Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 91: 91. Familienbande ----------------------------- In aller Seelenruhe und mit einer Miene, die kein Wässerchen trüben konnte, schritt Marina schwer bewaffnet mit Kehrbesen, Schaufel und Putzeimer samt Lappen in Richtung Sofa. Sie schob mit einem freundlichen, entschuldigenden Lächeln Kili beiseite, der sie leicht verwirrt musterte, als sie sich auf den Boden kniete und die Scherben des zerbrochenen Wasserglases gemächlich auf die Schaufel schob und dann im Eimer versenkte. Ich schluckte unterdessen wiederholt und rutschte vorsichtig, aber unbehaglich auf dem Sessel herum. Die Worte dieser fremden, gutherzigen Frau geisterten mir immer noch durch den Kopf. Mutterinstinkte? Ich? Um Himmels willen! Das konnte doch nicht sein! Das durfte einfach nicht sein! Doch nicht in diesem Augenblick. Noch dazu gegenüber einem kleinen Würmchen, das nicht einmal meins war und brabbelnd in meine Armbeuge lag, und in die Nähe meines Bauches sabberte, wie ich feststellen musste. Zumindest schrie Benni nicht mehr, was die Lage zwar deutlich entspannte, aber auf der anderen Seite für mich nicht besser machte. Ich konnte doch unmöglich einem so spontanen Anfall von hormongesteuertem Größenwahn verfallen sein. Ich? Mutter? Kinder? Mit Thorin? Ausgerechnet, wo wir noch im Streit lagen? Und doch. Bei einem erneuten Gedankenschwenk daran, fühlte ich eine unerklärliche Wärme in meiner Brust, die sich langsam in meinem Bauch ausbreitete und bald in sämtliche Glieder meines Körpers rutschte. Ich löste den Blick von Marina und widmete meine Aufmerksamkeit nun ihrem Sohn. Er sah ihr wirklich sehr ähnlich. Dunkelbraunes Haar und ein sonniges Lächeln, das bis in seine unschuldigen moosgrünen Augen hinein strahlte. Himmel, Gesäß und Nähgarn. Sonst hatte ich nie ein Bedürfnis das zu denken. Aber nun dachte ich es und der Gedanke ließ mich erneut flüchtig schmunzeln. Der Kleine war einfach zum anbeißen süß. Hilfe! Das war doch nicht normal. Das war einfach nur unheimlich. Vor allem da ich mir aus unerfindlichen Gründen nicht mal ein wehmütiges Seufzen verkneifen konnte, als Bofur sich dazu anschickte ihn mir abzunehmen. "Na komm. Gib ihn mal her. Ich glaube ich hab dich lange genug leiden lassen", meinte der Mützenzwerg mit einem ruhigen, aber leicht verlegenen Lächeln. Vermutlich war ihm mein plötzlicher Gemütswandel genauso unheimlich, wie den anderen im Raum auch. Nori hatte den Mund verzogen, sein kleiner Bruder schüttelte immer wieder ungläubig den Bart, und Fili und Kili warfen sich die ganze Zeit über irritierte Blicke zu. Nur unsere Gastgeberin lächelte weiterhin ruhig und begann ein wenig zu glucksen, als sie Bofurs Kommentar hörte. "Für mich sah Ihre Freundin aber alles andere als leidend aus. Ich hatte eher den Eindruck, dass es ihr gefallen hat. Mich wundert es sowieso, dass sie beide noch keine Kinder haben, wo Sie doch ein wirklich wundervoller Vater sein könnten, Herr Bofur", sagte sie gut gelaunt und füllte den letzten Scherbenrest klimpernd in ihren Eimer, bevor sie mit dem Lappen das Wasser aufnahm. Schlagartig fuhr mir die Schamröte bis unter die Haarspitzen und ich warf dem Mützenzwerg einen erschrockenen, verwirrten Blick zu. Bofur hatte mit Marinas Aussage genauso wenig gerechnet wie ich, weshalb er nicht umhin konnte mich ebenso anzustarren, wie ich ihn. Was zu Henker hatte er ihr denn über mich erzählt? Ich konnte mir kaum vorstellen, dass er ihr gesagt hatte, dass ich seine Gefährtin war. Er war zwar manchmal ein wenig schusselig, aber für so saudämlich hielt ich ihn dann doch nicht. Es konnte natürlich auch sein, dass unsere Gastgeberin vielleicht aus einem falschen Kontext heraus etwas völlig anderes interpretierte. Oder womöglich aus dieser reichlich vertraulichen Situation, in der sie uns so inflagranti erwischt hatte. Wobei, was hieß da erwischt? Wir waren in ihrem Wohnzimmer. Sie durfte in ihrer Wohnung machen was sie wollte. Und wir hatten nichts Unanständiges getan. Nein. Bofur hatte mir nur mal wieder in einer Notlage den Allerwertesten gerettet. Auch wenn das zu dieser extrem peinlichen Schweigeminute führte. Zumindest hatte er im Gegensatz zu mir seine Zunge nach geraumer Zeit wieder lockern können, weshalb er versuchte die Situation irgendwie aufzuklären. "Ich. Ich. Das muss ein Missverständnis sein, Frau Marina", stammelte er verlegen. "Nicht? Ich dachte, Sie hätten gestern gesagt, dass Sie