Last Desire 4.5 von Sky- (Another Desire) ================================================================================ Kapitel 8: Zu Besuch bei Elijah ------------------------------- Als Andrew am nächsten Morgen aufstand, war Oliver schon längst weg, hatte in der Küche aber bereits das Frühstück für ihn vorbereitet und ihm einen Zettel mit Ridleys Telefonnummer für Notfälle hinterlassen. Er wünschte ihm noch einen schönen Tag und dass er sich melden würde, wenn er ungefähr wusste, wann er mit der Arbeit fertig war. Eine Zeit lang blieb der 25-jährige sitzen und dachte nach. Er erinnerte sich gut, was letzte Nacht passiert war und zu was er sich hatte hinreißen lassen. Er hatte mit Oliver geschlafen… Diese Erinnerung war ihm nicht unangenehm und er bereute es auch nicht wirklich, aber trotzdem fühlte es sich komisch an und er war verunsichert. Vor allem, weil er sich nicht erklären konnte, warum er das getan hatte. Immerhin liebte er doch Beyond, oder etwa nicht? Das war alles so kompliziert und er wusste einfach nicht, was er tun sollte und wie er Oliver gegenübertreten sollte. Was, wenn Oliver irgendetwas erwarten würde, wenn er zurückkam? So etwas wie „Olli, ich hab mich in dich verliebt“, oder etwas Ähnliches? Das konnte er doch nicht so einfach sagen. Nicht wenn er nicht mal sagen konnte, wie es um seine Gefühle bestellt war. Wieso nur hatte er das getan, wenn er doch nicht Oliver, sondern jemand anderen liebte? Ob er in ihn unterbewusst tatsächlich eine Art Ersatz für Beyond gesehen hatte? Nein, das konnte eigentlich kaum sein. Rein äußerlich hatten sie kaum Gemeinsamkeiten und vom Charakter her waren sie total unterschiedlich. Beyond war ein typischer Außenseiter, der die Menschen hasste und der mit einer Persönlichkeitsstörung zu kämpfen hatte. Und Oliver stand mitten im Leben, er half Menschen und hatte seinen Spaß am Leben. Also konnte es doch nicht sein, dass er einfach einen Ersatz gesucht hat. Oder… hatte Beyond vielleicht Recht gehabt, als dieser ihm sagte, er könnte keinen Unterschied zwischen Freundschaft und Liebe machen? Hatte er sich diese Liebe zu Beyond vielleicht nur eingeredet, weil er irgendjemanden brauchte, an den er sich klammern konnte, um die harte Zeit im Institut durchzustehen, ohne dabei zusammenzubrechen? Zugegeben, der Gedanke war nicht ganz abwegig. Beyond war der einzige Mensch von damals, an den er hatte denken können, weil er auch der Einzige war, zu dem er auch einen wirklichen Bezug gehabt hatte. Dann… dann war es also vielleicht möglich, dass er nicht Beyond liebte, sondern Oliver? Oder war er schon wieder dabei, Freundschaft und Liebe zu verwechseln und sich erneut in irgendetwas hineinzusteigern? Wie sehr wünschte er sich doch, dass Frederica jetzt bei ihm wäre, sie wüsste sicherlich einen Rat für sein Dilemma und könnte ihm helfen. Wie konnte er denn herausfinden, ob es nicht bloß freundschaftliche Gefühle waren? Tja, da wusste er im Moment auch nicht weiter. So saß Andrew niedergeschlagen an seinem Platz und fühlte sich so hilflos. Er wollte Olivers Gefühle nicht verletzen, aber sicherlich hatte er das bereits. Denn schlimmstenfalls hatte er wieder den gleichen Fehler begangen wie damals, als er immerzu Beyonds Gefühle verletzt hatte. Es half alles nichts. Vom bloßen Herumsitzen würde sich auch nichts ändern. Also begann Andrew damit, seine anfänglichen Pläne umzusetzen und den Rest des Chaos zu beseitigen, welches Oliver fabriziert hatte. Dabei schaltete er die Stereoanlage an und begann einfach querbeet irgendwelche klassische Musik zu spielen, um wenigstens etwas Unterhaltung zu haben. Vielleicht half