Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 78: 78. Komplikationen ------------------------------ Nach der ersten musikalischen Einlage an diesem Abend hockte ich buchstäblich geflasht zwischen den kleinen, bärtigen Männern und atmete noch ein paar Mal ganz tief durch, während ich immer noch die Vibrationen des Gesangs und der Instrumente am ganzen Leib spüren konnte. Eine Melodie, die sich mir tief ins Herz brannte und dort festigte, sodass ich sie nie wieder vergessen konnte. Nachdem sie ihren Beitrag beendet hatten, der mehr einer kleinen Ballade glich, begannen die Herren wieder geschwätziger zu werden. Sie lachten, schenkten sich erneut gegenseitig Bier oder Wein in die Gläser und stießen auf den Rest des Abends an. Ich gab ein leises Seufzen von mir und ließ meinen Kopf bedächtig auf Thorins kräftige Schulter sinken, bevor ich langsam die Augen wieder aufschlug. Dieser zuckte kurz zusammen und damit auch mit der Schulter nach oben, weshalb ich meinen Kopf leider wenig später wieder anheben musste. "Nicht einschlafen, Cuna", brummte er mich unmissverständlich forsch an und ich grummelte etwas. "Ich bin nicht eingeschlafen. Ich hab mich nur etwas entspannt", erwiderte ich gelassen und wollte mich erneut bei ihm anlehnen. Aber leider genau dann, als er sich gerade nach hinten streckte, um sein eigenes Glas Bier zu greifen, welches er dort abgestellt hatte. Etwas erschrocken musste ich daraufhin feststellen, dass mir der erhoffte Halt verwehrt blieb und ich unsanft mit meinem Kopf in seinem Schoß landete, wobei ich um ein Haar seine Harfe verfehlte. Zum Glück hatte er diese vorsorglicher Weise bereits ein wenig beiseite geschoben, sonst hätte ich vermutlich genau darauf legen. Allerdings brachte es den kleinen, dunkelhaarigen Mann dennoch dazu, mich aufgebracht verbal zusammen zu falten, nachdem er das Gewicht meines Oberkörpers in seinem Schoß zu spüren bekam. "Sag mal, bist du noch bei Trost, Frau?!", knurrte er und schubste mich fast etwas brutal mit einem festem Griff an der Schulter von sich weg, bis ich wieder aufrecht saß. Verwirrt und fragend legte ich den Kopf schief, während ich den Zwergenkönig musterte, der sich mit einem genervten Gesichtsausdruck sein Glas an den Mund setzte und einen großen Zug daraus nahm. "Meine Güte. Was ist denn auf einmal mit dir kaputt?", hakte ich leicht verunsichert nach und schüttelte verwirrt den Kopf. "Was ist fragst du noch? Du hättest um ein Haar die Harfe beschädigt", knurrte er gereizt. "Ich hab die doch nicht mal berührt", entgegnete ich daraufhin bestürzt, was er mit einem Schnauben abtat. "Hättest du aber. Sei gefälligst achtsamer, Weib. Sie ist unersetzlich", raunte Thorin barsch und versah mich mit einem sehr strengen Blick. Diesen erwiderte ich ein bisschen verstört und zog etwas die Augenbrauen zusammen, als der Zwergenkönig das Instrument mit einer kurz Handbewegung von seinen Knien hob und mit etwas Entfernung zu mir auf den Decken wieder abstellte. Dabei ließ er mich kein einziges Mal aus den Augen. Er rutschte sogar um einige Zentimeter von mir weg, was ich mit einem kurzen Schlucken zur Kenntnis nahm. Damit machte er seinen Standpunkt für mich wortlos klar. 'Komm mir nicht mehr so nahe und fass mich heute nicht mehr an', stand ihm buchstäblich in seine verhärteten Gesichtszüge geschrieben. Dieser Ausdruck erschreckte mich innerlich ein bisschen, da ich ihn nur zu gut kannte. Auch wenn es nicht von ihm selbst war. Ein 'schon-mal-erlebt' Gefühl zog sich in meiner Brust zusammen und ließ mich eine ganze Weile nicht mehr los. Unglaublich wie ähnlich sich zwei Wesen aus vollkommen verschiedenen Welten charakterlich doch sein konnten, stellte ich missmutig fest und ergriff mein Weinglas, während ich versuchte darüber nachzudenken. Sicher. Er hatte recht. Das Teil war schließlich aus Gold und vermutlich Handgefertigt. Ich wusste zwar nicht, wie viel Harfen in meiner Welt so kosteten oder wie man deren Preislage festlegen konnte. Aber diese schätzte ich auf einen Wert in unbekannter Millionen Höhe. Warum er auch ausgerechnet dieses Ding mit sich herum und mir ins Haus schleppen musste, war mir ein Rätsel. Eine gewöhnliche hätte es sicherlich für diesen Anlass auch getan. Aber ich hatte inzwischen gelernt nicht mehr alles zu hinterfragen, was mein Zukünftiger tat. Stattdessen musste ich allmählich lernen gewisse Sachen einfach so hin zu nehmen wie sie kamen. Und den kleinen Rüffler hatte ich in dem Fall irgendwo auch zurecht bekommen. Ich seufzte einen Augenblick mit resignierender Miene und wand dann meine Augen von ihm ab, um mir einen tiefen Zug Wein zu gönnen, damit ich diese unnützen Gedanken und Erinnerungen, die in mir aufsteigen wollten, wieder runter spülen konnte. Es war eigentlich gar nicht meine Art so etwas zu tun. Doch seit ich den Zwergenkönig in mein Leben gelassen hatte, wurde mir mehr und mehr bewusst, in wie weit ich begann mich zu