Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 89: 89. Zwischenstopp bei den neuen Nachbarn ---------------------------------------------------- Auf unsicheren, leicht wackligen Beinen verließ ich mit betrübten Gedanken den Plattenbauspielplatz. Die kleine Gruppe von Zwergen umgab mich dabei, wie eine schützende Traube. Nori ging uns voraus, gefolgt von seinem jüngeren Bruder. Kili und Fili hatten sich jeweils einen meiner Arme über die breiten Schultern gelegt, um mich auf dem Rückweg zu stützen. Bofur lief als Schlusslicht. Wir mussten ein sehr makaberes Bild abliefern, so langsam wie wir die wenigen hundert Meter bis zum Eingang meines Hauses entlang gingen. Insgeheim kam ich mir ein bisschen vor wie ein Filmstar, dessen Bodyguards wachsam die Umgebung und auch mich im Auge behielten. Sicher, es war nicht besonders weit. Und doch mussten wir von Zeit zu Zeit kurz anhalten, weil mir mein körperlicher Zustand ordentlich zusetzte. Sie hatten mir zwar immer wieder angeboten mich tragen zu wollen. Doch das lehnte ich entschieden ab. Ich wollte nicht mehr Aufsehen erregen, als ohnehin schon. Immerhin waren nun bereits einige der Bewohner unterwegs, die unsere kleine Karawane argwöhnisch und mit schüttelnden Köpfen begutachtete. Darunter einige junge Mütter, die sich mit ihren Kinderwagen um diese frühe Tageszeit zu einem kleinen Spaziergang auf machten, da die Väter entweder arbeiten waren oder sich Zuhause auf dem Sofa lümmelten, und die alltäglichen Hartz vier Sendungen auf diversen Privatsendern im Fernsehen begafften. Hin und wieder sahen wir auch ein paar Leutchen, die mit schweren Plastiktüten voller Leergut an den Mülleimern herum trieben und dort nach weiteren Flaschen für ihr Sammelsurium suchten, um die Haushaltskasse aufzubessern. "Warum wühlen diese Menschen da im Unrat herum?", fragte Ori, als wir an einer dieser dubiosen Gestalten vorbei kamen. "Die Sammeln leere Pfandflaschen", erklärte ich ihm ruhig, woraufhin sich mir der Reihe nach alle bärtigen Gesichter zu wandten. "Was sind Pfandflaschen?", fragte Kili zu meiner rechten. "Ganz einfach. Das sind Flaschen, die man an die Händler zurück geben kann, um dafür Geld zu bekommen. Das ist so wie auf der Zeltstadt. Wenn ihr euch da etwas zu trinken geholt habt, dann habt ihr solche Marken bekommen. Musstet dafür aber vorher mehr für die Getränke bezahlen, als sie eigentlich wert waren. Wenn ihr die Marken dann samt der leeren Flasche zurück gegeben habt, dann haben sie euch das Geld, was ihr zu viel bezahlt habt, zurück gegeben", erwiderte ich, wobei sie alle samt ein kurzes verstehendes "Ah" von sich gaben. "Was hat das Ganze eigentlich für einen Sinn, Cuna?", hakte Fili nach und richtete meinen linken Arm um seine Schulter ein bisschen. "Weniger Müll. Oder wie Ori eben sagte, Unrat auf den Straßen", sagte ich und ging mit ihnen weiter. "Jetzt wo du es sagst. Mir ist bereits aufgefallen, dass diese Stadt hier weit sauberer ist als unsere in Mittelerde. Niemand entleert einfach so die Nachttöpfe aus den Fenstern, wenn man darunter hindurch läuft. Und es stinkt dadurch auch bei weitem nicht so schlimm. Ihr Menschen habt es hier wirklich gut", meinte Nori mit einem anerkennenden Nicken nach hinten. "Das hat aber auch viele Jahre gedauert. Bis vor knapp hundert Jahren, war das auf den kleinen Dörfern immer noch nicht anders. Wir haben uns sehr schnell weiterentwickelt und achten manchmal sogar peinlichst genau darauf, dass nicht so viel herum liegt. Teilweise muss man sogar Geldstrafen dafür bezahlen, wenn man Müll nicht dahin wirft, wo er hin gehört. Wobei hier die Gegend das nicht so genau nimmt und immer noch zu verdreckt ist für meinen Geschmack", erklärte ich und wich dabei gerade so einem schon leicht angetrockneten Hundehaufen mitten auf dem Weg aus. "Warum ist das denn inzwischen so?", fragte Ori neugierig interessiert. "Das haben wir wegen den ganzen Krankheiten gemacht, die sich durch so etwas verbreitet haben. Je mehr von dem Zeug herum liegt, umso schneller kommt das Ungeziefer. Und das sorgt dafür, dass viele Menschen schwer krank werden und vielleicht sogar daran sterben. Deshalb ist Sauberkeit und Ordnung inzwischen eine der wichtigsten Eigenschaften unserer heutigen Gesellschaft geworden. Wobei das aber nur hier und in einigen anderen westlich gelegeneren Ländern so ist. In anderen sieht es immer noch verheerend aus. Besonders in den armen Regionen, die zusätzlich noch von Hunger und Krieg geplagt werden", meinte ich. "Ja. Das war bei uns auch nicht anders. Dort wo Armut herrschte gab es sehr schnell Aufstände. Wenn das Volk hungern musste, dann griffen die Bauern zu Fackeln und Mistgabeln. Hat ihnen aber oft nichts gebracht. Meist unterlagen sie den Wachen der Lehnsherren", sagte Fili und seufzte betreten. "Dann ist Mittelerde doch nicht viel