Ponit de Minuit von mikifou ================================================================================ Kapitel 2: Eine Hochzeit? ------------------------- Die Sonne ging gerade unter und hinterließ ein rotoranges Farbenspiel. Jonas war von Aziz in einen anderen Teil des Waldes gebracht worden. Wie genau hat mich gar nicht interessiert. Ich sah wie leicht es ihm fiel, den bewusstlosen Körper anzuheben und zu tragen. Er war stärker als alle, dachte ich nur. Er war das, was alle fürchteten und ich vertraute ihm so viel mehr als meiner eigenen Sippe. Ich fühlte mich schäbig und doch erleichtert. Geahnt hatte ich sowas schon, aber zu denken wagte ich es nicht. Als würde, wenn ich etwas nur in meinen Gedanken ausspreche, es sofort wahr werden. Aziz war den ganzen Nachmittag noch bei mir. Er ging erst als raue Männerstimmen vom Dorf her laut wurden. Sie kamen schnell näher, während sie sich mit lauten Rufen ihren Weg durch den Wald bahnten. Aziz drückte mich zum Abschied nur und versprach zu kommen, wenn ich ihn riefe, eh er in einer einzigen für mich viel zu schellen Bewegung verschwunden war. Keine Sekunden später tauchte Jonas auf, gefolgt von meinem Vater, dem Bürgermeister selbst, dem Metzger mit seinem größten Beil und den Gruberszwillingen, zwei handstämmigen, baumhohen Männern, mit allein von der Feldarbeit gestählten Muskelarmen, wie sie immer behaupteten. Ich erhob mich, als sie näher kamen und mein Vater schloss mich auch gleich in seine Arme. „Mireille! Mein Mädchen, geht’s dir gut? Ist alles noch dran? Ich bin sofort gekommen, als Jonas uns erzählt hat, was geschehen ist. Mein Kind ist alles in Ordnung? So sag doch was.“ „Ich würde dir ja antworten, wenn du mich nicht erdrücken und mich auch mal zu Wort kommen lassen würdest“, sagte ich und drückte den alten Mann sanft von mir. Just in dem Moment kam Jonas an und legte seine Hände an meine Schultern. Prüfend blickte er mich an und blieb dabei länger als er müsste an meiner Brust, meiner Taille und meinem Becken hängen. „Es hat dir wirklich nichts getan?“ „Nein, was auch immer du fantasierst, mir geht es gut! Und nun nimm deine Griffel weg“, herrschte ich ihn mit giftigen Blick an. Doch weiter kam ich nicht, denn schon mischte sich der Bürgermeister ein. Sein Blick war so hoheitsgebietend, dass ich ihm gerne eines mit der Forke gegeben hätte. „Mein liebes Kind, du weiß gar nicht, was du für ein unverschämtes Glück hattest. Hätte Jonas uns nicht Bescheid gegeben, dass er diese Bestie bei dir gesehen hatte, hätte wer weiß was mit dir geschehen können. Denk nur an deinen Vater. Ein bisschen mehr Dank wäre nicht verkehrt.“ Ich bedankte mich nicht. Fiel mir gar nicht ein. Stattdessen konterte ich und wollte wissen, wie sie bitte überhaupt auf diese hirnrissige Idee kamen? Zumal Aziz wirklich hier war, doch passte er immer auf, dass ihn keiner mit mir sah. Zudem ging ich doch davon aus, dass Aziz Jonas an einen entsprechend weit entfernten Ort gebracht hatte, dass dieser, sollte er zur Besinnung kommen, uns nicht erneut stören konnte. Nur leider schien sein Schlag nicht hart genug gewesen zu sein. „Du weißt es vielleicht nicht mehr, denn der Geruch der Bestie hat dich betäubt, aber ich hab sie gesehen! Gott, Mireille, du lagst da wie tot, ich dachte, es hätte dich schon...