Blood-red Diamond von MarySae (- Blutrote Seele -) ================================================================================ Kapitel 1: Flammen ------------------ Wie oft sie mir diese völlig übertriebene Geschichte schon erzählt hatten? Die Geschichte meiner Geburt? Ich konnte es mittlerweile gar nicht mehr zählen. Immer war ich die Schöne, die Besondere. Die, mit einem Diamanten der seltensten Färbung. Mein Segensstein hatte mich in eine Ecke gedrängt, aus der ich in meinem Leben nicht mehr entkommen konnte. Ich wollte gar nichts Besonderes sein! Das ging mir nur auf die Nerven! Jeder sprach mich darauf an. Für alle war ich nur die mit dem „flammenden Segensstein“. Die Person dahinter blieb den Meisten völlig verborgen.   Ich öffnete meine Augen einen Spalt breit, schloss sie jedoch sofort wieder, als grelles Licht meine Sicht blockierte. Genervt hob ich einen Arm, um mein Gesicht so vor der Sonne zu schützen. Sie brannte regelrecht auf meiner Haut. Es war Sommer und unerträglich heiß. Ich mochte den Sommer, keine Frage. Immerhin war ich als Juli-Kind geboren worden. Doch diese seit drei Wochen andauernde Hitzeperiode ging mir nur noch auf die Nerven. Selbst das Sonnen, welches ich sonst liebte, war zurzeit nur eine Qual. Diese paar Minuten, die ich mich nun doch vor die Tür getraut hatte, würde ich garantiert mit einem Sonnenbrand büßen müssen. Doch wofür war diese Jahreszeit sonst gut? Im Haus gefangen war man schon das ganze restliche Jahr! Manchmal war das Wetter wirklich unfair.   Ganz automatisch wanderten meine Gedanken zu dem einen Thema zurück. Meine freie Hand zuckte und ich hob sie an meinen Hals, an dem er schon seit fast 18 Jahren baumelte. Ein helles Licht blinkte mir glänzend entgegen, als ich zu meiner Hand herab sah, auf der das warme Gebilde ruhte. Dort hatte ich ihn aufbewahrt. Nah an meinem Herzen. Wie ein kleiner Regentropfen drehte er sich an einer kurzen Metallstange in seinem herzförmigen Behälter. Ich hatte diese Form gewählt, weil es damals die einzige Nacht im kompletten Juli war, in der es geregnet hatte. Ein roter Regentropfen. Mir gefiel die Idee. Die Sonnenstrahlen, die sich in dem Edelstein brachen, ließen ihn brennen. Es wirkte so, als würden die Flammen in dem festen Kern der Materie lodern und das gab einem das Gefühl, ein Stück echten Feuers in den Händen zu halten. Schön war er ja wirklich. Und ziemlich selten wahrscheinlich auch. Doch wirklich Glück gebracht hatte er mir in meinem Leben bisher nicht. Im Gegenteil …   „Ach, Kleines! Hör doch bitte auf deinen Segensstein immer so anzufunkeln, als wäre er an allem Schuld, was dir gerade nicht passt.“ Die Stimme meiner Mutter ließ mich aufschrecken. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht, als sie sich auf den alten Metallstuhl neben mich setzte. Ihre langen, schwarzen Haare glänzten silbern im Licht der unbarmherzigen Sonne. Ihre weiße Haut, die ich leider von ihr geerbt hatte, zeigte nicht den kleinsten Hauch von Bräune, obwohl sie täglich unter freiem Himmel arbeitete. Ihr eigener Segensstein, ein kreisrunder Feueropal, schimmerte in einem feurigen Orange in dem schwarzen Lederarmband an ihrer rechten Hand. Ganz friedlich und unbedeutend. „Mache ich doch gar nicht“, sagte ich selbst wenig überzeugt und blickte wieder in Richtung der großen Eiche, die den Innenhof meines Wohnkomplexes zierte. „Aber nein, natürlich nicht.“ Das Lächeln in ihrer Stimme konnte man beinahe riechen. „Schatz, ich weiß, dass im Moment nicht alles so läuft, wie du, wie dein Vater und ich uns das wünschen.“ Was für eine Untertreibung. „Es tut uns wirklich leid, dass wir dich so oft alleine lassen müssen. Und jetzt musstest du auch noch in die Großstadt ziehen!“ Der Ton, in dem sie den letzten Satz aussprach, ließ mich die Augen rollen. Nur mit Mühe konnte ich ein Seufzen unterdrücken. Was dachte sie nur von mir? „Mama. Ich komme alleine klar, wirklich! Und so groß, wie du wieder tust, ist Summer Hills nun auch wieder nicht!