die Arbeit ja, ihn ein wenig von seinen Sorgen und Problemen abzulenken. War immerhin besser, als die ganze Zeit Trübsal zu blasen und sich selbst zu bemitleiden oder Vorwürfe zu machen. Unglaublich, dass er inzwischen zu solch einem Denken fähig war und von sich selbst aus so etwas wollte, denn normalerweise saß er dann die ganze Zeit da und hasste sich selbst dafür, dass er das getan hatte. Aber nun wollte er etwas dagegen unternehmen und sich auch auf andere Gedanken bringen. Ob… ob das auf Olivers Einfluss zurückzuführen war? Hatte dieser tatsächlich in der kurzen Zeit schon so viel erreicht, dass er es geschafft hatte, einen Schalter bei Andrew umzulegen, dass dieser inzwischen selbst den Willen gefunden hatte, etwas gegen seine Traurigkeit zu unternehmen? Schien wohl zu sein, denn auch wenn er jetzt im Moment vollkommen verunsichert war, was seine Gefühle betrafen, wollte er nicht schon wieder in dieses Muster zurückverfallen und sein eigenes Elend bedauern. Aber wenn er so zurückdachte an gestern und die Party… er hatte wirklich Spaß gehabt und er sehnte sich auch danach, wieder so ausgelassen lachen zu können. Es hatte sich so wunderbar angefühlt, glücklich zu sein und nicht immer nur Trübsal zu blasen und wahrscheinlich hatte er dadurch endlich die nötige Motivation gefunden, um etwas an seiner Einstellung zu ändern. Sowohl zu sich selbst, als auch zum Rest der Welt. Und die Tatsache, dass all diese ausgelassen feiernden Kinder schwer krank waren und trotzdem das Beste aus ihrer Situation machten, hatte ihn sehr bewegt und zum Nachdenken angeregt. Nach und nach räumte er alles weg, was nicht mehr zu gebrauchen war. Müll, Flaschen, einfach alles und während er das Chaos beseitigte, musste er schon wieder an die letzte Nacht mit Oliver denken. Wie er ihn im Arm gehalten und seinen Namen genannt hatte. Er hatte eindeutig „Oliver“ gesagt und das bedeutete doch, dass er tatsächlich ihn gewollt hatte und niemand anderes sonst. Allein schon wenn er daran zurückdachte, wie nahe er ihm gewesen war und wie dieser ihm seine Ängste genommen hatte… Allein da wurde Andrew ganz seltsam zumute und sein Herz begann schneller zu schlagen. So war es ihm noch nie ergangen und es war deshalb auch so neu für ihn. Als Andrew auf der Couch eine Sweatshirtjacke von Oliver fand, hob er sie auf und sog den unverkennbaren Duft ein, der Oliver gehörte. Und in diesem Moment musste er wieder an ihn denken. An den Anblick, als sich sein Haarband gelöst hatte und sein schwarzes Haar über die Schultern fiel und wie er ihm sanft über die Wange gestreichelt hatte. Unbewusst drückte er die Jacke fester an sich und ließ diese eine Nacht noch mal durch seinen Kopf gehen. Wie unbeschreiblich gut sich das angefühlt hatte, in seinen Armen zu liegen und seine Wärme und seinen Herzschlag zu spüren. Und er erinnerte sich auch daran, wie vorsichtig und liebevoll Oliver gewesen war und wie sehr er darauf bedacht war, ihm nicht wehzutun. Es war so unfassbar schön gewesen und so etwas hatte er nicht einmal damals gespürt, als er mit Beyond geschlafen hatte. Nein, es war viel schöner gewesen und er hatte auch nicht diese bohrenden Schuldgefühle, weil er wusste, dass er etwas Unrechtes getan hatte, was nicht hätte passieren dürfen. Wie gerne würde er jetzt Oliver in den Arm nehmen… Doch da kam ihm ein Gedanke. Eine tiefe Angst und ein Zweifel, der sich in seinen Kopf hineinschlich wie ein Parasit und sich dort einnistete. Was, wenn es schon wieder so passierte wie damals und er nicht in der Lage war, eine vernünftige Beziehung zu Oliver zu führen? Was, wenn er schon wieder irgendetwas falsch