Diesem Einen will ich #Follow von Virdra-sama (Was macht der Zwergenkönig in meinem Onlinegame?) ================================================================================ Kapitel 19: 19. Nachts unterm Sternenhimmel ------------------------------------------- Stundenlang war ich durch das Wäldchen gelaufen. Einfach durchatmen und den Kopf leeren. Zum ersten Mal seit Tagen war ich mal für mich allein. Und mir folgte auch niemand, der mir dann wieder komische Fragen stellte. Doch einfach war es nicht. Obwohl ich auch mal die Einsamkeit genoss, so war sie diesmal eher drückend und bei dem Gedanken daran, dass ich bald wieder zurück zum Lager müsste bekam ich Bauchschmerzen. In diesen Momenten vermisste ich die starke Schulter an meiner Seite mehr denn je. Ich nahm auf einem umgestürzten Baumstumpf platz und starrte auf meine Hände. Ich wollte solche dummen Fehler eigentlich nie wieder machen. Ich hatte da gerade eine ganze Menge Leute enttäuscht und noch dazu wütend auf mich gemacht. Auch wenn ich eigentlich nicht daran Schuld war, so fühlte ich mich trotzdem so. Aber wahrscheinlich hätte mein Mann dann auch wieder zu mir gesagt:"So was passiert. Lern einfach mal daraus." Oder aber, "Das hätte ich dir vorher sagen können, aber du willst ja nicht hören. Jetzt sitzt du wieder da und bemitleidest dich selbst." Ja, manchmal konnte er auch einfach gemein zu mir sein. Aber meistens nur, wenn er sehr genervt war. Aber ich hatte ihn unglaublich geliebt. Und er mich ja auch, sonst wären wir nicht fast ein ganzes Jahrzehnt zusammen geblieben. Es stach höllisch in meiner Brust, dass ich ausgerechnet jetzt daran dachte, wo ich eigentlich einen leeren Kopf bekommen wollte. Aber so wars ja immer bei mir. Immer dann, wenn ich an was Positives denken wollte, kamen Erinnerungen hoch, die das absolute Gegenteil waren. Einfach zum kotzen das Ganze. Ich nahm einen alten Stock vom Boden auf und schlug ihn einmal kräftig auf den alten Baumstamm. Das Schlag hallte krachend in dem Wäldchen wider. Aber der Stock blieb noch ganz. Wäre vielleicht keine schlechte Idee, einfach mal so auf diese Art etwas Frust los zu werden, dachte ich so bei mir und stand auf. Ich suchte mir einige Stöcke vom Boden und begann dann munter auf den toten Baum einzuschlagen, wo ich zuvor noch drauf gesessen hatte. Hätte mich dabei jemand beobachtet, hätte er mich sicher für nicht ganz richtig im Kopf gehalten. Aber das musste jetzt einfach mal raus. Nicht still sitzen und Nachdenken. Einfach mal was tun, ohne drauf zu achten, was in einem selbst sonst noch so vor sich ging. Ich machte so lange damit weiter, bis ich ein Vibrieren in meiner Hosentasche fühlte. Inzwischen war es schon recht spät und das Abendessen war bereits vorüber. Auch der Himmel färbte sich in einem satten Abendrot, welches durch die Bäume schimmerte. Ich zog mein Handy und schaute auf das Display. Eine SMS von Chu. "Komm bitte zurück zum Lager. Frodo muss mal mit dir reden." Ich wischte mir die Stirn und legte den Stock, den ich noch in der Hand hielt beiseite. Gut, wenn Frodo was wollte, war es meistens wichtig. Also machte ich mich auf den Weg zurück. Unterwegs schrieb ich Chu eine Antwort, dass er doch bitte zu meiner Hängematte kommen solle, dort würde ich dann auch hinkommen. Ich wollte nicht wirklich offen über den Platz laufen, um der Gefahr zu entgehen wieder auf einen der Zwerge zu treffen. So suchte ich mir einen kleinen Schleichweg hinter Klein Mordor, wo ich mit Leichtigkeit hinein schlüpfen konnte, ohne unnötig gesehen zu werden. Frodo wartete schon auf mich. Er trug eine Warnweste und eine größere Taschenlampe bei sich. "Ah, da bist du ja. Warum kommst du denn von da hinten?", fragte er und