Meine bizarre Welt von Kaylien (oder wie ich den Tod kennenlernte) ================================================================================ Kapitel 6: Die besten Freunde der Welt -------------------------------------- Das einzelne Schaf ist in Gefahr vor dem Wolf. Ich lag wieder auf dem Rücken. Wieder in dem seltsamen, rundem Raum. Ich blieb einfach liegen. Erleichtert schloss ich die Augen für einen Moment. Und öffnete sie gleich wieder. Ich blinzelte zu der Decke empor. Es war gut zu wissen, dass da oben eine Decke war. Eine gewölbte Decke, mit Schachmuster und gemalten Ranken, die aus ihr heraus zu wachsen schienen. Und das Schachbrett war vergilbt und fleckig. Es gab kein reines Weiß. Und erst recht kein unendliches… Und keinen widerlichen, quietschenden Ton… Aber… hatte die Decke vorher nicht anders ausgesehen…? Irgendwie wunderte mich das aber auch nicht weiter. Was war schon so wichtig an einer Decke… Ich seufzte tonlos auf. Ich hätte ewig hier liegen bleiben können… den braunen Holzboden in meinem Rücke und die geschlossenen Türen um mich herum… Die Tür durch die ich als erstes gegangen war, war nun grau und vergilbt. Verwittert, als wäre sie Jahre lang den immer wechselnden Witterungen ausgesetzt gewesen. Das Gold war fast schon verschwunden. Und doch wusste ich noch genau wie schön sie gewesen war, als ich sie das erste mal gesehen hatte…. Nur den Affen sehe ich nicht. Aber das war mir im Augenblick auch egal. Es zählte nur, dass das Weiß weg ist. Und die Kälte… Genaugenommen, fühlte ich nichts. Weder Wärme, noch Kälte. Meine Augen waren immer noch auf die vergilbte Tür gerichtet. Ob ich sie wohl wieder öffnen könnte…? Dahinter war der Wald… mit den Monstern und Wölfen… Und die Bärin. Ruckartig setzte ich mich auf. Die Bärin! Ich hatte sie einfach so zurück gelassen! Ohne mich richtig von ihr zu verabschieden… Ich stand auf, so schnell ich konnte, und stürzte zu der Tür. Ich rüttelte an dem Griff, der klein und unscheinbar über dem großen Schlüsselloch angebracht war. Doch die Tür bewegte sich nicht. Keinen Millimeter. Nur ein leises Knarren war zu hören. Als würde sich die Tür doch bewegen. Wenn auch nur ein ganz kleines Stück. Aber sie tat es nicht. Nicht das kleinste bisschen. Erschöpft lehnte ich mich schließlich gegen sie und lies mich an dem Holz herunter gleiten. Ich wollte schreien. Aber ich konnte nicht. Und trotzdem tat es weh. So furchtbar weh… Doch meine Kehle brannte, als hätte ich geschrien. Lange und laut. Ich zog die Knie an meine Brust und versteckte den Kopf hinter ihnen und schlang meine Arme fest um meine dünnen Beine. Ich wusste nicht, wie lang ich da so saß. Ich vermisste die Bärin furchtbar, obwohl ich nicht viel Zeit mit ihr verbracht hatte. Zumindest, nicht wirklich… Ich wollte sie wieder treffen. Mich bei ihr bedanken. Ich wünschte, ich wäre nicht einfach so gegangen… Ohne mich wirklich richtig von ihr zu verabschieden… Ohne mich bei ihr zu bedanken, dass sie mich so sicher durch den Wald getragen hatte. Langsam beruhigte sich mein Herzschlag und mein Atem wieder. Hatte der Affe nicht gesagt, dass sich nach jeder Tür etwas in dem Zimmer verändern würde? Oder war das mit der Verblichenen Tür schon alles? Ich sah mich um. Und das erste Mal auch an mir selbst hinunter. Ich hatte ein schwarzes Kleid an. Es ging gerade so bis zu meinen Knien und war mit einigen Borten aus Spitze und Schleifen verziert. Meine Beine waren bis zu den Knien mit schwarzen Strümpfen bekleidet und ich trug kleine, schwarze Schuhe. Ich war mit nicht bewusst je ein solches Outfit besessen zu haben. Aber es gefiel mir… irgendwie. Meine Haare vielen mir in sanften Locken auf die Schultern und als ich zu meinem Kopf fasste, bemerkte ich, das ich ein Bonet trug. Wahrscheinlich sah ich aus wie eine Puppe… aber ich hatte nichts dagegen. Auch das hatte ich mir früher immer gewünscht… Ich wünschte nur, ich hätte einen Spiegel und könnt mich wirklich anschauen… Mein Blick fiel auf die Tür. Habe ich mich immer schon