Broken Genius von caladriuss ================================================================================ Kapitel 1: Diagnose ------------------- >>Weil ich mir den Knöchel gebrochen habe« Sollte das ein Witz sein? Kaiba stand doch auf sicheren Beinen und seine Stimme war vollkommen ruhig. Skeptisch glitt mein Blick über seine Beine, ziemlich schöne lange Beine wohlgemerkt. Er trug seine üblichen schwarzen Stiefel und in der Dunkelheit war nichts Ungewöhnliches auszumachen. Aber wenn er meinte… Kopfschüttelnd entfernte ich mich einige Meter und rief per Handy einen Krankenwagen. Auch wenn ich bezweifelte, dass er wirklich einen brauchte. Zugegeben, als Kato ihn vorhin angegriffen hatte, hatte ich wirklich befürchtet, er könnte sich etwas getan haben. Aber er war so schnell wieder auf die Füße gekommen, dass er unmöglich einen gebrochenen Knöchel haben konnte. Er stand doch auf beiden Beinen. Als ich mich wieder umdrehte und zu Kaiba zurückging, hatte er sich auf die Treppen vor dem Eingang gesetzt, das eine Bein auf der gleichen Stufe, auf der er saß, von sich gestreckt. Wortlos setzte ich mich neben ihn und musterte ihn kritisch. Sein Blick war seltsam glasig und im fahlen Mondlicht wirkte er blass. Wenn sein Knöchel gebrochen war, müsste er doch ziemlich starke Schmerzen haben, oder nicht? Aber dafür war er doch ziemlich ruhig und gefasst. „Kann ich irgendetwas tun?“, fragte ich vorsichtig. Nach wie vor sah er mich nicht an. Vielleicht wollte er nicht, dass ich in seinen Augen erkennen konnte, wie schlimm die Schmerzen wirklich waren. Inzwischen glaubte ich ihm zumindest, dass sein Knöchel wehtat. Er versuchte nämlich, sein Bein so ruhig wie möglich zu halten, obwohl die Position ziemlich unbequem aussah, und seine Hände zitterten stark. „Geh nach Hause, Wheeler.“ Ganz bestimmt nicht. „Ich bleibe“, sagte ich fest. Er ballte die linke Hand zur Faust, bohrte die Fingernägel in die Handflächen. Er hatte eindeutig Schmerzen. Und ich konnte ihm dabei nicht helfen. Was sollte ich schon groß tun? Pusten? „Tut mir Leid“, murmelte ich nach einigen Minuten betreten. „Was denn?“, fragte er tonlos. „Das mit deinem Fuß. Hätte ich nicht so mein Maul aufgerissen, dann wäre das nicht passiert“ Insgeheim hoffte ich, dass er mir sagen würde, es wäre ja gar nicht so schlimm und auch nicht meine Schuld, aber den Gefallen tat er mir nicht. Er schwieg einfach zu dem Thema. Stattdessen fragte er nur: „Hast du Zigaretten dabei?“ „Klar“, ich überschlug mich fast, als ich hastig nach der Schachtel kramte und sie ihm hinhielt. Wortlos zog er eine Zigarette heraus und ließ sich von mir Feuer geben. Rauchen war eine gute Idee. Normalerweise tat ich das nur auf Partys, aber diese Situation erlaubte eine Ausnahme. Ich zündete mir ebenfalls eine an. „Ich wusste nicht, dass du rauchst“, merkte ich an. Wenn ich ihn in ein Gespräch verwickelte, überbrückte ihm das die Zeit, bis der Krankenwagen eintraf, vielleicht leichter. „Tu ich auch nicht“ Ja, das sah man daran, wie er die Zigarette hielt und an die Lippen führte. Keineswegs eine eingeübte Geste. Vielleicht wollte er sich dadurch auch nur ablenken. Ich fragte ihn danach, aber er ging darauf nicht ein, sondern schwieg mich beharrlich an. Kaiba schien im Moment eh nicht sonderlich kommunikativ zu sein. Also saßen wir schweigend da, rauchten und hangen unseren Gedanken nach. Fieberhaft überlegte ich, was ich nun tun sollte. Kaiba hatte mich zwar erfolgreich vor Kato gerettet, aber damit war die Situation noch lange nicht aus der Welt geschafft. Kato