Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 84: 84. Glaubenskrise ----------------------------- Völlig perplex und überrumpelt hockte ich auf meinem Sofa und starrte in Richtung der kleinen Diele, wo Dwalin immer noch mit dem Rücken zum Raum an der offenen Haustür stand. Dutzende von Fragen und fast schon panischen Gedanken schossen mir in dem Moment durch den Kopf, als die fremde Männerstimme in meinem Gehörgang widerhallte. Warum nur? Wieso ausgerechnet an diesem Morgen? Hätten die nicht an einem anderen Tag bei mir aufschlagen können, wenn ich nicht so viele Zwerge im Haus hatte? Verdammt. Das fehlte mir gerade noch. Und was mir auch fehlte war ein triftiger Grund diese, für meine Begriffe, lästige Landplage wieder los zu werden. Aber das war bei weitem schwieriger, als man sich denken konnte. Vor allem wenn man wie ich keine Blutwurst im Haus hatte. Denn ich wusste, dass diese feinen Herrschaften, denen Dwalin so freundlich den Weg versperrte, auf Blutwurst genauso panisch reagierten, wie Vampire auf Knoblauch. Doch woher auf die Schnelle nehmen und nicht stehlen? Unruhig aber hoffnungsvoll warf ich einen flüchtigen Blick in das Postpaket meiner Eltern. Doch wie ich es bereits hätte ahnen können, befand sich darin nicht die sehnlichst herbeigewünschte 'Zeugen-Jehovas-Abwehr-Waffe'. Das hätte mich auf der anderen Seite auch irgendwie schwer gewundert. Ich aß das Zeug ja selbst nicht gern. Aber für einen solchen Notfall, hätte ich die gute Wurst schon gebrauchen können. Ein bisschen davon auf ein Brot oder ein Brötchen geschmiert und schon sah man nur noch eine Staubwolke vor der eigenen Haustür, wo zuvor diese Gottesanbeter gestanden hatten. Gut, vielleicht war diese Darstellung der Dinge nicht ganz so realistisch, aber im übertragenen Sinne war es schon irgendwie amüsant mit anzusehen wie die Herrschaften sich die Hände vor die Münder klatschten und ihren Würgereiz versuchten mit leichten Hüsteln oder Räuspern zu überspielen. Besonders, wenn man ihnen auch noch das Angebot machte zum Essen zu bleiben. Der Trick zog fast immer. Oder man machte es wie meine beste Freundin Chu, die nach einer leicht durchzechten Nacht ziemlich genervt von diesen Leuten heimgesucht wurde. Sie wurde vor einigen Jahren nämlich auch so früh wegen ihnen aus dem Bett geworfen, als sie gerade mal eine Stunde geschlafen hatte. Dementsprechend gut gelaunt hatte sie die Tür ihrer Wohnung aufgestoßen und auf die Frage hin, ob sie nicht glücklich Leben wollte ziemlich barsch und Laut in ihren Hausflur gebrüllt: "ICH BIN GLÜCKLICH!" Als sie mir von der Geschichte erzählte, war ich regelrecht vor Lachen vom Stuhl gefallen. Doch dieses Mal hatte ich leider keine genervte Chu bei mir. Und innerlich fluchte ich zusätzlich noch ein bisschen, dass ich meine Eltern nicht um die Wurst gebeten hatte. Doch nun war das Kind in den Brunnen gefallen, wie man so schön im Volksmund sagte. Wobei es zuvor noch einen kleinen Balance-Akt auf dem Rand meines steinernen Fantasiegebildes einlegte. Denn zunächst konnte ich sehen, wie der Zwerg mit der Glatze die Arme vor der breiten Brust verschränkte und den Kopf dezent zur Seite neigte, um die Besucher argwöhnisch ins Auge zu fassen. "Wer seid Ihr?", fragte er in seinem üblich grantigen Tonfall. "Wir sind die Boten unseres Herrn Jesus Christus und wollen Ihnen seine Worte und Lehren näher bringen", antwortete die recht fröhlich klingende Stimme einer jungen Frau, die sich damit natürlich streng routiniert und professionell an die Vorgaben ihrer Glaubensgemeinde hielt. Folglich war sie wenig beeindruckt von dem abfälligen Ton des kleinen Mannes, der nach ihrer Antwort in wachsames Schweigen verfiel. Zum Einen war es gut, da er damit ihr unbefugtes Eindringen in mein Apartment noch ein bisschen hinaus zögerte. Zum Anderen wusste ich aber insgeheim, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie es schafften den Zwerg so sehr zu bequatschen, dass er sie ungehindert rein ließ. Es war eigentlich immer dasselbe alte Lied. Sie kamen, sie klingelten und verwickelten dann die Leute in teilweise stundenlange Gespräche über das Für und Wider ihrer Ansichten und Vorstellungen. In der Vergangenheit hatte ich mir dies das ein oder andere Mal rein aus Neugier angetan. Doch wie ich damals schon feststellen musste, schafften sie es jedwedes Argument, was man gegen die Existenz einer höheren Macht im Universum hervor brachte, mit ihren steinharten Ansichten so lange zu zerreden, bis man sich schließlich einfach darauf einigte ihre Zeitschrift oder diverse Broschüren anzunehmen, nur damit man sie endlich los war. Irgendwann hatte ich es mir angewohnt gar nicht erst an die Tür zu gehen, wenn es morgens oder mitten am Tag klingelte, ohne dass ich angemeldeten Besuch erwartete. Denn entweder standen diese Exemplare bei mir auf der Matte oder die gleichsam nervigen Haustürvertreter. In beiden Fällen war es schwer sie wieder los zu werden. Und wie ich feststellen musste, konnte die Sache mit Zwergen noch viel verzwickter werden. Denn schon war Thorin von meiner Seite gewichen und mit zügigen Schritten an seinen Gefolgsmann heran getreten. "Dwalin. Was wollen diese Menschen?", fragte er in ernstem, aber