Last Desire 4.5 von Sky- (Another Desire) ================================================================================ Kapitel 11: Andrew wird krank ----------------------------- Am nächsten Morgen wachte Andrew mit einem deutlich spürbaren Muskelkater in den Armen und auch im Rest seines Körpers auf. Nie hätte er gedacht, dass er vom Tanzen und Melonenwerfen so einen Muskelkater bekommen könnte und als er aufstand, dröhnte ihm zudem noch erheblich der Kopf. Und sogleich überfiel ihn mit einem tiefen Atemzug ein schmerzhafter Hustkrampf, als er ein juckendes Kratzen in seiner Brust spürte. Er hustete mehrmals und bemerkte, dass er sich offenbar etwas erkältet haben musste. Naja, eigentlich auch kein Wunder, nachdem er gestern klatschnass im eiskalten Regen gewesen war. Da passierte so etwas eben. Um etwas gegen seinen Husten zu tun, ging er hinunter in die Küche, um sich einen heißen Tee zu machen. Oliver hatte wie immer das Frühstück vorbereitet und er hatte auch eine Nachricht geschrieben auf welcher stand Bin wahrscheinlich gegen 13 Uhr wieder da, wenn alles glatt läuft. Wärst du so nett und würdest einkaufen gehen fürs Mittagessen? Ich hab dir Geld und eine Liste da gelassen. Der Supermarkt ist nicht weit von hier, du kannst auch mit dem Bus dorthin fahren Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es schon knapp zehn Uhr war. Na, dann würde es ja auch nicht mehr lange dauern, bis Oliver wieder zurück war. Er hatte also noch genügend Zeit für die Hausarbeit. Andrew musste erneut husten, da das Jucken in der Brust beim Atmen nicht weggehen wollte und er daraufhin wieder von unangenehmen Schmerzen gepeinigt wurde. Verdammte Erkältung, dachte er sich und nachdem er seinen Tee ausgetrunken hatte, ging er ins Bad. Im Schränkchen fand er glücklicherweise etwas gegen Erkältung und nahm sogleich eine Tablette und betrachtete sich im Spiegel. Zu seinem Erstaunen sah er heute sogar noch schlimmer aus als die letzten Tage, obwohl er doch eigentlich ganz gut geschlafen hatte und er sich endlich mit Oliver ausgesprochen hatte. Ob das vielleicht an der Erkältung lag? Nun ja, es waren schon einige Jahre her, seit er das letzte Mal erkältet gewesen war. Konnte sein, dass es daher kam. Was hatte er damals noch mal für Symptome gehabt? Husten, Schnupfen, leichtes Fieber und er war ziemlich müde gewesen. Nun gut, er fühlte sich müde, aber er hatte auch keine Lust, den ganzen Tag nur im Bett zu liegen und zu faulenzen. Er hatte sich immerhin für die Hausarbeit verpflichtet, also musste er auch dieser Aufgabe nachgehen. Doch er merkte recht schnell, dass er heute gesundheitlich nicht so wirklich auf der Höhe war und am liebsten im Bett geblieben wäre. Ihm war ein wenig schwindelig und er fühlte sich etwas seltsam. Aber am schlimmsten war immer noch der Husten. Trotzdem ließ er sich davon nicht bremsen und begann mit der Hausarbeit. Wenn er sich beeilte, hatte er alles recht schnell geschafft. Da er fast das ganze Haus schon aufgeräumt hatte, brauchte er nur noch Küche, Bad und die beiden Flure zu machen. Heute wollte er definitiv etwas kürzer treten und den Rest dafür morgen nachholen. Hauptsache, das Wichtigste war getan und er hatte dann auch den Einkauf erledigt. Oliver hatte ihn ja immerhin darum gebeten, also war es auch wichtig, dass er den Einkauf unbedingt machte, bevor