interpretierte und er letzten Endes nur freundschaftliche Gefühle für ihn hegte und gar nicht imstande war, einen anderen Menschen zu lieben? Immerhin hatte er es doch nie wirklich geschafft, warum also sollte es auf einmal jetzt funktionieren? Er hatte doch immer wieder nur andere Menschen enttäuscht und verletzt. Beyond, Roger, Watari, einfach alle. Wie sollte es da mit ihm und Oliver denn überhaupt gut gehen? Eigentlich doch gar nicht, wenn man es so recht bedachte. Denn immerhin hatten sie beiden doch die letzte Nacht zusammen verbracht, obwohl Andrew Beyond liebte und Oliver das auch wusste. Damit hatte er doch nur seine Gefühle verletzt und ihm genauso wehgetan wie Beyond. Schon wieder machte er die gleichen Fehler wie damals, anstatt endlich dazuzulernen. Warum nur war er immer so ein verdammter Idiot? Egal was er machte, er konnte anscheinend nur Fehler machen. Was sollte er denn jetzt tun? Wie sollte er sich denn Oliver gegenüber verhalten? Dieser hatte sich nur unter der Bedingung auf ihn eingelassen, wenn er auch nichts zu bereuen hatte und er es auch wirklich wollte. Aber gestern war ja auch noch Alkohol und Marihuana im Spiel und da konnte Andrew nicht mit Gewissheit sagen, ob das, wozu er sich hatte hinreißen lassen, wirklich zu hundert Prozent aus Liebe geschehen war. Er war vollkommen verunsichert und fühlte sich miserabel. Er wollte Olivers Gefühle doch gar nicht verletzen, stattdessen hatte er wahrscheinlich schon wieder eine Dummheit getan. Niedergeschlagen seufzte er und begann nun, die weiteren Zimmer von Müll und Unrat zu befreien. Schließlich erreichte er auch Olivers Zimmer und kaum, dass er es geöffnet hatte, wurde er regelrecht erschlagen. Alles, aber auch wirklich alles war mit Anime-Postern, und –figuren vollgestopft, die Regale waren voller Animes und Mangas und auch dort war wirklich alles vertreten. Angefangen von alten Klassikern wie Sailor Moon, Digimon und anderen eher seichten Serien bis hin zu schwerer Kost und sehr anspruchsvollen Animes. Und als er auch noch einige Ecchis und Hentais fand, da konnte er nur den Kopf schütteln. Selbst die Bettwäsche war nicht verschont geblieben und auf dem Bett fanden sich einige Touhou-Plüschis. Das hatte also Ridley damit gemeint, dass Oliver echt gruselig mit seinen Hobbys werden konnte. Zum allerersten Mal erkannte Andrew, wie krass diese Obsessionen wirklich waren, die Oliver auslebte. Dabei hatte dieser es noch gut verbergen können. Aber wieso verhielt er sich in seiner Gegenwart so anders, wenn er seinen Hobbys wie ein Besessener nachging und dann an nichts anderes mehr denken konnte? Immerhin hatte er sein eigenes Büro bei Vention mit selbst gebastelten Papierkranichen zugemüllt, als er seiner Obsession für Origami nachgegangen war. Andrew sah sich im Zimmer um und bemerkte, dass es auch hier ziemlich chaotisch war. Also räumte er die herumliegenden Mangas wieder ins Regal und sortierte sie nach Serie und Bandnummer ein. Als er als nächstes den Schreibtisch aufräumte und die Animes wegräumen wollte, da fand er ein Fotoalbum. Ob das auch von Olivers Reisen war? Neugierig blätterte er die Seiten durch, stellte aber schnell fest, dass es gar keine Bilder von Afrika waren, sondern offenbar Fotos, als Oliver im Krankenhaus war. Es zeigte ihn meist mit Ridley, der eine furchtbar hässliche Brille trug, die ihn wie einen Volltrottel erscheinen und seine Augen größer aussehen ließ, als sie schon waren. Aber die meisten Fotos waren mit einem blonden Jungen mit leuchtend grünen Augen, der fast immer eine rote Jacke trug und fröhlich in die Kamera grinste. Es gab ziemlich viele Fotos