ruhigem Ton. Der Zwerg mit der Glatze schnaubte nur und drehte den Kopf halb über seine breiten Schultern zurück, um seinen König anzusehen. "Weiß nicht so recht. Der Mann sagt, sie wollen mit uns über ihren Gott reden. Und das Weib sagt, dass sie Boten sind und von irgendeinem Herren namens Jebus geschickt wurden, der seine Lehren und Weisheiten an uns weiter geben möchte", erklärte er mit einigem Misstrauen in der Stimme. Thorin gab daraufhin ein kurzes nachdenkliches und argwöhnisches Brummen von sich, während er nun höchstpersönlich die Besucher eingehend musterte. Mit Sicherheit war ihm die Sache nicht ganz geheuer. Dafür kannte ich ihn inzwischen viel zu gut. Warum sollten denn auch irgendwelche Boten eines Gottes zu dieser Zeit des Tages ausgerechnet an meine Türe klopfen? Für seinesgleichen war es bestimmt extrem ungewöhnlich, dass die Götter derartige Unterhändler schickten. Doch sicher konnte ich mir bei Thorins Gedankengängen ja nie sein. Denn immerhin lebten die Zwerge bereits längere Zeit mit den Göttern Mittelerdes zusammen. Und die würden bestimmt auch nicht persönlich mit ihnen reden wollen. Natürlich hoffte ich trotzdem inständig, dass er seinem angeborenen Misstrauen treu blieb und die Leutchen so schnell es ging weg schicken würde, wenn ihm die Angelegenheiten komisch vorkämen. Doch ausgerechnet in diesem Fall ließ er mich und meine inzwischen ausgeprägte Zwergenkenntnis völlig im Stich. Denn nach längerem Schweigen wandte er sich wieder Dwalin zu mit den Worten: "Lass sie rein. Ich will hören, was sie zu sagen haben." Im nächsten Moment fiel mir buchstäblich alles an Fassung aus dem Gesicht, als die beiden kleinen Männer von der Tür zurück traten, um die Zeugen unter einer höflichen Verbeugung herein zu bitten. Wie vor den Kopf geschlagen konnte ich nur stumm dabei zusehen, wie die beiden Menschen herein kamen und sich mit ihrem freundlichsten und vor allem künstlichsten Lächeln vorstellten. "Einen wunderschönen guten Morgen. Oh...", sagte die junge Frau und blickte sich überrascht in meinem kleinen Räumlichkeiten um. Sie war gertenschlank, hatte dunkelbraune, lange Haare zu einem netten Zopf in den Nacken geflochten und schien in selben Alter wie ich zu sein. Der Mann der neben ihr auftauchte war wohl bereits um die fünfzig, recht groß, aber trotzdem sehr hager und hatte sehr kurzes graues Haar. Beide trugen trotz dieser sommerlichen Temperaturen dunkelblaue Hosenanzüge mit identischem Schlips. Unter ihren Armen klemmten, wie sollte es auch anders sein, zwei schwarze Ledermappen in denen sie unter Garantie die unheilvollen Broschüren und die sagenumwobene Zeitschrift befanden, die Richi hinter vorgehaltener Hand immer den 'Lachwurm' nannte. Die Zwerge um mich herum waren offensichtlich von der Erscheinung der beiden Zeugen sehr beeindruckt und verneigten sich der Reihe nach höflich. Mir hingegen stieß der ganze Umstand extrem sauer auf. Deshalb versah ich auch den Zwergenkönig mit einem sehr giftigen und beleidigten Blick, nachdem er wieder in meinem Sehfeld auftauchte. Doch dieser ignorierte mich zunächst konsequent. "Ich hoffe wir kommen nicht ungelegen?", hakte der ältere Mann lächelnd nach und blickte dabei auf das Party- und Umzugschaos. "Um ehrlich zu sein, ja Sie kommen sogar sehr ungelegen", brachte ich nun endlich heraus, nachdem ich es geschafft hatte meine Zunge zu lockern. Mein kleiner Ausbruch kam zwar sehr unfreundlich und barsch daher, aber das war mir im Augenblick auf gut Deutsch gesagt ziemlich Wurst. Ich wollte diese Herrschaften nicht in meiner Wohnung haben und das wollte ich auch von Anfang an klar machen. Doch hätte mir im Gegenzug genauso klar sein müssen, dass die Herren Zwerge meine Meinung in diesem Sinne nicht teilten. Nein, sie waren sogar unglaublich empört darüber, dass ich den mutmaßlichen 'Götterboten' meiner Welt derartig respektlos zu verstehen gab, dass sie nicht willkommen waren. Deshalb sahen sich mich auch dementsprechend sehr verwirrt an. "Cuna. Was sagst du denn da?", hakte Bofur beunruhigt nach und hob die Augenbrauen bis unter die Krempe seiner Mütze. "Ich sage es so wie es ist. Die Herrschaften kommen gerade sehr ungelegen. Wir sind noch mitten im Umzug. Schaut doch mal wie unaufgeräumt es hier aussieht. So kann man doch keinen Besuch empfangen", erwiderte ich und verschränkte dabei die Arme vor der Brust. Sicher, die Unordnung war in dem Moment nicht das beste, aber mein einziges schlüssiges Argument um die Zeugen wieder los zu werden. Und mein Plan wäre vermutlich auch aufgegangen, denn die junge Frau nickte mir bereits mit einem verstehenden, aber doch sehr kühlem Lächeln zu und meinte: "Ja. Ich sehe schon. Ähm. Wenn es Ihnen jetzt nicht passt. Dann können wir auch ein Andermal wieder kommen." Doch gerade als sie sich dazu anschicken wollten zu gehen, stellte sich ihnen ausgerechnet mein Zukünftiger in den Weg und hob beschwichtigend die Hände. "Aber nicht doch. Ihr müsst mein Weib entschuldigen. Wir hatten am vergangenen Abend eine kleine Feierlichkeit und sie ist vermutlich noch etwas müde. Bitte bleibt einen Augenblick. Ich werde kurz mit ihr darüber sprechen", sagte er und warf mir dabei einen fast tödlichst beleidigten Blick zu, ehe