verändern. Ich wusste nur noch nicht, ob es nun zum Guten oder zum Schlechten war. Aber wie es sich auch weiter entwickeln würde, so hoffte ich doch, dass ich zumindest einem Teil meiner Prinzipien treu bleiben würde. Nur sicher konnte ich mir da nicht wirklich sein. Denn mit jeder Beziehung in die man hinein stolperte, kamen andere Veränderungen hinzu und neue Gegebenheiten wurden geschafften, an die man sich erst einmal gewöhnen musste. Und sich an Zwerge zu gewöhnen, vor allem an Zwergenkönige, konnte doch Zeitweilig recht anstrengend werden. Nach dem ordentlichen Schluck, setzte ich das leere Glas auf dem Boden neben mir wieder ab. Dieses füllte sich umgehend erneut fast von selbst, nachdem Dori gesehen hatte, wie ich den Rest hinunter gestürzt hatte. "Übernimm dich nicht, Cuna. Der Wein steigt einem schneller zu Kopf, als man denkt", ermahnte er mich mit einem freundlichen Grinsen, da ich diese auch ansetzte und rasch hinunter stürzte bevor ich sein Grinsen halbherzig erwiderte. "Ja, ich versuche es. Es fällt mir nur schwer, wenn ihr mir ständig nach schenkt. Aber entschuldigst du mich kurz. Ich muss noch etwas erledigen", murmelte ich ihm leise zu, stellte mein leeres Glas beiseite, erhob ich mich langsam von meinem Platz und schritt zwischen den Zwergen hindurch. "Wo willst du denn auf einmal hin?", fragte Fili und warf mir einen irritierten Blick zu, als ich an ihm vorbei kam. "Ich gehe die Tür anständig verriegeln. Wenn dein werter Onkel mir schon einen Gegenstand ins Haus schleppt, der sämtliche Einbrecher aus hundert Kilometer Umkreis anlockt, dann will ich die wenigstens nicht sofort in der Bude haben. Vor allem dann nicht, wenn wir hier alle völlig betrunken und außer Gefecht gesetzt herum liegen", erklärte ich ihm leise und setzte meinen Weg zur Wohnungstür fort. Es war das Beste, was ich in diesem Moment tun konnte. Einfach Abstand zum Zwergenkönig halten und ihm etwas Freiraum lassen. So hatte ich es bei meinem Verblichenen getan, wenn dieser eine derartige Phase hatte. Das half in den meisten Fällen auch und sorgte nicht für unnötige Reibereien. Thorin würde sich schon früher oder später wieder ein kriegen und die Sache auf sich beruhen lassen. Dann konnte ich mich ihm mit Sicherheit wieder etwas nähern. Trotzdem stieß sein Verhalten bei mir aber auch auf einiges Unverständnis, während ich ein Schloss nach dem anderen verriegelte. Er hätte eigentlich wissen müssen, dass ich das Ganze nicht mit der Absicht getan hatte, sein Lieblingsspielzeug zu zerstören. Aber Männer waren wohl in allen Welten gleich, wenn es um ihre besten Stücke ging. Und damit meinte ich ausnahmsweise einmal nicht ihr drittes Standbein, das ich bei ihm vermutlich auch nur knapp verfehlt hatte. Denn ansonsten hätte er die nachfolgenden Lieder nur noch im Sopran singen können, zu denen nach der kleinen Trinkpause wieder angesetzt wurde. Diesmal ging es etwas schmissiger zu. Der gute Bofur ließ es sich dieses Mal nicht nehmen ein kleines Tavernenlied zum Besten zu geben. Als ich mich umdrehte, stand er bereits in der Mitte der Runde auf einem der leeren Bierfässer und wäre dabei fast an meine Deckenlampe gestoßen. Zu seinem und auch dem Glück meiner Lampe, war er ja nicht so übermäßig groß. Ich kam wieder etwas näher und hockte mich vorerst zwischen Kili und Fili, da ich nicht mitten in seine Darbietung rein platzen wollte. Die beiden klatschten im Takt zur Melodie und lächelten mich einen Moment lang an, bis ihnen dieses bei meinem Anblick auf dem Gesicht gefror. "Cuna? Was hast du?", fragte Kili und hob besorgt eine Augenbraue. Ich schüttelte nur den Kopf und murmelte: "Es ist nichts weiter. Zumindest nichts Schwerwiegendes." "Bist du sicher?", hakte Fili nach und versah mich mit einem eindringlichen Blick. "Es war nur ein kleiner Disput mit eurem Onkel. Nichts weiter", gab ich mit einem leisen Seufzen zu und lauschte dann Bofurs Lied, der dazu munter auf dem Bierfass herum tanzte. Sofern man es überhaupt tanzen nennen konnte. Er drehte sich lediglich auf der kleinen Fläche ein paar Mal herum, machte einige Gesten mit den Händen und Armen, und stampfte dabei mit einem Fuß auf das Holz, was einen dumpfen, hohlen Klang von sich gab. Ich versuchte unterdessen im Takt mit zu klatschen und eine fröhliche Miene aufzusetzen, die von meinem kleinen Unwohlsein etwas ablenken sollte. Doch die beiden Brüder zu meinen Seiten ließen sich davon natürlich nicht täuschen und rückten etwas näher an mich heran, damit sie ruhig mit mir reden konnten. "Hat es etwas mit seiner Harfe zu tun, auf die du vorhin beinahe drauf gefallen bist?", murmelte Kili und neigte dabei den Kopf ganz dicht an mein Ohr, damit auch nur ich es hören konnte. Ich zuckte nur mit den Schultern, die ich danach etwas hängen ließ. "Ja und nein, Kili. Weißt du, mir ist klar, dass das Teil da unglaublich wertvoll ist. Vermutlich sogar um einiges mehr, als alles was ich besitze und jemals