Broken Genius von caladriuss ================================================================================ Kapitel 20: Swimmingpool ------------------------ Drei Tage konnten wirklich unerträglich lang sein. Ich nutzte die Zeit, um mich über Massagen und Physiotherapie zu belesen, damit ich bei unserem Wiedersehen perfekt vorbereitet war. Eigentlich wäre das Wetter ideal gewesen, um baden zu gehen, denn inzwischen wurde es jeden Tag heißer. Aber ich biss die Zähne zusammen und konzentrierte mich auf meine Studien. Seto konnte ja schließlich auch nicht in den Pool springen. Leider. Gut vorbereitet aber völlig nervös ging ich schließlich wieder zur Villa. Allein der Gedanke, ihn gleich wiederzusehen, bereitete mir Herzklopfen. Ich hatte trotz intensiver Überlegungen einfach keinen ausgefeilten Plan zustande gebracht. Inzwischen war ich mir allerdings ziemlich sicher, dass mir kein Plan der Welt etwas bringen würde. Seto war zu schlau, um das nicht zu durchschauen, also baute ich darauf, einfach zu sehen, wie sich die Situation entwickelte. Ich entdeckte Seto in seinem Zimmer auf seinem Bett. Anscheinend hatte er sein Interesse an den Händen wiedererlangt, denn die Erfindung lag neben ihm, während er an einer kleinen Box hantierte. „Baust du eine zweite Fernbedienung?“, fragte ich neugierig. Er nickte, sah aber nicht auf. Oh nein, hoffentlich war er nicht schon wieder in seinem Erfindermodus gefangen. Er musste sich doch noch vom letzten erholen und dann würde er sich wieder nicht genug bewegen. Ich setzte mich vorsichtig neben ihm aufs Bett und strich behutsam über seine Stirn. Jetzt sah er doch auf, bedachte mich mit einem irritierten Blick. Ein Glück, seine Augen waren ganz klar. Kein Erfindermodus. „Wollte nur sehen, ob du Fieber hast.“, meinte ich schnell. Er neigte den Kopf etwas, sah mich schief an. „Als würde ich für so eine Kleinigkeit hier Tage brauchen.“ Darüber konnte ich nur schmunzeln. „Wollte deine Genialität nicht anzweifeln.“ Ich sah ihm tief in die Augen. „Aber hast du dich dann in den letzten Tagen überhaupt bewegt?“ Er nickte, erwiderte meinen Blick aufmerksam. „Ich war jeden Tag im Garten spazieren. Zufrieden?“ „Ja.“ Das stimmte mich wirklich zufrieden. Er achtete sorgsam auf sich, mehr konnte ich gar nicht verlangen. Ich strich durch sein dunkles Haar, ehe ich wieder vom Bett aufstand. Je undurchschaubarer ich für ihn blieb, desto größer rechnete ich meine Chancen aus. Und es schien zu funktionieren, denn er folgte mir mit den Augen, als versuchte er, mich zu ergründen. Er konnte so niedlich dreinschauen, wenn er etwas nicht verstand. „Sollen wir dann gleich mit der Therapie beginnen oder willst du deine Arbeit noch beenden?“ „Bin schon fertig.“, murmelte er. Schwerfällig kletterte er vom Bett und streckte sich, ehe er mir in den Behandlungsraum folgte. Ich hatte alle Mühe, mir ein triumphierendes Grinsen zu verkneifen, als er sich entkleidete und nur noch in Shorts auf den Behandlungstisch setzte. Ich mochte seinen Anblick einfach, die schön definierten Muskeln und die weiche Haut. Und jetzt würde er sich ganz in meine Hände geben. „Willst du dich denn nicht hinlegen?“ Wenn er auf dem Bauch lag, wäre die Massage wahrscheinlich wirkungsvoller. Er schüttelte nur den Kopf. „So verspannt bin ich nicht.“ „Ganz wie du willst.“ Wenn er lieber sitzen wollte, nahm ich das so hin. Ich verteilte etwas Massageöl auf meinen Händen und legte sie dann auf seine Schultern. Eigentlich eine nicht mal intime Geste, doch er zuckte darunter zusammen. „Ist es unangenehm?