“, gespielt brach er ab, sah mich dabei mitleidig und voller Sorge an. „Alleine hätte ich gegen dieses Biest nicht bestanden, also lockte ich es nur an und hoffte, es von dir zu entfernen. Doch es war zu schnell und überwältigte mich. Als ich wieder zu mir kam, rannte ich sofort zum Dorf, um Verstärkung zu holen. In Gedanken immer bei dir, mit der Hoffnung, dass dir nichts passiert sein möge“, während er diese letzten, sülzigen Worte sagte, kam er mir wieder näher und hielt zärtlich meine Hand. Sicherlich musste er so viel Heucheln und sich in ein gutes Licht stellen. Immerhin war sein Vater anwesend, er hatte wohl immer noch nicht von mir abgelassen und sein Ego war größer als dieser Wald hier. „Daran kann ich mich wirklich nicht erinnern“, erwiderte ich einlenkend. Meine Meinung zählte hier eh nichts. Jonas hatte seine Geschichte schon erzählt und ich bezweifelte, dass mein Vater zu mir halten würde. Nicht, wenn noch so viele andere wichtige Männer des Dorfes da waren. Ich war einfach in der Unterzahl und Frauen hatten sowieso nicht die gleichen Rechte wie ihre Männer; und als noch freie Frau unterstand ich meinen Vater. Obwohl... ich wurde ja erst zu einer Frau, wenn ich geheiratet hätte oder über 20 Jahre alt wäre. Aber diese alten Jungfern gab es bei uns nicht. Alle wurden verheiratet oder von der Bestie geholt. Ich hatte das Gefühl depressiv zu werden. Nichts wurde mir mehr zugestanden, ich durfte keinen Schritt mehr alleine machen und wurde vor allem von Jonas begleitet. Da ich mich nicht wehrte und es mir egal war, ob er mir alles abnahm oder nicht, trat mein Vater mit einer unmöglichen Bitte an den Bürgermeister und dessen Sohn heran. „Ich bitte Euch. Mireille ist noch jung, jungfräulich und ich wüsste sie bei keinem besser aufgehoben als bei Eurem Sohn.“ „Sicherlich, aber sie ist von der Bestie berührt worden. So wie deine andere Tochter, für die mein Sohn sich interessiert hatte. Nur wurde diese noch vor der Ehe von der Bestie geholt. Wird das mit deinem letzten Kind auch so sein?“ Mein Vater rutschte unruhig auf seinen Knien und verneigte sich noch unterwürfiger. „Nein, Bürgermeister. Im Schutz Eures Sohnes wird die Bestie sich nicht an sie heran wagen. Bedenkt, wir haben nur noch wenige Frauen im Dorf, noch weniger Mädchen und bei Eurem starken Sohn, weiß ich sie in Sicherheit. Und überdenkt die Nachfolge“, gab er zu bedenken. „Ich weiß nicht...“ „Vater, warum denn nicht? Mireille ist ein schönes Mädchen und ich nehme mich ihrer gerne an“, sagte der Jüngling und verbürgte sich für mich. Alter Schleimbolzen, dachte ich nur. Es war natürlich unnötig zu erwähnen, dass ich hinter meinem Vater kniete und alles mitbekam. „Bist du dir sicher, Jonas? Denk an ihre Schwester und wie sie der Bestie-“ „Vater, ich werde doch mal Bürgermeister sein, richtig? Da muss ich doch ein Mädchen aus dem Dorf und meine baldige Frau schützen können, oder nicht?“ Der Bürgermeister überlegte kurz, dachte über die Worte seines Sohnes nach und nickte schließlich zufrieden. „Ja, das ist eine Entscheidung eines Bürgermeisters würdig. Ich bin stolz auf dich“, lobte der Alte seinen Sohn. Mein Vater schien schier erleichtert zu sein, dass er mich so günstig und gut dazu verkauft hatte. Ob Marlene sich damals auch so angewidert gefühlt hatte? Vom eigenen Vater so verkauft zu werden... Mir wurde richtig übel. Auf dem Rückweg zu unserem Haus am anderen Ende des Dorfes redete ich kein Wort mit ihm und blieb dezent hinter ihm. Erst als wir daheim waren, drehte er sich zu mir um und umarmte mich glücklich. „Du bist in Sicherheit, mein Kind. Endlich haben wir mal Glück!“ „Sicherheit? Bei diesem Lüstling?“, fragte ich skeptisch und drückte mich aus der Umarmung meines Vaters. Der verständnislose Blick, den er mir zuwarf, tat mir schon fast leid. „Miri? Was soll das? Wenn Jonas dich zur Frau nimmt, haben wir keine Probleme mehr-“ „DU hast keine Probleme mehr, Vater. Du wirst eine ordentliche Mitgift bekommen und kannst dann in aller Ruhe deine Tiere hüten und auf Enkel warten. Ich muss mich seinen Launen ergeben. Weißt du, was das für ein lüsterner Strolch ist? Er vergeht sich an seinem eigenem Vieh-“ Mein Vater hob eine Hand und gebot mir zu schweigen. „Du wirst ihn ehelichen. Es ist sicherer, sich von einem Mann nehmen zu lassen, als von dieser Bestie verschleppt zu werden.