besessen habe. Von daher kann ich seine aufgebrachte Reaktion durchaus nachvollziehen", erwiderte ich ohne ihn anzusehen, doch ich konnte an seinem zustimmenden brummen hören, dass er wohl nickte. "Onkel ist etwas eigen was seine Besitztümer angeht. Aber das war er schon immer. Du solltest ein wenig achtsamer sein. Besonders, wenn wir bald unsere Waffen her holen werden", meinte Fili eher beiläufig, was mich dazu brachte den blonden Jungen irritiert anzusehen. "Ihr bringt eure Waffen her? Weshalb?", fragte ich besorgt und zog meine Augenbrauen weit in die Stirn. Der junge Zwerg seufzte kurz und warf mir dann einen entschuldigenden Blick zu, den ich aber zunächst nicht nachvollziehen konnte, bis er mir seine Erklärung auf meine Fragen gab. "Sieh mal. Es ist so. Thorin hatte sich eigentlich in den Kopf gesetzt, alleine mit dir in dieser Welt zu leben. Allerdings nicht Tag ein Tag aus. Er ist immerhin noch zu einem gewissen Teil der König unseres Volkes und Anführer dieser Gemeinschaft. Auch wenn er vorhin etwas anderes gesagt hat. Deswegen hat er weiterhin die verantwortungsvolle Aufgabe, sich um meinen Bruder und mich, sowie um die Anderen hier zu kümmern. Weil er dich aber nicht alleine lassen will oder vielmehr kann und sobald du unseren Vetter in dir trägst erst recht, hat er uns dazu angehalten, dass wir so lange dafür sorge tragen, damit es dir an nichts fehlt und du vor Feinden geschützt bist. Außerdem geht es ihm wohl auch darum, dass dir kein anderer Mann zu nahe tritt", antwortete er und wurde zum Ende hin immer leiser. Ich spürte, wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich und ich schluckte schwer. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in meiner Brust breit und ich biss mir bedrückt auf die Unterlippe, als in meinem bereits leicht benebelten Verstand eine dunkle Vorahnung reifte. Doch bevor sich diese festigen konnte, brauchte ich noch mehr Informationen, die ich bestimmt auf nachfrage von den beiden Brüdern erhalten würde. "Das. Das heißt ihr beide sollt also nur hier leben, um als meine Aufpasser zu fungieren?", hakte ich vorsichtig nach, woraufhin allerdings Kili antwortete. Wobei er aber ein wenig herum druckste. "Nein. Nicht gänzlich. Es geht natürlich auch darum, dass. Also eigentlich sollte ich es dir nicht sagen, weil Thorin das nicht wollte. Aber in Anbetracht der Umstände. Weißt du", nuschelte er verlegen und sah dabei auf die Decke unter sich. "Was ist es? Lass es dir doch nicht aus der Nase ziehen", bestürmte ich ihn fordernd und ergriff dabei seinen Arm. Er hörte auf zu klatschen und musterte mich betreten. Der dunkelhaarige Junge gab ein leises Seufzen von sich und neigte dann mit großen, runden Rehaugen seinen Kopf. "Er. Er möchte. Dass. Dass du uns unsere Mutter ersetzt, Cuna", meinte er dann schlicht und sein Bruder brummte von der Anderen Seite her bestätigend. Ich weitete ungläubig die Augen und warf meinen Kopf immer wieder langsam zwischen den Beiden hin und her. "Das. Das ist doch nicht euer Ernst Jungs, oder?", fragte ich fast tonlos und sah leicht erschocken zu, wie sie einstimmig nickten. "Doch. Ist es. Er denkt, dass wäre sehr wichtig für uns. Auch damit du lernst Verantwortung zu übernehmen. Versteh das nicht falsch. Er hat nur das Beste für uns alle im Sinn. Und wir werden mit Sicherheit nicht versuchen, dir zu sehr zur Last zu fallen. Schließlich sind wir beide alt genug, um auf uns selbst acht zu geben. Außerdem, bin ich ja nicht nur allein deswegen hier her zurück gekommen", sagte Fili und warf mir einen vielsagenden Blick zu. In seinen hellblauen Augen, die seinem Onkel ziemlich ähnlich sahen, konnte ich deutlich eine Spur von Wärme erkennen und dass seine Gedanken gerade in eine andere Richtung abschweiften, das nicht zu diesem beklemmenden Thema gehörte, was wir gerade besprachen. Wo es mir auffiel, musste ich mir plötzlich mit der Hand vor die Stirn schlagen. "Himmel. Das hab ich ja ganz vergessen", stieß ich hervor, nachdem ihm von meiner Reaktion etwas die Gesichtszüge entglitten waren und er mich besorgt betrachtete. "Was ist? Was hast du denn vergessen?", fragte er und legte den Kopf leicht schief, als ich mit einer Hand in die Hosentasche fuhr und mein Handy hervor zog. Ich schüttelte kurz den Kopf und murmelte hastig: "Ich hab völlig vergessen Jana Bescheid zu geben, dass du wieder da bist. Sie wartet deswegen schon seit über einem Monat auf eine Nachricht von mir. Meine Güte, das hab ich bei all der Aufregung und dem Umzugsstress völlig verdrängt. Entschuldigt mich einen Moment ihr zwei." "Nur zu. Aber lass dir nicht zu viel Zeit damit. Und richte ihr bitte aus, dass ich mich sehr auf unser Wiedersehen freue", meinte Fili und lachte kurz, als ich ein wenig überstürzt zur Balkontür hinaus stolperte, da dort der Empfang besser war und ich ungestört eine SMS schreiben konnte. Dort angekommen wehte mir ein lauwarmer Sommernachtswind um die