Ihrer Freundin beim Einzug helfen würden. Und so vertraut, wie Sie gerade miteinander umgegangen sind, da dachte ich...", sagte sie und hob mit einem fragenden Blick den Kopf. "Ähm. Nein, nein, nein, nein, nein. Bofur und ich. Wir. Wir sind kein Paar. Er. Wir sind einfach nur Freunde. Mein. Mein Mann ist oben", entgegnete ich hastig und wedelte dabei abwehrend mit den Händen. "Oh. Dann entschuldigen Sie. Das muss ich wohl falsch verstanden haben. Wobei sie zusammen doch ein süßes Paar abgegeben hätten", meinte sie und lächelte dabei freundlich. "Das fehlte gerade noch....", kam es mit einem leisen, aber deutlichen Grollen von dem dunkelblonden Zwerg auf dem 'Hello-Kitty' Sitzsack. Oris Tonfall ließ mich augenrollend zu ihm herüber schauen. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und zog eine beleidigte Schnute. Sicher. Für ihn war es schon schlimm genug, dass ich mich für Thorin und nicht für ihn entschieden hatte. Aber wenn auch noch Bofur mit in dieses verkorkste Liebesdrama mit einstieg, sah er wohl für sich erst recht die Chancen schwinden. Vor allem da er zu feige gewesen war, mir bei dem Säuglingsproblem zu helfen. Vermutlich dachte er nun, dass er damit vielleicht Punkte bei mir hätte sammeln können, wo es doch zwischen meiner ersten Wahl und mir kriselte. Er schien immer noch nicht verstanden zu haben, dass ich nicht mehr als Freundschaft für ihn übrig hatte. Doch so langsam ging mir das ganze Theater echt auf den Sack. Ja. Er war niedlich und ein echt lieber Zwerg. Aber wenn er weiterhin so sehr darauf pochte mich rum kriegen zu wollen, mit was auch immer, dann müsste ich wohl oder übel direkter werden. Was im Endeffekt wohl keinem vom uns beiden Freude bereiten würde. Vorerst ließ ich seine Aussage aber einmal so im Raum stehen und wand mich wieder unserer Gastgeberin zu, die sich nun von ihrer Putzarbeit erhob. "So. Ich bringe eben die Scherben in den Müll, dann bekommen Sie ein neues Wasser, ja?", meinte sie und wollte schon in die Küche verschwinden, doch da schaltete sich Nori ein. "Verzeiht, Frau Marina. Aber ich denke das wird nicht nötig sein. Wir sollten langsam aufbrechen. Wir haben Eure Gastfreundschaft lange genug in Anspruch genommen und man erwartet uns gewiss schon ungeduldig", erklärte er sachlich und deutete mit einem Nicken eine kurze Verbeugung an. "Oh. Wirklich? Nun ja. Das ist natürlich schade. Aber Sie haben bestimmt noch einiges zu tun. Ich weiß ja selbst, wie stressig solche Umzüge sein können. Warten Sie trotzdem noch einen Augenblick, bis ich das hier weg geworfen habe. Dann kann ich Ihnen Benni abnehmen und Sie verabschieden", erklärte Marina, wobei ihr Gesicht einen leicht enttäuschten, müden Ausdruck annahm. Ihr schien es gar nicht recht zu sein, dass wir uns bereits wieder auf den Weg machen wollten. Doch ich musste dem Zwerg mit der stachligen Haarpracht durchaus recht geben. Wir waren schon lange genug in diesem fremden Wohnzimmer. Und oben warteten bereits die Anderen auf unsere Rückkehr. Daher machten wir uns zügig Aufbruchsbereit, als sie das Zimmer nun in Richtung Küche verließ. "Schaffst du den restlichen Aufstieg denn, Cuna? Du siehst noch ein wenig blass aus", hakte Fili ein wenig besorgt nach und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich schnaufte kurz und nickte dann matt. "Es wird schon gehen. Hab ja ein paar Kopfschmerztabletten genommen. Das hilft schon ein bisschen", erklärte ich und lächelte ihn flüchtig an, nachdem ich aufgestanden war und mich gestreckt hatte. "Gut. Wenn du dir da sicher bist. Aber sag uns bitte sofort, wenn es dir doch schlechter geht", meinte Kili und trat hinter dem Sofatisch hervor. "Jetzt macht euch nicht immer solche Sorgen um mich. Ich weiß, ich sehe im Moment ziemlich scheiße aus. Aber glaubt mir. Es geht mir schon viel besser", entgegnete ich und tapste in Richtung Diele. Als ich etwa in Höhe der Küchentür angelangt war, warf ich einen kurzen Blick hinein. Auch diese war ein einziges Sammelsurium an Schränken, Stühlen und anderem Krimskrams, der bunt zusammengewürfelt im Raum stand. Einen richtigen Küchentisch hatte sie nicht. Nur eine kleine, flache Theke, an der ein Hochstuhl für ihren Sohn und einer dieser nervigen, weißen Plastik-Gartengarnieturen dran standen. Offenbar waren all ihre Möbel Geschenke und Leihgaben von Eltern, Freunden und Verwandten. Vielleicht war auch das ein oder andere aus ihrer vorherigen Wohnung vorhanden. Viel Neues