden, dass ich nie erfahren würde, wer sich da so intensiev um mich sorgte. Aber auch wenn ich nicht ihn nicht sehen konnte, war ich doch insgeheim sehr dankbar, dass dieser Jemand zu mir gekommen war. Er brachte mich unterbewusst wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ja, ich träumte nur. Und ich war nicht allein. Wenn ich aufwachte, dann würden mindestens drei Personen auf mich warten. Das beruhigte mich ungemein. Zumindest ein kleiner Hoffnungsschimmer. Ich atmete tief durch. Langsam, gemächlich und stetig kam mein aufgebrachter Geist wieder zur Ruhe. Das Letzte was ich dann noch über meine Lippen brachte, war ein stilles, aufrichtiges "Danke", an die freundliche Person, welche daraufhin nur ein ebenso leises, "Gern geschehen", murmelte. Danach verlor ich mich in einem bunten Nebel aus unzusammenhängenden Bildern und Farben. Am nächsten Morgen wurde ich von einem sehr köstlichen Duft geweckt. Es roch nach frisch gebratenem Speck, Eiern, Zwiebeln und Kartoffeln. Zusätzlich drang ein Brutzeln und Schaben an meine müden Ohren. Irgendwer kochte gerade. Und es ließ mir buchstäblich das Wasser im Mund zusammen laufen. Dabei war ich sonst nie der Typ dafür Hunger zu bekommen, wenn es Bratkartoffeln gab. Dieses Mal machte mein Magen aber offensichtlich eine Ausnahme. Denn er knurrte ziemlich aufdringlich und überzeugte mich somit, dass es Zeit war aufzustehen um etwas zu essen. Ich rollte mich mit einem leisen, verpennten Stöhnen und Schmatzen auf den Rücken. Erst wusste ich mal wieder nicht genau wo ich war und tastete blind umher, bis es mir dann doch nach einer Weile wieder einfiel und sich meine rechte Hand auf mein Gesicht legte, um mir die Augen zu reiben. Kurz drauf hörte ich, wie Filis Stimme putzmunter einmal quer durch den Raum rief: "Seht nur! Sie wacht auf!" "Fili! Nicht so laut! Du weckst noch....", kam es daraufhin ungewöhnlich barsch von Bofur aus einer anderen Richtung des Raumes. Allerdings war es da schon zu spät. Denn ehe der Mützenzwerg zu Ende gesprochen hätte, drang ein unsagbar Nerv tötendes Geplärr an meine Ohren. Ich gab nur ein verpenntes Grummeln von mir. Meine Fresse, was war denn nun kaputt? Wieso veranstalteten die Zwerge immer so einen Lärm wenn ich aufwachte? Und wer oder was kreischte da wie eine Katze, der man auf den Schwanz getreten hatte? "Boah... Jungs... macht den Fernseher aus... das ist ja ne furchtbare Sendung, die ihr da schaut....", nuschelte ich benommen, in der festen Überzeugung, dass es nur meine nervige Flimmerkiste sein konnte. Alles andere war da doch eher unwahrscheinlich. Doch wie sich kurz drauf herausstellte, war meine Einschätzung der Lage, bei weitem daneben gegriffen. "Entschuldige, Cuna. Ich hab Fili eben noch gesagt, er soll leise sein, damit Benny nicht aufwacht", erwiderte der Mützenzwerg daraufhin mit einem leicht abfälligen grollen, das wohl weniger mir, als vielmehr dem blonden Burschen galt. Ich war immer noch nicht ganz bei mir, weshalb ich seine Aussage zunächst einfach so, ohne weiter drüber nachzudenken, zur Kenntnis nahm und dementsprechend auch leicht gereizt kommentierte. "Dann stell DEN von mir aus irgendwie ab... Aber mach schnell... Ich bekomm schon wieder Kopfschmerzen, bei dem Geschrei...", brummte ich ernüchtert und versuchte zu blinzeln. Es war wirklich ärgerlich. Ich wusste zwar nicht wie spät es war, doch ging es mir ziemlich gegen den strich auf diese Weise in meiner Ruhe gestört zu werden. Zu allem überfluss ertönte neben dem Geplärr noch eine fremde Frauenstimme, die melodisch und feundlich zu mir herüber rief: "Es tut mir wirklich leid. Aber Babys schreien nun mal von Zeit zu Zeit. Das lässt sich nicht ändern, meine Liebe." Nun wurde ich stutzig. Eine andere Frau? In meiner Wohnung? Ein Baby? Benny? Was um alles in der Welt hatte bitte eine Frau und der Sohn von Marina in meiner Wohnung zu suchen? Moment mal! Frau, Baby, Benny? Marina?! Schlagartig saß ich kerzengerade, mit weit aufgerissenen Augen auf dem Sofa und ruckte mit dem Kopf unwillkürlich in Richtung Küchenzeile, sodass ich meine Nackenwirbel schmerzhaft laut knackten. Diesen Umstand ignorierte ich allerdings zunächst gekonnt, da das was ich sah mir weit mehr zu schaffen machte. Ich war buchstäblich so platt, als hätte mich eben eine Dampfwalze überrollt. Ungläubig klappte mir der Mund auf und mein Kiefer schien drei Etagen tiefer als gewohnt zu hängen. Ich blinzelte noch einige Male und rieb mir erneut die Augen. Es war tatsächlich Marina und sie stand in MEINER Küche, während sie mich freundlich über ihre Schulter hinweg anlächelte. Im Hintergrund sah ich, dass sie in einer meiner Pfannen herum schabte und eine ganze Fuhre Bratkartoffeln wendete. Die kleinen, bärtigen Männer saßen bunt im Raum verteil, als ich meinen Blick langsam von ihr löste. Fili hielt sich am Küchentisch auf und grinste mich breit an. Sein Bruder hockte auf meinem Bürostuhl, hatte den Mund zu einem gequälten Schmollen verzogen und die Arme vor der Brust verschränkt. Und Bofur? Der saß am Fußende meines Bettes und hielt das plärrende Bündel, Namens Benny in den Armen, welchen er versuchte mit einem genervten Seitenblick auf Fili wieder zu beruhigen. "Was... ist... hier... los...?", stolperte es abgehackt und entsetzt über meine Lippen, während ich langsam einen nach dem anderen musterte. "Das siehst du doch. Bofur hat Frau Marina darum gebeten für uns zu kochen, solange du nicht genesen bist, Schwesterchen", brummte Kili eingeschnappt, wobei er den Mützenzwerg mit einem leicht abfälligen Schnauben und verengten Augen ansah. "Ich fand, es sei die beste Lösung unseres Problems. Frau Marina hat sich dafür angeboten uns zu helfen. Cuna braucht Ruhe und das weißt du, Kili. Außerdem verstehen wir nichts von den Funktionsweisen ihrer Kochstelle und sie kann nicht. Wir haben ihr am gestrigen Tag bereits genug zugemutet. Oder wolltest du sie heute schon wieder dazu drängen ihrer Arbeit nachzugehen, wo sie noch zu schwach dafür ist?", hakte Bofur grollend nach und hielt dem Blick des Jungen eisern stand. Langsam, fast in Zeitlupe schaute ich zwischen den Beiden hin und her. Kili richtete sich nach seiner Frage etwas auf und straffte trotzig die Schultern. "Nein. Wollte ich nicht. Ich weiß, dass sie Ruhe braucht. Aber ich habe dir schon gesagt, dass ich es nicht gut heißen kann, wenn wir über Cunas Kopf hinweg fremde Menschen in ihre Gemächer lassen", entgegnete der dunkelhaarige Junge barsch und beugte sich leicht vor. Der Mützenzwerg blieb von dieser offensichtlich abwehrenden, wie aggressiven Geste eher unbeeindruckt. Er war bemüht den Knirps zum Schweigen zu bringen. Die Luft zwischen den Zweien hätte bei weitem nicht dicker sein können. Man konnte sie regelrecht mit einer Kettensäge schneiden. Da gab es wohl einiges an Ungereimtheiten, die beide nicht geklärt hatten. Und schon gar nicht mit mir, wie Kili es schon erwähnte. Denn im Endeffekt war ich diejenige, welche nicht über den aktuellen Stand der Dinge aufgeklärt worden war und mal wieder vor nackte Tatsachen gestellt wurde. Folglich war ich in diesem Punkt voll und ganz Kilis Meinung. Bofur hätte mich zunächst fragen müssen, ob es für mich in Ordnung war, dass Marina sich um alles kümmerte, was ich nicht tun durfte. Da war aus meiner Sicht von Können keine Rede. Ich hätte wohl gekonnt. Doch andererseits war mir seit meinem Zusammenbruch unwohl dabei etwas selbst in die Hand zu nehmen und die Zwerge ließen es so oder so nicht zu. Das stellte sich sofort heraus, als ich unbedacht leichte Ansetzte machte aufzustehen, um den Mützenzwerg direkt zur Rede zu stellen. Ich hatte nicht einmal meine Decke von den Beinen genommen, da stand auch schon Fili mit verschränkten Armen und gestrafften Schultern vor meinem Sofa. Ich hatte nicht einmal mitbekommen wie er so schnell aufgestanden und zu mir herüber gekommen war. Dementsprechend überrumpelt war ich auch, als er mich mit ernstem Blick von oben herab anfuhr. "Was gedenkst du hier zu tun?", raunte er und legte den Kopf fragend schief. Ich blickte langsam zu ihm auf und hob leicht verwirrt eine Augenbraue. "Aufstehen. Ich will das hier klä...HEY!", rief ich erschrocken aus, da mich der blonde Bursche bereits ohne ausreden zu lassen energisch an den Schultern packte und zurück auf mein Kissen presste. "Du gehst nirgendwo hin. Wenn du etwas zu klären hast, dann kannst du es auch im Liegen tun. Aber solange du nicht genesen bis, bleibst du wo du bist. Keine Widerrede", murrte er und nagelte mich regelrecht mit seinen hellblauen Augen auf der Liegefläche fest. Ich schluckte kurz und verzog etwas den Mund, als ich ihn musterte. Sein Anblick erinnerte mich einmal mehr an seinen werten Onkel. Thorin hätte wohl genauso reagiert. Für einen Moment blitzte auch die Erinnerung an diesen seltsamen Traum der vergangenen Nacht auf. Deshalb war ich auch leicht sprachlos und erwiderte nichts auf Filis deutliche Worte hin. Stattdessen nickte ich nur langsam und löste meine Augen von ihm. Zum ersten Mal tat es weh einen der Jungs anzusehen. Aber nur wegen dem Wissen, wem sie ähnelten. Fili schien mein widerstandloses Verhalten jedoch leicht zu verunsicher. Er lockerte seine Hände rasch von meinen Schultern und nahm tief durchatmend auf der Sofakante Platz. "Hör zu. Ich wollte dich nicht anschreien. Das ist audch sonst nicht meine Art. Das weißt du. Wir wollen nur nicht, dass dir erneut etwas Derartiges widerfährt, wie gestern. Und ich verstehe gut, dass du nicht gerade begeistert über die Anwesenheit von Frau Marina bist. Aber Bofur hatte damit nur Gutes im Sinn. Wir sind mehr denn je für dein Wohl verantwortlich. Versuch das bitte zu verstehen", murmelte er und tätschelte mir dabei beruhigend den Arm. Ich nickte erneut mit einem leisen Seufzen und starrte auf meine Decke. Dann sollte es wohl so sein. Eine Pause musste eben mal sein. So schwer es mir fiel meine Aufgaben an eine fremde Person abtreten zu müssen. Und besagte Person hatte sich bisher noch gar nicht zu der Sache geäußert. Sie kümmerte sich weiterhin unbehelligt um das Essen und summte dabei leise vor sich hin. Benny hatte sich dank Bofurs Bemühungen auch recht bald wieder beruhigt und plapperte auf meinem Bett liegend leise vor sich hin, während der Mützenzwerg ihn liebevoll bespaßte. Die ganze Situation war so unwirklich, dass ich beinah glaubte immer noch zu träumen. Doch als Marina endlich das Essen fertig hatte und mit einem schweren Teller zu mir ans Sofa kam, dämmerte es mir, dass ich wohl doch wach war. "So. Das wäre erledigt. Setzen Sie sich etwas auf, damit Sie essen können. Aber Vorsicht, das ist heiß", meinte sie mit einem sonnigen Lächeln. Ich brummte kurz bestätigend und versuchte mich anständig hinzusetzen, ehe ich ihr den Teller und die Gabel abnahm. Fili war mir dabei ein wenig zur Hand gegangen. Er schob mir das Kissen richtig hinter den Rücken und erkundigte sich anschließend noch, ob alles so in Ordnung war. Auch das bestätigte ich Wortlos indem ich nickte. Dann zog er sich zusammen mit seinem Bruder und Bofur an den Esstisch zurück, wo sie nach kurzer Zeit dabei waren das Essen in sich rein zu schaufeln. Wirklich. Wenn es ums Essen ging, konnten die Herren unglaublich schnell sein. Das verschaffte mir allerdings die Gelegenheit, mich ein wenig mit meiner neuen Nachbarin zu unterhalten, welche sich zu mir auf die Sofakante setzte, wo Fili aufgestanden war. Zunächst sah sie sich allerdings in der Verantwortung mich fast schon geschäftsmäßig nach meinem Befinden auszufragen. "Wie fühlen Sie sich? Herr.. ähm... Bofur... sagte mir gestern Abend, Sie seien unterwegs zusammen gebrochen", hakte sie nach und musterte mein Gesicht eingehend, während ich die erste Gabel aufnahm und zu meinem Mund führte. Ihre Frage und Bemerkung nickte ich für Erste nur ab und kaute unschlüssig auf den Kartoffeln herum. Sagenhafterweise schmeckte das Zeug wirklich gut. Vielleicht sogar besser als das, was ich sonst immer zubereitete. Doch obwohl es mir recht gut schmeckte, kreisten meine Gedanken um etwas ganz anderes. Ich war mir mal wieder nicht sicher, ob ich dieser Frau etwas erzählen sollte oder nicht. Auch wenn ich insgeheim ahnte, dass der Mützenzwerg das schon am Abend davor für mich getan hatte. Marina zeigte mir aber dahingehend kurzerhand ihr Talent, dass man ihr nichts sagen musste, damit sie genau erkannte, wenn Jemandem das Herz schwer war. Sie seufzte dafür kurz und legte mir eine Hand aufs Knie, bevor sie leise auf mich einredete. "Wissen Sie. Sie sind wirklich eine glückliche Frau. Solche Freunde, wie die Herren da drüben am Tisch findet man selten", meinte sie mit einem breiten Lächeln. "Wie meinen Sie das?", fragte ich leicht verblüfft und legte den Kopf schief. "Nun ja. Ich kenne nicht viele Männer, die sich so aufopferungsvoll um eine Frau kümmern würden. Nicht nur vorgestern, sondern aucg gestern Abend und heute Morgen. Herr Bofur kam am Abend sofort zu mir und bat mich darum Ihnen auszuhelfen, da es Ihnen so schlecht gehen soll und sie dringend etwas Unterstützen bräuchten", erklärte sie mir knapp. Ich schluckte unterdessen meine fünfte Gabel Bratkartoffeln schwerfällig herunter und blinzelte ungläubig. "Ach? Hat er? Ich dachte mir zwar schon, dass er gestern noch bei Ihnen war. Aber dass er Sie um Hilfe gebeten hat, ist mir neu. Vorhin hat sich das eher so angehört, als hätten Sie von sich aus gesagt, dass Sie mir helfen wollten", erwiderte ich und schielte rüber zum Küchentisch, wo ich den Mützenzwerg auffällig laut husten hörte, als habe er sich verschluckt. Na da hatte er sich aber wohl nicht so ganz mit seiner heimlichen Angebeteten abgesprochen. Offenbar war das Ganze doch allein auf seinen Mist gewachsen. Von wegen, Marina wäre von sich aus bereit gewesen alles zu übernehmen. Da sprach wohl in gewisser Weise etwas der Eigennutz aus der Situation heraus. Mal wieder typisch Zwergenego. Das praktische und Einfache mit dem Nützlichen verbinden. Ich hatte zwar nichts dagegen, dass er gerne mit Marina zusammen war und auch nicht, dass er sich gerne um klein Benny kümmern wollte. Doch wenn er das unter dem Vorwand tat, besorgt um mich zu sein, dann musste ich ihm dafür wohl bei Gelegenheit mal die Ohren lang ziehen. Das musste allerdings noch etwas warten. Zumindest bis Marina nicht mehr in Sicht- und Hörweite war. Solange sie und ihr Sohn sich in meiner Wohnung befanden, konnte ich ihm nur schlecht meine Meinung sagen. Wobei mir auf der anderen Seite in dem Zusammenhang eine weitere Frage auf der Zunge lag, welche ich meinem unerwarteten Gast umgehend stellen musste. "Und Sie haben einfach so zugesagt, als er Sie gefragt hat? Verstehen Sie mich nicht falsch, aber warum tun Sie das? Ich meine, Sie haben doch gewiss etwas Anderes zu tun, als sich den ganzen Tag um eine wildfremde Frau zu kümmern?", hakte ich ruhig nach, woraufhin sie plötzlich ihr glockenhelles Lachen hören ließ. "Aber, meine Liebe. Das liegt doch wohl auf der Hand. Es war immer meine Berufung mich um meine Mitmenschen zu kümmern. Besonders, wenn sie krank waren. Sonst wäre ich nie Krankenschwester geworden. Natürlich könnte ich auch etwas Anderes tun. Aber sehen Sie, Windeln wechseln, Fläschchen aufwärmen, kochen, putzen und gelegentlich etwas fernsehen oder lesen ist nun mal nicht sehr erfüllend. Ich brauche auch mal eine Abwechslung. Etwas was ich tun kann ohne den ganzen Tag in meiner der Stube zu hocken. Sicher, ich liebe meinen Sohn und er ist das Wichtigste in meinem Leben. Aber das ist meine Arbeit eben auch. Und ich vermisse das Krankenhaus und die Patienten dort sehr. Die netten Gespräche, das Beisammen sein und irgendwie sogar die stressigen Momente. Ich kann einfach nicht ohne so etwas auskommen. Dafür bin ich nicht gemacht. Eine Weile Pause ist ja ganz schön, aber ich sehne mich danach wieder den Menschen helfen zu können. Ich will mich nützlich machen. Nicht nur Tag ein Tag aus meinen vier Wänden anstarren und mich von der Außenwelt abzuschotten. Ich brauche Gesellschaft um mich herum. Und wenn Jemand an meine Tür klopft und nach Hilfe verlangt, dann wäre ich die Letzte, die 'Nein' dazu sagt. Verstehen Sie, was ich Ihnen damit sagen will?", entgegnete sie zum Schluss, wobei ihre moosgrünen Augen zu leuchten begonnen hatten, seit sie mit aller Leidenschaft über ihre Lebensaufgabe sprach. Ich schluckte einmal kurz und musterte die Frau vor mir mit großen Augen. Meine Güte, was hatte sie nur für eine unglaubliche Ausstrahlung. Kein Wunder, dass Bofur ihr so verfallen war. Ein so gutes Herz traf man selten in der heutigen Gesellschaft. Es war mir schon fast ein bisschen peinlich ihr gegenüber zu sitzen und still ihr zubereitetes Essen in mich rein zu stopfen. Natürlich wusste ich, was sie mir damit sagen wollte. Mir ging es so gesehen seit Wochen nicht anders. Ich suchte auch immer wieder nach Beschäftigung. Einen Weg aus dem tristen Alltag und der Routine. An ihrer Stelle wäre mir da auch jeder Job recht gewesen, um nicht mehr zuhause herum zu hocken. Auch wenn ich mit dem Umzug und dem ganzen Drumherum ordentlich zu tun gehabt hatte. Es fehlte einfach etwas. Von daher konnte ich sie gut verstehen. Und ein Großteil von mir wollte ihr, dieser fremden Frau auch nicht das Gefühl nehmen, gebraucht zu werden. Zumindest so lange, bis es mir wieder besser ging. So huschte kurz ein sanftes Schmunzeln über meine Lippen, als ich die Gabel auf meinen inzwischen geleerten Teller ablegte und blickte sie sehr freundlich an. "Marina. Ich... Ich kann wirklich gut verstehen, was Sie mir sagen wollen und wie Sie sich fühlen. Und um ehrlich zu sein, will ich eigentlich Niemandem Umstände machen. Erst recht keiner jungen Mutter und ihrem Sohn...", murmelte ich verlegen, bevor sie mich mit einem heftigen Kopfschütteln unterbrach. "Das tun Sie nicht, meine Liebe. Im Gegenteil. Ich bin dankbar, dass Herr Bofur mit Ihrem Problem zu mir gekommen ist. Er erwähnte schon, dass Sie viel zu selbstlos wären, um von sich aus nach Hilfe zu fragen. Aber ich sehe, dass Sie wirklich Hilfe brauchen. Ich will mich Ihnen natürlich nicht aufzwingen, wenn Sie es nicht wollen. Es ist nur... Ich denke, in einer Situation wie Ihrer, sollten Sie das, was man Ihnen geben möchte, auch annehmen. Das ist und bleibt aber Ihre Entscheidung. Ich nötige Sie zu nichts, meine Liebe", meinte sie und rüttelte dabei energisch an meinem Knie. Ich schnaufte einmal kurz, während erneut ein sachtes Schmunzeln über meine Lippen huschte. Egal was Marina auch sagte oder tat, sie schaffte es ohne viel Mühe mich durch ihr mütterliches Wesen zu überzeugen. Vielleicht... Ja, vielleicht würde sie mir in Zukunft eine ebenso gute Freundin werden wie Chu es war, dachte ich und las dabei den aufrichtigen Ernst und die Entschlossenheit in ihren Augen. "Also... Also gut... Wenn es Ihnen etwas bedeutet und wirklich keine Umstände macht, dann... Dann bin ich bereit mir von Ihnen helfen zu lassen, Marina", erwiderte ich ruhig und ehe ich fortfahren konnte, vernahm ich einen ohrenbetäubend lauten, freudigen Jubelschrei vom Küchentisch her. Es war kaum zu überhören, von wem dieser kam. Aber auch nicht was er kurz darauf wieder auslöste. Denn als Bofur triumphierend aufgesprungen war und die Rückenlehne seines Stuhls scheppernd auf den PVC-Boden krachte, schreckte er damit klein Benny wieder auf, der umgehend mit ebenso lautem Geplärr loslegte. Das gefiel selbstverständlich nicht allen Anwesenden. Mit einem genervten Augenrollen wandte ich mich von Marina ab, welche begonnen hatte zu kichern und sah Kili und Fili an, die sich fast gleichzeitig an die Köpfe griffen und mit beleidigten Gesichtern die Ohren zu hielten. "Bofur! Bei Durins Bart! Bist du von Sinnen?! Sieh zu, dass du ihn wieder zum Schweigen bringst!", fauchte ihn Kili barsch an, wobei er Mühe hatte den quengelnden Säugling zu übertönen. Der Mützenzwerg war sichtlich einen Augenblick lang überfordert und wusste weder vor noch zurück. Stattdessen stammelte er hastig einige Entschuldigungen, ehe er sich rasch und pflichtbewusst daran machte klein Benny vom Bett aufzunehmen und vorsichtig zu schaukeln. Ach herrje, das konnte ja noch was werden, dachte ich mit gequältem Gesichtsausdruck und wandte mich wieder an Marina, die aus dem Lachen gar nicht mehr heraus kam. "Oh man. Entschuldigen Sie bitte. Aber die Drei sind manchmal ein bisschen... Übermotiviert. Ich hoffe das stört Sie nicht", erklärte ich ihr kurz angebunden. Ich erntete aber nur ein weiteres Kopfschütteln von ihr, während sie versuchte sich zu beruhigen und dabei die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischte. "Ach... Ach das ist nur halb so wild. Da habe ich in meiner beruflichen Laufbahn schon weit Schlimmeres erlebt. Ich hoffe aber wiederum, dass es sie nicht stört und in Ordnung für Sie ist, wenn ich Benny mitbringen, solange ich mich um Sie kümmere?", fragte sie vorsichtig und blickte mich dabei hoffnungsvoll lächelnd an. Ich musste mir in diesem Punkt ein wenig auf die Zunge beißen und ein aufkommendes Seufzen runter schlucken. Meine leichte Abneigung gegenüber Kindern in meiner Gegenwart, war trotz des Ereignisses am vorgestrigen Tages immer noch nicht ganz verschwunden. Es würde sicherlich noch mehr Stress bedeuten, wenn ihr Sohn mit in meiner Wohnung war. Aber sie war immerhin die Mutter, weshalb mir nicht das Recht zustand ihr den Umgang mit ihrem Kind zu verbieten. Selbst wenn es meine eigenen vier Wände waren. So ein Unmensch war ich nicht und wollte es auch nicht sein. Daher willigte ich kurzerhand, wenn auch etwas widerstrebend ein, dass sie ihn mitbringen durfte. Es würde ja nicht für lange sein, dachte ich. Nur ein paar Tage, bis zum Wochenende, wo ich mit den Zwergen zum Jahrmarkt wollte. Denn für diese Exkursion, würde ich noch viel Kraft und eine ganze Menge Nerven brauchen. Dessen war ich mir bereist voll und ganz bewusst. - 104. Helfer und Helfershelfer / ENDE - Kapitel 105: 105. Viel Getummel auf dem Rummel ---------------------------------------------- Nun hatte ich den Salat. Und zwar einen bunt Gemischten mit allem Drum und Dran. Das hatte ich mir wirklich anders vorgestellt. Aber was sollte ich nun noch dagegen unternehmen? Eben. Ich konnte nichts tun. Alles ging drunter und drüber. Und nebenher auch noch irgendwie den Bach runter. Zumindest was meine Pläne für die nähere Zukunft betraf. So war aus dem kleinen, bescheidenen Liebesnest, was ich aus meinem Apartment machen wollte, zuerst eine winzige Familienwohnung, dann eine WG und schließlich ein Privat-Krankenhaus geworden. Und alles innerhalb von nur zwei Tagen. Das sollte mir mal jemand nachmachen! Wobei ich demjenigen nicht die Umstände wünschte in denen dies alles zustande gekommen war. Das Liebesnest musste der Familienwohnung weichen, da ein gewisser Zwergenkönig es für notwendig gehalten hatte, ohne mein Wissen, seine beiden Neffen mitzubringen, welche nun auch in meiner Welt beheimatet waren. Die WG entstand aus der Not heraus, weil Thorin den guten Bofur schlichtweg bei mir vergessen hatte. Und der freundliche Mützenzwerg war am Ende dafür Verantwortlich, dass ich ein Privat-Hospiz mit persönlicher Krankenschwester und Säuglings Station hatte. Wirklich. Ich hatte bei weitem keine Ahnung gehabt, dass man vierzig Quadratmeter so flexibel gestalten konnte. Da würde eine gewisse, blonde, korpulente Raumgestalterin beim Fernsehsender Radio-Television-Luxemburg vor Neid platzen. Nun gut. Meinen Segen hatte sie dabei. Sie brauchte sich nur mit den Problemen herum schlagen in welche Richtung sie die einfarbige, gleichseitige Vase ohne Muster in die Kamera zu drehen hatte, damit das Ganze für den Zuschauer nach Professionalität aussah. Solche Sorgen hätte ich gern gehabt. Aber ich war mit etwas anderem beschäftigt. Nämlich damit keine Beschäftigung zu haben. Zumindest nicht viel. Dafür konnte ich mich bei meinen Mitbewohnern und meiner Krankenschwester bedanken. Sicher, sie hatten es nur gut mit mir gemeint. Am Anfang dachte ich auch noch irgendwie, es würde nicht so schlimm werden und ich bräuchte nur ein paar Stunden auf meinem Sofa verbringen, bis ich wieder aufstehen und meinem Alltag nachgehen konnte. Im Endeffekt ein ziemlich naiver Denkfehler von mir. Aber die Hoffnung war ja stets die, die zuletzt starb. Wobei ich diese bereits am ersten Tag meiner Ruhepause hatte einsargen müssen. Meine Krankenschwester kannte, was die pünktliche Einnahme von Medikamenten, wie auch die der Mahlzeiten betraf, keine Gnade. Besonders bei den Untersuchungen war sie sehr genau. Sie maß vorsichtshalber mehr als einmal meinen Blutdruck. Das hieß, sobald ich etwas geschlafen oder gegessen hatte, nahm sie umgehend das Messgerät zur Hand. Obwohl ich eine solche Maßnahme sehr überzogen fand. Jeder Widerspruch wäre allerdings Zwecklos gewesen. Die Jungs passten in dieser Hinsicht auf, wie ein Rudel Wachhunde. Zwerge besaßen ein ungemeines Pflichtbewusstsein, wenn es um Mitglieder ihrer Familie ging. Und so eines war ich inzwischen. Fili gab sich dabei sehr viel Mühe. Obwohl ich ihn mehrfach darum bitten musste, mich nicht zu sehr zu verhätscheln. Doch wenn er es nicht tat, was meist dann der Fall war, wenn Jana sich per Handy bei mir meldete, um einfach mit ihm zu quatschen oder den genauen Treffpunkt für das Herbstfestival auszumachen, dann war es sein jüngerer Bruder. Zumindest wenn dieser sich von seiner kleinen Topfpflanze trennen konnte, die einen wunderschönen Platz an der bisher nicht vorhandenen Sonne auf dem äußeren Fensterbrett meines Balkons gefunden hatte. Anderenfalls leistete mir Bofur Gesellschaft. Zusammen mit klein Benny. Und diese Kombination, war ungemein anstrengend. Ich mochte bald gar nicht mehr zählen, wie oft er mir von dem Moment berichtete, als sein Bruder Bombur zur Welt kam. Natürlich in allen Details, sodass ich ein mehr als unschönes Kopfkino ausbaden musste. Angefangen bei dem Einsetzen der starken Wehen seiner Mutter, über ihre Schmerzensschreie hinweg, bis zu dem Punkt als er ihn zum ersten Mal in seiner Wiege hatte liegen sehen. In diesem einen wundersamen Augenblick, wie er es so schön zitierte, hatte er sich geschworen später selbst einmal eine Familie zu Gründen. Und das obwohl er noch nicht einmal ansatzweise in dem Alter für einen Zwerg gewesen war, wo er sich hätte entscheiden müssen. Mir war nach alledem die Lust auf eigene Kinder wieder etwas vergangen. Denn wie er mir außer den Einzelheiten noch erläuterte, bekamen Zwerginnen nicht ohne Grund nur höchstens alle zehn Jahre Nachwuchs. Die Geburt sei eine solche Tortur, dass es mehrere Wochen dauern konnte bis die frisch gebackene Mutter auch nur einen Fuß neben das Wochenbett setzen konnte. Na tolle Wurst. Und dann wollte Thorin mir so etwas zumuten. Ich wusste ja bereits aus Geschichten von anderen Müttern, dass eine Geburt bei Menschen schon nicht sehr reibungslos verlaufen konnte. Komplikationen über Komplikationen. Von schweren Blutungen, über Leistenbrücke, Dammrisse, bis hin zu einer Schwangerschafts-Vergiftung, die tödlich verlaufen konnte, wenn man sie nicht rechtzeitig erkannte. Dabei waren schon die Nebenwirkungen der neunmonatigen "Tragezeit", wie ich es nannte, nicht ganz ohne. Stimmungsschwankungen, Sehschwäche, morgendliches anbeten des Porzelangottes, gestörtes Essverhalten und am schlimmsten Haarausfall und Kieferdeformierungen. Um Himmels Willen, NEIN! Mir wurde mehr als einmal schlecht bei dem Gedanken. Das würde ich doch nie und nimmer überleben. Nicht mal mit der modernen Medizin im Rücken. Da hatte der werte Herr Mittermeier schon recht, als er in einem seiner Comedy-Programme so schön sagte: "Wenn ihr feststellt, dass ich Schwanger bin, legt mich für neun Monate ins Koma und weckt mich erst, wenn das Kind da ist!" Aber auch danach würde es nicht besser werden. Marina stand in Punkto "Geschichten zum Kinderkriegen" Bofur in nichts nach. Brühwarm erläuterte sie mir, was einer Mutter danach alles noch passieren konnte. Sie hatte ja viel gesehen und zum Teil miterlebt. Meist bei Kaiserschnitten, wenn sie mal kurzfristig als OP-Schwester hatte einspringen müssen. Frauen, die sich zuvor so über ihren Nachwuchs gefreut hatten, wurden schlagartig depressiv, wenn sie ihr Freudenbündel nur ansahen. Bei manchen ging es soweit, dass sie ihr Kind sogar töten wollten, nur um diese abweisenden Gefühle los zu werden. Wundinfektionen waren auch Gang und Gebe. Ein Arzt habe sogar mal versehentlich eine Klammer im Bauch einer Frau vergessen. Diese war schließlich erst Jahre später wieder entdeckt worden, da man besagter Dame auch noch vorgeworfen habe, sie würde simulieren oder eben noch etwas unter der OP leiden. Phantomschmerzen oder ähnliches. Über solche Probleme hatte sich der Zwergenkönig selbstverständlich keinen Kopf gemacht. Gut, ich war mir sicher, dass er von den meisten Diagnosen, die man in meiner Welt inzwischen stellen konnte, gar keine Ahnung hatte. Aber dass es eine weit größere Belastung für meinen Körper werden konnte, als bei Menschenkindern, hatte er mit keinem Wort erwähnt. Vielleicht auch um mich nicht zu sehr zu beunruhigen, ehe ich nicht wirklich tragend war. Nun ja, das hatten schließlich andere für ihn übernommen. Da konnte mir meine werte Nachbarin im Nachhinein noch so gut zureden wie sie wollte, indem sie mir erklärte, dass es nicht zwangsläufig zu solchen Situationen kommen konnte. Dafür war es allerdings inzwischen zu spät. Meine Laune konnte das nicht wieder aufhellen. Im Gegenteil. Ich war nun mehr entschlossen denn je auf Nachwuchs zu verzichten. Das konnte noch gewaltig Krach bedeuten. Aber um sich damit auseinandersetzen zu können, musste es ja erst einmal soweit kommen. Zunächst gab es andere Dinge, die mir schwerer im Magen lagen, als ein nicht vorhandenes Kind unter meinem Herzen. Der Jahrmarkt um genau zu sein. Am Morgen des Samstags, wo es losgehen sollte, wachte ich vollkommen niedergeschlagen und erschöpft auf. Auch das war seit Tagen nicht anders. Der Traum von dem Birkenwäldchen und dem singenden Zwergenkönig auf der Waldlichtung wollte sich nicht aus meinem Unterbewusstsein verdrängen lassen. Er widerholte sich inzwischen in einer Nacht um die drei Mal. Und er lief stets gleich ab. Ich stand von dem Traumsofa auf, ging zwischen zwitschernden Vögeln, summenden Bienchen und weißen Baumstämmen hindurch, während ich dem Gesang folgte. Doch nur um am Ende festzustellen, dass ich wieder nicht ins hohe Gras treten konnte um Thorin wenigstens zu sehen. Das Einzige was sich änderte, war die Stimme, welche sich bei mir meldete, sobald ich an diesem Punkt angelangt war. Sie wirkte von Nacht zu Nacht besorgter und erzählte mir immer etwas anders, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Der Traum war beim ersten Mal noch so schön gewesen und ich wollte ihn eigentlich aus meinem Gedächtnis streichen, als er anfing mich zu quälen. Dennoch klammerte ich mich auf der anderen Seite mit aller Macht daran, da er für mich die letzte Möglichkeit war, den Zwergenkönig nicht ganz zu vergessen. Meine persönliche, nächtliche Hölle. Ein böses Spiel mit dem Feuer. Ich fürchtete irgendwann den Verstand dabei zu verlieren, wenn er nicht weiter ging oder ich mal etwas anderes zu träumen bekam. Was hatte das nur zu bedeuten? So oft hatte ich noch nie hintereinander von ein und demselben Ort geträumt. Geschweige denn von einer solchen Situation, in der ich fast verzweifelte. Was hatte es nur damit auf sich? Es musste eine Erklärung für das alles geben. Irgendeine! Doch ich kam lediglich immer wieder zu dem Schluss, dass es möglicherweise nur Sehnsucht war. Und die hatte ich mehr als genug. Mir fehlte seine Nähe, die Berührungen seiner rauen, warmen Hände auf meiner Haut, seine ernste, mahnende Stimme in meinen Ohren und der Geschmack seiner innigen, leidenschaftlichen Küsse. Ich gab ein tiefes, schwermütiges Seufzen von mir und leckte mir nachdenklich über die Lippen, während ich an meine Zimmerdecke starrte. Wieder eine Nacht ohne ihn herum gebracht, dachte ich erleichtert, bevor ich mich langsam aufrichtete. Ungewöhnlicher weise schliefen meine drei Mitbewohner noch, als ich mit tapsigen Schritten am Bett vorbei ins Badezimmer ging, um mich fertig zu machen. Aufstehen und laufen durfte ich seit dem vergangenen Abend wieder. Letzteres musste ich an diesem Tag ja auch. Vielleicht mehr als genug, aber dieses Mal würden mich die Zwerge wohl gewähren lassen. Denn mein Arzt hatte sich am späten Nachmittag desselben Tages noch bei mir gemeldet und versichtert, dass meine Werte sich wieder soweit normalisiert hatten, dass unserem Ausflug nichts im Weg stehen konnte. Ein Glück! Endlich raus aus der muffigen, engen Bude und frische Luft geschnappt. Gut, frische Luft hätte ich auch durch die offenen Fenster haben können. Mir lag da doch eher die Bewegung am Herzen, welche meine Beine dringend notwendig hatten. Und nicht nur die. Beim ersten Blick in den Badezimmerspiegel, wäre ich fast vor mir selbst erschrocken. Ich sah aus wie ein völlig übernächtigter Alkoholiker, nach einer heftigen Party. Meine Augenringe hätten nicht tiefer und dunkler sein dürfen, sonst hätte man mich womöglich für einen drolligen Pandabären gehalten. Wobei ich mit dem Verband doch eher an eine wieder auferstandene, entlaufene, ägyptische Mumie erinnerte. Heiliger Strohsack! Höchste Zeit, dass ich etwas dagegen unternahm. So konnte ich auf keinen Fall vor die Zwerge treten. Die würden mich umgehend zurück aufs Sofa packen und eiskalt alleine zum Jahrmarkt losziehen oder Fili würde Jana schweren Herzens absagen, was ich ihm nicht wünschte. Er hatte sich so sehr darauf gefreut und noch vor dem Schlafengehen mit seiner Angebeteten derart heftig herum geturtelt, dass sein Bruder sich angewidert den Finger in den offenen Mund steckte und so tat, als wollte er sich an Ort und Stelle übergeben. Der Anblick war so lustig gewesen, dass ich in mein Kissen beißen musste, um mich einem schweren Lachflash hinzugeben. Meine Güte. Das konnte noch schön werden. Wenn nicht wegen der vielen Fahrgeschäfte und Attraktionen, dann weil Kili, bezüglich dem übertriebenen Liebesgeflüster seines älteren Bruders, möglicherweise viel herumalberte. Aber nicht nur Fili würde an diesem Tag mit weiblicher Begleitung unterwegs sein. Auch Bofur hatte mich noch am Vorabend fast auf Knien darum angebettelt, Marina fragen zu dürfen, ob er sie nicht auch einladen konnte. Ich hatte viel herum gedruckst und darüber nachgedacht, ehe ich ihm meine Zustimmung gab. Mir war zwar einerseits nicht ganz so wohl bei dem Gedanken, dass wir mit noch mehr Leuten da aufschlugen. Andererseits war ich meiner Krankenschwester für die gute Pflege und Haushaltsführung einiges schuldig. Und ein bisschen Spaß hatte die junge Mutter ja auch notwendig. So war der Mützenzwerg blitzschnell nach meiner Einwilligung aus dem Apartment gestürmt, ohne noch ein weiteres Wort des Einwandes zuzulassen und hatte sie noch direkt vor dem Schlafengehen gefragt. Mich wunderte es in dem Moment, dass er beim Davonbrausen nicht noch eine dicke Staubwolke hinter sich her gezogen hatte. In den wenigen Stunden, welche die Beiden in meiner Wohnung zusammen verbracht hatten, waren sie sich mehr als nur einmal sehr nah gekommen. Meist wenn es um klein Benny ging. Insgeheim hatte ich ja gehofft, dass der Knirps eventuell ein Grund für sie gewesen wäre, die Einladung abzulehnen. Nicht wegen ihm selbst, sondern weil ich mit meiner leicht getrübten Stimmung nicht noch ein Pärchen dabei haben wollte. Kili hatte mir im Anschluss an meine Erlaubnis auch einen ungewöhnlich bösen Blick geschenkt. Es passte ihm genauso wenig wie mir. Doch bevor ich ihn beruhigen konnte, mit meiner Hoffnung, dass sie vielleicht absagte, machte Bofur mir diesen Gedanken mit einem Schlag zunichte, als er grinsend wie ein Honigkuchenpferd, mit federnden Schritten zurück gestiefelt kam. Er brauchte nichts dazu sagen. Man sah ihm an, dass sie eingewilligt hatte. So würde es wohl oder übel einen Doppel-Pärchen-Ausflug mit zwei partnerlosen, Trübsal blasenden Gestalten im Schlepptau werden. Da hatte ich mir selbst ein riesen Ei ins Nest gelegt. Aber ich machte im Gegensatz zu dem dunkelhaarigen Jungen, gute Miene zum bösen Spiel. Bei dem Mützenzwerg waren die Liebesbekundungen bisher komplett aus geblieben. Er war immer höflich geblieben und nicht zu aufdringlich geworden, wenn seine Herzdame mal Hilfe gebraucht hatte. Daran erkannte man wohl am deutlichsten den Altersunterschied bei Zwergenmännern. Thorin hatte sich mir gegenüber ja auch nicht wie ein liebestoller Rammler verhalten. Zumindest nicht in aller Öffentlichkeit. Aber das war eine andere Geschichte und gehörte an diesem frühen Morgen nicht in meine ohnehin schon trübsinnigen Gedanken. Ich musste munter werden und versuchen mich trotz der anstrengenden Nächte zu amüsieren. Aber zunächst klatschte ich mir eine ordentliche Ladung kaltes Wasser ins Gesicht. Danach ging es mir schon ein wenig besser. Auch wenn mein Gesicht noch etwas anderes zum Ausdruck brachte. Das würde sich aber bestimmt geben, wenn ich etwas gegessen hatte. So schlurfte ich langsam aus dem Bad in Richtung Küche, wo ich bereits von einem reichlich verschlafenen und zerzausten Kili erwartet wurde, der gähnend auf der Bettkante saß und sich die Augen rieb. "Morgen", murmelte ich ihm leise zu, womit ich es schaffte ihn auf mich aufmerksam zu machen. Er ruckte umgehend erschrocken mit dem Kopf hoch und blinzelte etwas verwirrt, als er mich im Raum stehen sah. "Cuna? Du... Du bist schon auf den Beinen?", fragte er und gähnte erneut. Ich nickte ihm mit einem zaghaften Lächeln zu und wandte mich anschließend der Küche zu, wo ich im Kühlschrank nach meinem Frühstück suchte. Dieser war nach der Einkaufstour von Richi und den Zwergen richtig gut gefüllt. Und das obwohl die Herren und ich schon einiges in den letzten Tagen verputzt hatten. Doch wie es aussah, hatten die Vier fast den halben Laden ausgeräumt. So viel hatte ich gar nicht mit auf die Liste gepackt. Wahrscheinlich waren die Zwerge aber davon ausgegangen, dass wir genug Vorräte benötigten und hatten sich auf eigene Faust eingedeckt. Da durfte sich die Discounter-Kette wohl sehr gefreut haben. Und ich in diesem Moment ebenso. Denn ich hatte genug Auswahl. Ohne lange nachzudenken, schnappte ich mir einige Kleinigkeiten und legte diese schon mal auf meinen Küchentisch. Schließlich wollten meine drei Mitbewohner unter Garantie auch etwas essen, bevor wir aufbrachen. Neben Kili wurden nun auch die anderen Beiden wach. Als sie mich herum werkeln hörten, rollten sie sich mit einigen verschlafenen Geräuschen aus den Federn. Nach vielen "Guten Morgen"-Wünschen und einem ausgiebigen Gähnkonzert, setzten wir uns zum ersten Mal seit dem Einzug zusammen an den Tisch um zu frühstücken. Anschließend verbrachten wir etwas Zeit damit uns anzuziehen und ausgehfertig zu machen. Fili war ungemein hibbelig und vollkommen verpeilt. Das äußerte sich besonders darin, dass er zuerst seine Stiefel falsch herum anziehen wollte und wie im Zuckerrausch zwischen Bad und Wohnraum hin und her flitzte. Dabei nahm er weder Rücksicht auf meine Einrichtung, noch auf die anderen Personen, die ihm zufällig im Weg standen. Nachdem er schon seinen Bruder und Bofur mehrfach umgerannt hatte, musste ich ihn im Endeffekt stoppen, bevor er sich selbst noch in seinem Wahn wehtat. Oder eben die anderen zwei, die sichtlich genervte Gesichter machten. "Fili! Fili! Stopp, stopp, stopp! Hör doch mal auf so durchzudrehen! ‘‘, meinte ich und ergriff hastig seinen Arm, als er zum gefühlt tausendsten Mal an mir vorbei kam. Leicht verwirrt durch meine plötzliche Berührung, blieb er wie angewurzelt stehen und blinzelte mich irritiert an. "Ich... Cuna... Oh Mahal! Ich kann einfach nicht. Ich weiß nicht was ich tun soll. Was, wenn sie nicht kommt? Wenn ich sie nicht finde? Was soll ich tun?", fragte er aufgebracht, entriss seinen Arm meinen Griff und fasste mir blitzschnell an die Schultern, wo er mich ein wenig durchschüttelte. Sein Blick war vollkommen verklärt und fast schon ein wenig panisch. Er war buchstäblich kurz davor wahnsinnig zu werden. Das konnte ich jedoch gut nachvollziehen. Immerhin war es so gesehen sein erstes Date außerhalb der Zeltstadt mit der Frau die er liebte. Da verlor selbst der standhafteste Mann ein bisschen den Kopf. Aber ich wusste genau wie ich ihn beruhigen konnte. Ich hob ganz langsam und beschwichtigend die Hände, legte sie vorsichtig an seine Oberarme und sah ihm eindringlich in die Augen, bevor ich ihm ruhig und ermutigend antwortete: "Fili. Alles. Ist. Gut. Mach dir keinen Kopf wegen dem Treffen. Jana wird da sein. Ganz sicher. Wir haben eine Uhrzeit ausgemacht, einen Treffpunkt vereinbart, wo wir sie garantiert finden werden und wir sind alle bei dir. Du musst das nicht allein durchstehen. Jetzt komm erst mal wieder runter, atme tief durch und setz dich noch ein bisschen hin. So aufgekratzt kannst du ihr nicht gegenüber treten. Damit erreichst du nämlich nur das Gegenteil. Sie wird nervös, unsicher und am Ende versaut es euch beiden den Tag. Beruhig dich. Es wird schon gut werden. Vertrau mir." Mit diesen Worten drückte ich meine Finger etwas fester auf seine kräftigen Oberarme, um ihm zu zeigen, dass er sich nicht verrückt machen musste. Und es wirkte. Ganz behutsam nahm er seine Hände von meinen Schultern, stapfte wortlos an mir vorbei und setzte sich mit leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper auf die nahe Bettkannte, wo er die Hände in seinem Schoß faltete, seine Augen schloss und mehrmals tief und geräuschvoll Luft holte. Der arme Bursche war wirklich mit den Nerven am Boden. Aber ich vermutete, dass es Jana im selben Moment wohl nicht anders erging. So viele Wochen waren vergangen, dass sie einander gesehen hatten und das erste Treffen nach all dieser Zeit durfte einfach nicht in einem Fiasko enden. Dafür musste ich notfalls selbst sorgen. Und mir lief bereits ein kalter Schauer den Rücken runter, wenn ich daran dachte, den Beiden einen Schubs in die richtige Richtung zu geben, damit sie einen schönen Tag miteinander verbrachten. Besonders, weil ich mich nicht nur um die zwei, sondern so gesehen um alle in der Gruppe kümmern musste. Wobei ich mir da weniger um Bofur, als vielmehr um Kili Gedanken machte. Der Mützenzwerg würde mit Marina schon zurechtkommen. Aber Kili? Eigentlich brauchte gerade der dunkelhaarige Junge am meisten Zuwendung. Das merkte ich schon vor dem Aufbruch. Er war auf den Balkon gegangen und kümmerte sich ein bisschen zu intensiv um seine Blumen. Meine Güte. Babysitten für Männer, die eigentlich vom Alter her meine Großväter sein konnten. Da konnte nichts Vernünftiges bei rum kommen. Aber zumindest hatte sich Fili nach den kleinen Atemübungen wieder soweit gefangen, dass wir endlich los konnten. So packten wir munter unsere sieben Sachen zusammen, ehe wir das Apartment hinter uns ließen. Dieses Mal hatte ich aber vorsorglich einen Regenschirm mitgenommen, den ich in meine Handtasche stecken konnte. Der Wetterbericht hatte zwar angekündigt, dass es trocken bleiben und die Sonne scheinen sollte, aber nach den vergangenen Tagen wollte ich doch auf Nummer sicher gehen. Im vierten Stock legten wir allerdings einen kurzen Stopp ein, damit Bofur seine Marina standesgemäß an ihrer Tür abholen konnte. Diese hatte es geschafft ihre Mutter kurzfristig dazu zu überreden auf Benny aufzupassen, damit sie mit uns gehen konnte. Schließlich war dieser ja noch viel zu klein, um sich an den lustigen Fahrgeschäften zu erfreuen. Das käme auch erst in späteren Jahren, wenn er laufen und mehr von sich geben konnte, als lediglich sinnfreies Gefasel. Ohne dieses Anhängsel würde es zumindest in einem Punkt entspannter zugehen und das erleichterte mein Gemüt etwas. Allerdings mussten unsere Fünfergruppe den ganzen Weg zum Festplatz zu Fuß überwinden. Mit einem Auto hätten wir wahrscheinlich nur ein paar Minuten gebraucht, doch da weder Marina noch ich eines besaßen, und ich den Zwergen nicht zumuten wollte wieder in einem Taxi oder Bus herum zu gurken, blieb uns nichts anders übrig als zu laufen. Das dauerte zwar wesentlich länger, aber ich brauchte die Bewegung nach der endlos langen Bettruhe. Außerdem war das Wetter auf meiner Seite. Der Himmel war mit flauschigen, weißen Wölkchen bedeckt und erstrahlte in einem netten, freundlichen Spätsommer-Blau. Die Sonne kitzelte mit ihrer angenehmen Wärme meine Haut und eine sanften Brisen strich mir von Zeit zu Zeit durch mein Haar. Bisher lief zumindest Wettertechnisch alles gut. Das bedeutete aber auch, dass es voll werden würde. Folglich freute ich mich nicht ganz so sehr darüber, wie ich es sonst getan hätte. Meine Begleiter waren dahingehend wesentlich zufriedener. Ohne das kalte ungemütliche Nass von oben, stieg die Stimmung der Zwerge trotz des Marsches mit jeder Minute an. Sie plauderten munter miteinander, erzählten lustige Geschichten und vertrieben sich so die Langeweile. Selbst Kili ging es nicht mehr ganz so schlecht. Nach gut einer halben Stunde, konnten wir in der Ferne bereits die ersten Anzeichen des Herbstfestivals erkennen. Es gab viele bunte Schilder an den Laternen, die uns den Weg wiesen und bald sah man auch ein gigantisches Riesenrad, das weit über die Dächer der Häuser hinaus ragte. Außerdem wurden die Straßen und Gehwege zunehmend voller, sodass wir bald einige Probleme hatten zügig voran zu kommen. Man bekam den Eindruck, dass sämtliche Bewohner der Kleinstadt schon zu dieser frühen Zeit den Festplatz stürmen wollten. Na klasse. Ausgerechnet das, was ich nicht gebrauchen konnte. Ich hasste zu großes Gedränge bei derartigen Veranstaltungen. Das bedeutete immer lange Warteschlangen an den Attraktionen, Spiel-Buden und Imbissständen. Außerdem musste ich weit wachsamer sein, was meine Gruppe betraf. Wenn ich auch nur einen der Zwerge aus den Augen verlor, dann war ich mir sicher, dass es katastrophal enden konnte. Dementsprechend schnell schoss auch mein Blutdruck wieder in die Höhe, sodass ich meinen Herzschlag in den Ohren pulsieren hören konnte. Alles in mir spannte sich an. Ständig warf ich unruhige Blicke um mich. Ich kam mir vor wie im Verfolgungswahn. Dabei hatten wir noch nicht mal den Festplatzeingang erreicht. Doch kurz bevor mir endgültig die Nerven durch gingen, legte sich zu meiner linken Seite eine Hand auf die Schulter. Ich zuckte kurz erschrocken zusammen und fuhr mit dem Kopf herum. Kili ging neben mir her und lächelte mich freundlich an. "Ganz ruhig, Schwesterchen. Wir passen schon aufeinander auf. Hast du selbst gesagt", murmelte er mir zu und drückte meine Schulter aufmunternd. Ich brummte daraufhin nur betreten, verzog leicht den Mund und schaute wieder nach Vorne. Er meinte es gut, das wusste ich. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich die Männer inzwischen recht gut kannte, wusste ich dass es nicht lange dauern konnte, bis wir voneinander getrennt wurden. Und meine Vermutung bestätigte sich auch prompt, als Fili sich direkt nach den Worten seines jüngeren Bruders mit einem mal von uns los riss und mitten in die Leute rannte. "Fili?! Fili! Wo Willst du hin?! Komm zurück! Wir wollten doch zusammen bleiben!", brüllte ich ihm ungehalten hinterher, doch sein blonder Haarschopf war bereits mitten in der Masse verschwunden. Ach verdammt noch mal. Das war ja wieder sowas von klar. Bestimmt hatte er Jana oder jemand anderen gesehen, der ihr ähnlich war. Liebe machte definitiv blind und anscheinend auch taub, denn er reagierte auf nichts und gab auch keine Antwort. Ganz egal wie oft ich noch in die Richtung rief, wo er verschwunden war. Stattdessen erntete ich nur die genervten Blicke der Passanten, als ich mit einem missmutigen Stöhnen versuchte ihm zügig hinterher zu kommen. Die anderen folgten mir auf dem Fuß. Es wurde geschubst, gedrängelt und teilweise sogar nach uns getreten, wenn wir irgendwo durch wollten. Von den wortreichen Beschimpfungen einmal ganz abgesehen, die ich allesamt konsequent ignorierte. Sollten die sich nur beschweren. Ich musste unseren entlaufenen, liebestollen Zwerg wieder einfangen. Und das so schnell wie möglich. Schließlich gelangten wir auf ein Stück freie, gepflasterte Fläche direkt vor dem bunt leuchtenden Eingangsportal, wo wir ihn zu meiner Erleichterung fanden. Und er war nicht allein. Hinter seinem breiten Körperbau, erkannte ich bei näherem Hinsehen ganz deutlich einen weiteren blonden Haarschopf, der golden in der Morgensonne aufleuchtete. Tatsächlich hatte er sie, seine Jana durch all die Menschen erspähen und erreichen können. Nun standen sie Arm in Arm beieinander und küssten sich vor aller Augen sehr überschwänglich. Das war wirklich Wiedersehensfreude in Reinform. Ein wenig erweckte es in mir sogar den Wunsch, auch mal von Thorin so begrüßt zu werden. Doch den Gedanken verwarf ich recht schnell, als ich auf die beiden Turteltauben zuging und dem Ausreißer absichtlich kräftig auf die Schulter klopfte. Dementsprechend verstimmt grummelte er vor sich hin und riss sich schweren Herzens von seinem Herzblatt los, um dem Störenfried, in diesem Falle mir, ordentlich die Meinung zu sagen. "Was fällt Euch ein mich zu stören?! Seht Ihr nicht dass ich... oh...", grollte er zunächst, bis er erkannte, dass ich mit verschränkten Armen hinter ihm stand und ungeduldig mit dem Fuß wippte. Jana blickte unterdessen etwas verwirrt an ihm vorbei schluckte schließlich gut sichtbar, als sie meine Erscheinung musterte. Sie hatte mich ja auch seit Wochen nicht gesehen und mein Anblick war wohl nicht gerade sehr erheiternd. Das konnte ich gut verstehen, wo ich mich am Morgen im Spiegel noch vor mir selbst erschrocken hatte. Daher reagierte ich auch nicht ganz so ungehalten, wie ich es eigentlich vor gehabt hatte. Schließlich wollte ich sie ja nicht noch mehr erschrecken. "Hör mal, Fili. Wir haben doch vorhin noch klar und deutlich gesagt, dass wir uns nicht trennen wollen und jetzt rennst du Hals über Kopf davon. Das ist echt nicht in Ordnung", sagte ich und legte mit ernster Miene den Kopf schief. Der anfängliche Ärger des jungen Zwergs war unterdessen schlagartig verraucht, sodass er etwas verunsichert schmunzelte, bevor er betreten den Kopf senkte und mit seinem Stiefel betreten über die Pflastersteine des Vorplatzes schabte. "Entschuldige, Cuna. Ich... Es ist nur so... ich...", stammelte er vor sich hin, doch weiter kam er nicht, da sich seine Liebste hinter seinem Rücken langsam hervor schob und ihm beruhigend den Arm tätschelte. "Ist schon gut, Fili. Ich glaube sie meint es gar nicht so böse", murmelte sie ihm beschwichtigend zu, ehe sie mit entschuldigender, aber auch vorwurfsvoller Stimme an mich gewandt fortfuhr, "Sei nicht so streng mit ihm. Wir haben uns so lange nicht gesehen. Ist doch verständlich, dass er so schnell wie möglich zu mir kommen wollte. Bei deinem Thorin wär das auch nicht anders. Wo ist der eigentlich? Kommt er noch oder habt ihr vergessen ihn einzuladen?" Ich seufzte kurz und ließ etwas gefrustet die Schultern hängen. Na klasse. Nun war ich wieder der Buh-Mann. Oder vielmehr die Buh-Frau. Das hätte ich im Voraus mit einkalkulieren müssen. Auch dass der nicht vorhandene Zwergenkönig direkt auffiel. Vermutlich war sie davon ausgegangen, dass wir eine Art Pärchen-Ausflug machten. Nun ja, so gesehen stimmte das eigentlich auch. Immerhin war ja Bofur mit Marina zusammen unterwegs. Nur stand ich in diesem Fall recht dumm und ohne Begleitung da, was mir einen ordentlichen Stich versetzte. Zum Glück reagierte Fili umgehend auf die sehr unangenehmen Fragen noch bevor ich überhaupt den Mund aufmachen und die Situation erklären konnte. "Mein Onkel geht wichtigen Geschäften nach. Er hatte zu unserem Bedauern keine Zeit uns heute zu begleiten. Aber dafür sind mein Bruder und Bofur mit einer guten Freundin hier, wenn es dir recht ist", sagte er ruhig und schenkte ihr ein warmes Lächeln. Jana blinzelte einen Augenblick lang skeptisch und schielte anschließend mit einem fragenden Gesichtsausdruck an mir vorbei. Inzwischen hatten sich auch die anderen Drei hinter meinem Rücken eingefunden und begrüßten sie sehr freundlich. Ihre Miene erhellte sich etwas, nachdem sie alle eingehend gemustert hatte und nickte schließlich mit einem leicht schüchternen Lächeln. Dennoch konnte sie die kleine Sorgenfalte, welche sich angesichts dieser unerwarteten Überraschung auf ihrer Stirn kräuselte nicht ganz verbergen. Zu meiner Erleichterung, ging sie aber nicht weiter auf das Thema Thorin ein, sondern begrüßte nun ebenfalls höflich die übrigen Anwesenden. Ich behielt unterdessen Fili im Auge und formte ein stummes "Danke" auf meinen Lippen, was er mit einem kaum erkennbaren Nicken zur Kenntnis nahm. Auf seine Verschwiegenheit war wirklich verlass. Eine von vielen guten Eigenschaften, die ich ihm stets hoch anrechnete. Eine weitere war, dass er sich direkt nach der Begrüßung dem eigentlichen Grund des Ausflugs zuwandte. Nämlich dem Jahrmarkt, welcher uns mit seinen köstlichen Düften, aus den Imbissbuden und den reichlich verzerrten, wie sich überlagernden Musikstücken aus dem Lautsprechern der Fahrgeschäfte, durch den Eingang mitten ins Geschehen lockte. Und genau an diesem Punkt trat das erste Problem auf. Es gab mehrere Wege und Abzweigungen, die wir einschlagen konnten. Manche mehr andere weniger mit Menschen belebt. Da war die Auswahl ziemlich schwer. Besonders wenn man, wie die Herren Zwerge, noch nie ein derart großes Volksfest besucht hatte. Es gab viel zu sehen, zu hören und auszutesten. Alles war neu und manchmal auch ziemlich verwirrend. Da musste wohl oder übel ein kleiner Ablaufplan her. Denn nicht mal ich wusste so genau, wo es hin gehen sollte. Schließlich nahm ich an diesem Ort nur die Rolle der Aufpasserin ein. Vor allem konnte ich nicht viel von dem tun, was mich interessierte. Marina hatte mich auf dem Weg noch kurz dazu angehalten, nicht auf irgendwelche Achterbahnen oder Karusells zu steigen, die zu schnell fuhren. Schließlich hatte sich mein Gesundheitszustand erst in diesen wenigen Tagen soweit gebessert, dass ich rumlaufen durfte. Da war aus meiner Sicht an Spaß nicht zu denken. Und irgendwie bereute ich schon am Anfang, dass ich zum Jahrmarkt gegangen war. Mit einer solchen Mamutaufgabe im Rücken, war es schwer sich anständig zu amüsieren. Dennoch wollte ich das Beste daraus machen. Ganz egal was auch kommen sollte, das Wichtigste war, dass die anderen Freude an diesem Tag eine schöne Zeit hatten und die wollte ich ihnen nicht vermiesen. So brachte ich auch den Vorschlag ein, dass wir mit dem größeren Menschenstrom gingen und uns zunächst einmal mit einer Runde über den Platz einen Überblick verschafften, bevor wir uns entschlossen, was wir unternahmen. Dieser wurde sogar mit großer Begeisterung einstimmig angenommen und verschaffte mir die Möglichkeit selbst etwas zu finden, das ich tun konnte und mir gleichzeitig Spaß machte. Da gab es allerdings auf dem Weg, welchen wir zuerst entlang schlenderten, nicht sehr viel Auswahl. Nachdem wir uns der Massen, die nach links ging, angeschlossen hatten, kamen wir an einigen Süßigkeiten-Ständen und Kinderfahrgeschäften vorbei. Nicht gerade das, was man sich als Erwachsener so wünscht. Außer man hatte sehr nervige Kinder dabei, die man dort abladen konnte. Allerdings fanden die Zwerge selbst in diesem teil des Platzes recht schnell etwas, das ihnen sehr gefiel. Und wie nicht anders zu erwarten, handelte es sich dabei um etwas Essbares. Zuckerwatte. Als sie die flauschige, weiße Süßigkeit an einem der überladenen Naschwerk-Wagen sahen, machten sie große Augen. "Bei Durins Bart! Seht nur, die Menschen hier machen ihre Wolken selbst und essen sie auf!", platzte es aus Kilis Mund heraus, was bei den Damen unserer Gruppe für einen sofortigen Lachflash sorgte. Auch ich konnte mir ein verhaltenes Kichern nicht verkneifen, während ich dem euphorischen Zwerg, mit ausgestreckten Arm in Richtung der Bude flüsternd erklärte, "Kili. Das sind keine Wolken. Das ist Zuckerwatte. Die wird in der Maschine da drüben hergestellt." "Watte aus Zucker, die man essen kann? Das klingt ja köstlich. Können wir uns welche holen?", fragte er aufgeregt und seine brauen Rehaugen leuchteten dabei regelrecht. Ich zuckte daraufhin nur mit den Schultern und wandte mich zunächst mit Kilis Frage an die übrigen Anwesenden: "Was meint ihr? Holen wir uns was zu knabbern oder gehen wir weiter bis wir noch mal daran vorbei kommen?" "Also, wenn er gerne etwas möchte, warum nicht? Etwas zu Naschen kann nicht schaden, oder?", meinte Jana und lächelte Fili dabei liebevoll an, der dieses nur zu gern erwiderte. "Wenn du wünscht, sehr gern", erwiderte er breit grinsend und bot ihr seinen Arm zum Geleit an. "Na, worauf warten wir dann noch? Lasst uns gehen, bevor wir nichts mehr bekommen!", rief Bofur überschwänglich und zog eine lachende Marina an ihrem Handgelenk hinter sich her. Fili behielt es sich allerdings vor, seine Herzdame ganz Gentleman-Like zum Stand zu führen. Kili und Ich trotteten gediegen hinterher. Bereits nach wenigen Schritten begann der dunkelhaarige Junge genüsslich aufzustöhnen, als uns der Duft von Lebkuchen, Schokolade, Popcorn und natürlich auch der warmen Zuckerwatte in die Nasen stieg. Bei einem kurzen Seitenblick bemerkte ich, wie er schmachtend die Augen verdrehte und ihm das Wasser überdeutlich im Mund zusammen lief. Es war auch einfach ein wahres Fest für die Sinne. Zumindest wenn man es nicht kannte. Überall hingen große schwere Tüten mit Popcorn in verschiedenen Geschmacksrichtungen, Kinderspielzeuge gefüllt mit kleinen Zuckerkugel, oder auch Liebesperlen genannt und natürlich die allseits belieben Lebkuchenherzen mit den sowohl lustigsten, wie auch schwülstigen Liebesschwüren herum. Die beiden Pärchen waren bereits eifrig am Stöbern, als ich mit Kili schließlich die Auslagen erreicht hatte. Der Bursche konnte gar nicht anders und drückte direkt seine Nase an der Scheibe mit den glasierten Früchten platt. Ganz so wie ein kleiner Menschenjunge es getan hätte. Er konnte sich gar nicht entscheiden, was er zuerst probieren wollte und welches Naschwerk ihm besser gefiel. Am liebsten hätte er wohl den gesamten Stand leer gekauft, doch davon hielt ich ihn gerade eben noch ab. "Kili, denk dran. Du willst noch die Fahrgeschäfte ausprobieren. Die kosten auch Geld. Also such dir ein oder zwei Sachen aus, dann können wir weiter", meinte ich und bemerkte fast schon zu spät, dass ich in eine Art mütterlichen Befehlston verfiel. Der dunkelhaarige Junge brummte ein wenig verstimmt und löste seine Nase von der Scheibe. Dann warf er mir seinen bereits bekannten, flehenden Dackelblick zu bevor er zu betteln anfing. "Cuna. Schwesterchen. Du riechst doch selbst, wie köstlich das duftet. Bitte, bitte lass mich etwas mehr mitnehmen. Ich kaufe dir auch etwas davon, wenn du was möchtest. Bitte, bitte, bitte", flehte er mit samtig, weichem Unterton in der Stimme und ergriff dabei meinen Arm, an dem er etwas herum zerrte. Dabei legte er den Kopf schief und versuchte genauso süß auszusehen, wie das Zuckerzeug in der Auslage. Ich musste kurz schlucken, als ich ihn von Oben bis Unten betrachtete. Meine Güte, er hatte es wirklich Faust dick hinter den ungewaschenen Ohren. Eigentlich ganz der Zwerg, der er war. Frech, verschlagen, aber trotzdem richtig knuffig. So gesehen, war er schon der perfekte kleine Bruder für mich. Doch wenn er glaube mich mit seiner Masche um den kleinen Finger wickeln zu können, dann war er wortwörtlich schief gewickelt. Ich schüttelte von daher kurz den Kopf und hob mahnend beide Augenbrauen in die Stirn. "Nein, Kili. Vergiss es. Du suchst dir maximal zwei Sachen aus und dann ist gut. Wenn du zu viel von dem Kram in dich rein stopfst bekommst du Bauchschmerzen und musst auf den Fahrgeschäften kotzen. Darauf hab ich heute wirklich keine Lust" entgegnete ich bestimmend, woraufhin er genervt die Augen verdrehte. "Oh Mahal. Was denkst du von mir? Ich werde mich schon nicht überfressen. Ich will doch nur wissen, wie die Sachen schmecken", erwiderte er beleidigt und zog eine lange Trotzschnute. Das war auch wieder sehr typisch von ihm. Wenn er mit lieben Worten nicht das bekam was er haben wollte, dann spielte er den Trotzkopf. Meine Güte, er machte es mir so nicht gerade leicht hart zu bleiben. Vor allem als ich plötzlich einen kurzen Stupser mit einem Ellenbogen in den Rücken bekam und sein Bruder mir gut gelaunt ins Ohr murmelte: "Nun lass ihn schon etwas mehr mitnehmen, wenn er es möchte. Sonst wird er den Rest des Tages nur vor sich hin schmollen. Und das willst du noch weniger." Ich seufzte leise nach seiner Bemerkung und blickte leicht gequält über die Schulter hinweg zu dem blonden Zwerg. Super. Da verschworen sich die beiden Brüder geradewegs gegen mich und wieder war ich der Spielverderber. Und das passte mir genauso wenig, wie ihnen. Oh man, was war nur mit mir los? Normalerweise war ich nicht so missgönnerisch und bestimmend. Eigentlich vertrat ich eher die Meinung, dass jeder selbst wissen sollte was er tat. Auf der anderen Seite wiederum wollte ich nicht, dass der Tag von irgendetwas unterbrochen oder gestört wurde. Aber so wie es aussah, war ich in diesem Moment diejenige, die von Vorneherein die Moral der Truppe sehr stark nach unten zog. Das hatte ich natürlich nicht beabsichtigt. Ich wollte ja, dass alle zufrieden waren und schöne Erinnerungen an diesen Ausflug mit nach Hause nahmen. Eine davon baumelte bereits von Filis Hals herunter. Offensichtlich hatte Jana ihm eins dieser kitschigen, reich verzierten Lebkuchenherzen geschenkt, auf dem nun Jedermann den Spruch "Mein Traumprinz" lesen konnte. Mehr brauchte man darüber nicht zu sagen. Es war eine klare Stellungnahme ihrer Gefühle ihm gegenüber. Als ich dann auch noch sie mit so einen Ding flüchtig im Augenwinkel sah und den Satz "Für meine liebste Prinzessin" auf ihrem Herz las, ging es mir endgültig beschissen. Sofort wurde in mir die Erinnerung an den Tag wach, als ich mit meinem Verblichenen dieses Volksfest vor vielen Jahren zum ersten Mal besucht hatte. Da hatte ich ihm auch ein solches Herz geschenkt. Dieses befand sich sogar noch in meinem Besitz. Ich hatte es irgendwann in eine kleine Sammelkiste mit seinen Erinnerungsstücken gelegt. Die Schrift war zwar über die Jahre hinweg etwas zerkrümelt, aber trotzdem erkannte man darauf immer noch die drei Worte, die eine Beziehung erst zu dem machten was sie war. "Ich liebe dich". Unwillkürlich zog sich alles in mir zusammen, als ich daran dachte. Ich musste mich rasch von diesem Bild abwenden, da sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete und ich heftig schluckte. Nebenher stieg auch noch der Wasserpegel in meinen Augen an, was mich nun auch noch frustrierte. Scheiße. Verdammt noch mal, doch nicht jetzt, schimpfte ich innerlich und klatschte mir eine Hand vor die Augen. Ich musste mich schnell wieder sammeln, bevor ich noch anfing zu heulen, wie ein kleines Mädchen. Das war allerdings leichter gesagt als getan. Besonders, weil Kili und Fili mich dabei beobachteten, wie ich fast einen kleinen Gefühlsausbruch bekam. Dementsprechend besorgt reagierten sie auch auf mich und legten von beiden Seiten einen Arm um mich. "Cuna. Bei Durins Bart, was hast du denn auf einmal? Warum weinst du denn?", fragte Kili irritiert und streichelte mir behutsam über den Rücken. Ich schniefte kurz und wischte mir hastig über das Gesicht. Oh man, es war wirklich falsch gewesen den Jahrmarkt zu besuchen. So viele schöne Erinnerungen, die alle inzwischen nur noch ein einziges Grau in Grau waren. Und dann auch noch der unstillbare Wunsch, Thorin an meiner Seite haben zu wollen und ihm ein ebenso schönes Geschenk zu machen. Das alles überforderte mich zusehends, sodass es mir schwer fiel den beiden Jungs klar und deutlich zu antworten. Ich musste ein paar Minuten tief durchatmen, ehe ich es schaffte ihnen mit halbwegs ruhiger Stimme den Stand der Dinge zu erläutern. "Ich... Ach... Verdammt... So ein Mist... Tut... Tut mir leid... Ich... Ich wollte euch die Laune nicht verderben. Aber... Aber das... das alles hier. Es... Es erinnert mich so sehr an meinen verstorbenen Mann. Wir.. wir haben damals auch diesen Markt hier besucht und... und ich hab ihm so ein Herz geschenkt, wie du es trägst, Fili. Und.. Und jetzt wünsche ich mir eben, dass... dass euer Onkel hier wäre und... und ich ihm auch so etwas geben könnte. Es.. Es tut mir wirklich leid, dass ich... dass ich mich so schrecklich verhalte. Das will ich eigentlich gar nicht...", erklärte ich und mein ganzer Körper zitterte vom anstrengenden zurückhalten meiner Tränen. Indessen hatten die beiden Brüder wohl hinter meinem Rücken vielsagende Blicke ausgetauscht. Denn sie schlossen mich in eine tröstende, schützende Umarmung ein und lehnten vorsichtig ihre Köpfe gegen meine Schläfen. "Oh... Schwesterchen... Das kling ja furchtbar. Warum hast du denn nichts gesagt?", fragte Fili ruhig und murmelte mir dabei leise ins Ohr. "Ich... Ich hab es einfach vergessen. Außerdem wollte ich euch nicht den Tag versauen. Das hab ich ja jetzt wohl auch geschafft", schniefte ich missmutig vor mich hin und wischte mir erneut über das Gesicht. "Na, na, na. Ganz ruhig. Das ist doch gar nicht wahr. So schnell verdirbt uns nichts und niemand den Tag. Und du erst recht nicht", meinte Kili fast schon belustigt und drückte mich etwas fester, als ich ungewollt ein trockenes Schluchzen von mir gab. In mir ging es gerade drunter und drüber. Ich war so froh, dass die Zwei sich um mein Wohl bemühten und mich stützten. Aber andererseits wäre ich in diesem Augenblick am liebsten allein gewesen. Doch wie ich die Jungs kannte, würden sie das unter keinen Umständen zulassen. Im Gegenteil. Sie drückten mich nur noch fester und beratschlagten sich über meinen Kopf hinweg in ihrer Muttersprache, was sie wohl tun konnten, um mich wieder aufzuheitern. Schließlich kam Kili die alles entscheidende Idee. Er riss sich ohne ein weiteres Wort an mich zu richten aus der Umarmung los und begann hinter mir mit dem Süßwaren-Verkäufer zu reden. Ich verstand zwar durch den Lärm vom Platz nicht genau, was er mit diesem besprach, doch schließlich tauchte er kurze Zeit später wieder auf und knuffte mich ein bisschen unsanft in die Seite. "Cuna. Schau mal. Ich hab was für dich", sagte er deutlich belustigt, sodass ich verwirrt meine Hand vom Gesicht nahm und zu ihm schaute. Allerdings konnte ich ihm nicht direkt ins Gesicht sehen, obwohl sich meine leicht verweinten Augen schlagartig weiteten. Das nicht ohne Grund. Denn Kili hielt eines der größten Herzen in der Hand, die ich je gesehen hatte. Und der Spruch der darauf geschrieben stand, machte mich einfach nur sprachlos. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich überhaupt verstanden hatte, was dieser bedeutete und ich ihn leise vor mich hin murmelte: "Bagger mich nicht an, du hast schon genug Probleme." "Gefällt es dir? Der Händler meinte, das würde jeden wieder zum Lachen bringen", erklärte er und tauchte mit einem frechen Grinsen, endlich hinter dem Gebäckstück auf. Zunächst schüttelte ich noch ungläubig den Kopf, da ich es immer noch nicht fassen konnte, was der Zwerg gerade für mich gekauft hatte. Dann schaffte ich einfach nicht mehr an mich halten. Ich fing schlagartig an laut zu brüllen vor Lachen, sodass sämtliche Leute in meinem Umfeld erschrocken zusammen fuhren oder beiseite sprangen. Doch das war mir egal. Dafür war das Geschenk einfach viel zu gut. Ich löste mich blitzschnell von Fili, der ebenfalls zu lachen anfing und stürzte mich fast überschwänglich auf Kili, der das Herz ganz beiseite nehmen musste, damit es nicht kaputt ging, als ich ihn umarmte. "Oh nicht so stürmisch, Schwesterchen. Du wirfst mich ja zu Boden. Ich hatte zwar erwartet, dass es dir gefallen könnte, aber damit hab ich nicht gerechnet", sagte er gut gelaunt und drückte mich ebenso, wie ich ihn. "Willst du mich auf den Arm nehmen?! Natürlich gefällt mir das. Oh Gott, ich würde dich am liebsten in Grund und Boden knuddeln, du bekloppter Zwerg!", erwiderte ich ihm und konnte mich gar nicht mehr einkriegen vor Freude. Er hatte mich von einem Moment auf den nächsten so glücklich gemacht, dass ich meine Worte liebend gern wahr gemacht hätte. Doch dazu musste es nicht kommen. Schließlich wollten wir ja noch etwas von dem Jahrmarkt erleben. So löste ich mich nach einer Weile von ihm und strahlte ihn mit einem breiten Grinsen an, bevor er mir das große Herz umlegte. Während ich es von Oben herab eingehend musterte, wurde mir mein eigenes Herz wieder um etliche Tonnen leichter. Auch wenn das Gebäck im Gegensatz dazu, vergleichsweise schwer war. Aber das nahm ich für diese Zeit in Kauf. Auf diese Weise konnte ich dank Kili zumindest auch eine schöne Erinnerung vom Herbstfestival mitnehmen. Und diese würde ich unter Garantie nicht wieder so schnell vergessen. Ich würde sie genauso in Ehren halten, wie all die Anderen, die ich an diesem Tag noch einsammeln durfte. Und die würde es reichlich geben. Davon war ich nach dieser wundervollen Geste felsenfest überzeugt. - 105. Viel Getummel auf dem Rummel / ENDE - Kapitel 106: 106. Zeit dass sich was dreht ------------------------------------------ Ich war unglaublich glücklich über das Geschenk von Kili. Ein so witziges Lebkuchenherz, hatte ich noch nie bekommen. Am liebsten hätte ich ihm als Gegenleistung auch eines geschenkt. Das lehnte er allerdings mit einem breiten Lächeln und kopfschüttelnd ab, während er beschwichtigend die Hände hob. "Das ist sehr freundlich von dir, Schwesterchen. Aber bedenke, dass ich es nicht annehmen kann. Du bist die zukünftige Gemahlin meines Onkels. Es steht mir nicht zu", meinte er ruhig. Ich nickte kurz und hätte mir nur zu gern gleichzeitig gegen die Stirn geschlagen. Natürlich. Wie konnte mir das nur wieder entfallen? Die zwergischen Traditionen besagten ja, dass ich einem anderen Mann nicht denselben Gegenstand von gleichem Wert schenken durfte, den er mir gegeben hatte. Es würde in den Augen der kleinen, bärtigen Männer einem Treuebruch gleich kommen, wenn ich Thorins jüngstem Neffen auf diese Weise meine Dankbarkeit zeigte. Nein. Das ging auf keinen Fall. Schließlich war er für mich so etwas wie ein kleiner Bruder. Auch wenn er bereits mein Großvater hätte sein können, aber das war ein anderes Thema. Mir kam jedoch stattdessen etwas anderes in den Sinn. Eine Sache, um die er mich ja bereits gebeten hatte. Obwohl ich ihm den Wunsch nur unter Vorbehalt und mit einigem Zähneknirschen gewähren wollte. Aber gut. Er hatte es verdient, wenn er sich schon darum bemühte mich aufzuheitern. Ich tippte ihm daher kurz auf die Schulter, als er sich von mir abwandte, um die Auslagen erneut zu studieren und sprach ihn schließlich leise an. "Kili. Hör mal. Ich hab mir da was überlegt", begann ich und wartete, bis er mir mit einem fragenden Brummen seine Aufmerksamkeit zukommen ließ, ehe ich fortfuhr, "Also, ich weiß, ich werde es bereuen, aber... nimm dir ruhig noch einige Süßigkeiten mit, wenn du willst." Kilis Augen weiteten sich langsam, nachdem ich zu Ende gesprochen hatte und er legte mit fragendem Blick den Kopf schief. "Bist du dir sicher?", hakte er langsam nach, woraufhin ich nur matt nickte. "Ja, du darfst", entgegnete ich schlicht und sah, wie sich das breiteste Grinsen auf seinem Gesicht bildete, was ich bis Dato gesehen hatte. Er hüpfte auch abrupt wie ein kleiner Gummiball auf und ab und klatschte mir fröhlich beide Hände auf die Schultern, sodass ich fast in die Knie ging. "Oh, danke, danke. Tausend Dank, Cuna", rief er lachend aus. Ich lächelte ein wenig gequält und rieb mir nacheinander die Schultern, während der dunkelhaarige Bursche seine nicht gerade kleine Bestellung an den Verkäufer weiter gab. Meine Güte, warum mussten diese Kerle immer auf eine so grobe Art zeigen, dass sie sich über etwas freuten? Daran würde ich mich wahrscheinlich nie gewöhnen. Aber solange sie es aus Freude und nicht aus Ärger machten, konnte ich mich nur glücklich schätzen. Ein leichtes Zwicken in der Magengegend sagte mir allerdings, dass ich meine Entscheidung, was Kilis Wunsch betraf, vielleicht noch an diesem Tag bereuen würde. Spätestens, wenn es darum ging eines der Fahrgeschäfte zu benutzen. In Gedanken suchte ich bereits den Platz nach einem Eimer samt Wischmop, nachdem wir den Stand mit den Leckereien verließen. Aber Kili war nicht der Einzige von den Herren, der sich mit allen möglichen Sachen eindeckte. Auch Bofur und Fili hatten es sich nicht nehmen lassen, die typischen Jahrmarkt-Köstlichkeiten einzupacken. Darunter ein paar Tüten mit gebrannten Mandeln, Gummibärchen, Popcorn, Waffelgebäck und natürlich die glasierten Früchten am Stiel, welche sie bereits mit genüsslichem Schmatzen verzehrten. Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln, während ich sie dabei beobachtete. Wir hatten doch eben erst anständig gefrühstückt und nun schlugen sie sich erneut die Bäuche voll. Unfassbar. Wie viele Kalorien verbrauchten Zwerge eigentlich am Tag? Bestimmt genug um sämtliche Weight-Watchers-Jünger vor Neid blass werden zu lassen. Sie nahmen ja auch nicht wirklich zu. Zumindest noch nicht. Das sähe möglicherweise in einigen Wochen anders aus. Ich stellte mir schon vor, wie ich drei barttragende Kugeln durch den Hausflur und das Treppenhaus rollen musste, damit sie zumindest ein bisschen Bewegung bekamen. Auf der einen Seite musste ich bei diesem Bild etwas schmunzeln, auf der anderen lief mir ein kalter Schauer den Rücken runter. Gut, nach Unten wäre noch halbwegs machbar, aber alles was runter fiel, musste ja früher oder später auch wieder nach oben. Und in die Aufzüge würden die Herren in so einem Zustand nicht mehr passen. Von daher würde "Zwergen-Ball" bestimmt nicht meine Lieblings-Sportart werden. Obwohl es mit Sicherheit zur allgemeinen Erheiterung der anderen Hausbewohner beitragen könnte. Wobei sich eine Bewohnerin wohl weniger darüber freuen würde, wenn ich ihren Zwerg herum kugelte. Auch wenn sie sich zurzeit selbst kugelte. Allerdings weder über den Boden, noch durch ein Treppenhaus, sondern vielmehr vor Lachen über den Blödsinn, den Bofur veranstaltete. Nebenbei genehmigte sich besagte Frau eine Kleinigkeit aus den gemischten Tüten, die ihr der Mützenzwerg bei Gelegenheit anbot. Zusätzlich musste sie jedoch aufpassen, dass sie sich nicht an ihren Bissen verschluckte. Ja, Marina und Bofur passten wirklich gut zusammen. Das gönnte ich ihnen. Ebenso wie Jana und Fili. Das blonde Mädchen hatte sich bei ihrem Zwerg eingehakt und strahlte bis über beide Ohren. Ich nuckelte derweil gedankenversunken an einer Schokobanane herum, die ich mir kurzfristig organisiert hatte. So gesehen, war ich mit dem Fresswahn auch nicht ganz so weit entfernt von den Männern. Aber nur in dem Punkt. Während wir über den Platz schlenderten, herumalberten und unsere Süßigkeiten naschten, war ich geistig wieder bei Thorin angelangt. Was wir wohl gemacht hätten, wenn wir nicht in diese miserable Lage geraten wären? Hätten wir dann auch Arm in Arm den Platz unsicher gemacht und sämtliche Attraktionen ausprobiert? Obwohl ich vermutete, dass Letzteres eher weniger sein Fall gewesen wäre. Der Zwergenkönig war zwar todesmutig. Ganz ohne Zweifel. Aber so "Lebensmüde" bestimmt nicht. Und er hätte sich unter Garantie niemals dazu hinreißen lassen auch nur einen Fuß auf diese Höllengeräte zu setzen, denen wir uns langsam aber sicher näherten. Denn nach einigen Minuten in der Menschenmenge, erreichten wir endlich unser Hauptziel für diesen sonnigen Tag. Den Spielplatz für die "großen" Kinder. Von dort dröhnte uns auch der meiste Lärm in die Ohren. Nicht unbegründet, denn es war für jeden noch so verrückten Geschmack etwas vertreten. Neben den Jahrmarkt-Klassikern wie, Kettenkarussell, Auto-Scooter, Geisterbahn, Spiegelkabinett und dem Riesenrad, tauchten mitten drin immer wieder einige moderne Fahrgeschäfte auf. Darunter ein Drei D Fahrsimulatur, der ein bisschen an ein amerikanisches Space-Ship erinnerte, ein rund dreißig Meter hoher Free-Fall-Tower, eine relativ kleine Achterbahn, eine Wildwasserbahn und noch viele andere Sachen, von denen ich mir nicht ganz sicher war, was sie eigentlich darstellen sollten. Die Zwerge machten unterdessen große Augen, als sie die vielen unterschiedlichen Fahrgeschäfte sahen. Natürlich. Die Meisten davon kannten sie gar nicht. Woher auch? Mittelerde war nicht gerade dafür bekannt den spektakulärsten Vergnügungspark des Universums zu besitzen. Dafür war das Land wohl viel zu gefährlich. Wobei man mit Sicherheit viel Geld mit einer Survival-Reisegesellschaft hätte machen können. Nur wer wäre so verrückt sich in ein Flugzeug zu setzen, um damit dann irgendwo in der Pampa von Mittelerde zu landen, wo es nicht einmal Flughäfen gab? Spätestens über dem Düsterwald wäre die Maschine von einigen wildgewordenen Elben mit Pfeil und Bogen abgeschossen worden. Oder für den Fall, dass einem die Landung auf der Grasebene von Rohan gelang, würde diese in Windeseile von den Einheimischen umzingelt und angegriffen werden. Folglich fiel diese wahnwitzige Idee doch eher ins Wasser und so schüttelte ich den Gedanken schnell wieder ab. Auch weil meine kleine Gruppe stehengeblieben war, um sich das Kettenkarussell anzusehen. Diese Attraktion war den Zwergen nicht ganz so Fremd, wie die anderen. Wobei sie lediglich dessen Größe ungemein faszinierte, als wir genau darunter standen. Das Gerät war Dreistöckig und besaß ein Kugellager an der Spitze, wo sich der Kopf der Apparatur in verschiedene Richtungen neigen konnte. In den Augen der kleinen Männer eine absolute Kuriosität. Für gewöhnlich schraubten sich Fahrgeschäfte in ihrer Welt nicht einfach nach oben, sondern blieben an der Stelle, wo man nicht Meter weit in die Tiefe stürzen konnte. Dementsprechend ungläubig fielen auch ihre ersten Kommentare aus. "Bei Durins Bart. Das ist ja so hoch, wie ein Berg", stammelte Kili mit offenem Mund und ließ vor Staunen beinah seine Knabbertüten fallen. "Und es sieht aus, wie ein gewaltiger Pilz", ergänzte Fili grinsend und nickte seinem Bruder bestätigend zu. "Unglaublich. So etwas habe ich noch nie gesehen. Wie macht es das nur, dass es so in den Himmel wächst?", fragte Bofur mit halb zugekniffenen Augen, da ihm die Sonne beim Hochschauen mitten ins Gesicht fiel. "Mit Hilfe einer besonderen Mechanik im Innern des dicken Stammes, den ihr da seht", murmelte ich ihm rasch von links zu. Der Mützenzwerg gab auf meine knappe Antwort lediglich ein verwirrtes, unbefriedigtes, "Ah", von sich und schüttelte verständnislos den Kopf. Man konnte ihm ansehen, dass er die Verhaltensweise des Karussells sehr unheimlich fand. Aber auch Kili und Fili verzogen die Gesichter und beobachteten weiterhin mit einigem Unverständnis, wie die Menschen über unseren Köpfen lachten, während sie sich im Kreis drehten. Jana und Marina amüsierten sich wiederum köstlich über die reichlich verstörten Mienen unserer zwergischen Begleiter. Mir wäre es vermutlich ebenso ergangen, wenn ich nicht gewusst hätte, wer sie wirklich waren. Wobei, eigentlich eher weniger. Ich hätte vielmehr die Hand vors Gesicht geklatscht und mich gefragt, wessen Geistes Kinder diese abstrusen, kleinen Männer waren. Doch inzwischen waren für mich solche Kommentare schon Gang und Gebe. Und mit Sicherheit würden die zwei Frauen es auch irgendwann nicht mehr witzig finden, wenn sie von ihnen die knallharten Fakten zu hören bekamen. Vermutlich in einer ruhigen Minute, wenn nicht so viele fremde Ohren dabei waren. Ehrlich gesagt wollte ich im Moment dieser Enthüllung auch nicht dabei sein. Wer wusste schon, was sie dann alles miteinander schon angestellt hatten? Vielleicht Dinge, die weit über Küssen und Händchenhalten hinaus gingen. Immerhin konnten sie nicht einfach durch ein dummes Missgeschick den Arkenstein zufällig in einem Rucksack finden, der ihnen nicht gehörte. Nein. Solche "Unfälle" passierten im Regelfall nur mir. Einen Teil dieses "Unfalls" hatte ich inzwischen zu mindestens dreißig Prozent bereut. Ein geringer, aber nicht ganz bedeutungsloser Teil. Zuvor hätte ich vermutlich noch gesagt, es wären nur um die zehn Prozent. Aber in den letzten Tagen schlug dieses Gefühlsbarrometer in alle möglichen Richtungen aus. Je nachdem in welcher Tagesform die Zwerge auftraten. Im Moment verhielten sich die Herren aber weitgehend ruhig, weshalb meine innerliche Anspannung etwas lockerte und mein Nervenpegel kontinuierlich sank. Ebenso wie das Karussell, welches sich langsam vor unseren Augen ausdrehte und schließlich zum Stehen kam. Aufgrunddessen stieg allerdings die Freude von Jana zunehmend an, als sie zudem bemerkte, dass wenig Kundschaft am Kassenhäuschen stand. "Hey, schaut mal! Da ist grade wenig Betrieb. Kommt ihr mit?", fragte sie und strahlte uns nacheinander mit einem breiten grinsen an. Die Reaktion der Gruppe auf ihren spontanen Vorschlag war ein wenig gemischt. Marina erwiderte ihr Grinsen und nickte prompt. Ich zuckte nur unschlüssig mit den Schultern. Mir war es eigentlich egal, ob wir damit fuhren oder nicht. Karussells fand ich eigentlich recht eintönig und langweilig. Aber bei einem einstimmigen Ja, würde ich mich meiner Gruppe einfach anschließen. Besser eine langweilige Attraktion als gar keine. Die Zwerge sahen unterdessen alles andere als Begeistert aus. Sie verzogen argwöhnisch die Gesichter und warfen sich unschlüssige Blicke zu. Besonders Fili, der seine Liebste immer noch am Arm hängen hatte, blinzelte verwirrt und musterte sie ungläubig. "Also... Jana... Ich... Ich weiß nicht recht. Wollten wir uns nicht zuvor noch etwas umsehen?", erkundigte er sich ruhig, aber mit leichtem Unbehagen in der Stimme bei ihr. Diese nickte eifrig, wobei sie seine Frage zusätzlich mit einem lässigen Schulterzucken hinnahm. "Ja, ich weiß. Wir wollten uns noch umsehen. Aber seht doch mal wie viele Menschen heute Morgen schon hier rum laufen. Später wird es vielleicht zu voll und wir müssten eventuell länger anstehen, bis wir dran sind. Jetzt könnten wir sofort fahren. Natürlich nur wenn ihr wollt", fügte sie am Ende hastig mit Blick auf eine kleine Ansammlung schwatzender Besucher hinzu, die an uns vorbei zu einer anderen Attraktion trampelte. "Da hat sie nicht ganz unrecht. Es könnte schwer werden später ohne Wartezeit an die Kassen zu kommen, wenn das Wetter hält", warf Marina ein und blickte zum blauen Herbsthimmel auf. Auch ich schaute mich um und stellte mit einigem Unmut fest, dass das Gedränge zunehmend dichter wurde. Die Argumente der beiden Frauen waren also nicht von der Hand zu weisen. Man bekam zu diesem frühen Zeitpunkt schon leichte Anflüge von Platzangst. Das Gedränge konnte möglicherweise binnen weniger Stunden noch etwas zunehmen. Eine Aussicht, die mir persönlich gar nicht gefiel und mich zusätzlich nervös machte. Ich hasste zu große Menschenansammlungen. Nicht nur, weil es dann eng werden würde, wie in einer Sardinenbüchse. Nein, viel schlimmer war, dass ich meine Gruppe wesentlich schneller aus den Augen verlieren konnte. Ein Umstand den ich eigentlich vermeiden wollte. Und zum ersten Mal an diesem Tag fragte ich mich ernsthaft, ob es wirklich so klug gewesen war, Fili diese Verabredung mit Jana zu erlauben. Sicher, sie hatten sich so darauf gefreut einander wiederzusehen. Dennoch hätte ich wohl eher ein Restaurant oder ein nettes Straßen-Café für das erstes Date ausgesucht. Sowas wäre in vielerlei Hinsicht romantischer und vor allem übersichtlicher gewesen. Außerdem hätten die Zwei dann mehr Zeit für sich allein gehabt. Ohne dass der Rest von uns als lästigen Anhang an ihren Fersen klebte. Für meine Erkenntnis war es allerdings ein bisschen spät. Einen Rückzieher konnte und wollte ich auch nicht machen. Fili in dieser Masse allein mit seiner Liebsten zurück lassen? Nein. Auf keinen Fall. Der Ärmste wäre verloren gewesen. Er sah ja auch inzwischen nicht mehr halb so glücklich aus, wie noch am Eingang. Er wirkte hin und her gerissen. Innerlich wog er Janas Wunsch nach Spaß, gegen das Weiterlaufen und Umschauen ab. Doch schlussendlich siegte sein Herz und der unstillbare Drang nach einem Abenteuer. "Also. Also gut. Wenn du es dir so sehr wünscht, dann... Dann werde wir dort hingehen", meinte er entschlossen, wobei ein leicht steifes Lächeln hinter seinem blonden Bart hervor lugte. Jana strahlte hingegen über das ganze Gesicht, als sie seine Worte hörte. "Oh, danke, danke! Super! Toll! Dann sollten wir schnell machen, bevor die besten Plätze weg sind. Ich... Ja.. Ich geh schon mal die Fahrchips holen!", brabbelte sie aufgeregt vor sich hin, gab ihm einen flüchtigen Schmatzer auf die Wange, riss sich vom Arm des jungen Zwergs los und stürmte zum Kassenhäuschen davon, noch bevor sie irgendwer aufhalten konnte. Dabei wollte ihr Herzblatt offensichtlich noch eine Kleinigkeit sagen. Aber da war sie bereits in die Menschenmenge verschwunden. Fili stand indessen für einen Wimpernschlag mit aufgerissenem Mund und ausgestreckten Arm in der Gegend herum. Wie zur Salzsäule erstarrt, registrierten seine Gehirnwindungen nur sehr langsam, welcher Bus ihm gerade vor der Nase weggefahren war. Zumindest spiegelte sich das ansatzweise auf seinen Gesichtszügen wider. Er raufte sich aber recht schnell wieder zusammen, schüttelte heftig den Bart, um wieder klar im Kopf zu werden und spurtete seiner Angebeteten eiligen Schrittes hinterher, während er ihr nachbrüllte: "Jana! Warte auf mich! Ich komme mit dir!" Der Rest von uns blieb zurück und schaute nur dabei zu, wie zwei blonde Haarschöpfe gelegentlich im Sonnenlicht golden aufblitzten, während sie davon hopsten. Zunächst tauschte ich mit den anderen fragende und verwirrte Blicke aus. Danach konnten wir nicht mehr an uns halten und lachten herzhaft auf. Kili amüsierte sich besonders köstlich über den recht peinlichen Moment seines älteren Bruders. Wobei er sehr darauf achten musste, dass ihm nicht erneut um ein Haar die ganzen Knabbereien aus den Armen fielen. Marina hielt sich den Bauch und wischte vereinzelt Freudentränen aus ihren Augenwinkeln. Ich prustete und klatschte mir dabei fröhlich auf die Oberschenkel. Bofur brüllte so laut vor Lachen, dass einige Passanten verstört zur Seite wichen oder verschreckt zusammen zuckten und empört die Augen aufrissen. Das Verhalten der anderen Besucher interessierte uns hingegen nur am Rande. Das Schauspiel war dafür einfach zu niedlich gewesen. Tja, mit so einem Wirbelwind hatte es der Zwergenbursche nicht leicht. Wo die junge Frau auf der Zeltstadt noch eher schüchtern und zurückhaltend gewirkt hatte, erkannte man nun, dass sie eigentlich wie jedes andere verliebte Mädchen ausflippen konnte, sobald man ihr einen triftigen Grund dafür lieferte. Und sei es wie in diesem Fall nur eine gemeinsame Fahrt auf einem simplen Kettenkarussell. Die Damen meiner Welt waren eben nicht so leicht zu bändigen. Gerade wenn man ihnen eine kleine Freude machte. Und Fili war nun damit natürlich haltlos überfordert. Irgendwie war es immer wieder schön mit anzusehen, wie schnell man diese kräftigen, kleinen Kerle aus dem Konzept bringen konnte. Ähnlich Erfahrungen hatte bereits sein werter Onkel mit mir gemacht. Wobei ich meinte, mich noch halbwegs zusammen gerissen zu haben. Mir waren andere Sachen eingefallen um einen Thorin Eichenschild von mir zu überzeugen. Gut, mal von dem enormen Fehltritt mit der Feuershow abgesehen, der mich tatsächlich fast umgebracht hätte. Aber das hatte ich ja nicht wegen ihm getan, sondern weil mich die Truppe der Feuerschlucker um Hilfe gebeten hatte. Und wer hätte schon geahnt, dass die Aufführung dermaßen in die Hose gehen konnte? Die Crew wohl als Letzte, wobei immer ein gewisses Risiko bestanden hatte. Ich mochte mir gar nicht ausdenken, wie es gekommen wäre, wenn der Zwergenkönig nicht da gewesen wäre. So gesehen verdankte ich ihm mein Leben. Meine Güte was für ein Teufelskreis. Erst rettete ich Kili vor einem LKW und dann sein Onkel mich vor den Flammen des künstlichen Scheiterhaufens. Aber gut. Die Sachen waren Vergangenheit und ich hatte es heil überstanden. Mehr oder weniger jedenfalls. Gewisse Bedenken bezüglich eines reibungslosen Ablaufes auf dem Herbstfestivals hatte ich trotz der allgemein guten Stimmung. Ich rechnete allerdings weniger damit, dass einer von uns von einem LKW überfahren oder ich in Flammen aufgehen würde. Außer vielleicht durch einen Sonnenbrand, der sich mit Sicherheit auf meinen Gesicht bildete, wenn wir noch weiter an Ort und Stelle stehen blieben. So räusperte ich mich nach dem Lachanfall kurz und blickte die übrigen Drei mit einem sanften Schmunzeln an. "Also. Also, ich denke. Wir sollten den Beiden mal folgen. Sonst fahren sie noch ohne uns los", meinte ich tief durchatmend. "Ja, du hast recht. Lasst uns gehen", kam es von Kili, der noch kurz kichernd den Kopf schüttelte. Nachdem wir es schafften uns einigermaßen unbeschadet durch die Leute zu kämpfen, waren wir recht schnell wieder bei Jana und Fili. Diese hatten bereits die Fahrchips organisiert und das blonde Mädchen verteilte sie umgehend mit einem strahlenden Lächeln unter den Anwesenden. Marina und ich dankten ihr mit einem freundlichen Nicken, als wir sie entgegen nahmen. Die Zwerge hingegen beäugten diese seltsamen, buntbedruckten Plastikmünzen sehr skeptisch. So etwas hatten sie noch nie zuvor gesehen. Daher wunderte es mich auch nicht, dass bald die erste von vielen unangenehmen Fragen bezüglich des Verwendungszwecks aufkam. "Wozu soll das gut sein?", fragte Bofur nachdenklich und drehte die Münze mit hochgezogenen Augenbrauen in den Händen. "Die müssen wir gleich an die Besitzer des Karussells zurückgeben, wenn wir in den Sesseln da drüben platzgenommen haben. Ist sowas wie eine Bestätigung, dass wir für die Fahrt bezahlt haben", murmelte ich ihm eindringlich zu und knuffte ihm leicht mit dem Ellenbogen in die Seite. Der Mützenzwerg keuchte kurz erschrocken, als er meinen eher sanften Leberhaken spürte und grinste dann verstehend. "Ah. Das ist also eine Art Pfandschein. Eine wundervolle Idee. Es spart auch teures Pergament", erwiderte er schulterzuckend und ging nicht weiter darauf ein. Das war auch gut so, denn Marina und Jana warfen ihm und anschließend sich selbst leicht ungläubige Blicke zu. Langsam aber sicher schienen die Damen Verdacht zu schöpfen, mit wem sie es zu tun hatten. Dass die Herren auf das Karussell an sich schon mit ungewöhnlichem Erstaunen reagiert hatten, war ja eine Sache. So etwas konnte man zumindest damit rechtfertigen, wenn die Männer aus einer ländlichen Gegend kämen, wo es solche großen Gerätschaften auf Volksfesten gar nicht gab. Das wusste ich aus eigener Erfahrung. Auf einer Landkirmes ging es bei weitem mehr ums betrinken, wie um spektakuläre Fahrgeschäfte. Dafür mussten man zwangsläufig in die nächstbeste Stadt. Aber selbst wenn es sich bei den Zwergen um Burschen vom Land gehandelt hätte, Fahrchips sollten sie selbst dann kennen. Herrje, ich hätte die Jungs besser auf diesen Tag vorbereiten müssen. Wenn sie mit solchen Aussagen nicht aufpassten, würde es noch mehr unangenehme Fragen geben. Aber dann von der anderen Seite. Zum Glück wusste ich das gerade noch zu verhindern, als ich sah, wie einer der Angestellten die Metallkette am Eingang des stählernen, buntlackierten Sicherheitszauns löste, um die nächste Gruppe herein zu lassen. "Hey, wir sind die Nächsten! Kommt, nicht trödeln", warf ich ein und fiel dabei direkt Jana ins Wort, welche schon mit fragender Miene in Richtung Fili den Mund geöffnet hatte. Diesen schloss sie prompt nach meiner Aufforderung wieder und nickte mir zustimmend entgegen. Ich atmete erleichtert auf, als sie zusammen mit Fili schweigend an dem recht teilnahmslosen Angestellten vorbei ging und der Rest von uns ihnen umgehend folgte. Das war noch mal gut gegangen. Bei so vielen Fremden um uns herum, käme eine Diskussion über die Herkunft der kleinen, bärtigen Männer nicht besonders gut an. Das sollte lieber dann passieren, wenn die zwei allein unter sich waren. Wobei ich mir allerdings sicher war, dass Fili es auch im Alleingang zu verhindern gewusst hätte. Doch wie immer war Vorsicht besser als Nachsicht. Besonders, als wir uns zu den Schaukeln begaben, welche an langen Ketten arglos am Gerüst herum hingen und leicht im Wind schwankten. Da bestand allerdings die Vorsicht eher darin, dass die Männer ihre Süßigkeiten gut festhielten, wenn es los ging. Doch zuvor war bereits das Finden eines angemessenen Platzes für jeden ein Problem. Es gab nicht nur einzelne Schaukeln, sondern auch doppelte, die leidenschaftlich gern von Paaren genutzt wurden, um sich näher zu kommen. Und eben dabei wurde es kompliziert. Jana hatte bereits für sich und Fili ein solches Exemplar ausgesucht und die Sicherheitsstangen hochgeschoben, damit beide dort sitzen konnten. Aber wie zu erwarten zögerte der blonde Zwerg und blinzelte argwöhnisch, ehe er vorsichtig nachfragte: "Jana? Bist du dir sicher, dass uns diese Gerätschaft gemeinsam tragen wird? Die Ketten erscheinen mir nicht gerade stabil. Es dürfte auch reichlich eng für uns beide zu sein." Doch das blonde Mädchen lächelte ihn nur liebevoll an und erwiderte optimistisch: "Ach, das geht schon. Ich nehme nicht viel Platz weg. Mach dir keine Sorgen. Die Dinger sind absolut sicher. Und wenn wir fallen, dann sind wir immerhin zusammen. Na komm schon. Oder hast du Höhenangst?" Autsch. Das tat ja schon vom Zuhören weh. Mit der Frage hatte sie ihn nun eiskalt erwischt. Mitten rein ins gute, leicht reizbare Zwergenego. Dementsprechend schnell entgleisten Fili auch die Gesichtszüge. Wo sich ihre letzten Worte in meinen Ohren eher besorgt als stichelnd oder vorwurfsvoll angehört hatten, fühlte sich der junge Zwergenbursche davon offenkundig beleidigt. Ja, sogar herausgefordert. Was er kurz drauf energisch unter Beweis stellte. "Ha! Ich und Höhenangst? Für wen hältst du mich?! Niemals! Los, halt das mal, dann zeige ich dir, wer hier Höhenangst hat!", rief er entschlossen aus und drückte seiner Angebeteten die Knabbertüten in die Arme, bevor er sich schnaubend zu ihr setzte und den Bügel schloss. Die arme Jana war so perplex von seiner überstürzten Reaktion, dass sie darauf nichts erwidern konnte. Stattdessen schluckte sie kurz und reichte dem Mann an ihrer Seite einen Teil seiner Sachen zurück. Das war dann wohl ihre erste Erfahrung mit der heißblütigen Zwergennatur. Man sollte diesen Kerlen eben nicht mitten ins Gesicht sagen, dass man vermutete, sie würden sich vor irgendetwas fürchten. Außer man kannte sie schon eine Weile und hatte engere Kontakte zu ihnen geknüpft, wie ich. Aber selbst ich durfte mir nicht alles herausnehmen. Es gab immer noch Fettnäpfchen, über die ich hin und wieder genauso zufällig stolperte. Allerdings besaß ich immer noch den Lebensretter-Bonus, der mir weit größere Narrenfreiheit ließ. Trotzdem fand ich die Reaktion des blonden Burschen ebenso unnötig und verstörend, wie Jana. Noch dazu, weil er in solchen Momenten viel zu sehr nach seinem Onkel schlug. Das musste wohl einfach in der Familie liegen. "Oh, man. Fili...", murmelte ich deshalb auch kopfschüttelnd und suchte mir selbst mit leisem Seufzen eine Schaukel ganz außen. Dabei beobachtete ich die anderen Drei im Augenwinkel. Bei Bofur und Marina lief es weitaus besser. Der Mützenzwerg lächelte die junge Mutter ruhig an und hielt ihre Schaukel samt Bügel fest, damit sie es sich gemütlich machen konnte. Um das allerdings bewerkstelligen zu können, hatte er zuvor einfach Kili alles in die Arme gedrückt, der von der zusätzlichen Last alles andere als begeistert war. Gerade weil er selbst schon jede Menge festzuhalten hatte. Der Blick mit dem Kili ihn anschließend bedachte, als Bofur ihm den Kram wieder abnahm, war deswegen nicht gerade sehr freundlich. Nein. Ganz und gar nicht. Wenn seine Augen Bögen und die Pupillen darin Pfeile gewesen wären, dann läge nun ein recht toter Mützenzwerg unter den Karussellschaukeln. Aber zum Glück des kleinen Mann mit dem sonnigen Gemüt und aller Beteiligten, besaßen Zwerge so etwas wie Augen mit eingebauter Selbstschussanlage nicht. Sonst wäre ich mit Sicherheit auf der Zeltstadt schon mindestens hundert Mal tot umgefallen. Außerdem hätte es mich dann wohldirekt im Anschluss getroffen. Denn Kili wandte sich rasch von den beiden Turteltauben ab, nachdem diese ihn entlassen hatten und stapfte mürrisch auf Khuzdul vor sich hin brummelnd zu mir. "Kannst du das mal halten Cuna, damit ich mich auch setzen kann?", fragte er mich barsch und drückte mir augenblicklich ohne meine Antwort abzuwarten seinen Kram in die Hände. Dann nahm er sich ebenso ohne Umschweife genau die Schaukel zu meiner Linken, auf die ich mich eigentlich setzen wollte. "Hey! Was soll denn das jetzt werden?", fauchte ich den dunkelhaarigen Burschen an, der nur eine Schnute zog. "Was wohl? Ich kann mich schlecht auf dieses Gefährt setzen, wenn ich so viel trage", erwiderte er schmollend und pflanzte sich auf den bunten Sitz. Daraufhin entriss er mir auch schon wieder seinen Kram, klammerte sich zusätzlich an den Ketten fest und würdigte mich zunächst keines Blickes mehr. "Dämliches Zwergenego", murrte ich leise vor mich hin und nahm nun rein aus Protest und weil kein anderer Platz mehr frei war, vorlieb mit der Schaukel direkt neben Kili. Na großartig. Noch ein schlechtgelaunter Zwerg. Wenn es nun noch irgendwer schaffte Bofur zu verärgern, war der Tag so gut wie gelaufen. Doch wie ich ihn kannte, konnte man ihm nichts so leicht mies machen. Im Gegenteil. Obwohl er vor unserem Antritt der Fahrt noch ein wenig skeptisch dreingeblickt hatte, war er inzwischen wieder dabei Marina mit seinen Faxen und Geschichten zum Lachen zu bringen. Im Gegensatz zu dem anderen Paar, hatte er sich nicht zusammen mit Marina in eine Doppelschaukel gezwängt. Das gebietete wohl sein zwergischer Anstand. Auch wenn Zwerge davon recht wenig besaßen. Doch solange sich die beiden nicht offiziell zueinander bekannten, würde er wohl nichts tun, um ihr zu nahe zu treten. Aus dem Grund beanspruchte er nur einen Platz in ihrer unmittelbaren Nähe, wo er fröhlich herumalbern konnte. Fili schien sich aber inzwischen auch wieder etwas nach seinem kleinen Egotrip beruhigt zu haben. Er hatte einen Arm von hinten um Janas Schulter gelegt und ließ die kurzen Beine baumeln. Nur Kili war und blieb weiterhin mein kleiner Sorgenzwerg. Das ganze Liebesgeturtel nervte ihn sichtlich. Kein Wunder bei so vielen Hormonen in der Luft, die nicht nur von seinem Bruder und Bofur ausgingen, sondern auch von anderen Paaren, welche sich ungeniert vor alle Welt küssten und umarmten. Wenn man in so einer Gesellschaft ohne Partner da stand, auch wenn dieser wie in meinem Fall durch pure Abwesenheit glänzte, wurde man schon leicht melancholisch und deprimiert. Aber es ließ sich nun mal nicht ändern. Man konnte ja schlecht den Leuten ihre Gefühle und Handlungen in diese Richtung verbieten. Folglich mussten wir da zwangsläufig durch. Zumindest so lange bis die Karussellangestellten durch die Reihen gingen, um von allen Gästen die Fahrchips einzusammeln. Ich reichte einem der Männer, der an uns vorbei kam, mit einem höflichen Lächeln meinen Chip und atmete noch einmal ganz tief durch. Kili drückte ihm hingegen seine Plastikmünze recht gleichgültig in die Finger, ehe er wieder runter auf seine Stiefelspitzen starrte. Hoffentlich ging es ihm nach der Fahrt besser, dachte ich seufzend und wartete darauf, dass wir abhoben. Nach einigen Minuten war es dann endlich soweit. Die Leute entfernten sich aus dem Gefahrenbereich und ein lauter, greller Signalton ließ alle heftig zusammen zucken. "Mahal! Was war das?!", rief Kili erschrocken aus, der damit aus seinen düsteren Gedanken gerissen wurde. Ich grinste ihn breit an und antwortete ruhig: "Das war die Warnsirene für alle, die nicht mitfahren, Kili. Damit sie nicht von den Schaukeln oder anderen Sachen getroffen werden. Also halt deinen Kram bitte gut fest. Es geht los." Und wie auf mein Stichwort hin lösten sich sämtliche Füße vom Boden, als die Maschine mit einem leichten Ruck ansprang. Ein weiterer Signalton kam aus den Lautsprechern und mit einer zögerlichen langsam Drehung setzte sich das Karussell endlich in Bewegung. Zunächst befanden wir uns noch halbwegs nah am Untergrund. Das änderte sich jedoch innerhalb von wenigen Sekunden recht schnell. Nun drang kein nerviger Ton mehr aus den Lautsprechern, sondern einige alte Ballermann-Songs, um die Stimmung der Leute ebenso zu heben. Die Maschine nahm mit der Zeit immer mehr an Fahrt auf und schraubte sich mit jeder Runde weiter in die Höhe. Die Ketten knirschten und spannten sich in ihren Halterungen, als die Schaukeln durch die Fliehkraft nach außen gedrückt wurden. Gut, es war für mich eigentlich nichts Spektakuläres. Dennoch erfasste mich bald ein atemberaubendes Gefühl von Gelassenheit und Entspannung. Ich schloss die Augen, lehnte mich in meinem Stuhl zurück und ließ alle Sorgen und schlechten Gedanken für den Moment des Augenblicks hinter mir. Der Wind pfiff kühl und frisch durch meine Haare und rauschte nach einer Weile in meinen Ohren und die Sonne streichelte von Zeit zu Zeit zärtlich über meine Haut. Sämtliche Geräusche und Bilder vom Jahrmarktgetümmel unter uns nahm ich nur noch schemenhaft war. Mein Kopf war wie Leer geblasen. Ich dachte nicht an Thorin, nicht an die anderen in meiner Gruppe, auch nicht an den ganzen Stress der vergangenen Tage. Da waren nur ich, der Wind und zeitweise die Jubelschreie der anderen Fahrgäste. So ganz konnte ich diese dann doch nicht ausblenden. Besonders die eines Fahrgastes, der genau neben mir her flog. "Bei Durins Bart! Ich kann es kaum glauben!", brüllte Kili gegen den Fahrtwind und lachte herzhaft auf. Ich öffnete meine Augen etwas und schielte zu seinem Platz herüber. Der junge Zwerg war plötzlich wieder ganz der Alte. Er konnte sich gar nicht mehr einkriegen vor Freude. Seine braunen Rehaugen strahlten, als er auf die Menschenmenge unter sich blickte und sein Lachen übertönte inzwischen alles andere um mich herum. Nachdem er bemerkte, dass ich ihn beobachtete, grinste er mich breit an. "Cuna! Schau mal wie hoch wir sind?! Wir fliegen! Wir fliegen wirklich!", rief er mir zu und lachte erneut auf. Ich schenkte ihm daraufhin ein ebenso breites Grinsen und erwiderte laut: "Ja, Kili! Ich weiß! Toll oder?!" "Es ist wundervoll! Ich liebe es! Oh Mahal, ich hoffe es wird nie enden", entgegnete er und ließ daraufhin einen Freudenschrei los, der an ein wildes Tier erinnerte. Ich musste mir sogar kurz die Ohren zuhalten, damit ich von dem Schrei keinen Tinitus bekam. Es schmerzte ein bisschen, da er genau in meine Richtung brüllte, aber eines hatte seine wieder erwachte gute Laune doch an sich. Sie war richtig ansteckend. Ich ließ es mir deshalb auch nicht nehmen mit dem Zwerg irgendwann um die Wette zu grölen. Einfach ungezwungen und frei von allen Regeln der Vernunft. Es tat mir in jedem Fall mal gut. Vor allem nach der langen Zeit Zuhause auf dem Sofa. Auch den anderen gefiel der "Flug". Gut, viel vom Rest meiner Gruppe sah ich nicht. Außer Fili und Jana, die etwas entfernt vor mir saßen und während der Fahrt mehr mit Kuscheln beschäftigt waren. Bofur fiel indessen genauso durch seine Lautstärke auf, wie Kili zu meiner Rechten. Ich musste etwas kichern, als ich an die arme Marina dachte, die irgendwo zwischen uns hing. Ich stellte allerdings bald fest, dass sie sich ebenso schnell von uns anstecken ließ. Zum Leidwesen der anderen Fahrgäste, die auf dem harmlosen Trip ihre Ruhe haben wollten. Uns hingegen war das in dem Moment egal. Wir hatten unseren Spaß, auch wenn dieser irgendwann mal ein Ende haben musste. Nach einigen Minuten in luftigen Höhen, landeten wir ruhig und sicher auf dem Boden der Tatsachen. Oder vielmehr auf dem des Jahrmarktes. Nachdem wir ausstiegen und uns hinter dem Sicherheitszaun wieder in unserer Gruppe sammelten, war von Enttäuschung keine Spur zu erkennen. Im Gegenteil. Ich musste Kili und Bofur sogar kurz von hinten an den Mänteln packen, damit sie nicht mit dem nächsten Grüppchen wieder rein stürmten. Natürlich ohne sich vorher einen neuen Fahrchip zu kaufen. Das war aber nicht gerade leicht. Besonders, weil ich nicht genug Kraft aufwenden konnte um sie beide zu halten. So zogen sie mich ein ganzes Stück hinter sich her, dass mir fast die Socken auf dem Pflaster qualmten. "Hey! Hey! Nicht so schnell Jungs! Bleibt doch stehen! Wir wollen noch woanders hin. Außerdem müsst ihr nochmal bezahlen, wenn ihr mit wollt!", keuchte ich verzweifelt, nachdem sie mich nach meinem vergeblichen Versuch sie aufzuhalten einige Meter hinter sich her gezogen hatten. Schließlich blieben sie dann doch nach meinen Rufen kurz vor dem Eingang stehen und drehten sich zu mir um. "Warum? Wir haben doch bereits unsere Pfandmünzen abgegeben", meinte Bofur und kratzte sich verwirrt am Kopf. "Ja. Wozu sollen wir denn erneut bezahlen?", fragte Kili schulterzuckend. Ich seufzte indessen gedehnt und ließ ihre Mäntel los, bevor ich ihnen die Sachlage knapp aber genau erklärte: "Also. Hört zu. Ein Fahrchip gilt nur für eine Fahrt. Heißt, für jede weitere müsst ihr wieder bezahlen. Das ist eben so." "Soll das heißen, wir müssen für jedes Mal, wenn wir hier ein Gefährt verwenden wollen erneut bezahlen? Was, in Durins Namen, ist das für ein Unsinn?", platzte es ungläubig aus Kili heraus. Ich zuckte nur gelassen mit den Schultern und erwiderte: "Das ist hier vollkommen normal. Um diese Dinger zu betreiben braucht man Strom und der kostet Geld. Dazu kommt auch noch die Standmiete und die Kosten für die Angestellten. Irgendwie müssen die Menschen ja von was leben." "Ist denn dieses Stromzeug wirklich so unsagbar teuer?", fragte Bofur neugierig und grinste mich interessiert an. "Für manche schon. Für andere wiederum nicht. Aber ich hab jetzt echt keine Zeit und Lust euch das zu erklären. Lasst uns zu den anderen zurückgehen. Die Leute gucken schon", murrte ich den Beiden mit gedämpfter Stimme entgegen. Dabei ließ ich einen besorgten, flüchtigen Blick über die Umstehenden in der neuen Warteschlange wandern, an denen sich die Zwerge dreist vorbei gemogelt, beziehungsweise geschubst hatten. Diese waren natürlich nicht ganz so begeistert gewesen, als sie mir nichts dir nichts von den zwergischen Rammböcken getroffen worden waren, welche sich auf so ungehobelte Art und Weise Platz verschafft und vorgedrängelt hatten. So folgten mir und den beiden bärtigen Herren einige unschöne Worte, als wir zurück zu den anderen gingen. Die Mädels amüsierten sich hingegen köstlich über die recht eigenwillige Aktion von Bofur und Kili. Sie kicherten und lachten, während ich die Herren, wie zwei folgsame Hunde hinter mir her trotten ließ. Fili schüttelte nur kurz den Kopf und legte seinen Arm um Jana, damit diese bei ihrem kleinen Lachanfall nicht versehentlich umkippte. "Du... Du liebe Zeit. Was.. Was war denn das?", kicherte Marine und wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. "Euphorische Rammböcke, die ohne zu bezahlen noch ein paar Runden drehen wollten", entgegnete ich mit so trockenem Tonfall, dass die Frauen erneut auflachten. Nun konnte ich es mir aber auch nicht verkneifen kurz zu grinsen und warf einen Blick über meine Schulter, wo sich Bofur verlegen am Hinterkopf kratzte und Kili wieder eine kleine Schmollschnute zog. Es geschah ihnen schon recht, dass man sie wegen ihrem Übermut auslachte. Auch wenn ihr Handeln aus Unwissenheit zustande gekommen war. Doch wer den Schaden hatte brauchte ja bekanntlich nicht für den Spott zu sorgen. Der war immer automatisch mit dabei. Aber zur Erleichterung der Beiden sprach schließlich Fili ein kurzes ernstes Machtwort: "Nun reicht es aber. Ihr habt sie lang genug ausgelacht." Langsam beruhigten sich die Damen wieder und atmeten tief durch, bevor sie sich bei den Zwergen für ihr Verhalten entschuldigten. Diese nahmen es mit ganz unterschiedlichen Gesten auf. Während Bofur mit einer wegwerfenden Handbewegung ein breites Grinsen auf den Lippen trug, nickte Kili nur steif und schnaubte abwertend. Nun ja, es war immerhin besser als nichts. Zumindest nahm der junge Zwerg die Entschuldigungen an. Auch wenn es seiner Stimmung mal wieder einen gehörigen Tiefschlag versetzte. Man konnte es ihm an diesem Tag auch wirklich nicht recht machen. Und ich vermutete, dass das noch eine ganze Weile so weiter gehen würde, als wir das Karussell endlich hinter uns ließen, um uns den nächsten Attraktionen zu widmen. Was uns dort allerdings noch erwartete, würde mehr sein, als nur ein stetiges Wechselbad der Gefühle. - 106. Zeit dass sich was dreht / ENDE - Kapitel 107: 107. Verzerrte Welten ---------------------------------- Nach dem wunderschönen Auftakt unseres Jahrmarktbesuches auf dem Kettenkarussel, stürzte sich meine kleine Gruppe aus Zwergenmännern und Menschenfrauen wieder mitten ins Getümmel. Wobei Getümmel noch höflich ausgedrückt war. Realistisch betrachtet, war es auf dem Platz inzwischen enger als in einer der großstädtischen Straßenbahnen zur Stoßzeit. Man konnte kaum einen Schritt vorwärts machen, wenn man sich etwas ansehen wollte. Der Strom aus Menschen floss nur so dahin und wir wurden eine ganze Weile mit gespült. Gut, so schlimm war es dann doch nicht. Außer wenn man wie ich eine unterschwellige Allergie gegen Menschenmassen hatte. Daher brauchte ich auch hin und wieder eine kleine Pause von dem Gedränge. Aber da ging es dem Rest der Gruppe nicht viel anders. Es wurde geschubst, gerempelt und hier und da auch mal ordentlich geschimpft, wenn einem jemand auf die Füße trat ohne sich zu entschuldigen. Das Geschimpfe kam hier aber meist von den Zwergenmännern. Sowas hatten sie nur selten erlebt. "Bei Durins Bart. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viele Menschen gesehen", murmelte mir Kili in einer ruhigen Minute zu. Ich brummte ihm daraufhin nur kurz bestätigend zu und schaute mich mit abwesenden Gedanken um. Wir hatten uns gerade eine freie Nische am Rand des Stroms gesucht, wo wir etwas verschnaufen und über das weitere Vorgehen beratschlagen konnten. Natürlich auch um die restlichen Süßigkeiten zu verputzen. Die waren ja leider im Weg, wenn wir zu den meisten Fahrgeschäften Zugang erhalten wollten. Die Hinweisschilder bei den Kassenhäuschen waren was das anging sehr eindeutig. Bilder wie die durchgestrichene Pommestüte, Bierflasche und Zigarette konnte man eigentlich schon von weitem erkennen. Vorausgesetzt natürlich, wenn wir mal eines zu Gesicht bekamen. Die Menge an Leuten stand meist genau davor, weshalb wohl selbst ein geschultes Elbenauge nicht hätte erkennen können, was dort geschrieben stand. Davon abgesehen mussten wir uns sicherlich auf lange Wartezeiten von bis zu einer halben Stunde einstellen. Aber das war bei diesem Bomben Wetter ja abzusehen gewesen. Doch bis es überhaupt soweit war, dass wir uns irgendwo anstellen konnten, mussten wir uns zunächst einmal einig werden, welche der zahlreichen Attraktionen wir besuchen wollten. Dieser Umstand lag allerdings nicht nur an dem Andrang oder an der viel zu großen Auswahl an Fahrgeschäften. Nein, nebenbei standen uns noch ein paar andere Probleme im Weg. Der Naschkram war das kleinere Übel. Dieser war nach einer Weile ohnehin vollkommen verputzt. Hauptsächlich, und das ärgerte gerade mich am meisten, ging es um meine dämliche Kopfwunde. Obwohl ich den Anderen nicht wegen meinem gesundheitlichen Zustand den Spaß verderben wollte. Was ich jedoch mehrfach erläutern musst, da mir gerade die Herren Zwerge nicht mal im Ansatz ihr ach so wertvolles Gehör schenkten. Aber da konnte ich mich auch mit der Mülltonne unterhalten, in der wir unsere leeren Fresstüten entsorgten. Die hätte mir wenigstens keine Widerworte gegeben. Im Gegensatz zu den kleinen Männer. Denn die waren in jeglicher Hinsicht strikt dagegen, dass sie und die Mädels etwas unternahmen, wo ich nicht dabei sein konnte. Allerdings ließ ich sie bei ihren übermäßig euphorischen und beschwichtigenden Argumentationen kein bisschen aus den Augen. So konnte mir auch die gut erkennbare Mischung aus Neugier und Unwohlsein nicht entgehen, welche immer wieder auf ihren Gesichtern Bäumchen-Wechsel-Dich spielte. Von dem hektischen Gefuchtel mit ihren Armen mal ganz abgesehen, womit sie zeitweise die Leute trafen, die es wagten zu nah an uns vorbei zu laufen. Die wütenden Kommentare der Passanten ignorierten sie dabei völlig. Gut, eigentlich wie immer, wenn ich sie auf die hiesige Menschheit losließ. Daher war das nicht ganz so ungewöhnlich. Nur in diesem Fall waren sie ganz auf einige bestimmte Sachen fixiert. Zum Einen ihre Herzensdamen zu überzeugen, dass ein Jahrmarkt nur zusammen Spaß machte. Und zum Anderen mich in den Mittelpunkt der Welt zu verwandeln natürlich. Was ich so in dieser Form nie sein wollte. Zumindest nicht für die drei. Höchstens für einen anderen bestimmten Zwerg. Aber dieser war ja nun leider zu meinem Bedauern nicht da. Ich seufzte kurz als ich unterbewusst bei dem kurzen Gedanken an ihn einen winzigen Stich in der Brust fühlte und schüttelte dann den Kopf. Nein. Nein, jetzt bloß nicht an Thorin denken. So sehr du ihn auch vermisst, du darfst jetzt nicht wieder wegen ihm anfangen zu heulen, mahnte meine innere Stimme. Und da hatte sie verdammt recht. Ich musste mich davon ablenken. Nur wie sollte ich das noch anstellen? Alle Vorschläge die Jana, Marina und ich bisher den Jungs offeriert hatten gefielen den feinen Herrschaften ja nicht. Dabei juckte es ihnen sichtlich in den Fingern, einmal in eine der Achterbahnen oder der schnelleren Karussells einzusteigen und den Spaß mit den Menschen dort zu teilen. Doch ihr angeborener Argwohn vor dem großen Unbekannten war weit größer, weshalb sie sich nach weiteren langatmigen Anekdoten lieber hinter meinem Befinden versteckten. Eigentlich war es recht ungewöhnlich, wo sie sich doch sonst immer an alles Mögliche und Unmögliche heran wagten, wenn ich mich da an diese überzogene Modenschau und den Ausflug zum Supermarkt erinnerte. Vermutlich hatte aber gerade diese Erfahrung die beiden Brüder und auch Bofur gelehrt, dass es nicht immer klug war sich auf Sachen einzulassen, mit denen sie sich nicht auskannten. Gut, ich konnte sie ja nicht einfach in einem der Sitze festschnallen und sagen: "Jetzt habt gefälligst Spaß!" Wobei ich es mir schon sehr lustig vorstellte, wie sie sich strampelnd und zeternd versuchten von den Bügeln zu befreien, während sie langsam mit den Kettengewinden nach oben gezogen wurden und dann im fast freien Fall gen Erde zurück rauschten. Nun konnte ich mir ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen. Als ich mir dann noch ausmalte, wie sie danach zerzaust und auf wackligen Beinen aus den Wagen stiegen, um zur nächsten Toilette zu taumeln, weil sie allesamt grün um die Nasen waren, musste ich mir sogar ein verhaltenes kichern verkneifen. Aber das ganze Theater blieb leider nur ein kleiner Wunschtraum von mir. Auch wenn ich es mit einiger Genugtuung genossen hätte. Nur damit diese endlose Diskussion endlich aufhörte. Nunja, man kann den Berg ja schlecht zum Propheten kommen lassen. Oder in ihrem Fall quer durch Mittelerde schieben, damit der Erebor sich irgendwo in der Nähe von Bree ansiedelte und somit auch die ganzen Hobbitfilme und das Buch wesentlich kürzer ausfielen. Im Nachhinein betrachtet konnte ich ihr Unbehagen ja schon verstehen. In ihrer Heimat würde man diese Gerätschaften wohl für irgendwelche Monster halten. Allerdings waren die Drei meines Erachtens bereits lang genug in meiner Welt unterwegs, um eigentlich zu wissen, dass ihnen nichts passieren konnte. Zumindest nicht, wenn sie mit ihrer Umwelt etwas umsichtiger umgehen würden. Das mussten sie allerdings noch von mir lernen. Neben dem ganzen anderen Kram, den ich bereits auf meiner imaginären Checkliste notiert hatte. Bisher waren aber die meisten Versuche in vielerlei Hinsicht gescheitert. Dass sie inzwischen regelmäßig meine Dusche benutzten und die Kleidung trugen, welche ich ihnen bereitlegte, war immerhin ein Anfang. Beim ganzen großen Rest waren sie jedoch nach wie vor einfach nur stur und unheimlich bockig. Sie ritten lieber weiter auf meinem Nervenkostüm herum. Nur passte mir das alles gerade an diesem Tag überhaupt nicht in den Kram. Ich war doch nun wirklich dafür da, dass ich ständig für ihre Ausreden hinhalten musste. Nein, ganz bestimmt nicht! Gut, ich hatte zu beginn der Diskussion ein bis zweimal nachgegeben, um ihnen einen Schock und womöglich einen Aufenthalt bei Jörg, dem großen Porzellangott zu ersparen. Beim dritten Mal, wo sie wieder anfingen zu erläutern, wie schlimm es doch für meinen allein zu lassen, da ich wegen meinen ach so bedauernswerten Gesundheitszustand nichts mit ihnen unternehmen konnte, platze mir aber endgültig der Kragen. "Jungs, ernsthaft! Das wird langsam lächerlich. Ich kann unten am Zaun warten, bis ihr von der Achterbahn kommt. Das ist doch kein Drama!", fuhr ich sie wütend an. Doch wie zu erwarten stieß mein aufwallender Zorn nur auf verständnislose Blicke und prallte an der geballten Wucht ihres Zwergenegos ab. "Cuna, wir sind gemeinsam hier. Da wäre es nur gerecht, wenn wir alles zusammen machen. Das habe ich dir nun schon zum sechsten Mal gesagt ", kam es von Fili, der protestierend die Arme vor der Brust verschränkte. Und sein jüngerer Bruder sprang ihm wenig später auch wieder zur Seite und sagte: "Fili hat recht. Wir lassen niemanden zurück. Entweder alle gehen oder keiner." Ich rollte indessen zum x-ten Mal mit den Augen und gab einen tiefen, langen Seufzer von mir. Ernsthaft? Musste ich diesen leidigen Kampf wirklich allein bewältigen? Offenbar schon. Denn weder die Mädels noch Bofur machten auch nur Ansätze mir zu Hilfe zu kommen. Im Gegenteil. Sie standen nur dabei, während ich mich mit meinen beiden angenommenen Brüdern zoffte. Mir blieb nur eines übrig. Meine Trumpfkarte auszuspielen. Auch wenn das hieß eine weitere Person mit in den Zank hineinzuziehen, die ja so gesehen schon damit zu tun hatte. Ich mochte es zwar nicht übers Herz bringen. Aber ich kam mir in dieser Ausweglosen Situation recht albern vor. Da war mir jedes Mittel recht, um nicht das Zentrum des Universums zu bilden. So holte ich einmal tief Luft, um zu meinem verbalen Gegenschlag anzusetzen. "Meine Fresse, es geht doch heute nicht um mich und meine Probleme. Jana hat uns eingeladen mitzukommen, also ist das der Tag von ihr und auch von dir, Fili. Hast du das vergessen?", erwiderte ich genervt mit einem Wink in ihre Richtung. Interessanterweise reagierte die junge Frau wesentlich gelassener auf meine Worte, als ich zunächst angenommen hätte. Sie lächelte kurz drauf ruhig und leicht verlegen, bevor sie beschwichtigend die Hände hob und meinte, "Jacky. Das ist doch kein Ding. Die Jungs haben recht. Wir sind zusammen hier, also sollten wir alle mitnehmen. Ich möchte dich nicht von dem Spaß ausschließen, weil du nicht kannst oder darfst. Außerdem werden Fili und ich sicherlich noch viel Zeit miteinander verbringen können, wenn er nicht plötzlich wieder ungeplant abreist. Heute sind wir aber eine Gruppe und du hast selbst zu Anfang gesagt, dass wir zusammen bleiben sollen." Puff. Mit diesen Worten war bei mir die Luft raus. Na wunderbar. Das hätte mir klar sein müssen. Natürlich war sie auf seiner Seite. Und noch viel schlimmer. Ich war mit meinen eigenen Worten geschlagen worden. Noch dazu so vernichtend. Nun stand es drei gegen einen. Wobei ihre Aussage weit schwerer wog, als die der Jungs. Nun musste ich mich wohl oder übel damit abfinden. Wenn es Janas Wunsch war, dann würde ich mich dem nicht weiter wiedersetzen. "Also.... also gut... Ich geb mich geschlagen. Wenn ihr wollt, dass ich euch den Spaß verderbe", brummte ich mit hängenden Schultern und knirschenden Zähnen. Ich hörte daraufhin meine Gruppe reihum lachen und bekam im nächsten Augenblick einen ordentlichen zwergischen Schulterklopfer zu spüren, der nur von Bofur stammen konnte. Diese Art von Klaps war wirklich sein Markenzeichen. Daran würde ich ihn immer erkennen können. Denn kein Anderer schaffte es mit einer so schmerzhaften, wenn auch freundschaftlichen Geste mir derart die Luft aus den Lungen zu pressen wie er. Auch der melodisch, sonnige Klang seiner Stimme war derart unverwechselbar, dass ich ihn unter tausenden erkennen konnte. So auch diesmal, nachdem er mich auf typisch raue Zwergenart fast zu Boden streckte. "Ach Cuna. Da braucht es mehr als dich, um uns den Spaß zu verderben. Los! Kopf hoch und auf in den Kampf! Thorin würde auch nicht wollen, dass du hier herumstehst und wegen solch belanglosen Dingen Streit anfängst", murmelte mir der Mützenzwerg am Ende gut gelaunt ins Ohr und schüttelte mich ein bisschen. Während er sprach, entging mir allerdings dieser seltsame Unterton nicht, der mir von irgendwoher sehr vertraut vorkam. Als es mir nach einigen Sekunden klar wurde, wo ich diesen Klang schon mal gehört hatte, zuckte ich erschrocken zusammen und blinzelte Bofur verwirrt mit leicht geöffnetem Mund an. Ich kannte diesen Tonfall. Ich hatte ihn so oder so ähnlich bereits mehrfach gehört. Er rief mir etwas ganz bestimmtes ins Gedächtnis. Ich wolle es weder glauben noch zu diesem unpassenden Zeitpunkt ansprechen. Das würde nur unangenehme Fragen aufwerfen. Die würden ohnehin früher oder später noch kommen. Das wusste ich instinktiv. Es war aber für den Moment besser nicht weiter darauf einzugehen. Darüber konnte ich mit ihm noch sprechen, wenn wir am Abend zuhause waren. Sofern ich es nicht irgendwie vergas. Etwas anderes verstörte mich weit mehr an seinen Worten. Nämlich, dass er von Thorin angefangen hatte und was dieser für richtig halten würde. Dabei wollte ich den Zwergenkönig und dessen eisernen Willen für kurze Zeit mal aus meinem Oberstübchen verbannen. Ich wollte nicht an ihn denken. Auch wenn ich ihn immer noch trotz dem ganzen Mist, der zwischen uns geschehen war sehr liebte. Es war die Sehnsucht, die sein Name in mir weckte und in meiner Brust einen festen, schmerzenden Knoten bildete. Mir drehte sich sogar buchstäblich der Magen auf links. Ich hätte mich Stundenlang übergeben können so weh tat es. Mit ihm diesen Tag zu verbringen und all den Erinnerungen, die damit hätten verbunden werden können, wäre für mich eines der höchsten Güter gewesen. Aber nein. Natürlich musste das Schicksal mal wieder einen riesigen Arsch besitzen, welchen ich mitten ins Gesicht geklatscht bekam. Ich fluchte mehrmals innerlich, als Bofurs letzter Satz immer wieder und wieder durch meine Gedanken hallte. Es fiel mir unsagbar schwer nicht irgendwie loszuschreien oder dem Mützenzwerg dafür in die Seite zu boxen, dass er bei mir diesen Sturzbach an Gefühlen los trat, den ich krampfhaft versuchte zu unterdrücken. Leider konnte man mir wohl zwangsläufig diese Gefühle sehr deutlich an meinem Gesicht ansehen. Denn Bofur hob irritiert eine Augenbraue und fragte leicht besorgt: "Warum schaust du mich so böse an? Stimmt etwas nicht, Cuna?" Ich hatte auf seine Frage hin bereits den Mund geöffnet um etwas recht unschönes zu erwidern, schüttelte stattdessen nach kurzer Überlegung aber lieber den Kopf, während ich die ganzen Verwünschungen herunter schluckte, die mir auf der Zunge brannten. Zu gern hätte ich ihn angeknurrt, dass er den Zwergenkönig gegenwärtig nicht erwähnen sollte, weil es mir unglaublich weh tat. Doch ich behielt es besser für mich. Vielleicht ergab sich zuhause eine Möglichkeit ihn deswegen zurechtzustutzen. Nun musste ich erst einmal um Fassung ringen, ehe ich ihm knapp und trocken antwortete: "Nee, nee... Alles in Ordnung, Bofur. Aber bitte hör auf mich zu schütteln. Ich werde noch Seekrank von dem Geschaukel." Ich versuchte mich rasch von ihm zu lösen, doch drückte mich dieser noch einmal fest und freundschaftlich. Wohl auch, weil er irgendwie ahnte, weswegen ihn meine tödlichen Blicke getroffen hatten. Dann lächelte er wieder sehr breit und verkündete selbstbewusst: "Das will ich hören, Cuna! Los, lasst uns weiter ziehen." Und mit diesen großen Worten des kleinen Mannes, setzten wir uns erneut in Bewegung. Hinein in den Publikumsverkehr und das endlose Herumgeschubse. Was blieb uns auch anderes übrig? Nur Rumstehen brachte ja auch nichts. Wenn wir etwas Geeignetes finden wollten, mussten wir zwangläufig die Position wechseln. Auch damit wir uns mal irgendwo anstellen konnten. Außerdem hatte sich nun die ganze Bande dazu entschlossen nur noch das zu machen, was ich mit ihnen tun konnte. Hieß also im Klartext, sie verzichteten auf den schönsten Nervenkitzel ihres Lebens allein mir zuliebe. Na tolle Wurst. Genau das, was ich nicht wollte. Aber ich konnte es nicht mehr ändern. Sie waren ja darin bestrebt mir auch eine schöne Zeit zu geben. Zumindest sah ich das bei den Frauen so. Die Zwerge wollten sich in dem Punkt ja lediglich nicht anmerken lassen, dass ihnen die Knie weich wurden, wenn sie die Monstergerätschaften nur von Weitem sahen. Soviel mal wieder zum mutmaßlich starken Geschlecht. Wir klapperten nun Bude für Bude und Fahrgeschäft für Fahrgeschäft ab. Aber selbst nach einigen Minuten des erneuten Dahintreibens in der Masse gab es keine Aussicht auf etwas, was allen gefiel. Jedoch sollte meine dunkle Vorahnung bald Realität werden, die ich vor nicht allzu langer Zeit noch an dem Süßwarenstand gehabt hatte. Der Ärger drohte von einer vermeintlich harmlosen und unscheinbaren Attraktion, die nur wenige Besucher in ihren Bann zog. Bisher mussten wir sie wohl in der großen Masse übersehen haben. Sie wirkte auch im Gegensatz zu dem anderen Kram recht unscheinbar. Ja, fast schon nostalgisch. Erst als wir davor Halt machten, spürte ich einen leichten Stich in der Magengegend, der diesmal ausnahmsweise nicht mit Thorin zu tun hatte. Vor allem nachdem mich Marina kurz anstubste und mit fröhlicher Stimme sagte: "Hey. Das wäre doch etwas, wo wir alle rein gehen könnten." Ich fuhr kurz aus meinen Gedanken hoch und wandte mich ganz langsam zu ihr um. Nachdem ich begriff wohin sie unsere Gruppe genau führen wollte, blieb mir fast das Herz stehen. Das konnte doch nicht ihr Ernst sein? Das Spiegelkabinett?! Wirklich?! Ausgerechnet so ein Ort, wo die Zwerge alles Mögliche zerdeppern konnten, wie eine Horde wilder Elefanten in der Meissner Porzellanfabrik?! Um Himmelswillen, nein! Alles, nur das nicht! Ich hatte schon genug Pech in der letzten Zeit, da brauchte ich nicht noch mehr als einmal sieben Jahre durch zerbrochene Spiegel! Gut, eigentlich war ich nicht abergläubig. Aber ich hatte auch nie daran geglaubt, dass es echte Zwerge gabt. Nun musste ich auch noch schwer schlucken, als ich die drei bärtigen Herren erleichtert grinsen sah, während diese die Attraktion begutachteten. "Das sieht wirklich gut aus. Ich denke, das können wir machen", kam es plötzlich von Kili dessen Grinsen immer breiter wurde. Entsetzt fuhr ich zu ihm herum und musterte ihn ungläubig. "Das ist nicht dein Ernst, Kili?", erwiderte ich fast tonlos. Doch der dunkelhaarige Bursche nickt nur zuverlässig. "Natürlich ist es das. Auch wenn mir nicht klar ist um was es sich dabei handelt. Es scheint gut genug zu sein, dass wir alle dort hinein gehen dürfen", meinte er und deutete auf das Hinweisschild am Kassenhäuschen. Tatsächlich waren dort nur wenige Dinge aufgelistet, welche zu beachten waren, wenn man das Kabinett betreten wollte. Lediglich essen, trinken und rauchen war untersagt. Alles Weitere ging in Ordnung. Nunja bis auf den Vermerkt, dass Kinder unter sechs Jahren nur in Begleitung ihrer Eltern da rein durften und alle unter drei Jahren ganz ausgeschlossen waren. Aber das betraf uns ja nicht. In dem Moment aber zu meinem Leidwesen. Ich schüttelte nach Kilis deutlicher Antwort kurz den Kopf und starrte ihn weiterhin ungläubig an. Er wusste nicht einmal WAS das für eine Attraktion war und wollte sich einfach ins Vergnügen stürzen. Na dann gute Nacht, dachte ich zerknirscht. Die Herren würden sich ja fein umsehen, bei dem was sie da drin erwarten würde. Ich wusste schon, was auf sie zukam. Ich war schon das ein oder andere Mal durch so ein Labyrinth geirrt und hatte mir bei diesen Gelegenheiten des Öfteren die Nase ungewollt an der nächstbesten Scheibe platt gedrückt. Wie mochte es dann erst bei den Zwergen aussehen? Oh weh, oh weh. Das konnte einfach nicht gut gehen. Und bei etwas zu protestieren, dass unter normalen Umständen vollkommen harmlos war hatte keinen Zweck. Wenn ich mich bei so etwas quer stelle, würden mich gerade die beiden anderen Frauen noch für vollkommen übergeschnappt halten. So musste ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen und der Dinge harren, die da auf mich zukamen. Hoffentlich nicht in Form einer Schadensersatzklage, die ich meiner Haftpflichtversicherung vorlegen musste, dachte ich mit zunehmendem Unbehagen. Dabei war ich nicht mal auf Schäden durch zwergischen Vandalismus versichert. Sowas gab es ja auch nicht in meiner Welt. Das brauchte hier kein Mensch. Außer mir inzwischen. Nur im Einzelfall würden die ja auch keine Ausnahme machen und die Kosten für sowas übernehmen. Wenn ich bedachte was schon alles durch diese Männer kaputt gegangen war, dann musste ich mir für die Zukunft wirklich noch einen dicken Sparstrumpf zulegen. Aber darüber machten sich die Männer keine Gedanken. Sie sahen im Moment nur eins. Da standen kaum Leute an und niemand brüllte wie am Spieß, weil es permanent hoch oder runter ging. Folglich der perfekte Ort um mich an den Rand eines Nervenzusammenbruchs zu bringen. Gut, es war immer noch besser als die Geisterbahn direkt nebenan, wo ich Gefahr lief sie davon abhalten zu müssen, die Monster und Horror-Puppen zu demolieren, welche schon vor dem gewollt schäbigen, alten Pappmaschee Gebäude den Besuchern das kalte Grauen über den Rücken jagen sollten. Zum Glück blieb mir zumindest das erspart. Vorerst jedenfalls. Hoffentlich wollten die Männer nicht auch noch da rein, schoss es mir beiläufig durch den Kopf. Ich schüttelte den Gedanken jedoch bis auf weiteres ab und machte gute Miene zum bösen Spiel. Eine andere Wahl hatte ich auch nicht. Die Männer waren sich recht schnell darüber einig geworden, dass dies nun unser nächstes Ziel des Ausflugs sein sollte. Und auch die Damen stimmten ihnen begeistert zu. "Oh ja, das könnte bestimmt lustig werden", kam es von Jana, welche sich kichernd bei Fili einhakte. Dieser strahlte über das ganze Gesicht, wie ein Honigkuchenpferd und sagte:"Na dann ist es ja beschlossen. Worauf warten wir noch?" Auf seine Frage hin wandten sich aller Augen zu mir. Ich konnte nur noch seufzen und mit den Schulter zucken ehe mir ein knappes, "also gut. Machen wir das", über die Lippen kam. Alle nickten reihum und ehe ich mich versah, hatte mich Kili am Handgelenk gepackt und rief: "Dann mal los! Lasst uns gehen. Das wird bestimmt amüsant." Und noch ehe ich mich versah zog mich der dunkelhaarige Bursche einfach hinter sich her. Schnurstraks zum Kassenhäuschen hin um die Eintrittsmarken zu holen. Der Rest der unseres ungewöhnlichen Gespanns folgte wenig später. Natürlich mussten wir ein bisschen warten. Denn aus Sicherheitsgründen konnte immer nur eine gewisse Anzahl von Besuchern hinein. So blieb mir genug Zeit das Ding einmal genau unter die Lupe zu nehmen. Von außen war der Aufbau eher unspektakulär gehalten. Hier und da zogen sich einige bunte Blinklichter in langen Reihen zwischen Bilder, die Straßengrafittis ähnelten, an der Fassade entlang. Und damit wars das schon an halbwegs auffälliger Dekoration. Das Highlight war ja schließlich das Labyrinth im Innern, welches man anhand einer großen Glasfront nach außen bereits einsehen konnte. Die Herren Zwerge interessierte die bunte Fassade wenig bis gar nicht. Sie reckten nur neugierig die Hälse, und scharrten ungeduldig mit ihren Füßen, wann wir denn endlich dran waren mit Bezahlen und rein spazieren. Nach ein paar Minuten ging es dann aber doch endlich weiter, als eine kleine Gruppe von Frauen im mittleren Alter herauskam und die nächsten hinein durften. Nun waren wir an der Reihe mit kartenkaufen. Im Häuschen saß ein älterer Herr mit rundem Gesicht, Halbgaltze, Dreitagebart und ziemlich dunklen Schatten unter den müden Augen. "Wie viele?", schnarrte er träge und musterte uns der Reihe nach. "Sechs Erwachsene, bitte", erwiderte ich und kramte bereits nach meinem Geldbeutel. "Macht Zwölf Euro", entgegnete er knapp, während er fast in Zeitlupe die Chips hervor kramte, diese abzählte und dann in einem Stapel vorne auf seinen Tresen stellte. Ich zog bereits einen Zwanziger heraus und wollte ihm den Mann reichen, als Kili meine Hand ergriff und sagte: "Lass nur, Cuna. Ich übernehme das." "Aber Kili. Ich kann doch...", setzte ich an, doch der junge Zwerg schüttelte lächelnd den Kopf. "Nein, Schwesterchen. Es ist Ehrensache, dass ich das mache. Wir bereiten dir genug Ärger, da musst du nicht auch noch an diesem Tag für uns aufkommen", entgegnete er nun mit wesentlich mehr Nachdruck in seinen Worten. Und ehe ich erneut widersprechen konnte, zog er einen ganzen Fünfziger aus der Tasche und reichte diesen ohne lange nachzudenken dem überraschten Kassierer mit den Worten: "Der Rest ist für Euch, Herr." Der Typ im Kassenhäuschen starrte nur verdattert von dem Schein zu Kili, der ihm gerade allen Ernstes ein Trinkgeld von achtunddreißig Euro anbot. "Was? Wie? Wieso? Soll das ein Witz sein, Junge? Ist das versteckte Kamera hier oder bist du ein Ölscheich?", stotterte dieser zögerlich. Doch nicht nur der Mann, auch die unsere Begleiterinnen und vor allem ich waren geschockt. Eigentlich war ich fast schon entsetzt darüber, wie leichtfertig er da mit dem Geld um sich warf. "Kili! Das kannst du doch nicht machen! Das ist zu viel!", raunte ich ihm zu. Doch er zuckte nur verständnislos mit den Schultern. "Was? Warum kann ich das nicht? Ich habe kein Papier, wo eine Zwölf drauf steht. Dann muss er mit diesem hier vorlieb nehmen, oder etwa nicht?", hakte er bei mir nach und legte den Kopf schief. Am liebsten hätte ich mir in dem Moment mit der flachen Hand vor die Stirn geschlagen. Meine Güte, er hatte wirklich keine Ahnung, wie viel dieses einfache Stück Papier wert war. Um Himmelswillen, wie viel hatten er und sein Bruder dann neulich dem Pizzaboten gezahlt?! Hilfe! Die Männer würden schneller pleitegehen, als mir lieb war, wenn das so weiter ging. Und ich dachte immer Zwerge wären so geizig mit ihrem Geld. Nunja, wenn ich so darüber nachdachte mit IHREM Geld aus Mittelerde vielleicht, schoss es mir dann schlagartig durch den Kopf. Die Währung meiner Welt war für sie offenbar nicht weiter von Bedeutung. Dort gab es meines Wissens nach sowas wie Geldscheine nicht. Da wurde alles in Münzen bezahlt. Wie mussten sie erst geschaut haben, als Richi sie damals mit zur Bank genommen hatte um die Goldmünzen einzutauschen? Nein, so konnte das nicht weiter gehen. Das musste ich dringend unterbinden. Mir blieb auch nur eine Möglichkeit, wie ich das anstellen konnte. Ich begann einfach mal gespielt trocken zu lachen und entwand meine Hand seinem Griff, als er diesen etwas lockerte und reichte dem Mann schleunigst meinen Zwanziger mit den Worten: "Ähm.... Er ist nicht von hier. Er kennt sich mit der Währung nicht so gut aus." Der Kassierer löste seinen Blick von Kili und nuschelte: "Na dann bring ihm das mal besser schnell bei, Mädchen. Gibt viele unehrliche Menschen heutzutage, die es auf solche naiven Leute wie ihn abgesehen haben könnten." "Ja. Ja, da haben Sie wohl recht. Ich muss besser auf ihn aufpassen", entgegnete ich mit einem verlegenen, künstlichen Lächeln. Kili klappte indessen empört und sichtlich beleidigt der Mund auf. Der arme Bursche verstand die Welt nicht mehr. Doch ich schüttelte ihm gegenüber nur mahnend den Kopf und versuchte ihm still zu verstehen zu geben, dass er nun besser keine weiteren Fragen in der Richtung an mich stellen sollte. Zumindest das verstand er und schloss den Mund wieder. Obwohl ich meinte ihn kurz mit den Zähnen knirschen zu hören. Vielleicht war es auch nur Einbildung, da der Mann im Kassenhäuschen das Wechselgeld abzählte, welches er mir zusammen mit den Chips entgegen reichte. Ich bedankte mich noch einmal kurz mit einem freundlichen Lächeln und komplementierte meine Gruppe so schnell ich konnte in Richtung Eingang. Unter anderem auch, weil ich ein deutliches kribbeln im Nacken spüren konnte. Dies kam ohne Zweifel von den fragenden Blicken die mir Jana und Marina zuwarfen. Das war auch durchaus berechtigt. Die letzte Aktion war alles andere als Clever gewesen. So langsam wurde es brenzlig für mich. Die Frauen würden bald dazu über gehen mich in ein Gespräch zu verwickeln, was die Herkunft unserer zwergischen Begleiter betraf. Ich musste schnell für die richtige Ablenkung sorgen. Und dazu würde aus kommen. Zumindest sobald wir endlich im Spiegelkabinett waren. Dazu mussten wir aber noch an einen anderen Herrn vorbei, welcher uns an der Eingangskette erwartete und Wortlos die Hand nach den Eintrittschips ausstreckte. Ich drückte ihm diese umgehend in die Hand, während ich weiterhin versuchte das unangenehme Kribbeln in meinem Nacken zu ignorieren. Dieses wurde allerdings stärker, nachdem der Mann uns in monotoner gelangweilter Stimme viel Spaß wünschte und die Herren Zwerge kurz drauf einfach wie von Sinnen drauf los stürmten. Natürlich ohne auf uns Damen zu warten. "Hey! Wartet! Nicht so schnell!", brüllte ich ihnen noch hinterher, doch da waren sie bereits in dem Gebäude verschwunden. Ich seufzte kurz und schüttelte nur bedröppelt mit dem Kopf. "Mein Gott diese Männer", kam es dabei über meine Lippen. "Ja. Da hast du wirklich recht. Sie benehmen sich schon sehr eigenartig", meinte Marina nachdenklich. Auch Jana murmelte mit gerunzelter Stirn: "Sowas hab ich auch noch nicht erlebt. Ich meine, kommt es euch nicht merkwürdig vor, dass sie sich so aufführen? Ich hab das Gefühl, dass sie noch nie einen Jahrmarkt gesehen haben. Geschweige denn überhaupt wissen, wie man mit Geld umgeht. Das ist mir auf der Zeltstadt schon aufgefallen. Sie schmeißen nur so mit Geld um sich, ohne drüber nachzudenken wie viel das eigentlich Wert ist." Nun lief es mir sichtlich eiskalt den Rücken runter. Oh weia. Die Frauen schöpften wirklich langsam Verdacht, dass hier in aller Welt etwas nicht ganz Richtig laufen konnte. Gut, wie sollte man auch gerade DAS übersehen?! Schließlich waren die Damen ebenso wenig wie ich auf den Kopf gefallen. Obwohl ich im Moment danach aussah. Ich musste mir wirklich etwas einfallen lassen. Vor allem, da sie mich nun noch deutlicher musterten, als ich mich wenig später mit einem verschmitzten Lächeln zu ihnen umdrehte. "Ähm... Ja merkwürdig. Da hast du recht Jana. Aber wir sollten uns mal lieber beeilen um ihnen hinterher zu kommen. Nicht, dass wir sie da drin noch verlieren und sie nicht mehr rauskommen", stammelte ich hastig und deutete nachdrücklich in Richtung Eingang. "Ja. Du hast recht. Lasst uns gehen. Darüber können wir wirklich später noch Gedanken machen", meinte Marina und Jana nickte zustimmend. Ich atmete innerlich erleichtert auf. Gott sei Dank verschoben sie dieses Thema vorerst, dachte ich und ging ihnen voraus. Natürlich mitten hinein ins Vergnügen. Oder vielmehr ins nächste Chaos? Ja ich glaubte, dieses Wort würde besser zu den nächsten Geschehnissen passen. Kaum waren wir drin, erwartete uns bereits ein langer Gang, der zunächst noch an dem eigentlichen Labyrinth vorbei führte. So konnten wir auch sehen, wo sich die drei Ausreißer aufhielten. Zumindest Zeitweise. Schließlich war das verwendete Glas zu einer Seite hin mit einer Spiegelschicht versehen. Andere waren komplett einsichtig. Und das auch von beiden Seiten. Also wunderte es mich nicht, dass ich wenig später direkt zu meiner rechten einen heftigen Dumpfen Aufschlag vernahm, bei dem ich vor Schreck einen Satz zur Seite machte. Vollkommen erschrocken blickte ich auf einen jungen, blonden Zwerg, der sich gerade mit tränenden Augen die Nase hielt und mit dumpfer Stimme vor sich hin fluchte. Fili war bei unserem Anblick mit voller Wucht gegen die Scheibe geklatscht, welche er wohl fälschlicherweise für einen Durchgang gehalten hatte. Nachdem der erste Schock aber überwunden war, konnte ich nicht anders als herzlich aufzulachen. Das geschah ihm schon ganz recht. Sich einfach so Hals über Kopf davon machen ohne zu wissen, auf was sie sich da eingelassen hatten. Jana war hingegen nicht so wirklich nach Lachen zumute. Sie eilte zum Glas und legte ihre Hände darauf, während sie ihm entgegen brüllte: "Meine Güte, Fili! Ist alles in Ordnung mit dir?!" Der Zwergenbursche hob wenig später den Kopf welchen er kurz schüttelte um wieder klar zu werden. "Ja. Ja, ich denke schon. Bei Durins Bart, was war das?!", kam es uns unter erneutem Fluchen dumpf entgegen. "Das war eine Scheibe", entgegnet ich laut aber dennoch trocken. "Das habe ich nun auch bemerkt. Ich dachte dies wäre der Ausgang", entgegnete er und rieb sich die Nase. "Der Ausgang wird wohl oder übel am anderen Ende des Labyrinths sein. Oder was hast du gedacht? Wo sind eigentlich die anderen zwei?!", fragte ich und versuchte Bofur und Kili irgendwie zu erspähen. Doch leider war das vergeblich. Entweder sah ich weitere Spiegel oder andere Besucher, welche gegen Scheiben klatschten. Fili blickte sich nach meiner Frage einen Moment lang um und kratzte sich am Kopf, ehe er schulterzuckend antworte: "Ich weiß es nicht! Wir haben uns getrennt um den Ausgang zu finden. Wir wollten dann den anderen Bescheid geben, sobald einer diesen gefunden hat." Mir klappte unwillkürlich empört der Mund auf. Nein! Nein, das hatten sie nicht ernsthaft getan?! Sie hatten sich nicht wirklich getrennt um jeweils auf eigene Faust einen Weg aus diesem Wirrwarr zu finden?! Doch als ich in die blauen Augen des Zwergs blickte, wusste ich bereits, dass dem der Wahrheit entsprach. Auch weil ich die anderen beiden nirgendwo erblicken konnte. Um Himmels willen! Was hatten sich die drei dabei Gedacht?! Erst lieben sie vor und dann trennten sie sich auch noch. Meine Güte, jetzt konnte ich sie auch noch einzeln einsammeln gehen. Die würden doch niemals ohne Hilfe da raus kommen. Zumindest hatte Fili das eben eindrucksvoll und lautstark bewiesen. Meine Fresse, die Katastrophe auch noch. Zwerge in einem Labyrinth suchen, war genauso gut, wie den Arkenstein in einem Berg voller Gold und Juwelen zu finden. Aber wenigstens eine gute Sache sah ich in dem Moment noch dabei. Sie waren grade erst reingegangen und konnten sich noch nicht so lange getrennt haben. Sonst hätten wir Fili nicht einmal gesehen. Also mussten die anderen noch irgendwo in der Nähe herum stromern. Nun denn. Wenn der Berg sich vor dem Propheten teilt, dann muss er eben die Stücke einzeln zusammensuchen und wieder zusammen setzen. So in etwa musste ich das nun auch tun. Und zwar der Reihe nach. Dafür musste ich aber erst einmal sicher, dass das erste Bergstück sich vorerst nicht vom Fleck bewegte, sodass ich es mit Jana und Marina einsammeln konnte. Ich trat wieder näher ans Glas und musterte Fili mit ernstem Blick ehe ich ihm entgegen rief: "Wir kommen jetzt rein. Du bleibst da wo du bist, wir holen dich ab. Geh bloß nicht noch irgendwo weiter, damit wir dich nicht verlieren. Hast du verstanden?!" Der blonde Bursche nickte knapp und rieb sich erneut die Nase. "Gut! Ich verlass mich drauf. Also, dann lasst uns mal gehen", sagte ich mit einem schwermütigem Seufzen zu Jana und Marina, welche mir entschlossen entgegen nickten. Damit war es beschlossen. Wir gingen unseren Weg weiter, bis wir um eine Ecke bogen, wo sich dann der eigentliche Zugang befand. Dieser teilte sich, wie ich erwartet hatte, in drei Richtungen auf. Einer in Richtung von Fili, die anderen zwei entweder nach vorne oder nach links. Na das konnte was werden. Aber es half ja nichts darüber zu verzweifeln. Erst einmal mussten wir uns Fili schnappen. So wandten wir uns direkt nach rechts und versuchten seine Spur zu verfolgen. Zum Glück hatte mir Richi einmal einen guten Trick erklärt wie man es halbwegs unbeschadet durch so ein Labyrinth schaffte. Man musste nur die Halterungen der Gläser am Boden genau beobachten. Wenn sich irgendwo eine fehlte, war dies schon ein gutes Zeichen. Dann konnte man dort hindurch gehen, ohne sich zu stoßen und zu stolpern. Auf diese Weise gelangten die Damen und ich auf sicherem Weg zu den blonden Zwergenburschen. Dieser atmete erleichtert auf, als wir um die Ecke kamen und keuchte wenig später als sich Jana an mir vorbei quetschte um ihm in die Arme zu springen. "Mann, Fili! Renn doch nicht einfach so weg! Ich hab mir solche Sorgen gemacht", sprudelte es aus ihr heraus, während sie sich fest an ihn drückte. Dieser lächelte verschmitzt und tätschelte ihr zur beruhigung den Rücken. "Ja, ich... tut mir leid. Daran habe ich nicht gedacht", stammelte er verlegen. "Na zumindest haben wir dich jetzt. Nun müssen wir noch Bofur und deinen Bruder einfangen. Aber am besten gehen wir erst mal wieder zurück und starten von da neu. Die sollten ja hier irgendwo noch sein", meinte ich mit verschränkten Armen und leicht ungeduldiger Stimme. Nicht, dass ich es ihnen nicht gegönnt hätte, aber durch ihre Kuschelei verloren wir wertvolle Zeit. Das sahen beide aber auch recht schnell ein. Sie lösten sich von einander und schauten mich ernst an. "Du hast recht. Aber weißt du denn auch, wie wir die zwei finden können? Ich meine, es war für mich schon schwer genug überhaupt hier hin zu kommen", meinte Fili mit sorgenvollem Blick und gehobenen Augenbrauen. Ich lächelte ihm jedoch gewinnend entgegen und entgegnete:"Lass das mal meine Sorge sein. Ich weiß schon, wie war es schaffen hier raus zu kommen. Ihr braucht mir einfach nur zu folgen. Dann finden wir schon den richtigen Weg. Immerhin haben wir dich dank mir ja auch gefunden." Daraufhin kratzte er sich kurz nachdenklich am Kinn, ehe er nickte zustimmend. Auch wenn ihm wohl immer noch nicht klar war, wie ich das überhaupt geschafft hatte. Doch das konnte ich ihnen später in Ruhe erklären. Nun waren Kili und Bofur unser oberstes Ziel. So machten wir uns unter meiner Führung vorerst auf den Rückweg zum Eingang. Von da aus nahmen wir den Weg direkt gegenüber des Zugangs. Nun wurde es aber schon ein wenig heikler. Sich am Rand aufzuhalten ging ja gerade noch so. Aber nun mussten wir uns weiter hinein wagen. Das bedeutet auch, dass Richis kleiner Trick die ersten Macken aufwies. Die Durchgänge zu erkennen, war ja schön und gut. Aber das bedeutete nicht, dass ich uns nicht wohl oder übel auch mal in die ein oder andere Sackgasse führen konnte. Desweiteren war es schwer durch eine vollverspiegelte Wand zu erkennen, ob wenig später dahinter jemand im Durchgang auftauchen konnte. So rempelte ich mit meinem gesenkten Kopf ungewollt auch mal den ein oder anderen Besucher an. Diese keuchten und fluchten dann empört, woraufhin ich mich vielmals entschuldigen musste. Doch zumindest gab uns dadurch wenigstens einer dieser aufgebrachten Herrschaften einen Hinweis darauf, wo sich einer der Zwerge aufhielt. Nur welcher von beiden es war, wussten wir dadurch noch nicht. Aber besser als nichts. So fragte ich den Mann mittleren Alters, welchen ich zuletzt umgerannt hatte mit einem freundlichen Lächeln: "Entschuldigen Sie. Das wollte ich wirklich nicht. Aber können Sie mir vielleicht sagen, wo sie den kleinen Kerl gesehen haben, der sie vorhin umgerannt hat?" "Und ob! Der war hinten rechts um die Ecke und hat in so einer komischen Sprache sein eigenes Spiegelbild angebrüllt. Dann ist er umgedreht und in mich rein gerannt wie ein Verrückter. Der hat mich fast durch den Spiegel gehauen. Was heute wieder für Leute unterwegs sind. Unglaublich!", meinte er und schnaubte beleidigt bei dieser wohl unschönen Erinnerung. "Wissen Sie wo er danach hingegangen ist? Wir suchen ihn nämlich", kam es von Marina die beschwichtigend mit ruhiger Stimme die Hände hob. "Ja weiß ich auch. Der ist danach irgendwo nach links. Aber fragen Sie mich nicht weiter. Ich hoffe ich sehe den Knilch nie wieder! Und wenn doch, kriegt der von mir was zu hören. Darauf können Sie Gift nehmen!" knurrte der Mann und schob sich schließlich an uns vorbei. Dem war die Unterhaltung inzwischen alles andere als angenehm. Auch die Tatsache, dass wir offensichtlich Freunde des Typen waren, der ihn unsanft aus dem Weggeräumt hatte passte ihm gar nicht. Aber gut. Wir ließen ihn von Dannen ziehen. Wichtiger war jetzt, dass wir uns auf die Suche nach dem zweiten Zwerg machten. Wir mussten ihm dicht auf den Fersen sein. Und meine Annahme wurde auch bald bestätigt. Ich hörte hinter der nächsten Wand einen heftigen Aufschlag und kurz drauf ein ebenso lautes Fluchen in Khuzdul, welches Fili auch zuvor abgegeben hatte, als dieser gegen die Scheibe geklatscht war. Die Stimme kam mir gleich bekannt vor. Ich trieb die anderen vier mit einem Wink zur Eile an und erreichte den nächsten Durchgang. Dieser führte uns zu meinem Leidwesen, direkt in eine kleine Sackgasse. Doch keine zwei Meter vor uns sah ich endlich den nächsten Zwerg. Es war Kili. Gott sei Dank. Wenigstens wussten wir schon mal, wo ER war. Das half uns aber nur bedingt weiter. Denn nun mussten wir die Frage klären, WIE kämen wir zu ihm? Ich schaute mich überall am Boden um. Doch leider fand ich in dieser Sackgasse keinen einzigen Hinweis auf einen Durchgang. Wir waren vermutlich eine Abzweigung zu früh eingebogen. Das war allerdings das kleinste Problem an der Sache. Denn nun hatte Kili uns bemerkt und hämmerte wie ein Irrer gegen die Scheibe vor sich. "Cuna! Fili! Holt mich hier raus! Ich bin eingesperrt! Helft mir, in Durins Namen!", brüllte er verzweifelt gegen die Scheibe. Er schien kurz davor in Panik zu geraten. Das war offensichtlich. Er versuchte sich verzweifelt aus der Ecke in die er sich rein manövriert hatte selbst zu befreien. Sein Verstand war wohl vor lauter Angst auf ewig dort gefangen zu bleiben so vernebelt, dass er den Durchgang, der keinen Meter hinter ihm war vollkommen ignorierte. Ich musste schnell handeln. Nicht nur ihm zuliebe, sondern auch weil die Scheibe vor ihm bereits ein bedrohliches Knirschen von sich gab. Wenn er die zertrümmerte würde er sich vermutlich ziemlich schwer verletzten. Und das musste nun mal gar nicht sein. Ich atmete tief durch und wandte mich zu den anderen dreien um. Diese sahen leicht verstört und verwirrt zu dem jungen Zwerg, der definitiv Hilfe brauchte. Doch waren sie eher Ratlos, was sie in dieser Situation mit dem armen Kerl anfangen sollten. Dann blieb es wohl wieder an mir kleben. Nunja, wäre ja nicht das erste Mal, dachte ich mit einem innerlichen Seufzen. So stellte ich mich vor sie und sagte: "Passt auf. Wartet hier. Ich gehe ihn allein holen. Ihr versucht unterdessen ihn zu beruhigen bis ich da bin." "Warte, Cuna. Du willst allein losziehen? Wir sollten doch zusammen bleiben. Hast du selbst gesagt", erwiderte Fili und versperrte mir den Weg, als ich an ihnen vorbei wollte. Ich schüttelte kurz den Kopf und blickte ihm anschließend entschlossen in die Augen. "Ja, sicher. Das habe ich gesagt. Aber was meinst du was dein Bruder machen wird, wenn wir alle hier weggehen? Er wird durchdrehen und könnte sich vermutlich schwer verletzten, wenn er so weiter macht. Ich brauche euch drei hier, damit er weiß, dass er nicht allein ist. Ich finde schon einen Weg zu ihm. Vertrau mir, okay?", meinte ich, wobei ich ihn kurz den Mund öffnen sah, um mir wohl zu widersprechen. Doch im selben Moment legte Jana eine Hand auf seinen Oberarm und lächelte ihn wohlwollend an. "Jacky schafft das. Ich glaub daran. Immerhin haben wir es dank ihr soweit geschafft. Wenn ihn jemand erreichen kann, dann sie. Wir kümmern uns von hier aus um deinen Bruder. Und wenn wir dann auch noch Bofur gefunden haben, gehen wir alle gemeinsam hier raus", murmelte sie und drückte zur Bestärkung seinen Arm etwas. "Aber... aber er ist doch mein Bruder. Ich will zumindest mitkommen. Sie könnte Hilfe gebrauchen", meinte er senkte betrübt den Blick. "Dann geh doch mit ihr. Was spricht dagegen?", warf Marina in meine Richtung ein. Auf ihre Frage hin musste ich kurz überlegen. Eigentlich hatte ich gedacht, dass Fili besser in Sichtweite seines Bruders bleiben sollte, damit dieser nicht endgültig den Verstand verlor. Andererseits war es auch nicht falsch ihn mitzunehmen. Vielleicht würde sich Kili zunächst dagegen wehren, dass ich ihn allein aufsammelte. Da war eine weitere Person, die kräftig genug war ihn zu bändigen nicht unbedingt verkehrt. Schließlich nickte ich zustimmend und murmelte: "Also gut. Du kannst mitkommen Fili. Zwei sind vielleicht doch besser als einer." Ruckartig hob der blonde Bursche den Kopf. "W-Wirklich?", hakte er noch kurz nach, woraufhin ich knapp nickte. Nun wurde sein Blick ernster und auch er nickte mit entschlossener Miene. "Gut, dann lass uns gehen", meinte er im Anschluss und ließ mich endlich durch, damit ich einen anderen Weg finden konnte. "Wir warten hier auf euch! Beeilt euch!", rief uns Jana hinterher als sich Fili hastig von ihr löste, um mir nachzueilen. Das musste sie uns wirklich nicht zweimal sagen. Es war höchste Eisenbahn. Wer weiß, wie lange die Scheiben und Spiegel noch das Trommelfeuer von Zwergenfäusten aushielt, dachte ich und bog bereits in den nächsten Gang ein. Dann nach links, dann nach rechts. Leider wieder in eine Sackgasse. Verdammt, wir müssten erneut umdrehen und es woanders versuchen. Mit diesem Zeitdruck und auch Filis ungeduldigem Blick im Nacken konnte ich mich nicht richtig konzentrieren. So landeten wir ganze dreimal an der falschen Stelle. So ein verfluchter Mist! Genau wegen so etwas hatte ich nicht unbedingt dort rein gehen wollen. Mit dieser Situation hatte ich schon gerechnet. Aber, dass es so schwer werden würde, war mir natürlich nicht klar gewesen. Zu allem Überfluss bemerkte ich in meiner Hast nicht, dass ich mich nun mit Fili zusammen verlaufen hatte. Es wurde mir erst klar, als ich wieder in eine Sackgasse lief, in der wir aber schon gewesen waren. "Verdammt nochmal! Das darf doch nicht wahr sein! Was ist das denn für ein beschissenes Labyrinth?!", schimpfte ich schwer atmend. "Was ist los, Cuna?", fragte Fili und sah mich verwirrt an. Mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck ballte ich die Hände an den Seiten zu Fäusten und knurrte: "Ich... Ich hab den Weg verloren. Ich weiß nicht wie Kili da hingekommen ist. Und nun hab ich mich selbst verlaufen. Himmel, Gesäß und Nähgarn!" Sofort wich die Farbe aus seinem Gesicht, als ich ihm diese Tatsache offen legte. "Ver... Verlaufen? Du?! Aber du sagtest doch, dass du es schaffen wirst! Was machen wir denn jetzt?! Wir müssen zu Kili. Wir müssen zu Marina und Jana zurück! Die verlassen sich auf uns! Du musst doch etwas tun können! WIR müssen etwas tun können, Cuna!", fuhr er mich an und packte mich plötzlich an den Schultern, wo er mich heftig zitternd schüttelte. Ihm stand Angst in den Augen geschrieben. Er fürchtete sich nun ebenso davor nicht mehr raus zu kommen wie sein Bruder. Und das war so gesehen meine Schuld. Nur was sollte ich tun? Hatte ich etwas übersehen? War ich irgendwo vielleicht in die Falsche Richtung gegangen? Ich musste mich irgendwie wieder konzentrieren. Das war allerdings nicht einfach, wenn man wie ein Milchshake hin und her geschüttelt wurde. Ich riss mich daher ruckartig von Fili los und blaffte: "Jetzt dreh du nicht auch noch durch! Ich denke ja nach, verdammt nochmal! Das kann ich aber nicht, wenn du mich so schüttelst!" "Dann denk doch etwas schneller nach. Du hast gesagt, wir hätten keine Zeit zu verlieren! Ich... Ich hab dir vertraut! WIR haben dir vertraut! Und nun sitzen wir beide hier fest!", entgegnete er wütend und hämmerte zu allem Überfluss mit der rechten Faust gegen den Spiegel hinter sich. Ein Glück, dass dieser nicht zersplitterte, wo wie er im Moment ausrastete. Er war richtig außer sich. So viel Enttäuschung hatte ich noch nie in seiner Stimme gehört, wie in jenem Moment. Und ich wusste, dass er das gute Recht dazu hatte. Ich und meine große Klappe. Ich hatte mal wieder über Dinge entschieden, die nicht Berechenbar waren. Mir wurde das Herz unsagbar schwer und mir sank der Mut irgendwo in die Nähe meiner Kniekehlen. So hatte ich mir das wirklich nicht vorgestellt. Ich war in dem Denken gewesen, dass ich es schon schaffen konnte. Nun saßen wir auch fest. Ich wusste weder vor noch zurück. In diesem Moment dachte ich erneut ungewollt an Thorin. Wie hätte er wohl entschieden? Was würde er dazu sagen, wenn er wüsste, dass ich seine Neffen, Bofur und mich in so eine Lage gebracht hatte? Letzte Frage konnte ich mir eigentlich sofort beantworten. Er wäre stinksauer und würde mir ordentlich den Kopf waschen, dachte ich bei mir und ließ die Schultern hängen. Ich war wirklich nicht die geborene Anführerin. Auch wenn es im ersten Moment so ausgesehen hatte. Mir fehlte es schlichtweg an Erfahrung und Talent dafür. Eine einzige Enttäuschung hätte man sagen können. Doch als ich gerade dabei wieder in Selbstzweifel zu versinken, spürte ich erneut Filis Hände auf meinen Schultern. Er zitterte immer noch sehr vor Aufregung. Dennoch versuchte er ruhig auf mich einzuwirken und murmelte gezwungen beherrscht: "Cuna... Es... Es tut mir leid. Ich... Ich weiß, du gibst dein Bestes um uns wieder zusammen zu bringen. Daher, bitte... bitte versuch jetzt nicht aufzugeben." Ich hob langsam den Kopf und schaute ihm mit bedrückter Miene ins Gesicht. "Nein, mir tut es leid. Ich hab... meine eigenen Fähigkeiten mal wieder überschätzt. Ich hätte nicht so überheblich und dumm sein dürf...", setzte ich an, doch schon unterbrach er mich mitten im Satz, "DU bist nicht dumm! Und schon gar nicht überheblich. Hör auf dir das einzureden! Wenn jemand das ist, dann wir. Wir sind einfach so drauf los gestürzt ohne auf euch zu warten. Wir dachten ebenso, dass wir es allein schaffen würden. Wir haben uns auch verschätzt. Aber jetzt ist nicht die Zeit dazu sich selbst zu bemitleiden und darüber nachzudenken wer schuld ist. Wir müssen zu meinem Bruder. Koste