so schnell ablenken lassen…? Ich war mir nicht sicher. Aber das war nun auch nicht wichtig. Ich wollte mir eher den Raum anschauen. Herausfinden, ob sich noch etwas, abgesehen von der Tür, verändert hatte. Ich ging langsam an den Türen vorbei und sah mich um. Die Tür von gestern schien nicht mehr so groß. Als wäre ich gewachsen. Ein weinig zumindest. Als ich einmal um den Raum gewandert war und mir nichts aufgefallen war, drehte ich mich der Mitte des Raumes zu. Auf einigen hauch dünnen Stelzen stand etwas auf dem Boden. Es fiel mir erst jetzt auf. Der Tisch war etwas über meinem Kopf. Er hatte keine Decke. Und als ich mir unter ihn stellte und ihn von unten musterte fiel mir auf das er von unten genau so aussah wie die Decke. Die Platte war ebenso hauch zart wie Beine des Tisches. Als ich mich auf die Zehenspitzen stellte konnte ich einen Blick auf die Platte erhaschen. Auf der Platte war ein Schachbrett. Die weißen Quadrate waren aus Elfenbein und die schwarzen aus Ebenholz. Das Schachbrett war wunderschön. Und auf dem Schachbrett standen zwei Figuren. Die eine Figur war eine Bärin. Hochaufgerichtet stand sie auf ihren elfenbeinernen Hinterbeinen erhoben da. Schützend stand sie so vor der anderen Figur. Es war ein kleines Mädchen, das zusammen gekrümmt da saß. So genau hergestellt, das man fast die Tränen sehen konnte, die über ihr Gesicht laufen mussten. Auch das Mädchen war aus Elfenbein gefertigt. Aber das Mädchen war mir egal. Vorsichtig fischte ich, noch immer lang gestreckt auf den Zehenspitzen, nach der Bärin und hob sie vorsichtig herunter. Ich presste die filigrane Figur vorsichtig an meine Brust. „Na, fertig mit dem trauern…?“ fragte eine Stimme spöttisch. Ich fuhr herum. Da stand der Affe. Auf beide Hinterbeine erhoben und sah mich spöttisch an. „Gib das wieder her…“ Meinte er und nahm mir die Figur weg, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Er stellte sie vorsichtig, schon fast behutsam auf das Schachfeld, genau dahin, wo sie vorher gestanden hatte. Dann betrachtete er mich aufmerksam. Fast schon eindringlich. „Hübsches Kleid…“ meinte er schließlich lauernd. Ich sehe in an. Weiß nicht, ob das ein Kompliment sein soll oder nicht. Als nicke ich nur unsicher. „Passt wunderbar zu meinem Anzug…“ Meinte der Affe und wirbelte den Stock herum. Dann beugte er sich vor und machte einen Knicks. „Wollen sie sich nicht eine Tür aussuchen, my Lady…?“ Fragte er schließlich und streckte mir seine Pfote entgegen. „So lassen sie uns etwas an den Türen vorbei flanieren… und sie wählen die Tür ihrer Wahl.“ Flötet er affektiert. Dieses Schauspiel schien ihm Spaß zu machen. Und da ich ihm nicht wiedersprechen konnte ließ ich zu das er meine Hand nahm und so folgte ich ihm durch den Raum. Als wie zwei Runden um den Raum gedreht hatten blieb er stehen. „Haben sie sich schon entschieden…?“ Fragte er dann scheinbar höfflich. Ich zuckte mit den Schultern. Am liebsten würde ich die alte Tür wieder benutzen. Die vom letzten Mal. Aber der Affe hatte mir ja erklärt dass ich das nicht durfte… oder nicht konnte. Also ging ich einfach auf die erstbeste Tür zu. Sie war nur ein klein wenig größer als ich, rot und mit den Sternkreiszeichen verziert. Sie war eine der schönsten Türen, die es noch gibt. Der Affe nickte. „Wie die Dame beliebt…“ Der Affe küsste mit seiner pelzigen Schnauze meine Hand. Dann öffnete er die Tür. Ohne Schlüssel. Einfach so. Dann machte er einen tiefen Kratzfuß. „Wir sehen uns, my Lady…“ Hörte ich ihn noch sagen, dann war ich auch schon durch die Tür getreten. Diesmal wurde es nicht schwarz um mich. Ich stand einfach auf einer wunderschönen, grünen Blumenwiese. Alleine. Ich sah mich um. Ob ich die Bärin wieder treffen würde? Ich wünschte mir es so sehr! Hatte sie nicht gesagt, dass sie auf mich aufpassen würde? Sie musste hier sein! Doch ich sah sie nicht. Also begann ich einfach los zu gehen. Immer der Nase nach. Es war ganz leicht. Fast, als würde ich über die Wiese schweben… Es machte richtig