hatte sie aber offenbar nicht. Außer einem recht großen, schmalem, braunen Paket, welches sie an die Wand neben die Mülleimer gelehnt hatte. Über diesen stand sie nun leicht gebeugt mit dem Rücken zu mir und ließ dabei scheppernd die Scherben in die Behälter fallen. Danach richtete sie sich mit einem tiefen Seufzen auf und machte ein paar Schritte rückwärts. Dummerweise stieß sie dabei genau gegen dieses Paket, woraufhin es kippte und mit einem dumpfen Platschen auf dem weiß gefliesten Boden landete. "Ach verdammt noch mal", grollte sie mürrisch und drehte sich zu mir um. Bedauerlicherweise konnte ich mir ein kurzes Schmunzeln nicht verkneifen. So sonnig ihr Gemüt auch war, sie war trotz allem immer noch eine ganz gewöhnliche Frau, die sich ab und zu über ihre eigene Schusseligkeit ärgerte wie ich. Als sie mich im Türrahmen bemerkte, erschrak sie einen Moment lang, bis sie mein Schmunzeln bemerkte und dieses erwiderte. "Ja. Wie ich vorhin schon sagte, ich werfe auch immer wieder Sachen um", meinte sie daraufhin mit einem unsicheren Kichern. Dann stellte sie ihre Putzsachen beiseite und kniete sich hin, um den Karton wieder aufzurichten. Dieser schien doch ziemlich schwer zu sein. Denn sie ächzte ein wenig, als sie versuchte ihn anzuheben. "Warten Sie. Ich helfe Ihnen", meinte ich und stiefelte dann ohne eine Antwort abzuwarten zu ihr, damit wir das Ding gemeinsam hin stellen konnten. Tatsächlich wog der Inhalt mehr, als der Karton den Anschein machte. Doch zusammen schafften wir es, das Ding wieder so hinzustellen, dass es nicht erneut kippte. "Oh, vielen Dank. Sie sind wirklich genauso freundlich, wie Herr Bofur Sie beschrieben hat", meinte sie lächelnd. "Ach was. Ich hab zu danken. Sie haben mich hier behandelt, obwohl mich jeder andere draußen hätte sitzen lassen", sagte ich und erwiderte das Lächeln freundlich. "Das Wohl der Menschen war immer meine Aufgabe. Deshalb bin ich auch Krankenschwester geworden. Ich liebe es einfach. Auch wenn es an manchen Tagen sehr hart sein kann. Trotzdem hoffe ich, dass ich nach meinem Mutterschutz und dem Erziehungsurlaub wieder in meinen Beruf zurück kann. Das heißt, wenn ich für Benni einen geeigneten Kita-Platz oder eine Tagesmutter finde. Aber das dauert ja noch ein paar Jahre", sagte sie und streckte dabei leicht stöhnend den Rücken durch. "Muss ganz schön hart sein, sich zum Einen allein um ein Kind zu kümmern, den Haushalt zu führen und dann wieder in einen Job kommen zu wollen. Ich bin schon mit zwei Sachen davon überfordert", meinte ich und streckte mich ebenfalls. Marina lachte kurz und schüttelte dann den Kopf, bevor sie erwiderte: "So schwer ist das nicht. Ich bin ja nicht ganz allein. Meine Eltern kommen gelegentlich her und erledigen einige Sachen für mich. Meine Mutter passt auf Benni auf und mein Vater repariert dann ein paar Kleinigkeiten. Aber wo Sie mich gerade daran erinnern. Ich müsste ihn wohl gleich mal wegen diesem schauderhaften Ding da anrufen." Ich hob ein wenig fragend die Augenbrauen, als sie auf das Paket deutete. Erst dabei bemerkte ich das große, blaue Logo drauf. Es war von einem der vielen tausend Babyausstattern, die ihre Waren nicht nur in Geschäften, sondern auch im Internet zu teilweise erschwinglichen, aber manchmal auch viel zu überteuerten Preisen anboten. Das musste wohl der Postbote gebracht haben, der zuvor da gewesen war. Irgendwie tat mir der arme Kerl ja schon ein bisschen leid. Das Teil war wirklich schwer gewesen. Nicht auszudenken, wie es für Marina gewesen wäre, wenn dieser sich mangels, funktionstüchtigen Aufzuges geweigert hätte es rauf zu bringen. Mal wieder ein Punkt, den man auf der Contraliste einer Alleinerziehenden machen musste. Denn manche Sachen bekam Frau allein einfach nicht gewuppt. Schon gar nicht welche, die so schwer waren. Da fehlte dann doch der Mann im Haus. Gut, ich würde was das anging doch besser klar kommen. Mein Vater hatte sowohl mir, als auch meinem Bruder beigebracht, dass man gewisse handwerkliche Tätigkeiten, wie zum Beispiel auch den Reifenwechsel beim Auto selbst machen musste. Da machte er nie unterschiede ob Junge oder Mädchen. Und geschadet hatte es mir nicht. Ich konnte auch gut Gegenstände zusammen bauen. Sofern es eine Anleitung gab, die man lesen und verstehen konnte. Ohne dieses alberne Fachchinesisch. Ich hatte als Kind auch gerne mit dem weltberühmten Lego herum gebaut. Wobei meine Häuser doch eher unter die Kategorie