anders als meine Welt", brummte ich schlussfolgernd und gab ebenfalls ein Seufzen von mir. "Nein. So wie es sich anhört nicht", kam es von Kili, woraufhin wir schließlich alle wieder in Schweigen verfielen. Das war auch gut so. Denn die Leute, die uns nun zu Hauf entgegen kamen, starrten uns mehr und mehr an. So schritten wir beispielsweise an einer kleinen gruppe Frauen vorbei, die sich mit ihren Kinderwagen oder gleich dem ganzen Rudel ihrer schreienden Brut am Wegrand aufhielten, um die täglichen Neuigkeiten im sogenannten Hausfunk weiter zu geben. Eben wie es an einem gewöhnlichen Kleinstadtmorgen so war. Ich versuchte die Damen so gut ich konnte zu ignorieren, welche hinter vorgehaltener Hand tuschelten und die in meinen Augenwinkeln gelegentlich mit den Fingern auf uns zeigten. Tratsch und Klatsch am laufenden Band. Das war man ja in meiner Welt auch nicht anders gewohnt. Bestimmt hatten ein paar der schnatternden Weiber schon mitbekommen, dass eine junge Dame mit einer ganzen Schaar kleiner, bärtiger Männer am vorangegangenen Tag in die Siedlung eingefahren war. Wie hätte man den Wagen mit dem ungewöhnliche Ponygespann auch übersehen können? Schließlich hatte er wohl mehrere Stunden die Zufahrt blockiert. Zum Glück hatten die Zwerge den wieder weg gebracht, nachdem meine Sachen in meiner Wohnung gelandet waren. Doch das allein war nicht das Topthema des Tages worüber nun gesprochen wurde. Nein. Um genauer zu sein war ich es selbst. Denn der Wind wehte gelegentlich einige der Gesprächsfetzten an mein Ohr, als wir an der Traube von Frauen vorüber gingen. "...Ja, die Neue", tuschelte eine. "Die aus dem Achten?", kam es von einer Anderen. "... ein ganzes Rudel Männer. Jung wie alt. Unglaublich", meinte eine Dritte. "Haben die halbe Nacht krach gemacht, wie die Verrückten", erzählte eine vierte. "Also wirklich. Diese Gegend war ja noch nie anständig. Aber jetzt auch noch ein Bordell im Haus. Hier leben immerhin Kinder", empörte sich die Erste, während sie ihre schreiende Chantal in den Armen wog. Als das Wort Bordell fiel, ging die Diskussion noch viel weiter. Aber um die nachfolgenden Worte zu hören, waren wir bereits zu weit weg. Na wunderbar, dachte ich seufzend. Was für ein toller Einstand in mein neues Leben. Als wenn es nicht genug wäre, dass es mir schon so beschissen ging. Nun würde auch noch der Hausfunk dafür sorgen, dass mein bisher nicht bekannter Ruf ruiniert war. Wenigstens schienen die Zwerge nicht mitbekommen zu haben, dass es bei diesem Gewäsch um mich gegangen war. Das hätte uns womöglich nur unnötig aufgehalten. Schließlich hatte ich an diesem Morgen genug um die Ohren. Da wollte ich mich nicht unnötig mit so etwas herum schlagen. Denn es stand immer noch ein sehr, sehr ernstes Gespräch mit dem Zwergenkönig aus. Und das würde mir auch einiges abverlangen. Von daher sparte ich mir den Atem lieber für die bevorstehende Konfrontation auf. Allerdings dauerte das ein bisschen, da wir an der Pforte erneut anhielten, damit ich verschnaufen konnte. "Nori. Bist du dir wirklich ganz sicher mit dem was du vorhin gesagt hast?", fragte ich den Zwerg mit der Stachelfrisur nach dem kurzweiligen Schweigen nun zum gefühlt sechsten Mal, seit wir aufgebrochen waren. Dementsprechend genervt rollte dieser mit den Augen, als er sich zu mir umwandte und antwortete: "Wie oft soll ich es dir denn noch sagen? Ja. Ich bin davon überzeugt. Ich habe es vorhin miterlebt. Das war nicht mehr der Thorin, wie ich ihn kennen gelernt habe." "Warum sagst du uns nicht endlich, was oben vorgefallen ist? Und vor allem, warum Oin nicht gekommen ist um Cuna zu versorgen?", fragte Bofur und trat hinter meinem Rücken hervor, um die gläserne Tür zu öffnen. "Weil es zu schwierig ist das zu erklären. Es ist besser wenn ihr es seht", erwiderte er kurz angebunden. "Dann sollten wir keine Zeit verlieren", meinte Fili und wies mich mit einem kurzen, bestimmten Ruck an weiter zu gehen. "Jetzt lasst sie doch erst mal ausruhen", protestierte Ori, nachdem ich durch Filis Zerren fast über den kleinen Absatz am Eingang gestolpert wäre. "Nein, Ori. Fili hat recht. Wir sollten uns beeilen. Je schneller ich das hinter mir habe, umso besser", meinte ich und ließ seufzend den Kopf hängen. "Du sagst uns aber trotzdem, wenn es nicht mehr geht, oder?", hakte Kili vorsorglich nach, als wir in die kleine Halle schritten. "Nur die Ruhe. Ich denke, wir könnten heute den Aufzug nehmen. Auch wenn ich das Ding nicht mag. Aber damit wären wir schneller oben", erklärte ich rein aus dem schwindenden Drang heraus Stufen zu benutzen. Runter war ja eine Sache, da hätte ich auch die Stufen rutschend nehmen können. Aber so wie ich mich fühlte, empfand ich es doch klüger, mit diesen relativ engen Todesfallen vorlieb zu nehmen. Doch gerade als mich die beiden Brüder in diese Richtung