er von der Arbeit zurückkam. Doch schon, als er dabei war, das Badezimmer zu putzen, da merkte Andrew, dass er selbst das kaum schaffte. Er war am Ende seiner Kräfte, seine ganze Energie war weg und sein Gesicht glühte und sein Husten wurde wieder schlimmer. Da half nichts, er musste sich setzen und sich sammeln, bevor er mit der Arbeit weitermachte. Doch lange blieb er nicht dabei, sondern setzte seine Arbeit nach fünf Minuten gleich wieder fort und schaffte es mit kleineren Zwischenpausen dann endlich, Küche und Bad auf Vordermann zu bringen, war aber danach so dermaßen fertig, dass er das Gefühl hatte, gleich zusammenzubrechen. Nicht nur, dass ihm immer wieder so heiß wurde, seine Energie war auf einem absoluten Nullpunkt und der Muskelkater von gestern kam auch noch hinzu. Ob der Schaltkreis irgendwie Probleme macht? Oliver hatte doch mal erwähnt gehabt, dass ich deswegen immer so erschöpft war, weil eine Einstellung nicht ganz richtig war. Vielleicht hat sich ja eine Einstellung geändert oder so. Ob ich ihn mal anrufen und fragen sollte? So ein Quatsch. Wenn wirklich ein Problem sein sollte, hätte er schon längst eine Mitteilung auf seinem Gerät kriegen müssen und dann hätte er mich doch angerufen. Aber warum fühle ich mich dann so? Womöglich hat das Gerät ja einen Defekt und gibt ihm keine Meldung. Ich sollte ihn besser mal anrufen und nachfragen. Andrew holte sein Handy und wählte Olivers Nummer. Da dieser nicht ranging, versuchte er es stattdessen bei Ridley. Dieser klang ein klein wenig gestresst. „Hey Andrew, was gibt’s? Willst du Oliver sprechen?“ „Ja, aber er geht nicht an sein Handy?“ „Der hat es mal wieder im Büro vergessen. Der ist gerade in der Entwicklungsabteilung, da er gerade eine kleine Katastrophe verhindern muss. Soll ich ihm Bescheid sagen, dass er dich zurückrufen soll?“ Andrew überlegte. Wenn Oliver gerade wirklich so einen Stress hatte, dann konnte er ihn doch unmöglich stören. Also sagte er, dass es eh nichts Wichtiges sei und verabschiedete sich damit. Nachdem er sich einigermaßen wieder gesammelt hatte, beendete er die Hausarbeit und durch die ständigen Pausen brauchte er viel länger als sonst. Und als er endlich fertig war und einkaufen gehen wollte, da hörte er, wie die Haustür geöffnet wurde und Oliver zurück war. Merkwürdig, dabei war es doch noch gar nicht 13 Uhr. „Oliver, was machst du denn wieder so früh hier? Ich dachte, du hättest so viel zu tun!“ „Ridley hat mir gesagt, dass du angerufen hast, dann aber gemeint hast, dass es nichts Wichtiges sei. In dem Fall weiß ich doch, dass es etwas Wichtiges ist. Und da ich mein Handy nicht finden konnte, bin ich eben zurückgefahren. Also sag schon, was ist los und wo willst du hin?“ „Einkaufen. Ich bin mit der Hausarbeit fertig und da wollte ich den Einkauf erledigen, um den du mich gebeten hast.“ „Hast du dich mal im Spiegel angesehen? Es sieht doch ein Blinder, dass da etwas nicht mit dir in Ordnung ist.“ Oliver ging zu ihm hin und legte eine Hand auf seine Stirn. Seine Hand fühlte sich eiskalt an. „Da ist nichts“, sagte Andrew und ging einen Schritt zurück. „Deine Hand ist einfach kalt.“ „Meine Hände sind nicht kalt, deine Stirn glüht förmlich. Oh Mann, Andy! Was denkst du dir nur dabei, rauszugehen, wenn du krank bist? Wahrscheinlich hast du dir gestern doch was eingefangen. Hast du irgendwelche Beschwerden?