buntgemixter Steinhaufen gezählt hätten. Das lag aber auch daran, dass ich von keiner Farbe genug Steinchen gehabt hatte. In späteren Jahren konnte ich aber dadurch bereits meine eigenen Möbel aufbauen. Das war ein ums andere Mal besonders hilfreich. Auch weil mein Verblichener häufig die Geduld mit so etwas verloren hatte, da er sich, wie jeder Mann, nicht wirklich an die Anleitung hielt. Aus reiner Neugierde musterte ich das Paket noch einmal eingehend, um den Inhalt vielleicht erraten zu können. Marina bemerkte meinen prüfenden Blick und beantwortete meine unausgesprochene Frage schlicht mit den Worten: "Ein Kinderbettchen für Benni." Ein wenig ertappt schreckte ich auf und kratzte mich verlegen am Hinterkopf. "Verzeihung. Ich wollte nicht so aufdringlich gaffen", meinte ich, doch sie kicherte nur. "Ach, das macht doch nichts. Aber ich denke, wir sollten jetzt zu ihren Freunden zurück. Die warten auch schon ungeduldig", meinte sie und blickte an mir vorbei zur Küchentür. Hinter mir hörte ich ein mehrstimmiges, verlegenes Hüsteln, ehe ich mich umdrehte und alle fünf Zwerge in verschiedene Richtungen blicken sah. Außer Nori, der direkt in den Raum schaute. "Können wir los?", fragte er und nickte dabei ungeduldig zur Wohnungstür. "Ja. Ich denke schon", meinte ich und kam gefolgt von unserer noch Gastgeberin aus der Küche. Diese nahm wenig später dem guten Bofur ihren Sohn ab, der nun wieder sie voll sabbern konnte und lächelte uns dann noch einmal breit an. "Vielen Dank noch mal, für den netten Besuch", sagte sie, als Nori schon die Tür nach draußen öffnete. "Nein. Wir danken Euch für Eure Gastfreundschaft und dass Ihr Cuna behandelt habt, Frau Marina", entgegnete Fili und verneigte sich tief. Sein Bruder und Ori taten es ihm gleich und folgt schon einmal dem Zwerg mit den hellbrauen Haaren hinaus auf den Außenbalkon. Ich blieb unterdessen noch mit Bofur zurück, um mich noch einmal persönlich zu bedanken. Doch bevor ich dazu kam, meldete sich der Zwerg mit der Mütze zu Wort, welcher diese mit einer leicht betretenen Miene abnahm. "Also. Frau Marina. Auch von mir noch einmal von Herzen Danke, dass Ihr Cuna geholfen habt. Solltet Ihr noch einmal Hilfe brauchen, dann... ähm... ", meinte er, doch weiter kam er nicht. Als ich ihn flüchtig musterte, bemerkte ich, dass er seine Mütze ein wenig zerdrückte und ein leicht zerknirschtes Lächeln aufsetzte. Ich ahnte schon, was er eigentlich hatte sagen wollen. Doch insgeheim schien er schon damit zu rechnen, dass er sie wohl nie wieder sehen würde. Vermutlich war es nämlich schon an diesem Tag Zeit für die Rückreise nach Mittelerde. Es tat schon ein bisschen weh ihn so leiden zu sehen. Er war doch von Grund auf ein wirklich anständiger Zwerg. Und er hatte mir mal wieder ordentlich den Hintern gerettet. So konnte ich das nicht einfach enden lassen. Auch wenn ich mich da vermutlich wieder in Dinge einmischte, die mich eigentlich nichts angingen und nur den Abschied hinaus zögerten. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es zwischen den Beiden gefunkt hatte. Zumindest bei ihm war das sehr deutlich. Und wenn ich ehrlich zu mir war, dann hatte der Mützenzwerg ein klein wenig Glück und Sonnenschein in seinem Leben verdient. Deshalb räusperte ich mich kurz, als sich die Beiden einen Moment schweigende, aber doch vielsagende Blicke schenkten und meinte: "Ach Bofur. Vielleicht kannst du doch noch etwas für Frau Marina tun." "Wie? Wa-Was denn?", fragte er etwas erschrocken, da er mich wohl vollkommen vergessen hatte."In der Küche steht ein Karton mit einem Kinderbettchen für Benni. Vielleicht kannst du das für sie aufbauen. Dann braucht sie ihren Vater nicht her holen. Das kannst du doch, oder?", hakte ich ruhig und mit gespielt gleichmütiger Stimme nach. Schlagartig wandelte sich seine leicht zerknirschte Miene. Seine Züge erhellten sich und er warf sowohl mir, als auch unserer Gastgeberin einen verwirrten Blick zu. Diese kicherte amüsiert, wand sich dann aber zunächst an mich mit der Frage: "Das ist wirklich sehr nett, dass Sie das vorschlagen. Aber brauchen Sie oben nicht noch Hilfe?" "Oh. Nein. Nein. Ich habe oben noch zwölf von der Sorte. Ich denke da kann ich einen entbehren. Außerdem müssen Sie dann nicht so lange warten, bis die Arbeit erledigt ist", erklärte ich ihr freundlich, woraufhin sie noch mal amüsiert kicherte. "Also gut. Wenn Sie ihn mir empfehlen können. Dann nehme ich Ihr Angebot gerne