mit ihm und Oliver und die beiden wirkten sehr glücklich zusammen. Wer wohl dieser Junge mit der roten Jacke war? Vielleicht dieser Elijah? Nun, er machte einen sehr aufgeweckten Eindruck und schien auch jemand zu sein, der oft zu Späßen neigte und Freude am Leben hatte. Er wirkte genauso wie Oliver jetzt. Und dann, auf einem anderen Bild sah man die beiden Arm in Arm und sie sahen plötzlich nicht mehr wie enge Freunde aus, sondern wie ein… … wie ein glückliches Paar. Konnte es etwa sein, dass Olivers Beziehung vor zehn Jahren, von der er gesprochen hatte, etwa mit diesem Elijah war? Aber wieso hatte er nichts davon gesagt und warum war die Beziehung in die Brüche gegangen, wenn die beiden so glücklich miteinander waren? Immer mehr Fragen kamen auf und Andrew hatte das Gefühl, als würde wieder alles über ihn hereinbrechen und ihn zu Boden drücken. Die ganze Zeit sprach Oliver so positiv von Elijah und hatte ihm so viel zu verdanken. Nicht nur, dass er wegen ihm seine Lebensfreude zurückgewonnen hatte, er hatte sogar Elijahs Lebensphilosphie übernommen. Er führte sogar seine Arbeit weiter, indem er genauso wie sein bester Freund damals todkranken Kindern ihre Freude am Leben zurückgab. Warum machte er das dann, wenn sie sich getrennt hatten? Fragen über Fragen kamen auf und je mehr Andrew darüber nachdachte, desto unwohler fühlte er sich und kam sich so hilflos und überfordert vor. Immerzu lobte Oliver diesen Elijah in höchsten Tönen, da musste er doch noch Gefühle für ihn haben, selbst nachdem sie sich getrennt hatten. Das war doch alles totaler Mist! Was hatte er sich nur dabei gedacht, sich gestern so dermaßen zu vergessen und sich auf diese blödsinnige Idee einzulassen, wenn Oliver sowieso einen anderen Mann liebte und nebenbei auch noch Frauengeschichten hatte? Ich bin doch überhaupt keine Nummer für ihn. Neben diesem Elijah, der doch so viel für ihn und Ridley getan hat, bin ich doch ein Nichts, ein absolutes Häufchen Elend. Ich kann mir doch nicht mal selber helfen, wie sollte ich da jemals mit ihm mithalten können? Man sieht doch deutlich, wie glücklich Oliver auf den Fotos mit Elijah ist, da habe ich doch überhaupt keine Chance. Niedergeschlagen und den Tränen nahe, schloss Andrew das Fotoalbum und verließ das Zimmer. Draußen donnerte es leise, wahrscheinlich würde es schon wieder bald regnen. Also beeilte er sich und brachte die Müllsäcke in den Hinterhof, wobei er fast einen Herzinfarkt bekam, als er ein Monstrum von einer Maschine sah, welches da direkt vor ihm stand. Und es war nicht irgendeine Maschine, sondern ein Panzer! Andrews Augen weiteten sich, als er dieses Gefährt sah und vor allem das Wappen darauf. Hinter sich hörte er Schritte und Olivers Stimme. Offenbar war er früher als erwartet zurückgekommen. „Hey Andy, bin wieder da. Die Softwareprogrammierung war total easy, deshalb war ich auch schnell fertig. Oh, anscheinend hast du mein Baby schon gefunden.“ Andrew brauchte eine Weile, dann drehte er sich zu dem Hacker um und sah ihn entgeistert an. „Als du von einem Fahrzeug gesprochen hast, dachte ich zuerst an ein Auto oder ein Motorrad, aber nicht an einen deutschen Nazipanzer aus dem zweiten Weltkrieg! Was willst du denn damit? Etwa in den Krieg ziehen?“ Doch wie immer zuckte der gebürtige Ire lässig mit den Schultern und lächelte. „Ich wollte schon immer mal an einem Panzer schrauben und da ich das Ding günstig gekauft habe, dachte ich mir, ich mach es flott und stifte es dem Museum.“ „Wo hast du denn bitteschön einen Nazipanzer gekauft?“ „Ebay!