“ Da Andrew wohl merkte, dass er sich nicht mehr herausreden konnte, erzählte er von seinem schmerzhaften Husten und so verfrachtete Oliver ihn kurzerhand in den Wagen und fuhr ihn zum Arzt. Die Diagnose war, dass Andrew eine akute Bronchitis und 40°C Fieber hatte und deshalb dringend Bettruhe brauchte. Er bekam noch einige Medikamente verschrieben und als sie wieder zurück waren, schickte der 26-jährige Hacker ihn ins Bett und ließ auch nicht mit sich reden. Sogleich rief Oliver auf der Arbeit an und sagte Ridley Bescheid, dass er erst mal von zuhause aus arbeiten würde, damit er sich um Andrew kümmern konnte, bevor der noch wieder auf irgendwelche bescheuerten Ideen kam. Damit hatte er diesen Teil erledigt und begann sogleich, ein paar Einkäufe zu tätigen, während Andrew im Bett lag und ein schlechtes Gewissen hatte, dass Oliver wegen ihm jetzt so viel Arbeit hatte. Eigentlich wollte er doch nur helfen, stattdessen war er jetzt krank und Oliver musste sich um ihn kümmern. Das hatte er so nicht gewollt. Nach knapp einer Stunde kehrte der Hacker zurück und arbeitete noch ein wenig in der Küche, dann kam er mit einer Tasse zu ihm, in der sich ein fürchterlich stinkendes dunkles Gebräu befand. Allein schon vom Geruch her verschlug es Andrew den Atem und er fragte „Was um Himmels Willen ist das?“ „Ein altes Rezept, welches ich aus Afrika habe. Glaub mir, es stinkt zwar bestialisch, aber es hilft besser, als dieser ganze chemische Kram.“ „Und… was ist da drin?“ „Frag besser nicht, sonst würdest du es sicherlich nicht trinken.“ Nur widerwillig würgte Andrew das Zeug mit zusammengehaltener Nase herunter und musste dann noch im Anschluss einen Schluck Wasser trinken. Das Zeug hatte so einen fürchterlichen Geschmack und nur mit Mühe konnte er einen Brechreiz unterdrücken. Großer Gott, wenn er es nicht besser wüsste, hätte er echt geglaubt, Oliver wollte ihn vergiften. Schließlich setzte sich der gebürtige Ire zu ihm und strich ihm sanft über die Stirn. „Warum machst du so einen Blödsinn, Andy? Du hättest doch wissen müssen, dass du krank bist. Ich reiß dir doch nicht den Kopf ab, wenn du sagst, du willst dich hinlegen, weil du dich nicht gut fühlst. Was wäre denn gewesen, wenn du beim Einkauf noch zusammengebrochen wärst?“ Daran hatte er überhaupt nicht gedacht. Aber er hatte Oliver doch nur helfen wollen, indem er eben tat, worum er gebeten wurde. Nun gut, er hatte selber gemerkt, dass er sich nicht gut fühlte, aber da hatte er zuerst gedacht, es würde am Schaltkreis liegen und er wollte auch nicht stören, als er hörte, dass Oliver beschäftigt war. Und dass dieser einfach so von der Arbeit verschwand und nach Hause kam, das hatte Andrew ja auch nicht wirklich beabsichtigt. „Tut mir Leid. Aber ich wollte dir nicht zur Last fa…“ Er brachte den Satz nicht zu Ende, da Oliver ihm eine sanfte Kopfnuss gab und ihn somit unterbrach. „Du bist echt unverbesserlich. Hör endlich auf damit zu denken, du wärst eine Last für mich. Das warst du nicht, bist du nicht und wirst es auch niemals sein. Du musst auch mal auf das hören, was du brauchst und das ist jetzt im Moment Bettruhe. Es zwingt dich doch niemand, hier alles auf Hochglanz zu bringen, wenn es dir so schlecht geht. Du musst endlich mal mit diesem Denken aufhören. Und jetzt ruhst du dich aus und das so lange, bis du wieder gesund bist. Und wehe, du wagst es auch nur daran zu denken, dich wieder zu übernehmen. Dann werde ich dir persönlich noch Zimmerarrest verhängen.