an", meinte sie und warf dann Bofur ein sehr liebliches Lächeln zu. Diesem schien in dem Augenblick unglaublich warm zu werden, denn er fächerte sich mit seiner Mütze etwas Luft zu. "Ich. Ich. Also. Wenn. Wenn ich darf, dann...", stammelte er mit ungewöhnlich heiserer Stimme. "Aber natürlich dürfen Sie. Sie sind doch eine so charmante Gesellschaft. Außerdem kann ich in der Zeit Benni stillen", sagte sie und wie aufs Stichwort fing ihr Sohn auch schon wieder an zu mosern. Mutterinstinkte. Aber vom Feinsten, dachte ich. Kurz drauf musste ich dann schmunzeln, als der Mützenzwerg sich seine Kopfbedeckung wieder aufsetzte und mit einer hastigen Verbeugung und federnden Schritten in die Küche stürmte, wo er sich umgehend raschelnd am Karton zu schaffen machte. Bei seinem überstürzten Abgang wäre er auch noch fast über seine eigenen Stiefel gestolpert, was mich ebenso zum Lachen brachte. Dann verabschiedete ich mich noch kurz von Marina mit den Worten: "Sie können ihn mir ja hoch schicken, wenn er fertig ist." "Das werde ich machen. War nett Sie kennen gelernt zu haben. Vielleicht können Sie mich ja mal wieder besuchen wenn Sie Zeit haben", sagte sie und wandte sich schon von mir ab, da ihr Kleiner mehr und mehr nach ihrer Aufmerksamkeit verlangte. "Das werde ich. Danke noch mal", erwiderte ich. Ich wollte auch endlich gehen, als Bofur munter pfeifend mit dem schweren Paket auf dem Armen aus der Küche heraus kam, als wäre es nichts und mich noch einmal anhielt. "Warte Cuna. Noch kurz auf ein Wort", sagte er und stellte es in der Diele ab, ehe er mich am Arm packte. Was dann kam, hätte ich so nicht von ihm erwartet. Er zog mich für einen kurzen Moment an sich und schmatze mir dann unversehens, rein freundschaftlich auf die Wange, ehe er mir ins Ohr flüsterte: "Danke dir. Du bist eine echte Freundin." Ich kicherte nur verlegen und schüttelte dann den Kopf. "Gern geschehen. Aber versau es nicht. Die Frau ist eine verdammt gute Partie", entgegnete ich zwinkernd und löste mich dann von ihm. Er grinste nur wie ein Honigkuchenpferd und murmelte: "Da kannst du dir sicher sein. Bis nachher." Daraufhin verneigte er sich mit einem leichten Nicken, schob seine Mütze gerade und verschwand dann ins Schlafzimmer. Nun konnte ich mich den restlichen Vieren widmen, die immer noch ungeduldig, aber mit verwirrten Gesichtern auf mich warteten. "Was in Durins Namen sollte das denn jetzt?", fragte Nori und schüttelte ungläubig den Bart, nachdem die Tür hinter uns ins Schloss gefallen war. "Was denn? Ich weiß nicht was du meinst", erwiderte ich schulterzuckend und marschierte ebenso munter pfeifend wie der Mützenzwerg in Richtung Treppenhaus. "Du weißt genau was ich meine. Warum lässt du Bofur bei dieser Frau hier unten?", hakte der Zwerg erneut nach und tapste mir zügig hinterher, bis wir auf derselben Höhe waren. "Ich war ihm was schuldig, weil er mir mit Benni geholfen hat. Und selbst dir dürfte nicht entgangen sein, dass er sich ein bisschen in sie verguckt hat", meinte ich schmunzelnd. "Ach. Und deshalb küsst er dich auf die Wange?", kam es von Ori, der hinter mir mal wieder ein verärgertes Grollen von sich gab. "Das war rein freundschaftlich und das weißt du auch, Ori. Davon abgesehen, was beschwerst du dich die ganze Zeit über? Du hättest auch schon die Chance auf einen Kuss von einem netten Mädchen haben können", warf ich über die Schulter zurück. Daraufhin erwiderte der dunkelblonde Junge nichts, sondern murmelte nur verlegen auf Khuzdul in seinen Bart hinein. Er wusste genau auf was ich mit meiner Aussage angespielte. Ich konnte zwar nur vermuten, was er wohl gerade sagte, aber es hatte mit Sicherheit mit dem Discoabend auf der Zeltstadt zu tun, an dem er mit meiner Bekannten Patchi ausgegangen war. Doch offensichtlich hatte er da die Chance nicht beim Schopfe gepackt, um sich von mir zu lösen, sondern vielmehr die Gute in den Wind geschossen. Offenbar, weil er sich weiterhin Hoffnungen machte, dass ich meine Meinung änderte. Ich konnte nur den Kopf darüber schütteln und tief seufzen, als ich nun eine Stufe nach der anderen nahm. Zwerge waren einfach zu kompliziert. Aber in diesem Fall konnte ich wirklich sagen, dass es sein eigenes Pech war. Denn ich glaubte nicht daran, dass er jemals noch eine Chance bei ihr bekommen würde. Schade war es natürlich schon um die Beiden. Sie hatten wie ein wirklich süßes Pärchen ausgesehen. Doch wie Fili es bereits erwähnt hatte, so würden