führen wollten, meldete sich plötzlich Bofur an der Tür zum Treppenhaus zu Wort. "Die sind kaputt. Wir müssen leider laufen", sagte er mit entschuldigender Miene. Leicht irritiert wand ich meinen Kopf zu ihm, welchen ich daraufhin mit gehobenen Augenbrauen schief legte. "Die sind kaputt? Woher weißt du das?", fragte ich, worauf er sich zu einem leicht verschmitzten Lächeln hinreißen ließ, welches ich zunächst gar nicht einordnen konnte. Zumindest, bis er mir die dazu passende Erklärung ablieferte. "Als wir gestern die Kisten hoch getragen haben, stand eine junge Mutter mit ihrem Kinderwagen davor. Sie hat einige Male versucht da rein zu kommen, bis sie es aufgegeben hat und die Treppe nehmen wollte", sagte er, während er Kili, Fili und mir die Tür aufhielt, damit wir weiter konnten. "Du meinst das Weib mit den dunkelbraunen, schulterlangen Haaren, was uns die ganze Zeit über im Weg stand, oder?", hakte Nori nach. Bofur gab ein zustimmendes brummen von sich und lächelte noch ein bisschen breiter. "Ganz recht. Die meine ich", entgegnete er schlicht, wobei sich ein ungewöhnlich fröhlicher Singsang in seine Stimme mischte, der wohl nicht nur mir verborgen blieb. Doch darum konnte ich mir später Gedanken machen. Nun musste ich mich erst einmal die ganzen Stufen nach oben quälen. Auch wenn mich die Jungs so gut es ging beim Laufen unterstützt. Schließlich mussten wir dann doch noch einmal auf der Hälfte der Strecke eine Rast einlegen, während der sie mich ganz behutsam auf die Stufen zum fünften Stock absetzten. Ich schnaufte und wischte mir so gut ich konnte den Schweiß von der Stirn, ohne dabei an die frisch genähte Wunde zu kommen. Zum Glück war die Stelle immer noch so weit betäubt. Ansonsten hätte sie wohl durch die Anstrengung wieder ziemlich gebrannt. Außerdem plagte mich mehr und mehr ein starkes Durstgefühl. Bei so einem Blutverlust auch nicht verwunderlich. Eigentlich hätte ich dringend Flüssigkeit zu mir nehmen müssen. Doch hatten wir beileibe nicht daran gedacht in unserer Eile eine Flasche Wasser aus meinem Kühlschrank mitzunehmen. Und das rächte sich bitterlich. Mein Körper war schon fast am Rande eines erneuten, kleinen Kollaps. Das merkten auch die Zwerge, welche sich entweder zu mir setzten oder vor mir standen. "So geht das nicht weiter. Bis wir Oben sind, brauchen wir auf diese Weise ewig", murrte Nori, dem die ständigen Pausen wegen mir schon ordentlich am Nervenkostüm zerren. Selbst wenn er mir nicht offenkundig die Schuld daran gab. Aber auch der Rest war seiner Meinung. "Am besten tragen wir dich doch, Cuna. Komm...", meinte Fili, der sich von meiner linken Seite löste und sich kurz drauf, wie einst nach dem Handtaschenanschlag vor mich hockte, damit ich ihm auf den Rücken stieg. "Warte. Noch nicht. Gib mir etwas. Etwas Zeit. Fünf Minuten. Bitte", schnaufte ich und schüttelte den Kopf mit dem Versuch wieder klarer zu werden. "Du siehst verdammt schlecht aus. Du gehörst ins Bett. Je schneller wir das fertig bringen umso besser", meinte Kili und legte mir dabei besorgt seine Hand auf den Oberschenkel. Doch wieder schüttelte ich den Kopf, während ich zusätzlich meine Übelkeit nieder kämpfte. "Mir gehts auch verdammt schlecht. Aber. Wenn ihr mich jetzt hoch tragt, habe ich nur Sorge, dass ich mich komplett auf Fili übergeben könnte. Diese Peinlichkeit will ich uns allen ersparen. Besonders dem armen Träger. Ich hoffe ihr versteht das", sagte ich mit entschuldigender Miene. "Natürlich verstehen wir das. Wir sind nur besorgt darum, dass es noch schlimmer werden könnte. Du brauchst Ruhe. Und ich weiß nicht ob es Ratsam wäre diese in Thorins Nähe zu suchen", warf Ori ein, der einen leicht grantigen Unterton nicht verbergen konnte, aber trotzdem betreten die Schultern hängen ließ. "Ich suche derzeit unter Garantie nicht in seiner Nähe nach Ruhe. Im Gegenteil. Ich muss ihn zur Rede stellen. Wobei es mir leichter fallen würde, wenn mir nicht so kotzübel wäre", murrte ich vor mich hin und stützte meinen Ellenbogen auf dem Knie ab, damit ich meine linke Wange halten konnte. "Brauchst du vielleicht irgendetwas?", fragte Kili ruhig und strich mir kurz eine Haarsträhne hinters Ohr, damit diese nicht über der Wunde lag. "Ein Schluck Wasser wäre nicht schlecht. Von euch hat wohl keiner einen Schlauch dabei nehme ich an?", erwiderte ich mit matter Stimme. Doch als ich mich bei ihnen umsah schüttelten sie alle die Bärte, sodass ich nicht umhin konnte zu seufzen. "Ich könnte schnell nach oben laufen um etwas zu holen", schlug Ori selbstsicher vor und wollte sich schon an mir vorbei auf die Stufen drängen. Doch bevor ich dem etwas erwidern konnte, ging plötzlich die rechte Tür zum Treppenhaus auf und ein Postbote betrat den von uns leicht blockierten Flur. Ihm folgte eine junge, recht pummelige Frau. Sie hatte schulterlange, dunkelbraune