Nase, der mich kurz aufseufzen ließ. Die große Hitze des Tages war zwar endgültig verflogen, aber trotzdem schaffte es dieses laue Lüftchen nicht, mir ein wenig Abkühlung zu verschaffen. Was vermutlich auch mit an dem Zwergenwein lag, der nun an der frischen Luft deutlich seine Wirkung entfaltete und mich etwas ins wanken brachte. Trotzdem setzte er mich nicht so sehr außer Gefecht, sodass ich wenigstens noch die Nachricht an Jana verfassen konnte. Aber doch soweit, dass in meinem Kopf noch mehr kleine Nebenschwaden durch meine Gedanken rauschten. Ich blieb daher an der niedrigen Mauer stehen und lehnte mich mit samt Handy darauf, während ich die Botschaft schrieb. "Hi Jana, wie geht es dir? Ich hoffe gut. Heute Morgen ist Fili zu Besuch gekommen und wird mit seinem Bruder und seinem Onkel eine Weile bei mir wohnen. Er freut sich sehr dich bald wiederzusehen. Liebe Grüße, Jacky." Es waren eigentlich nur ganz simple Worte, die die wichtigsten Informationen an sie weiter gaben. Wobei ich mir nicht wirklich sicher war, ob sie diese am selben Abend noch lesen würde. Allerdings war ich mir in diesem Augenblick über vieles nicht mehr so ganz im Klaren, nachdem ich mein Handy wieder in meine Hosentasche gleiten und meinen Blick über die nächtliche Atmosphäre der Kleinstadt schweifen ließ. Die Worte der beiden jungen Zwerge beschäftigten mich sehr. Dass ich für die Beiden den Mutterersatz spielen sollte, passt mir persönlich überhaupt nicht. Auch dass die beiden Jungs im Gengenzug immer ein Auge auf mich behalten sollten, bei allem was ich tat. Vermutlich sollten sie meinem Zukünftigen auch noch Bericht über das erstatten, was ich in der Zeit getan hatte, wenn er wirklich zwischendurch auf einen Abstecher in Mittelerde war. Dass ich mit ihnen nicht nur zwei zusätzliche Mäuler zum Stopfen hatte, sondern auch noch zwei Aufpasser an die Seite gestellt bekam, die jeden meiner Schritte in meiner Welt überwachen sollten, schmeckte mir noch weniger. Ein ziemlich hartnäckiges Gefühl begann an meinem Herzen zu nagen. Eines das mir die Stimmung ziemlich verhagelte. Doch bevor ich genauer darüber nachdenken konnte, klatschte mir plötzlich jemand von hinten kräftig eine Hand auf die Schulter und lachte laut, als ich keuchend fast Vorne über kippte und halb über der Balkonmauer lag. "Hey, Cuna. Was machst du denn allein hier draußen? Hat dir mein Gesang nicht gefallen oder warum bist du auf einmal so überstürzt geflüchtet?", kam es putzmunter von Bofur, der sich zu mir gesellte und mich breit angrinste, als ich mürrisch den Kopf hob. "Man. Bofur. Wie oft muss ich dir eigentlich noch sagen, dass du mir nicht so doll auf den Rücken hauen sollst?", entgegnete ich husten und schüttelte dann den Kopf, als er erneut auflachte und dann seine Pfeife samt Tabaksbeutel hervor zog. Er kratzt kurz etwas im Pfeifenkopf herum, während ich ihn immer noch mürrisch und beleidigt ansah, bevor er sie mit etwas Kraut stopfte und sich in den Mundwinkel steckte, ehe er wieder zu mir schaute. "Tut mir wirklich leid. Das ist eine meiner leidgen Angewohnheiten. Aber nun im Ernst. Was machst du allein hier draußen? Genießt du die Nacht?", hakte er dann beschwichtigend nach und entzündete das Kraut mit einer Art Feuerzeug, dass sich ebenfalls in seinem Tabaksbeutel befand. Ich seufzte nur leise und schüttelte bedächtig den Kopf. "Ich bin nur rausgegangen, weil ich für Filis Freundin eine Nachricht geschrieben habe und um etwas frische Luft zu schnappen", meinte ich dann und blickte wieder in die Ferne. "Hrm. Verstehe. Und es hatte nichts damit zu tun, dass Thorin dich vorhin zurecht gewiesen hat?", hakte er neugierig nach, während mir langsam ein leicht würziger, süßlicher Duft in die Nase stieg. Kleine Wölkchen flogen sacht in den Sternenlosen, klaren Nachthimmel, die vom orangefarbenen Licht der Straßenlaternen weit unter uns erhellt wurden, als der Zwerg mit der Mütze ein paar tiefe Züge genommen hatte. Ich schwieg in dem Moment und wog meine nächsten Worte in Gedanken hin und her. Ich war mir unsicher, ob ich mit Bofur darüber reden konnte, was mich beschäftigte oder nicht. Und noch viel unsicherer war ich mir, ob er es denn auch verstehen würde. Verstehen konnte ich es ja selbst nicht wirklich. Ich setzte zwar ein paar Mal dazu an etwas zu sagen, doch dann beließ ich es einfach bei einem Räuspern oder verlegenem Hüsteln. Schließlich war er es, der in munterem Tonfall das Schweigen brach und amüsiert vor sich hin plauderte. "Weißt du, ich bin schon irgendwie ein bisschen neidisch auf Thorin, Kili und Fili. Die können deine Welt hier entdecken und sich ein schönes neues Leben machen. Wir anderen hingegen bleiben im Reich der Götter zurück und werden da wohl vor uns hin versauern. Das finde ich wirklich ungerecht. Ich würde auch zu gerne hier leben und wieder einer vernünftigen Beschäftigung nachgehen. Und mir dann vielleicht auch eine besonders liebe Frau an