“ „Weißt du das denn so genau? Ich glaube, Marlene wusste es. Sie wusste, was Jonas für ein Ekel war und hat sich für die Bestie entschieden“, ich wurde energischer, wollte einfach, dass mein eigener Vater mich verstand. „Sie ging lieber dorthin als in die Arme und die sichere Gefangenschaft dieses Tyrannen!“ „Mireille, schweig“, herrschte er mich an und sein Blick bekam etwas Verletzliches. „Und deine Mutter? Hat sie sich auch aus einer Gefangenschaft von mir befreien müssen? Ich war, weiß Gott, immer gut zu ihr, habe ihr nie ein Haar gekrümmt und ergab mich ihren Launen, als sie schwanger war. Ich habe sie geliebt und doch hat die Bestie sie mir genommen“, seine Stimme brach fast und die Tränen standen ihm in den Augen. Mutter hatte ich fast vergessen, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass Aziz, so gut und wenig ich ihn schon kannte, ihm dennoch so viel mehr vertraute, sie ohne Grund getötet hatte. „Aziz hatte sicher einen Grund. Sicher kann er es dir erklären“, sagte ich sanft und einfühlsam und legte meine Hand bedacht auf den Unterarm. Mit einer harschen Bewegung schüttelte mein Vater meine Hand ab und sah ihm wutentbrannt an. „Aziz?“ Wie dumm von mir... „Du kennst die Bestie beim Namen?“, fragte er sehr beherrscht, sprach aber fast nur zwischen seinen Zähnen hindurch. Ich hatte Vater noch nie wütend gesehen. Jedenfalls nicht richtig. Nichts davon, als ich mal ein Schaf verlor oder mir den Arm gebrochen hatte, all diese Wutausbrüche, standen im Vergleich hierzu. Sein Gesicht war rot, so rot als wäre ihm sämtliches Blut aus dem Körper in den Kopf geschossen. Seine Augen waren so groß und mit Adern durchzogen, dass sie schon gruselig wirkten. Auf seiner Stirn prangte eine dicke Ader, derer ich mir nie bewusst gewesen war, doch welche eindeutig pulsierte. Seine Hände waren zu Fäusten verkrampft, dass die Knöchel schon weiß hervor traten und er spuckte, bei jedem Wort, was er mir entgegen schrie, mir etwas ins Gesicht. „Wieso kennst du diese Bestie?! Wann habt ihr euch getroffen?! Und wie kannst du nur so DUMM sein und dich mit dem Vieh anfreunden! Ist dir das Opfer deiner Mutter und Schwester und all der anderen nicht bewusst!?“ „Vater, er ist anders. Gar nicht so wie wir denken... Er ist... ach, nun hör mir doch zu... er ist nett und-“, wir redeten gleichzeitig und doch ging ich in meinen panischen Bemühungen um Frieden hilflos unter. Jedes Wort von mir machte ihn nur noch wütender. „NETT!! War das, was er Marlene angetan hatte, nett?! Oder als er mir meine geliebte Frau genommen hatte?!“ „Nein, Vater, das war anders. Sie hatten ihre Gründe-“ „Nun sollen sie sich auch noch selbst das Leben genommen haben?!“ „Nein, so mein ich das nicht.. Gott! Würdest du mich BITTE endlich mal ausreden lassen!?“ Mein Lauterwerden brachte mir wenig. Ich wurde fest und schmerzhaft am Arm gepackt und von meinem Vater durch das Haus geschleift, eh er mich in die kleine Kammer, wo wir unser Fleisch aufhängten und trockneten und in der es immer so säuerlich und beißend roch, einfach hinein warf. „Du bleibst hier! Ich will kein Wort mehr hören und wehe dir, du verliert ein Wort darüber an den Bürgermeister oder seinen Sohn. Wenn sie das erfahren, war es das mit der Hochzeit und du wirst nie einen Mann finden!“ Damit schlug er die Tür zur Kammer zu und es wurde dunkel um mich herum. Nur dieser elende Gestank und die Dunkelheit und ich. Oh Gott, mir war zum Heulen zumute... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)