er sich an Dori wand um diesen darum zu bitten, den Zeugen etwas zu trinken zu holen, während der Rest von Balin dazu angehalten wurde den 'Götterboten' eine Sitzgelegenheit zu verschaffen. Dafür räumten sie rasch einige meiner Umzugskisten beiseite und zogen eines der Unterteile meines Bettes aus der Ecke, wo sie die Zeugen unter vielem Bitten und Betteln dazu bewogen darauf Platz zu nehmen. Unterdessen erschien Thorin wieder an meiner Seite und beugte sich mit einem stark verärgerten Gesichtsausdruck zu mir hinunter. "Was in Durins Namen ist in dich gefahren?", raunte er mich umgehend barsch, aber sehr leise an, sodass unsere 'Gäste' ihn nicht hörten. "Ich will diese Leute hier nicht haben, Thorin", erwiderte ich knapp und zog eine trotzige Schnute. "Cuna. Das sind Boten deines Gottes. Sie haben sich bestimmt nicht ohne Grund her bemüht. Du solltest ihnen nicht derartig respektlos entgegen treten", sagte er und verengte dabei seine wunderschöne,n blauen Augen. Ich schnaubte nur kurz und tat es ihm gleich. "Sicher. Sie sind mit der Absicht hergekommen uns alle dazu zu bewegen ihrem Glauben beizutreten. Etwas anderes haben die nicht im Sinn. Und genau deshalb will ich sie nicht hier haben", entgegnete ich ohne dabei ein Knurren in meiner Stimme zu verbergen. "Mach dich nicht lächerlich, Frau. Götter tun so etwas nicht", entgegnete er und sah mich dabei ungläubig an. "Ja. EURE Götter vielleicht nicht. Aber hier bist du nicht in Mittelerde sondern in meiner Welt. Und die Menschen meiner Welt machen das schon seit Jahrhunderten. Ich kann dir nur sagen, was du gerade in die Wohnung geschleift hast, wird uns noch einigen Ärger machen. Die werden nämlich nicht eher wieder verschwinden, bis sie nicht mindestens einen von uns konvertiert haben", fauchte ich zurück. Doch wie zu erwarten stellte der Zwerg einmal mehr auf Stur und knurrte mich umgehend herrisch an: "Schluss jetzt. Ich werde mit dir nicht zu diesem Zeitpunkt darüber streiten, Cuna. Du wirst dir anhören was sie zu sagen haben. Immerhin geht es um deinen Schöpfer und diesen Worten solltest du lauschen. Es ist eine große Ehre, die dir damit zu Teil wird und ich erlaube es nicht, dass meine Frau sich derartig respektlos verhält." Nach diesen eindeutigen Worten hob er wieder den Kopf und ließ mich auf dem Sofa sitzen ohne eine erneute Erwiderung von mir abzuwarten. Stattdessen schritt er geradewegs auf die Zeugen zu, um sich noch einmal für mein unverschämtes Verhalten zu entschuldigen und nach ihrem Befinden zu erkundigen. Seufzend rollte ich mit den Augen und schüttelte matt den Kopf. Na klar. Was hatte ich auch anderes von seiner königlichen Konservativität erwartet? Das war abzusehen gewesen. Sobald es um höhere Mächte ging, war der Herr Eichenschild nicht mehr befähigt logisch zu denken. Aber gut. Ich hatte ihn zumindest gewarnt. Sollte er doch selbst damit auf seine zwergische Nase fallen. Er würde noch früh genug sehen, was er von seinen großen Worten hatte. Ich würde mich in die Sache nicht weiter einmischen als nötig. Dazu war ich tatsächlich viel zu müde vom vergangenen Tag. Trotzdem konnte ich mich nicht erwehren mich schmollend auf dem Sofa zurück zu lehnen und vor mich hin zu murren. "Mach nur Herr Eichenschild. Wirst schon sehen was du davon hast", brummte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. "Cuna. Onkel hat recht. Man sollte es sich nicht mit seinen Göttern verscherzen. Gib diesen Boten eine Chance und hör sie an", kam es plötzlich von Fili, der immer noch bei mir saß und mir beruhigend eine Hand auf den Oberschenkel legte. Ich seufzte nur und sah den blonden Jungen betreten an. "Fili. Ich kenne diese Leute da nur all zu gut. Und ich kenne auch diesen ganzen scheinheiligen Quatsch, den die von sich geben schon in und auswendig. Glaub mir, nichts was die zu sagen haben wäre neu für mich. Aber Thorin wird schon sehen was er davon hat", erwiderte ich mit einem Schnauben. Der junge Zwerg gab nur ein betretenes Seufzen von sich und schüttelte die blonde Mähne. "Ach, Schwesterchen. Nun fang doch nicht wieder an mit ihm zu streiten. Ihr habt euch gerade erst wieder miteinander vertragen. Komm ihm ein bisschen entgegen. Mehr als zuhören musst du doch nicht. Niemand verlangt von dir, dass du den Worten dieser Menschen Glauben schenkst", meinte er und streichelte dabei immer noch beschwichtigend meinen Oberschenkel. "Es geht doch nicht allein darum. Er. Ach. Er untergräbt gerade meine Prinzipien. Ich habe mich vor Jahren dazu entschieden meinem Gott zu entsagen, weil ich einfach nicht die Ansichten vertreten kann, die man uns hier von Kindesbeinen an predigt. Sicher es gibt hier und da ein paar kleine Dinge, die man beherzigen kann. Sowas wie Nächstenliebe und dass man nicht einfach irgendwelche Leute zum Spaß oder aus anderen Gründen tötet. Der Rest ist schlichtweg an den Haaren herbeigezogener Unsinn. Aber das wirst du ja gleich hören", brummte ich und verstummte gerade noch rechtzeitig, als mir Thorin einen kurzen mahnenden Blick über seine Schulter hinweg zu warf. Ich wusste, dass er meine letzten Worte wohl gehört haben musste. Doch das war mir schlichtweg egal. Ich konnte nur noch zurückgelehnt auf dem Sofa sitzen