musterte mich neugierig. "Lange Geschichte. Chu hat mir geschrieben, dass du mich sprechen willst", sagte ich. "Ja, also es geht um Folgendes. Vorhin ist eine unserer Nachtwachen für heute ausgefallen. Mattis Sohn is zuhause die Treppe runter gefallen und hat jetzt den Kopf auf. Kannst du für ihn einspringen?", fragte er Hoffnungsvoll. "Ach du heilige... Na klar. Na hoffentlich gehts dem Kleinen bald besser. Wann hab ich Antritt?" "Also, wenn du um kurz vor Mitternacht anfängst, is früh genug." "Gut, dann hau ich mich noch was aufs Ohr vorher. Und bestell Mattis gute Besserung für seinen Sohn", sagte ich und nahm ihm die Sachen ab. Er lächelte mich an:"Werd ich ihm bestellen. Sorry, dass ich dich belästige, aber die Anderen wollen alle nicht, weil heute Abend Dartturnier ist." "Heute Abend ist das Dartturnier? Ach egal. Nehm ich da nächstes Jahr dran teil. Ich könnt im Augenblick eh nicht gut zielen", meinte ich noch und winkte ihm dann zum Abschied, als er ging. Ich kroch danach unter meine Plane und warf mir schon mal die Weste über. Dann hatte ich nicht so viel zu tun, wenn ich später erwachte. Ich stellte mir meinen Handy-Wecker ein und steckte mir dieses in die Hosentasche. Schließlich zog ich kurz noch die Plane zu und dann schlüpfte ich schnell unter den Schlafsack. Einschlafen war wirklich nicht schwer. Ich war höllisch erschöpft von der vergangenen Nacht, die ich auf dem Boden zugebracht hatte. Das wieder aufwachen war da bedeutend schwerer. Mein Handy rappelte mit einem sehr nerven zerreibenden Piepen in meiner Tasche und ich musste mich einen Moment lang neu orientieren. Als ich mir dann endlich bewusst wurde, wo ich mich befand, tastete ich nach der großen Taschenlampe und rieb mir erst mal den Schlaf aus den Augen. Noch etwas bedröppelt machte ich mich dann auf den Weg. Ich hörte aus dem Fisse Ma "Tent" chen lautes Gegröle. Das Dartturnier war wohl noch voll im Gange. Mich interessierte nicht wirklich, wer dort gerade gewann. Die letzten Jahre vor seinem tot, hatte mein Mann das Turnier gewonnen. War auch nicht schwer mit seinem Profi Dartset. Die anderen Pfeile waren meist schon abgegriffen und krumm. Er hatte sein Zeug immer gut gepflegt und in Schuss gehalten. Kurz schüttelte ich den Kopf. Nein, ich sollte aufhören hier an ihn zu denken. Ich musste jetzt drauf acht geben, dass nur Leute da waren, die auch da zu sein hatten. Zunächst durchkämmte ich einmal klein Mordor nach unbefugten Anwesenden oder gar Pärchen, die nicht zusammen gehörten. Das war das Wichtigste überhaupt. Auch wenn man den Spaßverderber spielen musste. Man hätte es immerhin dem Veranstalter angelastet, wäre eines von den minderjährigen Mädchen dort Schwanger vom Platz marschiert. Und ehrlich gesagt wollte das keiner. Die Zeltstadt war ja für viele einfach mal eine Art Zuflucht, wo man es sich gut gehen lassen konnte, ohne gleich wegen irgendwas verurteilt zu werden. Aber trotz der kleinen Freiheiten, die man hatte, mussten gewisse Regeln eingehalten werden. Auch um den Fortbestand dieser Veranstaltung zu gewehrleisten. Ich zog von Weg zu Weg, auf der Suche nach den kleinen und großen Regelsündern. Den ein oder anderen musste ich dann auch rüffeln und sogar einem eine Flasche starken Alkohol abnehmen. Ich sprach ihm eine Verwarnung aus und musste einfach mal hoffen, dass er sich dran hielt. Das musste ich natürlich alles an Moe oder Frodo weiter leiten. Je nachdem wer gerade Dienst hatte. Ich machte später einen kleinen Bogen um die Zwergenzelte. Zum Glück gab es noch einen winzigen Durchgang nahe der "Ryan-House- Straße". So wurde der Ort genannt an dem nur die Zelte standen die alle genau gleich aussahen. Naja abgesehen von der Planenfarbe, die