“, fragte ich besorgt. Hoffentlich nicht. Ich wollte ihm so viel Gutes tun, aber wie, wenn ihm meine Berührungen nicht gefielen? Er murrte leise. „Du musst das Öl mit den Händen vorwärmen, bevor du es einsetzt. Das ist Grundwissen!“ Oha, mein Fehler. Ich hatte mich in so viele Techniken und Details eingelesen, dass mir wirklich ein wenig die Grundlagen entfallen waren. Aber ich konnte sehr lernfähig sein, wenn ich etwas wirklich wollte. „Ich gelobe Besserung.“ Behutsam hielt ich meine Hände auf seinen Schultern, bis das Öl warm genug war. Wenigstens ließ er mich trotzdem gewähren. Ich strich langsam über seinen Rücken, betrachtete ihn eingehend. Wie schön seine Haut durch das Öl doch glänzte, richtig verführerisch. Aber erst mal musste ich ihm die Massage zukommen lassen, die er benötigte, bevor ich seinen Anblick genießen konnte. Also knetete ich erst seinen Nacken und schließlich seine Rückenmuskulatur durch. „Wie kommt es, dass du wieder Interesse an den Händen hast?“, fragte ich beiläufig. Mokuba hatte ja erzählt, dass er sich normalerweise nach Fertigstellung nicht mehr damit befasste. „Hab ich nicht. Aber vielleicht hat die Erfindung ja doch noch mehr Potenzial.“ „Du beschäftigst dich damit, obwohl es dir eigentlich egal ist?“ Das erschien mir ziemlich unlogisch. Er wandte sich um und sah mich schief an. „Hast du nicht gesagt, es wäre schade, dass ich nicht an den Erfindungen dranbleibe?“ Hatte ich, richtig. Beschäftigte er sich jetzt etwa damit nur deswegen? Hatten meine Worte bei ihm tatsächlich bewirkt, dass er jetzt den wahren Wert seiner Arbeit erkannte? Wahnsinn! Ich war unfassbar stolz auf mich, so etwas bei ihm erreicht zu haben. Immerhin war Seto ja wirklich ein unglaubliches Talent, das man auf jede erdenkliche Weise unterstützen sollte. Ich konnte mir ein glückliches Grinsen nicht verkneifen, während ich jetzt seine untere Rückenmuskulatur auflockerte. „Dafür scheint es doch aber gut voranzugehen, oder nicht?“ Er schnaubte. „Es ist ziemlich anstrengend.“ „Anstrengend?“ „Naja...“ Er zuckte vage mit den Schultern. „Wenn ich so eine Vision habe, dann weiß ich ja, was ich entwickeln will. Die Hände haben bestimmt viel Potenzial, aber ich weiß einfach nicht, was ich daran noch weiterentwickeln soll.“ Ihm fehlten also die Ideen? Schwer vorstellbar. „Also baust du erst mal die zweite Fernbedienung, weil dir nichts anderes einfällt?“ „Erbärmlich, ich weiß.“ „Nein nein. Das ganz bestimmt nicht.“ Nichts, was er entwickelte, konnte erbärmlich sein. Besänftigend massierte ich seinen Nacken, damit er sich wieder entspannte. „Vielleicht gehst du das Ganze nur zu krampfhaft an.“ „Inwiefern?“ „Weil du die Hände weiterentwickeln willst, nur um sie weiterzuentwickeln?“ Er warf mir einen verständnislosen Blick über die Schulter hinweg zu. „Warum denn sonst?“ „Du versuchst, es zu erzwingen und das funktioniert nicht.“ Ich beugte mich vor, wanderte mit den Händen über seine Seiten zu seinem Bauch. Dadurch war ich ihm wirklich sehr nah, und ich genoss es voll und ganz. Ich lehnte fast schon an seinem Rücken, spürte die Wärme seiner Haut durch mein T-Shirt hindurch. Sein Geruch umschmeichelte meine Nase und bereitete mir ein tiefes Wohlgefühl. Fast bildete ich mir ein, er würde sich sogar ein wenig gegen mich lehnen. „Also soll ich es lassen?“, fragte er leise. „Nein.“ Ich strich zärtlich über seinen Bauch. „Du sollst dich nur nicht darin verbeißen. Entspann dich einfach. Bestimmt kommt dir eine zündende Idee, wenn du etwas Abstand gewinnst.“ „Um das große Ganze im Blick zu behalten?“ „Wer weiß, vielleicht inspiriert dich ja ein völlig unscheinbarer Alltagsmoment.“ „Hm.