Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 80: 80. Erhitzte Gemüter und kühle Traditionen ------------------------------------------------------ Nun war es offiziell. Die Stimmung auf der Zwergenparty war endgültig im Eimer. Nur wurde sich keiner der Herren so wirklich einig wessen Schuld es im Endeffekt war. Ich persönlich gab mir an der ganzen Miesere selbst die Schuld. Wenn ich mich etwas mehr zusammen gerissen und nicht einfach gegen all meine Prinzipien verstoßen hätte, dann wäre ich nicht in diese peinliche und unangenehme Lage geraten. Doch mich schien in dem Moment keiner der Herren danach zu fragen. Dafür waren sie viel zu besorgt um meinen körperlichen und wohl auch geistigen Zustand. Die Tatsache, dass ich immer noch Stimmen in meinem Kopf hören konnte, die sich gegenseitig sowohl anschrien, wie auch sangen, war selbst für meine Verhältnisse sehr bedenklich. Und so wirklich eine Erklärung dafür fand ich auch nicht. Der Einzige, der wusste oder zumindest glaubte zu wissen, was es damit auf sich hatte, war der alte Oin, der es sich nach meinem Zusammenbruch zur Aufgabe gemacht hatte, für meine Gesundheit sorgte zu tragen. Dabei ging er nicht mal mit seinem König besonders zimperlich um, der mich mit seinen beiden Neffen und Bofur, wie einen nassen Sack in die Wohnung getragen hatte. "Wo sollen wir sie hinlegen?", fragte Fili ein wenig ratlos, nachdem die Vier die Balkontür passiert hatten. "Legt sie erst einmal hier drüben ab", meinte der alte Zwerg und scheuchte zunächst einmal den Rest der Truppe vom Sofa weg, wo sie mich dann ganz behutsam drauf legten. Ich atmete tief und etwas entspannt durch, als ich die weiche Federkernsitzfläche unter meinem Körper spürte und mein Kopf auf einem der größeren Sofakissen landete. Kurz drauf spürte ich schon, wie mir jemand eine der Leinendecken über warf und mich richtig darin einwickelte. "Ist das gut so, Cuna?", fragte Kili bedächtig, der sich irgendwo an meinem Fußende befand. "Es... geht schon", nuschelte ich immer noch leicht Zähneklappernd. Auch wenn mich Oins Trank innerlich schon sehr erwärmte, fror ich weiterhin wie verrückt. Das bemerkte natürlich auch Thorin, der mir immer wieder mit einer Hand über die Wangen und die Stirn fuhr. "Bringt noch ein paar Decken. Sie ist immer noch eiskalt", raunte er und ließ sich dabei auf den Boden neben meinem Kopfende nieder, um mir beruhigende Worte zu zu murmeln. Auch wenn ihm selbst wohl gerade nicht danach war ruhig zu bleiben. Aber da riss er sich ausnahmsweise einmal am Riehmen. Nach seinem Befehl war umgehend aus dem ganzen Raum das Getrampel von mehreren Stiefeln zu hören, die sich in Bewegung setzten. Danach legte sich eine Decke nach der anderen über meinen fröstelnden Körper, bis ich mir schließlich vorkam, wie eine kleine Zwiebel. Nur das ich vermutlich weit weniger streng roch. "Übertreibt es nicht mit dem Warmhalten. Wenn mein Trank seine volle Wirkung entfaltet, wird ihr noch weit wärmer werden", kam es von dem alten Zwerg, der sich inzwischen etwas weiter hinten im Raum aufhielt und an meiner Küchenzeile herum werkelte. Denn ich hörte, wie plötzlich Wasser rauschte und in mein kleines Edelstahlspülbecken lief, bevor sich das Geräusch wandelte und mehr zu einem Gluckern wurde, als würde es gerade in einem Behälter aufgefangen. In diesem Moment begann ich mich selbst zu fragen, warum ich auf einmal ein so unglaublich scharfes Gehör bekommen hatte. Für gewöhnlich fiel es mir nicht so leicht derartige Geräusche auseinander zu halten. Besonders dann nicht, wenn in der Umgebung herum hantiert oder gesprochen wurde. Denn manche Zwerge redeten reichlich aufgebracht in ihrer Muttersprache miteinander. Andere verwendeten allerdings auch meine eigene. So bekam ich mit, wie sich Ori vergleichsweise leise mit seinen älteren Brüdern unterhielt. "Ich hoffe nur, dass sie durch kommt", murmelte er und seufzte kurz bedrückt. "Mach dir