Spaß, alleine zu gehen! Auch wenn ich die Bärin wirklich lieb gewonnen hatte, war es doch schön alleine und ohne Hilfe vorwärts zu kommen. Als ich einige Zeit über die Wiese gegangen war, kam ich an einen Irrgarten aus großen, dichten Haselsträuchern. War die Bärin vielleicht da drin? Es dauerte einige Zeit, bis ich mich durch den großen, unübersichtlichen Irrgarten gekämpft hatte, doch schließlich hatte ich es geschafft. In der Mitte war allerdings nicht die Bärin, wie ich gehofft hatte, sondern auch wieder nur eine Wiese. Ein Kreisrundes Wiesenstück. Ohne Blume. Nur einige seltsame, zweistufige Podeste standen auf der Wiese herum. Aber ansonsten war es einfach nur eine langweilig grüne Wiese. Enttäuscht und traurig ließ ich mich in das Graß sinken. Hatte die Bärin nicht gesagt sie würde auf mich aufpassen…? Plötzlich raschelte es in den Büschen neben mir. Und ich schreckte heftig hoch. Waren nicht böse Wesen in den Büschen gewesen, hatten darin gelauert, gejault und geknurrt und mich mit wirren, gierigen Augen angestarrt, als die Bärin mich sicher an den Büschen vorbei getragen hatte? Ich zitterte leicht. Jetzt war ich wirklich alleine. Ganz alleine. Ohne jegliche Hilfe. Was sollte ich denn nun tun, wenn so ein Böses Tier aus dem Haselstrauch sprang? Ich konnte mich ja kaum wehren! Ich sah auf meine kleinen Hände. Schlagen würde das Wesen sicher nur wütender machen… Das rascheln kam immer näher, und ich suchte nach dem Weg, durch den ich herein gekommen war. Doch er war Weg. Es gab keinen Ausgang aus dem Irrgarten. Oder, zumindest keinen Gang mehr, der dorthin führte! Nur Haselsträucher. Freundlich hellgrün in der hochstehenden Sonne. Also blieb mir nichts anderes übrig, als still zu halten. Ich versuchte mich so wenig zu bewegen, wie möglich. Da brach die Hecke plötzlich auf und durch das Loch kam ein kleines, cremefarbenes Löwenkopfkaninchen mit weißen Ohrspitzen gehoppelt. Es sah mich kurz an, nahm aber ansonsten nicht weiter Notiz von mir. Es hoppelte zu einem der Podeste, setzte sich darauf und begann sich mit den Pfoten das Gesicht zu waschen. Das Tierchen war ja sicher nicht gefährlich… Langsam begann ich mich wieder zu entspannen. Kaninchen waren Hilflose Tiere. Würde in irgendeiner Art und Weise Gefahr drohen, wäre dieses Tierchen sicher nicht so entspannt. Bald darauf raschelte es wieder in der Hecke. Eine kleine Ziege zwängte sich durch das Loch, schüttelte sich die Blätter auf dem braun weiß geflecktem Fell und von den kleinen schwarzen Hörnern und ging dann, wie auch das Kaninchen, ganz entspannt zu einem der Podeste und ließ sich darauf nieder. Nach und nach folgten weitere Tiere. Alle Jung. Und jedes suchte sich, ganz selbstverständlich ein Podest aus. Da war ein Bieber, mit flachem Schwanz und vorstehenden Zähnen; ein kleiner Luchs mit Pinselohren und tief grünen Augen; ein junger Wolf der sich ein Podest am Rande der Lichtung suchte, das im Schatten der Haselsträucher fast nicht aus zu machen war, und nur hin und wieder mit seinen gelben Augen zu mir herüber sah. Ein junges Rehkitz sprang flink und klein durch das Loch in den Sträuchern und sprengte, kaum mehr als ein brauner Blitz, an mir vorbei. Und so füllte sich die Lichtung langsam. Mit allen möglichen, wilden und zahmen Tieren. Ein kleiner Cockerspaniel Welpe lag auf dem einen Podest und direkt daneben, ohne auch nur eine droh Gebärde, ein hübscher, rotgestromter, Perser Kater. Und als letztes stakste ein junges Fohlen vorsichtig durch das Loch und lief scheu zu einem der Podeste. Mühsam faltete es die langen Beine unter seinem Körper und ließ sich darauf nieder. Schließlich waren nur noch Zwei Podeste frei. Und ich entschloss mich, neugierig auf das, was nun kommen würde, mich auf eines von ihnen zu setzen. Die Tiere sahen mich fast ausnahmslos an, als ich vorsichtig zu dem Podest ging. Ich wusste bloß nicht zu deuten wie sie mich ansahen. War es freundlich? Misstrauisch? Verärgert? Hatte ich einem von ihren Freunden den Platz genommen? Aber sie