gelegentlich variieren konnte. Es war gerade ein Uhr durch. Der Platz war nach dem Dartturnier wie Leergefegt. Ich schritt in Richtung des großen Lagerfeuers, wo schon eine der anderen Nachtwachen saß. Niemand anderes als der gute Rumpel. Ein schräger Vogel mit kurzem schwarzen Haar und kleinem Schnauzer, der seinen Namen nicht von ungefähr hatte. Man durfte niemals sein Zelt von innen sehen, denn es glich tatsächlich einer Rumpelkammer. Alles lag kreuz und quer durcheinander und so wie sein Zelt aussah war er meistens auch. "Ah Jacky. Auch bei den Nachtschwärmern?", fragte er freundlich, als er mich sah. "Jaja. Frodo hat mich überreden können. Wer hat denn heute von der Leitung mit Dienst? Ich hab da einem ne Flasche Wodka abgezogen", meinte ich und schwenkte die Flasche lässig herum. "Ja also soviel ich weiß, is heute Goldständer dran. Hab den vorhin beim Eingang gesehen", meinte er und grinste ruhig. "Kannst du mir den Gefallen tun und ihm die bringen, wenns geht? Ich will mich was hinsetzen", sagte ich. "Klar mach ich. Bist noch tierisch angeschlagen was?", meinte er mehr feststellend als fragend. Er stand auf und nahm mir die Flasche ab. Ich lächelte und setzte mich auf eine der Betonröhren. "Naja so ein bisschen. Hab ja Gestern wieder eins drüber bekommen. Von so ner Ollen mit ner Handtasche", meinte ich nur. "Ja, hab ich gehört. Da haben die kleinen Männer drüber geredet, als se vorhin beim Turnier an der Bar gestanden haben", erwiderte Rumpel mit eher beiläufigen Ton. "Ach? Haben sie?", meinte ich und Rumpel nickte mir nur knapp zu. Ich schluckte kurz. Eigentlich ging es mich ja nichts an worüber sie da gesprochen hatten. Aber ich hoffte sie hatten weiter nichts Schlechtes über mich gesagt. In der Hinsicht war ich sehr eigen. "Wie dem auch sei. Bleib mal hier sitzen und bewach den Nachtsafe. Ich brauch was Bewegung", meinte er und verschwand mit wackelnder Taschenlampe in der Dunkelheit. Ich seufzte und legte mich mit dem Rücken auf den abgerundeten Beton. Das Lagerfeuer prasselte vor mir und knallte gelegentlich. Dabei flogen orange-rote Funken in den klaren Nachthimmel. Es war so friedlich und still, mit der Ausnahme, das die Nacht von Schnarchgeräuschen und den sommerlichen Grillen erfüllt war. Ich seufzte wieder leise. Wie gerne hätte ich die Sterne gesehen. Doch auch hier war es so, dass die nahe gelegenen Dörfer und Kleinstädte den Himmel so bestrahlten, dass man allerhöchstes die Venus erkennen konnte. Vielleicht konnte ich ja etwas singen üben. Ich war ja immerhin allein und niemand sonst außer den anderen Nachtwachen könnte mich stören. Ich überlegte gar nicht lange, was ich singen könnte. Da fiel mir nur eines ein. Auch wenn es eigentlich ein Duett war, so war ich gerade in der Stimmung dafür das Lied "Vergiss mein nicht" von Oonagh. Ich hatte es zwar lange nicht mehr gehört, aber der Text hatte sich tief in mein Herz gebrannt. Es war das Lied, was ich damals bei der Beerdigung meines Mannes gesungen hatte. Die Geschichte zweier Seelen die zueinander fanden und dann doch aufgrund der Tatsache getrennt wurden, dass die eine sterblich und die andere unsterblich war. Das Letztere traf zwar auf mich nicht wirklich zu. Aber ich hatte es damals einfach für sinnvoll erachtet. "Vergiss mein nicht. Und Denk an mich. Im nächsten Leben, da wart ich auf dich. Elenion, hält deine Wacht. Ein Elbenlicht vor den Schatten der Naaaaacht", sag ich und schloss dabei die Augen. "Äh... Verzeihung?", nuschelte plötzlich jemand ganz in meiner Nähe und ich schreckte hoch. "Wa...was? Wie? Wo?", stammelte ich und sah mich um. Neben mir stand verschüchtert und mit dem Button in der Hand spielend der kleine Ori und lächelte verlegen. "Ori. Was