Haare, war etwa so groß wie ich, schien aber nur einige Jahre älter zu sein. "Vielen Dank, dass sie das Paket trotz der vielen Stufen hochgebracht haben", sagte sie mit einer freundlichen, warmherzigen Stimme, die ein wenig an süßen Akazienhonig erinnerte. "Keine Ursache Gnä' Frau. Das ist immerhin mein Job. Dann bis zum nächsten Mal", antwortete der Mann lächelnd und lief schon den Treppenabsatz hinunter. Die Frau winkte dem Mann noch mit einigen Abschiedsworten hinterher und machte schon Anstalten wieder zu verschwinden, als Bofur sich plötzlich rührte. "Guten Morgen, Frau Marina", sagte er und zog mit einer leichten Verbeugung seine Mütze ab. Die Frau hielt in ihrer Bewegung inne und starrte nun direkt zu uns. Zuerst weiteten sich ihre Augen vor Verblüffung, doch dann legte sich ein freundliches, sonniges Lächeln auf ihre Lippen, als sie Bofur musterte. "Ach. Sie sind das. Guten Morgen, Herr... ähm... Herr. Wie war der Name noch?", fragte sie leicht verlegen. "Bofur. Einfach nur Bofur", sagte der Mützenzwerg und verneigte sich erneut, was die Frau dazu brachte verhalten, aber fröhlich zu kichern. "Ja. Natürlich. Entschuldigen Sie. Aber mein dummes Namensgedächtnis. Was machen Sie denn so früh hier?", fragte sie und musterte dann endlich auch die restliche Gruppe. "Wir. Nun ja. Also. Es ist ein bisschen schwierig. Wir helfen unserer Freundin, Cuna", erklärte der Zwerg leicht betreten und zerknautschte seine Mütze ein wenig, wie er es immer tat, wenn er sichtlich nervös war. "Tatsächlich?", hakte sie nach und hob die Augenbrauen, als sie mich hinter Kilis Kopf hervor lugen sah. Dabei erhaschte sie einen flüchtigen Blick auf die frische Naht, die so unschön mein Gesicht verzierte, sodass sie keuchend eine Hand vor den Mund schlug. "Die liebe Güte. Was ist denn passiert?", fragte sie nun hektisch an mich gewandt und war daraufhin schon mit gut drei Schritten bei mir. "Ich. Ähm. Ich bin im Keller gestolpert und hab mir an einem abstehenden Nagel den Kopf aufgerissen", log ich hastig, bevor die Zwerge über den Vorfall mit meinem Sicherungskasten auch nur ein Wort verlieren konnten. Diese warfen mir zwar daraufhin einige sehr empörte, wenn auch argwöhnische Blicke zu und Ori schnaubte sogar verächtlich. Aber was hätte ich in dem Moment anderes sagen sollen? Ich kannte die Frau nun mal nicht. Und meine Lebensgeschichte ging sie so gesehen gar nichts an. Wenn ich gesagt hätte, dass mir dies der Mann angetan hätte, den ich eigentlich liebte, dann wären mit Sicherheit innerhalb weniger Minuten die Bullen vor dem Plattenbau aufgeschlagen. Von daher gab es für mich nur die Alternative der Notlüge, selbst wenn sie den Männern nicht gefiel. Marina, wie Bofur sie genannt hatte, schob unterdessen den guten Fili etwas zur Seite, damit sie mein Gesicht genauer unter die Lupe nehmen konnte. "Darf ich mal kurz?", fragte sie und streckte schon ihre Hände nach meinem Kinn aus. Ich nickte ihr nur bedächtig entgegen, woraufhin sie meinen Kopf ergriff und vorsichtig zur Seite drehte, um mit ihren Moosgrünen Augen die Naht zu prüfen. "Uh. Da sind Sie aber ganz böse gefallen. Zum Glück scheint nicht mehr passiert zu sein. Waren Sie denn schon beim Arzt damit?", hakte sie nach und verzog dabei mitfühlend den Mund. "Ähm. Nein. Bisher noch nicht. Das ist erst vor einer guten Stunde passiert. Die Jungs haben mich gefunden und wieder zusammen geflickt", erklärte ich ihr ruhig. "Hm. Verstehe. Das muss noch desinfiziert werden und ein Verband sollte da auch drauf", murmelte sie mehr zu sich selbst, ehe sie sich wieder aufrichtete. Dann wand sie sich umgehend an meine Begleiter mit den Worten: "Am besten bringen Sie ihre Freundin erst einmal in meine Wohnung. Die ist gleich hier vorne. Also nicht so weit." Leicht irritiert und offensichtlich mit der spontanen Aufforderung überfordert, tauschten die kleinen Männer zunächst leicht argwöhnische Blicke. Mir war klar, dass ihnen die Frau nicht ganz geheuer war. Auch mich überraschte ihre gut gemeinte Aktion ein bisschen, weshalb ich sie leicht verunsichert anlächelte. "Ich. Ich will Ihnen keine Umstände machen", sagte ich höflich verhalten. Doch sie schüttelte nur vehement den Kopf und entgegnete: "Das machen Sie nicht. Wirklich. Aber wenn das nicht richtig versorgt wird, könnte das schlimme Folgen haben." "Verzeiht, aber. Meint ihr wirklich, dass Ihr Cuna helfen könnt?", warf Ori ein wenig besorgt, aber doch hoffnungsvoll ein. "Natürlich kann ich das. Ich war bis vor kurzem noch Krankenschwester auf der chirurgischen Station hier im benachbarten Krankenhaus. Glauben Sie mir. Ich hatte täglich mit so etwas zu tun", erklärte sie und sah alle sehr eindringlich und auffordernd an. Wieder tauschten die Herren untereinander flüchtige Blicke, ehe sich Bofur hinter Marinas Rücken zu Wort meldete. "Ich denke