bleiben und warten, bis er selbst den großen Knall gehört hatte. Denn dieser würde garantiert früher oder später über ihn herein brechen. Die Frage war lediglich wann. Wobei ich schon ahnte, dass es eher später als früher werden würde. So machte ich es mir so bequem, wie nur möglich und starrte gespielt Teilnahmslos an die Decke. Wobei ich aber trotzdem hin und wieder zu dem sich bildenden Glaubenskreis herüber schielte. Die Zwerge versammelten sich unterdessen wie kleine Kinder um die Zeugen herum und starrten sie gespannt und neugierig an. Fehlte nur noch, dass einer von diesen aus den kleinen Ledermappen eine Gitarre hervor zauberte und sie gemeinsam 'Kumba ya, my Lord' sangen. Wobei ich dahingehend doch eher mit der Neuauflage von Michael Mittermeier und den Guano Apes liebäugelte als mit dem Klassiker. Das Lied war einfach schmissiger. Aber vermutlich wäre dies nichts für die werten Zwerge gewesen. Denn in dem Punkt gingen die Musikgeschäcker ja doch recht weit auseinander. Zum Glück waren die kleinen, bärtigen Männer aber immer noch soweit bei Verstand, dass sie sich nicht dazu anschickten mit dem mitgebrachten Holz in ihrem Kreis ein Lagerfeuer zu errichten und anzuzünden. Obwohl es das Bild vermutlich für einen Moment abgerundet hätte. Zumindest so lange bis die Nachbarn die Feuerwehr verständig hätten. Doch dazu kam es glücklicherweise nicht. Stattdessen warteten die Herren sehr gespannt darauf, dass die Zeugen endlich begannen von 'meinem Gott' zu erzählen. Als ich sie beim Herüberschielen einen Moment lang musterte, bildete sich doch ein flüchtiges Schmunzeln auf meinen Lippen. Die Beiden waren sichtlich überrascht und wohl auch ziemlich überfordert damit plötzlich so viele aufmerksame Zuhörer vorgesetzt zu bekommen. Ich konnte ihnen aber auch schon ansehen, dass sie sich fragten, wie viele sie von den Männern wohl zu ihrem Glauben bekehren konnten. Denn dafür waren sie ja immerhin gekommen. Und das machten sie auch sehr deutlich, nachdem ihnen Dori jeweils einen Becher Wasser in die Hände gedrückt und der Zwergenkönig bedächtig das Wort an sie richtete. "Also. Wir sind nun bereit Euren Worten zu lauschen. Sagt uns was Ihr vorzubringen habt, Götterboten", meinte er und wies sie mit einer lockeren Handbewegung an zu sprechen. Doch zunächst kicherten beide nur überrascht und verunsichert, ehe der ältere Mann auf Thorins Bitte einging: "Nun Götterboten sind wir nicht. Also nicht in diesem Sinn. Wir sind nur gekommen um die Worte unseres Herrn zu verkünden und die Menschen davon zu überzeugen, dass Gott tatsächlich existiert." "Ich nehme mal an Ihr redet von diesem Jebus, den Ihr vorhin kurz erwähntet. Was ist das für ein Mann? Irgendein hoher Priester oder ein König?", fragte Dwalin ruhig und aufmerksam, woraufhin ihm die junge Frau ihr wohl lieblichstes, künstlichstes Lächeln schenkte. "Nun ja. Das kann man durchaus so sagen. Er war so etwas Ähnliches wie ein Priester. Und man bezeichnete ihn als König der Könige. Denn er war Gottes Sohn", erklärte sie ihm, worauf ein kurzes andächtiges Raunen durch die Reihen der Zwerge ging. "Können Götter Kinder zeugen?", fragte Ori erstaunt und etwas leiser an seine beiden Brüder gewandt, die allerdings daraufhin nur ratlos mit den Schultern zuckten. "Sei doch nicht albern, Ori. Götter können keine Kinder zeugen. Das machen die anders. Vielleicht wurde er auch aus Erde erschaffen, wie einst unser Urvater Durin", warf Oin ein, was die restlichen Zwerge dazu bewog zustimmend zu murmeln. Doch auch auf diese indirekte Frage, hatten die werten Zeugen natürlich eine passende Antwort parat. "Also. Tatsächlich war es so, dass Gott unseren Herrn Jesus Christus mit einer sterblichen Jungfrau zeugte. Nämlich indem er den Heiligen Geist auf sie über gehen ließ und damit segnete. Doch schuf er den ersten Menschen tatsächlich aus Erde und Lehm. Sein Name war Adam und er war zusammen mit seiner Frau Eva der Begründer der Menschheit", erklärte der ältere Mann, wobei ich mir allerdings ein abfälliges Schnauben nicht verkneifen konnte, ohne mich weiter dazu zu äußern. Ja, die Schöpfungslehre. Mit der größte Unfug, den man in dem ältesten Märchenbuch der Welt, welches man die Bibel nennt nur finden konnte. Denn seit der Entdeckung der Evolutionslehren durch Charles Darvin, war die ganze Story einfach nur noch hinfällig. Aber darüber schieden sich ja immer noch die Geister. Egal wie viele Beweise und Belege man über die Wahrheit zur Entstehung der Welt und der Menschheit auch vorbrachte, die wahrhaft treuen Glaubensanhänger konnte man einfach nicht mit bestätigten Fakten überzeugen. Das sollte man auch nicht unbedingt versuchen. Denn dabei stieß man ebenso wie ich bei Thorin grundlegen auf taube Ohren und verhärtete Fronten. Folglich war es reine Zeit- und Kraftverschwendung. Oder wie es einst mein Vater einmal so schön verkündet hatte, 'Jeder soll nach seiner Fasson selig werden. Aber mich soll er damit in Ruhe lassen'. Und an diesen Grundsatz hielt ich mich für gewöhnlich auch. Doch durch die Tatsache, dass ich eine Frau war und ein ebenso sturer Bock sein konnte, wie der Zwergenkönig, ließ ich natürlich zeitweilig auch keine Gelegenheit aus meine Einstellungen zu bestimmten