es, was es wolle! Und wenn ich dieses gesamte Haus in Schutt und Asche legen muss, damit wir es schaffen. Komm schon, wir haben einiges gemeistert, da wird uns so ein bisschen Glas nicht aufhalten!" Als er ausgesprochen hatte, atmete er schwer und starrte mir fest ins Gesicht. Seine kräftigen Finger krallten sich hart in meine Schultern, sodass meine Finger bereits taub wurden. Doch ich ignorierte diesen Schmerz. Ich erkannte da etwas in seinen Augen. Etwas was ich bisher übersehen hatte. Auch er war innerlich aufgewühlt und verzweifelt. Aber da war noch was anderes. Ein Funke, welcher mich an seinen Onkel erinnerte. Eine Kraft, die es wohl nur in dieser Familie gab. Sie verloren nie völlig den Mut um ihr Ziel zu erreichen. Auch wenn es noch so ausweglos war. Sie blieben sich selbst treu und behielten daher immer die Hoffnung in ihren Herzen. All das traf mich mitten in mein Bewusstsein. Diese Männer waren und blieben einfach unglaublich. Egal mit wem ich es in der Vergangenheit, der Gegenwart oder in Zukunft noch zu tun haben würde. Kein Wesen meiner Welt konnte mir so viel geben, wie ich es stets von den Zwergen bekam. Das war wirklich eine Freundschaft, auf die ich mich immer verlassen konnte. Auch wenn wir uns stritten, nicht immer einer Meinung waren oder wir uns gegenseitig auf den Keks gingen. Sie wussten in den Richtigen Momenten das richtige zu sagen und zu tun. Das war es was sie ausmachte. Was ich an ihnen schätzen gelernt hatte. Und nun musste ich auch meinen Teil dazu beitragen. Ich musste uns da raus bringen. Mehr verlangten sie ja nicht von mir. So ein billiges Labyrinth konnte uns bestimmt nicht aufhalten. Ich hob wenig später meinen leicht tauben rechten Arm und fasste Fili so fest ich konnte an der Schulter. "Du hast recht. Tut mir leid. Ich sollte wirklich nicht an mir zweifeln. Nun lass uns deinen Bruder holen", meinte ich und nickte entschlossen. Er erwiderte das Nicken knapp und ich sah, wie sich ein sanftes Lächeln hinter seinem Bart hervor stahl. "Gut. Dann lass uns gehen", entgegnete er. Doch noch während er sich umdrehte, stolperte plötzlich jemand anderes keuchend in unseren Gang und knallte mit voller Wucht gegen den Spiegel ihm gegenüber. Ich keuchte erschrocken und machte zunächst einen Satz nach hinten. Fili stellte sich aus Reflex schützend vor mich, da auch er nicht auf dieses plötzliche Auftauchen vorbereitet gewesen war. Doch als ich über seine Schulter hinweg blickte, erkannte ich wer uns da so unerwartet überrascht hatte. Denn auch diese Person fluchte zunächst ziemlich laut in Khuzdul und schob zudem seine Mütze auf dem Kopf wieder richtig, ehe er sich zu uns wandte. Es war Bofur, der breit grinste, als er uns sah. "Mahal! Das hat weh getan. Ich sollte mich wirklich vorsehen. Aber immerhin haben wir euch zwei gefunden. Gehts euch beiden gut?", fragte er gut gelaunt, wie eh und je. Ich stutzte ein wenig bei seinen Worten. "Wie? Was? Bofur? Wo kommst du her? Und was heißt hier WIR?", sprudelte es stotternd aus meinen Mund. Sein Grinsen wurde nun noch breiter und bevor er auf meine Fragen Antwortete streckten drei weitere Personen ihre Köpfe in den Gang. Natürlich niemand anderes als Jana, Marina und, zu Filis und meiner Überraschung auch Kili. Was zum Teufel?! Wie um alles in der Welt hatten sie das denn nun wieder hinbekommen? Wo kam Bofur plötzlich her? Wie hatten sie Kili aus seiner misslichen Lage holen können? Und vor allem, wie hatten sie uns jetzt nun wieder gefunden? Ich war vollkommen Fassungslos. Fragen über Fragen schossen mir durch den Kopf. Ich konnte mir in diesem Augenblick keine einzige davon beantworten. Aber das brauchte ich auch nicht. Das übernahm dann der Mützenzwerg schon für mich, als er näher kam. "Ihr habt euch ja eben wirklich laut gestritten. Wart kaum zu überhören. Aber das war gut so, sonst hätten wir euch hier nie gefunden", meinte er wobei die anderen zustimmend nickten. "Das erklärt aber noch nicht, wieso auf einmal alle hier sind. Ich meine... wie?", stammelte ich und wurde kurz drauf von Marina unterbrochen. "Das ist ganz einfach. Kurz nachdem ihr zwei verschwunden seid, kam Bofur zu Kili und hat ihn aufgelesen. Danach ist der umgehend zu uns gekommen und wir haben ihm erzählt, dass ihr zwei losgegangen seid um Kili zu holen. Wir dachten er hätte euch vielleicht auf dem Weg gesehen. Hat er aber leider nicht. Daher haben wir uns Sorgen gemacht, dass ihr euch verlaufen haben könntet. Also sind wir los und haben euch schließlich streiten gehört. So einfach ist das", erklärte sie ausführlich. Nachdem sie geendet hatte, stieß ich einen bedröppelten Seufzer aus. Na wunderbar, dann war das ganze Verzweifel und wieder neuen Mut fassen irgendwie umsonst gewesen. Aber eine gute Sache hatte es zumindest. Unsere Gruppe war wieder vollständig. Und das Beste kam erst noch. Nämlich als Bofur mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck sagte: "Ich hab im Übrigen den Ausgang gefunden. Wir brauchen nur noch den Markierungen zu folgen, dann sind wir hier raus." "Markierungen? Was für Markierungen?", hakte ich skeptisch nach und hob eine Augenbraue in die Stirn. Die Antwort darauf lieferte er mir mit einem kurzen gewinnenden Lachen. Er steckte flux eine Hand in seine Manteltasche und zog zu meinem Erstaunen und auch Ärger einen schwarzen Edding-Stift hervor. "Den hab ich bei dir zuhause gefunden, Cuna. Ich habe damit einfach ein paar Pfeile auf die Spiegel gemalt. Sonst hätte ich mich womöglich auch verirrt so wie ihr", sagte er mit stolzgeschwellter Brust und hob den Stift wie ein Schwert in die Luft. "Ist... nicht dein Ernst. Du... Du hast die Spiegel bemalt?...", entgegnete ich tonlos und sah ihn zustimmend nicken. So schnell wie ich mich augenblicklich an Fili vorbei geschoben hatte konnte der Mützenzwerg gar nicht schauen. Ebenso wenig verhindern, dass ich ihn wütend am Kragen packte und heftig schüttelte. "BIST DU NOCH ZU RETTEN, MANN! DU HAST DOCH NICHT MEHR ALLE NADELN AN DER TANNE! DU KANNST DOCH NICHT EINFACH FREMDES EIGENTUM BESCHMIEREN! NOCH DAZU MIT EINEM PERMANENT MARKER! ICH GLAUB ES HACKT!", brüllte ich ihm so laut entgegen, dass mir selbst davon schon die Ohren klingelten. Der arme Mützenzwerg, den ich nun richtig in der Mangel hatte hob beschwichtigend die Hände und sein Lächeln versteifte sich ein wenig hinter seinem Bart. "Cu-Cu-Cuna. Jetzt... Jetzt beruhige dich doch. Was-Was ist daran denn so schlimm? So kommen wir doch hier raus", erwiderte er und schaute sich Hilfesuchend nach den anderen um. Doch die machten keine Anstalten ihm zu helfen. Sie waren zu geschockt von meiner aufbrausenden Person, dass sie lieber einen Schritt zurück als vor traten. Ich schnaufte und keuchte von der Anstrengung ihn festzuhalten und mich gleichzeitig irgendwie zur Ruhe zu zwingen, dass es eine ganze Weile dauerte, bis ich mich wieder halbwegs beruhigt hatte. Schließlich konnte ich ihn doch loslassen und schaute ihn mit finsterem Blick an. "Naja, ist ja jetzt auch egal. Hauptsache wir kommen hier raus. Steck das Ding weg, nicht dass das noch einer der Eigentümer sieht. Ich hatte jetzt wirklich genug Ärger mit euch", brummte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. Nachdem ich von ihm abgelassen hatte atmete Bofur erleichtert auf und richtete erneut seine Kleidung ehe er den Stift wieder einsteckte. "Wie du meinst. Wir haben uns wirklich lang genug hier aufgehalten. Also lasst uns aufbrechen. Wie gesagt, der Weg nach draußen ist markiert. Folgt mir einfach", sagte er entschlossen, woraufhin reihum ein einstimmiges, erleichtertes Seufzen zu hören war. Schließlich nickten wir alle zustimmend und folgten Bofur durch die verwinkelten Gänge. Immer schön den dicken schwarzen Pfeilen hinterher, bei denen ich jedes Mal mit den Zähnen knirschte, wenn ich einen sah. Doch schließlich erreichten wir dank diesem Schmierfink von einem Zwerg ohne weitere Vorkommnisse den richtigen Ausgang des Labyrinths. Unter den Zwergen und den Frauen machte sich sichtliche Erleichterung breit. Was wir allerdings noch nicht wussten war, dass uns noch ein weiterer Raum bevorstand. Und gerade dieser würde uns alle bis ins Mark erschüttern. - 107. Verzerrte Welten / Ende - Kapitel 108: 108. Wünsche, Träume und Katastrophenalarm ------------------------------------------------------- Endlich! Nach dieser anstrengenden und stressigen Etappe über die verschlungenen, gläsernen Pfade, hatten wir das Labyrinth hinter uns gelassen. Besonders bei mir machte sich ein wenig Erleichterung breit. Nachdem Bofurs kreative Aktion uns eigentlich bis zu dieser Stelle führte, war ich erleichtert zu sehen, dass hinter dem Durchgang keiner der Schausteller auf uns lauerte, welcher möglicherweise über eine versteckte Überwachungskamera die Aktionen des Mützenzwerges mit angesehen hatte. Das wäre wohl das weitaus schlimmste gewesen, was uns in dem Moment hätte passieren können. Schließlich ist Sachbeschädigung kein Kavaliersdelikt. Vor allem bei solchen Spezialanfertigungen. Ich hätte wirklich tief in meine ohnehin finanziell knapp ausgelegte Tasche greifen müssen, um das abzustottern. Und zwar gewaltig. Nicht mal die Zwerge hätten mit allem, was sie sich hier in meiner Welt beschafft hatten, diesen Schaden bezahlen können. Mal von einer Anzeige bei der Polizei abgesehen. Aber wenigstens blieb uns das erspart. Etwas anderes allerdings nicht. Und zwar der Weg nach draußen. Denn wo sich die Herren Zwerge bereits einen Weg zurück ans Tageslicht erhofft hatten, wurden sie ein wenig enttäuscht. Der Grund dafür war auch relativ einfach. Noch waren wir nicht am Ende. Es fehlte ja noch eine kleine Sache, die so ein Spiegelkabinett erst zu dem machte, was es von jeher war. Ein Ort wo man sich in verschiedenen Facetten und Formen erblicken konnte. Und genau diesen Ort hatten wir nun betreten. Das Herzstück der ganzen Attraktion. Den Raum mit den Zerrspiegeln. Gekrümmt, verzogen, gestreckt und ausgedehnt standen sie versetzt in zwei Reihen an den mit roten Samtvorhängen bedeckten Wänden. Die Rahmen waren recht Edel verziert und mit verschiedenen Metallic Lacken bestrichen, um sie zum Glänzen zu bringen. Hin und wieder war auch der ein oder andere dabei, an dem schon recht deutlich den Zahn der Zeit nagte. Folglich blitze hier und da unter der glänzenden, polierten Oberfläche auch mal die Plastikummantelung hervor. Gut, man konnte ja nicht unbedingt den Spiegelsaal aus dem Schloss von Versailles auf einen Jahrmarkt schleppen. Mal davon abgesehen, dass die Franzosen wohl wenig davon begeistert gewesen wären, wenn eine ihrer geliebten Sehenswürdigkeiten irgendwo hin verschwand. Doch trotz der billigen Aufmachung, war jeder Spiegel für sich allein betrachtet einzigartig. Auch die Bilder, welche sie auf den Betrachter zurück warfen waren, ja nach Entfernung und Bewegung immer wieder anders. Der Raum selbst, war ein wenig ausladender gestaltet als die Gänge des Labyrinths. Allerdings auch etwas verwinkelt, sodass man durch einen langen Gang an jedem einzelnen Spiegel vorbei gehen musste. Eigentlich nichts besonderes, wie der vorangegangene Irrgarten auch. Zumindest für uns Frauen, denn sowas gehörte ja schließlich dazu. Den Zwergen hingegen fielen erschrocken die Kinnladen runter und ich hätte schwören können, dass ihnen ihre Augen beinahe aus den Köpfen hüpfen wollten. Was zum Glück jedoch nicht passierte. Das hätte noch gefehlt. Entlaufene Zwergenaugen einzufangen war vermutlich noch schwieriger, wie deren Besitzer im Zaum zu halten. Wenigstens hatte dieser kurze Schock sie zum Anhalten bewogen, sodass ich nicht wieder in die Situation geriet, ihnen hinterher zu rennen. Wie oft das wohl noch an diesem Tag so passieren würde, wollte ich mir in dem Moment noch gar nicht ausmalen. Stattdessen konnte ich mir ein amüsiertes Schmunzeln nicht verkneifen, die Herren mal wieder sprachlos zu sehen. Zumindest so lange bis sich Fili wieder gesammelt hatte und dann verwirrt vor sich hin murmelte: "Bei Durins Bart. Wo sind wir? Was ist dies für ein seltsamer Ort?" "Mir scheint, wir sind in einem Palast der Elben", meinte Bofur fast tonlos und musterte neben den übertrieben protzigen Rahmen auch die Samtvorhänge mit neugierigem Interesse. "Nein, das ist kein Palast. Und schon gar kein Elbenpalast. Das ist der Raum mit den Zerrspiegeln", erwiderte ich gedämpft über ihre Schultern hinweg. Die beiden zuckten urplötzlich zusammen und fuhren erschrocken zu mir herum. Offensichtlich hatten sie mal wieder vergessen, dass sie nicht allein unterwegs waren. "Zwergspiegel?", hakte Kili verblüfft von links nach und blinzelte ungläubig. Ich seufzte kurz und schüttelte anschließend den Kopf. "Nein, Kili. Zerrspiegel. Nicht Zwergspiegel. Auch wenn man vielleicht in irgendeinem von denen wie einer aussehen würde", erklärte ich ihm ruhig woraufhin der dunkelhaarige Bursche nur noch verwirrter drein schaute. Auch sein Bruder und Bofur zogen daraufhin die Augenbrauen nachdenklich und skeptisch zusammen. Ich ahnte schon, was in ihren Köpfen vorging. Sie malten sich bestimmt aus, dass jemand, der sich vor eine der reflektierenden Oberflächen stellte, unwillkürlich schrumpfte und ihm ein langer Bart wuchs. Dementsprechend vielen nach der kurzen Bedenkzeit auch ihre wenig geistreichen Kommentare aus. "Also, ich sehe in jedem Spiegel aus wie ein Zwerg. Oder ist das nur bei Menschen so, dass sie dann zu Zwergen werden? Wenn ja, was würde dann mit uns geschehen? Werden wir zu Hobbits?", fragte der Mützenzwerg verunsichert und tippte sich dabei grübelnd an die Hutkrempe. Kili schluckte heftig und sagte dann mit keuchender halb empörter Stimme: "Ich will aber nicht zu einem Hobbit werden. Ich meine, ich mag Bilbo und er ist gut so wie er ist. Aber ich? Nein. Niemals. Lieber lasse ich mir von Dwalin den Kopf kahl scheren." Ich schnaufte kurz und dachte darüber nach, ob ich es ihnen nochmal ausführlich erklären sollte. Wobei das vermutlich noch peinlicher geworden wäre, denn ich hörte hinter mir Jana und Marina mal wieder belustigt kichern und miteinander tuscheln. Gut, irgendwo war die Vorstellung schon lustig, wenn sich die Zwerge vor einen Spiegel stellen würden, es plötzlich PUFF machte und schließlich ein verwirrt drein schauender Bilbo Beutlin im Raum befand. Für mich auf der anderen Seite aber eher weniger. Wo ich doch wusste, wie die Männer in meine Welt gekommen waren. Oh nein. Bloß kein Spontanauftritt eines Hobbit und erst recht keiner von Gandalf an diesem Tag. Auch wenn ich eventuell mal hier und da einen Rat von dem großen, alten Mann nötig gehabt hätte. Zumindest über die artgerechte Haltung und Pflege von Zwergen. Vielleicht hätte ich ihn dazu befragen sollen, als er vor nicht mal einem Monat auf einen überraschenden Besuch vorbei geschaut hatte. Sicherlich kannte der Zauberer ein paar Tricks, wie ich es vermeiden konnte, dass die Herren sich weiterhin so übermäßig auffällig verhielten. Meine verzweifelten Versuche waren ja unter anderem an deren Dickköpfigkeit gescheitert. Doch wo ich mich daran erinnerte, so hatte auch der Zauberer einst seine liebe Mühe mit ihnen gehabt. Besonders mit einem ganz bestimmten. Doch den hatte er ja irgendwie überreden können den Pfad nach Bruchtal zu nehmen. Wenn auch unfreiwillig. Vielleicht sollte ich es mal auf diese recht unkonventionelle Weise versuchen, die der Zauberer häufig anwandte. Dafür brauchte ich allerdings erst den passenden Spiegel. Aber der würde sich in diesem Raum sicherlich schnell finden lassen. So wandte ich mich ohne ein weiteres Wort von meiner kleinen Gruppe ab, schritt an den Zwergen vorbei und ging ein Stückchen den Gang entlang um mir die Spiegel anzusehen. Etwas verblüfft und sichtlich verstört von meiner spontanen Aktion wollte Bofur mir hinterher hechten, während er rief: "Cuna! Warte! Nicht! Das ist gefährlich. Du könntest zu einem Hobbit werden! Oder Elb. Oder noch schlimmer, einem Troll!" "Genau! Komm zurück! Was sollen wir denn Thorin sagen, wann du dich in einen Troll verwandeln würdest?! Das würde er uns nie vergeben!", keuchte Fili panisch und ehe ich mich versah, waren alle drei an meiner Seite, um mich so schnell wie möglich wieder aus dem Gang heraus zu ziehen. Ich hatte das jedoch kommen sehen und wich ihren Händen so geschickt ich konnte aus. "Nun macht mal halb lang Jungs! Niemand wird hier in irgendetwas verwandelt. Schaut doch einfach mal. Hier guckt mich an", meinte ich mit einem belustigtem Grinsen und deutete genau auf den Spiegel vor dem wir standen. Denn das was ich sah hob auch meine Stimmung deutlich an. Oder viel mehr wie ich MICH darin sah. Der Spiegel war so gekrümmt, dass es den Anschein hatte, als sei mein Kopf um das Hundertfache angeschwollen. Meine Augen, die Nase, der Mund. Einfach alles war unglaublich riesig geworden. Wobei mein Körper im Gegensatz dazu um mehr als die Hälfte geschrumpft war. Meine Füße schienen so klein geworden zu sein, dass man sie kaum mehr erkannte. Ich konnte mein Erscheinungsbild durchaus mit einem mathematischen Kegel vergleichen, den man auf den Kopf gestellt hatte. Die Zwerge waren natürlich vorerst erschrocken zurück gewichen. Jeder natürlich in eine andere Richtung, was dafür sorgte, dass sie alle vor einem anderen Spiegel landeten. Doch vorerst standen die Männer nur mit den Rücken zu diesen und musterten erst einmal meine Wenigkeit. Ihre verwirrten und verängstigten Blicke huschten immer wieder zwischen mir und meinem Ebenbild hin und her. Sie wagten es kaum sich zu rühren. Wohl aus Angst, dass ich mich bald wirklich in diese unförmige Gestallt verwandeln könnte. "Nun schaut doch nicht so, als hätte euch grade ein Bus überrollt. Guckt doch mal. Es passiert rein gar nichts. Ich bin immer noch ich", sagte ich und bewegte mich demonstrativ ein bisschen um ihnen zu zeigen, dass sich mein Spiegelbild noch anderweitig verformen konnte, aber mein Körper immer noch derselbe wie vorher blieb. Es vergingen einige Sekunden, bis den Männern endlich klar wurde, dass ich wohl mit dem was ich sagte durchaus recht hatte. Erst nach dieser für sie weltbewegenden Erkenntnis, atmeten sie beruhigt auf und drehten sich zu den Spiegeln in ihren Rücken um, die sie natürlich erst in diesem Moment bemerkten. Was folgte war natürlich der nächste Schreck. Dieser fiel aber bei weitem nicht so heftig aus wie der, den sie zuvor wegen mir erlitten hatten. Denn nun, da sie mit Sicherheit sagen konnten, dass sie nicht zu irgendeinem seltsamen Monster werden würden, fanden sie langsam Gefallen an dieser eigenartigen Attraktion. Fili war an einen geraten, in dem sein Oberkörper noch normal blieb, er aber im Gegenzug endlos lange Beine bekam. Kili erwischte den, der seine Reflektion extrem zusammen presste und ihn aussehen ließ, als wäre er zwischen irgendetwas Unsichtbarem eingeklemmt. Bofur schoss natürlich mal wieder unbeabsichtigt den Vogel ab. Denn ausgerechnet er war vor den Spiegel gestolpert, in dem sein kompletter Körper in die Breite gezogen wurde. Man hätte mit Fug und Recht behaupten können, sein Bruder Bombur hätte sich als er verkleidet. Sie waren zwar zunächst vollkommen sprachlos von ihren Erscheinungen, doch Marina und Jana kringelten sich im Gegenzug vor Lachen. Nicht nur wegen den albernen Bildern. Nein auch ihre Bewegungen, die daraufhin folgten, waren schon fast Zirkusreif. Sie bogen und krümmten ihre Köper in alle Richtungen. Fili machte sogar einen Handstand um zu sehen, wie sich sein eignes Ich veränderte. Bofur klopfte sich unterdessen ein paar Mal auf den Bauch und meinte schließlich mit einem breiten Lächeln über seine Schulter in Richtung Marina: "Nun bin ich doch ein äußerst stattlicher Mann, nicht wahr?" Diese trat kichernd näher und schüttelte mit Tränen in den Augen den Kopf. "Tu..Tu mir bitte einen gefallen und werde nie so dick. Sonst kommst du nicht mehr durch meine Wohnungstür", gluckste sie, woraufhin Bofur fragend eine Augenbraue hob. "Warum? Was ist falsch daran, wohlgenährt zu sein? Es ist ein Zeichen des Wohlstands. So einen Wanst muss man sich im Leben hart erarbeiten", erwiderte er Schulterzuckend und sah anschließend ratlos zu mir, als sie erneut den Kopf schüttelte und ihn kurz aber zum aller ersten Mal umarmte. Ich zuckte ebenfalls mit den Schultern und versah ihn mit einem unschuldigen Lächeln. Tja so ist das eben Bofur, dachte ich. In meiner Welt waren so wohlgenährte Männer mit weit auslandenden Rettungsringen nun mal nicht mehr so attraktiv, wie in Mittelerde. Gut, vereinzelt gab es sicher Frauen, die hinter solchen Männern her waren. Umgekehrt genauso. Vor allem, weil sie deren gute Küche nicht verschmähen würden. Doch im Durchschnitt tendierten die Meisten doch eher zu einer etwas schmaleren Variante. Klar Bäuchlein durfte jeder haben. Aber nicht so sehr, dass man jemanden eher Überspringen als umrunden konnte. Wobei ich da für meinen Teil ja auch still sein musste. Ich gehörte ja auch nicht zu den Frauen mit Babyspeckröllchen. Ich sah mich selbst immer so als ein Zwischending. Gut, an meinen Schwiegerdrachen reichte ich nicht heran. Aber attraktiv war ich in der Hinsicht nun mal nicht. Und das wollte ich auch nicht sein. Auch wenn ich mich in der Vergangenheit um die ein oder andere Diät bemüht hatte. Alles mehr oder minder erfolglos. Nun ja, ich hatte es mal nach einer ganzen Weile geschafft unter die böse dreistellige Zahl auf der Waage zu rutschen. Das war auch ein beachtlicher Erfolg für mich. Ich tat dies allerdings nicht um der Schönheit willen. Nein, mein Arzt hatte mir der Gesundheit wegen dazu geraten. Nicht ohne Grund. In einer Zeit, wo ich die hunderter Marke dezent überschritten hatte, bekam ich recht häufig Bluthochdruck. Das war nicht gerade angenehm. Auf der einen Seite war man trotz Nichtstun extrem müde, auf der anderen raste das Herz selbst im Ruhezustand, als sei man gerade von Olympia nach Marathon gelaufen. Ein deutliches Warnsignal, welches ich zunächst konsequent ignoriert hatte. Was mir aber erst dann bewusst wurde, als ich während einem Praktikum einfach Ohnmächtig vom Bürostuhl kippte. Erst als meine Kollegen den Notarzt gerufen hatten, war ich wieder zu mir gekommen. Ich erinnerte mich gut, wie mein Verblichener damals in der ambulanten Notaufnahme mit verschränkten Armen und wippenden Fuß auf mich wartete. Noch dazu war mir sein vielsagender Gesichtsausdruck im Gedächtnis geblieben. Denn wenn er eines mit absoluter Perfektion beherrscht hatte, dann war es sein "Wie-oft-haben-wir-darüber-gesprochen-?" -Blick. Den hatte er immer eingesetzt, wenn irgendwas passiert war. Obwohl ich immer zuvor gesagt hatte, dass ich etwas ändern wolle, es aber dann doch nicht getan hatte. Sei es nun aus Bequemlichkeit oder weil ich des Öfteren schlichtweg stinkend faul war. Schließlich hatte ich nach diesem Schlag mein Einsehen gezeigt und mich wirklich bemüht etwas zu tun. Ich hatte weniger gegessen, nicht mehr so viel Junk Food in mich reingestopft, sondern eher mal zu einem Apfel oder einer Banane hin tendiert, war öfter mal spazieren gegangen, hatte den Drahtesel gequält. Alles damit ich nicht wieder irgendwo kollabierte. Die Ergebnisse hatten sich einige Zeit später deutlich gezeigt. Mein Baumumfang war um eine Kleidergröße geschrumpft. Und ich war richtig stolz darauf, wenn die Waage nicht mehr den leidigen Schriftzug "Bitte nicht in Gruppen auf das Gerät stellen" anzeigte. Meine Quälerei und Selbstgeißelung war auch eine ganze Zeit lang gut gegangen. Bis... ja bis zu jenem Einschnitt in meinem Leben, der mich emotional um tausende von Jahren zurück geworfen hatte. Nach dem Tod meines Mannes hatte ich viele Wochen lang den Kummer um seinen Verlust in mich hinein gefressen. Und das Wortwörtlich. Zu dieser Zeit war ich im ortsansässigen Mc Doof Dauergast. Die Angestellten hatten jedes Mal bereits mein übliches Menü bereit gestellt, sobald sie mich von Ferne durch die riesige Glasfront ankommen sahen. Wo ich so darüber nachdachte schämte ich mich ja schon ein bisschen, dass ich mich wieder hatte gehen lassen. Aber die Trauer wog nun mal Schwerer auf meinem Gewissen als die wieder wachsenden Fettpölsterchen. Einige lagen immer noch auf meinen Hüften, als ich mich weiter im Zerrspiegel begutachtete. Bei genauer Betrachtung hatte mein kegelförmiges Ich doch hier und da ein paar Dellen an den Rändern. Aber das ließ sich auf die Schnelle nicht ändern. Nun erwachte allerdings eine neue Frage in meinem Kopf. Diese mochte ich noch weniger als den Gedanken an denjenigen, der mir dabei wieder in den Sinn kam. War Thorin überhaupt zufrieden mit meinem Gewicht oder wären ihm etwas weniger, oder sogar mehr viel lieber? Eine ziemlich dumme Frage, wenn ich es recht bedachte. Es sollte ja eigentlich nicht darum gehen, ob ich für ihn zu einem Püppchen oder einem Walross wurde. Meine Gesundheit sollte bei so etwas eigentlich im Vordergrund stehen und nicht die Interessen eines Mannes oder in diesem Fall Zwerges mir gegenüber. Aber dies war nun mal auch ein Punkt, der mich irgendwo zur Frau machte. Es gab sicherlich kaum ein weibliches Wesen auf dieser großen runden Kugel, die sich darum keine Gedanken machte. Außer Jene, die so selbstbewusst mit sich selbst und der Welt umgingen, dann ich nur neidisch dabei zuschauen konnte. Nun gut, so war es nun einmal. So oder so sollte und wollte ich keinen Gedanken mehr an etwas derartig Dummes verschwenden. Ich sollte im Hier und Jetzt bleiben, dachte ich bei mir und straffte die Schultern, während ich mich von einem abstrusen Spiegelbild abwandte. Ich musste ich bleiben und diesen Tag mit den beiden Damen und den drei bärtigen Männern genießen. So schwer es auch je nachdem noch werden würde. Wobei mir plötzlich auffiel, dass sie alle auf einmal nicht mehr da waren. Ich war so mit Tagträumen und Grübeln beschäftigt gewesen, dass ich nicht bemerkt hatte, wie sie verschwunden waren. Weit konnten sie aber nicht gekommen sein, denn ich hörte hinter der nächsten Ecke das Ganges erneut aufwallendes Gelächter. Ich schüttelte mich kurz und setzte mich zügig in Richtung des Lärms in Bewegung. Als ich rechts um eine Ecke bog, sah ich dann weshalb sie so einen Aufruhr veranstalteten. Die Zwerge hatten sich wie ein anormales Totem vor einem Spiegel aufgestapelt und schnitten allerhand Grimassen. Fili hockte auf Händen und Knien ganz unten und streckte frech die Zunge raus, sein Bruder kniete auf seinem Rücken, hatte seine Haare zu beiden Seiten seines Kopfes fest gepackt und verzog dabei immer wieder auf sonderbare Weise den Mund. Bofur hatte sich auf Kilis Schultern nieder gelassen und zog seine Augen an den Rändern zu Schlitzen. Ihr gemeinsames Spiegelbild sah hingegen eher aus wie ein zusammengestecktes, überdimensionales Gummibärchen. Doch gerade deswegen konnte man nicht umhin sich darüber zu amüsieren. Jana und Marina mussten sich an den Wänden festhalten, da sie aus dem Lachen nicht mehr raus kamen. Der Anblick war aber auch einfach zum Schießen. Nun konnte ich auch nicht mehr an mich halten und stimmte in das Gelächter mit ein. Ich hätte mir zu diesem Zeitpunkt wirklich eine Kamera herbei gewünscht, um den Moment für die Ewigkeit festzuhalten. Leider hatte ich nur mein altes Handy dabei. Und die Bilder, die das zustande brachte waren nicht gerade die Besten. Ich hätte vermutlich auch gar nicht stillhalten können, um das alles auf die Speicherkarte zu bekommen. Dafür schüttelte nicht nur ich mich vor Lachen. Nein, auch das Zwergentotem geriet mit jeder Sekunde mehr und mehr ins Wanken. Und gerade als Bofur versuchte sich auf Kilis Schultern in eine andere Position zu bringen, verlor dieser den Halt und kippte nach hinten über. Dabei riss er den armen Kili unsanft mit sich, der das Knie des Mützenzwergs unsanft ans Kinn bekam. Der plötzliche Gelichgewichtsverlust der beiden anderen Zwerge sorgte Schlussendlich dazu, dass auch Fili unter seinem Bruder und Bofur zusammen brach und mehr schlecht als recht begraben wurde. Natürlich war nun das Gezeter der Herren enorm groß. Sie strampelten und stöhnten wie verrückt um ihre verknoteten Gliedmaßen wieder zu entwirren. Vorerst aber mit wenig Erfolg, was sie noch mehr aufregte. "Mahal! Bofur! Kannst du nicht aufpassen?", knurrte Kili und rieb sich noch am Boden liegend das Kinn. "Kömmtebt ihr lamgscham mal vom mir rumter gehm. Isch krieg scho keine lupft", kam es gepresst von Fili, dessen Gesicht sich im dunklen Teppichboden vergraben hatte. Bofur rieb sich indessen leicht benommen den Hinterkopf und brummte: "Ja, ja... tut mir leid. Aber ich kann erst aufstehen, wenn Kili mal meine Beine loslässt!" So ging das noch eine ganze Weile weiter. Das zwergische Ex-Totem, wälzte sich weiterhin auf dem Boden herum und wir Frauen waren einfach nicht im Stande ihnen zu helfen, weil wir schlichtweg aus dem Lachen nicht mehr heraus kamen. Schließlich rauften wir uns dann doch zusammen und zeigten uns den Herren gegenüber gnädig, indem wir sie wieder entknoteten. Im Anschluss daran kümmerten sich Jana und Marina natürlich im ihre Kerle, während ich Kili beim Richten seiner Kleidung half. "Du bist doch hoffentlich nicht verletzt, oder?", fragte Jana immer noch kichernd aber dennoch besorgt. Fili schüttelte nur seinen blonden Haarschopf und lächelte sie ruhig an. "Nur keine Sorge. Ich habe schon weit schlimmeres durchgestanden", sagte er und legte ihr dabei eine Hand an die Wange. Daraufhin hörte sie auf zu kichern und schenkte ihm ein sanftes Lächeln, wobei sich ihre Wangen leicht röteten. Man konnte ja sagen, was man wollte, aber die beiden waren ein so zuckersüßes Paar, dass man manchmal schon vom Hinsehen Zahnschmerzen bekommen konnte. Besonders, wenn man sich insgeheim dasselbe mit dem eigenen Partner wünschte. So wandte ich mich schnell von den beiden ab und musterte das zweite Pärchen. Marina musterte unterdessen Bofur mit eher fachmännischer Miene. Sie hielt sein Gesicht in den Händen und schaute ihm tief in die Augen. Allerdings nicht aus denselben Gründen, wie es Fili bei Jana tat, sondern vielmehr um zu Prüfen, ob der Gute bei seinem Sturz nicht vielleicht eine leichte Gehirnerschütterung davon getragen hatte. "Und dir geht es wirklich gut? Keine Übelkeit? Kein Schwindel?", fragte sie ihn nun zum x-ten Mal. Dem Zwerg mit der Mütze war dies mehr als nur peinlich. Das konnte man ihm deutlich ansehen. "Ähm... ich... ja... ja es geht mir gut", erwiderte er völlig überrumpelt. Marina legte mit skeptischem Blick den Kopf etwas schief, löste ihre Hände von seinen Wangen und hob eine Hand, wo sie den Zeige und Mittelfinger abspreizte bevor sie fragte: "Wie viele Finger siehst du?" Etwas verwirrt schüttelte Bofur sich kurz und murmelte: "Ich... ich ähm... Fünf." Erschrocken rückte Marina ihm wieder dichter auf den Pelz und untersuchte nochmal seine Augen während sie erneut fragte: "Du bist dir also absolut sicher, dass alles in Ordnung ist?" "Sicher bin ich das. Warum fragst du mich das denn andauernd?", hakte er im Anschluss nach und wich etwas von ihr zurück. "Weil du gesagt hast, dass du fünf Finger siehst. Ich habe dir aber nur zwei gezeigt. Also hast du dir doch was getan", meinte sie entschlossen und kam ihm wieder etwas näher. Bofur rückte unterdessen seine Mütze gerade und schüttelte den Kopf. "Nein hast du nicht", sagte er entschlossen. "Doch habe ich. Genau so habe ich sie dir gezeigt. Siehst du? Es sind zwei", entgegnete sie ihm energisch und wiederholte ihre Geste von vorhin. Dabei streckte sie natürlich den Arm auf gleich Weise mit der Handfläche nach vorne. Bofur nickte eifrig ehe er darauf antwortete: "Ich sehe immer noch fünf." "Aber das ist nicht möglich! Außer in deinem Kopf ist was nicht richtig. Wir sollten da besser mal einen Arzt nachsehen lassen", protestierte die junge Mutter und schien fast schon an Bofurs sturem Verhalten zu verzweifeln. Ich verstand auch erst nur Bahnhof. Denn mir war eigentlich klar, dass in Bofur Kopf alles in Ordnung war. Nun ja zumindest für seine Verhältnisse. Schließlich brachte der Mützenzwerg aber selbst Licht in dieses seltsam dunkle Rätsel. Er schüttelte energisch den Kopf und erwiderte nun reichlich ungeduldig: "Marina. Ich weiß doch was ich sehe. Ich mag nicht der klügste sein, aber zählen kann ich noch. Schau ich beweise dir, dass es ich fünf gesehen habe. Streck deinen Arm noch einmal so aus." Marina sah ihn ziemlich gefrustet und entgeistert an. Sie verstand zunächst gar nicht warum sie das noch einmal tun sollte. Sie glaubte fest daran, dass es wohl besser wäre Bofur zu einem Arzt zu schleifen. Dennoch tat sie es dann einfach um des lieben Friedens willen. Sie wiederholte die Geste nun zum dritten Mal und musterte den Mützenzwerg ernst. Dieser nickte knapp und ergriff wenig später ihr Handgelenk. Dann tippte er mit dem Zeigefinger auf jeden ihrer Finger an der Hand und zählte diese beim Daumen angefangen laut ab. "Eins, zwei, drei, vier, fünf. Siehst du. Es sind fünf. Nicht zwei", erklärte er trotzig woraufhin der jungen Mutter der Mund offen stehen blieb und ihr eine dezente röte in die Wangen stieg. Ich musste den Drang unterdrücken mir vor die Stirn zu schlagen und laut auszurufen: "Füße hoch! Da kommt ein Flachwitz!" Marina war unterdessen so baff, dass sie nur noch leise vor sich in stammelte: "Aber... aber.. aber... Das... Das hab ich so gar nicht gemeint." Bofur grunze daraufhin nur belustigt und fragte: "Wie denn sonst?" "Ich... ich meinte doch die beiden, die ich abgespreizt hatte", nuschelte sie betreten und schüttelte den Kopf. "Dann hättest du das auch so sagen sollen. Du hast mich nur gefragt, wie viele Finger ich sehen würde", meinte er und gluckste leicht, als er die dunkelhaarige Frau in ihrem verdatterten Zustand musterte. Damit war diese sonderbare Debatte dann auch abgeschlossen. Wobei ich nach einem kurzen unruhigen Seufzen doch zugeben musste, dass Bofur eine äußerst clevere, spitzfindige Antwort von sich gegeben hatte. Dabei hatte er zuvor noch erwähnt, dass er nicht wirklich klug sei. Offenbar war es ihm nicht einmal bewusst gewesen, dass er sich in vielen Dingen falsch einschätzte. Gut, eigentlich lag er nicht ganz richtig. Denn soweit eigentlich bekannt war, wurde der Daumen einer Hand nur indirekt zu den Fingern gezählt. Ich beließ es aber bei seiner Antwort, da ich froh war, dass diese Diskussion ihr halbwegs glückliches Ende gefunden hatte. Stattdessen musterte ich Kili noch einmal vorsorglich und fragte: "Bei dir auch alles gut?" Der dunkelhaarige Bursche zuckte nur mit den Schultern und meinte: "Nun, mein Kiefer scheint in Ordnung zu sein. Auch wenn er noch etwas weh tut. Aber sonst geht es mir gut." Nachdem er ausgesprochen hatte nickte ich zufrieden und klopfte ihm kurz auf die Schultern. "Gut, gut. Dann lasst uns mal weiter gehen. Ich will hier nicht übernachten", sagte ich ruhig und schritt an Kili vorbei um endlich mal Richtung Ausgang zu gelangen. Meine kleine Gruppe murmelte zustimmend und so setzten wir gemeinsam unseren Weg fort. Wir blieben höchstens mal stehen, wenn wir an einem sehr kuriosen Spiegel vorbei kamen. Ansonsten wollten wir eigentlich nach der letzten Aktion nur noch zügig raus. Auf dem Weg um die nächste Ecke fragte Bofur mich plötzlich mit gedämpftem Ton: "Sag mal, Cuna." "Mal", erwiderte ich grinsend, als ich ihn unterbrach. "Ähm... nein. Das war es nicht, was ich von dir hören wollte. Ich wollte eigentlich von dir wissen, wie ihr Menschen es geschafft habt, dass diese Spiegel so krumm und gebogen sind", fragte er wobei er aufgrund meines Zwischenrufes kurz schmunzelte. Ich brummte einen Moment nachdenklich und tippte mir mit dem Zeigefinger gegen das Kinn, bevor ich ihm antwortete: " Ja weißt du, die werden so hergestellt. Ist ähnlich wie mit der Glasbläserei. Das solltest du ja kennen, denke ich. Das Glas wird während es noch heiß ist gebogen und verformt und dann wird es beschichtet, sodass ein solcher Spiegel entsteht." Der Mützenzwerg hob beeindruckt eine Augenbraue und murmelte: "So wird das gemacht? Faszinierend, was ihr Menschen alles erschaffen habt. Ich staune immer wieder." "Wundert mich nicht. Wenn man sowas ja nicht kennt. Und es gibt jede Menge Dinge von denen ihr noch rein gar nichts wisst. Aber ich glaube das wird sich bald legen, wenn ihr drei euch eine Weile hier eingelebt habt", erklärte ich ruhig, während wir endlich auf das große leuchtende Schild mit der Aufschrift "AUSGANG" zugingen. Doch bevor es soweit war, dass wir wieder ans Tageslicht treten konnten, erregte ein aller letzter Spiegel unsere Aufmerksamkeit. Einer der nicht so recht in die Ausstattung dieses Raum passen wollte. Er war ziemlich groß und klobig gebaut. Sein Rahmen war gut dreißig Zentimeter dick und bestand aus anthrazitfarbenem Pappmaschee. An seinem rechten Rand befand sich etwas abstehend einer dieser typischen Münzeinwurfschlitze, wie man sie bei allen sinnlos geldfressenden Automaten fand, die einem eigentlich nichts brachten. Außer gegebenenfalls die Erkenntnis Geld verschwendet zu haben. Darüber befand sich ein recht unansehnliches, abgenutztes Messingschild, welches man mit nur einer Schraube an Rahmen befestigt hatte. Darauf standen einige vielsagende Sätze in schwarzer, verschnörkelter Schrift. Darunter befand sich ein runder Aufkleber in Form einer Ein Euro-Münze, sodass selbst ein Nicht-Einheimischer wusste, worauf das klobige Ding hinaus zielen wollte. Trotz dieser offensichtlichen Tatsachen blieben wir alle mehr oder weniger fasziniert davor stehen und lasen die Inschrift. "SPIEGEL DER WÜNSCHE. Wirf eine Glücksmünze ein und erblicke das, was du dir von ganzem Herzen wünschst" Ich schüttelte nur zynisch den Kopf und dachte, ja ja, schon klar. Glücksmünzen einwerfen und Herzenswünsche erfüllen. Die Sendung "Wünsch dir Was" wurde doch bereits Jahre vor meiner Geburt abgesetzt. Und selbst eine Neuauflage, die es mal vor wenigen Jahren gegeben hatte, reichte nicht mal an den Erfolg des Originals heran. Wie sollte es dann so ein billiger Jahrmarkt Nepp tun? Eben. Gar nicht. Die Einzigen, die dadurch vielleicht glücklich wurden und dessen Herzenswünsche dadurch in Erfüllung gingen, waren die der Betreiber. Also reine Zeit und Geldverschwendung. Noch dazu war dies eher ein sehr plumper Abklatsch eines Spiegels, welcher in Büchern und Filmen über einen bestimmten Zauberlehrlings gezeigt und beschrieben wurde. Vielleicht hatten die Eigentümer ja mal einen alten Kinoaufsteller ersteigert und diesen dann umgebaut. So genau konnte ich das nicht sagen. Ich fand es nur armselig. Mit so etwas konnte man allerhöchstens Kinder und Abergläubische locken. Mich allerdings nicht. Ich musste mein Geld beisammen halten. Ich wandte mich alsdann davon ab und wollte schon durch die Öffnung des Ausgangs treten, als ich hinter mir eifriges Gemurmel und Geklimper von Münzen hörte. Ich schaute kurz über die Schulter und wollte schon fragen, ob die anderen denn nun langsam kommen wollten. Stattdessen schloss ich meinen bereits geöffneten Mund wieder und rollte im Anschluss genervt mit den Augen. Natürlich, wie konnte es anders sein. Die Zwerge hatten erneut Gefallen an etwas gefunden. Hätte ich mir auch denken können, als ich schon an Kinder und Abergläubische gedacht hatte. Zwerge waren ja irgendwo beides. Zumindest in gewisser Weise. "Was macht ihr denn da schon wieder für einen Blödsinn? Ich dachte wir wollten hier raus?", fragte ich sie mit genervtem, ungeduldigem Ton und stützte meine Hände in die Hüften. In der Zwischenzeit hatte Fili bereits eine Ein-Euro-Münze in seinem Geldsäckchen gefunden und hob diese triumphierend in die Luft, ehe er mir mit einem breiten Grinsen antwortete: "Ja, wir gehen ja gleich raus. Ich will nur sehen, ob mein größter Wunsch wirklich in Erfüllung gehen wird." Ich verzog nach seiner Aussage nur skeptisch den Mund und hob eine Augenbraue. "Und du denkst wirklich allen Ernstes, dass dieses Ding dir dabei helfen wird?", hakte ich noch einmal nach, woraufhin der blonde Bursche entschlossen nickte. "Einen Versuch können wir ja wagen. Ich denke nicht, dass da etwas schief gehen kann", sagte er zuversichtlich, streckte seine Hand mit dem Euro nach dem Münzschlitz aus und versenkte diese mit einem metallischen klimpern darin. "Na, du wirst sehen, was du davon hast. Ist ja dein Geld", kommentierte ich seine Aktion und blickte in den Spiegel, der wenig später zu einer klaren Glasscheibe wurde. Offenbar hatte das Einwerfen eine Art chemische Reaktion in der Scheibe ausgelöst, wodurch die spiegelnde Oberfläche verschwand und einen Fernsehbildschirm frei gab, der kurz drauf ein sehr bizarres Video abspielte. Wir sahen zunächst irgendein Meer mit weißem Sandstrand und Palmen. Dann tauchte ein typisches Modelpärchen auf, welches Hand in Hand durchs Bild lief. Sich umarmte und küsste. Danach sah man das gleiche Paar in einem Ultra modernen Haushalt mit zwei bis drei Kindern spielen. Zusätzlich hörten wir durch einige versteckte Lausprecher Musik und eine sanfte Frauenstimme, die uns ruhig erklärte, was wir dort sahen. Dir Funktion war wohl für blinde gedacht. Es gab sogar den ein oder anderen Untertitel für Taubstumme. Aber so wirklich spektakulär war das Ganze nicht. Mich erinnerte das eher an eine Fernsehwerbung von irgendeiner Bank. Es hätte nur noch im Abspann das obligatorische "Wir machen den Weg frei" oder "Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause" samt Sponsoren Logo gefehlt. Nach gut einer Minute war der Spuk wieder vorbei. Die Scheibe wurde wieder zum Spiegel und darin erschien das missmutige Gesicht von Fili. "Was in Durins Namen soll das?! Das habe ich mir gar nicht gewünscht!", polterte er mit hoch rotem Kopf drauf los. "Was hast du dir denn gewünscht?", fragte ihn Jana leicht verunsichert von der Seite und legte ihm eine Hand auf den Arm, sodass er nicht in Versuchung geriet dem Gerät eine reinzuhauen, was er in seiner rage durchaus gern getan hätte. Aber ihre liebevolle Berührung ließ ihn inne halten und betreten den Kopf senken, ehe er sprach. "Weißt du, ich habe mir gewünscht, dich nach diesem Tag bald wiederzusehen. Und diese Bildergeschichten hatte nichts damit zu tun", nuschelte er verlegen. Über das Gesicht der jungen blonden Frau huschte ein sanftes zärtliches Lächeln, als sie dies hörte. "Aber Fili. Dafür brauchst du doch keinen Spiegel, der die seine Wünsche erfüllt. Das kannst du doch auch so haben. Du musst nur fragen. Außerdem kannst du mich jederzeit anrufen. Das weißt du doch", meinte sie und drückte ihm daraufhin ein flüchtiges Küsschen auf die Wange. Das entlockte seiner betrübten Miene wieder ein sanftes Lächeln und er nickte zustimmend. "Du hast recht. Das war wirklich dumm von mir", sagte er und schlang ihr einen Arm um die Hüften. Ich atmete unterdessen tief durch und schüttelte nur den Kopf. "So, können wir dann jetzt gehen, bitte?", fragte ich erneut und ruckte mit dem Kopf zum Ausgang. Doch meine deutliche Aufforderung wurde von Bofur unterbrochen, welcher sich nun ebenfalls an dem Gerät versuchen wollte. Ohne zu zögern warf er die Münze ein und erneut setzte sich der Mechanismus in Gang. Die Spiegel wurde zur Scheibe und das Theater mit dem Video ging von vorne los. Also etwas Abwechslung hätten die Herrschaften ja doch mit reinbringen können, dachte ich so bei mir, während Bofur sich nun seinerseits aufregte. "Was soll das? Wieso sehe ich dieselben Bilder wie Fili? Wollen die uns zum Narren halten?", fauchte er das Spiegelpärchen gefrustet an, welches wieder am Strand entlang ging. "Vielleicht ist der Spiegel ja kaputt", erwiderte Kili, welcher es sich nicht nehmen ließ plötzlich mehrfach mit der flachen Hand gegen den Rahmen zu schlagen. "Waaah! Kili! Nein! Lass das! Du machst das Ding noch kaputt!", rief ich entsetzt, als ich dies mitbekam und ergriff in Windeseile seinen Arm. Der dunkelhaarige Bursche drehte seinen Kopf daraufhin zu mir und versah mich mit einem unschuldigen Schulterzucken. "Aber der ist doch schon kaputt. Warum sollte er denn sonst immer wieder dieselbe Bildergeschichte zeigen?", fragte er etwas ungeduldig und entwand seinen Arm aus meinem Griff. Ich seufzte kurz und rieb mir langsam über die Schläfen. Ganz ruhig, Jacky. Sie wissen es nicht besser. Alles wird wieder gut. Erkläre es ihnen ruhig, dann werden sie es hoffentlich verstehen, dachte ich mit leicht einsetzenden Kopfschmerzen. Ich schloss einen Moment die Augen, holte tief Luft und antwortete dann so ruhig und langsam, wie ich nur konnte. "Das ist so gewollt. Diese Bilder sollen eigentlich nur die größten Sehnsüchte und Wünsche der Menschen darstellen. Ein schönes gesundes Leben mit einem Partner und vielleicht mit Kindern. Dazu ein netter Urlaub in einem Inselparadies und ein eigenes Haus. Vielen reicht das um glücklich zu sein. Und bei den Meisten ist das auch machbar, sofern sie das auch wollen", sagte ich und musterte Kili danach eingehend. Dieser warf mir lediglich einen verständnislosen Blick zu und fragte: "Aber, warum soll man dann Geld bezahlen, um Dinge zu sehen, von denen man weiß, dass man sie sich wünscht und dass sie auch eintreten können, wenn man es will?" "Diese Bilder sollen den Menschen zum Träumen anregen und helfen an eine schöne Zukunft zu glauben. Aber wenn du mich fragst, ich halte das lediglich für rausgeworfenes Geld", meinte ich und blickte abwertend auf den Spiegel. Kili brummte daraufhin zustimmend und ein wenig betrübt. Auch er hatte zuvor einen Euro aus seinem Geldsäckchen geholt, um zu sehen, ob sein größter Herzenswunsch in Erfüllung gehen würde. Doch auch ihm war nach meiner Erläuterung klar, dass kein Geld dieser oder der anderen Welt ihm das widergeben würde, was er einst verloren hatte. Tief getroffen steckte er die Münze wieder weg und versuchte kein allzu trauriges Gesicht zu machen. Ich konnte seinen Schmerz hingegen ganz deutlich in seinen Rehbrauen Augen aufblitzen sehen. Und ich fühlte es ihm nach. Was hätte ich nicht alles dafür gegeben, wenn die Sache mit dem "Wunschspiegel" wahr gewesen wäre. Zu gern hätte ich gewusst, wie es Thorin in diesem Augenblick erging. Ob er gesund und munter war. Mein Herz verkrampfte sich bei dem Gedanken mir vorzustellen, dass er vielleicht irgendwo verletzt oder, und daran wollte ich erst recht nicht denken, tot herum lag. Das Einzige, was ich in letzter Zeit nur von ihm hatte, waren meine Träume in denen ich ihn im hohen Gras einer fremden Landschaft singen hörte ohne ihn sehen zu können. Wenn ich ihn doch nur einmal sehen könnte, dachte ich betrübt. Für einen Moment. Ein paar Sekunden. Nur um zu wissen, dass er wohl auf war. Das war das Einzige was ich mir mehr als alles andere wünschte, als ich in die reflektierende Oberfläche starrte. Wie sehr ich seinen strengen, ernsten Blick vermisste. Seine wunderschönen blauen Augen, die zum einen so kalt wies und im nächsten Moment so viel Wärme versprühten, dass ich jedes Mal innerlich zu verbrennen drohte. Doch nicht nur sein ernster Blick. Nein auch das Lächeln hinter seinem dunklen Bart vermisste ich. Und seine dunkle Stimme in meinen Ohren, die mich stets bei dem Namen nannte, welchen ich einst meiner Zwergin gegeben hatte. All das und mehr wollte ich von ihm sehen und hören. Nicht mehr und nicht weniger. Mit einem Mal war mir auch so als könne ich ihn wirklich sehen. Genau vor mir. Den stolze Zwergenkönig mit seinen edlen Gesichtszügen und einem grimmigen, ernsten Blick in den Augen, der sich tief in meine zu bohren schienen. Ich hatte das Gefühl, als würde er mich genau in diesem Moment ansehen. Und dennoch war es so, als sähen mich seine Augen auch wieder nicht. Dann öffnete sich sein Mund etwas um etwas zu sagen, doch wo ich glaubte, dass er meinen Namen sagen würde kam von ihm nur ein: "Was willst du, Gandalf?" Erschrocken aufschreiend wich ich vom Spiegel weg und rieb mir die Augen. Was? Wieso Gandalf? Wo war seine Stimme auf einmal hergekommen? Ich war doch nur wieder am Tagträumen! Oder etwa nicht? Ich schüttelte kurz meinen Kopf um wieder klar zu werden und starrte dann erneut in den Spiegel vor mir, wobei sich meine Augen vor blankem Entsetzen weiteten. Nein! Nein, das konnte doch nicht sein! Wie um alles in der Welt?! War ich jetzt verrückt geworden?! Um Himmels willen! Der Thorin, den ich mir noch vor ein paar Sekunden vorgestellt hatte war immer noch da. Genau an der Stelle, wo eigentlich mein Spiegelbild hätte sein müssen. Nein! Nein, nein, nein! Das war doch nur wieder so ein Traum. Das konnte nicht ECHT sein! Es war unmöglich ihn sehen zu können. Ich bildete mir das alles nur ein. Zumindest versuchte ich mir das einzureden. Bis ich hinter mir ein mehrstimmig gekeuchtes: "Thorin!" vernahm. Ich fuhr ruckartig mit dem Kopf zu den Zwergen und sah, wie sie die Münder bis zum Anschlag aufklappten. Und nicht nur ihnen. Auch die beiden Damen waren mehr als entsetzt. Sie schüttelten ebenso ungläubig die Köpfe wie ich zuvor. Erst als ich die Reaktion der anderen sah wusste ich, dass dies alles kein Traum war, sondern bittere Realität. Das was wir dort in diesem Spiegel sahen war echt! Und diese Erkenntnis würde noch schwere Folgen nach sich ziehen. - 108. Wünsche, Träume und Katastrophenalarm / ENDE - Kapitel 109: 109. Ungewöhnliche Paarberatung mit Doktor Gandalf --------------------------------------------------------------- Wie? Was? Warum? Wieso? Weshalb? All diese Fragen schossen mir im Sekundentakt durch den Kopf. Doch ich konnte keine Antwort darauf finden. Es gab nur eine Sache, die ich mit Sicherheit sagen konnte. Und zwar, dass mein Verstand sich irgendwo in die hintere Hälfte meines Schädels verzogen hatte. Mein ganzer Körper zitterte. Mein Herz hämmerte wie wahnsinnig in meiner Brust, nachdem es in der ersten Schrecksekunde wohl einen Moment ausgesetzt hatte. Alles schien sich in mir und um mich herum zu drehen. Ja ich fürchtete, dass ich im nächsten Augenblick lang hin und Tod umfallen würde. Fast panisch versuchte ich irgendwo Halt zu finden. Diesen erhielt ich auch glücklicher Weise indem ich einmal Blindlinks mit der linken Hand ausholte und mich fast verzweifelt an die Schulter von Kili klammerte, der noch neben mir stand. Der junge Zwerg bemerkte das aber offensichtlich kaum. Denn auch er schien über alle Maßen erschüttert zu sein. Ebenso wie der Rest unserer Gruppe. Noch immer starrten wir wie gebannt auf den makaberen Spiegel der Wünsche, indem sich weiterhin das Gesicht des Zwergenkönigs zeigte. Und je länger wir ihn musterten, umso deutlicher wurde sein Bild sogar. Wir konnten nach einer Weile sogar die Umrisse eines Raumes hinter ihm erkennen. Doch was genau es für ein Ort war, konnte man nur erahnen. Er stand in voller Lebensgröße auf einem recht schäbigen alten Holzfußboden. Die Wände in seinem Rücken erinnerten an ein sehr altes Fachwerkhaus. Hier und da bröckelte schon der lehmige Putz herunter. Die hölzernen Möbel, welche man aus dieser Position erkennen konnte, standen ordentlich im Raum verteilt herum. Was mir dabei auffiel war, dass alles irgendwie spartanisch wirkte. Sprich, es war immer nur das Nötigste vorhanden. Nichts sah so aus, als wäre es für einen längeren Aufenthalt eingerichtet worden. Vielleicht ein Gasthaus? Ja, das könnte es bestimmt sein. Ich konnte mir nämlich nicht vorstellen, dass Thorins Wohnung oder Haus im Reich der Götter derart heruntergekommen war. Dafür hatte der kleine Mann dann doch zu hohe Ansprüche was Bequemlichkeit anbelangte. Zumindest hatte es noch vor einer Woche so ausgesehen, als er das erste Mal meine neue Wohnung betreten hatte. Doch bevor ich mir darüber weiter Gedanken machen oder mich über seine Eigentümlichkeit ärgern konnte, erklang erneut seine Stimme aus den versteckten Lautsprechern. "Was ist nun? Sprich endlich Zauberer? Was willst du?", sagte er mit reichlich genervtem und ungeduldigen Unterton. Ich zuckte kurz zusammen und sah mich verwirrt um. Was? Wieso Zauberer? Gut, er hatte vorhin schon Gandalf gesagt. Aber hier war doch gar kein Gandalf. Auch die anderen tauschten untereinander flüchtig fragende Blicke aus und suchten zum Teil sogar nach dem alten Zauberer. Aber in unserem Raum war niemand außer uns. Oder meinte er uns gar nicht? Ich sah wieder zum Spiegel und musterte Thorin eingehend. Er war in volle Rüstung gekleidet, sein Rucksack stand rechts neben seinen Füßen und daran lehnten sein Schwert. Offenbar, war er mal wieder auf Reisen oder er war vor kurzem erst aufgebrochen. Denn in seiner rechten Hand sah ich ganz deutlich das weiße, schummrige Licht eines faustgroßen Edelsteins leuchten. Als ich mich danach eher widerwillig seinem Gesicht zuwandte fiel mir auf, dass er nicht gerade gut aussah. Zumindest was seine körperliche Verfassung betraf. Er hatte tiefe Schatten unter den Augen, seine schwarzen Haare sahen wesentlich zerzauster aus als normal und hier und da konnte ich sogar das ein oder andere Laubwerk erkennen, welches sich darin verfangen hatte. Alles im allem wirkte der Mann fix und fertig. Vollkommen übermüdet und erschöpft. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich ihn so sah. Also ging es ihm auch ziemlich schlecht. Vermutlich sogar weitaus schlechter als mir. Aber er war zumindest am Leben und nicht irgendwie schwer verletzt, was mich dann doch ein wenig erleichterte. Dennoch war irgendetwas komisch an ihm. Als ich mich wieder seinen schönen blauen Augen zuwandte, erkannte ich, dass sie irgendwie ausdruckslos in leere starrten. So als würde er gar nicht sehen, dass wir vor ihm aufgetaucht waren. Oder waren wir es vielleicht gar nicht? Himmel, das war doch einfach nur verrückt! Wie konnten wir ihn denn sehen, aber er uns nicht?! In dem Moment hätte ich mir liebend gern Richi herbeigewünscht. Der hätte vielleicht eine halbwegs vernünftige Erklärung dafür gehabt. Aber so konnten wir nur weiter auf den Spiegel starren und abwarten, was denn noch so passierte. Doch vorerst war es toten still. Niemand traute sich noch etwas zu sagen. Dann erhob sich mit einem Mal eine neue Stimme, welche ebenso wie die von Thorin aus den Lautsprechern an unsere Ohren drang. "Du weißt ganz genau, was ich hier will", sagte die alte, aber doch wohlvertraute Stimme eines Mannes, der bald drauf in voller Lebensgröße hinter dem Zwergenkönig ins Bild trat. Hochgewachsen, in seinen alten grauen Reisemantel gehüllt und mit ernster Miene erschien Gandalf vor unseren Augen. Sein unerwartetes und wohl auch unerwünschtes Eintreten ließ Thorins Gesicht verhärten. Er presste die Lippen zusammen und verengte die Augen, ehe er erneut sprach. "Nein. Das weiß ich nicht. Entweder sagst du es mir. Oder du verschwindest. Ich habe keine Zeit mich mit dir herumzuschlagen", knurrte er bedrohlich durch seine zusammengebissenen Zähne hervor. Er war wütend. Das sah ich ihm an. Ob es nun allein durch die Anwesenheit des Zauberers war oder weil er sich im Allgemeinen gestört fühlte, konnte ich nicht wirklich deuten. Aber es war ihm sichtlich nicht recht im Augenblick in ein Gespräch verwickelt zu werden. Gandalf ließ sich hingegen nicht weiter davon beeindrucken, wie sich der Zwergenkönig wohl zu fühlen schien und sagte im ruhigen ernsten Ton: "Thorin. Ich verstehe, dass es nicht leicht für dich ist. Und ich weiß, was derzeit in dir vorgeht. Dennoch solltest du dich nicht weiter davor weglaufen. Damit machst du es nicht ungeschehen." Kaum hatte der Zauberer den Mund geschlossen, fuhr Thorin ruckartig zu ihm herum. Nun konnte ich nur noch seinen Rücken sehen, doch als ich seine Stimme hörte stellten sich mir die Nackenhaare auf und ich war versucht einen Schritt vom Spiegel zurück zu weichen. "Du verstehst?! Du weißt?! Das ich nicht lache! Du kannst es weder verstehen, noch kannst du wissen wie ich mich fühle. Wie.. Wie sie sich gefühlt hat. Du warst nicht zugegen als es geschehen ist. Wie kannst du dir anmaßen auch nur im Entferntesten etwas davon zu verstehen und zu wissen?! Sag es mir!", knurrte er sehr leise und weitaus bedrohlicher als vorher. Oh wie ich diesen Wortlaut kannte und innerlich auch fürchtete. Thorin war kurz davor zu explodieren. Fast reflexartig hob ich meinen rechten Arm in der Hoffnung ihn beruhigend an der Schulter fassen zu können. Doch meine Fingerspitzen stießen nur gegen die kalte, glatte Scheibe, sodass ich meinen Arm ruckartig wieder zurück zog. Kili hatte indessen endlich bemerkt, dass ich mich bei ihm abstützte und legte seine linke Hand ruhig auf die meine. Gerade so, als wolle er mich trösten oder zumindest wieder in die Realität zurück holen. Die stumme Geste meines zwergischen Bruders ließ mich tatsächlich für den Moment von der surrealen Szene zu ihm schauen und den Mund öffnen. Doch als er es im Augenwinkel bemerkte, schüttelte er kaum merklich den Kopf und versah mich mit einem entschuldigenden Ausdruck auf dem Gesicht. Dennoch ließ er nicht los, sondern hielt meine Hand weiterhin auf seiner Schulter fest. Ich schloss meinen Mund und nickte knapp. Reden war zu diesem Zeitpunkt weder angesagt noch wichtig. Er war nur da um mich zu stützen. Mir die Kraft zu geben, die ich gerade dringend nötig hatte. Nicht mehr und nicht weniger. Und dafür war ich ihm sehr dankbar. Denn ich war immer noch wie verrückt am zittern. Am liebsten wäre ich umgehend aus dem Spiegelkabinett gestürmt und hätte mich in irgendeiner dunklen Ecke verkrochen um mich zu beruhigen. Allerdings wollten sich meine Beine partout nicht vom Fleck bewegen. Und irgendwo war das auch gut so. Denn auf der anderen Seite wollte ich schon noch wissen, was Gandalf und Thorin da besprachen. So wandte ich mich wieder von Kili ab und starrte in den Spiegel. Der große Zauberer schwieg schon eine ganze Weile und musterte den Zwergenkönig von oben herab sehr lange. Schließlich neigte er leicht den Kopf und erwiderte in ruhigem, versöhnlichen Ton: "Balin hat mir alles erzählt. Und du hast recht. Ich kann es nicht genau verstehen. Aber ich erahne, was in deinem und auch in ihrem Herzen vor sich geht. Dafür habe ich genug Schmerz in dieser Welt gesehen, um zu erkennen was jemanden wie dich bewegt. Deshalb sage ich dir noch einmal, indem du davor wegläufst wirst du es nicht ungeschehen machen. Du solltest vielmehr nach einer Lösung suchen, wie ihr diese Zeit gemeinsam übersteht." "Was glaubst du, was ich hier tue, Gandalf?! Ich suche eine Lösung! Deshalb bin ich hier! Also behellige mich nicht mit deinen altklugen Ratschlägen und verschwinde!", blaffte Thorin ungehalten und trat mit einem langen Schritt näher an ihn heran. Doch Gandalf schüttelte nur mit ernster Miene den Kopf. "Nein, das werde ich nicht. Jedenfalls nicht, bis du mich angehört hast. Ich bin dir nicht den ganzen Weg über bis hierher gefolgt um dich zu belehren, sondern um dir meine Hilfe anzubieten", sagte er nachdrücklich, wobei seine Erscheinung plötzlich um einiges größer wurde als zuvor. Unterdessen hörte ich Thorin hämisch schnauben. Ja fast schon lachen. "Helfen willst du mir? Und wie? Indem du mir vorwirfst ich sei ein Feigling?! Ein Mann, der es nicht fertig bringt seine Liebste glücklich zu machen?!", fragte er spöttisch, wobei mir der bittere Unterton in seinen Worten nicht entging. Der Zauberer schüttelte unterdessen nachsichtig den Kopf. "Das habe ich nicht gesagt. Es sind deine Worte, mein Freund. Eben jene, die du mehr als alles andere im Augenblick fürchtest", erwiderte er ehe ihn der Zwergenkönig unterbrach. "Ich fürchte mich vor gar nichts! Weder vor meinen Worten, noch vor ihr! Misch dich gefälligst nicht in unsere Angeleheiten ein und lass uns in Ruhe!", brüllte Thorin dieses Mal, wobei er drauf und dran war sich seinen Rucksack und das Schwert zu schnappen. Er hatte genug. Er wollte gehen. Doch nun riss auch dem Zauberer endgültig der Geduldsfaden. "THORIN EICHENSCHILD! Sei kein verdammter Narr und hör gefälligst zu!", donnerte es uns und auch Thorin entgegen, sodass wir alle zusammen zuckten. Um Gandalf herum schien sich eine Art bedrohliche dunkle Aura aufgebaut zu haben, bei der selbst der Zwergenkönig inne hielt und sichtlich verunsichert in einer Bewegung erstarrte. Nun bekam der kleine Mann kein einziges Wort mehr heraus. Entweder, weil er zu überrascht oder einfach nur beeindruckt von dieser starken Präsenz war. Das konnte ich von meiner Position aus nicht sagen. Aber ich hatte den Zauberer ja auch einmal live in Aktion gesehen und wusste daher in etwas um die Wirkung seines Auftretens. Deshalb wunderte es mich auch nicht, dass die beiden Frauen in meinem Umfeld ein erschrockenes Keuchen von sich gaben und Kili meine Hand etwas fester drückte. Ich nahm das alles aber nur beiläufig war. Zu gebannt war ich von dem Anblick. Es war einfach nur unheimlich und ich konnte mir ein unbehagliches Schlucken nicht verkneifen. Aber so schnell wie dieser Ausbruch des Zauberers auch gekommen war, war er auch binnen Sekunden wieder verflogen. Thorin richtete sich indessen ganz langsam ohne seine Sachen auch nur angerührt zu haben auf und straffte die breiten Schultern. Immer noch brachte er kein Wort heraus. Stattdessen sah ich ihn kurz den Kopf neigen, was wohl bedeutete, dass er nun endlich gewillt war Gandalf zuzuhören. Dieser atmete erleichtert auf und begann zu erklären: "Siehst du. Genau das ist es, was ich dir vorhin schon gesagt habe. Du versuchst davon zu laufen. Nicht etwa weil du dich vor ihr fürchtest. Nein. Du fliehst vor deinen eigenen Gedanken. Vor dem Schmerz den es dir bereitet an das geschehene zu denken. Du denkst, dass sie sich von dir abgewandt hat und dich verstoßen würde, wenn du es wagst ihr noch einmal zu nahe zu kommen. Und ich sage dir nun zum dritten Mal, dass du es auf diese Weise nicht ändern wirst. Das ist keine Lösung, Thorin. Du hast Angst. Angst vor dir selbst und vor ihrer Reaktion. Davor, dass es wieder passieren wird, wenn du bei ihr bleibst. Dass sie dich nicht mehr sehen will. Doch anstatt dich dieser Angst zu stellen, versteckst du sie hinter deinem Stolz. So wie du es damals schon getan hast." "Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun? Ich meine, du weißt es doch. Du weißt, was ich ihr angetan habe. Diese Wunde, die ich ihr in meinem Zorn beigebracht habe. Das Blut, welches an meinen Händen klebt und die Qualen, die sie dadurch gelitten hat. Dabei wollte ich sie nur glücklich machen. Ich wollte sie nicht mehr weinen sehen. Und was ist jetzt? Ich habe ihr das nur größtmögliche Unglück gebracht. Das hat sie nicht verdient, Gandalf. Sie gehört zu einem Mann der ihrer würdig ist. Und nicht zu einem einfältigen, alten Zwerg, der ihr nur Kummer bereitet. Jedes Mal, wenn ich sie anschaue, werde ich die Narben sehen. Jeden Tag. Ich kann es nicht ertragen, sie so leiden zu sehen. Diese Bürde, die ich ihr auferlegt habe, als ich sie zu der meinen gemacht habe. Obwohl ich sie davor warnte, sich nicht mit mir einzulassen. Ich frage mich bis heute, wie dieses Weib so töricht und dumm sein konnte mir ihr Herz zu schenken", brummte Thorin mit einem Mal reumütig und ließ die Schultern hängen, wie ein geschlagener Hund. In dem Moment umspielte Gandalfs Gesicht ein warmes, ruhiges Lächeln, ehe er beschwichtigend eine Hand hob und sie Thorin behutsam auf die Schulter legte. "Liebe, mein Freund, lässt sich nicht so einfach beeinflussen. Weder von Geld, noch von Zwängen. Sie ist frei von all unseren Taten und Worten. Sie kommt und geht, wie es ihr beliebt. Sicherlich ist es bei Menschen anders als bei Zwergen. Doch sie ist das stärkste Gefühl der Verbundenheit zwischen zwei Wesen. Sie sieht keinen Unterschied zwischen den Völkern. Und wenn ich so darüber nachdenke, warst du ebenso töricht und dumm ihr dein Herz zu schenken. Sonst würde ihr Schicksal dich in keinster Weise bewegen", sagte er und schaute dem Zwergenkönig eindringlich an, während er seine Schulter freundschaftlich drückte. Thorin entkam indessen ein tiefer aber aufrichtiger Seufzer. "Ja. Ja, ich liebe sie. Jede einzelne Facette ihrer selbst ist einzigartig. Wie sie geht, wie sie sich bewegt. Ihre Stimme. Ihr Lachen. Sogar ihren unverbesserlichen, kindischen Sturkopf. Alles. Oh Mahal. Gandalf, ich liebe Cuna mehr als alles Gold und jedwedes Juwel dieser Welt. Mehr als mein eigenes Leben! Verstehst du?!", kam es mit einem mal nur so aus ihm hervorgesprudelt und mit jeder Silbe seiner Wörter wurde er euphorischer, ja fast schon ein bisschen verzweifelt. So als könne er gar nicht genug beteuern, wie sehr sein Herz an mir hing. Ich musste erneut schlucken und legte mir die zitternden Finger meiner freien Hand auf den Mund. "Oh, Thorin. Du alter Blödzwerg", huschte es unverhofft leise, aber deutlich berührt über meine Lippen. Ich konnte es mir nun auch die ein oder andere Träne nicht mehr verkneifen, welche mir über die Wangen liefen. Davon schien allerdings niemand außer mir Notiz zu nehmen. Stattdessen waren nun Jana und Marina auf etwas aufmerksam geworden. Nämlich auf den Namen, den der Zwergenkönig ausgesprochen hatte. In meinem leicht feuchten Augenwinkel konnte ich beide empört die Mündern öffnen und zu mir herüber schielen sehen. Doch bevor sie auch nur dazu ansetzen konnten etwas zu sagen, erhob Gandalf erneut die Stimme. "Das verstehe ich sehr gut. Und ich bin sicher, sie fühlt ebenso für dich. Auch wenn ihr beide derzeit so viel Schmerz und Leid erdulden müsst, und so weit voneinander getrennt seid, sind eure Herzen immer noch miteinander verbunden. Sie sorgt sich um dich, so wie du dich um ihr Wohlergehen sorgst. Auch das ist Liebe. Sie ist wie... Wie das Getreide auf den Feldern. Es kann nicht jeden Tag die Sonne scheinen. Denn dann würde das Getreide, welches man gesät hat niemals reifen. Daher sind Regentage ebenso wichtig. Aber auch nicht zu viel. Denn dann verfault es und wird nicht ertragreich. Beides muss vorhanden sein. Jedoch in einem geeigneten Maße. Cuna hatte gewiss viele Regentage in ihren Leben, bevor sie dich kennen lernte. Dasselbe gilt auch für dich. Daher hast du ohne es zu wissen dein Getreide auf einem vollkommen durchweichten Boden ausgesät, bevor du diesen bestellt und Urbar gemachen hast. In der Hoffnung, wenn du den Pflanzen ausreichend Sonne zukommen lässt, dass sie Früchte tragen werden. Das Gleiche hat sie wohl bei dir auch versucht. Nur stieß sie auf ähnliche Schwierigkeiten, wie du bei ihr. Ihr habt beide den zweiten Schritt vor dem ersten getan und seid hingefallen. Nun liegt ihr beide am dem Boden, den ihr bepflanzen wolltet und wisst nicht, wie es weiter gehen soll. Ihr seht, dass die Pflanzen nicht gedeihen und fürchtet um eure Ernte. Aber ich sage dir, es ist noch nicht zu spät um sie zu retten. Ihr befindet euch noch im Frühjahr eurer Liebe. Ihr könnt noch einmal von vorne beginnen. Aber das müsst ihr beide wollen und dann auch richtig angehen. Sonst werden eure Felder es nicht bis in den Sommer schaffen", sagte er und drückte Thorins Schulter noch einmal fest. Im selben Moment blickte der alte Zauberer kurz über Thorins Schulter hinweg, sodass ich hätte schwören können, dass er mich anstarrte. Fast reflexartig musste ich sogar nicken, obwohl ich glaube, dass er es nicht sehen würde. Doch dann zwinkerte er mir plötzlich zu, weshalb ich kurz drauf den Kopf verwirrt schüttelte und erschrocken die Augen weit aufriss. Konnte er uns Tatsächlich sehen? Im Ernst?! War er es vielleicht gewesen, der diese eigentümliche Verzerrung im Raum-Zeit-Gefüge geöffnet hatte? Nur damit er nicht nur Thorin, sondern auch mir in Gewissen reden konnte? Zumindest war das die einzige Erklärung, die ich für das ganze Geschehen finden konnte. Eine andere Theorie wäre natürlich der Arkenstein in Thorins Hand gewesen. Vielleicht war es auch ein Zusammenspiel aus beidem. Die Macht des Zauberers und die Kraft des Arkenstein, welche dieses unerwartete Treffen ermöglichten. Ich konnte mir beim besten Willen keinen Reim darauf machen. Eigentlich war es auch zunächst vollkommen egal. Das einzige was ich plötzlich in meiner Brust fühlte war eine unglaublich tiefe Dankbarkeit für den alten Mann. Ich verstand, was Gandalf meinte. Thorin und ich waren viel zu unbedarft und Hals über Kopf in diese Beziehung hinein geschlittert. Wobei der Zwergenkönig es weitaus eiliger gehabt hatte als ich, was gewisse Punkte wie das Kinderkriegen betraf. Aber so ganz unschuldig war ich ja auch nicht gewesen, als ich nach nicht einmal zwei Wochen in seinen Heiratsantrag eingewilligt hatte. Da hatte ich wohl die klischeebehaftete, rosarote Brille auf der Nase gehabt. Und Gandalf hatte sie mir nun mit seinen teils kryptischen Worten wieder herunter gerissen. Wir hatten zu viel von dem jeweils anderen erwartet. Dabei hätte ich doch nach meinen vielen Jahren in einer Beziehung wissen müssen, dass es so nicht funktionieren konnte. Himmel, wie grottendämlich und blind ich mal wieder gewesen war. Aber Liebe macht ja auch bekanntermaßen blind. Was natürlich nicht bedeutete, dass man nicht ab und an jemanden brauchte, der von außen den Überblick behielt. Seien es nun Freunde, Familie oder in unserem Fall Gandalf, der sich um das Glück anderer kümmerte. Und ich schwor mir in diesem Moment, dass, sollte ich den alten Zauberer eines Tages wiedersehen, er von mir eine feste Umarmung und einen dicken Schmatzer auf die Wange bekam. Da war es mir dann auch egal, wie Thorin das wohl finden würde. Dieses Dankeschön hatte sich Gandalf von mir verdient. Aber vorerst, konnte ich nur noch den letzten Rest des Gespräches mit verfolgen. Der Zwergenkönig hatte nachdenklich den Kopf geneigt und murmelte anschließend Gedankenverloren: "Ich verstehe nicht ganz, was du mir sagen willst. Aber ich weiß, dass es jetzt noch zu früh ist um zu ihr zurückzukehren." "Glaub mir, ich kann dir helfen es zu verstehen. Und ich kenne genau den richtigen Ort dafür. Wenn du möchtest erkläre ich dir alles bei einem kleinen Umtrunk in der Schenke", meinte der Zauberer und lächelte gut gelaunt. "Ein Krug Bier kann nun wahrlich nicht schaden. Aber du erzählst mir ja alles zu diesem besagten Ort", kam es seufzend und sehr knapp von Thorin, der sich nun wieder zu seinem Rucksack und dem Schwert bückte, um diese aufzuheben und sich überzuwerfen. Nebenher verstaute er den Arkenstein in einem kleinen ledernen Beutel an seinem Gürtel und zurrte diesen fest zu. Damit gab sich der Zwergenkönig also endgültig geschlagen. Es hatte eben keinen Sinn gegen den Willen eines Zauberers anzukämpfen. Da konnte Thorin noch so stur und stolz sein, wie er wollte. Gegen Gandalf, war höchstens noch das gute alte Auenland Kraut gewachsen. Aber nicht mehr und nicht weniger. "Natürlich. Nach dir", sagte der alte Zauberer abschließend und wies ihn mit einer lockeren Handbewegung an das Zimmer zu verlassen. Doch bevor die beiden unser Sichtfeld verließen, drehte der Zauberer noch einmal sein Gesicht direkt in unsere Richtung und zwinkerte uns ein letzte Mal zu. Dann verschwamm das Bild und vor uns tauchte wieder die matte, reflektierende Oberfläche des falschen Wunschspiegels auf. Wie vom Donner gerührt standen die Zwerge, die beiden Frauen und ich nun vor dem Ding und gucken buchstäblich in die Röhre. Keiner wagte es sich zu bewegen oder auch nur irgendetwas zu sagen. Dafür saß der Schock immer noch viel zu tief. Schließlich vernahm ich doch eine leise, schüchterne Stimme, die sich direkt an mich wandte. "Jacky... Ist... Ist das... Ist das gerade... wirklich... passiert?", kam es von Jana, woraufhin ich kurz zusammen zuckte und mich abrupt zu ihr umdrehte. Doch nicht nur ich, auch die anderen wanden sich umgehend zu ihr. Als ich sie musterte, stand ihr das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Aber nicht nur ihr, auch Marina, welche direkt neben ihr stand war kreidebleich und schüttelte verständnislos den Kopf. Ich musste schwer schlucken und einige Male ganz tief Luft holen. Was sollte ich ihnen denn nun sagen? Wie sollte ich ihnen DAS erklären? Noch dazu wusste ich ja selbst nicht, wie das nun wieder passiert war. Geschweige denn warum wir das alles gesehen hatten. Ich öffnete ein paar Mal den Mund um etwas zu sagen. Ihnen irgendeine Erklärung abzugeben. Nur war mein Kopf wie leergeblasen. Das Einzige was man vielleicht durch meine Gedanken hätte laufen sehen, wäre vielleicht ein Steppenläufer gewesen, der in einer immer wiederholten Filmschleife von links nach rechts rollte. Zu mehr war ich wirklich nicht im Stande. Schließlich erbarmte sich einer der Zwerge das Wort zu ergreifen. Es war Bofur, welcher einen tiefen Seufzer von sich gab und betreten die Mütze vom Kopf zu. "Ich denke, es wird Zeit um euch beiden die Wahrheit zu sagen", meinte er und lächelte die Damen mit einem extrem geknickten Gesichtsausdruck an. "Die... Die Wahrheit? Welche Wahrheit? Was meinst du?", fragte Marina, wobei ihre Stimme um etliche Etagen in der Tonleiter nach oben gefallen war. Doch nicht der Mützenzwerg war es, der Ihr antwortete, sondern Fili, welcher Jana einen Arm um die Schulter legte. "Was er meint ist, die Wahrheit... Über... Über uns", sagte er kurz angebunden. "Ü-ü-über euch? Aber... Aber Fili... Fili was meinst du? Was soll das heißen? Etwa, dass ihr nicht die seid... die für die wir euch... euch halten?", kam es von seiner Angebeteten, welche sich ruckartig von ihm löste und stattdessen an Marina festklammerte. Der blonde Zwerg wirkte im selben Moment wie vom Bus überrollt, als sich seine Liebste ängstlich von ihm abwandte und Schutz bei der jungen Mutter suchte. Dennoch wagte er es vorläufig nicht die erneut zu berühren. Er wusste wohl schon, dass es keinen Sinn gemacht hätte sie in einem solchen Moment zu bedrängen. Daher sah er kurz mit einem entschuldigenden Nicken zu Boden und sagte nichts mehr. "Das kommt ganz darauf an, für wen oder was ihr uns gehalten habt", warf Kili wenig später unbehelligt ein, welcher meine Hand immer noch festhielt. Die beiden Damen waren sichtlich verstört und verängstigt. "Was... Was soll denn das wieder heißen? Für wen oder für WAS wir euch gehalten haben? Natürlich für ganz nette, freundliche, hilfsbereite Männer. Ein bisschen verrückt vielleicht, aber trotzdem", stammelte Marina und musterte einen nach dem Anderen. "Das sind sie auch.... aber... sie.... Sie sind mehr... als nur das", drang es plötzlich vollkommen abwesend über meine Lippen. Ich hatte fast gar nicht bemerkt, dass ich da gesprochen hatte, so fern klang meine eigene Stimme in meinen Ohren. Sofort wandten sich die Frauen an mich und keuchten aufgeregt. "Du... Du weißt... Du weißt, wer oder... was.. was sie sind? Aber... Aber Wer.. oder was sind sie denn? Und... und woher weißt du es... Jacky... sag uns die Wahrheit... was geht hier ab?", quietschte Jana und hielt sich noch energischer an Marina fest. Nun hing es wieder an mir, die Sachlage aufzuklären. Genau das, was ich schon den ganzen Ausflug über befürchtet hatte. Es konnte ja nie etwas ohne einen dummen Zwischenfall ablaufen. Mein Schicksal wollte mich einfach immer wieder verarschen. Aber mich darüber zu beklagen half ja wie immer nichts. Es musste raus. So oder so. Doch bevor ich nur dazu ansetzen konnte alles zu erklären, hörte ich hinter uns das Gekicher und Gelächter einer anderen Gruppe, welche es bis zu den Zerrspiegeln geschafft hatte und nun direkt auf uns zu hielt. Also schüttelte ich einmal kurz energisch den Kopf und hauchte: "Nicht hier. Lasst uns das bitte draußen klären. Es sollen nicht noch mehr Leute erfahren." "Nein, Jacky! Wir wollen das wissen! Jetzt! Hier und auf der Stelle! Wir gehen sonst nirgendwo mehr mit euch hin!", quietschte Jana aufgebracht. Ich seufzte kurz und verdrehte die Augen ehe ich es noch einmal mit nachdrücklicher, flehender Stimme versuchte. "Bitte, bitte, Bitteeeee. Ihr müsst mir noch ein letztes Mal vertrauen. Ich... Wir werden euch alles sagen und erklären. Aber es ist ein zu großes Geheimnis. Ich habe es damals auch nur aus reinem Zufall erfahren und... meine Fresse ich bereue es an manchen Tagen, dass ich überhaupt davon weiß. Also... bitte, bitte, bitte. Kommt mit nach draußen. Dann suchen wir eine stille Ecke und da bekommt das was ihr wollt", jammerte ich im Hinblick auf die näherkommende Gruppe und ging sogar ein bisschen in die Knie, damit sie sahen, wie ernst es mir war. Nun warfen sich die beiden Frauen gegenseitig fragende Blicke zu und berieten sich in einem unverständlichen Flüsterton. Danach wandten sie sich wieder an mich und nickten langsam und widerstrebend. "Also gut. Aber wehe, wenn ihr uns nicht alles sag oder ihr irgendwelche Sperenzien vorhabt. Dann könnt ihr was erleben", meinte Marina und versah vor allem die Herren mit einem sehr finsteren Blick. "Marina, wir würden euch niemals ein Leid antun. Wenn wir dies vorgehabt hätten, hätten wir es schon längst getan", kam es von Bofur, der beschwichtigend die Hand hob. "Na das kann ja jeder sagen, Herr Bofur. Oder wie auch immer dein Name ist", fauchte sie und ging schließlich mit Jana am Arm zuerst durch die Ausgangspforte des Kabinetts. Somit blieben die Zwerge und ich noch einmal zurück und musterten uns kurz. "Das kann ja heiter werden", meinte Bofur schwermütig seufzend und setzte sich seine Mütze wieder auf. "Habt ihr... Habt ihr Janas Gesicht gesehen? Oh Mahal... was ist... wenn... wenn sie...", stammelte Fili, welcher immer noch seine Stiefel begutachtete. "Dann ist es eben so, Bruder. Wir können sie weder dazu zwingen uns zu glauben, noch erwarten, dass sie uns so akzeptieren, wie wir sind", kam es erstaunlich erwachsen von Kili. Ich war sogar so verblüfft über seine Aussage, dass ich mich von ihm löste und ihn kurz fragend musterte. "Ähm... alles okay bei dir, Kili?", fragte ich ruhig. "Nun... Ja? Warum fragst du, Cuna?", hakte er leicht irritiert mit einem verschmitzten Lächeln nach. Sein Lächeln war so ansteckend, dass ich es einfach erwidern musste. "Das kling mal so gar nicht nach dir, dass du so geschwollen und erwachsen daher redest", meinte ich, woraufhin er anfing zu lachen. "Weißt du. Ich habe diese Momente nicht oft, aber manchmal bin ich sogar viel erwachsener als Onkel Thorin", sagte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Dem konnte ich nichts mehr hinzufügen außer einem knappen Lächeln, ehe ich mich straffte und dann schweren Herzens zur Ausgangspforte schaute. "Wir sollten dann mal gehen. Die Mädels warten auf uns. Lasst uns hoffen, dass das alles gut verläuft", sagte ich und ging den Männern voran aus dem Spiegelkabinett. Diese folgten mir im Gänsemarsch durch einen dunklen Vorhang und zwei hölzerne Schwingtüren, bis wir endlich das Tageslicht wiedersahen. Es blendete uns zunächst ein wenig nach der ganzen Zeit in der halbdunklen Kammer, weshalb wir für eine Weile die Arme schützend über unsere Augen legen mussten. Nachdem wir aber ein paar Schritte gegangen waren, besserte sich das Ganze etwas und so schlossen wir uns wieder Jana und Marina an, welche vor der Attraktion ungeduldig auf uns warteten. "Also dann. Wo wollt ihr jetzt mit uns hin?", fragte die junge Mutter argwöhnisch und musterte uns eingehend. Ich schnaufte einmal nachdenklich und schaute mich kurz auf dem Platz um. Mitten auf dem Jahrmarktsgelände war so ein schweres Gespräch einfach nicht drin. Viel zu laut und zu viele Menschen, die mithören. Doch ich wusste, dass es auf jedem Jahrmarkt einen Ort gab, wo uns um diese Zeit sicherlich niemand aufsuchen oder belauschen würde. Der Campingplatz der Schausteller. Dort zwischen all den Wohnwagen und Zelten gäbe es bestimmt einen Platz, wo wir uns ungestört aufhalten und unterhalten konnten. Die Frage war nur, wo befand sich dieser Platz? Er musste ja irgendwo hinter dem ganzen Geschehen sein. Alles andere machte ja auch keinen Sinn. So schaute ich am Spiegelkabinett vorbei in die recht schmale Lücke zwischen diesem und der anderen Attraktion und siehe da, wir hatten ausnahmsweise mal Glück. Genau dahinter sah ich die ganzen Wohnwagen und Zelte stehen. Ich verlor nicht viele Worte und winkte die Damen und Zwerge hinter mir her durch die Lücke. "Hier entlang. Da können wir reden", sagte ich hastig und beeilte mich, dass alle zügig hinter mir her kamen, bevor die Schausteller bemerkten, dass sich ein paar Besucher ungefragt auf ihren Campingplatz verirrten. Langsam und bedächtig stiegen wir über mehrere Anhängerdeichseln und Verkabelungen, welche die Wagen mit Strom und Wasser versorgten. Bis wir eine freie Stelle mitten auf einem kleinen Grünstreifen gefunden hatten. Dort angekommen stellten wir uns einander gegenüber. Die beiden Frauen zu einen und die Zwerge samt wir zur anderen Seite. Wenn uns so jemand gesehen hätte, dann wäre demjenigen sicherlich eine Szene aus einem alten Western in den Sinn gekommen. Tatsächlich konnten ich im selben Moment irgendwo in der Ferne das dumpfe Läuten einer Kirchturmglocke hören, welche vier Mal zur vollen Stunde und anschließend noch einmal die volle Stundenzahl anschlug. "Also. Ihr habt uns jetzt hier hin geführt. Damit wir von euch die Wahrheit erfahren. Dann mal raus damit. Wer seid ihr? Oder was seid ihr?", kam es ohne weiteres Federlesen von Marina, welche nun ihrerseits Jana festhielt. Die junge Blondine nickte indessen nur eifrig und musterte vor allem Fili mit argwöhnischem Blick. Der blonde Bursche bemerkte das natürlich und trat mit ruhiger Stimme einen Schritt vor. "Zunächst einmal, müssen wir euch beide bitten, dass ihr nichts. Und damit meine ich kein Sterbenswörtchen irgendeiner Menschenseele in dieser Welt erzählt", sagte er woraufhin ihn die beiden Frauen mit einem einstimmigen Schnauben versahen. "Werden wir sehen, wenn ihr es uns gesagt habt", kam es knapp von Jana. "Versteht uns nicht falsch. Aber wir müssen euch zuvor dieses Versprechen abringen. Wie Cuna schon sagte, es hängt sehr viel davon ab. Jeder Mensch dieser Welt, der unser Geheimnis kennt, birgt eine große Gefahr. Nicht nur für uns, sondern auch für unsere Freunde, unsere Sippschaft, ja sogar unsere ganze Welt. Daher ist es wichtig, dass ihr zuvor versprecht niemandem etwas zu erzählen", meinte Bofur und neigte mit entschuldigender Miene den Kopf. "Was soll denn der Unsinn? Was meint ihr denn jetzt schon wieder damit? Ich meine ich könnte Freunde und Familie noch verstehen, aber gleich eine ganze Welt? Was soll denn dieses Wirre Gefasel? Was für eine Welt?", fragte Marina ungeduldig und wart Bofur dabei einen vernichtenden Blick zu. "Mittelerde", warf ich innerhalb weniger Augenblicke dazwischen, bevor auch noch irgendein anderer etwas sagen konnte. Ruck zuck herrschte wieder Stille in der Gruppe und alle Augen wandten sich zu mir. Es war mir spürbar unangenehm so von allen Seiten angeschaut zu werden. Aber es musste raus. Es ging nicht anders. Es war einfach besser es sofort auf den Tisch zu hauen, als noch weiter darauf zu warten, dass die Damen den Männern ihr Ehrenwort gaben. Dafür war einfach keine Zeit. Das konnten wir auch noch hinterher klären. Deshalb ignorierte ich die empörten Blicke der Zwerge auch konsequent und heftete mein Augenmerk auf die beiden Damen. Diese schienen erneut vollkommen aus der Bahn geworfen worden zu sein. Kein Wunder, bei dem, was ich ihnen gerade gesagt hatte. Genauso unbeholfen hakten sie auch im Anschluss bei mir noch. Als würden, sie glauben, dass ich vollkommen den Verstand verloren hätte. "M-M-Mittelerde? Jacky? Du-Du-Du weißt schon, dass es das nicht gibt, oder? Das ist doch nur so eine Geschichte, die dieser Engländer da erfunden hat. Du weißt schon dieser Torklin oder wie der heißt", stammelte Jana und lächelte mich dabei unruhig an. "Zunächst einmal heißt der Mann Tolkien. Und genauso hab ich auch reagiert, als ich die Wahrheit herausgefunden habe. Ich wollte es auch nicht glauben. Ich hab die Kerle hier auch für durchgeknallte, kostümierte Spinner gehalten, die mir einen vom Pferd erzählen wollen. Aber inzwischen kenne ich die ganze Geschichte. Ich weiß, was passiert ist, wie sie hier her gekommen sind und auch warum. Allerdings waren die Gründe damals ein wenig anders als sie heute sind", erklärte ich mit aller Ernsthaftigkeit die ich aufbringen konnte. Mir war allerdings klar, dass die zwei mir immer noch nicht glauben würden. Und so war es auch. Beide schüttelten verständnislos die Köpfe und sahen mich an, wie eine vollkommen geistesverwirrte Irre. "Also... also willst du uns allen Ernstes weiß machen... dass.. dass diese drei da..?", setzte Marina vorsichtig an, woraufhin ich sie kurzerhand unterbrach. "Zwerge sind? Ja. Ja das sind sie. Er hier mit der Mütze, das ist Bofur, die anderen beiden sind Kili und Fili, die Neffen von Thorin Eichenschild. Den habt ihr ja eben auch gesehen. Und sie sind echt. Ebenso wie der Gandalf, den ihr gesehen habt. Sie kommen alle aus Mittelerde", erläuterte ich, woraufhin die Augen der Frauen immer größer wurden. "Jacky.. Jacky ganz.. ganz ehrlich... du... du spinnst doch! Du lügst! Du bist komplett übergeschnappt! Sie können nicht echt sein!", keuchte Jana verzweifelt und in der Hoffnung, dass ich meine Worte zurück nehmen würde. Doch ich schüttelte nur langsam den Kopf und seufzte leise. "Nein, Jana.. Das ist KEIN Scherz. Und ich spinne auch nicht. Obwohl ich es jeden Tag denke. Sie sind es", beteuerte ich ein weiteres Mal und ging ein paar Schritte auf sie zu. Die beiden machten zwar daraufhin Anstalten einen Schritt zurück zu gehen, blieben allerdings doch an Ort und Stelle stehen. "Und woher? Woher weißt du, dass sie es sind? Haben sie es dir gesagt? Oder wie sonst?", fragte Marina wobei sie nun doch ein wenig neugierig klang. Ich atmete einmal ganz tief durch und zuckte bedröppelt mit den Schultern. "Sie... ähm... nun ja nicht von sich aus. Es ergab sich eine Situation, während der sie mir ihr Geheimnis offenbaren mussten", meinte ich und druckste ein bisschen herum. Nur zu gut erinnerte ich mich an dieses leidige Missgeschick, welches mich beinahe den Kopf gekostet hätte. "Welche Situation? War das schon auf der Zeltstadt oder erst später?", hakte Jana nach, was mich umgehend wieder zurück in die Realität holte. "Es... ähm... war schon auf der Zeltstadt. Du... weißt doch noch, dass ich eine ganze Weile bei den Männern im Zelt gepennt habe, Jana?", erwiderte ich kurz fragen, woraufhin sie bestätigend nickte, ehe ich fortfuhr, "Nun... also... Da... Da hab ich... Also bevor ich bei den Männern geschlafen habe, versehentlich.. ähm... Den Arkenstein bei Thorin gefunden." Nun fing Marina plötzlich schallend an zu lachen. Es war allerdings kein fröhliches freudiges Lachen wie sonst, sondern ein eher spottendes. "Ja, ja. Schon klar. Den Arkenstein. Den echten, wahrhaftigen Arkenstein. Hör mal, wir wollten die Wahrheit hören. Und zwar über das was wir da eben im Spiegelkabinett gesehen haben. Aber nein! Stattdessen veranstalten ihr hier ein Affenthearter und versucht uns weiß zu machen, dass das alles Echt ist. Das Hier drei echte Zwerge stehen und du, Jacky.. oder Cuna oder wie auch immer... Die Trägerin des ganzes Geheimnisses bist", sagte sie und bedachte mich mit einer abfälligen wegwerfenden Handbewegung. "WAS DENKST DU WOFÜR WIR DIESES GANZE AFFENTHEATER HIER VERANSTALLTEN?!", platzte es ungehalten aus mir heraus. Ich hatte mittlerweise die Nase gestrichen voll davon, wie ein Depp in der Gegend herumzustehen. Mir war ja klar, wie extrem an den Haaren herbeigezogen das ganze klang. Aber sie mussten doch irgendwie begreifen, dass wir es ernst meinten. Ich war inzwischen vollkommen am verzweifeln. Die beiden Frauen wollten es einfach nicht wahr haben. Außerdem dachte ich zusätzlich noch an Fili und Bofur. Die beiden hatten sich in diese Frauen verliebt. Wenn diese sie nicht mehr haben wollten, weil sie uns für vollkommen beknackt hielten, würde es ihnen das Herz brechen. Allein der Gedanke daran, dass ich womöglich irgendwo daran schuld war, dass es so kommen würde, ließ mir vor Wut die Tränen in die Augen steigen. Plötzlich spürte ich eine raue, warme Hand auf meinem linken Arm und eine ruhige Stimme flüsterte mir zu: "Lass gut sein, Cuna. Du... Ich... Wir... Wir können nichts tun, wenn sie uns nicht glauben wollen. Wir können es ja auch nicht beweisen. Also... Also sollten wir es gut sein lassen und... und wir gehen... In Ordnung?" Es war Bofur, der gesprochen hatte. Seine Stimme klang rau und unglaublich bewegt. Er stellte sich gerade selbst vor die Tatsache, dass er wohl in diesem Augenblick, indem wir nur die Wahrheit gesagt hatten, seine Marina verlor. Ich wandte mich zu ihm um und betrachtete seinen Gesichtsausdruck. Er kämpfte sichtlich um Fassung. In seinen Augen erkannte ich, wie sehr ihn das ganze mitnahm. Eine ganze Welt schien in ihm zusammen zu brechen. Dennoch wollte er nichts davon nach außen tragen. Fili erging es nicht anders. Er hielt sein Gesicht zu Boden gewandt und nuschelte mit sehr belegter Stimme: "Bofur... Bofur hat... recht, Cuna. Lass... Lass uns einfach... nach Hause gehen... Wir.. Wir können sie nicht zwingen uns zu glauben." "NEIN! Das werde ich nicht hinnehmen!", brüllte plötzlich jemand aus dem Hintergrund. Wir drei zuckten zusammen und sahen, wie Kili plötzlich an uns vorbei stürmte. Er hielt genau auf Jana und Marina zu, welche nun doch ein paar Schritte zurück wichen. "Was? Was willst du von uns? Geh.. Geh weg!", keuchte Jana und hob schützend eine Hand. Doch der dunkelhaarige Bursche ließ sich keineswegs beirren und starrte den beiden Frauen fest ins Gesicht. "Ich werde euch beweisen, dass Cuna.. nein, dass wir, die Wahrheit gesagt haben", knurrte er wütend. Noch während er sprach sah ich, wie er eine Hand in seine Hosentaschen gleiten ließ und ruckartig etwas hervor zog. Dieses Etwas hielt er den beiden wortlos unter die Nase. Erschrocken zuckten die beiden zusammen, ehe sie das seltsame Teil musterten, was er ihnen zeigte. "Was... was soll das sein? Ein... Ein Kieselstein?", fragte Marina, welche große Augen bekam. Erst da begriff ich, was er ihr zeigte. Es war der Stein, welchen er einst Tauriel geschenkt, aber anschließend, nach seinem Tod, wieder zurück erhalten hatte. Er trug ihn immer noch bei sich. Als Erinnerung an seine verlorene Liebe. Doch dieses Mal nutzte er ihn nicht, um in traurigen Erinnerungen zu schwelgen. Nein. Er verwendete ihn, um die Liebe seines Bruder und die von Bofur zu retten. Und siehe da. Ein Plan ging auf. Denn Jana streckte vorsichtig die Hand danach aus, wagte es aber nicht diesen zu berühren. "Ist... ist das.. Ist das der Stein... der.. Der Stein den du Tauriel gegeben hast?", fragte sie vorsichtig, woraufhin Kili bestätigend nickte. "So ist es. Meine Mutter schenkte ihn mir einst, damit ich mich immer daran erinnere wer ich bin und wohin ich gehöre. Wir sind Söhne Durins. Ich bin Kili, Sohn des Vili. Fili ist mein Bruder und Bofur ein sehr guter Freund und Vertrauter. Cuna mag vielleicht in dieser Welt geboren und aufgewachsen sein, aber für mich ist sie wie eine kleine Schwester. Ich werde es nicht zulassen, dass ihr dummen Menschenfrauen auch nur einem von ihnen das Herz brecht. Das Schwöre ich bei meinem Leben und so wahr ich hier stehe!", sagte er und nahm eine wirklich sehr unerwartete aber stolze, ehrfürchtige Haltung ein. Ich musste einen Augenblick blinzeln, da ich mich tatsächlich kurz dabei ertappte, wie ich ihn rein optisch mit Thorin verwechselte. Doch genau so sah er in diesem Moment aus. Diese furchteinflößende, aber dennoch ausdrucksstarke Gestik und Mimik. Er war seinem Onkel ähnlicher als jemals zuvor. Vielleicht war es genau das, was die beiden Frauen dazu bewog, einander loszulassen und die beiden Zwerge zu meinen Seiten anzusehen, ehe Marina ganz verlegen fragte: "Dann... Dann ist es also wahr? Dann seid ihr... die echten Zwerge... aus Mittelerde?" - 109. Ungewöhnliche Paarberatung mit Doktor Gandalf / ENDE - Kapitel 110: 110. How to Zwerg for Anfänger ------------------------------------------- "Ist... Ist es denn wirklich wahr? Ihr drei seid die Zwerge aus Mittelerde? Die... Die wirklich Echten?!", fragte Marina erneut und starrte wie vom Donner gerührt zu Fili, Bofur und mir. Der Mützenzwerg und der blonde Bursche warfen zunächst sich und dann mir verunsicherte Blicke zu. Der plötzliche Sinneswandel der beiden Frauen schien sie vollkommen zu verwirren. Sie hatten keine Ahnung, was sie als nächsten tun oder sagen sollten. Mir entlockte dieser Anblick ein leicht gequältes Lächeln. Besonders als ich zu Kili hinüber sah, welcher von den beiden Damen offensichtlich, aber unbeabsichtigt ignoriert wurde. Darüber war er natürlich alles andere als begeistert und brummte beleidigt: "Ja, das sind wir. Wie oft sollen wir euch das denn noch erklären?" Die junge Mutter zuckte ein wenig erschrocken zusammen, wandte ihre Augen aber nicht von uns ab. Auch Jana tauchte langsam hinter Kilis Körper wieder auf und lugte mit geistig abwesender Miene an dessen Schulter vorbei. Den Beiden schien die Surrealität dieser ganzen Situation keineswegs zu behagen. Doch nachdem sie Kilis kleines Mitbringsel gesehen hatten, war es schlichtweg eine nackte Tatsache, dass sie gerade bei vollem Bewusstsein vor waschechten Zwergenmännern standen. "Ich... Ich hab... Ich hab ja schon vermutet, dass... dass ihr irgendetwas... verheimlicht... aber... aber DAS? Ich hätte... nie gedacht, dass...", stammelte sie und schluckte heftig. "Glaubt mir, das hätte ich damals auch nicht. Mich hat regelrecht der Schlag getroffen, nachdem ich davon Wind bekam. Und das meine ich, wie ich es sage. Ich habe die Welt nicht mehr verstanden und hätte mich am liebsten in eine Hab-Mich-Lieb-Jacke stopfen lassen. Inzwischen weiß ich aber halbwegs mit der Situation umzugehen. Es ist zwar manchmal extrem anstrengend mit den Kerlen. Besonders an Tagen wie heute, wo Unwissende dabei sind. Aber es ist nun mal so wie es ist. Ihr Geheimnis ist mein Geheimnis. Und nun ist es auch eures. Daher bitte ich... Nein, wir bitten euch, das alles hier für euch zu behalten. Es ist verdammt wichtig", warf ich kurz dazwischen und sah die Frauen mit einer beschwichtigenden Handbewegung an. Jana und Marina warfen sich einen Moment fragende, unschlüssige Blicke zu. Ich war mir noch nicht sicher, ob sie der ganzen Sache nach dieser Offenbarung nun mehr Vertrauen schenkten. Aber meine Zweifel wurden jäh zerstreut, als eine vollkommen aufgelöste Jana in Richtung Fili rannte und sich diesem mit voller Wucht in die Arme warf, während sie schluchzend seinen Namen rief. Der junge Zwerg war so perplex, dass er viel zu spät bemerkte, wie sie angerannt kam. Und ehe er sich versah, wurde er von seiner Liebsten zu Boden gerissen. Nun lagen beide übereinander auf dem Grünstreifen. Sie vollkommen verzweifelt schluchzend an ihn gepresst und er mit einem Gesicht, wie vom Stadtbus überrollt. "J-Jana... Jana, was ist denn mit dir? Warum weinst du denn?", fragte er keuchend mit erschrockener Stimme und tätschelte ihr bedächtig den Rücken. "Ich.. Ich... Fili... Es... Es tut mir so leid. Es tut mir leid", wimmerte sie mit dem Kopf gegen seine Brust gedrückt. Die Hände hatte sie fest in sein Hemd gekrallt. Ganz so, als wollte sie ihn nie wieder loslassen oder sogar mit ihm verwachsen. Der junge Zwerg begann langsam wieder etwas aufzutauen und versah sie mit einem belustigten Lächeln, ehe er ihr beruhigend zu murmelte: "Sch.. Ist doch gut. Was tut dir denn leid? Du hast doch nichts Böses getan." Jana schüttelte daraufhin heftig den Kopf und erwiderte: "Ich... Ich hätte... Ich hätte nicht an dir zweifeln dürfen. Ich hätte... es wissen müssen. Ich.. Ich meine... Ich.. Ich liebe dich doch. Sowas sollte man doch dann spüren. Oder nicht?" Nun lachte Fili auf und knuddelte sie herzlich. "Ach, Jana. Du kleiner Dummkopf. Woher solltest du das denn wissen? Ich habe dir nie etwas davon gesagt. Ich bin aber umso glücklicher, dass du es jetzt weißt und immer noch bei mir bist", sagte er mit einem sehnsüchtigen Seufzen auf den Lippen, welche er danach zärtlich auf den Kopf seiner Liebsten drückte. Mit dieser herzlichen Geste, welche mich unweigerlich ein eine dieser unangenehmen Seifenopern erinnerte, war das erste Paar schließlich wieder miteinander vereint. Nun musste auch irgendwie das zweite folgen. Gut, ein Paar waren Marina und Bofur so gesehen noch nicht. Zumindest nicht ganz. Vermutlich lief auch deshalb die ganze Sache wesentlich gesitteter ab, als bei dem jungen Liebespärchen, welches sich nach einer Weile fröhlich hinter mir durchs Gras rollte. Ich ignorierte die Beiden danach erst einmal. Die waren ja nun ausgiebig miteinander beschäftigt. Für mich war nur noch wichtig, ob die zweite Dame im Bunde auch all ihre Bedenken fallen ließ. Daran hatte ich aber inzwischen weit weniger Zweifel. Als nun die junge Mutter bedächtig auf den Mützenzwerg zuging, rieb sie sich verlegen den rechten Unterarm und musterte ihn von unten herauf mit entschuldigender Miene. "Bofur...", setzte sie an, doch da fuhr ihr der Zwerg schon ins Wort. "Marina, du brauchst dich für nichts zu entschuldigen. Ich weiß, ich hätte es dir sagen sollen. Aber ich konnte einfach nicht. Wir alle konnten es nicht. Wir waren an ein Versprechen gebunden, wodurch wir gezwungen waren euch das zu verschweigen. Und wäre jetzt nicht diese Sache mit Thorin und Gandalf passiert, dann wüsstet ihr immer noch nichts davon. Ich hätte damit auch noch gewartet, bis ich mir sicher gewesen wäre, dass du bereit für die Wahrheit bist. Ich halte es auch immer noch für verfrüht. Aber ich hab dich sehr gern. Und Benny auch. Glaube mir, ich war noch nie so glücklich wie in dem Moment, als wir uns das erste Mal kennenlernten. Ich verstehe auch, wenn du nicht meine Gefühle teilst. Doch wenn du mir verzeihen kannst, würde mir das bereits genügen", sagte er mit allem ernst den er aufbringen konnte. Marina begann daraufhin ein wenig zu lächeln und erwiderte halb lachend: "Ich verzeihe dir. Wir könnte ich dir denn böse sein? Und mach dir keine Sorgen. Ich hab dich wirklich sehr, sehr gern. Ja, schon als du mich noch gar nicht kanntest." Nachdem sie zu Ende gesprochen hatte, wechselte Bofurs Gesichtsfarbe binnen Sekunden zwischen einem Leichenblass und einem Zartrosa immer wieder hin und her. "Wie.. Wie..? Als... als... ich dich noch nicht kannte? Wie meinst du das?", fragte er verstört, wobei er endlich meinen Arm los ließ und verdattert in ihre Richtung starrte. Nun lachte die junge Mutter und hielt sich den Bauch dabei. Das verstörte Bofur noch mehr, weshalb er mir nun fragende Blicke zuwarf. Ich verstand unterdessen genau, worauf sie hinaus wollte und tätschelte ihm beruhigend die Schulter, ehe ich versuchte es ihm zu erklären. "Oh Mann, Bofur. Ich hab euch doch mal irgendwann gesagt, dass die Menschen dieser Welt euch bereits kennen. Ihr seid in unseren Büchern und Filmen verewigt worden", sagte ich und grinste ihn breit an. Er kratzte sich nur verwirrt am Kopf, welchen er nachdenklich schüttelte. "Es... Es kann durchaus sein, dass du das mal erwähnt hast. Aber... Aber ich habe nicht erwartet, dass... also...", stammelte er verlegen und schielte wieder zu Marina. Diese wischte sich indessen die Lachtränen aus den Augen und gluckste: "Sie hat vollkommen recht. Daher kenne ich dich. Und ich muss zugeben, in den Filmen hast du mir von Anfang an gefallen. Du warst witzig, aufgedreht, eigensinnig und auf der anderen Seite unglaublich fürsorglich, und mutig. Du hast ein großes Herz und dafür muss man dich einfach gern haben. Du wirst es mir vermutlich nicht glauben, aber damals hab ich mir immer gewünscht, dich mal kennen zu lernen. Ich wollte schon immer Jemanden wie dich in meinem Leben haben. Einen Mann mit einem sonnigen Gemüt, dem keine Aufgabe zu schwierig ist und der immer treu seine Freunde unterstützt. Und... wie soll ich sagen... Du bist einfach nur liebenswert." Bei diesen Worten schien dem Mützenzwerg gleichzeitig heiß und kalt zu werden. Sein Mund klappte so weit auf, dass ich schon sorge hatte, ihm würde vor Staunen der Kiefer ausrenken. Ich hätte auch schwören können, dass jeden Augenblick Dampf aus seinem Kragen oder unter der Mütze hervortreten würde. Doch dank den Gesetzen der Physik, geschah das aber zu seinem Glück nicht. Auch wenn es sicherlich witzig ausgesehen hätte. Stattdessen begann er anschließend wie wild vor sich hin zu stammeln. "Li-li-li-la-li-lu... Liebens... wert?", hauchte er mit leerem Blick und tapste zeitlupenartig auf sie zu. Marina nickte nur langsam mit einem breiten Lächeln. Bofur blies daraufhin die Backen auf, wie ein kleiner Hamster. Danach stieß er diese wieder aus und fasste sich mit einer Hand an den Kragen, den er gleichzeitig mit seiner Mütze nach unten zog. Anschließend fächerte er sich heftig um Atem und Fassung ringend Luft zu. "Puuuhh... Bei Durins Bart. Warum ist es denn auf einmal so heiß hier?", keuchte er mit hoch rotem Kopf, was diesmal auch mich zum Lachen brachte. Marina kicherte unterdessen verlegen, wobei sich über ihre Wangen ein leicht rosiger Schimmer zog. Ich atmete nach meinem Lachanfall erleichtert auf und wischte mir etwas den nicht vorhandenen Schweiß aus dem Gesicht. Man, das war vielleicht eine Geburt gewesen. Aber zumindest war aus meiner Sicht nun alles wieder in bester Ordnung. Und das hatten wir alle nur einem einzigen Zwerg zu verdanken, welcher inzwischen vollkommen verloren und allein, mit trotziger Miene, in der Gegend herum stand und immer noch seinen Stein in Händen hielt. Ich hatte, im Gegensatz zu den turtelnden Pärchen, Kili nicht ganz vergessen. Während sich die anderen auf ihre ganz eigene Art wieder einander angenähert hatten, nahm ich die Gunst der Stunde wahr und ging mit großen Schritten und breitem Grinsen auf meinen zwergischen Bruder zu. Dieser sah mich immer noch schmollend an, als ich ihn erreicht hatte. "Scheint ja wieder alles gut zu sein", brummte er kurz angebunden und zog eine leichte Schnute. "Oh ja, Kili. Und das haben wir nur dir zu verdanken. Wenn du nicht deinen kleinen Trumpf da ausgespielt hättest, wäre ich mit drei depressiven Kummerzwergen nach Hause marschiert", erwiderte ich aufmunternd und deutete auf den Stein. "Ja... Nun musst du nur noch mit einem Kummerzwerg nach Hause gehen", meinte er mit dezent verbittertem Unterton und stopfte frustriert seinen Runenstein weg. Oh weia. Nun war er wieder richtig mies gelaunt. Das hätte ich kommen sehen müssen. Ich vermutete, dass er seine heldenhafte Tat zutiefst bereute. Vor allem, da sein älterer Bruder schiere Freudenschreie los ließ, während er sich mit seiner Angebeteten im Dreck wälzte. Es schmerzte ihn sichtlich so viel Glück um sich herum zu erleben, während er immer noch voller Sehnsucht an seine verlorene Liebe dachte. Ich spürte einen tiefen Stich in meinem Herzen, während ich ihn ansah und mein Grinsen verblasste langsam. "Kili... Ich...", setzte ich an und hob ruhig die Hand, welche ich ihm bedächtig auf die Schulter legte. Er zuckte aber nur kurz mit der Schulter von mir weg und hob seinerseits eher beschwichtigend die Hand. "Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Schwesterchen. Und Trost brauche ich auch nicht. Du denkst sicherlich, dass ich meine Tat bereue. Aber da irrst du dich. Ja, ich gebe zu es schmerz mich zutiefst, all diese glücklichen Liebenden zu sehen. Doch es würde mich weit mehr schmerzen meinen Bruder und einen guten Freund wie Bofur in einem ebensolchem Leid versinken zu sehen, wie ich es immer noch erleide", erwiderte er und musterte mich dabei mit einem ungewohnt ernsten Blick. Ich hingegen war vollkommen Baff und verlor sämtliche Worte, welche ich ihm eigentlich zur Aufmunterung hatte sagen wollen. So erwachsen hatte er sich in der ganzen Zeit noch nie verhalten. Geschweige denn, dass er je den Anschein erweckt hätte, jemals zu so etwas in der Lage gewesen zu sein. Doch wie immer konnten mich die kleinen bärtigen Männer in so einem Punkt erneut überraschen. Tja, auch ein Kindskopf, wie Kili konnte irgendwann mal etwas geistige Reife zeigen. Nun kannte ich auch diesen Teil von seinem Charakter. Und ich musste zugeben, dass er ihm schon recht gut zu Gesicht stand. Wobei mir allerdings auch sein bubenhaftes Benehmen zeitweilig gefiel. Zumindest, wenn es nicht darin ausartete, dass ich ihn wie einen Nerv tötenden Bengel an den Ohren aus allen möglichen Schwierigkeiten herausziehen musste. Gut, soweit war es bis auf die Situation mit dem LKW noch nie gekommen. Und da hatte ich ihn ja vielmehr umgerannt und in den nächstbesten Graben gestoßen. Trotzdem war es für mich schön zu sehen, dass ich diesmal wohl nichts weiter für ihn tun musste. Gut, außer ihm vielleicht ein ehrliches, zuversichtliches Lächeln für seine Worte zu schenken. "Na dann, wenn das so ist. Aber wenn du doch etwas Aufmunterung brauchst...", setzte ich kurz an, wobei er mich mit einem herzlichen Lachen und Kopfschütteln unterbrach. "... Dann werde ich es dir sagen, Cuna. Aber ich denke, dass du vielleicht im Augenblick mehr Aufmunterung benötigst", sagte er und musterte mich erneut sehr eindringlich. Ich blinzelte ein wenig verwirrt und legte anschließend den Kopf schief, bevor ich fragte: "Was meinst du?" "Na... Du weißt schon... Wegen Thorin. Ich habe bemerkt, dass es dich sehr mitgenommen hat ihn zu sehen, oder irre ich mich da?", hakte er zum Ende hin ruhig nach. Nun musste ich wirklich etwas schlucken. In der ganzen Aufregung um die Identität der Jungs, hatte ich den Zwergenkönig ein bisschen beiseitegeschoben. Doch wo Kili es so erwähnte, spürte ich wieder einen leichten Knoten in der Brust. Nachdenklich und verlegen strich ich mir mit einer Hand über den Hinterkopf, und blies leicht betreten die Backen auf. Ich musste mir tatsächlich eingestehen, dass mir sein Anblick allein schon sehr wehgetan hatte. Auch, dass meine Gefühle nicht so recht wussten, was sie von der ganzen Situation halten sollten. Es war alles viel zu