darum keine Gedanken. Oin weiß was er tut", kam es betreten von Dori. "Ja. Außerdem wird sich Thorin schon um sie kümmern", meinte Nori und versuchte zuversichtlich zu klingen, doch in seiner Stimme schwang auch ein wenig Unsicherheit mit. Ori gab ein murrendes Schnauben von sich. "Wenn Thorin nicht wäre, dann ginge es ihr jetzt nicht so schlecht", fauchte er und klang zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, sehr verbittert. Ich schnaufte kurz, als ich seine Brüder erschrocken Luft holen hörte. "Ori. Junge. Sag nicht so etwas. Wir wissen ja, wie du für sie empfindest, aber das gibt dir noch lange nicht das Recht...", versuchte ihn der Älteste zu beschwichtigen, doch der Kleine ließ sich zum ersten Mal nicht von ihm in die Schranken weisen. "Ich habe im Augenblick jedwedes Recht dies zu sagen, Bruder. Auch wenn er unser König ist. Wenn er sie nicht die ganze Zeit so bevormunden und dafür mit dem nötigen Respekt behandeln würde, dann ginge es ihr auch nicht so schlecht!", sagte Ori diesmal etwas lauter, sodass auch reihum alle plötzlich verstummten. Der Zwergenkönig hielt abrupt mit dem Streicheln meiner Wange inne. "Was hast du gerade gesagt, Ori?", fragte Thorin mit sehr leiser, langsamer und verdammt gefährlicher Stimme. "Du hast mich schon verstanden", erwiderte dieser in einem reichlich übermütigem Tonfall. Ich zuckte aufgrund dessen kurz zusammen und schielte durch meine halb geöffneten Augenlider in den Raum hinein, wo ich die Drei in der Nähe meines PCs stehen sah. Ori hatte die Schultern gestrafft und war einen Schritt vorgetreten. Seine Brüder fassten ihn mit besorgten und warnenden Gesichtern an den Oberarmen. Dabei flüsterten sie ihm weiterhin beschwichtigende Worte zu. Doch der Junge ließ sich davon nicht weiter zurück halten. Er riss sich von ihnen los und wagte noch einen Schritt in den Raum hinein. Genau auf den Zwergenkönig zu. Thorin gab indessen ein hämisches Schnauben von sich. "Du bist wohl nicht ganz bei Verstand, Junge", sagte dieser immer noch sehr langsam, aber inzwischen wesentlich verärgerter und lauter. Ich schluckte ein wenig und musterte dann seine Miene. Er hatte mir zwar sein Gesicht zugewandt, doch sah er mich nicht direkt an, sondern schloss die Augen und seine Gesichtszüge spannten sich stetig an. "Ich bin durchaus bei Verstand, Thorin", meinte er schlicht und klang nicht weniger verärgert. "Und ich sage dir, du bist es nicht. Sonst würdest du dich nicht erdreisten, mir derartig die Stirn bieten zu wollen!", raunte der Zwergenkönig und war so schnell aufgestanden, dass alle in der Umgebung zurück wichen. Außer dem blonden Jungen, der weiterhin mit gestrafften Schultern da stand und nun die Arme vor der Brust verschränkte. "Ich erdreiste mich gar nichts. Ich sage dir nur endlich einmal, was ich von deiner Art mit ihr umzuspringen halte!", entgegnete er barsch und wich immer noch nicht zurück. Selbst als Thorin sich nun seinerseits aufrichtete, die Schultern straffte und einen Schritt auf ihn zu machte. Dieser hob mahnend den Zeigefinger in seine Richtung und begann ihn drohend anzuknurren: "Du solltest lieber auf deine beiden Brüder hören, Bursche. Es steht dir nicht zu, dass du dir auch nur irgendeine Meinung dazu bildest, wie ich mit meiner Frau..." "DEINE Frau?! Dass ich nicht lache! Du hast ja noch nicht einmal wirklich Anspruch auf sie erhoben! Und da wagst du es sie als DEINE Frau zu bezeichnen? So als wäre sie irgendein Gegenstand, den du dir angeeignet hättest?!", fuhr er ihm daraufhin mitten ins Wort und verengte die Augen. Doch Thorin ließ sich davon weniger beeindrucken und schritt nun so weit aus, dass er von Angesicht zu Angesicht mit ihm stand. Dabei hielt er ihm nun den Zeigefinger direkt vor die Augen und knurrte: "Vorsicht, Junge! Wage es ja nicht dir in meinem Hause..." "Dein Haus? Das ich nicht lache! Es ist ja nicht einmal dein Haus! Es gehört ihr und das weißt du auch!", blaffte Ori erneut dazwischen und näherte sich mit seinem Gesicht dem seines Königs. Es war so wutverzerrt und zornig, dass ich ein erschrockenes Keuchen von mir gab und unruhig auf meinem Sofa herum rutschte. Ich erkannte den Jungen gar nicht wieder. Bisher war er mir nur als sehr schüchterner und liebenswerter, kleiner Kerl unter den Zwergen bekannt gewesen. Was ich nun sah, war ein völlig veränderter Ori. Einer der sich traute einem Mann die Stirn zu bieten, der ihm sowohl körperlich, als auch erfahrungsgemäß weit überlegen war. Ich wusste nicht, ob ich es als lebensmüde, größenwahnsinnig oder einfach nur mutig bezeichnen sollte. Vermutlich war es alles auf einmal. Doch im Endeffekt hoffte ich für ihn, dass er so schnell wie möglich wieder von dieser Schiene herunter kam. Denn zum Einen passte es gar nicht zu ihm und zum Anderen fürchtete ich, dass sich bald eine ordentliche Schlägerei anbahnte. Denn Thorins Hand, die noch an seiner anderen Seite herunter hing, ballte sich immer wieder zur Faust und auch sein kräftiger Oberkörper schien sich mit jedem Wiederwort des Jungen zu verbreitern. Alles in allem schien er körperlich zu wachsen, während er erneut mit drohender Stimme zu ihm sprach: "Du scheinst gerade zu vergessen mit wem du hier redest, Bursche. Außerdem, wenn du schon von Respekt gegenüber Anderen sprichst, lerne erst einmal selbst, was dieses Wort bedeutet. Und ich rate dir, dass du es schnell lernst. Sonst werde ich dem Ganzen ein bisschen nachhelfen!" "Ich werde dir erst wieder Respekt entgegen bringen, wenn du Cuna endlich so behandelst, wie sie es verdient hat!", entgegnete der Junge und schlug dabei Thorins Hand weg. Seine Brüder schlugen unterdessen ihre Hände vor die Münder und der Rest gab aufgeregtes Gemurmel von sich. Dwalin sah ein wenig unschlüssig zwischen den Beiden hin und her. Aber auch ihm war deutlich eine wachsame Anspannung anzumerken. Er ahnte wohl schon, dass es in nächsten Moment zu einem unglaublichen Krach kommen würde. Und wie ich es mir selbst auch dachte, kam es wie es kommen musste. Nun platzte dem Zwergenkönig endgültig der Geduldsfaden und er knurrte laut: "Du hast es ja so gewollt!" Mit diesen Worten sah ich, wie Thorin den Jungen ruckartig am Kragen packte und die andere Hand, die er zur Faust geballt hatte hob. Verblüfft und nun doch verunsichert starrte Ori zunächst in Thorins Gesicht und dann auf die Faust, die sich bereit zum Schlag auf seiner Augenhöhe befand. Ein dicker Kloß bildete sich in meinem Hals und mir rutschte das Herz in die Hose. Die Szene eskalierte direkt vor meinen Augen und ich war nicht im Stande etwas zu unternehmen. Ich konnte mich nur auf die Seite drehen und den beiden Streithammeln dabei zusehen, wie sie geradewegs in eine Katastrophe hinein schlitterten. Doch brauchte ich mich selbst gar nicht bemühen. Denn gerade als Thorins Faust nach vorne schnellte, griff Dwalin beherzt dazwischen und packte seinen König und besten Freund fest am Handgelenk. Dieser fluchte kurz drauf heftig, als er merkte, dass er knapp vor der Nase des Jungen gezwungen wurde einzuhalten. "In Durins Namen! Lass mich los, Dwalin!", brülle er dem Zwerg mit der Glatze entgegen, doch dieser warf ihm nur einen eindringlichen und unerbittlichen Blick zu. "Das werde ich nicht tun. Nicht bevor du dich beruhig hast", sagte er langsam. "Erzähl du mir nicht, dass ich mich beruhigen soll! Diese Made hat für seine Frechheiten eine Lektion verdient!", keifte Thorin ihn an und ließ dabei von Ori ab, der nun schützend und keuchend zwischen seine beiden Brüder genommen wurde. Ich schluckte heftig und rutschte noch unruhiger, ja fast schon ängstlich wimmernd auf dem Sofa herum, als ich endlich einen Teil von Thorins Gesicht sehen konnte. Es war genauso wutverzerrt, wie das von Ori zuvor und nun warf er diesen Blick seinem besten Freund zu, der ihn allerdings eher gleichmütig, aber weiterhin eindringlich ansah. "Ich