Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 110: Zerbrochen ----------------------- Ich muss einmal kurz Bezug auf mein letztes Vorwort nehmen: Dass ich noch ca. 9 Kapitel schreiben muss, heißt nicht, dass es nur noch 9 Kapitel gibt. Ich bin dem Hochladestatus weit vorraus. Und nun viel Spaß beim Lesen ^.^ Ach ja: WARNUNG! Dieses Kapitel ist stark DARK! _________________________________________________________________________________ „Raus.“ Setos Lippen hatten das Wort nur geformt, doch seine Bedeutung war unmissverständlich. Katsuya sollte verschwinden. Er sollte seine Sachen nehmen und verschwinden. Genau so plötzlich wie er in Setos Leben gekommen war, sollte er auch wieder verschwinden. Verschwinden. Sich einfach ins Nichts auflösen, als wäre nie etwas gewesen. Als wäre ihre Begegnung nie geschehen. Als wäre er niemand. Nicht bedeutungslos – als wäre er einfach gar nichts. Nicht einmal bedeutungslos. Einfach nicht existent. Katsuya spürte seinen Kopf von einer zur anderen Seite schwenken. Nichts. Nichts. Nichts. Niemand - sein Vater hatte ihm gewährt ein Stück Scheiße zu sein. Seto gestand ihm das nicht zu. Für Seto war er ein Nichts. Er würde gehen und nichts zurücklassen. Er würde ausgelöscht sein. Gelöscht aus Setos Erinnerungen, verdrängt in das endlose Nichts abertausender Gedanken, die sich in den Sand der Zeit verliefen. Ein Nichts. Tränen rannen Katsuyas Wangen hinab. Wusste Seto, was er da forderte? Wusste er, was er ihm antat? Er forderte ihn auf sich selbst zu eliminieren. Er forderte nicht seine Tränen. Er forderte nicht sein Blut. Er forderte nicht seinen Tod. Er forderte, dass Katsuya nie existiert hatte. Und er gab ihm nicht einmal die Gnade es selbst zu tun. Katsuya hatte erwartet, dass er von einer Nacht nichts erwarten durfte. Es war kein Versprechen gewesen ihn ewig zu lieben. Es war nicht einmal eins, dass sich etwas zum Positiven verbessern würde. Das war ihm klar gewesen auf der Treppe. Versprechen waren etwas, woran man sich halten musste und somit konnte er von Seto nicht erwarten eins zu geben – so dachte er auf der Treppe. Aber im Endeffekt war er so naiv, wie Yami ihm bereits gesagt hatte. Seto vertraute nicht. Wieso sollte er ihm vertrauen? Wieso sollte er darauf vertrauen, dass Seto seine Versprechen hielt? Wieso hatte er darauf vertrauen sollen, dass Seto ihn nicht fortschickte? Warum? Die Lider glitten langsam zurück, bevor ihre äußeren Enden in die Höhe zuckten und sich die Brauen über die strahlend blauen Augen senkten. Aus der Schuld war Abscheu geworden. Aus der Abscheu Hass. „Raus.“, zischte er, das R dabei rollend. Nicht, als wäre es gewollt gewesen. Eher wie mordlustiges Tier, das seiner Kehle freien Lauf gewährte. Als würde Seto nur darauf warten ein definitiv tödliches Monster von der Leine zu lassen. Katsuya zog den Kopf ein, die Schulter vor und die Arme vor seine Brust. Er sollte gehen. Er sollte jetzt und sofort gehen. Der Atem, den er ausstieß, war zittrig. Er sollte – aber er konnte nicht. Kaiba schnellte von seinem Stuhl, stand nicht eine Sekunde später vor dem Blonden, den Arm auf die Tür gerichtet und schrie: „RAUS!“ Er wollte weglaufen. Er wollte rennen und sich verstecken. Er wollte sich zu einer Kugel zusammenrollen und weinen. Er wollte so weit weg wie möglich. Und doch blieb er stehen. Eine große Hand griff seinen Kragen, der Unterarm dazu stemmte sich gegen sein Brustbein, während er an seinem Shirt zu Seto gerissen wurde und sich mit einem Schritt nach vorne abfangen musste. „Verschwinde.“, der hasserfüllte Blick bohrte sich in seine vor Entsetzen geweiteten Augen, „Oder ich werde dir Schmerzen zufügen, die nicht einmal du je gespürt hast.