sich Zwerge nicht noch einmal umentscheiden, wenn sie sich einmal in Jemanden verliebt hatten. Bei Menschen war das ja wesentlich anders. Einige konnten ihr Leben lang genauso wie sie nur den Einen oder die Eine lieben, andere liebten gleich mehrere auf einmal und wieder andere, so wie ich, konnten zwar einen lieben, aber nur, wenn der Vorherige nicht mehr da war. Sei es nun durch Trennung oder Tod. Da machte ich kaum Unterschiede. Doch als ich in diesem Moment daran dachte, begann wieder etwas an meinem Herzen zu nagen. Und zwar die bevorstehende Konfrontation mit dem Zwergenkönig, die mit jeder Stufe näher rückte. Doch nicht nur Thorin bereitete mir Sorgen, sondern auch seine beiden Neffen. Was wäre, wenn es tatsächlich zu einer Trennung kommen würde? Was würde dann werden? Wäre es nur eine auf Zeit? Wäre sie für immer? Was würde dann aus Fili und Jana? Sie würden sich vermutlich nie wieder sehen. Und das obwohl er sich so auf ein Wiedersehen mit ihr gefreut hatte. Aber auf der anderen Seite stand wiederum, dass ich mir nicht sicher sein konnte, ob Thorin seine Tat wirklich bereute und sich das Ganze nicht doch noch mal wiederholen konnte. Wäre es das wirklich wert? Konnte. Nein. Wollte ich meine Beziehung mit ihm wirklich aufrecht erhalten, mit der Begründung, seinem Neffen nicht das Herz zu brechen? Aber wenn ich Fili bei mir behalten würde, bis er vielleicht mit Jana zusammen zog, was war dann mit Kili? Er würde sicherlich ohne seinen großen Bruder noch mehr vereinsamen als ohnehin schon. Das konnte ich doch nicht über mich bringen. Nicht nachdem, was ich auf dem Spielplatz erfahren hatte. Das war unmöglich. Wenn, dann müsste ich sie beide bei mir behalten. Aber das konnte ich auch nicht tun. Ihr Onkel wäre am Boden zerstört. Die Familie wäre auseinander gerissen. Und das alles wegen einem schweren Streit. Chaos pur. Fragen über Fragen. Und die Meisten davon konnte ich selbst nicht beantworten. Am besten war es wohl, wenn ich sie selbst entscheiden ließe. Doch zuvor musste ich mit ihnen noch einmal unter Sechs Augen darüber reden. Und das bevor ich mich Thorin stellte. Wir erklommen die letzten vier Stockwerke schweigend und doch wesentlich leichter als zuvor. Dank Marinas Kopfschmerztabletten und dem Wasser war mein Kreislauf auch wieder soweit stabil. Doch gerade am letzten Treppenabsatz hielt ich plötzlich inne und blieb stehen. Die Zwerge die hinter mir liefen, bekam das natürlich zu spät mit, weshalb sie genau in mich hinein stolperten, was mich beinah zu Fall brachte. "Was... Warum bleibst du stehen, Cuna?", japste Ori, der mir direkt in den Rücken gelaufen und welchem wiederum Kili hinten drauf gestoßen war. "Schaffst du es nicht mehr? Soll ich dich das letzte Stück tragen?", kam es von Fili der an meiner rechten Seite auftauchte. Ich seufzte nur und schüttelte den Kopf. "Nein. Ich. Das ist es nicht", nuschelte ich und schaute dabei auf meinen linken Fuß, der schon auf der untersten Stufe stand. "Wenn es das nicht ist, dann komm doch weiter", meinte Nori verständnislos von weiter oben. Er stand schon an der gläsernen Tür zu meinem Stockwerk und hielt diese erwartungsvoll auf. Ich biss mir kurz verlegen auf die Unterlippe, als ich zu ihm aufsah und schnaufte dann betreten. "Ach. Nori. Geh doch schon mal vor und. Und kündige uns an, ja?", bat ich ihn nach ein paar schweren Atemzügen. Dieser nickte daraufhin nur knapp, auch wenn ihm dabei irritiert eine Augenbraue in die Stirn wanderte. Doch er verschwand kommentarlos und eilte voraus. "Ori. Du gehst deinem Bruder bitte nach", ergänzte ich und drehte mich zu diesem um. "Was? Aber... Aber warum denn?", fragte er und schüttelte verständnislos den Kopf. Ich atmete noch einmal ganz tief durch und seufzte: "Ich hab noch eine Kleinigkeit mit Fili und Kili zu klären. Familiensache." Der junge Zwerg öffnete kurz den Mund um etwas zu erwidern, doch als ich ihn bittend ansah, schloss er ihn wieder und nickte betreten. Er verstand, dass er in diesem Moment wohl nicht dabei sein durfte. Denn es war etwas wirklich Wichtiges und das sollte gerade ihn nicht betreffen. "Wir kommen gleich nach", warf ihm Kili hinterher, als sich Ori Wortlos an mir vorbei zwängte und seinem Bruder folgte. Ich meinte ihn zwar noch kurz am oberen Absatz inne halten zu hören, doch dann fiel die gläserne Tür ins Schloss. Nun war ich mit meinen beiden, angenommenen Brüdern allein und musterte einen nach dem anderen eingehend und