die Seite nehmen", meinte er zwinkernd und lächelte süffisant, als ich ihn bei seinen Worten leicht im Augenwinkel musterte. "Da muss es ja echt langweilig sein", erwiderte ich schlicht und war innerlich dankbar das Thema wechseln zu können. Er zog noch einmal kurz an seiner Pfeife und nickte daraufhin ruhig. "Das ist es. Wir haben da nicht viel zu tun. Sicher, wir haben dort viel gelernt in der Zeit. Manche Dinge, die wir so nie in Mittelerde gelernt hätten. Doch mit der Zeit wird man diesem Ort einfach überdrüssig. Besonders wenn man so rast- und ruhelos ist, wie wir Zwerge. Deshalb war es für mich auch eine Abwechslung an diesem einen Tag für dich auf dem Markt zu stehen und etwas verkaufen zu können. Um ehrlich zu sein, mir fehlt der Trubel, das Leben, die Leute und vor allem die Kinder, die um einen herum laufen", erklärte er und seufzte einen Moment sehnsüchtig. Ich hob leicht verwundert die Augenbrauen und legte den Kopf schief. "Du vermisst wirklich Kinder um dich herum? Solche, die schreien, plärren und dir in den unnötigsten Situationen vors Schienbein treten, um dir damit zu sagen, dass du ein Trottel bist?", hakte ich nach, woraufhin er allerdings schallend anfing zu lachen. "Bei Durins Bart. Du hast wohl nicht allzu viel gute Erfahrungen mit Kindern gemacht. Hab ich recht, Cuna? Selbstverständlich vermisse ich Kinder um mich herum. Das schon allein wegen meiner Berufung. Hab ich dir denn nie erzählt, dass ich Spielzeugmacher bin?", sagte er und wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln. "Um ehrlich zu sein, nein. Hast du nie. Zumindest nicht soweit ich mich erinnere", erwiderte ich ruhig. Bofur gluckste immer noch und schüttelte dann bedächtig den Kopf. "Nun ja, dann habe ich wohl vergessen es zu erwähnen. Aber im Ernst. Kinder sind für mich das aller Schönste auf der Welt. Leider habe ich nie die eine Frau gefunden, mit der ich eigene haben konnte. Deswegen habe ich diese Berufung auch ergriffen. Ich liebe es einfach ihre strahlenden Augen und Gesichter zu sehen, wenn sie das, was ich mit meiner Hände Arbeit für sie geschaffen habe wertschätzen. Das macht mich unendlich glücklich und lässt mich zumindest erahnen, wie es wohl sein mag selbst Vater zu sein", sagte er verträumt und schaute dabei zufrieden lächelnd in den dunkelblauen Nachthimmel. Ich zuckte zu dieser Sache nur mit den Schultern, nickte ihm dann lediglich bestätigend zu. Er war wirklich ein ganz komischer Vogel, mit all seinen Vorstellungen und Träumen. Aber bei weitem cleverer, als ich ganz zu Anfang erwartet hatte. Und mit seiner Vermutung bezüglich meinen Lebenserfahrungen mit Kindern, hatte er voll ins Schwarze getroffen. Gute Erfahrungen hatte ich wirklich nicht gemacht. Ich wusste zwar nicht ganz warum, aber irgendwie konnten mich Kinder nie ausstehen. Egal wo ich hinkam, fingen sie, an zu weinen, wenn sie noch sehr klein waren oder warfen mir unverständlicher weise Beleidigungen und manchmal sogar Spielzeug an den Kopf. Von den Schienbeintritten einmal abgesehen. Das hatte allerdings früher oder später irgendwann zu einem Punkt geführt, wo ich selbst eine Antipathie zu diesen Nervensägen aufgebaut hatte. Ich würde es noch nicht mal als Kinderhass bezeichnen wollen, wenn man mich danach fragte. Denn es lag nie in meinem Interesse ihnen im Gegenzug etwas anzutun. Immerhin hatte ich auch irgendwo noch ein Herz. Allerdings traf diese Sache nicht zwingend auf die Bäkger anderer Leute zu. Nein, für diese kleinen, sabbernden Monster, war ich wirklich so etwas, wie der große, schwarze Mann. Nur eben in weiblich. So nüchtern betrachtet, wobei nüchtern inzwischen ein sehr dehnbarer Begriff bei mir war, keine gute Voraussetzung dafür selbst Mutter zu werden, auch wenn Thorin noch so vehement darauf pochte. Für mich stand dahingehend schon fest, dass ich eine Schwangerschaft so weit wie möglich hinaus zögern würde wie es eben ging. Selbst wenn es besagtem Jemand vermutlich nicht gefiel. Was ich ihm aber definitiv nicht auf die Nase binden wollte. Zumindest nicht so bald. Das würde vermutlich zu einem anderen Zeitpunkt noch für genügend Gesprächsstoff sorgen und in einer wochenlangen Diskussion über das Für und Wieder des Elternwerdens enden. Wobei mir in dem Zusammenhang eine wunderschöne Weisheit in den Sinn kam, die eigentlich auf jedes Paar zutraf, das ihren kleinen Kevin oder ihre süße Chantal in Armen hielt. 'Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr'. Und genau vor letzterem Teil der Weisheit fürchtete ich mich am Meisten. Die Erfahrung hatte mich nun einmal gelehrt, dass es nur eine Haltung gab, die ich diesbezüglich einnehmen konnte. Nämlich abstandhalten. So weit es ging. Zumindest bisher, da auch mein Verflossener diese Ansicht mit mir geteilt hatte. Aber genau an dem Punkt unterschieden sich der Zwergenkönig und er extrem voneinander. Thorin wollte einen Erben und das um jeden Preis. Der Gedanke daran ließ mich unruhig werden und ich schüttelte mich kurz wieder, als mir das Bild von den vielen bärtigen Kindern um mich herum erneut vor Augen trat. Da schob sich plötzlich etwas vor mein Gesicht und der würzig süße Geruch in meiner Nähe wurde etwas intensiver als zuvor. Ich blinzelte irritiert und sah, dass Bofur mir seinen Pfeife unter die Nase hielt und mich dabei aufmunternd anlächelte. "Nimm mal einen Zug. Das beruhigt die Nerven", sagte er freundlich, aber nicht aufdringlich. Leicht verwirrt sah ich erst zu ihm, dann zur Pfeife und dann wieder zu ihm. "Ich weiß wirklich nicht, ob ich das tun sollte. Ich hab seit einigen Jahren nicht mehr geraucht. Und Pfeife schon mal gar nicht. Außerdem weiß ich gar nicht, was da drin ist", sagte ich ruhig und wollte das Zeug wieder zu ihm hin schieben, als er sehr sachte meinte: "Das ist lediglich etwas Alter Tobi. Ein einfaches Auenlandkraut. Vollkommen ungefährlich. Wenn du einen Zug genommen hast, wirst du dich vielleicht etwas schwindlig, aber wesentlich entspannter fühlen. Und ich glaube irgendwie hast du das nach diesem Tag wirklich nötig." Ich seufzte kurz während ich immer noch hin und her blickte. Ich war verunsichert bezüglich dem Kräutlein. Doch irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich dem Zwerg mit der Mütze einfach Vertrauen sollte. Schließlich hatte er mir ja das eine Mal ordentlich aus der Patsche geholfen, als wir zusammen mit Kili und Fili nach dem Einkaufen an der Tankstelle gestrandet waren. Also ließ ich mich nach langem Hin und Her überlegen doch von ihm breit schlagen, nahm die Pfeife in meine Hand und setzte mir die Öffnung an den Mund. "Pass aber auf, dass du nicht versehentlich hinein pustest. Das könnte sehr unangenehm werden", erklärte er schließlich und ich begann einmal tief und lange daran zu ziehen. Sofort strömte der Rauch in meinen Mund, den ich wenig später tief in meine Lungen hinein sog. Es war weit angenehmer, als ich es erwartet hatte. Es kratzte nicht und schmeckte auch nicht schlecht. Es war fast so, als würde ich ein Büschel Petersilie rauchen. Wobei ich mir nicht vorstellen konnte, dass Petersilie auch genauso schmeckte, wie das Zeug wenn man sie rauchte. Das hatte ich so gesehen noch nie probiert und hatte es auch in naher Zukunft nicht vor. Was mir aber zusätzlich auffiel, war das plötzliche, entspannende Gefühl, was sich in mir ausbreitete, ehe ich die Pfeife sinken ließ, um den Rauch wieder heraus zu blasen. Oder in diesem Fall zu husten, da ich das nach der langen, rauchfreien Pause nicht mehr gewohnt war. Bofur lachte kurz auf, nahm mir die Pfeife dann vorsorglich ab und tätschelte mir behutsam den Rücken. "Das war wohl ein bisschen zu überstürzt. Du darfst nicht gleich so viel auf einmal nehmen. Gerade dann nicht, wenn du schon etwas getrunken hast. Sonst verlierst du zu schnell die Besinnung", meinte er und musste mich ein bisschen festhalten, da mir tatsächlich leicht schwindlig geworden war. Ich schüttelte matt den Kopf und atmete ein paar Mal die warme Nachtluft ein, die es schaffte, dass der Schwindel recht schnell wieder verflog. Aber das Gefühl der Entspanntheit blieb und begann sich sogar noch ein wenig mehr in mir auszubreiten. Ich seufzte kurz und löste mich dann wieder etwas vom Zwerg mit der Mütze, der nun selbst erneut an seinem Pfeifchen zog. "Meine Güte. Das hat es irgendwie in sich", meinte ich nach einer Weile mit ruhiger brummender Stimmlage, die ich zwar so nicht von mir kannte, aber mich in keinster Weise erschreckte oder gar zu stören schien. "Und? Fühlst du dich schon entspannt?", hakte er nach und musterte mich neugierig. Ich nickte nur matt und sah dann ruhig zu ihm. Er lächelte versonnen und zog noch einmal an seiner Pfeife, bevor er sie mir ein zweites Mal reichte. Ich nahm diese erneut in die Hand und zog ein weiteres Mal daran. Aber diesmal etwas vorsichtiger, damit ich nicht gleich wieder einen Hustenanfall bekam. Doch mehr als zwei Züge wollte ich wirklich nicht nehmen. Entspannung hin oder her. Meine innere Stimme sagte mir unterbewusst, dass an diesem Punkt Schluss war. Daran hielt ich mich auch, als er versuchte mir das Ding ein drittes Mal zu reichen. Ich hob lediglich die Hand und lächelte ihn ruhig aber freundlich an, ohne etwas zu sagen. Er nickte verstehen und grinste breit. Der Nebel in meinem Kopf verdichtete sich ein bisschen und ließ meine Gedanken etwas langsamer laufen. Gediegener und doch irgendwie losgelöst. Kurzum. Ich war high. Und das volle Kanone. Aber es gefiel mir irgendwie. Besonders, weil ich mit Bofur einen angenehmen Gesprächspartner hatte. Wir redeten über dies und das. Meist eher belangloses Zeug, wie beispielsweise das Wetter. Auch wenn das nicht so spannend war. Zumindest besser als in diesem Moment an Thorin und seine Eigenarten zu denken. "Gefällt dir eigentlich der Abend bisher?", fragte er irgendwann woraufhin ich wieder nickte. "Oh ja. Um ehrlich zu