wir können ihr vertrauen. Außerdem muss sich Cuna sowieso ausruhen und etwas trinken", meinte dieser mit einem zuversichtlichen Lächeln. Daraufhin zuckten die Anderen immer noch leicht argwöhnisch mit den Schultern, ehe sie aufseufzen und mir schließlich wieder auf die Beine halfen. Die Frau nickte dann erleichtert, als wir uns endlich in Bewegung setzten und wies uns den Weg zu ihrer beschaulichen, kleinen Wohnung. Fili hakte sich erneut bei mir unter und führte mich mit seinem jüngeren Bruder zum Außenbalkon. Nori und Ori folgten uns mit leicht verbissenen Mienen. Ich wusste, dass sie viel lieber weiter nach Oben gegangen wären, doch auf der anderen Seite schienen sie sich einzugestehen, dass es wohl oder übel besser wäre, wenn man mich zunächst einmal versorgte. Tatsächlich war die Wohnung nicht sehr weit vom Treppenhauseingang entfernt. Es war gleich die erste Tür. Marina ging zusammen mit Bofur voraus und wartete dann, bis ich in der Nähe war, ehe sie schon mal hinein gingen. Vorsichtig schafften mich Kili und Fili über die Schwelle und stützten mich auf dem Weg durch die Diele, bis wir mitten in einem sehr behaglichen Wohnraum standen. "Sie können sie gleich auf das Sofa setzten. Ich komme gleich wieder", erklärte die junge Frau kurz und war schon in einem anderem Raum auf der linken Seite verschwunden, wo sich anscheinend die Küche befand. Daneben war noch eine weitere Tür. Vermutlich das Badezimmer. Das Wohnzimmer war ähnlich wie in meinem Apartment sehr offen gehalten, mit einem großen Fenster und Zugang zum Balkon. Mitten im Raum stand ein bunt zusammen gewürfelter Haufen von Polstermöbeln aller Art. Vom großen, mit grauem Stoff überzogenen Lümmelsofa, über ein paar hellbraune Ledersessel bis hin zu einem quietsch pinken 'Hello-Kitty'-Sitzsack. Diese standen um einen recht hohen gläsernen Couchtisch herum. An der gegenüberliegenden Wand, wo sich bei mir die Küchenzeile befand, war ein mittelgroßer, schwarzer Flachbildfernseher angebracht. Zur linken Raumseite ging noch eine weitere Tür vom Wohnzimmer ab. Diese stand ein wenig offen, sodass man einen flüchtigen Blick auf das Schlafzimmer werfen konnte. Von dort wehte ein leises, undeutlichen Gebrabbel zu uns herein, als die beiden Jungs es gerade geschafft hatten mich auf dem Sofa abzusetzen. Das musste wohl das Kind sein. Zweifellos noch ein Säugling. Denn überall lagen oder standen Babyutensilien, wie Schnuller, Plüschtiere und Schnuffeltücher herum. In einer Ecke lag auf dem weißen Laminat eine Spieldecke am Boden, mit einem dieser ulkigen Plastikgestelle darüber, an denen immer so kleine Sachen dran hingen, wie Spiegel oder Glöckchen. Ansonsten war die Wohnung recht gut aufgeräumt und ordentlich. Zumindest, bis ich mit den Zwergen herein gekommen war. Denn diese passten mal so gar nicht in diese Atmosphäre hinein, als sie sich auf die Möbel verteilten oder einfach im Raum stehen blieben, wie Nori es tat. Doch nun waren wir eben da und warteten zum Teil ungeduldig darauf, dass unsere spontane Gastgeberin zu uns kam. Diese erschien nach einigen Minuten mit einem kleinen Körbchen, dass randvoll gepackt war mit Mullbinden, Pflastern, einigen Tabletten und was man sonst so in seinem eigenen häuslichen Erste Hilfe Kasten haben sollte. "So. Entschuldigen Sie, dass es so lange gedauert hat", meinte sie mit einem freundlichen Lächeln und schob dabei mit dem Körbchen ein paar Sachen auf dem Glastisch beiseite, ehe sie sich vor mich hockte. "Ach. Das ist doch nicht schlimm. Ich meine. Immerhin drängen wir uns Ihnen ja irgendwie auf", erwiderte ich und rutschte ein wenig unruhig zwischen Kili und Fili herum. "Sie drängen sich nicht auf. Ich bin zurzeit froh, wenn ich mal etwas zu tun habe und dabei anderen Menschen helfen kann", sagte sie und griff in die Kiste, wo sie eine Kompresse und eine Tube mit Salbe hervor zog. Von dieser schraubte sie den Deckel ab und verteilte danach die bräunliche Salbe auf dem weißen Stoff. Die Zwerge um mich herum verzogen angewidert der Reihe nach die Gesichter und rümpften die Nasen, nachdem ihnen wie mir, der Geruch von Jod entgegen schlug. "Und Ihr seid sicher, dass Cuna das helfen wird?", hakte Nori mit distanzierter, leicht abwertender Stimme, als er der Frau bei ihrer Arbeit über die Schulter schaute. "Selbstverständlich. Die Salbe zieht den Deck aus der Wunde und lindernd recht schnell die Schmerzen", erklärte sie daraufhin immer noch freundlich, wobei sie den Unterton des Zwerges professionell ignorierte. Als ich zu Nori aufsah verzog dieser hämisch den Mund und gab ein fast abfälliges Schnauben von sich. Ihm war das Zeug offenkundig nicht geheuer. Genauso wenig wie die Tatsache, dass ihn eine Frau über Heilmittel belehren wollte. Weshalb er kurz drauf einige Schritte von ihr zurück trat. Natürlich. Solche Medizin kannten die Herren