gibts denn? Möchtest du irgendwas?", fragte ich und musterte ihn ruhig aber nicht ganz ohne mich ertapt und unwohl zu fühlen. "Also. Tut mir leid das ich dich unterbrochen habe. Aber ich wollte mir etwas zu trinken hier holen. Man sagte mir, ich könne mich dann hier an jemanden wenden.", sagte er und grinste etwas. "Ja natürlich. Was möchtest du denn haben?" "Wenn du etwas Wasser da hättest, wäre ich sehr erfreut", meinte er und ich stand nickend auf. "Wasser willst du, also sollst du Wasser kriegen", antwortete ich und ging an den Nachtsafe. Darin befanden sich so allerhand kleine Habseligkeiten. Für Leute die Nachts Hunger bekamen oder über ein Zeltseil gestolpert waren und Schürfwunden vom Kies erlitten hatten. Und natürlich auch Getränke. Ich zog eine Flasche aus dem Schrank und reichte sie ihm. Er gab mir dafür einen Euro in die Hand, welchen ich in die Spardose am Safe packte. Ja, auch Nachts musste für so was gezahlt werden. "Vielen Dank. Übrigens. Du kannst wirklich schön singen", meinte er und scharrte verlegen mit den Stiefeln im Kies. "Ja... Danke, Ori... Aber so gut bin ich gar nicht... Da gibt es weit bessere", sagte ich und nahm wieder auf der Betonröhre platz. "Also ich finde schon, dass du schön singst. Aber es klang irgendwie so traurig", meinte er und drehte die Flasche in seinen Händen. "Es ist auch ein sehr trauriges Lied", sagte ich mit einem Seufzen. "Bist du denn traurig oder warum singst du so etwas, zu dieser nächtlichen Stunde? Es ist doch ein schöner Sommerabend", meinte er und blickte sich kurz um. "Vielleicht. Ein bisschen. Nachts bin ich immer traurig", murmelte ich nachdenklich vor mich hin. Er musterte mich mit besorgtem Blick. "Warum bist du denn nachts immer traurig?", fragte er neugierig. Nun musterte ich ihn. Er war ja schon irgendwie ein drolliges kleines Kerlchen und noch so unschuldig, wenn gleich auch recht vertrauensseelig. Trotzdem wollte ich nicht gerade jedem den genauen Grund erzählen, weshalb ich traurig war. Doch er machte den Eindruck, als würde er sich deswegen nicht über mich lustig machen. So atmete ich doch einmal tief durch bevor ich ihm antwortete:"Ich fühl mich einsam. Das ist alles." "Du bist Einsam? Warum denn? Ich hab gehört, dass du hier doch so viele Freunde hast. Wie kann man denn da einsam sein?", fragte er mit bestürztem Gesichtsausdruck. Wieder musste ich seufzen und klopfte einfach neben mich auf die Betonröhre. "Komm setz dich und leiste mir Gesellschaft. Dann erkläre ich es dir", meinte ich nur. Er nickte und nahm dann zögerlich neben mir platz. Ich wartete bis ich seine volle Aufmerksamkeit hatte. Dann begann ich zu erzählen. "Weißt du, ich war bis vor zwei Jahren noch mit einem sehr lieben Mann verheiratet. Wir waren fast zehn Jahre zusammen und liebten uns fast Bedingungslos. Klar, die eine oder andere Meinungsverschiedenheit hatten wir immer. Aber soll mir einer eine Beziehung zeigen wo das nicht so ist", ich schnaubte kurz und fuchtelte dabei abwehrend mit den Händen. "Was ist mit dem Mann vor zwei Jahren passiert? Hat er dich verlassen und ist weit fort gegangen?", fragte er und öffnete seine Wasserflasche um einen Schluck zu trinken. Ich schüttelte nur den Kopf. "Er.... nun ja.... Er... starb", sagte ich, was dafür sorgte, dass sich der kleine dunkelblonde Zwerg verschluckte. Vorsichtig klopfte ich ihm auf die Schulter. Er rang nach Luft und röchelte dann kurz: "Dann... Dann bist du ja Witwe. Wie ist das denn passiert, wenn ich fragen darf?" Ich schaute ihn kurz ruhig an. Sollte ich ihm das wirklich erzählen? Einfach so? Diesem unschuldig drein blickenden Knirps? Wobei mich aber gerade dieser unschuldige Blick doch dazu bewog ihm die Geschichte zu