“ Und da Andrew wusste, dass Oliver ernst machen würde, versprach er es ihm. Die nächsten Tage verbrachte der Ire damit, von seinem Laptop aus zu arbeiten und kümmerte sich nebenbei noch um Andrew, dessen Zustand sich teilweise immer weiter verschlechterte. Da er noch nie so schwer krank geworden war, wusste er auch nicht, wie er damit umgehen sollte und wurde immer wieder von schmerzhaften Hustkrämpfen geplagt. Er blieb die meiste Zeit im Bett und sah sich irgendwelche Sendungen im TV an, dann gab es aber auch wieder Momente, wo Oliver bei ihm saß und ihm von seinen früheren Hobbys und Reisen erzählte. Dass er sich so um ihn kümmerte, war Andrew neu, denn er hatte so etwas noch nie erlebt. Ganz im Gegensatz zu Oliver selbst, der damals sehr viel Zuwendung von seiner Familie und seinen Freunden erfahren hatte, wenn er krank war oder Herzprobleme hatte. Als sich am dritten Tag noch keine sichtbare Besserung eingestellt hatte, saßen sie wieder gemeinsam da und Andrew sagte schließlich „Irgendwie erzählst du mir so viel über das, was du erlebt hast. Aber… du erzählst mir nie etwas über deine Vergangenheit oder deine Familie.“ „Das hat auch gewisse Gründe“, erklärte der gebürtige Ire und faltete die Hände. „Meine Familie wurde getötet, als ich zwölf Jahre alt war. Du weißt ja, ich stamme aus Irland und mein richtiger Name ist Othan Ohlew, mir persönlich gefällt aber Oliver O’Brien besser, das klingt zum einen irischer und außerdem erinnert es mich immer an „Oliver Twist“. Damals gab es einen Serienmörder, der seinen Opfern lebend die Augen herausgerissen hat, bevor er sie tötete. Die Augen sammelte er und wurde deshalb der Eyeball-Killer genannt. Er nannte sich selbst immer „Sigma“ und er war genauso kaltblütig und grausam, wie er intelligent war. Man kann schon fast sagen, dass er dem BB-Killer ebenbürtig war, nur hatte Sigma mehr als 20 Menschen auf dem Gewissen und hat schon seine eigenen Eltern im zarten Alter von sechs Jahren umgebracht. Irgendwann ist meine Familie in sein Visier geraten. Er ist nachts bei uns ins Haus eingedrungen und hat mich, meinen kleinen Bruder Kian und meinen Vater verschleppt. Zuerst brachte er meinen Bruder um, dann meinen Dad. Bevor er mir die Augen herausnehmen konnte, kam die Polizei und hat ihn festgenommen. Ich erfuhr, dass L es geschafft hatte, ihn aufzuspüren und damit hatte ich ihm mein Leben zu verdanken. Da ich ziemlich talentiert war, was Computer betraf und ich auch was im Kopf hatte, kam ich schließlich zu euch ins Waisenhaus.“ Der Eyeball-Killer. Das war neben dem Kira-Fall und der BB-Mordserie einer von L’s berühmten Fällen, die internationales Aufsehen erregt hatten. Andrew hatte diese Mordserie mitverfolgt und sich auch oft genug gefragt, warum der Killer die Augen seiner Opfer stahl. Aber dann hatte sich herausgestellt, dass bei ihm eine Missbildung an den Augen vorlag. So waren seine Iris und seine Pupillen weiß, sodass seine Augen „leer“ aussahen. Und da das nun mal ein ziemlich furchteinflößender Anblick war, hatte der Killer in seiner Jugend ziemlich viel durchmachen müssen. Von den Eltern, den anderen Kindern und von der ganzen Welt wie ein Monster behandelt, entwickelte er immer mehr