weiß, dass es nicht richtig von Ori war, so mit dir zu reden. Aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt um das auf diese Art zu klären", meinte Dwalin dann sehr ruhig, hielt sein Handgelenk weiter fest und schien noch etwas stärker zu zu packen, als der Zwergenkönig versuchte sich von ihm los zu reißen. Nebenher schielte der kahlköpfige Zwerg kurz an ihm vorbei und warf mir einen flüchtigen und ziemlich unterkühlten Blick zu, bei dem ich kurz zusammen zuckte. Er war so streng und vorwurfsvoll, dass ich mich immer kleiner machte, je länger er mich anstarrte. Ich konnte gut darin lesen, dass er mir die Schuld an dem ganzen Streit gab, doch schien er es nicht zu wagen auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Er wollte wohl nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Wofür ich ihm insgeheim doch dankbar war. Noch mehr Streit und Zank an diesem Abend wären eindeutig zu viel des Guten, oder viel mehr schlechten. Als der Zwergenkönig nämlich wenig später dem Blick seines Freundes folgte und er mich ins Auge fasste, entspannten sich seine Gesichtszüge langsam und er setzte mit einem knappen Nicken eine sehr undurchsichtige Miene auf. Er atmete ein paar Mal tief durch und wurde schließlich losgelassen, als er sich soweit wieder im griff hatte. Danach verlor er kein einziges Wort mehr über den Zwist, sondern bewegte sich zurück in meine Richtung. Auch die anderen verfielen in tiefes Schweigen, während er den Raum durchschritt. Die Stille war gespenstisch, selbst wenn ich nur indirekt von Stille reden konnte, da die Stimmen und Klänge in meinem Kopf sich weiterhin nicht einig wurden. Nachdem der Zwergenkönig bei mir angekommen war, schaute er nur auf mich hinab, legte mir einen Moment die Hand auf den Kopf und verließ mich dann einfach Wortlos wieder. Das verwirrte mich ja schon einen Moment. Ich hatte damit gerechnet, dass er sich wieder an meine Seite setzen und mit mir reden würde. Stattdessen wand er sich von mir ab und redete nur kurz mit Fili, der an der ebenso an meinem Kopfende stand. "Fili. Kümmere du dich eine Weile um Cuna", murmelte er seinem ältesten Neffen zu, der nur ein knappes "Ja" von sich gab. Dann verschwand er einfach hinaus auf den Balkon, wo ich weder sehen noch hören konnte, was er gerade tat. Doch ich vermutete, dass er sich einfach nur eben verzog, um ein wenig allein zu sein. So etwas brauchte jeder einmal. Selbst ein Zwergenkönig. Daher nahm ich es ihm auch nicht wirklich übel, dass er mich in der Obhut seiner Gefolgsmänner und vor allem Neffen zurück ließ. Nun nahm Fili seinen Platz an meinem Kopfende ein, indem er sich auf den Boden daneben setzte und mich besorgt musterte. Oin kam unterdessen mit einem langgezogenen Seufzen herbei, stellte eine Schale mit Wasser samt einem Lappen neben dem Jungen auf den Boden und brummte: "Alles Kinder. Einer wie der andere." Dann hob er seine Hand und ließ diese einen Moment später auf meinem Gesicht nieder, um es zu begutachten. Ich spürte, dass sie sich nun deutlich kühler anfühlte als dieses und der Zwerg nickte einmal sachlich. "Gut. Der Trank wirkt jetzt. Bleibt liegen und versucht Euch so weit es Euch möglich ist auszuruhen. Das könnte für Euch noch eine lange anstrengende Nacht werden", meinte er, löste die Hand von meinem Kopf und griff dann nach dem Lappen, den er aus rang. Danach platzierte er mir diesen direkt auf der Stirn. Ich brummte ihm nur zustimmend entgegen ohne ihn direkt anzusehen. Das alles tat mir mehr als nur leid. Der ganze Abend war für die Beteiligten versaut. Besonders für den Zwergenkönig und mich. Aber auch der Rest der Gruppe war dementsprechend nur noch schlecht auf mich zu sprechen. Zumindest kam es mir so vor. Konnte jedoch auch nur einbildung sein, weil mir die melodische Stimme dies erneut einreden wollte. Was sie auch zumindest teilweise schaffte. Ich schluckte nämlich kurz und senkte den Blick auf die