erzählen. Nicht viele kannten sie. Und sie war auch nicht wirklich Lang. Aber sie tat immer noch verdammt weh. Ich schnaufte kurz und sah ins Feuer. Dabei rieb ich meine Hände nachdenklich aneinander, bevor ich loslegte. "... er hatte einen Unfall auf der Arbeit", begann ich dann leise zu erzählen. "Er hat in einem Betrieb im Lagerbereich, nicht weit von hier gearbeitet und war auf dem Weg gewesen, einen Auftrag weiter zu leiten. Einer der Staplerfahrer war unachtsam beim Fahren gewesen. Er fuhr viel zu schnell rückwärts an ein Regal. Das hinter dem mein Mann gerade her ging. Das ganze Regal samt der schweren Paletten mit Waren stürzte auf ihn. Er hatte keine Chance auszuweichen oder in Deckung zu gehen. Es hat ihn.... buchstäblich... zerquetscht." Ich begann zu zittern. Da waren sie wieder. Die Bilder, die ich eigentlich sonst immer zu verdrängen versuchte. Das halb umgestürzte Regal. Das Chaos am Boden. Und zwischen drin.... Nein! Nein, das Bild wollte ich nicht mehr sehen. Nicht dieser entsetzliche Anblick. Ich schüttelte mich und klammerte meine Hände in die Ellenbogen. Verdammt. Ich war immer noch nicht stark genug um das Erlebte selbst nach all den Jahren wieder zu geben. "Cuna? Cuna, was hast du? Cuna rede doch mit mir. Was ist denn weiter passiert?", bettelte Ori und rüttelte an mir. Ich versuchte nach Luft zu ringen, doch machten es mir der plötzlich aufgetretene und unaufhaltsame Tränenstrom nicht leicht weiter klare Worte von mir zu geben. "Ich... ich... Man... Hat mich angerufen. Hat mir von dem Unfall erzählt. Ich bin ins Auto gestiegen und... drauf los gerast... Wie eine irre. Ich... Ich hoffte, dass er sich nur was gebrochen hätte oder nur eingeklemmt war aber... Als ich... Als ich ankam.. wartet dort schon der Notarzt und die Sanitäter. Einer seiner... Kollegen hat mich dann.. zu dem... Unfallort gebracht... Und... und der Arzt.. er meinte... Ich... m...müsse ihn identifizieren." Ich bekam Schnappatmung. Mir wurde furchtbar schwindlig. Ich konnte die Stimmen wieder hören. Mich an alles erinnern, was an jenem Tag gesprochen wurde. Doch erinnerte ich mich an keines der Gesichter, die dort gewesen waren. Nur an seines. Nur an diesen letzten Anblick von ihm. Ich hatte geschrien. Unglaublich laut geschrien. "Cuna? Cuna?! Bei Durins Bart! Was hast du denn auf einmal?! CUNA?!", schrie mich Ori verzweifelt an. Ich war von der Betonröhre gerutscht und in den staubigen Boden vor dem Lagerfeuer gesunken. Meinen Kopf hatte ich auf dem halb zugeaschten Boden gedrückt und ich weinte und ich schrie wie damals. Ich schüttelte mich. Krallte meine Hände in die Seiten meiner Hüften und verkrampfte regelrecht. Ich hatte es nicht geschafft. Ich hatte doch die Fassung verloren. Und das Schlimmste. Mir stand nun wieder dieses Bild vor Augen. Dieses unglaublich, Übelkeit erregende Bild. Wie er da lag. Verdreht, blutüberströmt und von Kisten und Paletten umgeben. Er war völlig entstellt gewesen. Das hätte nie das Letzte sein dürfen, was ich von ihm sah. Nicht so. Nicht auf diese grausame Art. Ich verfluchte die Menschen, die mich vor geschickt hatten, um ihn zu identifizieren. Warum hatte man mir das als seiner geliebten Frau nicht ersparen können? Warum nur, um alles in der Welt? Jetzt lag ich da im Staub des Campingplatzes und heulte mir verzweifelt die Augen aus dem Kopf. Hätte ich doch besser den Mund gehalten. Die ganze Sache runter geschluckt, wie ich es sonst immer getan hatte. Ich war zu leichtfertig damit umgegangen. Dachte, ich wäre endlich in der Lage über dem Ganzen zu stehen. Aber ich hätte aufhören sollen zu denken. Nicht denken. Nur machen. Dann wäre es nie zu diesem Zusammenbruch gekommen. Obwohl ich mich nun fast