war ziemlich nachtragend und Kaiba würde nicht immer da sein, um mich zu beschützen. Um genau zu sein… wenn sein Fuß tatsächlich gebrochen war, würde er für Wochen ausfallen. Nur wegen meiner Dummheit. Ich schreckte aus meinen Gedanken hoch, als er neben mir die Zigarette ausdrückte. Seine Hand zitterte fürchterlich. Überhaupt war ihm der Schmerz jetzt deutlich anzusehen. Ein leichter Schweißfilm hatte sich auf seiner Stirn gebildet, aber trotzdem schien er zu frieren. Dabei war es diese Nacht gar nicht mal kalt. Fröstelnd zog er den Mantel enger um die Schultern, zitterte leicht. Und sein Blick wurde immer glasiger. Verdammt, wo blieb nur dieser blöde Krankenwagen? Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er endlich vor dem Schultor anhielt und zwei Sanitäter heraussprangen. Ich rannte ihnen schnell entgegen, denn in der Dunkelheit würden sie uns sonst womöglich noch übersehen. Während ich sie zu Kaiba geleitete, erzählte ich ihnen, was passiert war. Aus mir sprudelte einfach alles heraus und ich wiederholte vermutlich an die tausend Mal, dass alles meine Schuld war. Aber sobald wir bei Kaiba ankamen, unterbrachen sie mich barsch. Sie sprachen wohl lieber mit dem Patienten selbst. „Also, was haben wir denn?“, fragte der eine Sanitäter. Er war etwas dicker und schon älter. Mühsam ging er vor Kaiba in die Hocke. „Ist es dieses Bein?“ Kaiba nickte nur. Entweder benebelte der Schmerz seine Sinne oder ihn interessierte das alles nicht. Teilnahmslos sah er zu, wie ihm der Sanitäter vorsichtig den Stiefel auszog, sich dabei bemühte, das Bein so wenig wie möglich zu bewegen. Trotzdem zuckte Kaiba kurz zusammen. Ich sah, wie er fest die Zähne zusammenbiss, aber es kam kein Laut des Schmerzes über seine Lippen. Sie schnitten die Hose bis zum Knie auf. Als der Knöchel freigelegt war, kam zum Vorschein, dass er wirklich ganz schön geschwollen und seltsam verfärbt war. Ja, ich konnte mir vorstellen, dass das wahrlich wehtun musste. Der alte Sanitäter tastete die Stelle äußerst behutsam ab, aber trotzdem sah man Kaiba an, wie unangenehm es war. „Das ist definitiv kaputt“, er bemerkte das so nebenbei, als würde er übers Wetter reden. „Wir nehmen Sie mit ins Krankenhaus. Dort wird Ihr Bein geröntgt und dann kann entschieden werden, wie es weiter geht. Es muss zumindest stabilisiert werden“ Na klang ja herrlich! Dann hatte sich Kaiba dank mir wirklich den Knöchel gebrochen. Und er wirkte über die Diagnose keinesfalls überrascht. Der alte Sanitäter winkte seinen Kollegen herbei, ein Mann von vielleicht dreißig Jahren, der sich bisher dezent im Hintergrund gehalten hatte. „Wir tragen Sie jetzt zum Krankenwagen und dann stellen wir Ihr Bein erst mal ruhig.“ Die beiden Sanitäter wollten Kaiba scheinbar anheben, aber er kam ihnen zuvor. Mit einem Mal stand er einfach auf. „Ich gehe selbst“, meinte er kühl. Dann lief er langsam und ziemlich wackelig auf den Krankenwagen zu. Was… sollte denn das? Tat das denn nicht weh? Wie konnte er überhaupt laufen, wenn sein Knöchel doch angeblich gebrochen war? Ich fragte die Sanitäter danach. „Laufen kann man schon“, meinte der Ältere, „Es tut nur höllisch weh. Hängt aber auch davon ab, ob es überhaupt ein Bruch ist und wie der nun genau aussieht. Ich zumindest würde nicht damit laufen wollen, aber wenn er meint…“ „Also muss er vielleicht gar nicht gebrochen sein?