“ „Jede Stadt ist größer als die, aus der du kommst!“ Obwohl ich ihre Bemerkung äußerst lächerlich fand, wusste ich genau, dass sie das ernst meinte. Sehr ernst. „Das ist auch nicht schwer. Unser Dorf“, ich betonte das Wort extra stark, „hat ja auch nicht mehr als 1000 Einwohner. Aber mach dir bitte keine Sorgen! Ich war schon als Kind so oft hier, ich kenne diese Stadt in- und auswendig! Papa soll sich seinen Geschäftsreisen widmen und du musst zurück in deine Ganztagsschule. Du solltest sowieso schon lange weg sein! Warum bist du also immer noch hier?“ Jetzt war es an mir zu grinsen, als ich ihren ertappten Gesichtsausdruck sah. „Ich wollte mich nur noch mal von dir verabschieden, bevor ich gleich losfahre“, sagte sie und versuchte möglichst würdevoll zu klingen. Ich kicherte. „Das hast du vor einer Stunde auch schon gesagt. Die Sonne geht bald unter. Du hast noch einen weiten Weg vor dir.“ Mit einem Nicken und einem unterdrückten Seufzen gab sie sich geschlagen und erhob sich mühselig aus dem bequemen Stuhl. Mit schnellen Schritten verschwand sie durch die Balkontür ins Innere meiner Wohnung. Einen Moment später folgte ich ihr ins Wohnzimmer. Trotz der geschlossenen Vorhänge war die Luft ebenso heiß und stickig, wie sie eben auf dem Balkon gewesen war. Das würde wieder eine schlaflose Nacht werden. Die Hoffnung, dass es abends etwas abkühlte und ich die Wohnung einmal durchlüften konnte, hatte ich schon vor Tagen aufgegeben.   Ich sah, wie meine Mutter im Flur werkelte und lehnte mich an den Türrahmen, um ihr dabei zuzusehen. Schnell hatte sie ihre Sachen zusammen gesucht und nach ein paar weiteren Momenten war sie abreisebereit. Ihre traurigen Augen blickten mich an. Ich lächelte ihr aufmunternd entgegen, als ich auf sie zu ging und sie in meine Arme schloss. „Wir telefonieren!“, sagten wir beide im gleichen Moment, wobei ihr flehender Ton auf meinen Beruhigenden prallte. Das brachte selbst meine Mutter zum Kichern. „Sei vorsichtig! Ich hab dich lieb!“ „Aber ja. Du Bitte auch. Ich hab dich auch lieb.“ Wir winkten uns noch einmal zum Abschied zu und im nächsten Augenblick war sie im Hausflur verschwunden.   Und plötzlich war ich wieder alleine. Die gewohnte Stille meiner Wohnung umfing mich und hüllte mein ganzes Ich in die bekannte Decke aus Einsamkeit. Ja, ich war es gewohnt. Schon früher waren meine Eltern oft außer Haus und ich hatte bereits als kleines Kind gelernt für mich selbst zu sorgen. Es machte mir auch nichts aus. Ich war gerne für mich. Unabhängig von anderen. Ich war schon immer sehr reif für mein Alter, das hatte ich oft genug zu hören bekommen. Es war mir auch nie etwas anders übrig geblieben.   Lustlos schlich ich zurück ins Wohnzimmer und ließ mich auf das Sofa fallen. Meine Hand wanderte zur Fernbedienung und sobald ich den roten Knopf gedrückt hatte, erwachte der Fernseher unter leisem Knistern zum Leben. Bunte Werbung flimmerte über den Bildschirm und das überfröhliche Gedudel der Musik wurde nur von der Stimme der Sprecherin übertrumpft, die gerade etwas über Waschmittel erzählte. Morgen würde das neue Schuljahr beginnen. Mein letztes. Es war immer noch merkwürdig darüber nachzudenken. So unwirklich. Seit kurzem lebte ich in meiner eigenen kleinen Wohnung mitten in der Großstadt. Zum Glück verdienten meine Eltern nicht wenig, weshalb ich diese Möglichkeit überhaupt ausschöpfen konnte. Für eine normale Schülerin wäre dies nicht bezahlbar gewesen. Doch es würde nicht mehr lange dauern. Nur noch dieses eine Jahr und dann könnte ich mir selber einen Job suchen. Darauf hatte ich schon so lange gewartet … Quietsch bunte Figuren sprangen über den Bildschirm und quäkten in einer hohen Stimme irgendetwas Merkwürdiges. Ich merkte, wie meine Augenbraue hoch wanderte, als ich versuchte, den pädagogischen Wert dieser Zeichentrickserie zu entdecken. Doch ich hatte die leise Vermutung, dass ich da lange suchen könnte. Das war doch alles bloß Kinderverdummung.   