“ Darüber musste er wohl nachdenken. Mir hingegen erschien es logisch. Vielleicht konnte er so einen Geistesblitz wirklich nicht erzwingen, sondern musste auf eine Eingebung warten. Anscheinend war er ja völlig ungeübt, sich seinen Erfindungen außerhalb dieses „Genie-Modus“ zu widmen. Nach einer Weile drehte er sich mir wieder zu. Dadurch, dass ich immer noch so weit vorgebeugt war, war sein Gesicht meinem jetzt ganz nah. Seine blauen Augen wirkten aus dieser Entfernung unvorstellbar intensiv und sinnlich, obwohl darin ein Ausdruck lag, den ich nicht deuten konnte. „Was für einen Therapieansatz verfolgst du eigentlich damit, mir den Bauch zu kraulen?“ Hoppla! Meine Berührungen waren tatsächlich schon lange keine Massage mehr. Ich hatte mich einfach hinreißen lassen, die Nähe auszukosten so gut es ging. Zwischenzeitlich waren meine Hände nicht nur über seinen Bauch sondern auch über seine Brust gewandert, hatten mit Begeisterung den dargebotenen Körper erkundet. „Hab den Hüftbeuger gesucht?“, versuchte ich es kleinlaut. Er musterte mich noch einen Moment lang, ehe er einfach nur nickte und sich von mir löste. Erst dachte ich, es wäre ihm zu viel, aber als wäre nichts gewesen, legte er sich einfach nur auf den Rücken und wartete darauf, dass ich zum zweiten Teil der Therapie überging. Eigentlich schade, denn damit war die Gelegenheit für weiteren engen Körperkontakt vorbei. Und ich behauptete jetzt mal, dass ihm meine Nähe nicht allzu unangenehm gewesen sein konnte, denn er hätte mich ja auch wesentlich früher von sich stoßen können. Allzu viel musste ich allerdings nicht mehr beitragen. Ohne mein Zutun, winkelte er das eine Bein an und ließ das andere vom Tisch baumeln, um den Hüftbeuger zu strecken. Und auch bei den weiteren Übungen kam ich mir eher wie ein Assistent vor. Na gut, wenigstens blieb mir dadurch viel Zeit, mir seinen Anblick genau einzuprägen, vom schön definierten Oberkörper bis zu diesen endlos langen Beinen. Nachdem er sich letztendlich wieder angezogen hatte, sah er mich erwartungsvoll an, als wollte er mich fragen: »Was jetzt?«. Bezüglich einer Inspiration für seine Erfindungen schien er sich ganz auf meine Leitung zu verlassen. In gewisser Weise machte mich das wirklich stolz, denn damit stellte ich ja quasi seine Muse dar und ich konnte sicher sein, dass er mich vorerst nicht wegschicken würde. „Es ist ziemlich warm heute.“, stellte ich fest. „Wie wäre es, wenn wir uns an den Pool legen?“ Seiner Mimik nach wirkte er nicht allzu begeistert davon. Kein Wunder, mit Gips konnte er ja schlecht ins Wasser. „Vertrau mir, es wird dir schon gefallen.“ Und er ließ sich darauf ein. Wenn auch widerwillig schwang er sich in Badeshorts und begleitete mich zum Pool. Während er sich umzog, nutzte ich die Zeit, um den Schuppen zu durchsuchen, den Mokuba mir damals bei seinem Geburtstag gezeigt hatte. Lauter Equipment zum Baden, aber mich interessierte hauptsächlich die Schwimmmatratze. Seto konnte zwar nicht ins, aber wenigstens mit der Matratze aufs Wasser. War doch besser als nichts. Als er zum Pool kam, wirkte er allerdings nicht sonderlich begeistert von meinem Vorschlag. „Dir ist schon klar, dass ich in der prallen Sonne verbrennen werde, oder?“, murrte er. „Sonnenmilch.