“, erklärte der Brünette mit betont ruhiger Stimme. Die Drohung war vollkommen ernst gemeint, das war Katsuya klar. Es waren dieselben Worte, die sein Vater einst gesprochen hatte. Dieselben Worte – nur ohne dass er damals eine weit reichende Vorgeschichte schwerster Gewalt hinter sich hatte. Damals waren es Kleiderbügel, Toilettenbürsten und Fernsehbedienungen gewesen. Diesmal hatte er endlose Prügeleien, Gürtel und Schlageisen hinter sich. Er traute Seto zu etwas Schmerzhafteres zu finden. Kaiba war intelligent. Intelligente Menschen konnten eine unglaubliche Phantasie haben. Sie konnten jeden Gegenstand in einer Folterwaffe umwandeln, dessen war Katsuya sicher. Und mit ihren Händen konnten sie die Punkte des Körpers treffen, von denen ihr Kopf wusste, dass sie grausame Schmerzen verursachen konnten. Der Ältere schmiss ihn zur Seite, ließ sein Shirt los, sodass Katsuya rückwärts taumelte, mit den beiden nach hinten schlagenden Armen den Türrahmen der Küche erwischend. Mit rasendem Atem starrte der Blonde den Größeren an. Kaiba würde ihn umbringen. Noch hatte er die Chance zu rennen. Aber er konnte nicht. Die blauen Augen zeigte keine Gnade, während der Ältere mit zwei Schritten auf ihn zutrat. Es dauerte nur Sekunden. Die offene Hand schlug gegen seine Wange, die Finger krallten sich in sein Haar, rissen seinen Kopf mit sich, direkt auf den Türrahmen zu. Das Geräusch des knackenden Schädels war das Letzte, dass Katsuya mitbekam. Der Blonde reagierte reflexartig. Er rollte sich zu Seite, auf einen Arm stützend, obwohl das seine Sicht zu einem endlosen Schwarz werden ließ. Aber sein Körper handelte von selbst, würgte von selbst, stieß seinen kompletten Mageninhalt von selbst aus. Katsuya sah der stechend riechenden Flüssigkeit hinterher, die gegen die Wandverkleidung und eine Seite des Türrahmens der Küche lief, um die er gekrümmt lag. Er spürte, wie seine Jeansjacke einen Teil von ihr aufsaugte, da der ihn stützende Arm mitten in ihr auf dem Boden lag. Mit dem anderen Ärmel wischte er seinen Mund ab. Er lebte. Und der Schmerz schien so heftig zu sein, dass er ihn nicht mehr spürte. Das einzige, was er wirklich fühlte, war, wie tausende von Nadeln in sein Gehirn zu schießen schienen und wie sich seine Jacke voll saugte. Und er hörte schwach eine Tür sich leise schließen. Kaiba war oben. Er würde wiederkommen. Mit etwas viel, viel Schmerzhafterem als dem hier. Etwas, was er spüren würde. Er musste weg. Er musste sofort hier raus. Doch sein Körper gehorchte nicht mehr. Nicht, weil er vor Angst gelähmt war, sondern weil er es einfach nicht konnte. Das war mindestens eine Gehirnerschütterung. Das Gefühl kannte er. Bald würde der wirklich harte Schmerz über ihm hereinbrechen. Bis dahin sollte er raus sein… „Ah…“, Katsuyas Kehle fügte seiner Aussage Würgeräusche hinzu. Scheiße… er würde nicht lange durchhalten… er sollte sich irgendwo ruhig hinsetzen, die Augen schließen und warten, dass sich alles wieder stabilisierte. Aber er konnte nicht hier bleiben. Beide Hände an der Klinke der Haustür zog er sich in die Höhe, löste eine von ihnen um sein Bein in eine Position zu bringen, in der er stehen konnte. Die Lider fest zusammenpressend zog er sich weiter. Die Übelkeit pochte in ihm wie der Schmerz in seinem Kopf. Sein Magen schien sich von innen nach außen stülpen zu wollen, während seine Hirnmasse durch eine Säure langsam, aber sicher zersetzt wurde. Zumindest fühlte es sich so an. Und es stank bis zu ihm… um es genau zu nehmen, stank er. Mit den Schultern an der Tür lehnend, zog er seine Jacke aus, wischte sich mit ihr den Mund ab, knüllte die stinkenden Teile in die Mitte der Stoffkugel, die er gegen seine Lippen presste, legte seine Rechte an die Klinke, drehte sich auf sie stützend zur Tür und drückte sie hinab. Die Tür öffnete sich ein Stück. Katsuya zögerte. Halt. Nicht in Panik verfallen. Rational bleiben. Er durfte nicht in Panik verfallen. Er lauschte. Im Haus war es vollkommen ruhig. Er hatte sicherlich einige Minuten