Thematiken anderen näher zu bringen. Wenigstens eine Sache die wir beide gemeinsam hatten. Auch wenn es nicht gerade die beste Voraussetzung für ein harmonisches Zusammenleben sein konnte. Was mir unterbewusst schon leichtes Unbehagen bereitete und bei mir erneut die leidige Frage aufkommen ließ, ob das Leben mit einem Zwergenkönig wirklich gut gehen konnte. "Mach dir keine Sorgen darum. Du schaffst das schon", erklang es plötzlich wieder in meinem Hinterstübchen. "Oh nein. Nicht du schon wieder", flüsterte ich tonlos vor mich hin und legte mir eine Hand auf die Augen, während ich genervt meinen Mund verzog. Na wunderbar. Es hatte mir gerade noch gefehlt, dass diese Stimmen wieder kamen. Dabei hatte ich so sehr gehofft sie wären verschwunden. Und dann auch noch zu diesem ungünstigen Zeitpunkt, als die beiden Zeugen gerade von den Menschen erzählten, die angeblich von Gott selbst auserwählt worden waren, seine Stimme zu hören und nach seinem Sinn zu handeln. Glücklicherweise war es tatsächlich nur die eine Stimme, die ich als mein eigenes Gewissen erkannte. Gut, das konnte und durfte von mir aus bleiben. Solange zumindest nicht wieder dieser Fremdkörper auftauchte. Denn das wäre an diesem Morgen wirklich noch die Krönung des Ganzen gewesen. Wieder ein Zusammenbruch durch einen Rückfall in den Klangrausch hätte ich bestimmt nicht überstanden. Vor allem wo es binnen weniger Stunden erneut zwischen mir und Thorin gekriselt hatte. Und das nur wegen diesen dämlichen Gottesanbetern, an deren Lippen die Zwerge mit teilweise sehr tumben Gesichtsausdrücken hingen. Besonders die Geschichten von Moses und Noah fanden sie unheimlich spannend. Wobei ich mich fragte, was daran so toll war, dass ein höheres Wesen, welches seine Schöpfung angeblich liebte, sie im selben Atemzug auch wieder hasste und vernichten wollte. Denselben Gedanken schien dahingehend auch Balin zu haben, der plötzlich eine nachdenkliche Miene aufsetzte und sich über seinen weißen Bart strich. "Also. Ich verstehe das nicht ganz", setze er an und unterbrach damit die Erzählung des älteren Mannes, der gerade dabei war zu erklären, dass die Menschen nach zehn göttlichen Geboten zu leben hatten und warf dem alten Zwerg einen fragenden Blick zu. "Was verstehen Sie denn nicht?", hakte dieser nach und hob dabei eine Augenbraue in die Stirn. "Nun wenn ich das vorhin richtig verstanden habe, seid Ihr Menschen die Kinder eures Gottes. Und als Euer Vater sollte er doch eigentlich weitaus nachsichtiger mit Euren Fehlern sein. Oder er hätte euch von Anfang an vollkommener machen müssen. Ich begreife nicht, warum er so viele seiner Kinder einfach tötet, wo Ihr doch vorhin sagtet, dass Euer Gott alle Menschen liebt", meinte Balin ruhig, woraufhin ihm aber die junge Frau ein beschwichtigendes Lächeln schenkte. "Nun sehen Sie das mal so. Die ersten Menschen waren nun einmal nicht perfekt. Und das sind sie bis heute immer noch nicht. Aber das liegt alles an der Erbsünde. Und zwar als Adam und Eva damals die Früchte vom Baum der Erkenntnis aßen. Wäre Satan nicht in Form einer Schlange erschienen und hätte die Beiden zu dieser Tat verführt, wäre es vermutlich nie dazu gekommen, dass wir das Paradies hätten verlassen müssen", erklärte sie noch einmal in einer eher dürftigen Zusammenfassung. "Das erklärt aber nicht, warum er die Menschen nach diesem Fehler nicht besser gemacht hat. Wieso hat der diejenigen, die er daraufhin geschaffen hat nicht verbessert, sondern so gelassen wie sie waren?", fragte Dori und erntete damit tatsächlich zustimmendes Gemurmel. Nun wurde ich auch aufmerksamer. Das konnte unerwarteter Weise doch noch interessant werden. Denn die Zwerge begannen nun Fragen zu stellen, die solche Leute heftig in Erklärungsnot bringen konnten, wenn sie nicht aufpassten. Doch auch dazu fanden die werten Zeugen mal wieder eine für ihre Verhältnisse logische Erklärung. "Nun der Grund war, dass der Satan sich durch die Verbannung aus dem Paradies immer mehr in die Schöpfung mit einmischen konnte. Und Gott hat es erst bemerkt, als die Menschen bereits von diesem zu sehr verdorben worden waren. Deshalb hat er auch die Städte Sodom und Gomorra ausgelöscht in der Hoffnung dadurch dem Bösen Einhalt zu gebieten, da dort die Macht des Teufels am stärksten wirkte", erklärte die Frau, was allerdings bei den kleinen, bärtigen Männern erneut auf Unverständnis stieß. "Habt Ihr nicht zuvor noch gesagt, dass Euer Gott alles sieht und alles weiß was auf der Welt vor sich geht?", fragte Kili und kratzte sich seitlich am Kopf. "Sicher. Sicher. Das tut er. Er sieht alles und er weiß auch alles...", setzte der Mann an, doch schon bestürmte ihn Bofur mit der nächsten Frage: "Aber warum hat er dann nicht schon viel früher eingegriffen und seine Kinder gerettet?" "Ähm. Nun ja. Das hat er. Indem er die Sintflut geschickt hat und jene Menschen rettete, die wahrhaft festen Glaubens waren", ergänzte der Mann. "Das ergibt doch keinen Sinn. Warum rettet er nur die, die an ihn geglaubt haben? Warum hat er nicht einfach den Teufel vernichtet und alle Menschen gerettet? Wieso nur so wenige? Und woher sind danach die anderen Menschen gekommen?", warf Gloin ein und zum ersten Mal seit dem