nicht. Sie waren wohl viel mehr den wohlrichtenden Duft von Athelas oder anderen Kräutern gewohnt. Mir hingegen machte das Zeug wenig aus. Ich kannte es schon von vergangenen Verletzungen, die ich einmal gehabt hatte. Doch war bisher keine davon jemals so fatal in meinem Gesicht entstanden. Aber zumindest würde diese bald abgedeckt sein und einem noch viel unschöneren dicken Verband weichen. Der war mir allerdings im Augenblick weit lieber, als weiterhin nur mit einer fetten Naht herum zu laufen. Nachdem Marina schließlich mit dem Einsalben der Kompresse fertig war, hob sie diese an mein Gesicht und drückte sie vorsichtig auf die Stelle. "So. Halten Sie mal eben fest. Dann kann ich das verbinden", wies sie mich an. Ich hob kommentarlos die Hand und drückte nun selbst die Kompresse gegen meine Schläfe. Da langsam die Betäubung von Noris Behandlung nachließ, konnte ich wieder eine Kleinigkeit empfinden. Es war schon ein klein wenig eklig, als sich die Salbe über meine Haut verteilte. Zumindest brannte sie nicht. Sie war nur leicht unangenehm warm und klebrig. Aber damit konnte ich vorerst leben. Womit ich weniger klar kommen würde, war wohl der Verband, den Marina vorbereitete. Vor allem wenn ich in meine Wohnung zu den anderen Zwergen zurückkehrte. Doch daran wollte ich in diesem Augenblick nicht denken. Denn das tat nur irgendwo in der hintersten Ecke meines Herzens weh. Und vor einer Fremden wollte ich nicht noch unbedingt in Tränen ausbrechen, wenn es sich vermeiden ließ. Auch wenn Marina sich dafür zu sehr auf ihre Arbeit konzentrierte, um es vielleicht bemerken zu können. Sie zog eine frische Mullbinde aus einer Verpackung und legte sie umgehend in der Nähe meiner Finger ab, ehe sie begann diese, wie bei einer Mumie um meinem Schädel herum zu wickeln. Währenddessen brach sie in eine kleine, aber amüsante Schimpftirade über die Zustände in unserem Wohnblock aus. "Es ist einfach unglaublich. Ich hab dem Hausmeister schon mindestens hundert Mal gesagt, er solle sich um die abstehenden Nägel im Keller kümmern. Das hätte diesmal wirklich ins Augen gehen können. Aber nein. Ich bin ja nur eine dumme kleine Krankenschwester und habe ja keine Ahnung. Ich habe mir auch erst vor kurzem da unten an so einem Ding den Oberschenkel verletzt. Nicht auszudenken, wenn das einem Kind passiert wäre. Aber naja. Es gibt eben keine anständigen Männer mehr in diesem Land", murrte sie hochkonzentriert, während sie die Stoffrolle auch unter meinem Kinn entlang führte. "Was ist denn mit Eurem Gemahl? Hätte der dies nicht machen können?", fragte Ori neugierig, der sich tatsächlich auf den Sitzsack gepflanzt hatte. "Mein..., was bitte?", fragte sie und wand ihm kurz drauf mit einem spöttischen auflachen das Gesicht zu. "Er... Er fragte nach Ihrem Mann. Wo der ist, und so", ergänzte ich hastig, wobei ich dem dunkelblonden Zwerg einen leicht mahnenden Blick zu warf. Nicht weil es unhöflich gewesen war, danach zu fragen. Denn das war es sowieso, da es uns überhaupt nicht zu interessieren hatte. Nein, es ging mir eher darum, dass er 'Gemahl' gesagt hatte. Solche Ausdrücke sollten sie eigentlich nicht in Gegenwart von fremden Menschen benutzen. Darauf hatte ich die Herren auch schon einige Male in der Vergangenheit hingewiesen. Aber wie immer hatten sie meine Worte zu solchen Themen vergessen oder ignorierten sie mit großer Leidenschaft. Wobei ich bei Ori doch eher auf vergessen schloss. Zumindest nahm sie die altertümliche Aussprache mit einem verwirrten Lächeln so hin und verstand nach meiner knappen Erklärung worauf der Zwerg hinaus wollte. Das entlockte ihr allerdings erneut ein Schnauben, und ich ahnte schon insgeheim weswegen. Ich hielt mich dazu jedoch höflicherweise geschlossen, da sie es ihm von sich aus beantwortete. "Ach so. Nein. Sowas besitze ich nicht. Bin froh das ich DEN Mistkerl los bin. Hat ich sitzen lassen, als ich im sechsten Monat mit unserem Kind schwanger war und ist mit einer meiner Kolleginnen ins Ausland durchgebrannt. Nun sitze ich hier und kann ihn nicht mal auf Alimente verklagen. Aber das ist mir inzwischen egal. Ich bin froh, wenn ich diesen Saftsack nie wieder zu Gesicht bekommen muss. Ich lebe mein Leben und dazu brauche ich diesen untreuen Bastard nicht", grummelte sie, wobei ihre Akazienhonigstimme einen leicht bitteren Beigeschmack erfüllte, bevor sie ihre Arbeit fortsetzte, indem sie noch eine zweite Binde über die Erste legte. Offenbar war sie auch der Überzeugung, dass doppelt eben besser hielt, dachte ich so bei mir. Und einer ausgelernten Krankenschwester wollte ich in ihrem Tun gewiss nicht widersprechen. Bisher wusste sie nämlich genau was sie tat. Obwohl es dadurch für mich gerade bei diesen sommerlichen Temperaturen, noch sehr unangenehm werden konnte. Aber wie ich auch schon zu den Zwergen sagte, wer den