Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 95: Rotation -------------------- Und da sind wir wieder ^-^ Wie erwartet natürlich: Das Gespräch mit Yami. Dieses Gespräch zieht sich über eine große Anzahl von Kapiteln hin, das will ich nur schonmal vorweg nehmen. Bereitet euch auf... an die acht Kapitel vor. Ich bin jetzt beim vierten oder fünften Kapitel dieses Gespräches. Wie gesagt, es wird viel ^.^ Formal und technisch muss ich anfügen, dass nächste Woche Samstag Karneval ist und ich demnach nicht da bin. Es wird das Kapitel also erst Sonntag geben ^.- Ansonsten wünsche ich nun viel Spaß mit dem Kapitel ^.^ Fröhliches Lesen ^.- _________________________________________________________________________________ „Kats?“, die Tür öffnete sich, „Richtig geraten.“, ein Lächeln legte sich auf Yamis Lippen, während er zur Seite trat, „Komm herein.“ „Hey…“, mit einer schwachen Erwiderung trat der Blonde ein und steuerte direkt die Küche an. „Kats?“, erklang es ruhiger, aber auch ernster hinter ihm, bevor die Tür geschlossen wurde und der Ältere ihm nacheilte, „Was ist los mit dir?“ „Tja…“, der sich Setzende seufzte, lehnte sich zurück und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, „Zu viele Gedanken… ich habe tausende Fragen. Aber ich habe Angst vor den Antworten. Ich bin unsicher. Ich komme mit Seto zwar klar, aber…“, er legte seine Stirn auf beide Hände, die er auf dem Tisch abstützte, „…was ist, wenn es schlimmer wird? Ich kenne da so einen Typen, der heißt Bakura… ich glaube, der hat auch DESNOS. Aber fremd zerstörend. Zumindest hauptsächlich. Ist es möglich, dass Seto auch so wird?“ „Katsuya…“, der Andere legte seine Arme um die Gestalt, „Erst mal ganz ruhig. Ich werde auf alles antworten. Aber vorher habe ich eine Frage.“ Der Blonde schluckte. Er musste es wissen. Er brauchte Antworten. Die Gedanken kehrten unaufhaltsam zurück. Sie schlugen gegen seinen Verstand, sie hämmerten auf ihn ein. Er brauchte Antworten. „Was?“ „Was möchtest du gerne essen?“ „Yami…“, sollte er lachen oder weinen? Das war doch echt… „Mich willst du essen? Ich wollte mich aber erst später in Schale werfen. Gibt es sonst noch etwas, was du magst?“, der warme Kopf lag zwischen seinen Schulterblätter, während das Haar ihm im Nacken kitzelte. Yami war einmalig. Einfach einmalig. „Etwas. Mir egal.“, Katsuya richtete auf ihn einen müden, doch amüsierten Blick, „Irgendetwas, was satt macht. Ich verspüre zwar keinen Hunger, aber es fühlt sich an, als hätte ich ein Loch im Bauch.“ „So etwas nennt man Hunger, Katsuya.“, erklärte der Rothaarige. „Echt? Für mich fühlt es sich an wie ein Ich-bin-noch-kein-Krampf-aber-werde-es-bald-Gefühl.“, auf eine Hand gestützt wandte der Jüngere seinen Kopf zur Seite, um den Anderen zu sehen, der seine Stirn nun gegen seinen Oberarm schmiegte, während er ihn mit beiden Armen in Höhe der Rippen umarmte, „Weiß nicht… hast du Hühnchen?“ „Hühnchen?“, Yamis Augenbrauen zogen sich zusammen, „Sonst geht es dir aber gut, oder? Wo soll ich plötzlich Hühnchen herzaubern?“ „Keine Ahnung…“, die braunen Augen wandten sich zum Kühlschrank, „Krabben?“ „Was auch immer mit dir los ist…“, die Arme lösten sich, „Du hast Glück. Krabben habe ich zufällig da. Chinesisch?“ „Irgendwie.“, ein Lächeln legte sich auf Katsuyas Lippen, „Ich habe sie noch nie probiert.“ Der Ältere hob nur eine Augenbraue auf seine Aussage. „Zu deiner Frage…“, setzte Yami an, während er die Krabben aus dem Kühlschrank und eine riesige Pfanne aus dem Schrank holte, „Ich müsste erstmal wissen, was dieser Bakura denn tut, dass du ihn für erkrankt hältst.“ „Nun…“, wo sollte er anfangen? „Er verletzt einen mit Worten, indem er die Schwächen anderer herausstellt und sie niedermacht. Er greift einen mit Messern an, wenn er wirklich sauer ist. Er begrüßt Leute an der Tür, indem er ihnen eine Waffe an den Kopf hält. Und er hat seinen Bruder einmal vergewaltigt.