bis zur Tür gebraucht… und es war ruhig. Seto war oben. Und er war oben geblieben. Katsuya wandte sich langsam um und fixierte den Treppenabsatz. Kaiba wollte nicht ihn umbringen. Dann wäre er zum einen nicht oben und zum anderen nicht oben geblieben. Was also- die Lider des Blonden weiteten sich. Scheiße… es ging nicht um ihn… Er wollte sich umbringen. „Verdammt…“, zischte er, krallte seine Nägel in das Holzgeländer der Treppe und zog sich weiter. Konnte sein scheiß Kopf sich mal endlich beruhigen, verdammt? Scheiße! Katsuya versuchte eine weitere Welle der Übelkeit durch stetiges Atmen zu unterdrücken. Langsam. Ruhig. Ein Schritt nach dem anderen. Der junge Mann kniff die Augen zu. Verfluchte… wie sollte er ruhig bleiben, wenn Seto vielleicht tot war, wenn er oben ankam? In dem guten Wissen Schuld zu sein ihn nicht gerettet zu haben? Er würde ihm wirklich Schmerzen zufügen, die Katsuya nie gespürt hatte – Schuldgefühle und Selbsthass für den Rest seines gottverdammten Lebens. Warum funktionierte dieser scheiß Körper nicht? Die Zähne zusammenbeißend fixierte der Blonde das sich nahende Treppenende. Gleich war er oben. Nur noch ein paar Schritte. Wo sollte er Seto suchen? Welche Tür hatte er genommen? Mit höchster Wahrscheinlichkeit die, die abgeschlossen war. Müsste er raten, würde er das Badezimmer nehmen. Da war nicht nur ein Schrank voller Psychopharmaka, Schlaftabletten und Schmerzmittel, da waren auch Rasierklingen, Handtücher und eine sehr stabile Duschwand, das Duschkabel, die Badewanne, sicher auch ein Elektrogerät, vielleicht Plastiktüten, Reinigungsmittel, Säuren und andere Chemikalien… Badezimmer boten extrem viele Möglichkeiten. Abgeschlossen. Wie er gedacht hatte. Katsuya sank in die Knie, beide Hände an der Klinke und atmete durch. Unter normalen Bedingungen hätte er die Tür problemlos öffnen können, indem er sie einbrach. Katsuya klopfte sie ab. Oder auch nicht… wer nahm massive Holztüren als Badezimmertür? Wie sah das Schloss aus? Heilige… der Blonde stieß einen Fluch aus. Kaiba wusste seine Umwelt effektiv auszusperren. Das war ein Türschloss. Warum war ihm das nie aufgefallen? Warum hatte er nicht darauf geachtet? Er hätte es ahnen müssen. „Seto… mach auf…“, bat der Blonde, wissend, dass der andere ihn hören konnte. Das konnte er so was von vergessen. Kein Mensch, der sich umbringen wollte, öffnete die Tür, um gerettet zu werden. „Seto… bitte, tu es nicht…“, Katsuya hörte seine eigene Stimme durch ein Schluchzen unterbrechen. Scheiße. Nicht in Panik verfallen! Rational bleiben. Immer rational bleiben. Er musste diese Tür aufkriegen. Er brauchte einen Schlüsseldienst. Nein, er brauchte… Entsetzt richteten die Augen sich auf das Holz. „Ryou Bakura, guten Tag?“ „Ryou, gib’ mir sofort deinen Bruder!“, schrie der Blonde schon fast sein Handy an. „Äh… was… ? Okay… Bakura? Katsuya für dich.“ „Was ist, Floh-“ „Schieb deinen Arsch hier rüber und das sofort!“, unterbrach Katsuya ihn noch im selben Moment, „Seto hat sich eingesperrt und bringt sich sehr wahrscheinlich grad’ um, also mach’ hinne!“ „Wo wohnt ihr?“, fragte der Andere nach, die Stimme eiskalt, aber ernst. „In-“, der Braunäugige atmete ein, aus, ein… wo zur Hölle wohnten sie? Scheiße! Nicht jetzt! Er konnte keine Dissos gebrauchen! Die Adresse schoss ihm in die Gedanken und er gab sie durch. „Rufe einen Krankenwagen und einen Psychiater.“, meinte der Ältere, bevor das Gespräch zu einem monotonen Tuten verebbte, das sein Gerät nur Sekunden später von selbst beendete. Die Hand mit dem Handy fiel wie tot herab, das Gerät rutschte aus seinen Fingern, doch nahm keinen Schaden bei der Höhe, aus der es fiel. Alles Dinge, die Katsuya nur noch am Rande wahrnahm. Dieselbe Taubheit, die ihn gestern bei der Erkenntnis über Yami befallen hatte, hüllte sich um ihn – stärker und aggressiver als je zuvor. Nein. Katsuya schüttelte seinen Kopf. Das war nicht die Zeit einen Anfall zu kriegen. Er musste Seto retten. Voll Energie griff er sich das Handy, wählte die letzte der vier Nummern seines Adressbuches und ließ es rücksichtslos achtmal klingeln, bis abgenommen wurde. „Katsuya… ?