Besinnungslos weinte, konnte ich doch noch schnelle, schwere Schritte über den Boden rennen hören. Auch Stimmen, die von etwas weiter her riefen. "Ori, was ist hier los?", fragte jemand aufgeregt von weiter her. Wer genau konnte ich bis dahin nicht ausmachen. "Bitte, bitte helft mir. Ich weiß nicht was genau. Sie ist plötzlich umgefallen und weint wie verrückt", stammelte Ori verzweifelt und mit bebender Stimme. Die schnellen Schritte kamen immer näher und hielten neben mir. "Hast du irgendwas gemacht? Ist irgendwas vorgefallen?", fragte eine andere Stimme. "Ich... Ich hab mich nur mit ihr unterhalten. Sie hat mir was erzählt... Und dabei ist sie plötzlich umgefallen und fing an zu schreien und zu weinen. Ich weiß nicht, was ich machen soll", sagte er fassungslos. Ich fühlte von beiden Seiten Hände auf meinem Rücken liegen und leise flüsternde Stimmen, die versuchten mich wohl zu beruhigen. "Cuna. Was hast du denn? Hast du Schmerzen? Brauchst du irgendwas?", fragte die eine mit schwer besorgtem Ton. Ich konnte nur den Kopf schüttelt und krampfte mich fester zusammen. Warum waren denn ausgerechnet die alle gekommen? Warum nicht meine Freunde? Oder waren sie vielleicht sogar schon unterwegs zu mir? Ich wusste es einfach nicht. Neben den leisen Stimmen die versuchten mich wieder zur ruhe zu bringen konnte ich ganz klar und deutlich den barschen, ernsten Ton von Thorin erkennen, der offenbar auf Ori einredete. "Was hat sie erzählt? Worüber habt ihr beide gesprochen?", fragte er und Ori gab nur klein laut Antwort. "Ich... hab sie bei singen gestört... Als ich das Wasser holen wollte... Und hab sie gefragt, warum sie denn so ein trauriges Lied singt... Darauf hin meinte sie, dass sie sich nachts einsam fühlt... und... und sie hat mir von ihrem Mann erzählt... und..." "Das genügt mir", hörte ich ihn sagen und spürte, wie die Hände, die auf meinem Rücken lagen und diesen streichelten, sich zurück zogen. Stattdessen griffen mich von vorne zwei kräftige Hände an den Oberarmen und zwangen mich dazu mich aufrecht hin zu setzen. Ich wollte ihn nicht ansehen. Ich hielt meinen Kopf daher weiter gesenkt und zitterte heftig. "Cuna... Seht mich an...", hörte ich ihn sagen. Er klang ruhig, aber dennoch bestimmend. Ich schüttelte den Kopf, worauf er aber an mir kräftig herum rüttelte. "Cuna, seht mich an!" Sein Tonfall wurde ruppiger. Doch das war mir egal. Die Gruppe um uns herum blieb still und starrte nur gebannt auf uns hinunter. Ich versuchte ihn weg zu stoßen und nuschelte: "Lass mich... Bitte lass mich in ruhe." Seine kräftigen Hände drückten meine Oberarme so fest, dass mir schon die Finger taub wurden. "SIEH MICH AN DUMMES DING!", brüllte er, fasste mich dann grob am Kinn und drücke meine Augen auf seine Sichthöhe. Ich keuchte erschrocken. Es war, als hätte er mir mit diesem kurzen Anbrüllen eine Ohrfeige verpasst, was mich für den Moment unter Schock setzte. Er starrte mir fest und ernst in das verweinte Gesicht. Es wirkte fast Emotionslos, so wie er mich musterte. Um uns herum herrschte Totenstille. Die Luft war so dick, man hätte sie schneiden können. Als er zu mir sprach waren seine Worte kalt und brennend, wie scharfer Stahl der sich mir versuchte ins Herz zu bohren. "Sieh dich nur an. Wie du hier sitzt. Zusammen gekrümmt. Schluchzend. Mit Asche beschmiert. Du willst eine starke Frau sein? Eine die dem Tod unerschrocken ins Gesicht spucken würde? Ein jämmerliches Würmchen bist du. Belügst und betrügst dich selbst und damit auch andere", fauchte er und versetzte der warmen Sommernacht einen eisigen Lufthauch. Seine Worte taten unglaublich weh. Ich hätte mich am liebsten von ihm abgewand. Doch ich konnte auf Grund seines Griffes nicht mehr weg