Eintreffen der Zeugen spürte ich, dass sich Misstrauen unter den Zwergen breit machte. Ein fast gehässiges Grinsen bildete sich auf meinem Gesicht, als ich sah, dass die Herrschaften nun doch langsam ins Trudeln gerieten. Denn mit jeder Antwort die sie nun gaben, warfen sie neue Fragen auf. Fragen die nicht einmal ich wirklich hätte beantworten können, wenn ich an deren Stelle wäre. Denn egal wie alt die Zwerge auch waren, sie besaßen von Natur aus die Neugier kleiner Kinder und waren fast genauso schwer zufrieden zu stellen. Unwillkürlich kam mir die Szene in den Sinn, wo sie einst in Beutelsend beisammen gesessen und Gandalf mit der Frage bestürmt hatten, wie viele Drachen er denn schon getötet hatte. Denn so verhielten sich nun diese Gottesanbeter. Sie hüstelten wesentlich häufiger und widersprachen sich sogar wortwörtlich innerhalb von zwei Sätzen. "Also. Also einige Menschen haben es tatsächlich geschafft sich vor der Flut zu retten. Ebenso wie Noah und seine Familie", versuchte die junge Frau die Situation gerade noch zu retten. Doch schon mischte sich Dwalin ein. "Habt Ihr nicht gerade noch gesagt, dass dieser Nora mit seiner Familie, als einzige Menschen auserwählt waren sich vor den Wasser zu retten und dass sonst alles andere vernichtet wurde? Wie sollen sich dann noch mehr Menschen davor gerettet haben?", fragte dieser und ich meinte langsam kleine Schweißperlen auf der Stirn des älteren Mannes glitzern zu sehen, als dieser sie in Falten legte. "Nun ja. Noah hat ja auch vielen Menschen erzählt, dass eine Flut kommen würde. Und einige haben ihm ja geglaubt und sich selbst Boote gebaut um dieser zu entkommen", meinte er und legte dabei ein so maskenhaftes Lächeln auf, dass er gut und gerne in Madam Tussauds Wachsfigurenkabinett gepasst hätte. Aber noch immer gaben die Zwerge nicht nach und blieben beharrlich in ihrer Wissbegier. Wodurch sich auch ihre Ungeduld zusehends steigerte. "Nun bin ich verwirrt. Ihr sagtet doch, dass die Menschen Nora nicht geglaubt hatten und ihn sogar ausgelacht haben. Und dass all die, die wahrhaftig an seine Worte geglaubt hatten mit ihm auf dieser Arche waren", nuschelte Bombur und erntete dafür reihum zustimmend nickende Köpfe. "Nun. Das. Ja. Das waren auch nur die Menschen, die direkt in der Nähe des Ortes lebten, wo Noah seine Arche erbaut hatte. Das Gerücht von der Sintflut hatte sich ja über die gesamte Welt verbreitet und da gab es natürlich einige, die diesem Glauben geschenkt haben", warf die junge Frau ein und sah sich immer wieder Hilfesuchend nach ihrem Begleiter um. Nun gab Bifur ein verächtliches Schnauben von sich und grummelte: "Also an dieser Sache ist doch irgendetwas nicht ganz richtig. Ich glaube so langsam Ihr Menschen wollt uns hier einen Bären aufbinden." "Oh. Oh nein. Nein ganz bestimmt nicht. Denn das alles steht hier drin nieder geschrieben", warf die junge Frau ein und zog ihr letztes Ass aus dem Ärmel oder viel mehr aus ihrer schwarzen Ledermappe. Eine Broschüre mit Bibelausschnitten und dazu passend formulierten Erläuterungen diverser Scheinheiliger, die meinten die Worte so interpretiert zu haben, wie sie es für richtig befanden. Diese reichte sie nun einfach an den Zwergenkönig weiter, der direkt vor ihr auf dem Boden saß und als einziger die ganze Zeit über geschwiegen hatte. Ebenso stumm nahm er das Ding entgegen und begann es flüchtig durch zu blättern. Zu meinem Bedauern saß er mit dem Rücken zu meinem Blickfeld, weshalb ich seine Miene nicht erkennen konnte. Doch in mir machte sich das Gefühl breit, dass es wohl recht bald ein kleines königliches Donnerwetter geben würde. Und zwar eines, das sich ordentlich gewaschen hatte. Doch kündigte sich dieses wie ein normales Gewitter zunächst nur mit einem leichten kühlen Lüftchen an, das zufälligerweise auch gerade zum offenen Balkonfenster herein kam. Denn nun lag die Aufmerksamkeit der Zwerge nicht mehr auf den Menschen, sondern auf ihrem König, der gelegentlich ein undeffinierbares Schnauben von sich gab und zeitweilig kaum erkennbar seine schwarze Mähne schüttelte. Nachdem er die Broschüre fast bis zum Ende überflogen hatte, wand sind schließlich Fili interessiert an seinen Onkel. "Und? Was steht da drin, Thorin?", fragte er und zum ersten Mal seit vielen Minuten drehte dieser den Kopf über seine Schulter hinweg, um seinen ältesten Neffen und auch mich für einen kleinen Augenblick anzusehen. "Also. Hier steht weder etwas über Nora noch über Moses. Dafür aber viel über diesen Herr Jesus", meinte er und zuckte unwillkürlich mit den Schultern. "Und was steht da genau?", hakte Oin nach und rückte näher an den Zwergenkönig heran. Dieser Räusperte sich kurz und blätterte noch einmal zu einer Stelle irgendwo in der Mitte des Heftchens, wo er sich erneut für sich selbst die Zeilen durchlas, ehe er versuchte die Worte so wieder zu geben, wie er sie gerade so verstand. "Nun. Hier steht. Dass dieser Jesus gestorben und nach drei Tagen wieder von den Toten auferstanden ist, um danach in dem Himmel zu reisen. Wo er auf den Tag wartet um wieder zu kommen, damit er die Menschen für ihre Sünden richten kann. Aber an anderer Stelle heißt es wiederum, dass er ein barmherziger Mann war, der niemals auch