Schaden hat, und so weiter. Doch wo ich gerade daran dachte, musterte ich erneut die Zwerge um mich herum, die Marina nach ihrer Aussage allesamt fragend beäugten. Mir persönlich war klar warum. Sie hatten zum ersten Mal mit einer alleinerziehenden, selbstständigen Mutter zu tun, die ihren Mann nicht in irgendeinem Krieg verloren hatte. Und gerade nach dieser Mutter wurde wenig später verlangt, als sie die Binde zum x-ten Mal um meinen Kopf herum schlang. Denn im Nebenzimmer hatte das Gebrabbel plötzlich aufgehört und war einem leidigen Quängeln gewichen, das binnen Sekunden zu einem auffordernden Schreien umschlug. "Ja, Benni! Mama kommt gleich!", rief sie und gab ein erschöpftes Seufzen von sich. Ja, die Schattenseiten ihres recht beschaulichen, einsamen Lebens. Wenig schlaf, viel Stress und vermutlich auch noch jede Menge Leute, die sich ihretwegen das Maul zerrissen. In diesem Moment konnte ich nicht umhin ein wenig mitleidig zu lächeln und auf der anderen Seite darüber froh zu sein, dass ich auf der Zeltstadt zu klug gewesen war, Thorin das Kondom aufgedrängt zu haben. Denn sonst hätte ich vermutlich nach den nächsten neun Monaten genauso ausgesehen. Wobei ich auf der anderen Seite nicht glaubte, dass es dann jemals zu diesem Zwischenfall gekommen wäre. Aber man sollte ja niemals nach dem, 'Was-Wäre-Wenn' fragen. Denn darauf wüsste mit Sicherheit nicht mal Gandalf eine Antwort. Und ich würde auch keine suchen wollen. Das führte nur unweigerlich zu Kopfschmerzen, die sich sowieso schon wieder anbahnten. Stattdessen schüttelte ich mal wieder solche Mutmaßungen und Änderungswünsche der Vergangenheit ab und ging lieber auf den bedauerlichen Gemütszustand der jungen Mutter ein. "Ein Junge also. Wie alt?", fragte ich freundlich. "Gerade zwei Monate", sagte sie und rollte mit den Augen, als das Kind noch lauter wurde. "Hat aber ein abnorm gesundes Organ, wenn ich das so bemerken darf", erwiderte ich, woraufhin sie kurz kichern musste. "Das hat er wohl von mir. Und zum Glück alles andere auch. Zumindest bis jetzt noch. Ich hoffe nur, dass seine väterliche Seite niemals durchkommen wird", erklärte sie ruhig. "Alles Erziehungssache", meinte ich schlicht. "Da haben Sie nicht ganz unrecht. Haben Sie denn auch Kinder?", hakte sie kurz nach, wobei ich liebend gern den Kopf geschüttelt hätte, was allerdings nicht ging. "Nein. Bin ich ehrlich gesagt auch froh drum", entgegnete ich leicht unbedacht, was Kili und Fili dazu brachte mich gleichzeitig ungläubig anzusehen. Als ich ihre Blicke bemerkte, hätte ich mir aber am liebsten sofort die Hand vor den Mund geschlagen. Herrje. Jacky, du Hohlfrucht, fluchte ich in Gedanken. Ich hatte ja völlig vergessen, dass sie von meiner leichten Abneigung zum Kinderwunsch meines noch Zukünftigen gar nichts wussten. Nun ja. Mit Ausnahme des Mützenzwerges, der das wohl schon bei unserem Balkongespräch am vergangenen Abend heraus gehört haben musste. Dieser sorgte wohl auch deswegen plötzlich für eine kleine Ablenkung von meinen Worten, wofür ich ihm wirklich dankbar war. Obwohl es mich im ersten Moment ziemlich schockte. "Wenn Ihr erlaubt, Frau Marina, sehe ich kurz nach ihm", warf Bofur ein, der sich abrupt von seinem Sessel erhob. "Du?", kam es gleichzeitig von Kili, Fili und mir, wobei uns fast synchron die Münder aufklappten. Marina ignorierte unsere erstaunten Mienen, nickte dem Zwerg mit der Mütze einen Augenblick ruhig lächelnd zu und meinte: "Das wäre sehr lieb von Ihnen. Er kennt Sie ja schon." Über Bofurs Gesichtszüge zog sich ein strahlendes Lächeln, bevor er zu einer leichten Verbeugung ansetzte. Dann verschwand er recht zügig mit den Worten: "Stets zu Diensten." Und schon war der Zwerg im Schlafzimmer verschwunden. Kurz drauf vernahmen wir alle, wie er begann mit dem Würmchen zu reden. "Hallo kleiner Mann. Na kennst du mich noch? Och wer wird denn so weinen. Na komm mal her du. Ja, ja, ja. Ist ja gut. Guck mal der Onkel Bofur macht lustige Gesichter. Dudududu", hörten wir ihn sagen und vernahmen kurz drauf nur noch das wirre Geplapper, was für gewöhnlich viele Eltern anwandten, um ihre Kleinen ruhig zu stellen und zu betüdeln. Ein wenig ungläubig schielte ich ihm hinterher, während die junge Frau das letzte Stückchen Verband zu Recht zog und dann mit Klebeband fixierte. Danach erhob sie sich mit feierlicher Miene und nickte zufrieden. "So. Das müsste halten. Ich bringe eben die Sachen weg und komme dann mit einem Glas Wasser wieder. Möchten die anderen Herren auch etwas zu trinken?", fragte sie lächelnd, doch die Männer schüttelten nur die Bärte."Herr. Ähm. Bofur?! Möchten Sie etwas trinken?!", rief sie daraufhin Richtung Schlafzimmer. "Nein. Aber vielen Dank für Euer Angebot, meine Teure", entgegnete er etwas lauter. Nun nickte Marina lächelnd und schon war auch sie verschwunden, während