die Charakterzüge eines Monsters, bis er sich in eine Wahnidee reinsteigerte. Nämlich in die, dass die Augen das Gefäß der Seele seien und er keine Seele habe. Deshalb riss er seinen Opfern bei lebendigem Leibe die Augen aus, um eine eigene Seele zu besitzen. Eine ziemlich berühmte Mordserie, die auch schon Stoff für unzählige Autoren und Biografen geliefert hatte und anscheinend auch schon verfilmt wurde. Selten hatte Andrew von solchen Menschen gehört. Aber wenn er so an die Zeit im Norington Waisenhaus dachte. Welches Monster da gewütet und all seine Freunde umgebracht hatte… Allein der Gedanke an diese ausdruckslosen und leeren Augen jagte ihm Angst ein und er wollte es einfach nur vergessen. Doch wenn er so daran dachte, was Oliver passiert war… Er hatte seine eigene Familie sterben sehen und das noch auf solch grausame Art und Weise. „Das muss echt schlimm für dich gewesen sein.“ „Ja, das war es. Und bei der ganzen Aufregung habe ich auch einen Herzinfarkt gekriegt und lag lange Zeit im Krankenhaus. Das war auch unter anderem der Grund für meine Depression, gleich neben der Tatsache, dass ich mit meinem Herzen nicht älter als 17 Jahre geworden wäre. Ich dachte auch, ich hätte es nicht verdient, am Leben zu sein, wenn ich schon meine Familie nicht retten konnte. Natürlich wusste ich, dass das bescheuert war, so etwas zu denken. Ich war damals noch ein Kind und dieser Sigma war ein unheimlicher 30-jähriger Killer, der nicht nur in Irland und England, sondern auch in Amerika sein Unwesen getrieben hat. Gegen den hätte ich nie eine Chance gehabt und irgendwann habe ich auch gelernt, das zu akzeptieren. Deshalb verstehe ich dich auch wirklich gut, was du durchgemacht hast, als sich dieses Massaker im Norington Waisenhaus ereignet hat. Du hast deine Freunde und deine Familie verloren.“ Andrew runzelte verwundert die Stirn, als er das hörte und fragte „Wie meinst du das?“ „Deine Eltern waren die Leiter des Waisenhauses. Judith Asylum hatte dort gearbeitet und mit dir und deinem Vater dort gewohnt.“ Verwirrt sah Andrew ihn an und verstand das alles erst mal nicht. Er war gar nicht als Waise ins Norington Waisenhaus gekommen, sondern war dort aufgewachsen, weil seine Eltern dort gearbeitet hatten? Aber wieso hatte er sich nicht daran erinnern können, sondern stattdessen gedacht, seine Eltern wären bereits vorher gestorben? „Komisch, irgendwie kann ich mich nicht so wirklich daran erinnern…“ „Naja, du warst ja auch jung gewesen und außerdem war das Massaker dort schon traumatisch genug für dich gewesen, da kann man schon mal ein paar Sachen durcheinander bringen. Aber es ist Tatsache, dass deine Eltern dort gearbeitet haben und du deshalb dort im Waisenhaus gewohnt hast. Ich habe mich sehr mit deinem Leben beschäftigt, weil du meine große Leidenschaft warst, deshalb wollte ich auch wissen, was passiert ist, dass du in Wammys House gekommen bist.“ „Und hast du auch schon herausgefunden, wer das Massaker angerichtet hat?“ „Leider nein. Ich hab mich immer wieder damit beschäftigt, aber den Mörder habe ich bis heute nicht gefunden. Der Einzige, der seine Identität kennt, bist du.