“, fragte ich hoffnungsvoll. Der Sanitäter schnalzte mit der Zunge. „Lässt sich ohne Röntgengerät nicht sagen. Vielleicht ist es gebrochen, vielleicht nur angebrochen, vielleicht ist das Sprunggelenk in Mitleidenschaft gezogen oder die Sehnen und Bänder. Sicher ist nur, dass der Fuß verletzt ist“ Mein Mut sank wieder. Also folgten wir Kaiba schweigend in leichtem Abstand. So besonders toll lief es sich für ihn anscheinend wirklich nicht, denn ich sah, wie er beim Auftreten immer zögerlicher wurde. Aber warum hatte er dann abgelehnt? Wahrscheinlich weil er meinte, es würde seine Autorität untergraben, sich tragen zu lassen. Das war typisch für ihn. Kopfschüttelnd schloss ich zu ihm auf. Ich schnappte mir seinen Arm und legte ihn um meine Schulter, stütze ihn damit soweit, dass er mit dem linken Bein nicht mehr auftreten musste. Vermutlich hätte er normalerweise dagegen protestiert, aber jetzt schien ihn der Schmerz genug zermürbt zu haben, so dass er es einfach zuließ. Beim Krankenwagen half ich ihm, ihn auf eine Trage zu setzen. Die Sanitäter legten ihm eine Schiene an, die seinen Knöchel ruhig stellen sollte. Ich wollte ebenfalls in den Krankenwagen klettern, doch der junge Sanitäter hielt mich zurück. „Solange du kein Familienmitglied bist, darfst du auch nicht mitfahren“ „A-aber ich muss mit!“, ich konnte Kaiba doch jetzt nicht allein lassen. „Du kannst hier nicht mitfahren. Aber du kannst nachkommen. Das ist erlaubt“ „Oh, okay“, dann müsste ich ihnen eben folgen. Ich rannte schnell zur nächsten Bushaltestelle und machte mich auf den Weg zum Krankenhaus, auch wenn es umständlich war. Ich musste zweimal umsteigen und eine halbe Ewigkeit auf die Busse warten, aber das war es wert. Als ich endlich im Krankenhaus ankam und mich zu Kaiba durchgefragt hatte, entdeckte ich ihn in einem Behandlungszimmer. Er saß auf dem Behandlungstisch und starrte lethargisch vor sich hin. Sein Bein war nach wie vor geschient und ein Eispack lag auf seinem Knöchel. „Hey“, vorsichtig ging ich näher. Er sah wirklich total fertig aus. Seine Haut war so blass… Nur langsam richtete sich sein Blick auf mich, musterte mich abwesend. „Was machst du hier?“, fragte er leise. „Dir Gesellschaft leisten, bis du weißt, was nun ist“, ich versuchte, ihm ein aufmunterndes Lächeln zu schenken, aber irgendwie gelang es mir nicht. Es war furchtbar, Kaiba so zu sehen. Er war sonst immer so stark und unnachgiebig. Aber jetzt sah er eher aus wie ein Häufchen Elend. „Tut es schlimm weh?“, ich setzte mich auf einen kleinen Stuhl neben dem Tisch. Er schüttelte nur träge den Kopf. „Schmerzmittel“ Stimmt, er sah irgendwie ein bisschen benebelt aus, als hätten sie ihn auf einen Trip geschickt. Aber wenn er dadurch keine Schmerzen hatte, war es vermutlich gar nicht so schlecht. „Woher wusstest du, dass der Knöchel gebrochen ist?“, fragte ich vorsichtig. „Er hätte ja auch nur verstaucht sein können“ Er musterte mich versonnen. Sein Blick war viel weicher als sonst. Vielleicht sollte man ihn öfter mal unter Drogen setzen, denn dann waren seine Augen erstaunlich schön. Ein weiches leuchtendes Blau, das mich ein wenig an… ja an was? Das Wasser im Swimmingpool sah immer so aus. Der Vergleich kam mir selber total blöde vor, aber mir fiel kein besserer ein. „Es hat sich angefühlt, als würde etwas in meinem Knöchel wegbrechen“, abwesend wanderte sein Blick durch den kahlen Raum. „Tatsächlich?“ Aber dafür war er wirklich schnell wieder auf die Beine gekommen. „Fühlt sich ziemlich eklig an. Als würde der Knochen aus dem Bein springen wollen“, murmelte er. „Und außerdem wird einem schlecht, wenn man sich etwas bricht.“ „Wirklich?“, das war mir neu. „Also war dir schlecht und deshalb wusstest du es?