“ War… das so schockierend? Yami stand ihm reglos zugewandt, die Lider weit geöffnet, die Augenbrauen sich zuckend zusammenziehend. „Ich hoffe jetzt mal sehr stark, dass dieser Bakura entweder im Gefängnis oder in einer Psychiatrie sitzt…“, er betonte die beiden Gebäudenamen stark, während seine Stimme leicht zitterte. „Äh… nein, wieso? Die Waffe darf er besitzen, er ist bei der Polizei beschäftigt.“, anbei… wozu brauchte man als Hacker eine Pistole? Die brauchte man doch nur im Außendienst, oder? Da war Bakura doch gar nicht tätig. „Katsuya.“, der Rothaarige trat auf ihn zu, ihm dabei tief in die Augen sehend, „Egal, ob DESNOS oder nicht, er hat schwere Aggressionsstörungen und kaum Kontrolle darüber. Er könnte aus dem Nichts heraus jemanden umbringen, nur weil die Person nicht in sein Konzept passt. Wenn jemand aus Wut mit einem Messer auf einen losgeht, dann ist der Sprung zu Mord nicht sonderlich groß.“ „Aber…“, scheiße… das Ganze war schon reichlich ungewöhnlich, wenn er darüber nachdachte. War Bakuras Umwelt in Gefahr? War Ryou in Gefahr? „Er ist… sein Bruder sorgt für Kontrolle. Bakura hört immer auf seinen Bruder, wenn der nur genug bittet.“ „Heißt, ohne seinen Bruder wäre er ein völlig unkontrollierter, psychisch schwer Kranker mit einer Pistole? Sehr beruhigend.“, Yami atmete tief ein, „Katsuya, dieser Bakura braucht Hilfe. Dringend.“ „Aber… das geht nicht.“, das ging ganz und gar nicht, wenn man das weiterdachte, „Er sorgt für seinen Bruder und wäre er plötzlich nicht mehr da, würde der wahrscheinlich völlig abdrehen…“, durfte Ryou überhaupt legal bei ihm wohnen? „Außerdem müsste der Bruder im Zweifelsfall zu seinem Vater zurück, der die beiden schwer misshandelt hat.“ „Katsuya…“, der Ältere ließ sich auf einem Stuhl nieder und fuhr sich durch die Haare, „Du bestärkst mich nicht unbedingt in dem Glauben, dass es eine gute Idee ist nichts zu tun. Es wäre am besten beide einzuweisen. Das mag hart klingen, aber… ausgehend von dem, was du gesagt hast, ist dieser Bakura eine tickende Zeitbombe und sein Bruder extrem verstört, was ich von dem, was du sagtest, gut nachvollziehen kann. Aber stell dir vor, einem würde etwas passieren. Oder nur die Situation, dass der Bruder durch etwas mehr beschäftigt ist, das könnte diesen Bakura völlig aus der Bahn werfen. Wir brauchen keinen bewaffneten Irren – erst recht nicht, wenn man es hätte verhindern können.“ Scheiße. Einfach nur verdammte… Fluchen brachte auch nichts. Yami hatte Recht. Bakura – war – gefährlich. Mehr als nur gefährlich. Bakura war – und dagegen konnte man nichts sagen – eine Gefahr für seine Umwelt. Besonders, wenn Ryou auch nur irgendetwas passieren sollte. Aber war es so schlimm, dass man gleich daran denken musste, dass er in eine Klinik gehörte? Er arbeitete doch gerade erst an einem Aufstieg. Seto hatte sich viele Chancen mit seinem Klinikaufenthalt verbaut, auch wenn er ihn ziemlich dringend gebraucht hatte. Brauchte Bakura ebenso dringend einen? Oder sollte man nicht lieber warten, bis es zu einer Katastrophe kam? Oder wäre das auch falsch? „Prinzipiell… hast du Recht.“, stimmte Katsuya Yami zu, der noch immer auf irgendeine Art von Antwort zu warten schien, „Aber er wird nur ohne seinen Bruder gefährlich. So ein Aufenthalt könnte seinen Beruf kosten und somit das Leben beider. Ich würde dir ja zustimmen, dass man ihn sofort einweisen muss, falls seinem Bruder was passiert, aber… doch nicht einfach so.“ „Mal schauen, was du sagst, nachdem dieser Bruder von ihm ermordet wurde, weil er zu spät nach Hause kam.“, gab der Rothaarige sehr trocken von sich, „Meinetwegen wäre es unpassend ihn bei der Psychiatrie zu melden. Aber zumindest eine Psychotherapie sollte man ihm nahe legen.“ „Würde der ihn nicht direkt an die Psychiatrie weiterleiten?“, dazu waren Therapeuten doch verpflichtet, oder? Der Psychiatrie gefährliche Fälle zu melden… „Ja…“, Yami seufzte, schloss die Augen, stand auf und begab sich zurück zu seinen Kochutensilien, „Hat er denn wenigstens irgendeine Krankheitseinsicht? Hält er sich selbst auch für krankhaft aggressiv?