sehen. Höchstens die Augen in eine andere Richtung lenken, aber das half auch nicht viel. Jedes mal, wenn ich es versuchte, drehte er meinen Kopf wieder so, dass ich ihn ansehen musste. Was machte er da nur mit mir? Wieso tat er das? War das jetzt alles wegen dem falschen Schatz vom Nachmittag? Wollte er sich dafür rächen, dass man seine Leute betrogen hatte und sie alle kein Gold bekommen hatten? "Beantworte mir eine Frage. Nur eine einzige Frage", sagte er schließlich streng und gefährlich langsam. Ich zitterte heftig. Hatte er jetzt vielleicht doch gemerkt das ich den Stein gefunden hatte? Mir drehte sich der Magen fast auf links. Ich konnte nicht mal irgendwas sagen, da stellte er mir schon die Frage:" Für wen kämpfst du?" Ich schluckte und war mit einem Mal total aus dem Konzept. Für wen ich kämpfte? Was sollte denn diese dumme Frage? Die ergab doch gar keinen Sinn in dieser Situation. "Ich... ich.... versteh... die... Frage nicht... ", drang es mir heiser aus meiner Kehle. "Ich wiederhole sie nochmal... Für WEN kämpfst du?", sagte er und betonte es nun umso deutlicher. "Thorin ich finde du solltest....", setzte Balin an. "Seid still. Alle!", blaffte er und sah sich in der Runde um. Ich schluckte kurz, als er mich forschend ansah. Er erwartete eine Antwort. Ich öffnete meinen Mund, schloss ihn wieder. Dann öffnete ich ihn wieder und schloss ihn erneut. Ich konnte ihm wahrlich nicht diese Frage beantworten. Aber er erwartete wohl recht bald eine Antwort. Dann sagte ich das Erstbeste, was mir einfiel. "Für... für mich?", sagte ich eher fragend als selbstsicher. Er starrte mich an und begann spöttisch zu lachen. "Für so Egoistisch hatte ich ausgerechnet dich niemals gehalten. Kämpfst für dich. Also wirklich. Das ist das Lächerlichste, was ich in all den Jahren je gehört habe", rief er aus. "Aber... aber was soll ich dann... was willst du dann hören?", fragte ich und fühlte, wie sich nach seiner Aussage ein neuer Schnitt durch mein ohnehin schon mitgenommenes Herz zog. "Dann helf ich dir mal auf die Sprünge. Hast du eine eigene Familie gegründet? Mit Kindern und allem drum und dran?", fragte er mit scharfem Ton. Ich schüttelte den Kopf. Kinder hatte ich wirklich keine. Dazu waren wir weder gekommen noch hatten wir große Lust darauf gehabt. "Hast du ein Volk zu führen? Oder bist die Meisterin von ein paar Lehrlingen deines Handwerkes?", waren die nächsten Fragen. Und wieder konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. Er schnaubte kurz und sein Gesichtsausdruck wurde noch viel spöttischer. "Und einen Mann, der dich liebt und den du liebst, hast du auch nicht mehr. Du hast Freunde. Ja. Aber für die brauchst du nicht zu kämpfen. Die fechten ihre eigenen Schlachten aus. Jetzt sag mir nochmal. Für wen kämpfst du? Du kannst deine Antwort jetzt nochmal ändern und überdenken. Antwortest du wieder falsch, bekommst du richtig ärger mit mir." Mit diesen Worten löster er sich von mir, stand er auf und stellte sich mit verschränkten Armen vor mich. Ich konnte endlich meinen Kopf wieder frei bewegen und schaute auf meine zitternden Hände. Für wen kämpfte ich? Ja, für wen? Es stimmte. Jetzt wo er es sagte. Ich hatte niemanden für den ich noch kämpfen musste. Niemanden für den ich stark sein musste. Den ich schützen musste. Man sagte zwar immer, man solle für sich selbst stark sein. Aber was hatte es denn für einen Sinn? Eigentlich keinen. Es machte nur einsam. Unendlich einsam. Einzelkämpfer war eigentlich das Schlimmste, was man sein konnte. Das war ich Jahre lang gewesen. Und nun war ich wieder in diese Position geraten. Ich hatte niemanden an mich ran gelassen. Nur so nah, wie ich es gewollt und zugelassen hatte. Hatte versucht