“ Er nickte nur. Interessant. Davon hatte ich noch nie gehört, aber ich hatte mir auch noch nie etwas gebrochen. „Woher weißt du das?“ Er wiegte den Kopf hin und her. „Hab mir vor ein paar Jahren das Handgelenk gebrochen. Da war es auch so.“ Hey, Kaiba antwortete tatsächlich auf meine Fragen. Ein Wunder, wir konnten uns tatsächlich normal unterhalten. „Wie hast du dir denn das Handgelenk gebrochen?“, fragte ich neugierig. Er zuckte leicht mit den Schultern, betrachtete kritisch seinen eingeschienten Fuß. „Gosaburo hat es mir gebrochen“ Bitte was? Wie konnte er das so leichtfertig erzählen? Das war ja furchtbar! „W-wieso das?“ Er rollte mit den Augen, als fände er die Frage doof. Was auch immer die Ärzte ihm gegeben hatten, es schien ziemlich stark dosiert zu sein. „Na, weil ich ihm einen Zahn ausgeschlagen habe“ „W-wie jetzt?“ „Na ganz einfach. Wir haben uns gestritten, ich habe ihn beleidigt, daraufhin hat er mir eine gescheuert und ich hab ihm dann eine reingehauen. Er hat dabei einen Zahn verloren und das machte ihn so wütend, dass er mir das Handgelenk gebrochen hat“ Das… okay, das war total krank! „H-habt ihr euch öfter so heftig gestritten?“ Er schüttelte vage den Kopf. „Eigentlich nicht“ Ich wollte noch viel mehr fragen, aber da kam der Arzt ins Zimmer. Er pappte zwei Röntgenaufnahmen an die Lichttafel. Sie zeigten wohl Kaibas Knöchel, aber ich konnte darauf nicht wirklich etwas Sinnvolles erkennen. Der Arzt deutete auf eine Stelle, an der das weiße Ding, was wohl irgendein Knochen oder so war, aussah, als wäre ein Riss darin. „Wirklich ein schöner Bruch“, sinnierte er. „Danke“ Dachte Kaiba etwa, das wäre ein Kompliment gewesen. Obwohl… so wie er aussah, schien er gar nichts mehr zu denken. „Damit es zu keinen Unklarheiten kommt, es ist nur angebrochen, das wird Sie sicherlich freuen“ Kaiba nickte, aber ich bezweifelte, dass er überhaupt verstand, was der Typ da sagte. Ich konnte aber erleichtert aufatmen. Das klang so, als wäre es nicht ganz so schlimm wie befürchtet. „Die Außenbänder sind überdehnt, aber da Sie ja im Moment eh nicht laufen können, ist das egal“ „Was genau heißt das jetzt?“, fragte ich gezwungen ruhig. „Die Behandlung wird langwierig, aber trotzdem angenehmer als bei einem Bruch, ganz klar.“ Das »langwierig« gefiel mir gar nicht. „Ich würde dafür plädieren, die Fraktur mit einer OP zu stabilisieren. Wir fixieren das mit ein paar Schrauben und dann wächst das auch wieder vernünftig zusammen“ Oh, Gott! Das klang wirklich übel. Aber Kaiba realisierte das dank seinem Trip scheinbar nicht oder er fand es nicht so schlimm. Ungläubig starrte ich den Arzt an. „Operieren?“ Der Arzt nickte nur. „Aber erst morgen. Ihr Knöchel ist noch zu geschwollen, da ist die Gefahr einer Infektion zu groß“, erstmals wandte er sich Kaiba zu und lächelte ihn groß an. „Jetzt gipsen wir Ihren Fuß erst einmal ein und gleich morgen früh operieren wir. Bis dahin dürfte die Schwellung zurückgegangen sein“ Oh Gott, wegen mir wollten sie ihn aufschlitzen! Was hatte ich nur angerichtet? Dass war alles so furchtbar. Nur Kaiba sah das gelassen. Er zeigte nur ein Däumchen hoch und murmelte: „Super“ Man, ich wollte auch was von dem Zeug, das ihn dermaßen entspannt gemacht hatte. „Gibt es denn keine Alternative?“, fragte ich panisch. „Naja…“, der Arzt musterte den Bruch erneut eingehend. „Man könnte den Knöchel auch ohne OP behandeln, aber ich persönlich halte die operative Methode für die beste.“ Ohne OP klang doch viel besser. „Ich halte von solch laschen Behandlungen nichts. Eine gute altbewährte Operation ist der sicherste Weg“ „Aber nicht notwendig!