Zwei Sender weiter tauchte eine sehr vornehme und gut gekleidete Nachrichtensprecherin auf. Sie erzählte etwas von einem schweren Zugunglück und dass mindestens 50 Leute dabei gestorben waren. Bilder von Flammen und Blut flimmerten über den Bildschirm und schienen sich in mein Gedächtnis einzubrennen. Ein schrecklicher Unfall. So viele Tote. So viele Verletzte. Menschen mit Familie und Freunden, Träumen und einer leuchtenden Zukunft. Und innerhalb von wenigen Sekunden war diese mögliche Zukunft verschwunden. Die Bilder verblassten und die Welt hatte einige Schicksale weniger auf ihren Schultern zu tragen. Tränen, Leid und Wut. All das spiegelte sich in den Augen der Verletzen und Angehörigen wieder.   So sehr man auch versuchte das Gute in der Welt und am Leben zu sehen … Es gab immer wieder Momente, in denen man sich klein fühlte. Einsam und vom Leben betrogen. Es war einfach nicht fair, dass Menschen so sterben mussten. Völlig unverschuldet. So unfair …   Die Bilder wechselten. Die Blonde erschien wieder im Bild und begann mit der nächsten Meldung. Dem Tod einer ganzen Familie. Ein Bild erschien im Hintergrund. Fünf fröhliche Gesichter blickten der Kamera entgegen. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen. Vater, Mutter und drei Kinder. Zwei Jungs und ein kleines Mädchen. Keines älter als 10 Jahre.   „ … Wie die Polizei mitteilte, waren die Segenssteine der fünf Familienmitglieder in ihrer Wohnung nicht auffindbar gewesen. Erste Recherchen ergaben, dass einige Familienangehörige mit ungewöhnlichen Steinen, wie unter anderem auch einem Kunzit gesegnet worden waren. Einem seltenen Edelstein, den es in den unterschiedlichsten Farbvarianten gibt. In diesem Fall soll es sich um eine besonders wertvolle pfirsichfarbene Variante gehandelt haben. Ob dieses Verbrechen etwas mit den in letzter Zeit vermehrten Edelstein-Morden auf sich hat, ist noch unklar. Bereits viermal in den letzten drei Monaten hatte es diese rätselhaften Verbrechen gegeben, bei denen die Segenssteine der Opfer gestohlen worden waren. Schon seit einiger Zeit wird darüber diskutiert, ob es sich um eine Bande von Serientätern handelt, doch für diese Vermutung gäbe es noch keine Beweise. Jedoch laufen die Ermittlungen der Polizei in alle Richtungen, versicherte der Polizeioberkommissar David Kolovski am Nachmittag in einer schriftlichen Stellungnahme. Es gäbe keinen Grund für die Bevölkerung sich Sorgen zu machen …“   Ich drückte den Knopf erneut und das Fernsehbild verblasste. Ich schloss meine Augen und schaltete meinen Kopf ab. Immer wieder schoben sich die Gedanken in den Vordergrund, doch ich hatte beschlossen, sie zu ignorieren. Ich konnte sowieso nichts daran ändern. Es war eben noch nicht meine Zeit. Wenn da bloß diese dämlichen Sprüche der anderen nicht wären. Jeden Tag aufs Neue. Und auch wenn ich immer sagte, dass es mir egal war, musste das noch lange nicht stimmen …   „Nein, nein, nein. Nicht schon wieder!“, stöhnte ich leise und erhob mich vom Sofa. Ich brauchte wohl wirklich mal einen kühleren Kopf. Vielleicht würde eine schöne, kalte Dusche helfen. Ich schlich in das Schlafzimmer und nahm mir meine Shorts und das Top für die Nacht und ging hinüber ins Badezimmer. Unachtsam schmiss ich mein Sommerkleid auf den Fußboden, schaltete das kleine Radio ein und hielt einen Moment vor dem Spiegel inne. Das Brennen war abgeklungen, doch trotzdem lag noch ein merkwürdiges Glühen in meinem Segensstein. In Momenten wie diesen wusste ich wieder, warum mir der Stein trotz allem ein wenig unheimlich war … Ich hob meine Hände hinter den Kopf und öffnete den Verschluss der silbernen Kette. Kurz darauf ruhte das goldene Herz mitsamt dem roten Diamanten in meiner linken Hand. Genau an der Stelle, an der der Stein zusammen mit mir das Licht der Welt erblickt hatte. Das Ganze war schon eine seltsame Prozedur. Behutsam legte ich die Kette auf die Ablage vor dem Spiegel und wagte mich in die gläserne Dusche. Ein paar Sekunden später