schnell gekommen und auch wieder gegangen. Vor allem ließen mich Gandalfs Worte nicht wirklich los. Ich wusste zwar, was er damit meinte, dass wir unser Feld der Liebe wieder neu bestellen sollten. Doch nun im Nachhinein wurde mir klar, dass ich gar nicht so recht wusste. wie und wo ich da anzufangen hatte. Sollte ich den Zwerg einfach Zwerg sein lassen und ihm seinen Willen gönnen oder wäre es besser zu versuchen sich konstruktiv mit ihm auseinander zu setzen? Eine wirklich schwierige Frage. Doch die Antwort darauf würde wohl noch eine ganze Weile auf sich warten lassen. Ich war zwar zunächst zuversichtlich gewesen. Allerdings bedeutete so etwas viel harte Arbeit. Nicht nur miteinander, sondern gerade im Moment für jeden von uns allein. Ein wahrer Kampf mit den inneren Schweinehunden. Oder waren es bei Bewohnern aus Mittelerde doch eher Warge? Das würde ich vermutlich nie erfahren. Das war allerdings im Augenblick auch nicht ganz so wichtig. Immerhin stand Kili noch vor mir und wartete mit teils eindringlichem, teils besorgten Blick auf meine Antwort zu seiner Frage. Ich schnaufte schließlich kurz und seufzte anschließend gedehnt, ehe ich mich endlich dazu durchrang über meine innere Unruhe zu reden. "Um... Um ehrlich zu sein, Kili. Ich... Ich weiß es nicht so recht. Irgendwo tut es weh... und dann ist da doch wiederum eine Erleichterung, dass er zumindest halbwegs unversehrt ist. Ich kanns dir bei besten Willen nicht sagen, wie ich mich im Moment fühle, wenn ich an diese unkonventionelle Begegnung denke. Dafür kam es viel zu unerwartet", erklärte ich mit gesenktem Blick auf meine Füße und zuckte unschlüssig mit den Schultern. Kili gab indessen ein verstehendes Brummen von sich und murmelte nachdenklich: "Verstehe. Nun wenn es dich etwas beruhigt. Es war für uns alle wohl sehr überraschend. Zumal ich mir nicht erklären kann, wie es überhaupt möglich war, dass wir ihn sehen konnten. Es sei denn, dieser Wunschspiegel kann wahrhaftig tiefe Herzenswünsche erfüllen." "Das denke ich nicht. Ich vermute da etwas anderes. Bin mir aber nicht ganz sicher, ob es zutreffen könnte", meinte ich und dachte dabei schon wie Selbstverständlich an den Arkenstein, welchen ich in diesen wenigen Minuten in der Hand des Zwergenkönigs hatte schimmern sehen. Langsam hob ich den Kopf, nachdem ich geendet hatte und sah Kili vielsagend ins Gesicht. Die Miene des jungen Zwergs erhellte sich mit einem Mal, als er meinen Blick auffing und erwiderte prompt:" Du meinst... es war der Stein?" Ich nickte nur knapp und fuhr mit meiner Mutmaßung fort: "Ja. Thorin hat mir damals auf der Zeltstadt etwas anvertraut. Dabei ging es um den Arkenstein und welche seltsame Macht dieser wohl besitzt. Er hat es euch ja nicht nur ermöglich hier her in meine Welt zu kommen, sondern auch andere Welten zu bereisen." Kili nickte kurz bestätigend zu meinen Ausführungen und murmelte: "Das ist richtig. Aber mir ist nicht ganz klar, was es dann mit Thorin in diesem Spiegel zu tun haben sollte." Ich atmete einmal tief durch und erklärte ihm meine volle Theorie: "Nun ja, Thorin hat mir erklärt, dass er sich damals, als er wohl mal allein war und über die Zukunft von dir, deinem Bruder und den anderen Männern nachgedacht hat, wünschte einen Ort zu finden, wo ihr Zwerge bleiben könntet. Er sagte, dass er es leid gewesen wäre nur mit Elben leben zu müssen. Oder so ähnlich. Jedenfalls war dieser Wunsch anscheinend irgendwann so stark geworden, dass es ihm mit dem Arkenstein gelungen ist zwischen die Welten gezogen zu werden. Verstehst du, was ich damit sagen will?" Nun klappte dem Zwergenburschen teils entsetzt wie verdutzt der Mund auf und er klatschte sich wie selbstverständlich die Hand an die Stirn. "Der... der Arkenstein, kann Wünsche erfüllen? Warum... Warum hat Onkel das nie erwähnt?", japste er und blinzelte mich ungläubig an. Ich zuckte nur ratlos mit den Schultern und schnaubte kurz. "Woher soll ich das wissen? Ich dachte bisher ihr wüsstet alle davon. Aber naja… vielleicht weiß er ja selbst nicht, wie es genau funktioniert hat und hat euch deshalb nichts gesagt. Doch das ist auch nur lediglich meine Theorie zu der ganzen Sache. Nicht mehr und nicht weniger. Vielleicht waren es auch die Illuminaten oder die Freimaurer, die auf Laservelozeraptoren durchs Weltall geflogen sind und dabei die Umlaufbahn der Erde gekreuzt haben, was dazu führte, dass die Chemtrails in der Atmosphäre des Planeten kristallisierten und diese Reflektion hervorgerufen haben", meinte ich abschließend gelassen, um endlich von dem Thema weg zu kommen. So ausführlich wollte ich dann doch nicht über diese Geschichte in aller Öffentlichkeit sprechen. Das konnten wir auch noch gut und gerne Zuhause besprechen. Immerhin hatten wir noch etwas anderes an diesem Tag vor. Schließlich waren wir auf den Jahrmarkt gegangen, um uns zu amüsieren und nicht um darüber zu philosophieren, wie der Arkenstein mit Hilfe von Wunschenergie das ganze Raum-Zeit-Kontinuum durcheinander brachte. Mal von meiner Gefühls- und Nervenwelt abgesehen, welche durch diesen leuchtenden Kieselstein ordentlich durchgeschaukelt wurde. Was oder vielmehr wen ich mit meiner letzten Aussage allerdings durcheinander brachte war Kili, der mich vollkommen Verständnislos anstarrte und fragte: "Was ist ein Imulinator? Und ein Lesefellkrator?" Ich kicherte daraufhin nur belustigt und schüttelte den Kopf. "Das erklär ich dir ein andermal", meinte ich und tätschelte ihm behutsam den Arm. "Hey! Ihr zwei! Wollt ihr da Wurzen schlagen oder kommt ihr mal langsam?! Wir wollen weiter den Markt erkunden!", rief Jana plötzlich zu uns herüber und brachte unsere Unterhaltung somit zu Ende. Ich drehte mich zu den vieren hinter mir um und musste erneut grinsen. Jana hing nun wieder an Filis Arm. Diesmal deutlich intensiver, als noch in den vergangenen Stunden. Der blonde Zwerg schien von seinem kleinen Klammeraffen allerdings nicht ganz so begeistert zu sein, wie zuvor. Auch wenn er sie mit einem wohl liebevoll gemeinten Lächeln bedachte, so erkannte ich doch, eine leichte Spur von Unbehagen über seine Gesichtszüge huschen, als sie ein wenig an ihm herum zerrte. Bofur hatte sich auch noch nicht ganz von seinem kleinen Schock über Marinas Geständnis erholt und scharrte leicht betreten mit seinen Stiefeln im Gras. Wobei mir auffiel, dass er dies wohl schon eine ganze Zeit lang getan haben musste, denn vom Rasen selbst war unter seinen Sohlen nicht mehr besonders viel zu sehen. Dafür allerdings eine ordentlich gezogene Furche aus Erde. Die einzige, die halbwegs entspannt und ruhig dabei stand, war Marina. Auch sie schien den Schock nun verkraftet zu haben und winkte Kili und mich zur Gruppe zurück. Ich warf noch einmal einen kurzen Blick über meine Schulter, wobei ich Kili zustimmend nicken sah. Damit schlossen wir uns wieder zu einer Gruppe zusammen, verließen den Campingplatz der Schausteller und stürzten zurück ins Marktgetümmel. Dort angelangt mussten wir jedoch zweifellos feststellen, dass das Gedränge noch viel schlimmer geworden war. Gut, was hätte man auch anderes erwarten können bei so einem bomben Wetter mit recht angenehmen Temperaturen? Wobei das auch irgendwie relativ war. In mitten der Menschenmassen war es weitaus wärmer, als am Rand des Trubels. Mir persönlich hätte es ja genügt, wenn wir am Rand geblieben wären. Und den Zwergen schien dasselbe durch wuschigen Köpfe zu gehen, als sie den deutlich angewachsenen Menschauflauf begutachteten. Doch da hatten wir ein anderes Problem. Nämlich, dass man nicht an den Leuten vorbei kam, die entweder bei einer Attraktion oder einer der unzähligen Fress-,Spiele- und Verkaufsbuden Schlange standen. Wohl oder übel blieb uns keine andere Alternative. Also ließ sich unsere Gruppe wieder einmal von der Menge vorantreiben. Erstaunlicherweise war es für mich, nun nach dem Gespräch, weitaus angenehmer zwischen den Leuten herumzulaufen. Vermutlich lag es daran, dass ich vor unseren beiden Damen nicht mehr verheimlichen musste, welche Art von Männern uns begleitete. Somit brauchte ich mir auch kaum noch Gedanken über Ausreden zu machen. Ich hatte diese ständigen Notlügen nämlich so langsam ein bisschen Satt. Im Ernst. Sich ständig irgendwelche Ausreden einfallen zu lassen, nur um die bärtigen Köpfe der Herren wieder und wieder aus irgendeiner Schlinge zu ziehen, war auf Dauer sehr anstrengend. Also freute ich mich darüber, dass unsere Gruppe weitestgehend zufrieden und guter Laune war. Zu meinem Glück schien in dem ganzen Trubel auch Thorins Geständnis bezüglich meiner Verletzung untergegangen zu sein. Was ich nur begrüßen konnte. Solange sich die Frauen nur mit ihre eigenen und nicht mit meinem Zwergenmann auseinander setzten, war es mir nur recht, nicht weiter mit unangenehmen Fragen belästigt zu werden. Dafür plauderten alle auch viel zu munter miteinander, um erneut eine Angespannte Stimmung aufkommen zu lassen. Wir lachten daher sehr ausgiebig und erzählten uns unterwegs kleine Geschichten aus unser aller Leben. Mal schöne und mal weniger schöne. Diese Hochstimmung blieb uns eine ganze Zeit lang erhalten, bis... Ja, bis Jana plötzlich auf die Idee kam, sich mal die kleinen Verkaufsstände genauer anzusehen. Gut, dagegen war auch eigentlich nichts einzuwenden. Ein Einkaufsbummel an Krimskrams-Ständen gehörte schließlich auch zu jedem Jahrmarkt. Und es gab ja genug Auswahl an einfachen Händlern, die verschiedene Artikel auf ihren Verkaufstischen anboten. Von altersschwachen Schlager CDs mit Florian Silbereisen für tüttelige Omis, über billige Kleidungsstücke aller Art, bis hin zu Gegenständen, die ich weder zuvor im Leben gesehen, noch dessen eigentlichen Nutzen ich kannte oder wissen wollte. Aber laut den Verkäufern wohl das Neuste vom Neuen sein. Am Sinnvollsten darunter, war wohl nur eine Art, Kaffeebecherhalter fürs Fahrrad. Doch welche Frau, die noch halbwegs Geistig beisammen war, brauchte beispielsweise eine “Damen-Gartenschere“ oder einen “Kapuzenpulli mit Pferdeschwanz-Aussparung“? Und das waren nur zwei von mehreren hundert nutzlosen Artikeln, die ich im Vorbeigehen ausmachen konnte. Bei diesen Verkäufern blieben wir demnach auch nicht besonders lange. Nicht einmal die Zwerge interessierten sich für diese bekloppten Waren. Obwohl sie sie zum einen skeptisch und zum anderen neugierig unter die Lupe nahmen. Vermutlich waren sie derselben Auffassung wie ich, dass der Kram ohnehin nichts taugt. Oder das sie überhaupt etwas damit anfangen konnten. Ich wollte mir auch gar nicht vorstellen, was Bofur eventuell mit einem Energiefrosch anfangen sollte, der laut Verpackungsaufschrift, das Wohnungsinterne Feng-Shui wieder ins Gleichgewicht brachte. Oder wozu Fili gegebenenfalls einen Bananenschneider brauchte, wo der blonde Bursche immer noch und trotz mehrfacher Ermahnung meinerseits mit seinem Lieblingsdolch unter dem Kopfkissen schlief. Daher wunderte es mich auch nicht, als die Herren die Gegenstände, welche sie in ihre groben Hände nahmen, schnell wieder weglegten. Jana und Marina stöberten derweil eifrig in einigen Kisten mit Küchen und Hygiene-Bestecken herum, die sie vielleicht doch irgendwie benötigen konnten herum. So kaufte die junge Mutter für sich eine neue Nagelfeile und einen dazu passenden Knipser. Jana war hingegen so angetan von einem paar sogenannter “Pärchenlöffel“ mit Herzmuster zum Eis essen, welche sie natürlich umgehen Fili unter die Nase hielt und fröhlich fragte: “Na? Was sagst du dazu? Die sind doch wunderschön, nicht wahr?“ “Ja, irgendwie schon, aber was willst du damit? “, fragte er zunächst verwirrt und legte den Kopf zur Seite. Die junge Frau lächelte breit und erklärte: “Das sind Pärchenlöffel. Wenn jeder einen davon hat, zeigen wir damit, dass wir uns sehr lieben.“ In dem Augenblick als sie ausgesprochen hatte, leuchtet Filis Gesicht wortwörtlich in allen Ampelfarben. Er sah seine Angebetete vollkommen entgeistert an und keuchte erschrocken: „J-Jana! Bist… Bist du dir sicher, dass du das jetzt schon willst?! Ist es nicht etwas überstürzt? Ich meine… ich… Bei Durins Bart! Weißt du denn nicht, was du da tust?!“ Erst durch diesen Aufschrei wurde ich vollkommen auf die ganze Situation aufmerksam. Heiliger Bim-Bam! Natürlich wusste sie nicht, was sie da mit ihrem Liebsten gerade vorhatte. Woher denn auch? Soweit hatten wir sie über die Gepflogenheiten der Herren auch wieder nicht aufgeklärt. Und Fili hatte Recht. Für das was ER dachte, war es bei weitem zu früh. Na das hatte grade noch gefehlt! Dass sie sich ausgerechnet inmitten dieses Jahrmarktes unbedacht verlobten. Zumindest auf die zwergische Art. Hastig ließ ich einen Satz neuer Schmiermesser zurück in ihre Kiste fallen, um schnellst möglichst zwischen die beiden zu gehen. Wenigstens hatte Fili schnell geschaltet und nicht doch eines der Dinger in die Hand genommen, welche Jana ihm immer noch hinhielt und verblüfft fragte: “Was ist denn damit nicht in Ordnung? Warum willst du sie denn nicht annehmen?“ “Ich… Ich… also… Ich… Ich würde schon gern, aber.. aber das kommt so plötzlich. Ich war nicht darauf vorbereitet, dass du es so eilig hast. Und eigentlich wollte ich dich fragen, wenn die Zeit reif dafür ist“, stammelte er und wich einen halben Schritt von ihr weg. Nun stand Jana vollkommen betrübt mit den Löffeln vor ihm und wusste nicht recht, was sie noch sagen sollte. Da hatte ich sie endlich erreicht und ihr beschwichtigend eine Hand auf die Schulter gelegt. “Jana. Hör zu. Fili meint es nicht böse. Es ist nur so, dass… also bei seinem Volk ist es Tradition, dass man dem Partner nur einen Gegenstand von gleicher Art und Beschaffenheit schenkt, wenn man vorhat ihn zu… naja heiraten“, erklärte ich ihr hastig im Flüsterton. Schlagartig zuckte die junge blonde Frau zusammen und ihr stieg deutlich die Schamröte ins Gesicht. “Wa-Wa-WAS?! Heiraten?!“, quietschte sie entsetzt und warf die Löffel so schnell es ging wieder hinter sich in den Besteckkasten. Wir drei atmeten erleichtert anschließend auf, während sich Marina hinter meinem Rücken leise bei Bofur um die Richtigkeit meiner Aussage erkundigte und Kili seinem Bruder kräftig auf die Schulter klapste mit den Worten: “Zu schade. Ich wollte doch schon beglückwünschen und dir meinen Segen erteilen, Bruder.“ Dieser stupste ihm mit hochrotem Kopf den Ellenbogen in die Seite und brummte ihm etwas auf Zwergisch zu, was Kili erneut zum Lachen verleitete. Jana stand hingegen vollkommen bedröppelt in der Gegend rum und nuschelte: “Ich wollte Fili doch nur etwas schenken, wegen dem ganzen Theater vorhin. Aber doch keinen Antrag machen. Man, wie kompliziert ist das denn, mit einem Zwerg zusammen zu sein?“ Ich schnaubte kurz belustigt und rubbelte ihr tröstend die Schulter. „Sehr, sehr, sehr kompliziert. Nicht mal ich weiß alles über die kompletten Gepflogenheiten der Männer. Ich muss ständig aufpassen nichts Falsches zu tun oder zu sagen, weil sie sofort beleidigt sein könnten. Dabei trete ich immer wieder in irgendwelche Fettnäpfchen. Und wir leben jetzt schon eine Weile in meiner Bude zusammen. Aber eines kann ich dir mit Sicherheit sagen. Für ihn wirst nur du die EINE Frau sein, welche er bis zu seinem Lebensende lieben wird“, erklärte ich ihr ruhig. Bei diesen Worten sah Jana zu mir auf und in ihre Gesichtszüge erweichten. Ihre Augen begannen zärtlich zu leuchten und ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Lippen, ehe sie sich an Fili wandte und fragte: “Ist das so? Bin… Bin ich wirklich… deine eine und einzige?“ Dieser zögerte auch nicht lange, packte Jana bei den Schultern und zog sie ruckartig in seine Arme. “Natürlich bist du das. Es wird nie wieder einer andere Frau in meinem Leben geben außer dir“, sagte er und drückte sie so fest, dass sie kurz nach Luft japste. “Ja. Ja… Das.. Das freut mich… aber… aber… Fili… Luft! Luft!“, presste sie hervor, woraufhin sie der Zwergenbursche umgehend wieder losließ und sich im Anschluss gefühlt tausende Male bei ihr entschuldigte. Der Rest unserer Gruppe lachte derweilen herzlich, während Jana langsam wieder durchatmen konnte. Tja, nun erlebte sie am eigenen Leib, was es bedeutete einen Zwerg zum Partner zu haben. Ich hoffte nur, dass sie das Ganze nicht so sehr mitnehmen würde, wie es bei mir der Fall war. Aber diese Hoffnung war vermutlich vergebens. Denn ich ahnte, dass irgendwann auch noch Tage kommen würden, in denen sie eine andere Seite von Fili kennenlernen durfte. Oder vielleicht sogar musste. Doch diese Tage wähnte ich noch in weit entfernter Zukunft. Bis dahin würde aber noch viel Zeit vergehen. Im Augenblick zählte lediglich die Gegenwart. Und die sollte es tatsächlich noch ordentlich in sich haben. - 110. How to Zwerg for Anfänger / Ende - Kapitel 111: 111. Flower Power ------------------------------ Oh man, ich hab so keinen Bock mehr, dachte ich frustriert, während ich versuchte einen tiefen Seufzer zu unterdrücken. Schließlich wollte ich den Anderen nicht die Laune verderben. Wobei es mich und meine zunehmend schlechter werdende Laune dazu nicht wirklich brauchte. Nein, auch die Zwerge waren bemüht eher gute Miene zum weiteren Verlauf unseres Ausfluges zu machen. Obwohl es ihnen und mir sichtlich schwer fiel. Besonders, da wir bereits seit Stunden unterwegs waren und es langsam Abend wurde. Der Grund, weshalb die Männer und ich inzwischen ein ziemlich angespanntes Nervenkostüm hatten, lag einzig und allein an der spontanen Planänderung von Jana und Marina. Die beiden Damen hatten nämlich rein aus Rücksichtnahme gegenüber den Zwergen und zu allem Überfluss auch meiner werten Wenigkeit beschlossen, den Jahrmarktbesuch in einem Shopping Trip umzuwandeln. Das taten sie lediglich, so hatte es uns Marina kurz und bündig erklärt, damit sich niemand unnötig überlastet oder überfordert fühlen sollte. Statt also die reichlich vorhandenen Fahrgeschäfte und Spielebuden auszukosten, tingelten wir nun von einem Verkaufsstand zum Nächsten. Na tolle Wurst. Wo ich doch absolut überhaupt kein Fan von solchen Einkaufsbummeln war. Schon im Hinblick auf mein ohnehin knapp bemessenes Budget. Hemmungslos irgendwelche Sachen kaufen war definitiv nicht drin. Zumindest nicht so lange, wie ich noch keinen Job hatte. Und selbst dann würde es nach aktuellen Verhältnissen sehr eng werden. Besonders mit einem Rudel Zwerge im Haushalt. Wobei ich mich schon das ein oder andere Mal dazu hinreißen ließ etwas zu kaufen. Vor allem, die Schmiermesser, welche ja von Kili und Fili so schön demoliert worden waren. Mehr sollte es für mich aber auch nicht sein. Alles Weitere konnte ich immer noch auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Außerdem hegte ich nach geraumer Zeit so den Verdacht, dass Marinas Begründung nicht allein hinter dem restlichen Tagesplan steckte. Denn während wir so herum gingen und uns umschauten, bemerkte ich, wie gerade Jana ihren Fili jedes Mal, wenn wir irgendwo Halt gemacht hatten fragte, wie er dieses, jenes oder welches finden würde. Aha! Sie hatte ihren Plan, ihren Zwergsallerliebsten zu beschenken, noch nicht aus den Augen verloren. Trotz der Tatsache, dass sie sich beim letzten Versuch um ein Haar mit ihm verlobt hätte. Ich atmete tief durch und schüttelte innerlich den Kopf. Meine Güte, muss Liebe schön sein. Wenn ich groß bin kauf ich mir auch eine Tüte, dachte ich mit sichtlich gequältem Gesichtsausdruck, während sie ihm erneut irgendetwas unter die Nase hielt und dieser nun zum gefühlt hundertstens Mal "ja, sehr schön" sagte, aber dennoch dankend ablehnte, sie es ihm kaufen wollte. Beziehungsweise sie es selbst zurücklegte, da es ihr auf einmal doch nicht mehr so gefiel. Danach stürmte sie sofort zum nächsten Stand weiter. Dabei hielt sie Fili an der Hand, wie einen unwilligen Hund an einer Leine, der eigentlich gerade sein Bein am nächsten Baum gehoben hatte, um sich zu erleichtern. Genau diesen Gesichtsausdruck warf er uns auch jedes Mal wieder zu, wenn sie ihn erneut mit sich herum zog. Kili amüsierte sich indessen köstlich über die bedröppelte Miene seines älteren Bruders. Tja, auch unter Zwergen war die größte Freude immer noch die Schadenfreude. Er feixte übers ganze Gesicht und trabte federnden Schrittes neben mir her. Bofur und Marina liefen direkt hinter uns. Dabei unterhielten sie sich angeregt über die unterschiedlichsten Sachen. Hauptsächlich stellte Marina dem Mützenzwerg Fragen über dessen Leben in Mittelerde. Dabei erfuhr ich auch, wie der Zwerg mit dem sonnigen Lächeln einst Mitglied in Thorins Gemeinschaft geworden war. Offenbar hatte der damalige Noch-Nicht-Zwergenkönig an jede Tür eines zwergischen Haushaltes geklopft. Oder war durch die Tavernen der Dörfer gezogen, um Mitstreiter zu finden. Das musste wirklich viel Arbeit gewesen sein. Sowohl das Überzeugen der Leute, wie die Reise zu den jeweiligen Örtlichkeiten. Es gab ja keine Autos oder andere fernkommunikative Mittel, die binnen kürzester Zeit beim Empfänger hätten ankommen können. So hatte Thorin also für seine Sache den buchstäblichen Klinkenputzer spielen müssen, damit überhaupt jemand von seinem Plan erfahren konnte. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, wie viel von seinem neuerwirtschafteten Vermögen er dafür hatte ausgeben müssen. Aber ich vermutete, dass dieser eher geringe finanzielle Aufwand, mit dem Reichtum des Erebor nicht verglichen werden konnte. Daher war ihm der Versuch der Rückeroberung, im Bezug auf das was er hatte und was er hatte haben können, wohl alles wert gewesen. Am Anfang war es ja nicht das Gold gewesen, welches ihn dorthin führte. Sondern der tiefe Wunsch seine Heimat zurück zu holen und wieder bewohnbar zu machen. Nun gut, mit ein bisschen Starthilfe von Gandalf, wenn man es genau nahm. Wäre der Zauberer ihm nicht eines Tages mit dieser lebensmüden, wahnwitzigen Idee entgegen gekommen, hätte er vermutlich bis an sein Lebensende nach seinem Vater gesucht und wäre darüber hinweg in den blauen Bergen alt geworden. Oder von einer Gruppe Orks am Wegrand massakriert worden. Aber das waren diese "Was wäre, wenn"-Geschichten, welche man sich im Leben nicht unbedingt stellen sollte. Denn wenn etwas mal passiert war, sollte man lediglich das "Wie" ergründen und nur dann "Wenn" benutzen, um zukünftigen Ereignissen gegebenenfalls vorzubeugen. Aber sowas stand natürlich auf einem ganz anderen Blatt. Dem Einzigen, dem ich vorzubeugen hatte war, dass die Zwerge nicht noch mehr Unsinn anstellten. Was jedoch leichter gesagt, als getan war. Ich hatte aber zumindest durch das Einweihen von Jana und Marina nun zwei Möglichkeiten mehr, die Zwerge einmal woanders unter zu bringen, wenn sie mir mal richtig auf den Keks gehen sollten. Und das würden sie früher oder später. Wobei, wohl eher früher als später. Dafür kannte ich sie ja schon gut genug. Auf lange Sicht und in Hinblick auf unseren beengten Wohnraum ohne Ausweichmöglichkeiten gesehen, würden sicherlich noch einige Komplikationen auftreten. Doch wo ich eben noch über die eine oder andere Komplikation nachdachte, tat sich auch schon die nächste Gelegenheit für Ärger auf. Riesen Ärger um genau zu sein. Und zwar in Gestalt eines Verkaufstandes, welcher verschiedene Arten von Modeschmuck und künstlichen Lederwaren anbot. Normalerweise nichts wirklich Außergewöhnliches. An diesen Ständen waren wir bereits haufenweise vorbei gekommen. Und jeder der Besitzer verkaufte zu denselben Bedingungen genau den gleichen "Ramsch". Ich hielt daher ausreichend Abstand zu den Verkaufstischen. Kili, Bofur und Marina taten es mir gleich. Nur Jana zerrte ihren armen, gestresst wirkenden Fili näher an die Artikel heran und vollführte mal wieder dasselbe Ritual, wie schon zuvor bei den anderen Ständen. Doch dieses Mal war etwas anders. Der Mützenzwerg hatte hinter mir seine Unterhaltung mit Marina plötzlich unterbrochen und brummte leicht nachdenklich, und offensichtlich auch verstimmt. "Was ist denn, Bofur? Hab ich was Falsches gesagt?", fragte die junge Mutter leicht besorgt. Doch Bofur brummte nur erneut. Diesmal allerdings eher verneinend. "Keine Sorge. Das ist es nicht. Aber...", begann er vor sich hin zu murmeln. Ich drehte mich darauf zu ihm um und legte fragend den Kopf schief. Dabei sah ich, dass er die Arme vor der Brust verschränkt hatte und sich mit den Fingern immer wieder über seinen Kinnbart strich. Gerade so, als versuche er sich an etwas zu erinnern. "Was ist denn los? Was hast du?", drängte ich nach einer Weile, da er immer noch in nachdenkliches Schweigen vertieft war. Er schüttelte kurz und kaum erkennbar seinen Kopf und verzog mit einem leicht gequälten Gesichtsausdruck den Mund, ehe er mich direkt ansah und sehr langsam sagte: "Ich... weiß nicht genau. Also... ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich mich recht erinnere. Aber es könnte schon sein. Soweit ich darüber nachdenke... ja... es wäre durchaus möglich das ich richtig liege, oder nicht?" Ich rollte aufgrund seiner nichtssagenden Worte nur genervt mit den Augen und grummelte: "Würden Sie das auch mal bitte in klare Worte fassen, die jeder Mensch versteht, Herr Bofur? Ich hab im Moment echt keine Lust das verrückte Zwergenlabyrinth mit deinen Gedankengängen zu spielen, um irgendwelche kryptischen Rätsel zu lösen." Daraufhin zuckte er kurz zusammen und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Oh, verzeih bitte, Cuna. Ich dachte nur gerade darüber nach, woher mir dieser Marktstand zu vertraut vorkommt", meinte er und deutete hinter mich. Ich warf nur einen flüchtigen Blick in die gezeigte Richtung, wo Jana Fili gerade eine sehr kitschige Herrenhalskette zeigte, zuckte dann mit den Schultern und erwiderte: "Vielleicht weil es von diesen Ständen hier dutzende gibt oder wir eventuell schon mal daran vorbei gelaufen sind, ohne ihn uns genauer anzusehen?" Doch Bofur schüttelte nur den Kopf und sagte: "Nein. Nein, wir waren hier noch nicht. Da bin ich mir vollkommen sicher. Ich meine, ich kenne ihn von... von früher... also... damals, als ich dich mit Gandalf auf diesem anderen Markt besucht habe." Ich schnaubte nur und zuckte erneut die Schultern. Ehe ich kurz die Backen aufblies und ratlos die Arme von mir streckte. "Gut möglich. Ich meine, auf dem Trödelmarkt gab es neben Privatleuten auch normale Händler. Vielleicht hast du den Stand da ja mal gesehen. Aber ich verstehe grade nicht, was dich daran so zu irritieren scheint. Es kommt öfter vor, dass gerade die Reisenden Händler im Umkreis bei mehreren Veranstaltungen auftauchen", erklärte ich und dachte damit sei die Sache geklärt. Aber der Mützenzwerg biss sich regelrecht an dem Thema fest. Und seltsamer weise sagte mir eine gewisse Regung in seiner Miene, dass ich mir den Stand vielleicht doch nochmal etwas genauer ansehen sollte. Also wandte ich mich von ihm ab und dem Stand gleichermaßen zu, um diesen genauer in Augenschein zu nehmen. Er war mit einer dunklen Plane bedeckt, die sowohl gegen Sonne aus auch Regen schützen sollte. Auf den Verkaufstischen, die von billigem, schwarzen Kunstsamt bedeckt waren, lagen auf der linken Seite die ebenfalls schwarzen Steckkästen für die Ringe. Sowohl für die Hand, als auch fürs Ohr. Je nach Bedarf eben. Auf der Rechten reihten sich etliche Geldbörsen und Portmonees, wie Dominosteine aufgereiht, hintereinander. Von einigen Warenaufhängern baumelten allerhand billige Ketten mit unterschiedlichen Anhängern, welche wie ein kleines Windspiel klimperten, sobald ein Lüftchen oder ein interessierte Kunde daran vorbei ging. Ganz hinten im Stand befand sich ein Vorhang, hinter dem man durch eine relativ weite Öffnung sowohl die Umrisse eines dunklen Lieferwagens, wie die gebückte Gestalt des Standbesitzers sehen konnte, der offensichtlich nach etwas suchte. Immer noch fand ich daran nichts Ungewöhnliches vor. Als ich jedoch ein paar Schritte näher trat und dabei fast schon unsere beiden Turteltäubchen erreichte, erhob sich der Verkäufer mit einem Mal, schloss den Vorhang, drehte sich um und trat mit einer weiteren Auslage an Fili und Jana heran mit den Worten: "Bitte sehr die Herrschaften. Das sind einige meiner besonderen Kostbarkeiten. Äußerst gute Ware. Feingearbeitete Ketten mit äußerst filigranen, aber dezenten Anhängern aus neunhundertfünfundzwanziger Sterlingsilber. Versehen mit echten Edelsteinen. Für Sie natürlich heute zum Sonderpreis, versteht sich." Vollkommen geschockt, sprang ich beinahe einen halben Meter zurück und schlug mir vor Entsetzen die Hand vor den Mund um den plötzlichen Aufschrei zu dämpfen, der in meiner Kehle empor gestiegen war. Nicht weil ich etwa dieses Angebot oder gar die vorgezeigte Ware unheimlich toll gefunden hätte. Diese war aus meiner Sicht sogar potten hässlich. Der Verkäufer war auch nicht der freundliche Zalando Bote aus der Fernsehwerbung. Nein. Ooooooh Nein. Dieser wäre mir verglichen mit dem Mann, den ich da gerade sah hundert, wenn nicht tausendmal lieber gewesen, als DER! Na heiliges Hackfleisch! Der hatte mir gerade noch gefehlt! Oder vielmehr hatte er mir nicht gefehlt. Ich war froh gewesen, als der Trödelmarkt vorbei gewesen war und ich drei Kreuze gemacht hatte, dass ich diesen schmierigen Schleimbolzen von Händler niemals wieder hätte sehen müssen. Aber wie besagten einige alte Sprichworte: "Die Welt ist ein Dorf. Und man sieht sich immer zweimal im Leben." Oh wie sehr wollte ich in diesem Augenblick die alten Weisheiten Lügen strafen. Zähneknirschend erinnerte ich mich daran, wie er mir einst die Kunden madig und nebenher sogar Teile meiner Waren kaputt gemacht hatte. Auf der anderen Seite kam mir allerdings auch das genugtuende Bild in den Sinn, wie er von Gandalf mit seinem Mittelerde-Zauberstab-Kung-Fu-Style ordentlich auf die Bretter geschickt worden war. Aber nun verstand ich auch endlich Bofurs Skepsis und den leichten Anflug von Abneigung in seinem Gesicht und den Worten von zuvor. Er konnte ihn mit garantierter Sicherheit auch nicht leiden. Wusste ich doch nicht, was in der Zeit vorgefallen war, wo ich mit dem mächtigen weißen Zauberer auf eine Tasse Tee ins Café gegangen war. So wie ich diesen Verkäufer kennen gelernt hatte, war er definitiv ebenso unfreundlich zu dem Mützenzwerg gewesen, wie zu mir. Auch wenn Bofur mir das weder an besagtem, noch irgendeinem anderen Tag erzählt hatte. Vielleicht hatte er es bis dato ja auch vergessen und vollkommen verdrängt. Genau wie ich auch. Nun gut. er war da und verkaufte weiter seinen billigen Schund. Sollte mir auf einer Seite recht sein. Verhindern oder verbieten konnte und durfte ich es ja nicht. Das war nicht meine Aufgabe und würde es auch nie sein. Auch wenn er gerade dabei war Jana und Fili tierisch übers Ohr zu hauen. Dann müsste ich so etwas mit jedem Händler machen, der sich so wie er hervortat. Und das war mir deutlich zu anstrengend. Auch wenn es massiv an meiner eigenen Verkäuferehre nagte, wollte ich mich da auf keinen Fall einmischen. Ich hatte keine Lust auf eine direkte Konfrontation mit dem Kerl. Besonders nicht in meinem gegenwertigen Zustand. Und anderweitig ebenso wenig. Ich atmete einmal mit geschlossenen Augen ganz tief durch und wollte mich schon auf dem Absatz kehrt machen, als Jana ohne es zu Wissen einen schweren Fehler beging. "Oh, Jacky? Stehst du schon lange da? Kannst du mir helfen? Ich brauche hier deinen Rat als Frau. Meinst du, eine dieser Ketten würde Fili gut stehen?", fragte sie mit leuchtenden Augen und hielt mir zwei der hässlichsten vor die Nase. Sie hatte gerade ausgesprochen, da fühlte ich schon einen stechenden und ungemein bohrenden Blick auf mir ruhen. Ich meinte unterbewusst eine Aura ungeahnter Dunkelheit aus dem Marktstand herauswabern und in schwarzen Wolken auf mich zu kriechen zu sehen. Doch ungeachtet dessen und vollkommen verstört von Janas Fragen verhaspelte ich mich und sagte gut hörbar für alle Umstehenden: "Is alles scheiße, was der Sack verkauft." Jana zog daraufhin leicht verwundert die Augenbrauen nach oben, während ich flüchtig Filis Blick auffangen konnte, welcher ziemlich erleichtert wirkte und mir sagte, dass er froh war es seiner Liebsten nicht selbst sagen zu müssen. Gut, dazu wäre er auch nicht gekommen. Denn schon erhob sich die Stimme des Standbesitzers in meiner Richtung, wobei er zeitgleich langsam und behäbig hinter seinen Verkaufstischen hervor trat. "Na sieh mal einer an. So sieht man sich wieder", trällerte er mir in einem düsteren aber gefährlichen Singsang entgegen. "Ja. Scheint so... und hoffentlich auch das letzte Mal. Guten Tag", entgegnete ich stark unterkühlt und trocken, während ich mich endgültig umdrehen und mich nicht weiter provozieren lassen wollte. Inzwischen standen aber auch schon Bofur, Kili und Marina direkt hinter mir. Ihre Gesichter sprachen deutlich ganze Brockhaus Bände. Der Mützenzwerg musste die anderen beiden wohl über die erste Begegnung mit dem Schleimbolzen aufgeklärt haben, während ich noch halb unter dem Schock der Überraschung gestanden hatte. Sie waren alle drei ziemlich angespannt und vermittelten mir das Gefühl, dass sie sich unbedingt mit dem Verkäufer messen wollten, wenn er es darauf anlegen würde. Das wollte ich natürlich unter allen Umständen vermeiden und ihnen gerade mit einer Handbewegung andeuten, sich nicht provozieren zu lassen, da erhob sich erneut die Stimme des Schleimbolzens hinter mir: "Ach... und der hässliche, kleine Gartengnom ist auch wieder dabei. Ist ja interessant. Sind ja sogar noch mehr geworden, wie es aussieht." In dem Moment zuckte kurz ein Muskel an Bofurs Schläfe und er presste die Lippen fest zusammen. Nur nicht drauf eingehen. Einfach ignorieren, dann verliert er irgendwann die Lust, schoss es mir in einem immer währenden Kanon durch den Kopf. Gleichzeitig blaffte ich deutlich härter als beabsichtigt über meine Schulter hinweg: "Jana. Fili. Kommt. Wir gehen weiter." "Was? Aber.. Aber... Wieso... was.. Was ist denn auf einmal... ich verstehe nicht...?", stammelte Jana leicht verwirrt und mit tiefer Sorge in der Stimme. Doch im Gegensatz zu ihr, hatte Fili bereits verstanden, dass etwas Ungutes in der Luft lag. Denn auch er änderte seine Tonlage und brummte vermittelnd aber eindringlich: "Gehn wir einfach. Hier gibt es nichts Brauchbares für uns." Damit schien dann auch für sie das letzte Wort gesprochen zu sein. Ich wusste zwar nicht was die beiden hinter mir noch machten, aber ich wollte mich auch nicht umdrehen. Ich würde warten bis die beiden aufgeschlossen hatte, dass wir zusammen weiter gehen konnten. Doch ehe wir auch nur einen Fuß vor den anderen setzen konnten, drang erneut die Stimme des Händlers an meine Ohren. Diesmal noch bedrohlicher als vorher und noch dazu viel näher. Ja, ich konnte buchstäblich seinen heißen Atmen in meinem Nacken fühlen und roch das billige Deodorant, welches definitiv versagt hatte und mir zusammen mit einem besonders widerlichen Eigengeruch des Mannes Übelkeit erregend in der Nase brannte. "Wo wollen wir denn so eilig hin? Hast du schon vergessen, was du getan hast? Soll ich deinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen? Na? Na?!", fauchte er mir mit aller Giftigkeit entgegen. Ich versuchte ruhig zu bleiben. Ballte lediglich die Hände in meinen Taschen weiter zu Fäusten. "Nur nicht provozieren lassen. Nicht drauf eingehen. Ich hab nichts Falsches getan", flüsterte ich inzwischen vor mich hin ohne es zu merken und vermutlich auch, um mir selbst Mut zu machen. Doch die Tatsache, dass ich es vergleichsweise laut gesagt und nicht nur gedacht hatte, ließ den Mann hinter mir schallend auflachen. "Nichts? Nichts getan, sagst du? Du bist dir keinerlei Schuld bewusst? Leidest wohl schon in so jungen Jahren schon an Alzheimer, was Honigpuppe? Aber ach... das seh ich ja jetzt erst... Hat dir doch mal jemand eins auf die vorlaute Fresse gegeben? Interessant. Äußerst interessant. Bei wem darf ich mich wohl dafür herzlichst bedanken? Bei dem altersschwachen Bruce-Lee-Opa? Deinem Gartengnomenfreund mit der hässlichen Schlabberkappe hier drüben? Oder vielleicht...", grollte er in bitter süßem Ton und war noch näher an mich heran getreten, sodass er die darauffolgende Worte nur noch in mein linkes Ohr flüstern musste, damit ich ihn schon klar und deutlich verstand. "... oder... vielleicht... deinem...." "HERBERT!" Donnerte es plötzlich so unvermittelt zu uns herüber, dass wir alle aufgrund unserer massiven Anspannung zusammen fuhren und uns ruckartig in Richtung des Rufers wandten. Zum Erstaunen aller Anwesenden und quasi unter gewaltigem "Hallo!", trat eine zierliche, hochgewachsene Frau mit vor Wut verzerrtem Gesicht an uns, beziehungsweise an den Schleimbolzen heran. Sie war mit einem Klemmbrett samt Stift bewaffnet und trug nebenbei über ihrer Kleidung eine orangefarbene Warnweste mit einem Namensschild an der Brust. Die Weste biss sich dabei extrem mit ihrem orangeroten, hüftlangem Zopf, der ihr locker über die hochgezogenen Schultern herunter baumelte. Dieser fing jedoch an bedrohlich hin und her zu wackeln, wie eines dieser Pendel-Fall-Beile aus diversen alten Cartoon-Filmen, als sie die Hände in die Hüften stemmte und sich ihre Stimme erneut erhob: "Was zum Donnerwetter treibst du schon wieder hier?!" Der Schleimbolzen war indessen ein gutes Stück von mir abgerückt und spielte mehr schlecht als recht die Unschuld vom Lande. "Nichts. Nichts. Nur ein einfaches Kundengespräch", stammelte er vor sich hin und wedelte abwehrend mit den Händen. "Kundengespräch? Aha... Was für eine Art von Kundengespräch soll das denn bitte eben gewesen sein? Normalerweise führt das jeder Händler an seinem Stand und nicht mitten auf dem Weg. Das sah mir eher so aus, als wolltest du die Frau hier belästigen, oder täusche ich mich da?", herrschte sie ihn mit strenger, ernster Miene an. Sie glaubte ihm kein Wort. So viel war mir sicher. Aber offenbar dem schmierigen Herbert noch nicht. Denn er versuchte weiterhin die wütende Marktaufsichts-Frau von sich zu überzeugen. "Aber.. Bitte, bitte. Meine liebste, zuckersüße Yvonne. Du kennst mich doch. Ich würde doch nie...", setzte er erneut an, doch da fuhr ihm die Frau, welche die Zwerge und ich eigentlich nur als Floristin kannten, dem Schleimbolzen direkt in die Parade und knurrte, "Deine Flirtversuche kannst du dir an die Backe nageln. Die ziehen bei mir nicht. Ich weiß sehr wohl, was du alles können wollen würdest, wenn man dir freie Hand lässt. Du wurdest nicht ohne Grund aus dem Vorstand rausgewählt. Du hast genug Dreck am Stecken, mein Lieber. Sei froh, dass dir die Stadt überhaupt noch einmal einen Stand hier genehmig hat, nachdem was alles vorgefallen ist. So. Und jetzt lass die Leute in Ruhe bummeln, oder ich sorge bei deinem nächsten Vergehen gegen die Platzordnung dafür, dass dir endgültig die Lizenz entzogen wird. Hab ich mich klar genug ausgedrückt?!" den letzten Satz sagte sie so laut, dass selbst meine Gruppe und ich ein Stück von ihr zurück wichen. Hinter mir hörte ich, wie Kili ganz kurz einige Worte in Khuzdul von sich gab. Sie klangen zwar für jene, die die Sprache nicht kannten eventuell beleidigend. Aber ich hörte bereits am Klang seiner Stimme, dass er dafür nur tiefe Bewunderung empfand. Ein Gefühl, welches ich mit ihm teilte. Das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Da begegneten wir nicht nur einem alten, unliebsamen Bekannten von mir. Sondern auch einer Frau, die wir erst vor wenigen Tagen erst ganz friedlich, freundlich und ruhig vor ihrem Blumengeschäft kennengelernt hatten. Also wirklich. Sie war hatte sich mit einem Mal so gewandelt. Da konnte man mal sehen, wie sehr einen manchmal der erste Eindruck täuschen konnte. Besonders ihre Haltung und die Art und Weise, wie sie selbst einen Mann, wie den schleimigen Herbert, nur mit Worten so klein zusammen falten konnte, dass er selbst mit einem Zylinder aufrecht unter einem Türspalt hätte durchmarschieren können. Dabei war sie ja grade mal einen Kopf kleiner als er und wirkte bei weitem nicht so kräftig. Aber irgendwie schien er vor ihrer Autorität durchaus Angst zu haben. Denn er wich noch weiter zurück und begann dabei fast zu wimmern als er sagte: "Ja... Ja... Ja doch verdammt! Ich geh ja schon." Damit verzog er sich wieder hinter seine Verkaufstische und werkelte zum Schein an irgendetwas herum. Allerdings warf er dabei immer wieder flüchtige Blicke zur Floristin und uns herüber. Nach einer Weile ignorierte ich ihn vollkommen und atmete noch ein paar Mal tief durch. Yvonne behielt ihn allerdings noch eine Zeit lang im Auge, bis sie sich etwas entspannte und uns ansprach. "Sind Sie alle wohl auf?", fragte sie so unvermittelt freundlich und ruhig, als wäre nie wirklich etwas vorgefallen. Ich schaute mich zunächst einmal im Kreise meiner Gruppe um. Fili und Jana waren auch endlich zu uns gestoßen und blickten reichlich verwirrt drein. Kili, Bofur und Marina atmeten ebenso wie ich erleichtert auf, ehe sie Yvonne zu nickten und ihr leise einige dankende Worte zukommen ließen. Die Floristin nickte mit einem zufriedenen Lächeln und sagte: "Gut. Sie sollten jetzt wohl weiter gehen. Am besten, Sie meiden diesen Standbereich hier bis zum Ende des Festivals." "Gute, Idee. Vielen Dank nochmal für die Hilfe. Das war wirklich unangenehm", meinte ich mit einem verschmitzten Grinsen und rieb mir dabei leicht aufgekratzt mit der linken Hand über den rechten Arm. Sie winkte mit einem Glocken hellen Kichern ab und erwiderte: "Ach. Nichts zu danken. Das ist immerhin heute meine Aufgabe hier. Außerdem war es schön sie alle einmal widerzusehen. Ich hoffe, Sie haben trotz dieser Begegnung noch einen angenehmen Aufenthalt hier auf dem Platz. Aber wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden. Ich muss weiter." "Nur zu. Nur zu. Reisende soll man nicht aufhalten. Schönen Tag noch", sagte ich und ehe wir uns alle versahen, war sie mit einem "gleichfalls" auf den Lippen regelrecht an uns vorbei geschwebt und verschwand federnden Schrittes um die nächste Ecke und war trotz ihrer Warnweste nicht mehr zu sehen. Nun hatten wir alle aber nicht mehr wirklich die Zeit uns weiter an Ort und Stelle von dem Schrecken zu erholen. Da Yvonne außer Sicht verschwunden war, fürchtete ich, dass der schleimige Herbert jeden Augenblick wieder hinter mir auftauchen würde. Den Zwergen und den beiden Damen kam wohl ähnliches in den Sinn. Nur weg von da. Und zwar so schnell wie möglich. Zum Reden war unterwegs noch genug Zeit. Ich hätte aber nicht erwartet, dass ausgerechnet Kili den ersten Schritt wagen würde und die im Augenblick wohl beste Idee des gesamten Tages verkündete. "Also. Ich brauche jetzt ein Bier. Wer kommt mit?" - 111. Flower Power / Ende - Kapitel 112: 112. (Alp-)Traumhafte Aussichten --------------------------------------------- Sitzen. Nach meiner Auffassung gab es schon seit tausenden von Jahren der Menschheitsgeschichte keinen größeren Luxus wie sitzen. Gut, eigentlich war es vielmehr die Meinung meiner Füße, die sich schon seit einiger Zeit bei mir beschwerten, dass es doch endlich mal an der Zeit sein sollte ihnen etwas Ruhe zu gönnen und dafür lieber meinem Hinterteil etwas Arbeit zu verschaffen. Nur, woher nehmen und nicht stehlen? Viele Auswahlmöglichkeiten gab es ja nun nicht. Obwohl zwischen all den Verkaufsständen und Fahrgeschäften mal hin und wieder ein typischer Bier-Pilz oder eine "Friss-dich-zu-Tode-Station", auch Imbisswagen genannt, auftauchte, war weit und breit kein anständiges Plätzchen zum Ausruhen aufzutreiben. Die meisten Besitzer der allgemeinen Gaumenfreuden beschränkten sich aufgrund ihrer beengten Lage mehr auf die altbewehrten Bistro-Stehtische oder eben ihre angebauten Theken. Gut, wir hätten uns auch dort versammeln können, um zu rasten. Aber ich war ja nicht die Einzige, die langsam aber sicher ein bisschen knatschig wurde und bei der sich die Füße beschwerten. Auch Jana und Marina waren inzwischen sichtlich müde von der ganzen Lauferei. Unsere drei zwergischen Begleiter hingegen schienen noch halbwegs fit zu sein. Oder sie wollten sich mal wieder in Anwesenheit ihrer Liebsten keine Schwäche anmerken lassen. Das vermutete ich zumindest. Ich stelle nämlich bei einigen flüchtigen Blicken auf Fili und Bofur fest, dass diese für einen kurzen Wimpernschlag, wenn sie sich von ihren Damen unbeobachtet fühlten etwas gefrustet die Münder verzogen und ihre Stirn gleichzeitig von Sorgenfalten bedeckt waren. Von Kili hatte ich schon eine ganze Zeit lang keinen nichts mehr gehört. Nicht seitdem er den Vorschlag gemacht hatte etwas trinken zu gehen. Er lief auch an der Spitze unserer Gruppe um die Gegend auszuspähen und winkte hin und wieder mal, wenn er meinte was gesehen zu haben. Ansonsten sah ich nur seinen Rücken. Ich war mir aber ziemlich sicher, dass er gerade tief in Gedanken versunken war. Das unerwartete Wiedersehen mit der Floristin musste ihm langsam aber sicher zusetzen. Er begriff vermutlich erst nach und nach, dass er eine gute Gelegenheit hatte verstreichen lassen, die er eigentlich hätte nutzen können, um sich bei Yvonne für ihr Geschenk an ihn zu bedanken. Oder vielleicht um einfach normal mit ihr zu reden. Sicherlich war er immer noch von dem Gedanken beseelt, dass es sich bei der rothaarigen Frau um seine vermisste Tauriel handelte. Ich seufzte kurz als ich so darüber nachdachte und schüttelte nur den Kopf. Klar, warum sollte es auch anders sein. Der Junge hatte ja seit der ersten Begegnung nichts anderes mehr im Sinn. Auch wenn er mir gegenüber nie ein Wort erwähnte, so war sein Verhalten in den Tagen vor dem Jahrmarkt mir gegenüber schon aufgefallen. Er hegte den Vergissmeinnicht in seinem Blumentopf dermaßen führsorglich und umsichtig, als sei er sein eigen Fleisch und Blut. Hin und wieder hatte ich ihn sogar einmal gehört, wie er leise in Khuzdul zu der Pflanze sprach. Gut, es soll ja die Meinung unter Hobby-Botanikern umgehen, dass Blumen besser wachsen und schöner blühen sollen, wenn man mit ihnen spricht. Ich wagte aber einerseits zu bezweifeln, dass das stimmte, da ich selbst einmal diese Versuche unternommen hatte und meine Blumen immer wieder eingegangen waren. Und andererseits, dass ausgerechnet Kili über diese menschengemachte Weisheit Bescheid wusste. Zwerge und Botanik war meiner Meinung nach ebenso unrealistisch, wie aus Mayonnaise ein Instrument zu machen. Aber wenn es darum ging, was in meinem Leben unrealistisch war und was nicht, musste ich mit zunehmenden Unmut feststellen, dass diese Grenzen meines menschlichen Verstandes mehr und mehr verschwammen. Ich seufzte erneut und ließ bedrückt die Schultern hängen. In dem Moment drehte Jana den Kopf zu mir und fragte: "Alles in Ordnung Jacky?" Ich zuckte kurz zusammen, nachdem ich so unerwartet aus meinen Gedanken gezogen wurde und schaute in ihr leicht besorgtes Gesicht. "Ähm... Nein... Ja... Alles gut, Jana. Ich bin nur etwas müde. Das ist alles", erwiderte ich mit einer abwehrenden Handbewegung. Sie nickte verstehen und sagte zunächst nichts mehr. Doch mir entgingen der kurze skeptische Blick nicht, den sie mir nach meiner Antwort zugeworfen hatte. Auch Marina schien von meiner Antwort nicht ganz überzeugt zu sein und meinte: "Wir sind, denke ich mal, alle müde. Kein Wunder, es wird auch langsam spät. Lange werde ich wohl auch nicht mehr hier bleiben können. Meine Mutter kann nicht auch noch den ganzen Abend auf Benny aufpassen. Die muss ja auch mal irgendwann wieder nach Hause. Aber ich vermute, dass deine Müdigkeit nicht alles ist, was dich umtreibt, oder?" Bei der angehängten Frage musterte sie mich eindringlich, aber dennoch sorgenvoll und herzlich. Ich schüttelte daraufhin lediglich den Kopf. Meine Probleme sollten nun wirklich nicht ihre werden. Wobei sie es ja nun zum Teil schon geworden waren. Aber man musste es ja nun nicht bis auf die Spitze treiben und sowohl ihr als auch Jana meinen gesamten Werdegang vorsetzen. Nicht einmal die Zwerge wussten alles über mich. Und das war aus meiner Sicht auch gut so. Das was sie wussten sollte fürs erste genug sein. Bofur schien das ebenso zu sehen und sagte: "Ich vermute, dass ihr die Begegnung mit diesem Händler noch in den Knochen steckt. Ich war auch nicht angetan davon dieses Ekel noch einmal zu Gesicht bekommen." "Das verstehe ich auch nicht. Was war denn jetzt mit dem los? Warum hat er Jacky so bedrängt? Das sah ja aus, als wollte er sie wegen irgendetwas schlagen, oder so", warf Jana kurz drauf ein und musterte den Mützenzwerg fragend. In dem Moment meldete sich Fili an ihrer rechten Seite zu Wort und brummte: "Das hätte er sich wagen sollen. Niemand greift ungesühnt unsere Schwester an. Und falls doch, so kann er sich auf eine gehörichte Abreibung gefasst machen!" Die junge Frau keuchte einen Augenblick später ehrfürchtig aufgrund dieser Worte und warf Fili einen ebenso bedeutsamen Blick zu. Ich schnaubte indessen belustigt und dezent verlegen, wobei ich mich am Hinterkopf kratzen musste. Marina schüttelte nur verständnislos den Kopf und stammelte zögernd: "Ihr... Ihr würdet doch nicht wirklich jemanden einfach so zusammen schlagen! Oder... etwa.. doch?" Ihre Augen wanderten dabei von Fili, zu mir und schlussendlich zu Bofur an ihrer linken Seite. Dieser verzog verschmitzt lächelnd den Mund und nuschelte: "Nun... also... weißt du... nur wenn es sich nicht vermeiden lässt. Wir... äh... täten es nur dann, wenn wir selbst, unsere Sippe oder unsere Lieben angegriffen würden. Da spielt es keine Rolle ob es sich dabei um ein Wortgefecht oder eine andere Reiberei handelt. Wir verteidigen damit nur, was uns am wichtigsten ist." Nachdem er geendet hatte, nickte die junge Mutter langsam und verstehend. Sie schien aber keineswegs mit dieser Einstellung zufrieden zu sein. Gut, welche anständige Frau meiner Zeitepoche wäre das schon. In alten Zeiten hätte das sicherlich anders ausgesehen. Da waren die Ritter in ihren Rüstungen bei den Turnieren von den Damen verehrt und geschätzt worden, wenn sie ihre Gegner mit Lanze und Schwert niederstreckten. Heutzutage empfanden die Menschen solche Umgangsformen als extrem barbarisch und primitiv. Gut, das mochte zu einem gewissen Punkt auch stimmen und richtig sein. Allerdings erinnerte ich mich plötzlich an eine Situation während der vergangen Zeltstadt. Nämlich an den Tag, wo Thorin und ich in den Schlosspark gegangen und dort ein Picknick gemacht hatten. An den Moment, wo er beleidigt von dannen gezogen war, ich ihn hatte suchen müssen und dabei in die Fänge einiger notgeiler Sommerausflügler geraten war. Da hatte sein übertrieben rabiates, aber beherztes Eingreifen schlimmeres verhindert. Und insgeheim war ich froh darüber gewesen, dass er so reagiert hatte. Auch wenn man es vermutlich mit Worten ebenso hätte austragen können. Aber gut, das lag nun schon eine ganze Weile in der Vergangenheit. Eine stellenweise turbulente aber irgendwie auch schöne Vergangenheit. Ich schluckte kurz und rieb mir einen Moment später kurz übers Gesicht, wobei ich feststellte, dass ich mal wieder ohne es zu merken ein paar Tränchen verdrückt hatte. Zu meinem Glück hatte es dieses Mal niemand aus meiner Gruppe bemerkt. Meine Gedanken waren nämlich so weit abgedriftet, dass ich nicht bemerkt hatte, wie Jana Bofur bezüglich der ersten Begegnung mit dem Händler ausfragte. Erst das allgemeine Gelächter ließ mich hochschrecken und Jana meinte: "Nicht zu fassen! Du hast ihn nicht gesehen und nochmal einfach umgerannt? Oh, da wäre ich zu gern dabei gewesen. Das hat dieser Stinkstiefel wirklich verdient." Marina gluckste verlegen und sagte: "Du bist aber auch wirklich ein Tollpatsch. Aber dafür mag ich dich ja." Der Mützenzwerg schluckte kurz verlegen und zog die Augenbrauen mit einem breiten Lächeln nach oben. "Nun, also... ich... ähm... ach. ach Kili? Kili, hast schon irgendwas gefunden wo wir rasten können?" fragte er den dunkelhaarigen Burschen, um von sich selbst und seiner offensichtlich peinlich berührten Person abzulenken. Der Angesprochene, welcher weiterhin ungerührt vorweg stapfte und gelegentlich nach links und rechts Ausschau hielt, blieb plötzlich stehen und rief mit freudiger Stimme: "Ja! Ja, da vorne ist etwas! Da neben dem großen runden Ding!" Dabei deutete er mit ausgestrecktem Arm leicht nach rechts. Ich versuchte seinem Wink zu folgen und zunächst einmal auszumachen, was für ein großes, rundes Ding er meinte. Aber das war eigentlich nicht schwer zu erkennen. Immerhin überragte dieses runde Ding ja sämtliche Gebäude und Stände auf dem Markt. Er sprach dabei von dem Riesenrad, welches sich langsam, mit dezenten Knirschgeräuschen um sich selbst bewegte. Und tatsächlich! Als ich Kilis Arm folgte befand sich nicht weit davon ein Bier-Pilz, welcher zwar nur wenige, aber dennoch vorhandene Zeltgarnituren aufgestellt hatte. Und es waren sogar noch zwei Bänke mit einem Tisch frei. Da ließen wir