sagten nichts. Also behielt ich meinen Plan bei und lies mich vorsichtig auf das Podest sinken. Und keine Sekunde zu früh. Es knackte und krachte ganz fürchterlich in den Büschen, die die Lichtung umgaben. Und schon entstand ein riesiges Loch. Die jungen Tiere um mich herum erhoben sich und als schließlich ein großer, stattlicher Elch mit einem riesigen Geweih durch das Loch trat, verbeugten sie sich alle gleichermaßen tief. Hatte vorher doch noch, wenn auch nur sehr leise, ein gewisses Gemurmel geherrscht, so war es nun Totenstill. Das einzige, was zu hören war, waren die Schritte des Elches auf dem Gras. Mit seiner tiefen, singenden, röhrenden Stimmer begann er zu erzählen. Von Dingen, die wir alle nicht wissen konnten. Dingen, die vor ewigen Zeiten geschehen waren. Die wir uns nicht einmal vorstellen konnten. Und schon bald brummte mir der Kopf. Plötzlich hörte ich eine Stimme neben mir. „Es ist anstrengend, nicht wahr?“ Ich drehte den Kopf. Es war das erste Mal an dem Tag, dass ich wirklich eine Stimme hörte, die an mich gerichtet war. Das jemand mit mir sprach, abgesehen von dem Äffchen. Ich hätte dem Mädchen gerne geantwortet. Und ihm gesagt, wie hübsch es war. Es trug ein langes, weißes Kleid, das mit Rüschen verziert war und wunderschön aussah. Im Dunkelbrauen Haar trug es weiße Rosen und in der einen behandschuhten Hand hielt es einen wunderschönen spitzen Schirm. Ich nickte es zögerlich an und lächelte. „Er ist ja bald fertig…“ Meine das Mädchen dann und drehte sich wieder nach vorne um den ruhelos umherstreifendem Elch mit den Augen zu folgen. Ich hatte schon vor einiger Zeit aufgegeben seinen Gedanken zu folgen. Es erschien mir unmöglich etwas davon wirklich zu verstehen. Schließlich verwand der Elch erneut in der Hecke und das Loch im Geäst schloss sich raschelnd hinter ihn. Noch immer wie benommen saß ich da und sah ihm hinterher. Ich vernahm zwar ein krachen, durch welches ich durchaus merkte, dass die Hecke erneut eine Öffnung gebildet haben musste, aber war nicht wirklich fähig mich zu bewegen. Auch dem Mädchen erschien es nicht anders zu ergehen und selbst die Tiere saßen noch etwas bewegungslos auf ihren Plätzen, bevor sie sich langsam bewegten. Sie alle strömten in die Richtung das Neuen Loches zu. Das Mädchen vom Podest neben mir reichte mir die Hand. „Komm, wir gehen mit ihnen…“ Sie führte mich durch das Loch in der Hecke und schließlich standen wir wieder auf der großen Wiese, auf der ich angekommen war. Die anderen Tiere standen im Halbkreis da und schienen mich zu erwarten. „Hallo, willst du mit uns spielen?“ fragte mich das Löwenkopfkaninchen schließlich schüchtern. Zu dem Mädchen, das noch immer neben mir stand sagte es nichts. Ich nickte und lächelte. „Gut… DU bist!“ Das Kaninchen quiekte begeistert auf und schlug mich mit seiner kleinen Pfote ab. Dann rannte es hackenschlagend vor mir davon als hätte ich eine Chance es zu fangen. Und im nächsten Moment rannten dann auch alle anderen schon davon. Vor mir weg und ich ihnen hinter her. Es machte richtig Spaß, mit den Tieren fangen zu spielen! Auch wenn die meisten viel zu schnell für mich waren… Manchmal erbarmten sie sich ein wenig und liefen mir praktisch in die Arme. Nur das Mädchen im weißen Kleid stand neben dem Spiel und sah zu Auch der Wolf rannte nicht vor mir davon. Ich hatte ihn nichtmehr gesehen, seit dem der Elch auf die Lichtung gekommen war... Schließlich konnte ich nichtmehr. Möglichst unbemerkt sonderte ich mich von den anderen Tieren ab, die gerade vor dem rotgestromten Perser Kater davon liefen und legte mich ins Gras um nicht so auffällig zu sein. ein Herz raste und ich kam kaum zu Atem. Meine Lunge brannte, schmerzhaft. Die Gesichter der anderen Tiere erschienen über mir. Selbst die graue Schnauze des Wolfs. Sie begannen sich zu drehen. Herum zu wirbeln und das letzte, was ich im aufkommenden, schwarzen Nebel sehen konnte war das besorgte Gesicht des Mädchens in Weiß. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)