Sitzfläche des Sofas. "Das ist meine Schuld", murmelte ich leise vor mich hin und schloss meine Lider um einige Tränen zu unterdrücken, die in mir aufsteigen wollten. "Sag doch nicht so etwas, Schwesterchen", murmelte Fili mir entgegen, der mir ganz behutsam über den Kopf streichelte. "Wieso ist das nur alles aus dem Ruder gelaufen? Es hat doch so schön angefangen. Und jetzt... Ach. Es ist eine Katastrophe. Was hab ich nur angerichtet?", klagte ich und machte mich noch ein wenig kleiner, während es meinen Körper leicht schüttelte, als ich versuchte einen Heulkrampf zu unterdrücken. "Hört auf Euch Vorwürfe zu machen, Kindchen. Ihr seid die Letzte, die das muss. Wir hätten darauf acht geben müssen, dass es mit Euch nicht so weit kommt. Gandalf hat jeden einzelnen von uns davor gewarnt, dass Ihr dem Klangrausch erliegen könntet. Wenn, dann tragen wir alle dafür die Verantwortung", raunte Oin mich reichlich barsch an und platzierte den Lappen wieder auf meinem Kopf, der durch mein Gezitter herunter gerutscht war. Ich schniefte kurz und musterte den alten Zwerg mit bedrückter Miene. "Ich. Ich verstehe es immer noch nicht. Was. Was ist da eigentlich passiert? Was ist nur los mit mir?", fragte ich mit belegter Stimme. Oin seufzte einmal kurz und schüttelte dann mit ernster Miene den Bart. Dann begann er mir in aller Ruhe zu erklären, was es mit der ganzen Sache auf sich hatte. "Seht mal. Wie ich zufällig mitbekommen habe, hat Balin Euch vorhin schon erklärt, wie es sich mit den Dingen aus Mittelerde verhält und dass alles von einer Melodie durchzogen ist. Ganz anders als die Dinge hier in dieser Welt, die Ihr gewohnt seid. Da aber Euer Körper unsere Dinge weder kennt noch gewohnt ist, bestand stets die Gefahr, dass jedes kleine Bisschen zu einem völligen Zusammenbruch führen konnte. Wozu es ja nun zu meinem und Eurem Bedauern gekommen ist", sagte er ruhig. Ich nickte nur langsam und nachdenklich. "Deshalb höre ich gerade irgendwelche Klänge und Stimmen in meinem Kopf, ja?", hakte ich vorsichtig nach und der alte Zwerg nickte bestätigend. "So ist es. Daher hat mich Gandalf damit betraut ein Auge auf Euch zu halten und diesen Trank, den ich Euch eingeflößt habe, zu zu bereiten. Er wusste wohl sehr genau, dass es passiert. Immerhin ist er ja ein Zauberer und die wissen verdammt viel. Anders als wir, will ich meinen. Ich weiß zum Beispiel nicht, weswegen es Euch auf einmal überkommen hat. Mich wunderte es nur, dass Ihr so lange durchgehalten habt, ohne den Klängen derartig zu verfallen", ergänzte er und kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Aber ich weiß es", kam es plötzlich mit leiser und beschämter Stimme von meinem Fußende her. Ich hob leicht den Kopf und sah, dass Bofur langsam auf uns zu kam. Er hatte seine Mütze abgenommen, die er nun zwischen seinen nervösen Fingern leicht zerknautschte. Fili, der die ganze Zeit über Oin gelauscht hatte, hob ebenfalls den Kopf und legte diesen mit fragendem Blick schief. "Und wie ist das passiert, Bofur?", hakte er ruhig nach. Der Angesprochene seufzte und ließ die Schultern hängen, bevor er geknickt antwortete: "Ich hab ihr was von meinem 'Alten Tobi' gegeben." "Du hast WAS?! Bist du von allen Göttern verlassen?! Du kannst ihr doch nicht einfach so ein starkes Pfeifenkraut geben!", kam es mit entsetztem und vorwurfsvollem Ton von Kili, der sich zwar auch in der Nähe aufhielt, den ich aber aus meiner Position nicht sehen konnte. Bofur zuckte heftig zusammen und sah nur betreten zu Boden. "Es tut mir unsagbar leid. Ich habe doch nicht ahnen können, dass sie darauf so reagieren könnte. Ich meine, es wirkt doch eigentlich entspannend und beruhigend. Und da dachte ich... ich... also...", nuschelte er nur, doch dann schwieg er schließlich, als er wohl keine schlüssigen Argumente für sein Handeln mehr fand. Der alte Oin brummte bedächtig und zählte in seinem Kopf wohl gerade Eins und Eins zusammen. Ich