nur einen Gedanken an Rache vergeudet hat. Das passt alles nicht so recht zusammen. Ich verstehe nicht was das soll", erklärte er aufrichtig und hob daraufhin den Kopf, um sich nun persönlich an die Zeugen zu wenden. Diese lächelten aufgrund seiner indirekten Frage wieder sehr künstlich, wobei ich bemerkte, wie sie Zusehens unruhiger auf dem Unterteil meines Bettes herum rutschten. "Nun. Das ist ganz einfach. Er wird damit den Willen seines Vaters erfüllen, und jene ins Himmelreich führen, die wahrhaftigen Glaubens sind", erläuterte die junge Frau so sachlich wie möglich. Doch zu ihrem großen Leidwesen konnte sie meinen Zukünftigen mit dieser eher dürftigen Antwort nicht zufrieden stellen. Denn schon zogen langsam aber stetig dunkle Gewitterwolken über der Gesprächsrunde herauf und die ersten Vorboten eines Donnergrollens hallten in seiner Stimme wider, nachdem er sich innerhalb von Sekunden einer weiteren Passage der Broschüre bemächtigte. "Aber hier steht. Dass die Menschen bereits mit der Reise zu seinem angeblichen Vater in diesen sogenannten Himmel kommen. Weil er eben für ihre Sünden gestorben ist und sie damit von allem Übel befreit hat", raunte er nun zum ersten Mal ein wenig ungehalten. Die beiden Zeugen zuckten heftig zusammen, als sie wohl von Thorins strengem und fast tödlichen Blick getroffen wurden. Denn nur das hätte die plötzlich auftretende Blässe um ihre Nasen herum erklärt, die sich mir deutlich zeigte. Innerlich lachte ich mir in diesem Moment so sehr ins Fäustchen, über ihre Zwickmühle namens Thorin Eichenschild, in die sie gerade mit voller Wucht hinein geraten waren. Ich wusste nur zu gut, dass der Zwergenkönig sich nun nicht mehr mit diesen einfachen, flapsigen Erläuterungen zufrieden geben würde. Er wollte Fakten. Belege die die Worte unterstrichen, welche sich von Wort zu Wort mehr und mehr widersprachen. Doch anstatt das Ruder herum zu reißen, um aus diesem Strudel heraus zu kommen, verstrickten sich die Herrschaften noch weiter in diese Sache. "Sehen Sie. Gott hat eben für uns alle einen Plan und...", stammelte der Mann doch schon fuhr ihm Thorin wieder dazwischen. "Welchen Plan?", herrschte er ihn barsch an, woraufhin die Zeugen erneut zusammen zuckten. "Also. Also das wissen wir Menschen natürlich nicht. Das wird uns Gott am Ende aller Tage erst offenbaren. Nämlich wenn sein Sohn zurückkehrt und...", stotterte die Frau, doch wurde sie von Bofur unterbrochen. "Wie? Ihr wisst nicht was er plant? Wir dachten Ihr wäret die Boten Eures Gottes und wolltet seine Lehren weiter geben? Aber man lernt ja gar nichts daraus", sagte der Zwerg mit der Mütze und in jedem Wort schwang seine haltlose Entrüstung mit. Nun gerieten die bedauernswerten Gottesanbeter endgültig in Erklärungsnot. Denn die Zwerge waren inzwischen so aufgebracht vor Ratlosigkeit, dass sie alle wild durcheinander plapperten und die Beiden gar nicht mehr zu Wort kommen ließen. Unterdessen konnte ich es mir nicht mehr verkneifen leise 'Kumba ya, my Lord' vor mich hin zu summen. Denn das Gewitter war nun voll im Gange und es würde schon sehr bald seinen Höhepunkt erreichen. Dazu reichte lediglich nur noch eine einzige Frage, die nur von den kleinen, bärtigen Männer kommen konnte. Und diese, stellte ausgerechnet Kili, dessen Stimme sich plötzlich unter dem gesamten Gewirr aus Worten erhob, was selbst mir einige Kopfschmerzen bereitete. "Was ist eigentlich mit Zwergen?", fragte er und binnen weniger Sekunden wurde es schlagartig still im Raum. Sogar ich hörte auf vor mich hin zu summen und musste einen Moment lang schlucken. Alle Augen wanden sich dem dunkelhaarigen Jungen zu, der die Zeugen als Einziger noch angesehen hatte. Diesen klappten nun synchron die Kinnlagen einige Etagen tiefer. Ihre Mienen spiegelten augenblicklich all ihre Gedankengänge wider. Denn die Frage war so unerwartet und in ihrem Weltbild so fehl am Platz, wie der Papst im Puff. "W-Wie? W-Was? Was meinen Sie? Was soll denn mit Zwergen sein?", stammelte die junge Frau, welche sich zuerst von dem Schock erholt hatte. "Nun ja. Warum hat Euer Gott keine Zwerge erschaffen?", hakte er etwas präziser nach, woraufhin die Zeugen sich kurz ansahen und dann plötzlich haltlos anfingen drauf los zu lachen. Doch das verging ihnen schnell. Denn aus der Stille erhob sich nun langsam aber stetig, der bevorstehende letzte Donnerschlag, in Form eines mehrstimmigen gereizten Knurrens. Ich schluckte erneut und in meiner Brust bildete sich alarmierend schnell ein panischer Knoten. Wenn die Beiden schlau genug waren und die Vorzeichen ihres drohenden Unterganges noch rechtzeitig erkannten, dann würden sie vermutlich noch in einem Stück und mit heiler Haut aus meinem Apartment entkommen können. Sicher, ich mochte diese Gottesanbeter nicht. Aber ich wollte tunlichst jede Form von Mord und Totschlag in meinen vier Wänden vermeiden. Daher schaltete ich mich auch eben noch rechtzeitig ein, um zumindest für ein wenig Schadensbegrenzung zu sorgen. Denn gerade als die junge Frau den Zwerg fragte, ob dies wirklich sein ernst war und er dies aufrichtig abknickte, fuhr ich dazwischen. "Ähm. Nur mal so. Überlegen Sie jetzt bitte genau, was Sie hier sagen", meinte ich und hob schon