“ Ich grinste breit. Eincremen übernahm ich gern für ihn. Er schnaufte völlig unbegeistert, ließ es aber zu, dass ich ihm den Rücken einschmierte. Während er auch auf seinem restlichen Körper Sonnencreme verteilte, zog ich mich bis auf die Badeshorts aus. Mir fiel auf, dass Setos Blick über meinen Körper glitt, aber ich konnte in seinen Augen nicht lesen, was er dachte. Bisher hatte ich ihn zwar schon sehr oft sehr freizügig gesehen, aber er mich im Gegenzug noch nie. Hoffentlich fand er meinen Anblick genauso ansprechend wie ich seinen. Ich glitt langsam ins Wasser, genoss die Abkühlung an diesem heißen Tag, während Seto eher teilnahmslos am Beckenrand saß. Wenn ich seinen Blick richtig deutete, frustrierte es ihn sichtlich, nicht ins Wasser zu können, aber vielleicht konnte ihn mein Plan ja doch milde stimmen. Ich zog die Matratze ins Wasser, brachte sie nah an den Beckenrand. „Kletter rauf.“ Misstrauisch betrachtete er das Angebot. „Es wäre wohl ziemlich dumm, mit Gips aufs Wasser zu gehen. Was, wenn ich sinke?“ „Ich passe schon auf, okay?“ Er fixierte mich mit seinem zweifelnden Blick, war wohl keineswegs zufrieden mit meinem Plan. Na schön, besserten wir nach. Ich kletterte aus dem Pool und eilte in die Küche, um Frischhaltefolie zu holen. Damit bewaffnet, kehrte ich zu ihm zurück. „Die schützt den Gips vor Wassertropfen.“, erklärte ich, während ich seinen Fuß damit einwickelte. „Das hilft nicht viel, wenn ich ins Wasser falle.“ „Dann fall doch einfach nicht rein!“ Ich hatte schon drauf geachtet, dass die Matratze nicht so leicht sinken würde. Die war dick und stabil genug, damit Seto darauf wirklich trocken blieb. Ich verstand seinen Argwohn ja, aber ich würde es ihm ja nicht vorschlagen, wenn ich mir nicht sicher wäre. „Das ist eine blöde Idee!“ Sein Blick wirkte störrisch und unnachgiebig. „Mag sein, dass es im ersten Moment so klingt, aber ich hab das genau durchdacht. Auf dieser superdicken Matratze sind selbst Yugi und Tea nicht gesunken, als sie zu Mokubas Geburtstag darauf fast schon übereinander hergefallen sind.“ Seine Augen blitzten gefährlich auf. „Ich weiß nicht, was mich daran mehr anwidert: die Vorstellung, wie dieser Gartenzwerg und das billige Mädchen Unzucht auf meinem Grundstück treiben oder die Tatsache, dass du mich auch noch auf einem von den beiden besudelten Ort auf den Pool treiben lassen willst, wo ich quasi wie auf einer Insel gestrandet bin.“ „Billiges Mädchen?“ „Gardner bemüht sich vielleicht um Stil, aber sie sieht einfach nur billig aus. Bei ihren Outfits braucht man nicht mal mehr seine Fantasie anstrengen, um zu wissen, wie sie nackt aussieht.“ Er beobachtete mich aufmerksam, als erwarte er eine heftige Gegenreaktion. Immerhin hatte er gerade gegen meine Freunde geschossen. Ich konnte darüber allerdings nur lachen. „Das hab ich ihr auch schon gesagt.“ An sich war seine Kritik ja treffend, warum sollte ich also sauer sein. Er schnaubte leicht. „Und trotzdem willst du mich auf eine von deren Körpersäften durchtränkte Matratze steigen lassen?“ „Sie haben nur rumgeknutscht und sich nicht wie wild gepaart!“ Trotzdem kam ich nicht umhin, festzustellen, wie wahnsinnig anregend dieser vorwurfsvolle Blick war. Er zog dabei einen kleinen Schmollmund, der zum Küssen einlud. „Wild und hemmungslos körperliche Intimitäten auf meiner Matratze ausgetauscht!“ Er fletschte unbegeistert die Zähne. Spielte meinem Plan nicht gerade in die Hände. Mist. Am liebsten würde ich ihm demonstrieren, wie widerstandsfähig diese Matratze wirklich war, indem ich ihm zeigte, dass sie auch dem Austausch körperlicher Intimitäten standhielt. Aber vorerst versuchte ich es anders. „Oh, gerade fällt mir ein, dass die beiden ja die grüne Matratze hatten. Das hier ist ja die Blaue.“ „Wir haben gar keine grüne Matratze.“, bemerkte er misstrauisch. „War wohl eine andere Party. Jedenfalls weiß ich, dass diese Matratzen superstabil sind.“ Ich kletterte erneut ins Wasser und hielt die Matratze fest. „Na komm, wir versuchen es einfach.