“ „Öhm… denke nicht.“ „Bei allen Göttern…“, der Ältere atmete tief durch, „Ich für meinen Teil neige dazu meine Kraft in das zu stecken, für das ich mich verantwortlich fühle. Und genau das hast du jetzt geweckt.“ Hah, es gab doch ein Helfersyndrom! Und er fühlte sich für Seto verantwortlich. So wie Ryou sich für Bakura. Obwohl beide eigentlich für sie verantwortlich waren. Und… oh, soeben hatte er Yami für Ryou und Bakura verantwortlich gemacht. Wollte er ihn nicht eigentlich ent- statt belasten? „Stell mich doch beizeiten mal diesem Bruder vor, ja?“ „Gern.“, wollte er ja sowieso, „Ich habe ihm auch schon ganz viel von dir erzählt. Er ist ein Freund aus der Schule.“ „Musst du mir so viele Sorgen bereiten?“, Yami warf ihm ein Lächeln zu, das sagte, dass er es nicht so meinte, „Demnächst wirst du aus Eifersucht von einem DESNOS-Kranken umgebracht. Oder du wirst von einem rachesüchtigen DESNOS-Kranken umgebracht, die Möglichkeit gibt es auch noch. Ganz toll gemacht, Katsuya.“ „Ist nicht meine Schuld. Schimpf’ auf das Schicksal.“, der Blonde legte seinen Kopf auf seinen übereinander gelegten Armen auf dem Tisch ab. „Das Schicksal ist eine Erfindung, um Verantwortung abzugeben, indem man external attribuiert.“, erklärte der Ältere. „Indem man was tut?“, oh, da klopfte ein neues psychologisches Modell ans Tor, wetten? „External attribuieren. Attribution heißt begründen. Dabei wird unterschieden zwischen internaler und externaler Attribution, variabler und stabiler Attribution, globaler und individueller Attribution.“ „Yami, ich verstehe kein Wort.“, hier war sogar wirklich jedes Zweite ein Fachwort gewesen – wozu brauchte man die alle? „Solltest du aber, das ist wichtig.“ „Uh…hm…“, na mal schauen, was er jetzt wieder auftischte. Die letzte Lektion war doch gerade mal zwei Tage her. „Ich hatte dir doch schon mal erzählt, dass der Mensch versucht alles zu begründen.“ Der Blonde nickte. Irgendwann hatte Yami das mal erzählt, ja… nur wie lange war das schon her? Die Vergangenheit war irgendwie ein bisschen schwammig, wenn es um so etwas ging. „Es gibt verschiedene Arten von Attribution. Wenn du zum Beispiel eine Arbeit schlecht schreibst, dann kannst du das auf verschiedene Arten begründen. Du kannst einmal sagen, dass das an deinen Fähigkeiten lag, das wäre internal. Oder du sagst, dass es am Lehrer oder am Klassenzimmer oder dem Umgebungslärm liegt, das wäre external.“, hörte sich nach einem der leichteren Modelle an. So was konnte man ja von in und ex ableiten. In drinnen, ex draußen. Internale Attribution war eine auf sich selbst bezogene Begründung, externale eine auf etwas außer sich selbst bezogene. „Wenn du jetzt zum Beispiel internal begründest, kannst du sagen, dass du schlecht gelernt hast oder du kannst sagen, dass du das Fach einfach nicht kannst. Das eine ist einmalig, das andere bezieht sich auf immer und ewig. Das ist der Unterschied zwischen variabel und stabil.“, variabel einmalig, stabil mehrmalig. Das Modell nahm an Komplexität zu. Wie konnte das Yami eigentlich einfach so erzählen, während er kochte? War das schon so verinnerlicht? Brauchte man es öfters? „Und schließlich der Unterschied zwischen global und individuell. Wenn du bei deinem Misserfolg internal stabil attribuierst, kannst du nicht nur sagen, dass du das Fach nicht kannst, du kannst auch sagen, dass du gar kein Fach kannst. Das wäre die globale Attribution. Du beziehst den Misserfolg auf alles. Wenn du es beschränkt hältst, dann wäre es individuell.“, global war auf alles bezogen, individuell beschränkte sich auf etwas Einzelnes. Wenigstens waren die Fachwörter nicht so schrecklich bezugslos. „Ein Mensch mit hauptsächlich selbst zerstörerischem DESNOS attribuiert fast immer internal, stabil und global bei Misserfolg und external, variabel und individuell bei Erfolg. Macht er also etwas gut, schiebt er es zum Beispiel auf Glück oder das gute Wetter bei einer Prüfung. Nur nichts, damit sich sein Selbstbild bessern kann.