spürte ich das kalte Wasser auf meiner Haut, was mir einen eisigen Schauer über den Körper huschen ließ. Im ersten Moment zuckte ich zurück, doch sobald ich eine angenehme Temperatur eingestellt hatte, entspannten sich alle Muskeln gleichzeitig. Ich ließ das Wasser über mein Gesicht laufen und spürte, wie sich mein unruhiger Kopf endlich zu entspannen schien. Wieso ließ ich mich auch immer so runterziehen? Ich war wirklich unmöglich. Und schon jetzt, in den wenigen Minuten, in denen der Stein nicht an meiner Haut ruhte, fühlte ich mich unwohl. Er war ein Teil von mir. Beinahe ein Teil meines Körpers. Ich konnte wirklich nicht verstehen, dass es Menschen gab, die ihren Segensstein als Plunder abhakten und ihn irgendwo Zuhause in eine Ecke schmissen und einfach vergaßen. Ein merkwürdiger Gedanke.   Ich verließ die Dusche und trocknete mich grob mit einem Handtuch ab, ehe ich meine Sachen für die Nacht anzog. Schnell fuhr ich noch über meine langen, schwarzen Haare, bis diese wenigstens nicht mehr tropften, nahm meine Kette von der Ablage und trottete zurück ins Wohnzimmer. Das Zimmer, welches eben noch in bunten Farben erstrahlt hatte, lag nun in einem gespenstischen Dunkeln. Ich bahnte mir meinen Weg hinüber zu den Fenstern und zog die schwarzen Vorhänge beiseite. Die Sonne war hinter dem gegenüberliegenden Gebäude verschwunden und hatte die Farben des Innenhofs in dunkle Grautöne verwandelt. Ein paar Schleierwolken zierten noch den hellblauen Himmel und wurden in verschiedenste Orange- und Rosatöne getaucht. Ein letzter Gruß der Sonne. Es würde nicht mehr lange dauern, ehe sich die Nacht über die Stadt legen würde.   Ich wandte den Blick ab und ließ mich wieder auf das Sofa fallen. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich die leuchtenden Ziffern meiner Digitaluhr: 21:24. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie spät es schon war. Aber wenigstens würde dieser langweilige Abend nicht mehr so lange andauern. Es hatte also auch Vorteile. Mit einer beinahe automatischen Bewegung hob ich meine Hand und ließ den Anhänger herausfallen, sodass er nun an der Kette direkt vor meinen Augen baumelte. Ich spürte eine große Traurigkeit, die sich bei dem Anblick des roten Steines in mir regte. Wieso? Wieso hatte er bisher nicht reagiert? Warum ausgerechnet meiner? Warum war ich immer noch alleine?   Ich schloss meine Augen und drückte die Kette an mich. Was war noch mal so besonders an mir? Wer hatte gesagt, ich wäre stark? Warum hatte man mich so oft gelobt, wie toll ich alleine klar kam? Und warum war ich es, die von so vielen bewundert und gleichzeitig belächelt wurde? Wie sollte ein einziger Mensch damit zurechtkommen? Und warum traf es ausgerechnet mich?   .   Es war dunkel. Und unheimlich still. Kein Geräusch drang durch diese schier unendliche Dunkelheit. Ich war verwirrt. Wo war ich? Was war passiert? Und warum war mein Körper so schwer? Mühsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Schritt für Schritt. Vor wenigen Minuten hatte ich noch geschwitzt, doch jetzt kroch eine eisige Kälte meinen Körper hoch. Ich spürte, wie mein Herz schmerzhaft gegen meine Brust schlug und sich mein Magen verkrampfte. Etwas stimmte hier nicht, so viel war klar. Doch ich wusste einfach nicht was.   Die Dunkelheit endete nicht. Egal wie weit ich lief. Egal wohin ich ging. Mit jedem Schritt wurde mein Herz schwerer. Ich fühlte mich leer und einsam. Ich wollte schreien, jemanden um Hilfe bitten, doch mein Hals war wie zugeschnürt. Ich bekam keinen einzigen Ton heraus. Etwas Merkwürdiges ging hier vor und ich wollte gar nicht so genau wissen, was es war.   Plötzlich hellte sich die Dunkelheit auf und ich bemerkte eine einzelne Flamme in der Ferne. Obwohl ich nicht dorthin gehen wollte, trugen mich meine Füße ganz automatisch in diese Richtung. Die Flamme wurde größer und größer und die Hitze kehrte zurück. Wie ein sich rekelndes Gespenst loderte das Feuer in der Dunkelheit. Sekündlich schien es größer zu werden und ich stolperte ein paar Schritte zurück. Wie war das möglich? Da war nichts! Nichts, was die Flamme verbrennen konnte! Sie tanzte einfach so auf dem kahlen Boden!   