“ Der will mich jetzt wohl verschaukeln, oder? Andrew seufzte und schüttelte den Kopf, als er die Mülltüten wegbrachte. Das war ja mal wieder absolut typisch für so einen Spinner wie Oliver. Der machte auch wirklich die unmöglichsten Sachen! Unfassbar, da ersteigerte er mal eben einen alten knapp siebzig Jahre alten Kriegspanzer, ließ ihn nach Boston verfrachten, um ihn zusammenzuschrauben und wieder fahrtüchtig zu machen. Das passte eindeutig zu ihm. „Du bist echt wahnsinnig.“ „Ich mag vielleicht wahnsinnig sein, aber ich bin nicht verrückt.“ „Tolle Logik…“ Sie gingen wieder rein und nachdem Oliver seine Jacke abgelegt hatte, ging er in die Küche und kochte einen Kaffee. Draußen wurde es düster und wahrscheinlich würde es nicht mehr lange dauern, bis das Gewitter hereinbrechen würde. „Und wie hast du den Tag so ohne mich verbracht?“ „Ich hab dein Chaos beseitigt und auch mal dein Zimmer aufgeräumt. Als Ridley mir sagte, dass du echt unheimlich sein kannst, was deine Hobbys betrifft, dachte ich zunächst, er würde übertreiben. Jetzt weiß ich, dass er untertrieben hat.“ Der 26-jährige Hacker lachte, als er das hörte und setzte sich zusammen mit Andrew ins aufgeräumte Wohnzimmer, wo immer noch Musik lief. „So ist das nun mal. Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein. Ich wollte dir damit aber nicht so auf die Nerven gehen weil ich weiß, wie anstrengend ich dann für meine Mitmenschen bin, wenn ich wieder ein neues Hobby habe. Deshalb wollte ich mich auch etwas mehr zurücknehmen.“ Andrew musste wieder an das Fotoalbum denken und wie glücklich Oliver mit Elijah ausgesehen hatte. Seine Brust schnürte sich zusammen und er senkte den Blick. Dem gebürtigen Iren entging dies durchaus nicht und so fragte er „Was bedrückt dich? Ist es wegen letzter Nacht?“ Doch Andrew antwortete noch nicht sofort darauf. Seine Hände umschlossen die heiße Tasse fester und er spürte diesen schmerzhaften Stich und die Verzweiflung, die Angst und die Hilflosigkeit, die von ihm Besitz ergriff. „Dieser Junge, mit dem du vor zehn Jahren zusammen warst… das war dieser Elijah, oder?“ So langsam begann Oliver durchzublicken, was da los war und sein Lächeln schwand, wenn auch er nicht niedergeschlagen oder ernst wirkte. Er dachte offenbar nach, wie er das Ganze näher erklären könnte. Dann aber nickte er und antwortete „Ja, Elijah und ich waren Freunde, aber irgendwann haben wir Gefühle füreinander entwickelt und wurden ein Paar.“ „Und… hast du immer noch Gefühle für ihn?“ Er antwortete nicht sofort darauf, sondern beugte sich vor und sah Andrew fest an. „Jetzt hör mal zu, Andy. Das mit Elijah ist zehn Jahre her und ich gebe zu, dass es noch Gefühle gibt, die für ihn existieren. Aber sie sind nicht mehr dieselben wie damals. Es ist damals viel passiert und ich kann nun mal nicht abstreiten, dass er einen besonderen Platz in meinem Leben einnimmt. Aber es ist nicht so, wie du es dir vielleicht vorstellst.“ Irgendwie verstand Andrew nun gar nichts mehr. Liebte Oliver diesen Elijah noch, oder etwa nicht? „Wieso seid ihr auseinandergegangen, wenn ihr euch doch so geliebt habt?“ Oliver dachte wieder nach und kratzte sich dabei am Hinterkopf. Schließlich stellte er seine Tasse auf dem Tisch ab und meinte „Ich glaube, ich muss es dir einfach zeigen.“ Damit stand er auf und schnappte sich die Wagenschlüssel. Andrew, der immer noch nichts verstand, folgte ihm und fragte „Was musst du mir zeigen?“ „Wir werden Elijah besuchen gehen. Ehrlich gesagt hatte ich sowieso vor, bei ihm mal vorbeizuschauen und nach dem Rechten sehen. Dann kann ich dich ihm auch bei der Gelegenheit mal vorstellen.