ernst. Sie taten dasselbe mit mir, auch wenn ihre Mienen zusätzlich einen leicht fragenden Ausdruck annahmen. "Also. Worum geht es?", fragte der Ältere, nachdem wir uns eine Weile angeschwiegen hatten. Ich seufzte einmal gedehnt und strich mir kurz mit einer Hand über die freien Stellen meines Gesichtes. Es war für mich nicht leicht das Ganze anzusprechen. Doch auch ihr Schicksal und ihre beiden Leben hingen davon ab, wie das mit ihrem Onkel und mir nach dem Gespräch weiter ging. So sammelte ich meinen ganzen Mut zusammen und sah sie beide betreten und entschuldigend an. "Hört zu, Jungs. Ich. Also. Egal wie das gleich mit Thorin und mir endet. Ich. Ich möchte. Dass ihr beide wisst, dass ihr bei mir weiterhin ein Zuhause haben könnt. Vorausgesetzt natürlich, dass ihr das wollt. Ich will euch beide nicht auseinander reißen. Aber auch nicht von eurem Onkel fern halten. Ihr. Ihr seid schon länger eine Familie. Und ich will keinen Keil dazwischen treiben", erklärte ich und wollte eigentlich fortfahren, doch da fuhr mir Kili mitten ins Wort. "Cuna. Du treibst keinen Keil zwischen uns. Du gehörst mit zu unserer Familie, seit wir dich im Zeltlager getroffen haben. Du hast mir das Leben gerettet. Und das bedeutet uns sehr viel. Du bedeutest allen sehr viel. Und Thorin weiß das. Für ihn bist du genauso viel wert, selbst wenn du das im Moment nicht glauben magst oder kannst. Du bist unser Schwesterchen. Unsere Tante. Und unsere beste Freundin. Wir lieben dich beide fast genauso sehr wie unser Onkel. Glaub mir, es gibt nichts, was du zerstören könntest. Wir sind eine Familie und die kann nichts auseinanderreißen, hörst du? Gar nichts", meinte er und legte mir dabei mit einem zuversichtlichen Lächeln eine Hand auf die Schulter. "Ja. Aber. Wenn. Wenn es dazu kommen sollte, dass... Dass sich die Wege eures Onkels und meine trennen sollten, was wird dann aus euch? Er wird sicherlich nicht wollen, dass ihr weiterhin hier bleibt. Was wird dann aus dir und Jana, Fili?", fragte ich und warf dem Älteren dabei einen verunsicherten Blick zu. Doch dieser fing ihn nur gelassen auf und schüttelte seine blonde Mähne, bevor auch er eine Hand auf meine andere Schulter legte. "Wenn er wirklich denkt, dass sein gebrochener Stolz ihm wichtiger ist als mein Glück, dann werde ich mich gegen eine Rückkehr ins Reich der Götter aussprechen. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Dafür kenne ich ihn viel zu lange. Thorin war wie ein zweiter Vater für uns. Sicher. Er war hart zu uns. Hat uns bestraft, wenn wir Unsinn gemacht haben und uns auch das ein oder andere Mal übers Knie gelegt. Aber er war auch für uns da, wenn wir krank, verletzt und traurig waren. Er hat uns getröstet, uns Geschichten erzählt, Lieder vorgesungen und selbst wenn er ungemein beschäftigt war, hat er seine Arbeit nieder gelegt und sich unserer Sorgen und Probleme angenommen. Du kannst uns wirklich glauben. Das was er mit dir getan hat, war gewiss keine seiner gewollten Absichten. Er liebt dich von ganzem Herzen. Vielleicht tut er sich schwer damit es zu zeigen, weil er so viel Bitterkeit erfahren hat und ist deshalb verunsichert, wie er jetzt damit umgehen soll. Ich meine, was du geschafft hast, das ist bisher noch keinem gelungen. Nicht mal unsere Mutter hat es geschafft ihren Bruder dazu zu bringen, Tränen über den Verlust unseres Großvaters zu vergießen", meinte er ruhig und lächelte mich vielsagend an. Nun musste ich doch ein wenig schlucken. Nicht nur, weil mich die Worte der beiden Brüder so berührten. Nein. Sie schienen mitbekommen zu haben, was in der vergangenen Nacht im Badezimmer geschehen war. Gut, wie hätten sie auch nicht? Sie hatten bestimmt noch wach gelegen um darauf zu warten, dass wir zurück zum Sofa kamen. Was ja im Endeffekt nicht passiert war. Und wer weiß, wer es noch gehört hatte? Außer denen, die bei mir Wache gehalten hatten? Doch war mir das in diesem Moment eigentlich egal. Denn es schien ihnen nichts auszumachen. Im Gegenteil. Sie freuten sich darüber, dass ich bei ihrem Onkel offenbar einen wunden Punkt berührt und diesen auch noch so weit es ging heil überstanden hatte. Und doch war ich trotz all ihrer zuversichtlichen Worte immer noch verunsichert, ob der nächste Schritt nicht doch wieder in irgendeiner Katastrophe enden würde. So wie es bei mir passierte, wenn ich etwas in Angriff nahm. Vor allem, wenn es dabei inzwischen um Zwerge ging. Doch noch ehe ich meine Zweifel mit