“ Andrew senkte den Blick und man sah ihm an, dass er Angst hatte. „Keine Bange, ich werde dich nicht ausfragen oder dich dazu zwingen, darüber zu sprechen. Wenn du eines Tages den Mut dazu aufbringen solltest, werde ich dir selbstverständlich zuhören. Aber das hat Zeit. Wichtig ist erst mal, dass du gesund wirst. Ich soll dir von den Kindern übrigens schöne Grüße ausrichten. Sie wünschen dir gute Besserung und hoffen, dass du für das nächste Treffen fit genug bist. Wir wollen eine alte still gelegte Fabrik mit Graffiti verschönern.“ „Klingt echt toll. Hoffentlich geht es mir bis dahin wieder besser.“ Die letzten Worte brachte Andrew nur noch mit Mühe hervor und erlitt wieder einen Hustkrampf, der sich anfühlte, als würde man ihm ein Messer in die Brust stoßen. Er versuchte schon, seine Atmung zu verlangsamen und nicht zu tief Luft zu holen, damit er nicht wieder dieses fürchterliche Rasseln spürte, wodurch er immer so husten musste. Oliver überprüfte seine Temperatur, konnte aber keine Verbesserung erkennen. Zwei weitere Tage vergingen und Oliver ließ sich immer wieder irgendetwas Neues einfallen, um dem kranken Andrew zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Immer wieder verabreichte er ihm neue Gemische, deren Zutaten er lieber nicht verraten wollte und die seiner Erfahrung nach wirklich helfen konnten. Und als Andrew fragte, woher er genau die Rezepte hatte, erklärte der Hacker, er habe sie von einer befreundeten Mambo gelernt. Und da Andrew nichts mit dem Begriff anfangen konnte, klärte Oliver ihn auf. „Mambos sind weibliche Hohenpriesterinnen im Voodoo-Kult. Houngan werden die männlichen genannt und ein Bokor ist einer, der sich auf schwarze Magie spezialisiert hat. Mambos und Houngans stehen an der Spitze ihrer Religion und beschäftigen sich mit Ritualen, Erhalten traditioneller Lieder und Tänze und der Kommunikation mit Geistern und vertreten ihre Interessen als auch die der Gottheiten, an denen sie glauben. Ich war ja selbst für zwei Monate ein Houngan, als ich von Südafrika aus nach Haiti gereist bin. Einige der Heilmittel, die sie mir gezeigt haben, werden schon seit Jahrhunderten weitergereicht. Nur darf man eben nicht fragen, was man da schluckt, sonst könnte es ein wenig… unangenehm werden.“ „Wieso? Sind da etwa Tiergedärme drin?“ Oliver sagte nichts dazu und Andrew wollte lieber nicht wissen, ob dieses Schweigen jetzt ein „ja“ oder „nein“ war. Doch überraschenderweise half es tatsächlich und schließlich ließ auch dieser schmerzende Husten nach. Oliver selbst erwies sich als guter Krankenpfleger und wich kaum von Andrews Seite. Meist, wenn dieser schlief, kümmerte sich Oliver um seine Arbeit, oder vertrieb sich die Zeit damit, indem er an seinem „Baby“ (nämlich dem Nazipanzer im Hinterhof) herumbastelte, oder seiner Anime-Sammelleidenschaft nachging. Zwar war es schon ärgerlich, dass die Krankheit ausgerechnet dann ausbrechen musste, als sie sich endlich näher gekommen waren und einander ihre Gefühle gestanden hatten. Aber andererseits hatte es auch sein Gutes, zumindest hatte Andrew das erste Mal erlebt, wie es sich anfühlte, wenn sich jemand um einen kümmerte. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, dass sich jemand anderes überhaupt mal so um ihn gekümmert hatte, als er das letzte Mal krank war. Deshalb war das ja auch eine völlig neue Erfahrung für ihn. Und immer noch fiel es ihm auch schwer zu realisieren, dass da jetzt mehr zwischen ihm und Oliver war, als zu Beginn seines Einzugs. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)