sein. Ich war noch nie auf so einer verrückten Party. Überhaupt ist alles so. Anders. Neu. Und unwirklich. Als würde ich irgendwo in einem Bett liegen und träumen", meinte ich schlicht und sah lieblich lächelnd den Rauchwölkchen hinterher, die zum Himmel empor flogen. "Ja. Das kann ich mir denken. Wobei ich irgendwie nicht den Eindruck habe, dass du im Augenblick wirklich glücklich bist", sagte er ohne mich anzusehen. Ich hob langsam eine Augenbraue und erwiderte: "Was macht dich da so sicher, dass ich es nicht bin? Bisher läuft so gesehen alles recht gut. Naja, bis auf die kleinen Reibereien heute. Aber ein Umzug ist halt sehr stressig." Bofur machte eine kurze Pause in der er nachdenklich vor sich hin starrte und die Pfeife in seinem Mundwinkel behielt. Dann sprach er in einem vorsichtigen, aber sehr ernsten Ton zu mir, den er wirklich nur sehr sehr selten anschlug. Aber wenn er es tat, war es auch genauso gemeint. "Als du vorhin nicht auf meine Frage bezüglich Thorin geantwortet hast, hat mir das eigentlich schon alles gesagt. Dich hat vermutlich seine leicht aufbrausende Art wegen der Harfe erschreckt. Das hat man dir im übrigen sehr deutlich angesehen. Und ich war nicht der Einzige dem das aufgefallen ist. Auch wie verletzt du plötzlich warst, nachdem er von deiner Seite weg rutschte. Ich kann mir durchaus vorstellen, wie es dir in dem Moment wohl ergangen sein muss. Obwohl ich nie in einer solchen Situation war. Aber ich möchte dir trotzdem sagen, dass du dir das nicht so sehr zu Herzen nehmen solltest. Es ist genauso schwer für ihn, wie für dich mit dieser unerwarteten Zweisamkeit zurecht zu kommen. Gib ihm etwas Zeit und schenk ihm genauso viel Vertrauen, wie er dir. Du bist immerhin seine Âzyungâl", sagte er und legte mir behutsam eine Hand auf die Schulter. Als seine Worte bei mir ankamen schüttelte ich verwirrt den Kopf. "Ich bin seine Azu... was bitte?", fragte ich irritiert und schielte ihn schräg an. Der Zwerg mit der Mütze hob kurz die Augenbrauen in die Stirn und musterte mich eingehend. "Âzyungâl. Seine Geliebte und wahre Liebe. Erzähl mir nicht, dass er dich bisher noch nie so genannt hat", meinte er schulterzuckend, als sollte dieses Wort für mich eigentlich selbstverständlich sein. Doch das genaue Gegenteil war der Fall, weshalb ich auch den Kopf schüttelte. "Nein. Das hat er bisher noch nie zu mir gesagt. Er sagte bisher nur zwei mal Amrâlimê. Ich dachte, das wäre in etwa das Selbe", entgegnete ich ihm ruhig. Bofur entglitten daraufhin allerdings die Gesichtszüge und er weitete fast bestürzt die Augen. Er nahm die Pfeife aus seinem Mund und schüttelte heftig den Kopf. "Oh. Oh, Mahal. Das ist bei weitem nicht das Selbe, Cuna. Amrâlimê nennt man bei uns nur seine Geliebte. Âzyungâl, seine zukünftige oder bereits Ehefrau, auf die ein Zwerg Anspruch erhoben hat. Bist du dir ganz sicher, dass er dich nicht wenigstens einmal so genannt hat?", fragte er und rüttelte mich etwas an den Schultern. Ich schüttelte nur den Kopf und spürte gleichzeitig, wie sich trotz des Pfeifenkrauteinflusses eine sehr heftige Unruhe in mir breit machte. Wenn Bofur deswegen so aufgebracht war, dann war es unter Garantie nicht gut. Und seiner Erklärung zu folge, hatte ich gerade wohl ein gewaltiges Problem bekommen. Eines das mir die Knie weich werden ließ. Nun spürte ich wieder dieses nagende Gefühl an meinem Herzen, dass ich nun sehr deutlich definieren konnte. Viel besser als noch vor einigen Minuten. Es war Misstrauen. Reines und tiefgehendes Misstrauen. Der Zwergenkönig hatte offenbar tatsächlich sein Vertrauen in mich verloren. Und das zeigte sich, wie es aussah, allein durch dieses eine einzige Wort. Ein Wort das für einen Zwerg von sehr schwerwiegender Bedeutung sein musste. Und wobei mir plötzlich einiges bewusst wurde. Ich war nicht wirklich sein geliebtes Weib. Ich war nur seine Geliebte. Er hatte zwar irgendwo Gefühle für mich, aber diese waren anscheinend doch nicht so stark wie erwartet. Nun meinte ich auch sein Verhalten nachvollziehen zu können. Der Grund, warum ich auf seine Neffen aufpassen und diese mich gleichzeitig im Auge behalten sollten. Auch warum er nicht durchgehend bei mir sein wollte oder konnte schien auf einmal für mich Sinn zu ergeben. Dass er mich so von sich weg geschoben und von mir abgerückt war. Alles ergab in meinem vom Wein und Pfeifenkraut berauschten Geist einen Sinn. Ich war nur seine Geliebte. Nichts weiter als eine kleine, billige Affäre für den großen Zwergenkönig. In dem Zusammenhang, fiel mir plötzlich wieder ein, was mir einst mein Vater einmal sagte. 