allerdings sah mich nur verwirrt zwischen den Männern um, die ich gerade so mit meinen Augen erfassen konnte. "Was hat es denn mit dem 'Alten Tobi' auf sich?", fragte ich schließlich, als sich niemand dazu anschickte mir das Ganze von sich aus zu erklären. Daraufhin meldete sich, nach langem Anschweigen, Balin zu Wort, der heran trat und mich mit andächtiger Miene musterte. "Alter Tobi ist seit jeher ein besonders delikates Pfeifenkraut, das für gewöhnlich im südlichen Auenland angebaut wird. Zum Einen sorgt es zeitweilig dafür, dass sich Geist und Körper in einen Zustand völliger Entspannung und Ruhe begeben. Aber andererseits schärft es auch sämtliche Sinne. Das bedeutet, dass Ihr dadurch fähig seid, besser zu hören, zu sehen und zu fühlen. Für gewöhnlich ist es recht harmlos. Aber da Gandalf es geschafft hat dieses Kraut mit Hilfe der Elben im Reich der Götter anzubauen, ist es um einiges stärker geworden. Wir brauchten selbst eine Weile, bis wir uns daran gewöhnt hatten", meinte er und strich sich durch den Bart. "Also ähnlich wie Gras", schlussfolgerte ich laut vor mich hin, worauf mir die Zwerge reichlich irritierte Blicke zu warfen. "Wieso Gras? Raucht man bei euch Menschen hier etwa Heu?", fragte Fili und schüttelte bei dem Gedanken leicht angewidert den Kopf. Nun musste ich doch wieder etwas kichern, obwohl die ganze Situation eigentlich weniger zu lachen war. Aber ihre Unwissenheit war immer wieder zu amüsant. "Nein. Wir rauchen hier kein Heu. Als Gras bezeichnen wir hier eine Pflanze, die so ähnlich wirkt wie 'Alter Tobi'. Die sieht im getrockneten Zustand ein wenig aus wie Heu. Deshalb nennt man es auch umgangssprachlich Gras", erklärte ich leicht belustigt und erntete dafür einige neugierige Blicke. "Das klingt interessant. Ich würde es gerne einmal versuchen. Wo bekommt man das?", kam es plötzlich von Nori, der davon hellhörig geworden war und nun auch heran trat. Ich seufzte kurz und rollte mich von der Seite auf den Rücken. "Das wirst du hier nicht so einfach bekommen. Es ist verboten. Also zumindest der Verkauf und dass man es anbaut", meinte ich schlicht und schaute zur Zimmerdecke. "Verboten? Weswegen?", hakte Oin nach, der den Lappen auf meiner Stirn wieder etwas zurecht rückte. "Weil es unter die Kategorie Drogen fällt. Das sind Stoffe, die süchtig machen können und eventuell dazu verleiten könnten stärkere Sachen konsumieren zu wollen. Einfach nur, um sich in einen länger andauernden Zustand der Entspannung zu versetzen. Oder um sich damit auf zu putschen. Ist ein bisschen kompliziert und so gut kenne ich mich damit auch nicht aus. Aber zumindest verstehe ich jetzt ein bisschen, warum es mir so geht", meinte ich und atmete einmal tief durch. "Ich verstehe nicht, warum es falsch sein soll, sich einfach dadurch zu entspannen. Was ist so schlimm daran?", kam es plötzlich von Bofur, der sich nun wieder wagte etwas zu sagen. Ich seufzte kurz und schloss einen Moment die Augen. "Du siehst, was mit mir passiert ist, nachdem ich etwas von eurem Zeug zu mir genommen habe. Hier in meiner Welt gibt es Stoffe und Mittelchen, die noch viel stärker sind. Meistens werde sie künstlich hergestellt und können dadurch den Körper und auch den Geist bis zur Unendlichkeit hin zerstören. Ihr müsst wissen. Es ist nicht immer nur etwas, das man rauchen kann. Nein. manche essen oder schnupfen es. Andere gehen sogar noch viel weiter und spritzen sich das Zeug direkt ins Blut. Wenn es einmal soweit gekommen ist, gibt es nur sehr wenige, die es schaffen sich davon wieder zu lösen. Die einzigen Auswege daraus, sind entweder Aufenthalte in Kliniken, die sehr lange dauern können. Oder eben der Tod", entgegnete ich mit kühler Gelassenheit. Allerdings hatte ich mal wieder nicht bedacht, dass das letzte Wort bei den Herren erneut für Unruhe sorgen könnte. Denn nun brachen sie in reichlich bestürztes Gemurmel aus. "Oh Mahal. Das ist Schrecklich!", kam