“ Er zweifelte immer noch, das sah ich. Allerdings war er nicht mehr ganz so resolut dagegen eingestellt. Ich sah ihm tief in die Augen, hoffte dass er in den meinen meine absolute Aufrichtigkeit lesen konnte. „Ich passe auf dich auf, versprochen. Du kannst mir vertrauen, okay?“ Eine ganze Weile starrte er mir stumm in die Augen, aber schließlich nickte er. Nur langsam und äußerst vorsichtig kletterte er rauf, beobachtete dabei die ganze Zeit misstrauisch das Wasser. Aber die Matratze hielt, was sie versprach. Vorsichtig zog ich sie vom Beckenrand weg. „Siehst du, es hält.“ „Und wenn eine Welle kommt?“ „Du bist ja nicht auf dem Meer, sondern nur im Pool. Es ist ein schöner, warmer Tag und so kannst du dich nicht nur sonnen, sondern gleichzeitig auch abkühlen.“ Und innerlich grinste ich darüber, dass er am Ende des Tages in der Sonne bestimmt ein paar Sommersprossen mehr bekommen würde. Nur sehr langsam konnte er sich mit der Situation anfreunden, aber schließlich entspannte er sich. Er legte sich auf den Bauch, ließ das gesunde Bein und die Arme ins Wasser baumeln und schloss die Augen. Anscheinend fühlte er sich im Wasser wirklich wohl. Eine ganze Weile genossen wir einfach den Sommer. Ich nutzte, dass der Pool wirklich groß war und schwamm ein paar Bahnen, während Seto döste. Aber irgendwann merkte ich, dass sein Blick auf mir ruhte. Er beobachtete mich. Nur warum? Schaute er sich als erfahrener Schwimmer meinen Stil an? Der war sicherlich nicht perfekt, schon klar. Aber vielleicht lag sein Augenmerk auch auf meinem Körper. Ich war muskulöser als er, wirklich gut trainiert. Allerdings fand ich Setos Körper wesentlich besser definiert. Er wirkte athletisch, gazellengleich, während ich einfach nur der typische Sportler war. Trotzdem konnte ich mich sehen lassen und vielleicht empfand er das ja auch so. Zumindest wirkte sein Blick nicht angewidert. Ich schwamm zu ihm, hielt mich an der Matratze fest und betrachtete ihn eingehend. Auch wenn er mich genau beobachtete, wirkte sein Blick träge. Eigentlich schade, denn ich wüsste zu gern, was er bei meinem Anblick gedacht hatte. Nur in diesem müden Blick konnte ich nicht viel lesen. „Wie gefällt es dir?“, fragte ich neugierig. „Ist annehmbar.“, murmelte er. „Klar, ideal ist es nicht.“ Ich legte vorsichtig meine nasse Hand auf seinen Rücken, um seine erhitzte Haut zu kühlen. „Aber besser als nichts, oder?“ Er nickte vage, war allerdings wohl nicht in der Stimmung, zu reden. Auch gut. Ich begnügte mich damit, ein paar Bahnen durchs Wasser zu ziehen und hin und wieder über seine Haut zu streicheln, um sie zu kühlen. Ich kümmerte mich dabei insbesondere um seine Stirn und sein dunkles Haar. Wenn er so empfindsam bei Sommersprossen war, lag vielleicht auch das Risiko eines Sonnenstichs höher. Und trotzdem schien er es voll und ganz zu genießen, auf dem Wasser zu sein. Alles lief perfekt. Bis es schief ging. An sich war die Matratze wirklich ideal. Sie war so dick und stabil, dass es nur mit Gewalt möglich wäre, sie zu kentern und das würde ich nie tun. Allerdings schaffte Seto es auch ganz allein. Ich hatte keine Ahnung, was in ihn gefahren war, aber mit einem Mal schien es, als würde er hochschrecken und aufstehen wollen. Völlig unbedacht, als hätte er vergessen, wo er war, kam er auf die Beine und versenkte dabei seine Unterlage, die ihn bis dahin so zuverlässig getragen hatte. Verdammter Mist! Hastig schwamm ich zu ihm, während er wieder auftauchte und erschrocken nach Luft schnappte. Ich packte ihn an der Hüfte und zog ihn zum Beckenrand. „Alles okay?“, fragte ich besorgt. Ich hielt ihn fest umklammert, damit er nicht absank. Er nickte atemlos, sah mich ein wenig erschrocken an. „Was ist denn passiert?