'Verloben bedeutet: Sicherstellen und weiter suchen'. Das war es also, was er nach meinem Verrat an ihm getan hatte, nachdem ich Chu die Wahrheit erzählt hatte. Er hatte es mir nicht verziehen. Die ganze Zeit über nicht. Das alles war in meinem Augen Teil einer einzigen großen Strafe für mich. Ich sollte mich mit ihm verloben, damit er wohl Ausschau nach einer wahrhaft treuen und loyalen Frau halten konnte. Eine die es wirklich wert war, dass er sie als seine einzig wahre Liebe bezeichnete. Und ich wäre höchsten die zweite Wahl in seinem kleinen Spiel, wenn er keine Andere finden würde. Doch halt! Hatte Fili nicht einmal gesagt, dass ein Zwerg immer nur die Eine und nie eine Andere lieben könnte? Ja, das hatte er einmal gesagt, überlegte ich. Doch inwieweit konnte ich mir da sicher sein, dass ich die noch war? Hatte ich ihn nicht zu sehr verletzt, beschämt und untergraben? Ja. Tatsächlich. Das hatte ich alles getan, dachte ich reichlich verbittert. Ich hatte ihm mehrfach mein Wort gegeben und es nicht eingehalten. Hatte ihn mit allem enttäuscht, womit ich ihn enttäuschen konnte. Das Einzige woran er bei mir noch zu hoffen schien, war seine Erbfolge sicher zu stellen. Ja. Sicherstellen und weiter suchen. Diese Worte hallten nun immer wieder durch meinen Kopf. Sobald er es irgendwie schaffte, dass wir ein Kind bekämen, würde er es mir sicherlich nach der Geburt entreißen und dann mit Kili und Fili für immer verschwinden, um woanders sein Glück zu machen. Deshalb redete er auch so viel davon. Der Einzige, wirklich plausible Grund dafür, dass er mich heiraten wollte. Eine ganze Flutwelle aus Angst und Panik begann mich zu überrollen. Ich atmete hastig und keuchend. Krallte meine Hand an der Balkonmauer fest, während ich mit der Anderen den Kopf halten musste in dem sich gerade alles zu drehen schien. Bofur bemerkte wohl, dass ich am Rande eines völligen Nervenzusammenbruches stand und begann erneut an mir herum zu rütteln. "Cuna. Cuna. Was ist? Was hast du?", fragte er schwer besorgt und ich hob den Blick, um ihn mit einer ausdruckslosen Miene anzusehen. "Bofur. Er. Er liebt mich nicht. Er. Er hat die ganze Zeit über nur. Nur mit mir gespielt. Ich. Ich bin nicht sein geliebtes Weib. Ich. Ich bin nur seine. Seine", stammelte ich fast von Sinnen, doch bevor ich es aussprechen konnte, fiel er mir mahnend und Kopfschüttelnd ins Wort. "Nein. Nein, Cuna. Nein. So darfst du gar nicht erst denken. Das ist nicht wahr. Das weißt du auch. Bitte. Bitte hör auf dein Herz und nicht auf das was ich gerade gesagt habe. Dass er es noch nicht zu dir gesagt hat, hat absolut gar nichts zu bedeuten. Es kann sein, dass er es vielleicht einfach vergessen oder noch nicht den geeigneten Zeitpunkt dafür gefunden hat. Bitte, ich flehe dich an. Fang jetzt nicht an, an eurer Liebe zu zweifeln. Das wäre für uns alle eine folgenschwere Katastrophe. Und für ihn erst. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was er alles in der Zeit getan hat, wo wir im Reich der Götter waren. Er hat Tag und Nacht, teilweise ohne Essen und Schlaf, damit zugebracht euer gemeinsames Leben durchzuplanen. Mach ihm... nein. Mach euch das nicht kaputt. Hörst du?", sagte er und brüllte mich sogar fast dabei an. Ich begann daraufhin wieder etwas ruhiger zu atmen und schloss kurz die Augen, um mich und meine wirren Gedanken zu sammeln. Seine ganzen Worte hatte er voller Angst gesprochen. Offenbar ging es hier doch um weit mehr, als nur um Thorin und mich. Auch seine Männer schienen in unserer Verbindung einen tieferen Zweck zu sehen, der weit über unsere Liebe hinaus ging. Vermutlich eine Möglichkeit sich genauso wie er ein neues Leben aufzubauen. Neue Wege zu gehen. Sich wieder eine Existenz zu schaffen und neuen Geschäften nachzugehen. Dagegen war unter normalen Umständen nicht einzuwenden. Doch hier war es etwas anderes. Es war eine Verpflichtung, die der Zwergenkönig mit mir eingegangen war. Er wollte, dass seine Leute es genauso gut haben sollten wie er, wenn er sich bei mir einmal eingelebt hatte. Deshalb würde er wohl auch zeitweilig wieder nach Mittelerde zurückkehren, um vermutlich Erkenntnisse auszutauschen. Das alles schien nichts mit wahrer Liebe zu tun zu haben. Nein. Für mich war es in meinem Zustand ganz deutlich. Es ging rein ums Geschäftliche. Und zwar bei allem was er tat. Plötzlich machten die Worte in seinem von mir so hochgeschätzten Liebesbrief Sinn. Er hatte nur das Geschäftlich im Auge. Nicht mich. Die ganze Zeit über nicht. Ich war nur Mittel zum Zweck. Ein zorniges Knurren stieg in meiner Kehle auf und ich begann meine freien Hand zur Faust zu ballen. Bofur nahm daraufhin plötzlich ruckartig die Hände von meinem Schultern. Nicht ohne Grund, wie ich feststellte. Denn hinter mir erhob sich mit einem Mal die tiefe, dunkle Stimme besagten Mannes, der ziemlich forschen Schrittes heran trat und uns sehr forsch anblaffte: "Was in Durins Namen treibt ihr beiden hier allein und vertrauensselig auf dem Balkon?" Das Nächste woran ich mich im Moment erinnerte war, dass ich zu ihm herum gefahren und weit mit einer Hand ausgeholt hatte, bevor ein lautes Klatschen durch die nächtliche Sommerluft hallte. - 78. Komplikationen / Ende - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)