mich selbst zu schützen und dabei andere aus meinem Herzen ausgeschlossen. Deshalb war ich zusammen gebrochen. Weil ich es zu lange in mich hinein gefressen hatte. Meinen Schmerz und Kummer nicht teilen wollte. Und jetzt brauchte es ausgerechnet diesen Zwerg dafür, um mir den Kopf zu waschen. Mich wieder zur Vernunft zu bringen. Es war unfassbar! "Ich warte noch auf deine Antwort, Cuna", sagte er von oben auf mich herab und tippte mit der Zehenspitze ungeduldig im Staub herum. "Es ist... Die... Antwort... ist...", stammelte ich und schluckte kurz. "Ja?", sagte er ziemlich gedehnt. Ich blickte auf und starrte ihn von unten her an: "Die Antwort ist.... Niemand..." Er ließ die verschränkten Arme sinken und nickte. "Genau. Ich wusste doch, dass du die richtige Antwort kennst. Jetzt steh auf." Da ich auf den Knien saß, wippte ich einmal kurz vor und zurück und drückte mich schwerfällig auf die Beine um seiner Aufforderung nach zu kommen. Mir war noch ein wenig schummrig im Kopf, doch ich konnte mich hinter mir an der Betonröhre abstützen. "Komm her", sagte er, nachdem ich etwas durchgeatmet hatte. Vorsichtig machte ich ein paar Schritte auf ihn zu. Das ging ihm offensichtlich viel zu langsam. Er griff nach meinem Handgelenk und zog mich dann überraschender weise ganz nah an sich ran. Ich stand nun direkt vor ihm. Das Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. Brust an Brust. Die ganze Strenge, der Ernst und der Spott, die zuvor noch auf diesen Zügen gelegen hatten, waren wie dahin geschmolzen. Er lächelte mich statdessen friedlich an und legte mir eine Hand an die Wange. Mit ruhigem Ton berührte er meine Stirn mit seiner: "Es ist in Ordnung, dass du weinst, wenn es dir schlecht geht. Du hast allen Grund zu trauern. Du solltest es tun. Niemand wird dich deswegen auslachen oder mit dem Finger auf dich zeigen. Alle die du hier siehst, haben schwere Verluste in ihrem Leben ertragen müssen. Doch sie haben zur rechten Zeit um diese Verluste getrauert. Das solltest du nachholen." Ich sah tief in seine blauen Augen und ertrank fast darin. Diese Wärme, die in mir aufstieg. Mein stärker werdender Herzschlag. Und das Keuchen, was sich in meiner Kehle ankündigte. Sein Duft, der mir in die Nase stieg, raubte mir dabei fast völlig den Verstand. Ich nahm auch die anderen drum herum nicht mehr wahr. Ich sah nur noch ihn. Diese Augen. Das Lächeln. Die warme, raue Hand an meiner Wange. Das alles versetzte mich in einen regen Rauschzustand, der mich fast zu einer sehr unangenehmen Sache verleitet hätte. Ich tat daher das Einzige, was mir einfiel um keinen allzu großen Fehler zu machen. Ich schlang meine Arme um seinen Rücken, löste widerwillig meine Stirn von seiner und versenkte mein Gesicht in seiner rechten Schulter. Ich konnte erleichtertes wie überraschtes Aufatmen im Umkreis hören. Doch dieser Moment schien nur mir allein zu gehören. Er legte seine Arme um mich und drückte mich sanft. Ich fühlte Schulterklopfer und Kopfstreicheln. Es war ungemein beruhigend. Vorsichtig hob ich meinen Kopf an sein Ohr und flüsterte: "Thorin?" Er brummte kurz leise um mir zu zeigen das er zuhörte. "Ich.... ich... ", stotterte ich und fühlte, wie mein Gesicht immer heißer wurde. "Ja?", flüsterte er mir mit seiner dunklen Stimme sanft zu. "Ich bin froh das du da bist. Das ich dich und... die anderen alle... kennen lernen durfte." Er begann leise zu kichern. Nicht belustigt. Nein einfach nur, weil er sich offenkundig über meine Aussage zu freuen schien. Doch an diesem Abend wusste ich, dass ich mehr zu fühlen begonnen hatte, als nur Freundschaft ihm gegenüber. -19. Nachts unterm Sternenhimmel / ENDE - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)