“ „Keine Ahnung.“ Er wischte sich das nasse Haar aus der Stirn. „Ich muss wohl eingedöst sein.“ Oje, damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Seufzend lehnte ich meine Stirn an seine. „Entschuldige, dass ich nicht richtig aufgepasst habe.“ Wie unendlich dumm von mir! Jetzt würde er mir doch nie wieder vertrauen. „Ich hatte plötzlich eine Idee für die Hände.“, hauchte er, suchte nach meinem Blick. Wie begeistert seine blauen Augen trotz dieser Lappalie strahlten. Unfassbar schön. „Und was?“ „Ich muss den Akku verbessern und dann kann ich sie umprogrammieren, so dass sie sprachgesteuert sind.“ Das... klang grenzenlos genial. Aber war das überhaupt machbar? Ach klar, mein kleines Genie würde das garantiert hinbekommen. Ich lächelte anerkennend. „Siehst du? Wenn du es nicht erzwingst, kommt die Idee von ganz allein.“ Er nickte, strahlte dabei übers ganze Gesicht. „Dank deiner Idee mit dem Pool.“ Wie sehr ihn das doch begeisterte. Und obwohl ihm diese bahnbrechende Idee gekommen war, schien er nicht gleich in den Erfindermodus abzutauchen. Vielleicht klappte es ja wirklich, dass er diese fast schon zwanghaften Phasen umgehen konnte, wenn er sich einfach von sich aus mehr dem Erfinden widmete. Wie viele Möglichkeiten ihm das eröffnen würde. Trotz dieser Entdeckung konnte ich im Moment nur daran denken, wie umwerfend schön er aussah, wenn er so lächelte. Unglaublich anziehend. Ich würde ihn so gern einfach küssen, und vielleicht war der Moment dafür gar nicht so schlecht. Wir waren einander ganz nah, ich müsste mich nur vorbeugen. Und so begeistert wie er mich gerade anlächelte, würde er es vielleicht sogar zulassen. Immerhin war er gerade anscheinend von einem absoluten Glücksgefühl erfasst. Seine Augen fixierten mich dabei, glänzten verführerisch sinnlich. Ich würde es einfach riskieren. Doch gerade als ich mich überwinden wollte, zerstörte ein Aufschrei die Situation. „Seto!“ Mokuba kam zu uns gerannt, während ich schnell von ihm abwich. „Was ist denn passiert?“ Der Kleine kniete sich an den Beckenrand, um seinen Bruder besorgt zu mustern. „Bin ins Wasser gefallen.“ Und trotzdem konnte Seto nicht aufhören zu lächeln. „Aber ich hatte eine Idee, wie ich die Hände weiterentwickeln kann.“ Sofort verdrehte Mokuba genervt die Augen. „Anstatt dich schon wieder mit diesen blöden Erfindungen zu beschäftigen, solltest du endlich mal anfangen, dich um deine Gesundheit zu kümmern! Dein Gips ist im Wasser. Vielleicht solltest du dir lieber darüber Sorgen machen!“ So eine harsche Ansprache brauchte es doch jetzt echt nicht, oder? Ich sah Seto an, wie seine Laune immer weiter sank. Sah Mokuba denn gar nicht, dass sein Geistesblitz diesmal ganz anders, sogar wünschenswert war? „Wir kümmern uns schon um einen neuen Gips.“, warf ich eilig ein. „Und der Rest? Was wenn der Unsinn jetzt wieder von vorn anfängt?“ Setos Augen wurden dunkel und ich erkannte darin aufkeimenden Zorn. Diesmal ließ er sich nicht wie sonst einreden, seine Idee wäre wertlos. Wirklich lobenswert, aber zwischen den Brüdern könnte es dadurch zum handfesten Streit kommen. „Es ist kein Unsinn!“, knurrte ich. Okay, ich konnte auch nicht vermitteln. Mir ging Mokubas negative Einstellung auf die Nerven und es ärgerte mich noch viel mehr, dass er diese perfekte Situation hatte zerplatzen lassen. „Und wir werden uns schon um den Gips kümmern, also werd nicht gleich hysterisch!“ Beide Brüder sahen mich irritiert an. Dabei hatte ich doch recht. Mokuba schnaubte leicht. „Macht doch, was ihr wollt!