einmal beschwichtigend die Hände, als die kleinen Männer kurz mit ihren toternsten Gesichtern zu mir herum fuhren. Aber diese vorsichtige Warnung hätte ich wohl besser mit einem Einmachglas voller Mirabellen besprochen. Die hätte man wenigstens halbwegs gefahrlos Essen können, wenn sie fähig gewesen wären Widerworte zu geben. Doch der ältere Zeuge versah mich nur mit einem spöttischen Grinsen und schüttelte ungläubig den Kopf, ehe er genau das Gegenteil von dem tat, was ich ihnen ausnahmsweise aufrichtig von Herzen geraten hatte. "Was sollen wir denn da lange überlegen? Gute Frau, das ist ja wohl ein schlechter Witz. Warum sollte Gott Zwerge erschaffen wollen. Er ist einzig und allein für uns Menschen da. Zwerge gehören nun wirklich nicht zu seinen geliebten Geschöpfen. Nein. Also wirklich. Sämtliche Fantasiegestalten, seien es nun Fee, Elfen, Zauberer oder eben Zwerge sind allesamt Kreaturen des Teufels. Und zwar die niedrigsten ihrer Art. Einzig und allein dafür geschaffen um den Menschen ihre Totsünden aufzuzeigen, die....", sagte er, doch weiter kam er nicht. Binnen eines Wimpernschlages war die gesamte Truppe aufgestanden. Allen voran Thorin höchst persönlich, der den Mann mit einem wütenden Aufschrei am Kragen auf die Beine zerrte, sodass selbst ich mir ein ängstlichen Quieken nicht verkneifen konnte. "WIE HAST DU UNS GENANNT, DU UNEHRENHAFTER BASTARD?!", brüllte er und ich meinte sogar der ganze Plattenbau würde davon erbeben. Dem Mann wich augenblicklich die Farbe aus dem Gesicht und er stammelte nur undeutliche wirre Worte vor sich hin. Die junge Frau sprang panisch auf mein Bettgestell, während sie zusätzlich schützend die schwarze Ledermappe vor ihr Gesicht hob. Doch das mickrige Ding würde sie nicht vor dem bewahren können, was nun über sie und ihren Kollegen herein brach. Denn das waren allerhand Ansammlungen von Beschimpfungen und Hassgebrüll, dass sie ihnen sowohl in Khuzdul, wie auch in meiner Sprache entgegen schmetterten. Für die Menschen, und dieses Mal zählte sogar ich mich unterbewusst dazu, obwohl es mich nur indirekt betraf, war gerade wohl ihr schlimmster Alptraum wahr geworden. Sie waren nun nicht mehr in einem friedlichen Glaubenskreis von möglichen neuen Gemeindemitglieder umgeben, sondern in einem Todeszirkel mit rasend wütenden Zwergenmännern gefangen, aus dem es so schnell kein entrinnen mehr geben würde. Denn die Männer schlossen die Lücken sehr schnell. Und nicht mal ich konnte ihnen in diesem Augenblick noch helfen. So aufgebracht hatte ich die Männer noch nie gesehen. Nicht einmal damals, als sie in der Zeltstadt beinah bestohlen worden waren. Und selbst da konnte ich nicht wirklich eingreifen, weil mich Kili und Fili buchstäblich aus dem Weg geräumt hatten. Einen allein hätte ich ja vielleicht noch beschwichtigen können. Aber die ganze Bande? Keine Chance. Außerdem ging es dafür doch viel zu schnell, als dass ich in meinem Zustand hätte reagieren können. Denn schon packten sie alle auf einen Wink ihres Königs hin die beiden Zeugen an Armen und Beinen und zerrten sie aufgebracht in Richtung Wohnungstür. Die beiden Menschen schrien panisch und versuchten sich gegen die eisenharten Klammergriffe zur Wehr zu setzen, aber jeder Versuch scheiterte kläglich. Ich klatschte mir beide Hände an die Wangen und schüttelte fassungslos den Kopf. Ich musste eigentlich etwas tun. Aber ich konnte nicht. Immer noch versagte mir mein Körper den Dienst. Egal wie sehr ich mich auch innerlich anschrie endlich etwas zu unternehmen. Gegen diesen zwergischen Gewittersturm wäre ich haushoch unterlegen gewesen. "Nori! Mach die Tür auf!", blaffte Dwalin irgendwann, der zusammen mit Thorin, Dori, Kili und Fili den Mann festhielt. Der Zwerg mit der hellbrauen Stachelfrisur ließ sich das nicht zweimal sagen, eilte voran und öffnete. Binnen Sekunden hatten sie die Menschen schon in die schmale Diele geschleift, wo ich zum ersten Mal klar heraus hören konnte, wie sehr die Lage gerade am eskalieren war. "Werfen wir diese dreckigen Götterboten das Haus hinab!", brüllte Gloin. "Ja. Auf das sie nie wieder ihre scheußlichen Lügengeschichten verbreiten können!", stimmte Bifur nicht minder leise zu. Nun überflutete mich die Panik komplett. Das konnten sie nicht machen! Sie konnten doch nicht einfach zwei eigentlich arglose und unschuldige Menschen aus dem achten Stock werfen! Da halfen ihnen nicht einmal mehr die Gebete zu ihrem lieben Gott, die sie gerade unter einigem Wehklagen anstimmten. Das würde sie nämlich auf direktem Wege zu diesem befördern. Ich wusste zwar nicht mehr, wie ich es unter diesem Umständen und dem Chaos geschafft hatte. Aber ich war vom Sofa aufgesprungen, hatte die Decke von meinen Beinen geworfen und fast gleichzeitig einen Hechtsprung in Richtung Diele gemacht, um mir die beiden Zwerge zu krallen, die ganz hinten liefen und die schreiende Frau festhielten. Der eine war Bofur, dem ich unwillkürlich seine Mütze vom Kopf riss und der andere war Ori, den ich hinten am Kragen packte. Beiden starrten mich erst völlig perplex und dann erschrocken an, als ich sie mit letzter Kraft anbrüllte: "HÖRT AUF! SOFORT!" -84. Glaubenskrise / ENDE- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)