sich Bofur im Schlafzimmer wieder seinem Baby-Bla-Bla hin gab. Was allerdings zunächst nur wenig brachte. Das Geschreie wurde zwar leiser, aber das Kind war immer noch am Quängeln. Als er schließlich mit dem Schreihals zurück in die Wohnstube trat, lieferte er ein Bild ab, dass eigentlich süßer nicht hätte sein können. Das musste selbst ich zugeben, wo ich nichts von den kleinen, sabbernden Monstern hielt. Er trug das Würmchen ganz behutsam und liebevoll in seinem linken Arm und schaukelte ihn sachte hin und her, während er inzwischen nicht nur in meiner, sondern auch in seiner Muttersprach auf ihn einredete. Dabei streckte klein Benni orientierungslos und unbeholfen die Händchen nach allen Seiten aus, bis er es irgendwie schaffte mit einer davon Bofurs Kinnbart zu ergreifen, woraufhin er fest daran zog. "Au. Au. Hör auf! Ist denn das zu fassen?! Nicht am Bart! Du kleiner Schlingel", fluchte der Mützenzwerg gespielt mit einem herzhaften Lachen auf den Lippen, als der Kleine plötzlich anfing vor Freude zu quietschen. Ich schüttelte nur den Kopf darüber und hielt mir die Ohren zu, da mir ausgerechnet dieses Geräusch alles andere als willkommen war. Aber da war ich nicht die Einzige, denn auch Nori verzog leicht angewidert den Mund und raunte: "In Durins Namen! Bofur, stell das Ding da ab!" Der Mützenzwerg hob den Kopf etwas und musterte seinen Freund mit der stacheligen Haarpracht irritiert. "Das kann ich nicht. Das ist ein Kind. Sowas schreit nun mal von Zeit zu Zeit", entgegnete dieser mit verständnisloser Miene. "Das Schreien war ja noch erträglich. Aber das es jetzt so quietscht ist deine Schuld. Also hör auf es zum Lachen zu bringen. Mir bluten schon die Ohren!", fauchte Nori beleidigt zurück. "Ich weiß wirklich nicht was du gegen ihn hast. Der Kleine ist doch zum Anbeißen. Nicht wahr? Ja. Das bist du. Du kleiner Krieger. Dududududu", meinte Bofur, ehe er sich wieder seinem Geplapper hin gab. Ich hob nur ungläubig die Augenbrauen und sah zwischen den Beiden hin und her. So unterschiedlich konnten also selbst bei Zwergen die Meinungen auseinander gehen. Das war wirklich erstaunlich. Wobei ich es irgendwie als logisch empfand. Nori liebte seit jeher die Freiheit und Ungebundenheit, welche von einer Familie doch sehr einschränkt wurde. Und Bofur war eher der sesshafte und sehr herzliche Typ, den man auch gut gefahrlos in einem Kindergarten als Erzieher hätte einsetzen können. Aber in diesem Fall war ich ausnahmsweise doch auf Noris Seite. Das Gequietschte und Gelache des Säuglings, schmerzte ungemein stark in den Ohren. Und meinen neuerwachten Kopfschmerzen tat es erst recht nicht gut. Da freute sich höchsten Klaus-Günther. Das Schlimmste war aber bei weitem Bofurs Geplapper. Dabei drehte sich mein Magen nämlich fast wieder auf Links. Wobei das wohl auch an meinem Flüssigkeitsmangel lag, der zusätzlich noch an meinem Nervenkostüm zehrte. Zum Glück kam wenig später Marina wieder zu uns, die mir ein hochvolles Glas Wasser samt einem Sammelsurium von Tabletten vor setzte. "Hier. Die habe ich ihnen vorsorglich mitgebracht. Ich weiß ja leider nicht, ob sie auf bestimmte Medikamente allergisch reagieren. Da können Sie sich dann aussuchen, was sie nehmen möchten", erklärte sie mir mit einem strahlenden Lächeln. "Ähm. Ja. Vielen Dank nochmal", entgegnete ich leicht überfordert von so viel Freundlichkeit und begann die Schachteln zu durchsuchen. Sie wand sich unterdessen Bofur zu, der immer noch mit klein Benni herum spaßte. "Vielen Dank, dass Sie sich um meinem Sohn so liebevoll gekümmert haben. Sie können wirklich gut mit Kindern umgehen", sagte sie und nahm ihm dann das Würmchen vom Arm. Der Mützenzwerg reichte ihn vorsichtig weiter und entgegnete mit einem strahlenden Gesicht: "Stets zu Diensten, Frau Marina. Aber darf ich anmerken, dass Eurer Junge sich wohl gerade ein wenig erleichtert hat." "Tatsächlich?", hakte sie kurz nach und schon tat sie genau das, was man wohl in irgendeiner Fachsprache für Eltern den 'Shit-Check' nannte. Sie hob ihren Sohn mit dem Rücken zu ihrem Gesicht und drückte dann unversehens die Nase an seinen Po, ehe sie ein kicherndes 'Puh' von sich gab. Im Hintergrund konnte ich, während dieser eigenwilligen Windelprüfung, Nori dabei beobachten, wie er sich von dem Bild abwandte und wohl geradewegs seinen Würgereizt nieder kämpfte. Ich musste mich lediglich zusammen reißen, um nicht lauthals los zu lachen. Nein. Familie war tatsächlich nichts für diesen Zwerg. Aber das musste ja auch nicht sein. Doch machte mir seine Reaktion mit einem Mal etwas bewusst. Ich musste eine sehr wichtige Entscheidung treffen. Die wohl Wichtigste, die mein weiteres Leben mit oder ohne den Zwergenkönig stark beeinflussen würde. -89. Zwischenstopp bei den neuen Nachbarn / ENDE - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)