“ Darüber fluchend, wie unvernünftig wir doch wären, stapfte er davon. Auch gut! Ich näherte mich Seto wieder an. „Es ist kein Unsinn, okay?“, meinte ich sanft. Er nickte nur, aber seine Euphorie war verflogen. „Ich sollte lieber aus dem Wasser raus.“ Richtig. Ich sah ihm zu, wie er sich aus dem Becken zog und bedauerte die verpasste Chance. Was, wenn uns keiner gestört hätte? Hätte er es dann zugelassen? Egal, es würde noch weitere Gelegenheiten geben. Ich kletterte ebenfalls aus dem Wasser und holte zwei Handtücher. „Wir fahren zu Dr. Hikawe, damit er dir einen neuen Gips verpasst.“ Er nickte, während er sich abtrocknete. „Ich brauch meine Krücken.“ Richtig, mit dem nassen Gips würde er nicht auftreten können. Also holte ich ihm schnell die Gehhilfen. Es wunderte mich nicht mal, dass er schnurstracks in sein Zimmer humpelte, um sich neue Klamotten anzuziehen. Selbst in so einer Situation achtete er noch penibel auf seine Erscheinung. Allerdings blieb er recht wortkarg, als er mir den Autoschlüssel reichte und mich ihn in einem schicken Ferrari zum Krankenhaus fahren ließ. Vielleicht zweifelte er doch an seiner Idee, nachdem sich die erste Freude darüber gelegt hatte. Zumindest schien er sehr nachdenklich. Dr. Hikawe empfing uns sofort, allerdings wirkte er nicht sehr erfreut. Während er den durchnässten Gips aufschnitt, bedachte er Seto mit einem tadelnden Blick. „Sie dürfen auf die letzten Tage nicht leichtsinnig werden.“, meinte er. „Es hat schon seinen Grund, dass Sie den Gips noch eine Woche tragen sollen.“ „War ein Unfall.“, murmelte Seto nur. Der Arzt schüttelte leicht den Kopf, während er den Knöchel abtastete. Dann glitten seine Hände weiter über die Wade. „Zumindest scheinen Sie sich jetzt mehr bewegt zu haben, der Muskulatur nach zu urteilen.“ „War jeden Tag spazieren.“ „Sehr gut.“ „Die Genesung ist doch schon sehr vorangeschritten, oder?“, fragte ich lauernd. Dr. Hikawe nickte. „Wäre es denn dann nicht möglich, eine Gipsschiene anzulegen, die abnehmbar ist?“ Oh ja, ich hatte mich in das Thema eingelesen. Mir fehlte zwar die medizinische Ausbildung, um einzuschätzen, wie Setos Verletzung momentan einzuordnen war, aber ich hatte gelesen, dass ein Gehgips auch abnehmbar sein konnte. Ihm selbst schien das völlig neu zu sein, denn er sah mich so ungläubig an, als wäre ich ein Außerirdischer. „Nun...“ Dr. Hikawe lehnte sich zurück und betrachtete abschätzig den Knöchel. „Theoretisch ist es möglich. Aber auch wenn es nur noch eine Woche ist, schätze ich das Risiko, jetzt schon ohne Gips mit dem Knöchel aufzutreten, als zu hoch ein.“ „Das müsste er ja nicht.“, warf ich ein. „Wenn er mit dem Gips weiter die Physiotherapie einhält und regelmäßig läuft, dafür aber die Krücken nutzt, wenn er den Gips ablegt, dürfte es doch gehen oder?“ So ganz überzeugt schien der Arzt noch nicht zu sein. „Kommen Sie, so könnte er bei den Temperaturen wenigstens zwischendurch mal in den Pool.“ Eine gefühlte Ewigkeit lang, starrte er nur konzentriert auf den Knöchel. Aber schließlich gab er nach. Vielleicht ließ ihn ja Setos faszinierend hoffnungsvoller Blick einknicken. Zumindest auf mich wirkte das Blau seiner Augen fast schon hypnotisierend, wenn er mich so ansah. „In Ordnung.“ Dr. Hikawe seufzte schwer. „Aber nur unter den Bedingungen, die Ihr Begleiter schon erwähnt hat.“ Er sah Seto streng in die Augen. „Kein Auftreten ohne Gips und weiterhin regelmäßig Therapie und Übungen.“ Seto nickte schnell, wirkte noch ganz überrumpelt von der Entscheidung. Welche neuen Möglichkeiten ihm das einräumen würde. Er könnte in den Pool gehen, vielleicht sogar schwimmen. Wahrscheinlich war es allein schon eine Erleichterung endlich mal diesen Klotz am Bein für ein paar Minuten loszuwerden. „Gut.