“ Er warf mir einen strengen Blick zu. „Das haben nicht Sie sondern der Patient zu entscheiden. Und ich rate wirklich zu der Operation“ Das würde Kaiba doch nicht machen lassen! Wer ließ sich denn freiwillig das Bein aufschlitzen? Aber dem schien das ganz egal zu sein. „Von mir aus“, murmelte er nur und starrte abwesend die Deckenleuchte an. „Großartig“, der Arzt strahlte richtig. „Dann gipsen wir Ihr Bein erst einmal ein und morgen operieren wir dann.“ Ich hatte geduldig gewartet, während Kaiba versorgt wurde. Erst, als er in sein Zimmer gebracht wurde, durfte ich wieder zu ihm. Er lag auf dem Bett und betrachtete skeptisch seinen frisch eingegipsten Fuß. Der Gips ging bis zur Mitte des Schienbeins und ließ nur die Zehen ausgespart. „Wie fühlst du dich?“, fragte ich vorsichtig. Er sah kritisch zu mir auf. „Du bist ja immer noch da“ „Sieht so aus“, ich setzte mich an sein Bett. Er schien immer noch unter dem Einfluss der Medikamente zu stehen und zusätzlich auch noch müde zu werden. „Hast du Angst vor der Operation?“ „Warum?“, er legte den Kopf schief, als verstünde er nicht, was daran denn besorgniserregend sein könnte. Scheinbar war er wirklich noch ziemlich benebelt. „Ach nichts, es wird schon alles gut gehen“, ich schenkte ihm ein Lächeln. Irgendwie sah er im Moment ja schon süß aus. Seine blauen Augen waren wirklich bezaubernd. Vorher war mir seine Augenfarbe nie wirklich aufgefallen, aber jetzt konnte ich nicht umhin, zu erkennen, dass seine Augen der absolute Wahnsinn waren. Er gähnte verhalten, wobei er mich aber weiter beobachtete. „Ich will schlafen“, nuschelte er. Ich verstand den Wink. „Dann lasse ich dich wohl besser allein, was?“, seufzend stand ich auf. „Dann schlaf gut. Ich komme dich morgen wieder besuchen, ja?“ Es war ein Reflex. Ich wusste nicht, wieso ich es tat, aber während ich sprach, streckte ich meine Hand aus und streichelte ihm durchs Haar, wie man es bei einem Kind tat, um es zu trösten. Nicht, dass es ihn gestört hätte, dafür bekam er sowieso zu wenig mit, aber ich erschrak über mich selbst. Ich vergaß, wer da vor mir saß. Auch wenn er benebelt irgendwie niedlich aussah, das war immer noch Seto Kaiba, ein eiskalter Geschäftsmann. Aber man musste mir zugutehalten, dass er im Moment keineswegs eiskalt wirkte. Ich konnte einfach nicht anders. Vorsichtig zog ich ihn in eine Umarmung, hielt ihn fest bei mir, während ich weiter tröstend über sein Haar strich. „Es wird alles wieder gut“, wisperte ich in sein Ohr. „Wir schaffen das schon und ich helfe dir, wo ich nur kann“ Das war ja auch das Mindeste! Trotzdem sollte ich ihn wohl langsam mal wieder loslassen, auch wenn er gerade so niedlich war und äußerst angenehm roch. Ich musste mich geradezu von ihm abstoßen. Hastig trat ich ein paar Schritte zurück. Er sah mich nur unverwandt an, blinzelte ein wenig verwirrt. Aber seine Augen beherbergten nach wie vor dieses irritierend schöne Blau. „Wir sehen uns morgen“, ich winkte ihm zum Abschied und stürmte dann aus dem Zimmer. Was zum Teufel war das nur gewesen? Es war, als hätte er mich magnetisch angezogen. Ich hatte mich dem gar nicht widersetzten können, ich musste ihn einfach in den Arm nehmen. Kopfschüttelnd machte ich mich auf den Weg nach Hause. Das lag bestimmt nur an dieser merkwürdigen Situation. Kaiba mal ganz anders als sonst und dazu die irrsinnigen Schuldgefühle. Das konnte einen schon aus der Bahn werfen. Morgen würde das sicher wieder in Ordnung sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)