es kopfschüttelnd von Balin, den ich im Augenwinkel musterte. Fili strich mir unterdessen ein wenig fahrig über den Kopf und schluckte heftig. "Aber... Aber du wirst doch jetzt hoffentlich nicht sterben, oder?", fragte Bofur und hockte sich hastig neben Oin, der ebenso wie Balin den Kopf schüttelte. Allerdings aus anderen Gründen. "Nun werdet mal nicht albern. Sie hat keines dieser eigenartigen Mittel ihrer Welt zu sich genommen, sondern nur ein wenig 'Alter Tobi'. Davon stirbt man nicht gleich", sagte der Alte unmissverständlich gereizt, weil Bofur beinahe die Schale mit Wasser umgestoßen hätte. "Bist du dir da ganz sicher, Oin? Ich meine. Es ist schlimm genug, dass mir Thorin womöglich für den Zopf den Hals umdrehen will. Aber wenn ich sie wegen zwei Pfeifenzügen bereits zum Tode verurteilt habe, dann...", stammelte er, doch schon hob der alte Zwerg beschwichtigend eine Hand. "Glaub mir, wenn ich dir sage, dass du dahingehend nichts zu befürchten hast. Was die andere Sache angeht, wirst du dich wohl oder übel vor ihm verantworten müssen. Warum hast du das auch gemacht? Du bist doch kein Zwergling mehr und weißt über unsere Gesetze und Traditionen Bescheid", meinte Oin ein wenig ungehalten. "Ja. Aber wir dachten, weil Cuna ein Mensch ist, untersteht sie diesen Gesetzen nicht", sagte der Mützenzwerg kleinlaut, woraufhin Balin leicht bestürzt fragte: "Wir? Wer denn noch?" Nun tauchte Kili mit betretener Miene aus dem Hintergrund auf und nuschelte: "Fili. Und ich." "Was in Durins Namen habt ihr drei euch denn bitte dabei gedacht?", raunte plötzlich Dwalins Stimme quer durch den Raum. "Gar nichts. Wirklich. Wir. Wir wollten ihr nur helfen", meinte Fili entschuldigend und senkte beschämt den Blick. "Da sieht man mal, wie sehr ihr geholfen habt. Ihr wusstet alle ganz genau, dass es gegen unsere Traditionen verstößt, einer Frau einfach Grundlos an die Haare zu gehen", kam es empört von Dori. "Was regt ihr euch denn bitte wegen diesem dummen Zopf so auf? Falls ihr euch erinnert, ihr habt mir alle schon mal gleichzeitig welche ins Haar gemacht", murmelte ich ein wenig genervt, da ich das Gefühl hatte mal wieder übergangen zu werden. Ich konnte auch wirklich nicht begreifen, was daran denn nun so schlimm war, dass Bofur mir eine nette Frisur gemacht hatte. Zumindest so lange nicht, bis Balin sich kurz räusperte und versuchte mir die Lage zu schildern. Was die Situation aber nicht bedeutend besser machte. "Das war etwas völlig Anderes und hatte nichts mit dem zu tun, was wir meinten, meine Liebe. Es ist nämlich so. Seit jeher gehört bei uns Zwergen das Flechten der Haare, einem altehrwürdigen Ritual der Werbung, um die Gunst eines Gefährten oder einer Gefährtin an. Jede Familie, jedes Zwergenvolk und jeder Stand, angefangen vom niederen Arbeiter, bis hin zu den höchsten Lords und Königen besitzen ihre eigene Kunst und Fingerfertigkeit, um das Haar des Partners so zu flechten, dass man daran genau erkennt, wer welcher Familie angehörig ist und welchem Stand dieser Zwerg in seinem Volk einnimmt. Dieses Ritual ist eigentlich sehr persönlich und wird nur in einem geschützten Rahmen durchgeführt. Häufig werden vorher noch andere Riten abgehalten, wie das Schenken zweier Gegenstände von gleichem Wert, Bedeutung und Aussehen. Damit bindet man sich zunächst an ein gegenseitiges Versprechen, den Anderen irgendwann einmal zu ehelichen. Das Ganze wird vollendet, wenn sich die Partner eine Nacht miteinander geteilt haben und sich gegenseitig das Haar auf dem Haupt oder den Bart flechten. Wenn das alles abgeschlossen ist, müssen beide nur noch das Wort 'Âzyungâl' sagen", erklärte mir der Zwerg feierlich und hüllte sich danach in Schweigen. Mir klappte unterdessen immer wieder ungläubig der Mund auf und zu. Ich wusste wirklich nicht, was ich gerade dazu sagen sollte. Zum Einen war ich sehr beeindruckt, wie viel Balin sich doch behalten konnte. Zum Anderen verwirrte