Was war hier eigentlich los? Das konnte doch nur ein Albtraum sein! Ein heißer Stich in meine Brust ließ mich aufschreien. Ich hob meine Hand an die Stelle und spürte eine ungeheure Hitze, die mir unglaubliche Schmerzen bereitete. Ich zog an der schmerzenden Stelle und keuchte, als ich sie plötzlich in der Hand hielt. Mit einer ruckartigen Bewegung schmiss ich das glühende Stück auf den Fußboden und zuckte noch weiter zurück. Ich betrachtete meine Hände, die plötzlich in den verschiedensten Rottönen leuchteten. Verbrennungen. Aber wie …?   Ich blickte auf den Gegenstand, den ich eben zu Boden geworfen hatte und mein Atem stockte, als ich ihn erkannte. Meine Kette, samt dem roten Segensstein, lag auf dem Boden und kleine Flammen schlugen aus dem Diamanten in die Höhe. Ich sah, dass ein Teil des Steines abgesplittert war, was eigentlich unmöglich war. Ein Diamant konnte nicht einfach so zerbrechen!   Gerade als ich meine Hand nach ihm ausstrecken wollte, sickerte plötzlich eine dunkle Flüssigkeit aus dem Inneren des Steins heraus. Mit zitternden Fingern berührte ich die immer größer werdende Pfütze, die sich über den schwarzen Boden verteilte. Die Flammen malten ein wildes Muster in die dickflüssige, dunkelrote Flüssigkeit und als ich sie berührte, wurde mir plötzlich unsagbar schlecht. Der Geruch stieg mir in die Nase und ich musste einen starken Würgereiz unterdrücken.   Ich ließ mich auf die Knie fallen und versuchte zu atmen. Einfach nur zu atmen. Nicht zu ersticken. Eine merkwürdige Melodie summte in meinen Ohren, die bei mir eine Gänsehaut verursachte. Nein, sie sollte aufhören! Ich wollte das nicht hören! Diese Melodie … Sie war nicht richtig. Ich konnte sie nicht aushalten. Sie sollte verschwinden, sofort!   „Aufhören!“   .   Mit einem Satz wurde ich aus der Schwärze gerissen. Schwer atmend sah ich mich panisch im Zimmer um und bemerkte, dass ich immer noch im Wohnzimmer auf der Couch lag. Ich musste wohl eingeschlafen sein … Mein Herz hämmerte wie wild gegen meinen Brustkorb. Ein stechender Schmerz begleitete jeden Schlag. Meine Augen brannten, als der Schweiß meiner Stirn in sie hinein lief. Was war das eben gewesen? Wie kam ich denn auf so einen merkwürdigen Traum? Wieso hatten sich diese Bilder in meinen Kopf geschlichen? Ich verstand es nicht. Es war so unheimlich gewesen … So Angst einflößend …   Mit einem Mal erinnerte ich mich an den Gegenstand in meiner Hand. Vorsichtig öffnete ich sie und blickte auf den roten Stein, der friedlich darin zu ruhen schien. Das Funkeln war mit dem Tageslicht verschwunden. Nun lag er nur noch matt in meiner Hand. Völlig ordinär. Bei Nacht verschwand das Besondere und wich etwas völlig anderem. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich mich, als ich den Diamanten betrachtete. Das ansonsten so feurige Rot war nun dunkel, stumpf und beinahe dreckig. Ein kalter Schauer rann über meinen Rücken, als mir bewusst wurde, woran mich dieser dunkelrote Fleck in meiner Hand erinnerte: Blut. Die Flüssigkeit aus meinem Traum. Ein blutroter Tropfen. Ein blutroter Diamant.   Ich erschauderte und wandte meinen Blick ab. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich in der Nähe meines Segenssteins schlecht fühlte. Aber warum war das so? Das war doch alles nur ein Traum gewesen! „Und was für einer …“, flüsterte ich und wandte meinen Blick der Uhr zu. In blauen Ziffern leuchtete mir die Uhrzeit entgegen. 3:28 Uhr. Der Tag fing ja gut an.   „Na, Happy Birthday“, kam es mit einem gewollt sarkastischen Unterton von mir, als ich mich erhob und in mein Schlafzimmer ging, um mich die letzten Stunden vorm Klingeln des Weckers ins Bett legen zu können.   Rot, wie Blut. Das konnte doch nichts Gutes bedeuten … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)