uns alle nicht lange bitten. Umgehend lenkten wir unserer Schritte zügig zu den Sitzplätzen, ehe sie uns noch irgendeine andere gruppe wegschnappen konnte. Wobei das langsam aber sicher unwahrscheinlicher wurde. In der Zwischenzeit hatte die Sonne beschlossen langsam im Westen zu versinken und den Abend einzuläuten. Für viele Gruppen, darunter einige Familien mit ihren kleinen Kindern, war das somit das Zeichen den Heimweg anzutreten. Nur noch hin kreuzten die ein oder anderen Gruppe unseren Weg. Aber zum Glück suchte keiner davon einen Ort zum Hinsetzen. So hatten wir die Plätze ganz für uns. Mit denkbarer Erleichterung rutschte ich zusammen mit den beiden anderen Damen auf eine Seite und stöhnte schließlich ausgelassen, nachdem meine Füße endlich die Last meines Körpers los waren. Indessen fragten uns die Zwerge, was wir denn trinken wollten, da sie schon dabei waren die Angestellten im Getränkestand mit ihren Wünschen zu überfallen. Jana bestellte auf die Frage hin eine Zitronenlimonade, Marina wollte ein stilles Wasser und ich nuschelte den Männern kurz und knapp, "Ne Cola, bitte" zu. Gesagt, getan. Die Bestellungen wurden aufgenommen, weitergegeben und wenig später saßen wir alle mit unseren Getränken beisammen und nahmen ein paar ordentliche Schlucke aus unseren Gläsern oder Flaschen. Nun machte sich auch die Erschöpfung bei den Zwergen deutlich bemerkbar. Die Herren stürzten ihr Bier fast fluchtartig hinunter. Um natürlich kurze Zeit später unter einigem "Hallo" ein paar ordentliche Rülpser zum Besten zu geben. Einige Passanten, wie am Tresen wartende Gäste schüttelten bei dem Anblick dezent angewidert den Kopf. Marina war im ersten Moment leicht empört, als die Zwerge ihrem inneren Trieb einfach so in aller Öffentlichkeit freien Lauf ließen. Jana giggelte belustigt und ich wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken. Meine Güte, dass sich die Männer nicht ein einziges Mal benehmen konnten. Hatte ich ihnen doch noch am Morgen die Anweisungen gegeben, sich zurück zu nehmen. Dabei hätte ich ahnen müssen, dass bei Zwergen das Kurzzeitgedächtnis in bestimmten Situationen einfach aussetzte. Aber gut, so waren sie nun mal. Und langsam aber sicher war ich es leid sie ständig darauf hinzuweisen, wie unmöglich sie sich verhielten. Dafür sprach Marina, welche direkt neben mir saß ein kurzes Machtwort und brummte: "Herrschaften, bitte! Könntet ihr das sein lassen? Das ist ja widerlich." Die Zwerge stellten der Reihe nach ihre Flaschen ab und musterten sie mit verständnislosen Mienen. "Aber das gehört bei uns zum guten Ton. Was spricht dagegen?", fragte Bofur und schob dabei seine Mütze etwas aus dem Gesicht. "Bei euch, ja. Aber wir sind hier nicht bei euch. Wie oft muss ich das eigentlich noch erklären? Hier mögen es die Leute nicht, wenn man sich verhält wie eine Wildsau am vollen Futtertrog", bemerkte ich beiläufig und stützte genervt meinen Kopf auf den rechten Arm. "Ach, Jacky. Lass sie doch. Ich find sie so viel sympathischer", fuhr mir Jana dazwischen und versah Fili indessen mit einem liebevollen Lächeln, welches der blonde Bursche ebenso erwiderte. "Siehst du? So schlimm scheint es doch nicht zu sein", meinte dieser mit einem kurzen Blick auf mich, ehe er sich wieder seiner Liebsten zuwandte. Ich seufzte kurz und hörte dasselbe Geräusch von Marina, welche in meinem Augenwinkel die Arme vor der Brust verschränkte und ungläubig die Stirn in Falten legte, ehe sie mir zu murmelte: "Sag mal, sind Zwerge immer so?" Ich brummte zunächst zustimmend ehe ich ergänzte: "Manchmal. Also nicht alle. Da gibt es auch Ausnahmen. Aber du wirst sehen, wenn du mit ihnen eine Zeit lang zugebracht hast, wirst du verstehen warum ich gelegentlich mal die Nerven verliere." "Ist Thorin denn eine dieser Ausnahmen?", fragte sie mit einem Mal interessiert und rückte näher an mich heran. Ich zuckte daraufhin erschrocken von ihr weg und schluckte kurz. Ach herrje. Mit dieser Frage hatte ich nun nicht gerechnet. Was sollte ich ihr nun sagen? Allzu viel wusste ich ja auch nicht über den Zwergenkönig. Das meiste was er von sich gezeigt hatte, war sein eher kühler Charakter. Gut, er konnte wenn er wollte auch galant und gewissermaßen romantisch sein. Aber dennoch behielt er seine eher direkte, leicht aufbrausende Zwergennatur bei. Du meine Güte, wie sollte ich ihn ihr gegenüber nur beschreiben? Das war nun wirklich nicht einfach. Zum Glück hatten auch die Zwerge diese Frage mitbekommen. Denn Kili war es der ihr über den Tisch hinweg antwortete und erklärte: "Thorin ist ein Zwerg, der sehr viel Wert auf seine Ehre und seinen Stolz legt. Er ist es gewohnt, dass man seinen Anweisungen Folge leistet, wenn er sie ausdrücklich erteilt. Dennoch ist ihm, ebenso wie uns, seine Familie das Wichtigste überhaupt im Leben. Er steht auch nicht einfach daneben, wenn irgendwem unrecht angetan wird. Nein, er nimmt die Sachen gerne selbst in die Hand und möchte sie nach seinem Ermessen handhaben." "Das klingt nicht gerade nach einem gutherzigen, liebevollen Mann. Eher nach einem unbeholfenen Grobian oder Diktator", nuschelte Marina und nippte kurz an ihrem Wasser ehe zu ihr sagte: "Das siehst du nicht richtig. Er hat auch einige gute Seiten an sich. Immerhin hat er zusammen mit seinem Vater und Großvater Durins Volk nach Smaugs Angriff auf den in Sicherheit gebracht. Noch dazu hat er sich danach zeit seines Lebens abgearbeitet um seine Familie zu versorgen. Und nicht zu vergessen die Schlacht vor den Toren Morias, wo sein Großvater, sein Bruder und viele anderen ihre Leben ließen. Dann verschwand auch noch sein Vater und er musste sich um alle Angelegenheiten alleine kümmern. Das alles hat ihn zu dem gemacht, was er heute ist und wofür wir ihn schätzen." "Das ist mir klar. Es beantwortet aber nicht meine Frage, Bofur. Ich weiß auch, dass er wohl viel durchgemacht hat und er dafür wirklich Respekt und Anerkennung verdient hat. Mich würde es mehr interessieren, wie er so als Person, Mann, Zwerg oder was auch immer ist. Nicht was ihr in ihm seht oder was er in eurem Leben für eine wichtige Rolle spielt", erwiderte sie energisch und die Zwerge verstummte und sahen einander mit leicht irritieren Augen an. Ich hingegen exte zügig mein Glas Cola und stellte es etwas zu fest auf den Tisch, das kurz knallte und sich alle erschrocken zu mir wandten. Das war mir nur recht. Ich wollte diese Diskussion so schnell es möglich war beenden. Also richtete ich mich direkt an Marina und sagte: "Wenn du wissen willst, wie er wirklich ist, musst du warten bis er aus Mittelerde zurück ist. Was anderes wird dir hier keine sagen können. Dann kannst du dir selbst ein Bild von ihm machen." "Und wann wird das sein? Weißt du das schon? Hat er was dazu gesagt?", fragte die junge Mutter im Anschluss daran und schaute mich wissbegierig an. Ich schüttelte aber nur wahrheitsgemäß den Kopf und nuschelte: "Nein. Das weiß ich nicht. Niemand weiß das. Nicht mal er selbst. Du hast ihn doch im Spiegelkabinett gehört, oder? Er will mit sich ins Reine kommen und... ach was weiß ich. Es wird dauern." "Aber müsstest du ihn nicht eigentlich gut kennen, Jacky? Ich meine, ihr zwei seid ein Paar. Nein, noch mehr. Ihr zwei habt euch doch verlobt! Da solltest du doch eigentlich mehr über ihn wissen", warf Jana kurz drauf ein und schielte an Marina vorbei zu mir herüber. Ich atmete einmal tief durch und versuchte ein bisschen meine Fassung zu bewahren. Nicht dass ich irgendwie wütend oder sauer gewesen wäre. Nein, dieses Gespräch war mir einfach nur unangenehm. Und ich wollte es nicht führen. Nicht zu diesem Zeitpunkt und später auch nicht. Eigentlich nie im Leben. Schon gar nicht vor den beiden Frauen. Die Männer wussten ja worum es mir bei meinem Herumgedruckse ging. Da konnte ich mich hoffentlich darauf verlassen, dass sie die Klappe hielten. Nur bei meinem eigenen eher schwachen Ego war ich mir nicht ganz sicher. Also versuchte ich erneut auszuweichen indem ich nach einer längeren Pause meinte: "Nach gut zwei Wochen, wo ich ihn persönlich getroffen habe kann ich doch noch nicht sagen, was für ein Kerl er wirklich ist. Oder kennst du Fili nach so wenigen Tagen bereits so gut, dass du alles von ihm und über ihn weißt? Er ist Thorin übrigens in manchen Punkten sehr ähnlich. Ebenso wie Kili. Die Zwei haben viel von ihrem Onkel mitbekommen. Nicht alles, aber viel davon. Er hat die zwei immerhin zusammen mit seiner Schwester großgezogen, nachdem sein Schwager gestorben ist. Wenn jemand hier am Tisch Thorin wohl am besten kennen sollte, dann sind es die beiden da. Aber um euch das alles zu erzählen ist der Tag echt nicht lang genug. Und ich denke, wenn wir vielleicht noch was unternehmen wollen, ehe wir alle nach Hause gehen sollten wir das recht bald machen. Oder was meint ihr?", sagte ich und wandte mich mit meinen letzten Worten von Jana ab und dem Rest der Gruppe zu. Meine Ansage fiel offenbar auf Fruchtbaren Boden, denn ich sah alle ruhig nicken. "Du hast Recht. Wir sollten uns wirklich bald auf den Weg machen. Aber was sollen wir hier denn noch unternehmen. Oder vielmehr was wollt ihr denn noch alles machen, ehe wir gehen?", kam es nachdenklich von Marina, welche sich umsah. Auch Jana schwieg nun und grübelte. Dabei blickte sie einen Moment kurz nach oben und auf ihren Lippen kräuselte sich ein breites Lächeln. "Ich weiß was! Ich weiß, was wir noch machen können!", rief sie mit einiger Aufregung in der Stimme aus. "Und das wäre?", hakte Fili kurz bei ihr nach, da er nicht verstand, warum sie plötzlich so hibbelig wurde. "Na ist doch ganz einfach. Wir gehen... DA hin!", meinte sie entschlossen und reckte einen Arm mit ausgestrecktem Zeigefinger nach Oben. Mir schwante in dem Moment übles als ich ihrem Wink folgte und schlagartig rollte sich mein Magen auf links und mein Herz rutschte irgendwo in die Gegend meines Bauchnabels. Oh nein! Oh nein, oh nein, oh nein! Nicht das! Alles! Aber nicht DAS! Das hatte mir gerade noch gefehlt. Nein, nein und nochmal nein. Das wollte ich nicht. Nie im Leben! Wenn es eine Sache gab, die ich auf Jahrmärkten am wenigsten ausstehen konnte, dann waren es... Riesenräder. Denn genau dahin zeigte sie. Warum wollte sie ausgerechnet Riesenrad fahren? Nicht nur dass es eigentlich stink langweilig war. Ich hatte verdammt nochmal Angst vor den Teilen! Nicht etwa vor der Höhe oder der schönen Aussicht, die man davon haben konnte. Nein, es war dieses ätzende Geschaukel der Gondeln und das markerschütternde Knirschen und Knacken der Stahlkonstruktion, welches einen jedes Mal zusammen zucken ließ und man dachte jeden Augenblick würde das Teil in sich zusammen krachen. Meistens wenn man ganz oben war. Gut, hierzulande wurden diese Dinger regelmäßig durch den TÜV geprüft und nur dann frei gegeben, wenn für Leib und Leben der Fahrgäste keine Gefahr bestand. Dennoch hätte ich in diesem Moment lieber einer Highspeed Achterbahn den Vorzug gegeben, als so einem Monster. Außerdem befanden sich an diesem Gerät keine geschlossenen Gondeln, wo ich mich zumindest halbwegs sicher gefühlt hätte. Stattdessen waren es diese offenen, runden Freiluftgestelle mit verschieben pastellfarben versehenen Blechschirmchen, wo die Sitzbank im Kreis um einen runden Metallpfosten herum führte und in denen man dann von unten nach oben transportiert wurde. Und da wollte Jana nun hin? Na Prost Mahlzeit, Herrschaften. Da konnte sie gerne allein drauf steigen. Ich würde keinen Fuß in dieses Gefährt setzen. Nicht in einer Millionen Jahre. Nicht mit mir. Und wenn sie sich auf den Kopf stellte. Das und noch vieles mehr schoss mir durch den Kopf, während sich Marina und die Zwerge ebenfalls das Ding genauer von weitem ansahen. Leider kamen sie zu meinem persönlichen Missfallen zu dem Entschluss, dass Janas Idee wohl gar nicht mal so schlecht war. Auch wenn die Zwerge nicht so recht wussten, was das genau für ein Teil war, so schienen sie dennoch sehr angetan davon zu sein. Marina war mit dem Vorschlag ebenso einverstanden und ehe ich mich versah, waren alle fünf aufgestanden und bereits dabei ihre leeren Getränkebehälter zurück zu geben. Ich blieb während der ganzen Prozedur sitzen und klammerte meine Finger schon krampfhaft an der Tischplatte fest, als mich Bofur ansprach. "Was ist, Cuna? Kommst du?", fragte er und trat näher an mich heran. Ich schluckte kurz als ich zu ihm aufblickte und seinen entschlossenen Gesichtsausdruck sah. Oh weia, was sollte ich nur machen? Zugeben, dass ich mir vor Angst fast in die Hosen machte und am liebsten schreiend davon laufen wollte? Oder die Zähne zusammen beißen und das ganze einfach so schnell wie möglich hinter mich bringen? Schließlich war ich ja auf die glorreiche Idee gekommen noch irgendetwas zu unternehmen, ehe der mühsame Heimweg anstand. Und da ich die Herren kannte, würden sie ohne mich nie auf dieses Ding steigen wollen. Das würde Jana sicherlich innerlich verletzen, weil sie vermutlich auf ein paar Minuten mit Fili allein in einer Gondel hoffte. Ich wurde somit wieder einmal daran erinnert, dass wir den ganzen Aufenthalt auf dem Jahrmarkt ja zu ihrem Tag erklärt hatten. Ach, verdammt noch eins! Warum immer ich?! Mir blieb wohl nur Option Nummer zwei. Egal wie sich alles in mir dagegen wehrte. Ich musste wohl oder übel über meinen Schatten springen und meine Ängste überwinden. Sonst würde ich den Tagesabschluss komplett versauen. So schloss ich kurz die Augen und atmete tief durch, bevor ich mich widerwillig von der Bank erhob und nuschelte ungewollt barsch: "Ja... ich komm ja schon." Bofur schien aufgrund meiner Reaktion reichlich überrascht zu sein und fragte: "Ist etwas nicht in Ordnung, Cuna?" Ich atmete nochmals tief durch, ehe ich den Kopf schüttelte und mein leeres Glas wegbringen wollte. Bist du sicher?", hakte er noch einmal nach, weil ich kommentarlos an ihm vorbei zum Tresen gestapft war und dort dankend das Pfandgeld entgegen nahm. "Ja Bofur. Es ist alles in Ordnung. Ich will das nur hinter mich bringen und dann nach Hause", brummte ich ihm angespannt über die Schulter hinweg entgegen. Der Zwerg kratzte sich dabei irritiert am Kopf und zuckte dann mit den Schultern. Irgendwie tat es mir leid, dass er in diesem Augenblick meinen ganzen Unmut über die Auswahl des Fahrgeschäftes abbekam, aber ich wusste auch nicht wirklich wohin damit. Ich würde mich wohl später bei ihm dafür entschuldigen. In der aktuellen Situation musste ich meine gesamte Willenskraft darauf fokussieren nicht wegen einem popeligen Riesenrad in Panik auszubrechen. Was allerdings leichter gedacht, als getan war. Wir befanden uns ja nur wenige Meter vom Kassenhäuschen entfernt und der Großteil unserer Gruppe war bereits dort um die Fahrkarten zu besorgen. Beziehungsweise Jana stand dort und kaufe für jeden von uns eine. Sie hatte ihr Herzblatt wohl im letzten Moment überreden können ihr die Sache zu überlassen, wenn sie ihm sonst nichts schenken durfte. Ich war unterdessen mit Bofur im Schlepptau bei Kili, Marina und Fili angekommen, welche bereits darauf warteten, dass der "Spaß" endlich losgehen konnte. Als ich direkt im Schatten unter dem stählernen Monster stand und schon das nervenaufreibende Knirschen und Knacken in meine Ohren drang, versagten mir fast schon die Beine. Ich stopfte eine Hand in die Hosentasche, wo ich sie krampfhaft zur Faust ballte. Meine Finger fühlten sich klamm und eiskalt an. Ich spürte zudem, wie sich ein unangenehmer Schauer über meinen gesamten Rücken ausbreitete. Mein Kopf fühlte sich unsagbar Leer und hohl an. Nur wage nahm ich wahr wie mir Jana die Fahrkarte in die Hand drückte und ich ihr mit abwesender Stimme ein "Danke" entgegen nuschelte. Dann ging alles plötzlich ganz schnell. Das Riesenrad kam knirschend und quietschend zum Stehen und man ließ uns durch die Absperrung auf die blecherne Plattform treten. Wie nicht anders zu erwarten suchten sich Fili und Jana eine Gondel ganz allein für sich. Zu sechst hätten wir ohnehin schlecht in so ein Ding gepasst. So fuhren sie schon mal ein Stückchen weiter bis der nächste freie Platz angewackelt kam. Bofur und Marina wollten hingegen nicht so wie das junge Glück ihre Zweisamkeit genießen und gesellten sich daher zusammen mit Kili und, zu meinem Leidwesen, mir in dieselbe Gondel. Ich zögerte noch ein wenig und blickte den dreien nach, welche mich bereits aufgeregt zu sich winkten und baten bei ihnen Platz zu nehmen. Ich schaff das, ich schaff das, ich schaff das, dröhnte mir mein inneres Mantra durch die Gedankengänge. Noch ein letzter tiefer Atemzug, dann saß ich auch schon links neben Kili. Einer der Betreiber schloss die winzige Zugangstür, wünschte uns mit monotoner Stimme viel Vergnügen, und ehe ich mich versah begann sich alles um mich herum unter Quietschen und Knirschen zu bewegen. Obwohl ich damit gerechnet hatte und wusste, was alles folgte, konnte ich nicht anders als mich mit zusammengebissenen Zähnen und geschlossenen Augen krampfhaft am Sicherungsgestänge der kreisrunden Sitzbank festzuklammern. Die anderen drei unterhielten sich indessen ausgelassen und nahmen vorerst keine weitere Notiz von mir und meiner misslichen Lage. Langsam aber sicher ging es stetig aufwärts. Die von meinen Mitreisenden ausgestoßenen "Oh" und "Ah" rufe ignorierte ich vehement. Ich sendete innerlich ein Stoßgebet nach dem anderen gen Himmel, dass mich doch bitte bald einer von dieser Rundfahrt erlösen sollte. In der Zwischenzeit hatten wir nicht mal die Hälfte der Strecke zurückgelegt als sich Kili plötzlich neben mir bewegte und rief: "Sieh nur, Cuna! Man kann schon fast die ganze Stadt von hier aus erblicken!" Durch den Ruck begann die Gondel natürlich zu schaukeln, was mich dazu veranlasste das Gestänge noch fester zu packen und kurz einen verängstigten Quietscher zu unterdrücken. "J-ja.. sch-Schön.. schön...!", japste ich und biss mir kurz auf der Unterlippe herum. Langsam aber sicher wurde es schwerer meine Nerven beisammen zu halten. Das schien den Zwergen aber relativ am Allerwertesten vorbei zu gehen. Denn Bofur war der nächste, welcher der Gondel einen ungewollten stoß versetzte, indem er sogar aufstand und rief: "Und dieser Sonnenuntergang! Herrlich!" Marina lachte und meinte: "Ja der ist wirklich herrlich. Es war eine gute Idee hiermit zu fahren." Gute Idee?! War das ihr Ernst?! Ich bangte um mein eigenes Leben und sie sprach davon, dass das eine guten Idee gewesen war?! Ich kniff die Augen zu und unterdrückte weiterhin einen heftigen Aufschrei, der sich aus meiner Kehle stehlen wollte. Oh Hilfe! Ich wollte unbedingt dass das Ding anhielt und ich aussteigen konnte. Ich wollte festen Boden unter den Füßen, der weder schaukelte, noch knirschte oder knackte. Das war alles was ich in dem Moment wollte. Und wie durch ein Wunder wurde mein eigentlich sehnlichster Wunsch erfüllt. Allerdings nicht so wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Denn plötzlich und ganz unvermittelt hielt das Rad einfach an. Warum und wieso es das tat, war mir in dem Moment schlicht und ergreifend egal. Fakt war, es hielt ohne mir ersichtlichen Grund. Und ich war mir vollkommen sicher, dass wir noch nicht unten waren. Dafür war der Jahrmarktlärm inzwischen in zu weiter Ferne unter uns verschwunden. Wir mussten also ganz oben sein. Na großartig! Einer meiner schlimmsten Alpträume wurde damit schlagartig wahr. Und nicht nur das. Zu allem Übel sorgte der unerwünschte Stopp in luftigen Höhen natürlich dafür, dass der gute Bofur, welcher eben noch auf seinen kurzen Zwergenbeinchen gestanden hatte, das Gleichgewicht verlor und selbstverständlich auf seinen Platz zurück plumpste. Da nun aber allgemeiner Stillstand des großen Rades herrschte, war der Ruck, der durch die Gondel ging um einiges heftiger. Somit konnte ich mich auch nicht mehr zusammen reißen und begann wie von Sinnen drauf los zu brüllen: "HIMMEL! HERR GOTT! BLEIBT AUF EUREN ÄRSCHEN SITZEN! VERDAMMT!" Erst dadurch wurden sie endlich, beziehungsweise leider auf meinen eher bescheidenen, mentalen Zustand aufmerksam und wandten sich vorsichtig zu mir um. "Cuna? Was ist denn? Wieso schreist du... Bei Durins Bart du bist kreidebleich im Gesicht! Geht es dir gut?!", entfuhr es Kili zunächst empört, dann aber vollkommen erschrocken. Ich spürte wie er mich am Arm faste und etwas an mir herum zerrte, doch diesmal konnte ich mich wieder etwas fassen und zischte ihm gequält und stotternd entgegen: "Hör... Hör auf... zu... zu wackeln! Verdammt!" Auch Marina, die zwischen den beiden Zwergen saß schien sich zu mir herüber gebeugt zu haben und legte mir behutsam eine Hand auf den Oberschenkel. "Du meine Güte, hast du etwas Höhenangst? Warum hast du das denn nicht gesagt? Wir hätten dich doch niemals einsteigen lassen, wenn wir das gewusst hätten!", murmelte sie besorgt und versuchte mich mit ruhigen Streicheleinheiten auf dem Bein etwas zu entspannen. Ich öffnete die Augen und sah ihr leicht beklommen entgegen, ehe ich den Kopf schüttelte und ihr aufrichtig meine gegenwärtige Gefühlslage schilderte: "Nein... ich... mit... mit der Höhe... komm.. komm ich klar... Es.. es ist dieses... ganze Ding hier... Ich... ich... ich hasse Riesenränder. Das... das Knirschen... das Quietschen,... das... knacken... das Geschaukel... alles zusammen... das macht mich fertig. Ich... ich hab jedes.. jedes Mal das Gefühl gleich runter zu fallen. Es... es ist der Horror!" Die junge Mutter nickte mir verstehend entgegen und hob beschwichtigend die noch freien Hand. "Ist gut. Es ist alles gut, meine Liebe. Wir sind alle bei dir. Es kann dir nicht passieren. Du wirst nicht runter fallen. Keine Angst", sagte sie sehr ruhig und warf dabei den beiden Zwergenmännern einen leicht hilfesuchenden Blick zu. Diese schienen die Situation inzwischen genau erfasst zu haben. Auch wenn sie offensichtlich nichts mit dieser Form von Angstzustand anfangen konnten. Dennoch standen sie Marina in ihrem guten zutun, mich zu beruhigen bei und begannen auf mich einzureden. "Sie hat Recht. Wir sind bei dir. Wir halten dich schon fest. Komm, gib mir mal deine linke Hand", kam es von Bofur, welcher mir mit einem aufmunternden Lächeln seine Rechte offen entgegen streckte. Ich zögerte noch ein bisschen. Und obwohl ich sein Angebot gerne angenommen hätte, wollte sich meine Hand nicht vom Gestänge lösen. Egal wie oft ich den Versuch wagte, ich schaffte es nicht sie zu lockern. Kili rutschte in der Zwischenzeit vorsichtig näher an mich heran und legte mir behutsam einen Arm um die Schulter. "Siehst du, ich halt dich fest. Du kannst nicht stürzen. Nun gib Bofur schon deine Hand", murmelte er mir behutsam ins Ohr. Wie durch ein Wunder, schien das bei meinem festgefahrenen Unterbewusstsein zu fruchten. Nun wo sich mein Körper sicher fühlte, schaffte ich es tatsächlich meine Hand zu lösen und langsam in Richtung des Mützenzwergs wandern zu lassen. Und gerade als ich diese erreicht hatte, setzte sich das Rad wieder knirschend und knackend in Bewegung. Sofort, als ich den Ruck der Rotation spürte, krampfte ich mich wieder zusammen und drückte dabei die Hand des Mützenzwerges so fest, dass dieser kurz das Gesicht verzog und vor sich hin murrte. Das tat mir alles im Nachhinein unsagbar leid. Aber ich konnte es einfach in diesem Moment nicht ändern. Ich hatte es auch nicht unbedingt so weit kommen lassen wollen. Doch die Tatsache, dass sie bei mir waren, half zumindest ein kleines bisschen. Das kleine Bisschen schien Bofur aber nicht ganz zu reichen. Verständlich, da ich ihm wohl oder übel etwas die Hand zerquetschte. Und das war für menschliche Maßstäbe eine Leistung, wenn man einem ausgewachsenen, kräftigen Zwergenmann auf diese Weise wehtun konnte. Daher begann er während unserer weiteren Reise Richtung unten, kurz etwas mit Kili in ihrer Muttersprache zu bereden und er klang dabei zunächst nicht besonders begeistert. Dann spürte ich, wie Kili nickte und ihm mehr oder minder ruhig antwortete. Das ganze ging noch ein paar Sätze hin und her, bis... ja bis plötzlich einer von beiden anfing leise vor sich hin zu summen. Das irritierte nicht nur mich, sondern auch Marina, welche mir bis dahin gut zugesprochen hatte. Schließlich verstummte sie jäh, als der Mützenzwerg zu ihrer rechten begann ein Liedchen anzustimmen. Ein Lied so fern von allem, was sie und auch ich je gehört hatten. Wir verstanden zwar kein Wort davon. Aber die Wärme und die Leidenschaft, die in jeder Silbe, ja in jedem einzelnen Ton lag, nahm uns beide umgehend gefangen. Ich sah wie die Augen der jungen Mutter begannen vor Bewunderung zu leuchten. Mir erging es da nicht anders. Ich vergas mit einem mal alle Angst. Alle Sorgen waren wie weggeblasen. Mein ganzer Körper entspannte sich. Mein Geist wurde ruhiger. Einen Augenblick später setzte dann auch Kili mit in den Gesang ein. Marina und ich waren so überrumpelt von so einer Stimmgewalt. Dabei sangen sie nicht einmal laut. Sie blieben gerade so leise, dass nur wir sie hören konnten. Es war, als würden die Männer uns Frauen mit einem unbeschreiblich schönen Zauber belegen. Das war es zumindest, was ich darüber dachte. Sie zauberten uns quasi durch ihr Lied mitten hinein in eine Traumreise durch Mittelerde. Der jungen Mutter standen schon fast die Tränen in den Augen, so bewegt war sie von dem Gesang. Ich konnte nicht anders, als ihr zuzulächeln. Sagte aber zunächst nichts. Ich wollte dieses kleine Privatkonzert ungern mit irgendwelchen Kommentaren unterbrechen. Erst als sie das Lied nach und nach ausklingen ließen und es schlussendlich vorüber war, wagten wir wieder zu reden. "Das... das war.... unglaublich... ich... ich habe sowas schönes... noch nie gehört", hauchte Marina ehrfürchtig und versah die beiden Männer mit einem anerkennenden, ungläubigen Nicken. Bofur und Kili begannen nach ihrer Aussage herzlich zu lachen. Ich musste daraufhin in ihr Lachen miteinstimmen. Nicht weil Marinas Worte lächerlich gewesen wären. Einfach weil mir danach war und es mir erneut innerliche Erleichterung verschaffte. Diese blickte uns drei nur wie vom Donner gerührt an und verstand zunächst die Welt nicht mehr. Bis Bofur sich ein Herz fasste und ihr ruhig erklärte: " Das war doch nichts Besonderes. Es war ein altes Kinderlied unseres Volkes, welches die Eltern singen, wenn sich ihre Zwerglinge vor etwas fürchten. Aber es freut mich, dass es dir gefallen hat. Und geholfen hat es offensichtlich auch. Nicht wahr, Cuna?" Als er sich mit den letzten Worten mir zuwandte, zwinkerte er kurz und ich konnte nicht anders als ihn anlächeln und knapp nicken. Die junge Mutter konnte sich allerdings nicht so schnell wieder beruhigen. Sie war so euphorisch gestimmt dass sie den Mützenzwerg regelrecht mit Lob überschüttete und sagte: "Oh... Oh Bofur das hat es. Es war unbeschreiblich. Also dafür dass es nur ein Kinderlied war. Ich meine... sowas schönes gibt es bei uns nicht wirklich. Zumindest kenne ich keines das so schön klingt. Und ihr könnt ja wirklich sagenhaft Singen. Ich hab es zwar mal in diesem Film gesehen und gehört. Aber... Aber das ist nicht mit dem zu vergleichen was ich gerade von euch geboten bekommen habe. Einfach sagenhaft! Damit solltet ihr ins Fernsehen! Ihr würdet sie sicher alle umhauen!" Bei dem Wort "Fernsehen" fuhr ich kurz erschrocken mit dem Oberkörper hoch, löste mich sogar von Bofurs Hand und starrte Marina entsetzt an. Die Männer verstanden indessen gar nicht, was sie damit wohl gemeint hatte, geschweige denn warum ich auf einmal eine so empörte Miene aufsetzte. Doch ehe sie fragen konnten, kam ich ihnen auch schon zuvor und sagte: "Schlagt euch das mal ganz schnell wieder aus dem Kopf! Und du auch, Marina. Die Jungs werden nicht der Öffentlichkeit vorgeführt, wie Zirkustiere. Schon gar nicht bei irgendwelchen Castingsendungen oder Gesangswettbewerben! Jetzt wo du in ihr Geheimnis eingeweiht wurdest bist du dazu verpflichtet soweit es geht Stillschweigen über ihre Herkunft zu bewahren. Das bedeutet auch, dass du sie um jeden Preis vor solchem Schwachsinn bewahren musst. Es geht dabei um weit mehr als nur Vergnügen und Spaß an der Freude. Wenn ihr Geheimnis derart an die Öffentlichkeit getragen wird, dann sind sie in großer Gefahr. Und nicht nur sie. Stell dir vor, die Behörden kriegen Wind von sowas und schalten die Geheimdienste ein. Die werden sie mitnehmen und wer weiß was für Sachen mit ihnen anstellen. Ist dir das nicht bewusst?" Marina wurde plötzlich ganz still und schüttelte entsetzt den Kopf. „Nein. Nein, das habe ich nicht bedacht. Ich... ich war nur so überwältigt. Bitte... bitte entschuldigt. Das war dumm von mir", flüsterte sie betreten und bedachte die Zwerge mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck. Der Mützenzwerg zuckte nur kurz mit den Schultern und legte der jungen Mutter vorsichtig eine Hand auf den Rücken ehe er erwiderte: "Ist schon gut. Ich weiß zwar nicht genau wovon Cuna da genau gesprochen hat, aber mit einem hat sie Recht. Wir müssen uns in eurer Welt bedeckt halten. Davor haben uns Gandalf und ebenso Thorin gewarnt. Keiner von uns weiß, welche Gefahren hier auf uns warten. Allerdings finde ich die ganzen Umstände immer noch sehr verwirrend. Wir kommen wahrlich noch nicht mit allen Dingen hier zurecht. Und verstehen können wir sie auch nicht. Aber Cuna hat versprochen uns darin zu unterrichten. Vielleicht schaffen wir es eines Tages hier in Frieden leben zu können. Ich denke aber, dass das wohl noch dauern wird." "Oh ja. So begriffsstutzig wie ihr drei manchmal seid glaube ich, dass ein Menschenleben gar nicht ausreichen würde um euch alles so einzutrichtern, dass ihr es auch versteht", murrte ich mit einem anschließenden Seufzer dazwischen. Kili und Bofur sahen mich umgehend brüskiert an. "Was soll das denn heißen? Wir geben uns alle Mühe deinen Weisungen Folge zu leisten!", empörte sich Kili und rüttelte dabei etwas an meiner Schulter herum. Ich sah ihm nur mit einem überheblichen Schnauben entgegen und verschränkte die Arme vor der Brust. "Ich werde dich an diese Worte erinnern, wenn ich den nächsten Nervenzusammenbruch wegen eurem Unfug habe, mein Lieber. Glaub mir, ich könnte einen Sack Flöhe leichter hüten, als euch drei zusammen", sagte ich und streckte ihm dabei kurz die Zunge raus. Das ließ sich der Zwergenbursche allerdings nicht so einfach gefallen. Er löste seinen Arm um meine Schulter und machte sich im übertragenen Sinne kampfbereit, als er gespielt knurrte: "Du wagst es deinen Bruder mit einem Sack Flöhe gleich zu setzen? Na warte! Dir bring ich Manieren bei. Los, Bofur! Hilf mir!" Und noch ehe ich irgendwie reagieren konnte begann Kili mit seiner Kitzel-Cuna-bis-sie-vor-Lachen-keine-Luft-mehr-bekommt-Attacke. Natürlich half Bofur ohne weitere Worte dabei fleißig mit. Es wirkte auch unheimlich gut. Sie fangen sofort meine absolut kitzlichsten Stellen. Sie gingen dabei aber so bedacht vor, dass sie mir nicht an die holden Weiblichkeit gingen, sondern sich lediglich auf Beine, Bauch und Arme beschränkten. Ich hatte kaum Möglichkeiten mich gegen diesen übermächtigen Angriff auf so beengtem Raum zu wehren und ließ es über mich ergehen bis ich tränen lachte. Und selbst Marina konnte sich bei dem Anblick kaum noch halten. Mein Martyrium endete allerdings, nachdem wir mit einem mal von einem der Schausteller wütend angeblafft wurden. "Ja, sind Sie denn noch zu retten?! Wissen Sie nicht wie gefährlich das ist?! Sofort raus da! Aber zack zack!", brüllte er auf uns hinunter. Sofort ließen mich Bofur und Kili los, sodass ich durchatmen konnte. Marina entschuldigte sich währenddessen inständig bei dem Mann. Doch der ließ augenscheinlich nicht mit sich reden und scheuchte uns mit einem kurzen, "Hausverbot!", aus der Gondel und von der Attraktion weg. Hinter der Absperrung warteten bereits Fili und Jana, welche uns vier aufgrund des ganzen Theaters entgegen starrten. "Was war denn da los? Warum ist der so sauer auf euch?", fragte die junge, blonde Frau und legte den Kopf schief. Ich lächelte sie nur verschmitzt an und kratzte mich verlegen am Hinterkopf ehe ich meinte: "Ähm... nichts Wichtiges. Erzähle ich dir vielleicht später. Wie liefs bei euch?" Daraufhin nickte sie mit weiterhin verwunderten Gesichtsausdruck. "Gut. Also. Nun ja es war schön. Aber eben ein typisches Riesenrad. Aber was machen wir jetzt?", fragte sie anschließend allgemein in die Runde. Zwischen uns trat nachdenkliches Schweigen ein. Doch eigentlich war es den meisten klar, was nun folgen würde. Und ich wusste was es für Jana bedeuten würde. Denn irgendwann findet jeder noch so schöne Tag mal ein Ende. Und so... würde es in diesem Fall auch bei uns so sein. - 112. (Alp-)Traumhafte Aussichten / ENDE - Kapitel 113: 113. Von kurzen Abschieden und bewegenden Momenten --------------------------------------------------------------- Endlich war es soweit. Nachdem wir uns vom Riesenrad abgewandt hatten, brach die Zeit des mehr oder weniger großen Aufbruchs für die Zwerge, die beiden jungen Frauen und natürlich auch mich an. Und obwohl Jana hier und da noch einmal sehnsüchtig auf die eine oder andere Attraktion starrte, drängt uns Marina mit strengem Blick auf ihre Armbanduhr dazu, dass wir uns doch langsam gen Heimat aufmachen sollten. Immerhin war die Sonne bereits im Westen versunken. Der Himmel über uns ging auch schon langsam von einem sehr blassen Gelb-Orange in ein mattes hellblau. Weit am östlichen Horizont konnte man bereits die Vorboten der hereinbrachenden Nacht ausmachen, welche sich wohl in nicht mal einer guten Stunde wie eine leichte Decke über meine Kleinstadt legen würde. Die Lichter der Marktstände gingen der Reihe nach an und tauchten den Jahrmarkt in ein riesiges Farbenmeer, durch welches wir gediegen aber dennoch zügig hindurch stapften. Das hieß bis auf jene Stände, die lediglich über Tag aufgestellt waren und nun von ihren Besitzern fein säuberlich aufgeräumt wurden. Die Auslagen wurden sicher und gut verpackt in ihre Lieferwagen und PKW verfrachteten, bevor es entweder auf den Heimweg oder in Richtung der Wohnwagen ging. Einige Stellplätze waren sogar schon komplett verschwunden und hinterließen nichts als gähnende Leere und vielleicht hier und da noch ein vergessenes Preisschildchen. Fahrende Händler blieben nicht immer für alle Markttage an einem Ort. Wenn sich ihr Geschäft gelohnt hatte, oder auch nicht, zogen sie schließlich von Dannen, um vielleicht im nächsten Jahr wiederzukommen. Im negativen Fall wohl eher weniger. Aber es würde immer wieder andere Kundschaft geben. Egal wann, wo und überhaupt. Ein paar vereinzelte Spätzünder der Gattung Kunde konnte man gerade um diese Zeit dabei erwischen, wie sie eben ganz schnell noch versuchten vielleicht ein paar Schnäppchen zu erhaschen. Ganz nach dem Motto: Beim Last-Minute-Shopping wird’s günstiger. Ich musste ein wenig verträumt grinsen als ich sah, wie ein paar Kinder sich um einen Süßwarenstand versammelten, der gerade selbstgemachte gratis Bonbons austeilte. Das erinnerte mich ein wenig an meine eigene Kindheit, wenn ich auf den Märkten in meiner Heimat noch während dem Abbau, die eine oder andere Knabberei abgestaubt hatte. Und natürlich sah ich auch immer noch vor meinem inneren Auge, wie meine Mutter mich deswegen ausschimpfte, weil ich in ihren Augen "Schnorren" gegangen war. "Sowas schickt sich nicht für ein Mädchen", waren stets ihre Worte gewesen. Ich hatte das meist mit einem Schulterzucken hingenommen und weiter genüsslich meinem Lutscher oder was auch immer ich seinerzeit von den Händlern bekommen hatte, bis auf Stumpf und Stiel verspeiste. Für sie war es immer peinlich gewesen, da sie dachte die Leute würden über uns reden, dass wir nicht mal genug Geld hätten, damit die Tochter Süßigkeiten bekommt. Nun gut, die reichste Familie waren wir nie gewesen. Doch meiner Ansicht nach gab es andere Sachen, worüber sich die Leute das Maul zerrissen haben, wenn sie von meiner Familie und insbesondere mir gesprochen hatten. Allein schon als ich meine Heimat einst meine Heimat verlassen wollte, um bei meinem verstorbenen Mann in einer Stadt zu leben, war für viele Grund genug die Nase zu rümpfen, sobald ich mal Zeit und Geld gehabt hatte, um meine Eltern für ein bis zwei Tage zu besuchen. Irgendwann war mir das Geschwätz dann endgültig zu viel geworden und auch gewisse Vorhaltungen meiner Eltern mir gegenüber, dass es ja an mir läge, wenn die Leute dummes Zeug von sich gäben, was weder Hand noch Fuß hatte. Es hatte schlussendlich zu einem so heftigen Streit geführt, der darin mündete, dass ich wutentbrannt mein Elternhaus verlassen und seitdem kein Wort mehr mit ihnen gesprochen hatte. Zumindest nicht bis zu dem Tag, an dem ich alles was mir lieb und teuer gewesen war, verloren hatte. Nämlich meinen Mann. Seither rief ich zumindest einmal alle paar Monate zuhause an, um mich wenigstens höflich zu erkundigen, wie denn die aktuelle Lage in der Heimat war. Wobei mir im selben Moment, als meine Gedanken so unverhofft an diesem Punkt angelangt waren, wieder siedend heiß einfiel, dass ich ihnen eigentlich noch für das kleine Care-Paket danken musste, welches sie für Thorin und mich zusammengestellt hatten. Ein bisschen flau wurde mir dabei schon im Magen. Denn ich wusste, dass sicherlich von ihnen die Frage aufkommen würde, wann ich ihnen denn ihren neuen Schwiegersohn persönlich vorzustellen gedachte. Oh weh, oh weh. Da musste ich mir wohl noch etwas zu ausdenken. Immerhin würde dieses Aufeinandertreffen, sofern es tatsächlich noch stattfand, eine Weile auf sich warten lassen. Dessen war ich mir in jedem Fall bewusst. Aber darüber konnte ich mir noch ein anderes Mal den Kopf zerbrechen. Ich war einfach zu müde um mich ausgerechnet in diesem Augenblick mit solchen Gedanken herumzuplagen. Es war wirklich Zeit. Das sagte mir nicht nur die frühabendliche Stimmung, sondern auch meine Füße, die ich endlich auf mein bequemes Sofa verfrachten wollte. Am besten wäre es dann noch sofort einzuschlafen und hoffentlich in dieser Nacht nicht wieder von meinen inneren Plagegeistern und Albträumen heimgesucht zu werden. "Cuna? Was ist los? Warum gehst du so langsam?", drang plötzlich von rechts eine vertraute Stimme an mein Ohr und riss mich endgültig aus meinen Gedanken heraus. Etwas erschrocken und ertappt wandte ich meinen Kopf in besagte Richtung und starrte zwei sehr besorgt wirkenden rehbrauen Augen entgegen. Kili war die ganze Zeit über neben mir hergegangen und musste wohl meinen inneren Konflikt, beziehungsweise meine Gedankengänge anhand meiner Gesichtsausdrücke verfolgt haben. Ich schnaufte kurz und schüttelte anschließend den Kopf, während ich meinen Schritt wieder beschleunigte und gleichzeitig dem Zwergenburschen antwortete: "Es ist nichts. Ich bin nur müde. Das ist alles." Ich sah ihn mir im Augenwinkel zunicken, hörte ihn murmeln: "Ja... Ich denke uns geht es allen so. Es war ein langer Tag." Daraufhin streckte er sich kurz und verschränkte die Hände hinter dem Kopf, ehe er plötzlich mit genau der Frage fortfuhr, die ich in dem Moment eigentlich nicht hören wollte. "Du denkst wieder an Thorin, hab ich recht?", meinet er und wollte es wohl eher beiläufig klingen lassen, was ihm allerdings nicht ganz so gut gelang, da ich den bohrenden Unterton in seiner Stimme durchaus bemerkte. Ich seufzte kurz und schloss im Gehen einen Moment die Augen. "Nun ja... indirekt... Es hat schon in gewisser Weise mit ihm zu tun... aber...", stammelte ich leicht betreten vor mich hin. Doch bevor ich meinen Satz ausführen konnte, übernahm er schon den Rest für mich und sagte: "... aber du bist dir immer noch nicht im Klaren, wie du mit alledem umgehen sollst. Außerdem fragst du dich, ob er wirklich zu dir zurückkommen wird und wenn, wie er sich dann wohl verändert haben mag. Ist es nicht so?" Verblüfft, ja regelrecht Platt von seiner schnellen und sogar zutreffenden Aussage wäre ich beinahe in einen vorbeieilenden Jahrmarktbesucher gerannt, als ich mich erneut und ruckartig dem jungen Zwerg zuwandte. Zum Glück hatte Kili das noch rechtzeitig bemerkt, mich schnell am Arm gepackt und aus der Laufbahn des Mannes gezogen, der gerade mehr mit seinem Handy beschäftigt war, als auf seine Schritte zu achten. "Oh, Vorsicht. Nicht dass du dich wieder verletzt", meinte er daraufhin als ich kurz verdattert und verwirrt drein schaute, ehe ich mich aus dem leichten Klammergriff des jungen Zwergs löste und ihm dankend zu murmelte. Er nickte nur und sah mich dabei, trotz der kurzen unbeabsichtigten Unterbrechung erwartungsvoll an. Er wollte eine Antwort von mir, ob er mit seiner offenkundigen Vermutung richtig lag oder nicht. Ich blies hingegen die Backen auf und verschränkte verlegen die Hände vor meinem Körper, bevor ich ihm entgegnete: "Du kennst die Antwort doch schon. Warum fragst du mich dann noch?" Er grunzte nur kurz belustigt und erwiderte schmunzelnd: "Nein, die kannte ich nicht. Aber ich habe etwas an dir bemerkt, wenn du an Onkel denkst. Seit ein paar Tagen fangen deine Augen jedes Mal kurz an zu funkeln, bevor sie von einer fast bodenlosen Leere erfüllt werden. Ich habe schon eine ganze Weile das Gefühl, dass dich das alles innerlich sehr aufwühlt und schwer an dir nagt. Denkst du nicht, dass es bald einmal an der Zeit wäre mit uns offen darüber zu reden? Schließlich sind wir jetzt eine Familie. Da solltest du uns mehr Vertrauen entgegenbringen, Schwesterchen." Mit den letzten Worten gab er mir einen kurzen aufmunternden Klaps auf die Schulter und grinste dabei bis über beide Ohren. Ich hingegen stieß nur ein wehmütiges Seufzen hervor und murmelte nach einer Weile des Schweigens betreten: "Und das kommt ausgerechnet aus dem Mund eines Zwergs. Aber gut, wie du willst. Wir reden zuhause. Muss ja nicht alle Öffentlichkeit mitbekommen, was mich grade beschäftigt, oder?" "Was soll das nun wieder heißen? Habe ich dir je einen Grund gegeben mir nicht zu vertrauen, Cuna?", fragte er, wobei sein Grinsen zu einer schieren Empörung wechselte. "Das habe ich nicht gesagt. Aber ebenso wenig habe ich euch Zwergen Gründe dafür geliefert MIR nicht zu vertrauen. Und du weißt, dass der ein oder andere von euch mir gegenüber immer noch mit respektvollem Abstand gegenüber auftritt", meinte ich und zuckte gleichgültig mit den Schultern. Kili atmete neben mir kurz tief durch, bevor er ein zustimmendes Brummen von sich gab. "Da magst du nicht ganz Unrecht haben. Aber das liegt eben in unserer Natur. Allerdings... wären wir wohl heute alle nicht hier, wenn wir all unser Vertrauen in dich gesetzt hätten. Und eines kann ich dir sagen, wärest du nicht gewesen, würden wir uns jetzt nicht unterhalten können. Schließlich hast du mir einst das Leben gerettet, als das riesige Monster auf der Straße mich verschlingen wollte. Du hast dein Leben für mich riskiert. Das bedeutet bei meinem Volk sehr, sehr viel. Du kannst also versichert sein, dass du mir voll und ganz vertrau... warum in Durins Namen lachst du jetzt?", fragte er im Anschluss an seine epische Rede, während ich tatsächlich angefangen hatte zu kichern. Dabei ging es nicht unbedingt darum, was er gerade hervorheben wollte, sondern viel mehr um die alte Geschichte mit der katastrophalen Pirschjagd während der Zeltstadt. Nachdem ich mich wieder halbwegs gefangen hatte schaute ich ihn mit einem Lächeln an, während er nur trotzig die Arme vor der Brust verschränkt hatte und beleidigt die Unterlippe leicht vorschob. "Ent..entschuldige, Kili. So war das nicht gemeint. Aber das angebliche Monster war ein LKW und hätte dich nicht verschlungen sondern überfahren. Wäre sicherlich beides sehr unangenehm gewesen. Aber... nun ja... du lebst ja noch. Das ist die Hauptsache. Und außerdem brauchst du mir nicht erzählen, was es bedeutet einem Zwerg das Leben zu retten. Darüber wurde ich bereits informiert. Aber... reden wir lieber über etwas anderes. Wie hat dir der Tag heute gefallen?", fragte ich in Anschluss mit einem hastigen Räuspern. Der junge Zwerg gab dahingehend ein mehr oder minder zufriedenes Schnauben von sich und erwiderte nach einigen Minuten: "Also... Ich empfand den Tag als sehr schön. Bis auf ein paar Kleinigkeiten. Aber ich schätze, das siehst du ähnlich wie ich." Ich atmete tief durch und war insgeheim dankbar, dass er meinen plötzlichen Themenwechsel ebenso begrüßte wie ich und nickte ihm dahingehend sachte zu. "Was hat dir denn genau gefallen?", hakte ich bei ihm nach, woraufhin er erneut in einem grübelnden Schweigen versank. Schließlich zählte er eine ganze Reihe von Dingen auf, die ihm an dem Jahrmerkt sehr zugesagt hatten. Darunter auch das Spiegelkabinett, obwohl er sich dort ja fast im Labyrinth verloren hätte. Er konnte dahingehend auch über diese peinliche Situation herzlich lachen und ein paar Späßchen auf seine Kosten machen, welche mich ebenso in Gelächter ausbrechen ließen. Wir plauderten so noch eine ganze Zeit lang, ohne genau auf unseren Weg zu achten. Das brauchten wir aber auch nicht wirklich. Solange wir die anderen nicht aus den Augen verloren, welche vor uns hergingen, war alles in Ordnung. Inzwischen hatten wir auch den Jahrmarkt bereits seit einiger Zeit hinter uns gelassen und waren nun auf dem Weg zur Bushaltestelle. Denn Fili hatte Jana versprochen, sie noch bis dorthin zu begleiten und da für diesen Tag zu verabschieden. Ich wusste insgeheim, dass es für beide nicht leicht werden würde vorerst wieder voneinander getrennt sein zu müssen. Aber schließlich gab es ja immer noch mein Handy worüber sie sich meinetwegen Stundenlang unterhalten konnten. Ein Hoch auf den Erfinder des Flat-Rate-Vertrags. Stundenlang in mobilen und festen Netzen rumhängen und quatschen zu können für lediglich einen festen Betrag im Monat, war wirklich das Beste, was die moderne Gesellschaft hervorbringen konnte. Im Ernst. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, wie viel ich bezahlen müsste, wenn Fili und Jana ihre Turtelgespräche ohne diese Option durchführen würden. Dann wäre garantiert gar nichts mehr übrig für Miete, Essen und was der Mensch heutzutage noch so alles braucht. Oder eher glaubt zu brauchen. Nun gut, sei es wie es sei. Das Problem hatte ich nicht. Zumindest noch nicht. Wobei tatsächlich noch eigene Handys für die Zwerge auf meiner gedanklichen Checkliste standen. Natürlich Prepaid. Weitere Verträge konnte ich mir einfach nicht leisten. Und Familien-, sowie Partnerverträge gab es bei allen Netzanbietern seit Jahren nicht mehr. Folglich war das die beste Lösung, wenn ich wollte, dass die Herren für mich erreichbar waren, sollten sie oder ich mal nicht zuhause sein. Ich hatte zwar auf dem Markt hier und da Stände ausgemacht, wo kleinere Verkaufsstände alte Handys zu wirklich spottbilligen Preisen angeboten hatten. Die meisten davon funktionierten allerdings nicht mehr richtig. Hinzu kam, dass entweder das Ladekabel oder der passende Akku fehlte. Und selbst wenn beides vorhanden gewesen war, sah es so aus als hätten irgendwelche Dilettanten versucht die äußeren Schalen und das Display mit Sekundenkleber oder Panzer-Tape wieder flott zu machen. Sicher, für fünf Euro das Stück konnte man nichts anderes erwarten. Aber mir persönlich war das dann doch zu riskant. Gerade was die Akkus betraf. Ältere oder sogar billige Modelle aus China neigten doch gerne hin und wieder dazu zu überhitzen und anschließend in der Hand zu explodieren. Nein, das wollte ich den Zwergen nun wirklich nicht antun. Da würde ich mich doch lieber von einem Fachmann beraten lassen. Geschäfte gab es ja inzwischen wie Sand am Meer. Und die führten auch so simple Geräte, wie ich eines besaß. Ohne viel schnick-schnack. Einfach nur zum Telefonieren. Mehr brauchten die Männer meiner Ansicht nach nicht. Wobei ich mir inzwischen doch die Frage stellte ob sie diese tatsächlich noch brauchten. Fili würde ja sicherlich die meiste Zeit mit Jana verbringen, deren Nummer ich ja hatte. Und Bofur wäre höchst wahrscheinlich so gut wie jeden Tag bei Marina, sofern sich deren Beziehung weitestgehend vertieft hatte. Und es sah für den Mützenzwerg gar nicht mal so schlecht aus. Die junge Mutter war so begeistert von ihm, dass sie durch seinen schier endlosen Erzählungen und Geschichten gar nicht mehr aus dem Lachen herauskam. Ich ertappte mich sogar bei dem Gedanken, was der Zwergenkönig wohl für ein Gesicht machen würde, wenn er Bofur mit Marina an der Seite und Benny auf dem Arm vor sich stehen sah. Oh der Blick wäre sicherlich das ganze Gold des Erebors wert gewesen. Aber bis dahin floss sicherlich noch viel Wasser den Rhein runter, wie man so schön sagte. Zunächst einmal mussten wir Jana an der Bushaltestelle abliefern. Was leichter gesagt war als getan. Ich beobachtete sie dabei, wie sie sich mit jedem Meter, den wir näher an die Haltebucht herantraten, fester an den Arm des blonden Zwergs klammerte. Dieser bemerkte es selbstverständlich auch und versuchte indessen sehr leise auf sie einzureden. Leider konnte ich von meiner Position aus nicht genau hören, was er ihr sagte. Aber die Gesichtshälfte, die ich im Dämmerlicht erkennen konnte, sprach deutlich Bände. Er war angespannt und hin und wieder huschte ein leicht gequälter Ausdruck darüber. Fili wollte sie ebenso wenig gehen lassen, wie sie ihn. Ich mochte es ihnen nicht verdenken. Fühlte ich mich dadurch doch sehr stark an meinen ersten Abschied von Thorin erinnert. Es versetzte mir einen kleinen aber heftigen Stich ins Herz und ein dicker Kloß schien sich in meiner Kehle zu bilden. Oh verdammt. Nicht schon wieder. Hör auf darüber nachzudenken, schimpfte meine innere Stimme laut. Der Tag war doch eigentlich ganz schön gewesen. Mach es dir doch nicht so kaputt. Dieselbe Idee hatte offensichtlich auch Kili, welcher mich kurz mit dem Ellenbogen in die Seite knuffte und murmelte: "Denk jetzt nicht daran. Bald sind wir zuhause." Ich keuchte kurz erschrocken, als mich der relativ sanfte Stoß in die Rippen traf, schüttelte einen Moment lang den Kopf und nickte ihm danach mit klarer werdenden Gedanken zu. Ich atmete tief durch und schaute einen Augenblick lang zum dunkler werdenden Himmel. Nach und nach schalteten sich nun auch die Straßenlaternen an und tauchten die Szenerie in ein schummriges unwirkliches Licht. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir auch endlich die kleine Haltebucht. Diese war nichts Besonderes. Es gab eine Stahl und Plexiglas Konstruktion, wo man sich bei Regen hinsetzen und unterstellen konnte. Natürlich mit den Obligatorischen Graffitis und einigen neuen sowie alten, bunten Plakaten beklebt, worauf man entweder kommende oder vergangene Events einsehen konnte. Direkt neben dem Unterstand befand sich die typische Infosäule mit Mülleimer und den aktuellen Abfahrts-, wie auch Ankunftszeiten der einzelnen Busunternehmen. Dort löste sich Jana schweren Herzens vom Arm ihres Liebsten und begutachtete die verschiedenen Uhrzeiten. Als sie wohl die passende Abfahrt gefunden hatte, wandte sie sich langsam zu uns allen um und sagte mit reichlich brüchiger: "Also.... Also... mein... mein Bus kommt in zirka fünf Minuten. Vielen... vielen Dank, dass.. dass ihr heute alle mitgekommen seid... ähm... Ich.. ich hoffe es hat euch gefallen." Reihum gab es zustimmendes Nicken und zufriedenes Gemurmel. "Es war wirklich schön, Jana. Vielleicht können wir das ja ein andermal wiederholen?", kam es etwas lauter von Marina, welche langsam auf sie zutrat und behutsam ihre Hände nahm. Ich konnte währenddessen ein zaghaftes Lächeln über Janas Gesicht huschen sehen. "Ja... Ja, sehr gerne. Ich... ich hätte da auch schon eine Idee. Bald ist ja auch Halloween und... meine Eltern haben einen großen Partykeller. Was... haltet ihr davon, wenn wir an dem Abend eine kleine Feier veranstalten? Mit Kostümen und so? Das wird bestimmt sehr lustig", rief sie begeistert aus und strahlte uns alle hoffnungsvoll an. Die allgemeine Reaktion, welche darauf folge hätte man sicherlich auch ohne Glaskugel erraten können. Marina war ganz begeistert von der Idee. Die Zwerge an sich eigentlich auch. Das Wort "Feier" verstanden sie definitiv. Aber die Frage, die sie wohl am meisten Beschäftigte, kam von einem sehr verwirrt dreinblickenden Bofur. "Zu einer Feier bin ich jederzeit gern da. Aber...was ist ein Hälowien?", meinte er und kratzte sich dabei am Kopf. Da ich so etwas bereits erwartet hatte, schlich ich ganz langsam und leise von hinten an ihn heran hauchte ihm mit verschwörerischer Stimme zu: "Es ist die Nacht in der die Geister und Dämonen auf Erden wandeln. Die Zeit der Vampire, Werwölfe und Untoten. Sie kommen aus ihren Verstecken und Gräbern, laufen durch die Straßen der Dörfer und Städte, wo sie Angst und Schrecken verbreiten." Beim letzten Satz musste ich etwas genugtuend lächeln, als ich bei einem flüchtigen Blick zu den Zwergen feststellte, wie sie alle aufgrund meiner knappen Erklärung anfingen, sichtlich nervös zu werden. Ich konnte Bofur sogar deutlich schwer atmen und schlucken hören, ehe er mit deutlich höherer Stimme zitternd fragte: "Wie... Ich meine... Hast... hast du nicht gesagt, dass... dass es hier sowas nicht gibt?" "Sicher hab ich das... Normalerweise tun sie das auch nicht... Diese Nacht ist aber eine Ausnahme. Sie kommen zu den Menschen. Klopfen an jede einzelne Haustür um Einlass zu erhalten. Wer dumm genug ist sie herein zu bitten, hat nur eine Möglichkeit sie wieder los zu werden", säuselte ich und bewegte mich geschmeidig hinter dem Rücken des Mützen Zwergs hin und her, welcher verzweifelt versuchte sich zu mir umzudrehen. Für Außenstehende hätte es sicherlich so ausgesehen, wie Ringelpietz mit ohne Anfassen. Im Hintergrund hörte ich Marina und Jana leise glucksen. Diese hielten sich aber in dem Moment geschlossen und warteten ab, wie die ganze Situation wohl ausgehen würde. Während ich noch versuchte dem Blickfeld des Zwergs auf diese eigentümliche Weise zu entgehen. Stotterte dieser verzweifelt: "W-w-w-wie... wie... wird man sie los, Cuna? Sag... sag es uns." Auf diesen Moment hatte ich gewartet. Ich packte ihn wenig später bei den Oberarmen, wirbelte ihn zu mir herum, klatschte ihm beide Hände auf die Schultern und rief: "SÜSSIGKEITEN!" Der arme Mützenzwerg war so erschrocken von der Aktion, dass er nicht umhin konnte einen spitzen Schrei von sich zu geben, bevor er mich komplett verdattert anschaute. Auch die beiden Brüder waren so geschockt, dass sie gleichzeitig zusammen zuckten. Die Damen hingegen brachen in schallendes Gelächter aus. Auch ich konnte nicht umhin mich über die Gesichter der Zwerge zu amüsieren. Es dauerte ein bisschen, ehe sich die Anspannung etwas legte und die Herren ihre Sprache wiederfanden. Fili war der erste, welcher vorsichtig an mich herangetreten war und mir behutsam eine Hand auf den Rücken legte, bevor er meinte: "Das... das war... ein Scherz nicht wahr? Ich... Ich meine das hast du nicht ernst gemeint, oder doch, Schwesterchen?" Ich wischte mir unterdessen die Lachtränen aus den Augenwinkeln und nickte ihm anschließend zu. "Natürlich war das ein Scherz. Es gibt keine Werwölfe, Vampire und Untoten. Nicht mal in dieser Nacht. Vor vielen hundert Jahren haben das die Menschen aber geglaubt. Und davor war diese Nacht eine Art Neujahresfest. Ähnlich wie euer Durinstag. Heute ist dieser Tag meistens ein Spaß für Kinder. Sie verkleiden sich wie irgendwelche Monster, gehen von Haus zu Haus und wollen Süßigkeiten. Wenn sie aber keine bekommen, wird das Haus meistens mit Toilettenpapier und Eiern beworfen. Ist eine ziemliche Sauerei, wenn ihr mich fragt. Aber solltet ihr an dem Abend wirklich meinen, dass das Echte Ungeheuer sind, dann liegt ihr falsch. Daher würde ich es begrüßen, wenn ihr keine Waffen mit euch führt. Das gilt besonders für dich, Fili ", schloss ich meine Erklärung mit einem kurzen mahnenden Blick auf den blonden Zwerg ab, welcher peinlich berührt und betreten das Gesicht verzog. Offenbar kam er sich ein wenig ertappt vor. Aber ich hatte insgeheim schon geahnt, dass er auch heute aus irgendwelchen Gründen, seinen Lieblings-Kuscheldolch irgendwo am Körper mit sich führen musste. Anders konnte ich mir sein Verhalten in diesem Augenblick nicht erklären. Was seinen Bruder und den Mützenzwerg betraf, so konnte ich auf deren Gesichtern eher gemischte Gefühle ausmachen, bevor auch sie ihre Stimmen wiederfanden. "Dann... dann brauchen wir keine angst zu haben, angegriffen zu werden. Oh Mahal sei Dank...“, schnaufte Kili und lehnte sich dabei erleichtert an den Stahlrahmen des Unterstands. "Das war wirklich ein übler Scherz, Cuna. Mir ist vor Schreck fast das Herz stehen geblieben. Tu mir den Gefallen und treib nie wieder solche Späße... Bei Durins Bart...", keuchte Bofur, der seine Mütze abnahm und sich damit Luft zufächelte. Ich kicherte vergnügt vor mich hin, hob aber beschwichtigend eine Hand und erwiderte: "Tut... tut mir leid... Aber... Aber ich konnte gerade nicht anders. Seid mir bitte nicht böse. Ich mach es irgendwann wieder gut. Versprochen." "Gut, wenn das so ist. Dann wirst du uns demnächst wieder eine ordentliche Fuhre Bratkartoffeln zubereiten. Vielleicht können wir dir dann vergeben", kam es von dem Mützenzwerg, der sich selbige wieder aufsetzte und mich wieder matt anlächeln konnte. Ich nickte ihm mit einem aufrichtigen, breiten Grinsen zu und sagte mit einem neckischen Zwinkern: "Klar. Kein Problem. Wenn es Euer Begehr ist, Herr Bofur, dann will ich dem alsbald Genüge tun." Damit hatte sich die Aufregung nun endgültig wieder gelegt und die Stimmung um einiges gehoben. Das war auch gut so. Denn es dauerte nicht lange, bis wir in der Ferne das hydraulische Zischen und Quietschen, des einfahrenden Linienbusses hören konnten. Und nur einen Wimpernschlag später stand Besagter auch schon in der Haltebucht neben uns. Ein wie üblich recht übel gelaunter Fahrer öffnete die Vordertüre, welche langsam nach außen aufschwang und darauf wartete, welche von den anwesenden Personen er durch die Gegend fahren musste. Jana gab einen langgezogenen Seufzer von sich und das Lächeln auf ihrem Gesicht hatte sich erneut ein wenig versteift. Leider blieb nicht mehr viel Zeit für lange ausführliche Abschiedsreden. Sie ging einmal zügig durch die Gruppe, Umarmte jeden, außer Fili, flüchtig, gab diesem noch einen schnellen Kuss auf den Mund und stieg schließlich in die Gäste Kabine hinauf. Ihr Herzblatt ließ sich dabei an der Tür zurück. Ihm ging es dabei nicht wirklich gut. Ich konnte deutlich sehen, dass er den inneren Drang verspürte, ihr hinterher zu steigen und mit ihr zu fahren. Ich fasste ihn jedoch noch rechtzeitig am Handgelenk, als er drauf und dran war einen Schritt auf die Einstiegsplattform zu setzen und murmelte ihm mahnend ins Ohr: "Nicht Heute, Fili. Du wirst noch oft genug die Gelegenheit haben sie zu besuchen." Ich beobachtete, wie er kurz den Mund öffnete, um etwas zu sagen. Doch mit Blick auf meine ernste Miene schloss er diesen wieder, nickte zustimmend und trat einen Schritt vom Eingang zurück. Seine Liebste hatte indessen ihr Ticket bezahlt und sich noch einmal zu uns umgedreht. "Wir... wir sehen uns dann an Halloween. Ich melde mich vorher bei euch, wegen der Uhrzeit. Und... Und, Fili?", fragte sie zum Schluss. "J-Ja?", stammelte dieser und trat wieder ein Stück näher an den Bus heran. Ich hielt ihn aber immer noch am Handgelenk fest, sodass er nicht doch in Versuchung geriet mitzufahren. Da wollte ich dann doch auf Nummer Sicher gehen. Jana schien es auch zu bemerken. Daher fielen ihre letzten Worte vor der Abfahrt so knapp wie nur möglich aus. "Ich ruf dich morgen früh an", sagte sie mit einem liebevollen Lächeln, welches den blonden Zwerg noch einmal kurz zum Strahlen brachte und er nickte ihr zustimmend entgegen. Dann ging alles ganz schnell. Die Türe schloss sich vor aller Augen und Jana suchte sich schnell einen Sitzplatz am Fenster, um uns noch einmal zuzuwinken. Doch noch während sie sich setzte, röhrte der Motor bereits laut auf. Es zischte mehrfach laut und der Bus kam ins Rollen. Wir winkten Jana ebenso zu, als der Bus langsam anfuhr, die Haltebucht verließ und schließlich in einigen hundert Metern Entfernung nach Links um eine Häuserecke bog, wo er gänzlich aus unserem Blickfeld verschwand. Wir blieben noch ein paar Minuten stehen. Auch Fili zuliebe, dem nur langsam bewusst wurde, dass seine Liebste nicht mehr da war. Er brauchte etwas um seine Gedanken zu sortieren. Kili, Bofur und Marina hielten sich dabei vornehm zurück. Nur ich stand noch direkt neben ihm und ließ nun auch seinen Arm los. Dies bemerkte er prompt und drehte sich zu mir um. Im Licht der Straßenlaternen sah ich seine Augen leicht glitzern. Er war bemüht seine Abschiedstränen im Zaum zu halten. Auch wenn es ihm offenkundig schwer fiel. Dennoch schaffte er es mir mit klarer Stimme zu sagen: "Danke, dass du mich zurückgehalten hast." Ich schenkte ihm daraufhin ein tröstendes Lächeln und murmelte: "Die Zeit wird kommen, wo du sie jederzeit besuchen kannst. Hab noch etwas Geduld. Außerdem denke ich, dass wir vorher noch ein bisschen was besprechen müssen." "Ähm... Und was wäre das, wenn du mir die Frage erlaubst?", erwiderte er und musterte mich verwirrt. Ich kicherte leicht amüsiert, legte ihm einen Arm um beide Schultern und flüsterte ihm ruhig ins Ohr: "Nun ja. Ich muss doch noch ein bisschen über die hiesigen Praktiken des Beischlafs aufklären, mein Lieber. Aber das machen wir unter uns, okay?" Nachdem ich ihm dies offenbart hatte, zuckte er völlig verschreckt zusammen und stammelte verlegen: "Wie... was... was... aber das weiß ich doch schon!" Nun war ich diejenige die verdutzt drein blickte und ihn reichlich verwirrt ansah. "Wie jetzt? Du weißt das schon? Woher... ach... oh nein, sag es mir lieber nicht. Ich kann es mir schon denken", besann ich mich im letzten Moment noch rechtszeitig ehe er mir offenbarte, woher er diese besagten Kenntnisse her hatte. Allerdings ließ sich der junge Zwerg doch nicht von dem Versuch abbringen, mir zu erklären, wem er das Wissen zu verdanken hatte. "Weißt du, Cuna. Onkel Thorin hat mich eines Tags beiseite genommen und mir erklärt, was du und er...", setzte er vollkommen Gedankenlos an, als ich ihn auch schon unter heftigen Protest unterbrach. "Babababah. Das behältst du mal schön für dich, Fili. Das will hier keiner hören, verstanden?!", fuhr ich ihn von der Seite her an und kniff indessen auch die Lippen leicht angesäuert und beschämt zusammen. "Aber... du hast doch gefr...“, versuchte er erneut anzusetzen sodass ich ihn wieder zur Ordnung rufen musste. „Ich habe aber direkt danach gesagt, dass ich es nicht wissen will. So. Genug jetzt. Abmarsch. Ich bin müde und will endlich zu meinem geliebten Sofa ", beendete ich die Diskussion, löste meinen Arm von seinen Schultern, gab ihm einen sanften Klaps auf den Rücken und schritt an einer kichernden Marina, einem amüsiert aussehenden Bofur und einen doch recht genervt dreinblickenden Kili vorbei, um meine Gruppe nach Hause zu führen. Meine Güte, das war ja unglaublich. Ich mochte gar nicht darüber nachdenken, was Thorin seinem Neffen da alles wohl unverblümt erzählt haben mochte. Gott, war das peinlich. Zumindest hatte ich die Hoffnung, dass er diverse Details vor Fili in seiner Beschreibung außer Acht gelassen hatte. Aber da würde ich ihn selbst fragen. Solche Geschichten von anderen zu hören, war mir dann doch zu unangenehm. Ich spürte ja bereits kurz nach diesem Gespräch, wie mein Gesicht knall rot anlief, als der junge Zwerg mir seinen Stand der Dinge darlegen wollte. Gut, im Endeffekt war ich selbst dran Schuld. Schließlich hatte ich das Thema vom Zaun gebrochen. Also musste ich auch mit den daraus resultierenden Konsequenzen leben. Und diese unterhielten sich gerade leise in ihrer eigenen Sprache hinter meinem Rücken, während wir zügig durch die abendlichen Straßen in Richtung der Plattenbauten stromerten. Viel passierte nicht mehr auf dem Rückweg. Hinter mir wurde munter geplaudert und fröhlich vor sich hin gekichert. Es nervte mich zwar ein bisschen, aber den Fettnapf hatte ich mir selbst eingebrockt. Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung, dachte ich so bei mir, als wir den Hügel endlich erklommen hatten. Nachdem wir um die nächste Ecke bogen, kam auch schon der hellerleuchtete Haupteingang das Plattenbaus in Sicht und infolge unserer Schritte immer näher. Ich seufzte erleichtert, als ich einige Minuten später die Türe öffnete und mit den anderen den Vorraum betrat. Einer alten Gewohnheit nach, wollte ich den aktuellen Bestand meines Briefkastens überprüfen und begann infolge dessen in meiner Tasche nach dem Schlüssel zu kramen. Wobei es nicht wirklich viel zu überprüfen gab. Die Sachlage war eindeutig. Sie sprang einem ja buchstäblich ins Auge. Der kleine Blechkasten, welcher zusammen mit einem Dutzend anderen zur rechten der Eingangstür aufgereiht war, war bis zum Bersten gefüllt mit allerlei Briefumschlägen in verschiedenen Größenkategorien. Die obligatorischen achtzig Prozent Werbung mit inbegriffen. Diese landeten auch prompt da, wo sie auch hingehörten. Nämlich in der Papiertonne, welche extra für solche Zwecke aufgestellt worden war. Die wichtigen Sachen, wie Bewerbungsabsagen, Amtsschreiben, Rechnungen und so weiter, stapelte ich halbwegs ordentlich, um sie mit nach oben zu nehmen. Auch Marina schien meine Idee nicht schlecht zu finden und machte sich ebenfalls über den Inhalt ihres Kastens her. Die Zwerge warteten unterdessen mit neugierigen Blicken, dass wir Frauen endlich fertig wurden. Die junge Mutter hatte nicht ganz so viel zu tun wie ich. Sie warf lediglich die Werbung weg, womit sie sogar vor mir fertig geworden war, obwohl sie erst nach mir angefangen hatte. Aber so war das eben. Mal bekam man viel und mal weniger Post. Die kleinen Männer schienen unser Verhalten allerdings noch nicht so ganz verstanden zu haben. Denn als wir im Treppenhaus nach oben gingen, musterten die Herren gerade meinen Stapel mit wachsendem Interesse und Bofur fragte: "Was ist das alles, Cuna?" "Briefe", erwiderte ich ihm knapp, da er mit dem Begriff "Post" wohl weniger hätte anfangen können. Er brummte daraufhin verstehend und hakte nicht weiter nach. Die beiden Brüder hingegen gaben sich mit meiner Antwort jedoch weniger zufrieden und fingen nun ihrerseits an mich mit Fragen zu durchlöchern. "Und was habt ihr beide da eben weggeworfen? Waren das nicht auch Briefe?", kam es mit leicht verwirrtem Ton von Fili, welcher direkt hinter mir lief. "Das war Werbung. Also uninteressant für mich", erklärte ich ihm über die Schulter hinweg. Kili schien das Wort Werbung jedoch ein wenig falsch zu interpretieren. Denn von ihm kam ein erleichtertes stöhnen, bevor er ganz unverblümt meinte: "Gut, dass du sie weggeworfen hast. Nicht auszudenken, was Onkel wohl gesagt hätte, wenn er erführe, dass noch andere Männer um dich werben, Schwesterchen." Es dauerte etwas, bis die Sätze ganz bei mir angekommen waren. Doch dann brach ich in schallendes Gelächter aus. Auch Marina konnte sich nicht zurückhalten und stimmte mit ein. Natürlich passte das dem Zwergenburschen mal wieder gar nicht und polterte entrüstet hinter uns drauf los: "Was habe ich denn nun schon wieder gesagt?! Erklärt mir wenigstens, was es genau damit auf sich hat." Oh weh, oh weh. Da war aber einer sehr schlecht gelaunt. Das merkte selbst die junge Mutter. Also versuchten wir uns soweit es ging zusammen zu reißen und es allen Männern noch einmal verständlich zu machen, dass unsere Art der Werbung nichts mit der Suche nach einem geeigneten Lebenspartner zu tun hatte, sondern viel mehr dazu dienen sollte, die Leute zum Kauf ihrer Waren zu bewegen. Aber eigentlich hätte er es wissen müssen. Immerhin hatte ich es ihm und seinem Bruder bereits vor ein paar Tagen erklärt. Aber gut. Man konnte sich ja auch nicht alles merken. Vor allem dann nicht, wenn es so viele neue Eindrücke gab, die auf einen niederprasselten. Und davon würde es noch einige geben, worauf ich die Herren Zwerge noch ausgiebig vorbereiten musste. Ein bestimmter Zwerg jedoch, bereitete sich aber schon darauf vor, seine Angebetete an ihrer Wohnungstür abzusetzen und sich gebührend bei ihr zu verabschieden. Als wir den vierten Stock erreichten öffnete Bofur Marina mit einer leichten Verbeugung die Tür zum Außenbalkon und bemerkte dabei: "Nach Euch, werte Marina." Sie kicherte dabei verlegen wie ein Schulmädchen und erwiderte: "Vielen Dank, Herr Bofur." "Stets zu Euren Diensten. Ich wünsche eine angenehme Nachtruhe.", meinte er abschließend mit einem breiten Lächeln, welches noch breiter wurde, als sie ihm doch tatsächlich einen frechen, flüchtigen Kuss auf die Wange hauchte und flüsterte: "Die werde ich habe. Gute Nacht." Den darauf folgenden wehmütigen Seufzer hob sich der Mützenzwerg allerdings für den Moment auf, nachdem die beiden Brüder und ich ihr ebenfalls eine gute Nacht gewünscht hatten und sie in ihrer Wohnung verschwunden war. "Was für ein Weib. Oh Mahal. Was für ein unsagbar wundervolles Geschöpf sie doch ist", trällerte Bofur von seiner Wolke siebe, mit der er leichtfüßig die restlichen Etagen bis zu unserer Wohnung hinauf schwebte. Er strahlte selbst dann noch als wir endlich drinnen angekommen waren, unsere Sachen ablegten und uns nacheinander Bettfertig machten. Viel hatte ich an diesem Abend nämlich nicht mehr vor. Ich wollte nur noch schlafen. Das war aber mit einem extrem liebestollen Mützenzwerg alles andere als leicht. Irgendwann wurde es selbst Fili zu viel. Ich stand noch in der Tür zum Badezimmer, wo ich mit Kili den Platz tauschen wollte, als Fili plötzlich nach seinem Kissen griff und dieses dem Mützenzwerg mitten ins Gesicht feuerte. Mit einem dumpfen "Fopp" klatschte es diesem unvorbereitet mitten auf die Nase und er brauchte eine Weile um zu realisieren, was ihn da gerade getroffen hatte. Kili und ich mussten prusteten laut drauf los, als Bofur begann sich über die hinterhältige Attacke zu beschweren. "Bei Durins Bart! Was sollte das denn, Fili?", maulte er und warf dem breit grinsen Burschen nicht nur sein Kissen sondern auch einen sehr beleidigten Blick zu. Fili, der zuvor auch noch gelacht und mit dem Finger auf ihn gezeigt hatte, war auf den Gegenangriff nicht gefasst gewesen und bekam umgehend die Quittung für seinen vorangegangenen Wurf. Und zwar voll auf die Zwölf. Was einige Minuten später erfolgte, war eine ziemlich derbe Kissenschlacht nach Zwergenart. Und wie sollte es auch anders sein, stürzte sich Kili ebenfalls mit in das Getümmel aus fliegenden Kissen, Decken und sogar einigen Plüschtieren, die ich bereits aus den Kisten genommen hatte. Ich seufzte kurz resigniert, nachdem mir das Lachen etwas vergangen war und rief über das Gegröle und Getobe der Männer hinweg: "Macht bloß nichts kaputt! Habt ihr drei gehört?!" Das schien sie jedoch in keiner Weise zu interessieren. Warum auch? Sie hatten gerade einfach zu viel Spaß und konnten sich noch einmal richtig austoben. Mir hingegen war das Ganze zu anstrengend. Ich verzog mich langsam ins Bad und schloss leise die Tür hinter mir. Erleichtert nach den ganzen Stunden für ein paar Minuten allein zu sein, ging ich zunächst meiner gewohnten abendlichen Routine nach. Sprich Toilette, ein bisschen Katzenwäsche mit einem Waschlappen und im Anschluss selbstverständlich wieder anziehen und Zähneputzen. Doch während ich so da stand und meinem Spiegelbild bei der Mundhygiene zusah, überkam mich mit einem Mal eine extrem bescheuerte Idee. Eine, die mich kurz in meinem Tun innehalten ließ und mich dazu bewog meinen kompletten logischen Verstand über Bord zu werfen. Und mir war klar, dass es vermutlich komplett irre war. Dennoch kam es auf einen Versuch an. Ich musste es wagen. Koste es, was es wolle. Eine andere Möglichkeit sah ich in diesem Augenblick nicht. Dabei dachte ich an den mutmaßlichen Wunschspiegel, indem ich noch an diesem Morgen die Chance bekommen hatte Thorin zumindest sehen zu können. Eigentlich war dieser ja auch ein komplett normaler Spiegel gewesen, also warum sollte dann nicht auch der in meinem Bad so funktionieren? Es kam ganz allein auf einen Versuch an. Ich musste nur genauso intensiv an den Zwergenkönig denken, wie ein paar Stunden zuvor. Dann würde es sicherlich klappen. Nur einmal. Nur einmal noch, bevor ich schlafen ging, wollte ich ihn sehen. Dafür war mir jedes Mittel recht. Also beeilte ich mich meinen Mund von Schaum und Zahnbürste zu befreien, klammerte mich anschließend ans Waschbecken und schloss die Augen, während ich wie in einem Mantra gedanklich wieder und wieder meinen Wunsch formulierte. Ich wusste nicht wie lange ich so dagestanden hatte, aber irgendwann vernahm ich eine ruhige leise Stimme in meiner Gegenwart. "Cuna?", hörte ich sie sagen. Erschrocken und beinahe euphorisch riss ich die Augen auf. "THORIN?!", brüllte ich im selben Atemzug. Doch... …Nein... Das was ich sah, war nicht das erhoffte Antlitz des Zwergenkönigs, sondern lediglich mein eigenes, enttäuschtes Gesicht. Nur leicht schräg hinter mir stand ein besorgt dreinblickender Bofur, welcher mir beruhigend eine Hand auf die Schulter legte und sagte: "Ich denke... wir sollten uns einmal unterhalten." - 113. Von kurzen Abschieden und bewegenden Momente / ENDE - Kapitel 114: 114. Herz, was begehrst du? ---------------------------------------- Oh mein Gott, war das eine peinliche Situation. Aber die hatte ich mir wirklich selbst zuzuschreiben. Unachtsam und vermutlich auch müde, wie ich gewesen war, hatte ich doch tatsächlich vergessen die Badezimmertür von Innen zu verschließen. Wie sonst wäre Bofur einfach so sang und klanglos in selbiges marschiert? Und was wäre wohl passiert, wenn ich mich zu diesem Zeitpunkt noch mit meiner "Katzenwäsche" beschäftigt hätte? Sprich, ohne einen Fetzen Stoff am Leib und darum bemüht mich mit einem Waschlappen an Stellen zu reinigen, wo die Sonne nicht hin scheint? Heiliger Strohsack, NEIN! Das wollte und mochte ich mir in dem Moment nicht ausmalen. Der Schrei, den ich vermutlich losgelassen hätte, wäre sicherlich von einigen Marsmännchen im Orbit empfangen worden. Natürlich gefolgt von dem ebenso lauten Klatschen einer Ohrfeige für den armen Mützenzwerg. Zu unser beider Wohl und Glück war dem ja nicht so. Das war zumindest schon einmal eine kleine Erleichterung. Allerdings war es mir weitaus unangenehmer, dass überhaupt einer der Zwerge von meinem extrem bescheuerten Versuch den Zwergenkönig via Spiegeltelefon zu kontaktieren, Wind bekommen hatte. Ich atmete einmal ganz tief durch, bevor ich mich zu Bofur umdrehte, während ich leicht verlegen und ein bisschen brüskiert auf meiner Unterlippe herumkaute. Er erwiderte meinen Blick mit leicht argwöhnisch verengten Augen und legte den Kopf abschätzig zur Seite. Grade so als suchte er in meinem Gesicht oder direkt in meinen Augen ein Indiz dafür, ob ich tatsächlich meinen Verstand verloren hätte. Und in gewisser Weise hatte er meines Erachtens nach auch irgendwie recht damit. Niemand der halbwegs bei Verstand stand in seinem Bad und brüllte seinen Spiegel mit dem Namen seines oder seiner Zukünftigen an. Gut, einige Teenager oder spätverliebte Mitfünfziger, die sich daran übten, wie sie ihre neue Flamme wohl am besten rumkriegen würden. Da ich weder das eine noch das andere war, konnte man wohl wirklich davon ausgehen, dass ich mit dieser Aktion eindeutig in eine Klapse gehörte. Zudem machte ich es nicht besser, als ich nach einigen geschlagenen Sekunden des Anstarrens den Mund öffnete und trocken kichernd fragte: "Oh... Hey.... Bofur... Was... Was machst du denn hier?" "Das sollte ich dich fragen. Du bist schon eine Zeit lang hier drin. Wir haben uns gesorgt und ich wollte nachsehen, ob es dir gut geht", antwortete er mit ernstem Ton und drückte meine Schulter etwas fester, die er immer noch gepackt hielt. Ich räusperte mich kurz, schüttelte dezent den Kopf und wedelte abtuend mit den Händen. "Es geht mir gut. Mach dir keinen Kopf darum. Ich hab nur...", setze ich an mich zu für die eigenartige Situation zu rechtfertigen doch da fiel er mir schon ins Wort. "Du wolltest Thorin noch einmal sehen. So wie heute Mittag in diesem Spiegelhaus", stellte er mit vielsagender Miene fest. Ich schluckte leicht und nickte schließlich. Immerhin hatte er mich ja auf frischer Tat ertappt und es zu leugnen wäre zwecklos. Dazu war meine Reaktion viel zu offensichtlich gewesen. Selbst ein Blinder hätte gesehen, was ich da veranstaltet hatte. Seine Reaktion auf mein stummes Bekenntnis war ein ungewöhnlich tiefer, ja sogar wehleidiger Seufzer des Mützenzwergs. "Cuna.....", sagte er und musterte mich mit einer Mischung aus Ernst und Kummer. "Ja, ja, ja", erwiderte ich hastige und fügte an, "Ich weiß, was du sagen willst. ‘Wie kannst du nur glauben, dass das so einfach geht?', 'Das ist doch verrückt!' oder 'Sei doch nicht so dumm. Das kann doch gar nicht funktionieren'. Und ja du hast Recht, das war dumm, das war naiv, das kann gar nicht klappen. Wie denn auch? Ach, lassen wir das. Das war einfach nur eine fixe Idee von mir. Schwamm drüber. Ich werds nie wieder versuchen." Mit diesen Worten wollte ich mich von ihm lösen und zurück in meine Wohnstube gehen. Doch anstatt mich loszulassen packte er mich nur noch fester und hielt seinen noch freien Arm vor meinen Körper, damit ich nicht weiter gehen konnte. Ich betrachtete die Szenerie leicht verwundert und wollte ihn gerade fragen, was das sollte. Jedoch gab er mir bereits ohne mein Zutun eine Antwort auf sein Handeln. "Du verstehst nicht. Ich halte weder dich, noch deinen Versuch mit Thorin in Kontakt zu treten für dumm oder naiv, und schon gar nicht für verrückt. Im Gegenteil. Wenn ich bedenke, dass dein Schicksal womöglich mir oder Fili widerfahren wäre und wir es als einzigen Weg sähen, um vielleicht mit Marina oder Jana zu sprechen, dann würden wir wohl nicht anders handeln. Aber, genau das ist der Punkt der nicht nur mir seit einigen Tagen große Sorge bereitet, Cuna", meinte er und gab erneut einen schweren Seufzer von sich. Nun war ich komplett verwirrt. Was wollte Bofur mir sagen? Viel zu selten benahm er sich so strickt und ernst. Aber wenn er es tat, hatte es meist eine tiefere Bedeutung. Ich verstand zwar bisher nur Bahnhof, doch es musste mal wieder um etwas gehen, was eigentlich gar nichts mit meiner Welt zu tun hatte. Mal wieder so eine Eigenart der Zwerge oder überhaupt etwas, was nur Bewohner von Mittelerde verstanden und mir bisher komplett verborgen blieb. Ja, das würde es wohl sein. Allerdings war ich mir nicht ganz sicher. Ich musste es unbedingt wissen. Wenn er sich schon so aufführte, dann wusste er bereits mehr als ich vielleicht ahnte. Denn was ich ohnehin schon wahrgenommen hatte war, dass er definitiv auf die vielen Fragen, welche mir im Augenblick durch die Gedanken kreisten, eine Antwort wusste. Oder wenigstens meinte zu wissen. Also drehte ich mich wieder zu ihm um und bestürmte ich den Mützenzwerg umgehend mit allem was mir in diesem Augenblick in den Sinn kam. "Was für ein Punkt? Wovon redest du? Und wieso bei ein ähnliches Schicksal von dir und Fili? Was hat denn bitte mein Verhalten mit euch beiden zu tun?", sprudelte es nur so aus mir heraus. Doch in dem Moment schüttelte er kurz den Kopf und meinte: "Gleich. Nicht hier. Die Jungs sollten dabei sein. Es ist besser wir bereden das gemeinsam. Komm. Setzen wir uns drüben an den Tisch." Damit war seinerseits vorerst das letzte Wort gesprochen und er führte mich langsam aus dem Bad. Ich ließ ihn in aller Ruhe gewähren. Eigentlich war es mir nicht recht zusätzlich noch Kili und Fili mit dieser Sache, was auch immer sie sein mochte, mithinein zu ziehen. Aber als wir die Diele bereits passiert hatten, fand ich die beiden schon mit erwartungsvollen Gesichtern am Tisch sitzen. Ihre Blicke ließen mich einen Moment vor Erstaunen inne halten. Noch dazu hatte ich Mühe kein beleidigtes Gesicht aufzusetzen, da ich dort in den dunklen Haaren des Jüngeren und im Bart des Älteren eindeutig Überreste der vorangegangenen Kissenschlacht ausmachen konnte. Die weißen Daunen aus meinen Kissen waren unübersehbar. Im Hintergrund erhaschte ich zudem noch einen flüchtigen Blick auf eines davon, welches im Eifer des Gefechtes ordentlich hatte Federn lassen müssen. Diese schmückten natürlich nun die beiden Brüder, welche damit unzweifelhaft aussahen, wie zwei sehr schlecht kostümierte Indianer zu Karneval. Meine Fresse, man konnte sie wirklich nicht mal eine Minute aus den Augen lassen. Aber das hätte ich mir ja auch denken können. Wo rohe Kräfte sinnlos walten, dachte ich leicht gereizt bei mir und wollte bereits den Mund öffnen, um die Zwei für die Unordnung rund zu machen. Doch da gab mir Bofur schon einen sanften Schubser in den Rücken und bugsierte mich sehr elegant und zügig auf einen Stuhl, den sie offensichtlich schon für mich bereitgestellt hatten. Fili schmunzelte unterdessen und wandte sich mit leicht belustigter Stimme an Bofur: "Du hast sie also heil aus der Waschkammer herausbekommen. Durin sei Dank." Bofur nickte ihm ruhig zu und nahm auf dem letzten noch verbliebenen Stuhl, und so neben mir Platz. Mir klappte immer wieder der Mund auf und zu. Ich wusste gar nicht mehr, wie ich mich überhaupt fühlen sollte. Einerseits war ich mal wieder angefressen, weil die Herren Zwerge etwas von mir kaputt gemacht hatten, was ich bei Zeiten wohl wieder ersetzen musste. Andererseits kam mir die ganze Versammlung an meinem Küchentisch extrem Surreal vor. Aber in all meiner Verwirrung erhob plötzlich Kili das Wort, welcher sich damit allerdings eher mit einer Frage an Bofur wandte. "Meinst du wirklich, dass es notwendig ist? Ich meine, denkst du sie wird es verstehen, wenn wir es ihr erklären?", fragte er den Mützenzwerg und warf mir dabei einen besorgten Seitenblick zu. Wie auch schon gegenüber Filis Feststellung nickte Bofur knapp. Jedoch antwortete er auf die Frage des dunkelhaarigen Burschen indem er sehr eindringlich sagte: "Es ist notwendig, Kili. Wenn nicht sogar schon längst überfällig. Mahal, mir schwante schon seit ihrem Zusammenbruch vor einigen Tagen, dass bei ihr ein Wandel stattfinden würde. Ich hatte aber nicht erwartet, dass es so schnell geht. Und wir sind dazu verpflichtet sie bei allem zu unterstützen und ihr zu helfen wo wir nur können." "Ja. Du hast Recht. Nur weiß ich nicht, wie und ob sie es verkraften wird. Sie ist doch immer noch nicht ganz genesen. Sollten wir nicht lieber warten? Zumindest bis ihre Kopfwunde verheilt ist?", hakte Kili erneut nach und rutschte dabei unruhig auf dem Stuhl hin und her. Diesmal antwortete allerdings sein Bruder, welcher ihm behutsam eine Hand auf den linken Arm legte. "Worauf sollen wir noch warten? Bis sie erneut zusammen bricht? Oder sich vielleicht sogar vom Balkon in den Tod stürzt? Du hast es doch mit eigenen Augen gesehen. Wir können nicht mehr warten. Und der Aufschrei, den wir eben aus der Waschkammer gehört haben, ist ein eindeutiges Zeichen, dass wir jetzt handeln müssen. Nicht erst morgen, Bruder. Jetzt!", sagte Fili mit sehr barschem Unterton in der Stimme. Während ich ihnen zuhörte, merkte ich nicht nur, wie sich langsam meine Augen vor Entsetzen weiteten. Nein, so langsam wurde ich auch innerlich ziemlich ungehalten. Da saßen die drei und redeten über mich, während ich wie ein Kind beim Dreck dabei saß und verstand nicht worauf sie hinaus wollten. Kili äußerte immer wieder irgendwelche Bedenken, welche die anderen beiden versuchte mit viel gutem Zureden zu zerstreuen. Das Hin und Her dauerte eine ganze Weile, bis mir schließlich irgendwann der Kragen platzte. "Hey! Könnt ihr drei auch mal MIT mir reden, anstatt nur ÜBER mich?! Ich bin auch hier, falls ihr das vergessen haben solltet!", fauchte ich sie an und schlug einmal heftig mit meiner geballten Faust auf den Tisch. Die Zwerge zuckten von meinem kleinen Ausbruch heftig zusammen und wandten sich mit verlegenen Mienen zu mir um. "Ent-Entschuldige bitte, Schwesterchen. Aber... ", setzte Kili an und hob beschwichtigend die Hände in meine Richtung. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und brummte: "Ja, du hast was dagegen, dass ihr mit mir über etwas reden wollt. Aber vielleicht solltet ihr mal diejenige Fragen, um die es bei eurer Diskussion geht, was SIE möchte und nicht was IHR meint, was sie will." Darauf wusste der junge Zwerg nichts zu erwidern. Er nickte nur verstehend. Fili und Bofur wirkten erleichtert, dass Kili zumindest in der Sache auf mein Machtwort hörte. Aber auch diese beiden entschuldigten sich kurz drauf bei mir, weil sie mich einfach so übergangen hatten. Schließlich war es wieder etwas entspannter in unserer Runde und ich konnte mich in Ruhe den Fragen widmen, die ich während der heftigen Diskussion sortiert hatte. So begann ich mit der für mich wichtigsten überhaupt und wandte mich dabei an Bofur. "Also, über WAS wollt ihr oder wollt ihr eben nicht mit mir reden?", fragte ich und schielte bei meinen letzten Worten ganz kurz zu Kili, welcher versuchte ein Seufzen zu unterdrücken. Bofur setzte sich indessen etwas aufrechter hin, räusperte sich kurz und rückte seine Mütze gerade, bevor er frei heraus sagte: "Deine Alpträume, Cuna. Darum geht es. Die Dinge, die du des Nachts im Schlaf siehst. Und was sie mit dir machen." Ich nickte knapp nach seiner kurzen Erläuterung. Natürlich hatte ich das schon geahnt. Sicher hatten sie es bemerkt. Wie hätten sie auch nicht? Ich war jeden Tag sehr unausgeschlafen und erschöpft. Und wenn man mit so vielen Personen in nur einem Zimmer die Nacht zubrachte, konnte einem das auch nicht verborgen bleiben. Es sei denn, man hätte einen Tiefschlaf, wie ein Bär im Winter. Aber die drei hatten es sich ja zur Aufgabe gemacht, gut auf mich acht zu geben. Folglich war mir schon klar, dass sie wohl hin und wieder meinen Schlaf überwachten. Auch wenn es mir unterbewusst einen eisigen Schauer über den Rücken trieb, wenn ich mir vorstellte, dass ich in dieser eigentlich sehr schutzlosen Situation beobachtet wurde. Auf der anderen Seite brauchte ich mir aber wegen ihnen keine Sorgen machen. Ich wusste ja, dass sie mir nichts tun würden. Im Gegenteil. Sie wollten für mich im Ernstfall einfach da sein und das rechnete ich ihnen hoch an. Zudem konnte ich nun vielleicht von ihnen endlich Hilfe bei diesem Alptraum-Problem bekommen, ohne dass ich das Thema selbst auf den Tisch bringen musste. Gut, ich hätte es selbst tun sollen und müssen. Es fiel mir jedoch schon immer schwer über Probleme zu reden, die ich selbst nicht verstehen oder sogar ernst nehmen konnte. Und Träume gehörten zur letzten Kategorie. Was mich allerdings zusätzlich umtrieb war, dass alle drei wohl schon länger davon wussten, jedoch bisher immer so getan hatten, als sei nie etwas gewesen. Mit diesem Gedanken auf der Zunge fuhr ich meine Befragung fort. "Ihr wisst also alle, dass ich seit einigen Nächten sehr schlecht schlafen und schlimme Träume habe. Und ihr habt mir nichts davon gesagt. Warum?", meinte ich und lehnte mich abschätzig auf meinem Stuhl zurück. "Wir wollten dich nicht beunruhigen. Du warst und bist zudem immer noch nicht bei bester Gesundheit. Wir wollten dir zumindest den Tag, soweit es in unserer Macht stand, so angenehm wie möglich machen", erklärte Fili mit einem behutsamen Lächeln. "Außerdem hatten wir gehofft, dass es sich vielleicht von selbst wieder legen würde. Ich meine, wir haben auch nicht gedacht, dass Menschen dasselbe durchmachen können. Für gewöhnlich sind nur wir Zwerge davon betroffen. Ich habe noch nie gehört, dass auch andere Völker darunter leiden können", meinte Kili ergänzend ein, was bei mir nur weitere Fragen aufwarf. "Wovon redest du da, Kili? Geht es hier um immer wiederkehrende Alpträume oder um was ganz anderes?", bemerkte ich leicht pikiert, woraufhin ich von den Dreien mit verunsicherten Gesichtern angestarrt wurde. Schließlich war es Bofur, der sich dazu durchrang den Kern der Sache anzusprechen. "Weißt du, es ist schwer zu erklären. Und ich weiß auch nicht, ob ihr Menschen ein Wort dafür habt. Wir nennen es in unserer Sprache 'Arukhel'", sagte er und strich sich dabei nachdenklich durch den Bart. Ich blinzelte einen Moment lang. So wirklich erklärte dieses eigenartige Wort für mich nichts. Daher legte ich langsam dem Kopf schief während ich fragte: "Wie... was... was ist... Ari... Aru... Dingsda? Ist das irgend so eine Krankheit oder ein Trauma?" Der Mützenzwerg atmete einmal tief durch und wog seine Worte vorsichtig ab, während er langsam alles der Reihe nach erklärte: "Nun... ich weiß nicht was du mit 'Trauma' meinst. Aber eine Krankheit ist es in diesem Sinne nicht. Wie ich bereits sagte, es ist schwer zu beschreiben. Was ich dir sagen kann ist, dass es mit der Verbindung zwischen dir und Thorin zu tun hat. Du musst wissen, wir Zwerge, wir lieben anders als ihr Menschen. Unsere Bindungen sind weitaus stärker. Und wenn wir uns einen Gefährten erwählt haben, dann ist dieser für uns das ein und alles. Wir... verzehren uns mit jeder Faser unseres Körpers nach ihm. All unser Leben, Sein und auch die Gedanken sind immer bei dem jeweils anderen. Egal wie weit wir voneinander entfernt sind. Es ist... mehr als nur die reine Zuneigung, Hingabe... oder Leidenschaft. Viel mehr. Mahal, wie erkläre ich es dir nur? Mir liegt es auf der Zunge, aber ich komme einfach nicht darauf." Er machte kurz eine Pause und sah dabei abwechselnd die Jungs und mich mit ratsuchendem Blick an. Ich machte mir indessen meine eigenen Gedanken zu der Sache. Ich meinte mich auch zu erinnern, dass mir die Zwerge schon einmal erzählt hatten, dass ihre Liebe mit der der Menschen gar nichts zu tun hatte. Ja, dass sogar Welten dazwischen lagen, was sie und was wir empfanden. Nur beantwortete das noch immer nicht ganz meine Frage, was diese Erklärung mit meinem derzeitigen Befinden zu tun hatte. In meiner Magengegend breitete sich nur ein unangenehmes Kribbeln aus. Auch wenn Bofur es verneint hatte, kam es mir so vor, als hätte ich eine unheilbare und noch dazu ansteckende Krankheit. Was mir langsam dämmerte war, dass es sich um ein Gefühl handeln musste, das weitaus stärker als all die von ihm aufgezählten war. Und wie es aussah, war es eines, welches nur die Zwerge zu genüge kannten. Vielleicht war es Einsamkeit? Auf der einen Seite sehr plausibel, wenn man sich gerade einen Partner zugelegt hatte. Andererseits brauchte man dafür nicht unbedingt jemanden lieben, damit man sich so fühlte. Also fiel das schon mal weg. Zwerge... Gefühle... Welches konnte es nur sein? Ich strich mir nachdenklich über das Kinn und überlegte weiter. Das nächste was mir in den Sinn kam, war ihre Sturheit. Wenn sie etwas wirklich haben wollten, dann ließen sie sich von nichts und niemanden aufhalten. Und rannten damit zur Not auch sämtliche Mauern mit ihren Dickschädeln ein. Aber das war doch eigentlich mehr ein eigenwilliger und zeitweise recht nerviger Charakterzug von ihnen und hatte nicht so viel mit Gefühlen zu tun. Trotzdem glaubte ich der Sache langsam näher zu kommen. Ich blieb noch einen Moment bei dem Gedanken hängen. Wenn sie etwas wirklich wollen... Etwas, was sie sogar von Herzen begehren... begehren...? War es vielleicht... Moment! Mit einem Mal riss ich die Augen auf, als hätte mich soeben, auf gut deutsch gesagt, der Blitzschlag der Erkenntnis beim Scheißen auf dem Klo getroffen. "Heiliger Strohsack!", platzte es ganz unvermittelt aus mir heraus und schon stand ich auf beiden Beinen vor den Zwergen. Diese waren so erschrocken von meiner euphorischen Geste, dass sie vor mir zurück zuckten. Und Bofur, der arme Tropf, wäre vor Schreck um ein Haar fast mit seinem Stuhl nach hinten umkippte. Er konnte sich gerade noch an der Tischplatte festhalten und sah mich mit verwirrtem und teils mürrischem Blick an. "Bei Durins Bart, Cuna! Was schreist du plötzlich so auf?", raunte er und setzte sich wieder anständig hin. Danach schob er seine Mütze erneut zurecht, da sie ihm fast heruntergefallen war und musterte mich schließlich abschätzig. Ich nuschelte indessen einige ernstgemeinte Entschuldigungen und nahm langsam wieder Platz. Kili und Fili konnten nach einigen Sekunden aber schon wieder lächeln und musterten mich neugierig. "Ist dir etwas eingefallen, Schwesterchen?", fragte der Jüngere und legte den Kopf leicht schief. Ich wandte mich bedächtig zu ihm um und nickte langsam. "Ja, das kann man so sagen. Wobei es mir früher hätte einfallen müssen. Dabei wars doch so offensichtlich. Und die ganze Zeit über vor meiner Nase. Wie konnte mir das nur nicht einfallen... Gott bin ich bescheuert, Jungs... ", plapperte ich aufgeregt vor mich hin und rang dabei ungeduldig meine Hände im Schoß. „Was ist es denn? Nun sag schon", drängte Fili mich dazu, endlich mit der Sprache rauszurücken. Ich schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Ganz sicher war ich mir mit meiner Mutmaßung nicht. Aber es war das einzige, was mir in allen Punkten und vor allem am Meisten bei Thorin aufgefallen war. Also öffnete ich die Augen wieder, sah jeden der Reihe nach an und sagte mit fester Stimme: „Es ist Gier." Nun hoben auch die Männer langsam verstehend die Augenbrauen. "Freilich!", kam es von Bofur, der sich dabei selbst vor Erleichterung auf die Oberschenkel schlug und fortfuhr, "nach diesem Wort habe ich gesucht, Cuna! Ich denke, jetzt kannst du dir selbst erklären, was mit dir ist, oder?" Ich blinzelte kurz verwirrt und schüttelte nach einer Weile den Kopf. "Ähm... Nein? Wieso sollte mir das jetzt was sagen? Ich habe nur überlegt, was ich sehr intensiv bei Thorin wahrgenommen habe. Und ihr solltet mich mittlerweile so gut kennen, dass ich keinen Anlass habe wegen irgendwas gierig zu sein", erwiderte ich langsam. Da erhob Kili plötzlich seine Stimme und sagte mit eindringlichem Ton: "Das meinen wir auch nicht. Es hat nichts mit der Gier als solches gemein. Nicht so wie man einen Gegenstand oder Gold begehrt. Wobei die Gier nach Gold und Reichtümern für uns Zwerge durchaus mit dem Verlangen nach einem Gefährten vergleichbar ist. Sie sind sich sogar ebenbürtig. Daher ist es für uns sehr schwer eine Entscheidung zu treffen, die unser ganzes Leben beeinflussen wird, Cuna. Für gewöhnlich entscheiden wir uns recht früh, nach was es uns am meisten sehnt. Und dann folgen wir diesem Pfad bis an unser Lebensende. Es gibt für uns entweder nur das eine oder das andere. Wir können nicht beides haben. Aber wenn wir plötzlich das eine verloren haben, dann kommt es nicht selten vor, dass wir uns dem anderen zuwenden. Das heißt, wenn wir dann noch in der Lage sind uns dies zu Eigen zu machen." Nachdem er seinen Vortrag beendet und den Mund geschlossen hatte, bemerkte ich, dass sich ein kleiner Kloß in meiner Kehle bildete. Ach du liebe Güte. Ich hatte ja nicht die leiseste Ahnung davon gehabt, dass das Leben für Zwerge so schwer war. Sie konnten nicht gleichzeitig Reichtümer und eine innige Beziehung mit einer Person pflegen. Nun wurde mir auch einiges klar. Auch was beispielsweise die 'Drachenkrankheit' betraf. König Thror, Thorins Großvater, war vermutlich nicht immer ein Zwerg gewesen, der sich von der Gier nach Gold hatte leiten lassen. Es musste einst eine Zwergin gegeben haben, welche ihm das Herz erwärmte. Und als diese wohl nicht mehr war, gab es nur noch eines für ihn. Die ganzen Schätze. Das Gold und die Edelsteine des Erebor. Und Thorin selbst... ja... er hatte sich einst nach Gandalfs Angebot dazu entschieden den Berg und dessen Schätze zurück zu erobern. Das war seinerzeit zu seinem Lebensziel geworden. Und er hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um dies zu erreichen. Doch als er in der Schlacht der fünf Heere gefallen war, hatte er dies verloren. Das einzige was ihm nach seiner plötzlichen Wiederauferstehung von dem ganzen Gold und den Edelsteinen geblieben war, waren vermutlich nur ein paar Münzen, die sich noch in seiner Tasche befunden hatten, und der Arkenstein. Das und eine flüchtige Erinnerung, was er einst so von Herzen begehrt hatte. Das Gold, seine Heimat, der Thron. Einfach alles. Aber es gehörte ihm nicht mehr. Er hatte es für immer verloren. Und kein Ziel mehr im Leben. Obwohl er ja nicht gänzlich alles hatte einbüßen müssen. Seine Treuen waren ebenso überraschend zu ihm zurückgekehrt. Und für sie hatte er beschlossen da zu sein. Es war jedoch nicht dasselbe. Denn als er dann eines Tages plötzlich mir begegnet war. Oder viel mehr zuerst meiner kleinen Zwergin, die derzeit immer noch auf den Servern von "Herr der Ringe Online" im virtuellen Bruchtal versauerte. Da hatte er sein neues Ziel gefunden. Auch wenn es sowohl ihm als auch mir noch nicht klar gewesen war, was diese Begegnung für uns zu bedeuten hatte. Schien das Schicksal dort bereits angefangen zu haben ein Band zwischen uns zu knüpfen. Eines, das so stark war, dass wir es sogar bis über die Grenzen von hunderten von Welten spüren konnten. Er vermutlich noch intensiver als ich. So langsam dämmerte mir einiges. Es sickerte in meinen Verstand, wie Regenwasser in trockene Erde. Ich erinnerte mich daran, wie er einst während der Zeltstadt zusammen gebrochen war. Danach schien er wie gewandelt zu sein. Er war ein anderer geworden. Ein Zwerg, der sein neues Lebensziel gefunden hatte. Das was er liebte und begehrte festzuhalten, und sich schwor nie wieder loszulassen. Es hatte ihn schier in den Wahnsinn getrieben, nicht an meiner Seite sein zu können, als sie am letzten Tag im Licht verschwunden waren. Und als er dann endlich wieder bei mir war... ja... da hatte ihn diese Gier bereits vollkommen vereinnahmt. Der Grund für seinen heftigen Ausraster. Für den "Unfall", wo er mich gegen die Wand geschlagen hatte, weil er mir eigentlich nur die Spange aus dem selbst geflochtenen Zopf hatte herausreißen wollen. Das war der Wahnsinn, welcher aus seiner ungestillten Gier nach mir hervorgegangen war. Das und wohl das befeuern von Gloin, welcher ihm einst einige an den Haaren herbeigezogene Ratschläge erteilt hatte. Ich atmete ein paar Mal ganz tief durch und wischte mir mit dem rechten Arm über die Augen. Mir war als liefe mir kalter Schweiß das Gesicht herunter und in meine Augen. Denn sie begannen leicht zu brennen. Ich fühlte mich, als müsse ich jeden Moment wieder drauf los heulen. Aber das konnte ich mir in dieser Situation nicht erlauben. Schon gar nicht, weil ich noch immer nicht ganz wusste, was das mit mir zu tun hatte. Eigentlich führte ich mir gerade auch nur vor Augen, was mir ohnehin schon bewusst gewesen war. Lag es denn wirklich an diesem eigenartigen Gefühl von Gier oder, um es anders auszudrücken, dem Begehren nach einer bestimmten Person? Nach ihm? Nach Thorin? Nach... meinem Zwergenkönig? War es das? Dieses 'Arukhel', wie es Bofur genannt hatte? Oder steckte da vielleicht noch mehr dahinter? Wie konnte es denn sein, dass ich von dieser Anwandlung oder was auch immer betroffen war? Obwohl Bofur erklärt hatte, dass es normalerweise nur sein Volk betrifft. Wie um alles in der Welt, war das möglich? So langsam begann mein Kopf vom vielen Grübeln zu schmerzen. Ich kam einfach nicht auf den richtigen Nenner. Zudem war ich sehr müde und das Gespräch schlauchte mich noch mehr. Deshalb beschloss ich nach einer Weile den Jungs einen Vorschlag zu machen. Nachdem ich meinen Arm herunter genommen hatte, musste ich feststellen, dass sie mich die ganze Zeit über stillschweigend beobachtet hatten. Nachdem sie mein Gesicht wieder zur Gänze sehen konnten bemerkte ich, wie sie ganz flüchtige Blicke miteinander tauschten, ehe Fili das Wort ergriff und vorsichtig fragte: "Bist du wieder bei uns?" Überrascht blinzelte ich und legte den Kopf leicht schief. "War ich denn irgendwie 'weg'?", hakte ich verunsichert nach und erntete dafür ein zögerliches aber einstimmiges Nicken. Ich schnaufte einen Augenblick und verzog meinen Mund leicht gequält. Mit einem tiefen Seufzer auf den Lippen und einem wehmütigen Kopfschütteln nuschelte ich: "Es tut mir leid. Ich... Ich war grade so in meinen Gedanken gefangen. Ich musste wieder an Thorin denken und... nun ja... Ich hab plötzlich alles um mich herum vergessen. Außerdem bin ich echt müde, Jungs." Ich ließ matt die Schultern hängen und sank ein bisschen auf meinem Stuhl zusammen. Ich war wirklich nicht bei der Sache. Obwohl es die ganze Zeit um nichts anderes ging. Nämlich um mich und was die ganze Unterhaltung an meinem Esstisch erst ausgelöst hatte. Aber in dem Moment, wo ich fast schon wieder in meine Gedanken abzutauchen schien, erhob sich Bofur vor mir, fasste mich an den Schultern und zwang mich dazu ihn anzusehen. Ich blickte auf und musterte sein sehr ernstes Gesicht. Er wirkte keineswegs ungehalten, sondern eher bestimmend in dem Versuch mich in der Realität zu halten, damit ich nicht wieder in meine Träumereien abglitt. Dann öffnete er den Mund und sagte: "Genau das ist es. Verstehst du mich? Das ist 'Arukhel'. Wenn all dein Denken und dein Sein nur noch von diesem einen Gedanken beflügelt ist. Du sehnst dich nach ihm. Du sehnst dich so sehr, dass dein Verstand mit jedem Mal weiter und weiter darin eintaucht. Während du schläfst hast du keine Kontrolle mehr über deinen Geist. Und inzwischen auch nicht mehr über deinen Körper, Cuna." Leicht erschrocken begann ich den Mützenzwerg mit offenem Mund anzustarren. "Wie jetzt? Was mache ich denn mit meinem Körper, wenn ich schlafe?", hakte ich irritiert nach, hob dabei die Hände und fasste den Bofur fest an beiden Unterarmen. "Du wandelst", erwiderte er kurz angebunden. Aus meiner Kehle drang ein verunsichertes Lachen, als ich ihn dies sagen hörte. "Ich... Was? Du meinst ich Schlafwandle? Wirklich? Das habe ich seit Kindertagen nicht mehr gemacht", meinte ich mit einigem Unverständnis in der Stimme. "Wir haben es aber selbst gesehen!", rief Kili ungeduldig aus, womit nun er meine Aufmerksamkeit hatte. Dem schloss sich zudem sein Bruder an, welcher ergänzte: "Wir sahen, dass du dich mindestens einmal nachts von deinem Lager erhoben hast. Dann bist du ziellos umher gelaufen und ständig hast du den Namen unseres Onkels dabei gemurmelt. Dann bist du irgendwann plötzlich neben unserem Bett stehengeblieben. So als würdest du nicht weiter kommen. Schlussendlich sankst du auf die Knie und begannst bitterlich zu weinen. Bofur hat es als erster von uns bemerkt, weil du zunächst nur bei ihm gestanden hast. Er hat dich dann immer wieder beruhigt und zu Bett getragen. Aber so wie es ist, geht es nicht einfach weiter, Cuna. Wir sorgen uns um dich. Wir haben Angst, dass du eines Tages nicht mehr am Bett stehen bleiben wirst, sondern vielleicht einfach hinaus spazierst und dich womöglich schwer verletzt oder in den Tot stürzt." Er vergrub kurz das Gesicht in den Händen und wischte sich anschließend mit den Handflächen darüber. Das Antlitz des jungen Zwergs kam mir mit einem Mal viel älter und schon fast gebrochen vor. So kannte ich den Jungen gar nicht. Doch wo ich ihn und die anderen beiden genauer musterte, fielen mir plötzlich in dem fahlen Licht meiner Wohnstube ansetze von dunklen Schatten unter ihren Augen auf. Ich erschrak regelrecht davor und schüttelte heftig den Kopf. "Das... Das ist doch nicht... Warum habt ihr denn nichts gesagt? Im Himmels Willen, Jungs. Ich hatte doch keine Ahnung, was ihr euch für Sorgen meinetwegen macht!", stammelte ich und krallte dabei meine Hände noch fester in die Unterarme des Mützenzwergs. Dieser schnaufte und verengte die Augenbrauen etwas. "Was hätte es genutzt? Vorhin, als ich dich auf dein Tun angesprochen habe, hast du auch versucht mir auszuweichen. Wenn ich dich nicht aufgehalten und zu diesem Gespräch gebeten hätte, dann hättest du es weiterhin als Nichtig betrachtet. Zudem wissen wir nicht einmal, wie wir dir helfen können. Zumindest im Augenblick. Was wir wissen ist, dass wir dir dafür die Augen öffnen müssen, bevor etwas wirklich Schlimmes passiert. Aber wir werden in jedem Fall verhindern, dass dir dadurch ein Unheil geschieht. Darauf kannst du dich verlassen", meinte er zum Abschluss zuversichtlich, beugte sich zu mir runter und nahm mich einmal ganz fest in die Arme. Nun konnte ich nicht mehr anders. Ich vergrub mein Gesicht in der Schulter des Mützenzwergs und ließ meiner ganzen Anspannung freien Lauf. Ich schniefte und schluchzte heftig. Mein ganzer Körper zitterte und mein Herz hämmerte mir heftig von innen gegen das Brustbein. Wenig später hatten sich auch Kili und Fili um mich herum versammelt und drückten mich in ihrer Mitte ganz kurz. Ihre Nähe beruhigte mich an diesem Abend sehr. Und noch etwas wurde mir in diesem Augenblick klar. Thorin hatte sie nicht ohne Grund bei mir zurück gelassen. Dieser ausgefuchste Zwerg hatte wohl nach seinem heftigen Ausbruch damit gerechnet, dass ich etwas Ähnliches erleben würde. Deshalb waren seine Neffen bei mir. Damit sie mich zur Not durch diese schwere Zeit leiten und mir beistehen konnten. Gut, Bofur war in diesem Punkt nur versehentlich mit dabei. Aber er würde mit seiner größeren Lebenserfahrung auch seinen Beitrag leisten können, damit nicht noch schlimmeres passierte. Mit einem Mal breitete sich ein sanftes Lächeln auf meinem Gesicht aus. Ich fühlte eine tiefe, schier unendliche Dankbarkeit gegenüber den drei Zwergen in meiner Wohnung. Und ebenso gegenüber dem Zwergenkönig. Auch wenn es mir noch sehr schwer fiel daran zu denken, was wohl bei dessen Rückkehr sein würde. So war ich mir dennoch sicher, dass mir bis dahin gewiss nichts zustoßen konnte, solange diese drei bärtigen Männer bei mir waren. - 114. Herz, was begehrst du? / ENDE - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)