mich diese Art der Brautwerbung sehr. Um nicht zu sagen, sie erschütterte mich ein bisschen. Dass es wirklich so dermaßen schwer sein konnte einen Zwerg zu heiraten, hatte ich mir nicht einmal in meinen kühnsten Träumen ausgemalt. Daher fiel mein spontaner Kommentar zu der Sache auch dementsprechend nüchtern und ziemlich unbedacht aus, nachdem ich das alles soweit ich konnte erfasst hatte. "Gott, wie besoffen muss man sein, um sich so einen komplizierten Blödsinn auszudenken?", fragte ich in Richtung Decke, woraufhin unter den Herren ein ziemlich verstimmtes Brummen los brach. "Das sind alte, gebräuchliche Traditionen bei uns. Wie kannst du dir anmaßen sie als Blödsinn zu bezeichnen, Weibstück?", raunte Dwalin barsch aus dem Hintergrund. "Weil ich damit nichts anfangen kann, Herr Dwalin. Ganz einfach. Das macht alles nur kompliziert. Was geschieht denn, wenn sich bei euch zwei Zwerge aus unterschiedlichen Ständen ineinander verlieben? Dürfen die dann nicht heiraten, weil keiner dem Anderen einen Gegenstand schenken kann, der sich im Wert und dem äußeren gleicht?", fragte ich und schielte einmal reihum über die Gesichter, die ich sehen konnte. "Bedauerlicher weise, ja. Es kommt zudem reichlich selten vor, dass sich Zwerge unterschiedlichen Standes überhaupt auf einer derartigen Ebene begegnen. Aber wenn so etwas vorkommt, dann ist diese Begegnung dazu verdammt nie eine Zukunft zu haben", meinte Oin ruhig und nahm mir noch einmal den Lappen von der Stirn, um ihn zu befeuchten. Nach seinen Worten, die er eigentlich als ziemlich belanglos abtat, musste ich schwer schlucken. Keine Zukunft? Keine Hoffnung darauf, dass sich zwei Wesen, die sich liebten, aber unterschiedlichen Ständen angehörten, jemals zusammen glücklich werden konnten oder sogar sein durften? War es tatsächlich so kompliziert und ausweglos, einfach so mit einem Zwerg zusammen zu sein, der weit höher stand, als man selbst? Ein einfach Leben mit jemandem zu führen, den man eigentlich über alles liebte? Konnte... nein. Durfte ich mir dann überhaupt anmaßen, den Zwergenkönig weiterhin als meinen Liebsten zu bezeichnen, wo ich nun wusste, dass wir eigentlich in keinster Weise zusammen sein durften? Die Erkenntnis über dieses Ausmaß an Schwierigkeiten traf mich, wie ein heftiger Schlag mit einem Schmiedehammer in die Magengrube. Mir blieb buchstäblich die Luft weg und mein Herz verkrampfte sich so sehr, dass ich mühe hatte mich zusammen zu reißen, um nicht laut los zu schreien. Stattdessen biss ich mir heftig auf die Unterlippe und kniff die Augen fest zu, um zu verhindern, dass auch nur ein Ton meiner Kehle entsprang, der meinen ganzen Gefühlskonflikt preis gegeben hätte. Doch auch meine verbissene Zurückhaltung sorgte für ein wenig Besorgnis. Besonders bei Fili, der mich leicht zu rütteln begann und immer wieder meinen Namen sagte. "Oin. Ich glaube es geht ihr wieder schlechter", meinte er dann nach einer Weile, als ich ihm tunlichst versuchte nicht zu Antworten. Dieser seufzte allerdings nur und brummte: "Ich fürchte, das war im Augenblick ein wenig zu viel für sie. Wir sollten sie jetzt in ruhe lassen und ihr, und uns etwas Schlaf gönnen. Der Abend war lang und mühselig. Belassen wir alles vorerst dabei, wie es ist. Morgen sieht die Welt wieder anders aus." Ich hörte, wie die Umstehenden zustimmend murmelten und einer nach dem anderen von meiner Seite wich. "Ich werde mal kurz nach Thorin sehen", kam es noch von Balin, der zur Balkontür hinaus ging. Der Rest der Truppe machte sich unterdessen daran, in dem kleinen Raum irgendwo auf dem Boden einen Schlafplatz zu finden. Die Einzigen, die jedoch weiterhin an meiner Seite Wache hielten, waren Fili, Kili, Bofur und der alte Oin. Doch wusste ich, dass ich in dieser Nacht definitiv vorerst keinen ruhigen Schlaf finden würde. - 80. Erhitzte Gemüter und kühle Traditionen / ENDE - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)