“ Wie jetzt? Wollte Oliver jetzt tatsächlich einfach so zu seiner verflossenen Liebe fahren und ihm einen Besuch abstatten? „So ganz spontan? Was, wenn er nicht da ist? Geht das überhaupt so, dass wir einfach so bei ihm vorbeischauen?“ „Das geht schon in Ordnung. Nimm deine Jacke mit, es wird draußen ziemlich kalt. Ich nehme noch einen Regenschirm mit, falls es anfangen sollte zu schütten.“ Damit gingen sie zum Wagen und so fuhren sie los. Das alles war gerade ziemlich plötzlich für Andrew gekommen und immer noch wusste er nicht so wirklich, wie er das alles einordnen sollte und warum Oliver jetzt so plötzlich mit ihm zu diesem Elijah fahren wollte. Und wieso wollte er ihm unbedingt jemanden wie Andrew vorstellen? Das alles wurde immer rätselhafter. „Und wo genau wohnt Elijah?“ „Das wirst du schon noch sehen.“ Das war alles, was Oliver sagte und dann ging die Fahrt auch los. Sie führte nicht in Richtung der Metropole, sondern in die andere Richtung, nämlich in die etwas ruhiger gelegene Gegend von Boston und tausende Gedanken und Fragen schwirrten Andrew durch den Kopf. Fragen darüber, was Oliver sich davon versprach, wenn sie beide zusammen Elijah besuchten und wie dieser wohl reagieren würde. Ob Elijah noch Gefühle für Oliver hat? Oder war er vielleicht schon mit jemand anderes zusammen und Oliver leidet bis heute noch unter Liebeskummer? Wie Elijah wohl so ist? Ob er heute auch noch so ein Spaßvogel war, der genauso wie Oliver nur sein eigenes Ding machte und das Leben nicht so ernst nahm? Was hat es denn für einen Sinn, ihn zu besuchen und warum will Oliver mir das denn nicht einfach erklären? Irgendwie verstehe ich überhaupt nichts mehr. Warum muss er immer so ein Geheimnis daraus machen? Andrew sah aus dem Wagenfenster und sah langsam die Landschaft an ihnen vorbeiziehen. Wenn es so bewölkt war, wirkte Boston irgendwie so deprimierend. Nun ja, eigentlich wirkte dann alles in der Welt so deprimierend, wenn es so düster war. Wie lange die Fahrt wohl dauerte? Andrew war so tief in seinen Gedanken versunken, dass die Fahrt schneller vorbeiging, als er es selbst für möglich gehalten hätte und ehe er sich versah, hatte Oliver auch schon den Motor abgestellt und stieg aus. Verwundert sah sich Andrew um, konnte aber nicht so wirklich eine Wohnsiedlung ausfindig machen. Stattdessen sah er nur Wald, offenes Gelände und dann ging Oliver auch schon voran. Er folgte ihm, hatte aber keinen Plan, wo es denn nun hinging und wo dieser Elijah überhaupt wohnte. Der Weg führte sie durch ein kleines Waldstück und Oliver erklärte „Ich geh immer gerne hier entlang, aber wir sind gleich da.“ Andrew suchte alles nach einem Haus ab, fand aber rein gar nichts und fragte sich, welcher Mensch denn bitteschön so weit abgelegen wohnte. Dieser Elijah war doch nicht etwa so ein schräger Kauz, der einen auf Selbstversorger machte, oder? Sie bogen nach einer Weile nach rechts ab und erreichten nach einem kurzen Stück Fußweg das Ende des Waldstücks und sogleich rief Oliver auch schon „Da vorne ist es schon.“ Und natürlich wollte Andrew schon sehen, was sich hinter dem Waldstück verbarg, doch sogleich entwich ihm jegliche Farbe im Gesicht, als er sah, dass sie sich auf einem Friedhof befanden. Und Oliver blieb schließlich vor einem Grab stehen, auf dessen Marmorstein Folgendes geschrieben stand: „Elijah Wyatt *22.07.1988 †24.02.2003 And so died a noble heart. Good-Night, dear friend. And flights of angels sing thee to thy rest.” Das war also der Grund gewesen, wieso die Beziehung zwischen Oliver und Elijah in die Brüche gegangen war. Sie hatten sich nicht getrennt. Elijah war damals gestorben, als er 15 Jahre alt war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)