“, meldete sich eine völlig übermüdete, leise Stimme, „Was ist los… ?“ „Yami, Seto hat sich ins Bad eingesperrt, um sich umzubringen.“, erklärte der Blonde vollkommen kalt. „Was?“, zischte der Ältere entsetzt. „Yami, komm’ her. Ich weiß, dass du scheiß müde bist, aber komm’ hierher und das so schnell wie möglich. Ich habe keine Ahnung, wie es Seto geht, wenn wir ihn da raus geholt haben. Und ob er…“, seine Stimme zitterte? „Ob er noch lebt…“, eine Art Lähmung überfiel ihn, ausgelöst durch die Taubheit, die von außen in seinem Körper gesaugt wurde. „Ich bin so schnell da wie möglich.“, versprach der Andere, „Kriegst du die Tür auf?“ „Ich habe Bakura gerufen, der kriegt sie auf.“ „Hast du einen Krankenwagen gerufen?“, seine Stimme klang hektisch. „Mache ich jetzt…“ „Bis sofort. Halt durch. Und rede mit ihm.“, auch dieses Gespräch endete in Tuten. Reden? Er sollte mit ihm reden? Für den Fall, dass er noch nichts Tödliches getan, sondern noch dabei war? Höchst unwahrscheinlich… Katsuya starrte auf sein Handy. Er konnte keinen Krankenwagen rufen. Wenn Seto nicht in Lebensgefahr schwebte, wie Yami indirekt angedeutet hatte, dann würde das Krankenhaus eine Pressewelle, Psychiatrie und die erzwungene Zwangsrückgabe seiner Person an seinen Vater bedeuten. Krankenhäuser stellten zu viele Fragen. Sie machten daraus das, was sie objektiv für richtig hielten, was aber subjektiv völlig falsch war. Wäre Kaiba tot, wäre er eh tot. Wäre er lebendig, würde er es auch überleben. Probleme ergäben sich nur, wenn er seine Pulsadern aufschnitt. Aber da er seine eigene Wunde gesehen hatte, wusste Seto wohl auch, das längs zu schneiden unweigerlich zu einem schnellen Tod führte – und dann könnte auch kein Ärzteteam ihn retten. Krankenwagen würden nur Stress bedeuten. Sehr unnötigen Stress. Der Blonde atmete tief durch. Ruhig. Ganz ruhig. Immer schön rational. Sie brauchten eine medizinische Fachkraft. Eine, die Seto eine Beruhigungsspritze setzen konnte. Oder Adrenalin, je nachdem, was er geschluckt hatte. Isis fiel damit weg. Damit blieb nur noch einer. „Herr Doktor?“, ein Glück, dass er die Nummer von Seto bekommen hatte, „Hier ist Katsuya… Kaiba.“ „Ah, Katsuya. Was erweist mir die Ehre?“, fragte der der ältere Herr. „Ich weiß, es ist Sonntag und ich sollte eigentlich das Krankenhaus anrufen, aber… können sie her kommen? Ich weiß nicht ganz genau, was mit Seto ist, aber es ist sehr gut möglich, dass er gerade einen Suizidversuch hinter sich hat… ich habe jemanden gerufen, um die Tür aufzukriegen und seinen, ähm, Therapeuten, aber… können sie herkommen?“, die Stimme des Blonden bebte. Das war eine scheiß Idee. Er sollte sofort auflegen. „Ich bin sofort da.“, versprach der Arzt, „Ich wohne nur ein paar Straßen weiter. Bleiben sie ganz ruhig. Ich bin gleich da.“ „Danke…“, der Blonde drückte die rote Taste. Ein Glück, dass er die Adresse wusste. Katsuya glaubte nicht, dass sie ihm noch einmal eingefallen wäre. Scheiße. Alles beschissen. „Seto… ? Ich weiß, dass du mich hörst… wenn du noch lebst…“, sprach der Jüngere die Tür an, unterbrach sich selbst durch ein Schluchzen, obwohl er nicht weinte und atmete tief durch, „Was auch immer du da drin machst, lass es, bitte… bitte…“, seine Stimme verebbte. Verdammt… er konnte das nicht. Er konnte nicht mehr. „Uuah…“, die Augen nach innen drehend, fiel sein Körper zu Seite, schlug mit dem dröhnenden Kopf auf den Teppich. Er musste durchhalten, bis sie alle da waren. Es musste durchhalten. Er durfte noch nicht kaputt gehen. Nicht jetzt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)