ihnen teilen konnte, zogen mich die beiden in eine ganz feste Gruppenumarmung, bei der mir fast die Luft weg blieb. Dabei murmelten sie weiterhin aufmunternde, tröstende Worte zu. "Ganz gleich, was passiert. Wir sind eine Familie. Uns kann nichts trennen. Weder eine Schlacht, noch der Tod. Und du erst recht nicht. Vergiss das nachher nicht, wenn du mit ihm sprichst", meinte Kili erneut, wobei sich seine Stimme leicht belegt anhörte. "Richtig. Wir bleiben zusammen. Komme was da wolle", murmelte Fili mit nicht minder belegten Tonfall. Ich schnaufte kurz erschrocken aufgrund ihrer spontanen Geste, doch dann legte ich auch meine Arme um die Beiden und spürte einmal mehr, wie sich das Wasser in meinen Augenwinkeln sammelte. "Ich. Ich danke euch Jungs. Ich hab euch so lieb", nuschelte ich ihnen leicht heiser und mit hoher Stimme zu. "Wir dich auch", entgegneten sie wie im Chor und drückten mich noch fester. Wir standen noch einige Minuten so reglos beieinander, bis ich nach einem kurzen Schniefen meinte: "Wir. Wir sollten jetzt langsam weiter. Sie warten schon auf uns. Nicht dass die einen Suchtrupp los schicken, weil sie denken, dass wir abgehauen sind." "Ja. Recht hast du", murmelte Kili und löste sich als Erster. Dann folgte sein Bruder. Ich wischte mir unterdessen noch einmal die Augen mit meinem Handrücken, nachdem ich diese wieder frei hatte und musterte die Beiden kurz. Meine Freunde. Meine Brüder. Die jungenb Zwerge waren einfach einmalig. Ihre Worte machten mir insgeheim wieder Hoffnung, dass vielleicht doch alles gut gehen würde. Doch nachdem wir den letzten Treppenabsatz eher schweigend genommen hatten und ich die Hand schon an der Türklinge hatte, hielt mich Fili noch mal ganz kurz an. "Warte mal, Cuna", meinte er und ich drehte mich mit fragendem Blick zu ihm um. "Was ist denn noch?", hakte ich nach. "Also. Ich möchte dir noch etwas mit auf den Weg mitgeben. Denn du wirst ja allein mit Onkel reden, nehme ich an", sagte er, wobei er ein bisschen herum druckste. "Was ist es denn? Nun sag schon", forderte ich und war natürlich irgendwie neugierig, was er vor hatte. Doch ehe er mir antwortete, streckte er seine rechte Hand vor sich aus, sodass sie genau zwischen uns dreien war. "Leg deine darauf. Dann legt Kili seine darüber, dann lege ich meine andere Hand darauf und so weiter", erklärte er kurz angebunden, aber mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Ich hob nur leicht verwirrt eine Augenbraue, zuckte aber dann mit den Schultern und tat einfach, was er von mir verlangte. Als ich es getan hatte, folgte auch schon Kili dem Wink, bis wir irgendwann einen kleinen Stapel aus unseren Händen gebildet hatten. "So. Und jetzt?", fragte ich mit erwartungsvollem Blick auf ihn. "Jetzt. sprich mir einfach nach. Khayamu!", sagte er und lächelte noch breiter. "Was? Kajak muh?", fragte ich verwirrt und sah wie beide unterdrückt kicherten. "Nicht Kajak Muh. Hör mal genau hin, wie ich es ausspreche. Khayamu", meinte Kili mit einem breiten grinsen. "Und was heißt das?", hakte ich nach, wobei ich innerlich leise seufzte, da sie schon wieder mit diesem schwierigen Khuzdulwörten um sich warfen, die ich nicht aussprechen konnte. Zumindest gab mir der Ältere nach meiner Frage direkt die Übersetzung dazu. "Das bedeutet, 'In den Sieg'. Es ist ein alter Schlachtruf unseres Volkes. Aber ich denke er wird dir bestimmt helfen und dir Mut machen", meinte er und sah mich dann erwartungsvoll an. Nun gab ich noch ein Seufzen von mir und schüttelte mit einem verlegenen Lächeln den Kopf. Wirklich. Die Zwei waren einfach nur Großartig. Ein bisschen verspielt und bekloppt, wie alle jungen Zwerge. Aber gerade deswegen einfach liebenswert. So atmete ich einmal tief durch, als Fili mich fragte, ob ich bereit war und nickte ihm dann mit entschlossener Miene zu. Dann übernahm Kili das Kommando und zählte von drei runter. Nach der Eins hoben wir dann gemeinsam die Stimmen, welche in dem leeren Treppenhaus bis in die untersten Etagen widerhallten, "Khayamu!" Als wir schließlich die Hände wieder voneinander lösten und ich die Tür zum Außenbalkon meines Stockwerkes aufstieß, erklang das Wort immer noch in meinem Gehörgang. Doch als ich sah, wer bereits auf unsere Ankunft wartete, war ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob ich an diesem Tag wirklich einen Sieg davon tragen würde. - 91. Familienbande / ENDE - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)