“ Während er jetzt die neue Gipsschiene anlegte, erklärte er die Auflagen dazu. „Nachts sollten Sie den Gips auf jeden Fall tragen und tagsüber nicht länger als sagen wir drei Stunden pro Tag ablegen.“ „Was ist mit Schwimmen?“, fragte ich. „Nein!“ Dr. Hikawe schüttelte energisch den Kopf. „Auch wenn die Belastung beim Schwimmen geringer ist als beim Laufen, sollten Sie damit noch warten, bis der Gips endgültig ab ist. Danach ist es die ideale Sportart, um die Muskeln wieder zu trainieren. Aber jetzt noch nicht. Man unterschätzt zu leicht, welche Kraft Wasser auswirken kann.“ Hm, nicht gut. Aber Setos Begeisterung schien das nicht zu schmälern. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung. Gut so. Zuversicht stand ihm wirklich besser als Resignation. „Sehen Sie es so.“ Jetzt lächelte der Arzt fast schon sanft. „Sie sind schon auf der Zielgeraden. Nur noch eine Woche und der Gips ist ab.“ Seto nickte, rang sich zumindest zu einem kleinen, schüchternen Lächeln durch. Als ich ihn wieder nach Hause fuhr, beobachtete er mich die ganze Zeit aufmerksam. „Wie bist du darauf gekommen?“, fragte er leise. Ich zuckte vage mit den Schultern. „Naja bei den Temperaturen dachte ich, es wäre doch toll, wenn du den Gips auch mal zum Baden ablegen könntest. Und bei meiner Recherche bin ich relativ schnell auf die Lösung gestoßen.“ Bei seinen fast schon vor Dankbarkeit strahlenden Augen, musste ich lächeln. „Ich denke, das macht dir die letzte Woche schon einfacher, oder?“ Er nickte, wirkte überaus zufrieden. Als wir bei ihm zuhause ankamen, nutzte er gleich mal die neugewonnenen Möglichkeit und humpelte zum Pool. Er setzte sich an den Beckenrand und krempelte die Hosenbeine hoch, während ich mich neben ihm niederließ. Neugierig beobachtete ich, wie er den Gips abmachte und dann den Fuß vorsichtig ins Wasser tauchte. „Und?“, fragte ich. „Wie fühlt es sich an?“ „Ziemlich ungewohnt.“ Er bewegte den Fuß im Wasser hin und her, erzeugte kleine Wellen. „Irgendwie fremd und gleichzeitig ganz leicht.“ „Trotzdem gut?“ Er sah mich an, lächelte schwach. „Unglaublich gut.“ Das sah man. Er wirkte im Moment einfach nur erleichtert. Wie sehr ich diesen Anblick liebte. Und trotzdem entschied ich mich dafür, mich jetzt zurückzuziehen. Im Moment war er mir wirklich dankbar für die Idee und meine Überlegung bestand darin, dass er über mich nachdenken und mich eventuell auch vermissen konnte, wenn ich jetzt ging. Guter Plan. „Ich sollte jetzt gehen.“, meinte ich, während ich aufstand. „Ich komme dann in drei Tagen für die nächste Physiotherapie wieder, okay?“ Irritiert sah er zu mir auf. „Willst du denn nicht bleiben?“ Bei diesem ziemlich niedlichen Blick war es schwer, ihn jetzt allein zu lassen. Aber ich hielt an meinem Plan fest. Je mehr Zeit ich ihm gab, desto mehr Zuneigung konnte er für mich entwickeln. „Ich komme in drei Tagen wieder, versprochen.“, meinte ich fest. „Dann hast du genug Zeit, deiner Idee mit den Händen nachzugehen, ohne dass ich dich dabei störe.“ Damit ließ ich ihn sitzen. Allerdings konnte ich es mir einfach nicht verkneifen, noch einmal durch sein weiches Haar zu streicheln, ehe ich ging. Bis jetzt lief das alles doch ganz hervorragend. Ich erkannte in Setos Augen, dass er über mich nachdachte und er ließ meine Nähe immer mehr zu. Das alles war noch kein Garant dafür, dass er sich letztendlich wirklich auf mich einließ, aber meine Chancen stiegen kontinuierlich. Und mehr konnte ich mir im Moment gar nicht wünschen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)