“ Oh… deswegen die Lektion. Das Selbstbild konnte sich also, egal was die Person tat, niemals verbessern, wenn diese Person in ihrem Denken gefangen war? Das war schon hart. „Eine abgeschwächte Form findet man bei Depressionen. Da wird meistens nicht so oft global attribuiert bei Misserfolg und manchmal sogar anders bei Erfolg. Aber ansonsten ist es dasselbe. Und wenn es zu dieser Attribution ohne Krankheitssymptome kommt, nennt man es erlernte Hilflosigkeit, was eine Vorstufe von Depressionen ist. Sie äußert sich in solchen Sätzen wie „Da kann man doch eh nichts tun.“ oder „Das ist völlig unmöglich.“ oder „Das schaffe ich nie.“ und Ähnlichem.“ Katsuya kreuzte die Arme und bettete seinen Kopf auf ihnen. Irgendwie konnte er Seto verstehen – es war sehr interessant Yami beim Kochen zuzusehen. Ein leises Seufzen entwich seinen Lippen. Hatte Seto auch dieses Attributionsproblem? „Auf der anderen Seite sind Narzissten zum Beispiel Menschen, die genau anders herum attribuieren. Also external, variabel, individuell bei Misserfolg und internal, stabil, global bei Erfolg. Bei einem gesunden Menschen kommen solche Zusammensetzung eigentlich fast nie zustande, egal ob Erfolg oder Misserfolg.“ „Also sagt mir der Attributionsstil wie krank Menschen sind? Wenn sie über längere Zeit zu einem der Muster tendieren, sind sie krank?“, wie attribuierte er selbst eigentlich? Sehr gute Frage… früher hatte er wie ein Narzisst attribuiert. Er konnte sich erinnern alle seine schlechten Noten immer auf den Hass der Lehrer geschoben zu haben. „Es sagt dir, wie das Selbstbild der Menschen ist. Ob sie zu wenig oder zu viel Selbstwertgefühl haben. Das hängt oft mit Krankheit zusammen, das ist wahr.“ „Lass mich raten… auch beim Selbstwertgefühl gibt es eine goldene Mitte?“ „Seto hat dir von Aristoteles erzählt?“, der Rothaarige warf ihm einen interessierten Blick über die Schulter zu. Wieso zur Hölle kannte sich jeder außer ihm mit Aristoteles aus? War der schon Standardlektüre? Irgendwie hatte er sehr komische Freunde. Wieso war jeder intelligenter als er? Sehr deprimierend. „Ryou… Ryou erzählt mir dauernd etwas über Philosophie. Kleiner Hochbegabter. Das ist übrigens der Bruder von Bakura, dem Fremdzerstörer.“ „Ah…“, der Ältere nickte, während er die Augen abwandte, „Ein Hochbegabter… weiß Seto das?“ „Denke schon. Wieso?“ „Ist ja auch so`n verkappter Hochbegabter. Ich bin froh, wenn ich mir meine paar Modelle merken kann. Seto kann dir dafür jede Naturwissenschaft fast auswendig von der Formel bis zur Anwendung aufsagen. Wenn der ein Diagramm sieht, weiß er direkt das ganze Ding auswendig und erklärt dir die Bedeutung und Auswirkung. Am besten erzählt er dir auch noch, wie man so ein Diagramm errechnet. Ich habe ihn aus Spaß einmal gefragt und er hat mir alles Mögliche über n und p und Fehler erster und zweiter Art erzählt. Und ich habe gar nichts verstanden.“, na wenigstens noch ein Mensch auf dieser Erde, dessen Intelligenz nicht völlig abdrehte. „Und du glaubst, dass Seto diese… depressive Attribution hat?“ „Das würde zur Krankheit gehören. Aber ich denke, dass das bei ihm schon besser ist. Zumindest wäre es ungewöhnlich, wenn das völlig an mir vorbeigegangen wäre. Obwohl… an mir scheint ja einiges vorbeigegangen zu sein…“, Yami wandte sich zu ihm um, legte Brettchen, Messer und Gemüse vor und hob Zeigefinger und Daumen übereinander, „Schneid das doch mal bitte in so kleine Stücke.“ „Seto verbirgt alles sehr gut. Ich vermute, du hast einfach noch nie einen Anfall von ihm mitbekommen, oder?“, denn mindestens das hätte doch jemanden wie Yami an seinen Theorien zweifeln lassen. Ein Mensch mit depressiven Anfällen und einer narzisstischen Störung… das passte nicht ganz. „Nein… na ja, keinen schweren. Bei dem, was du beschrieben hast, nicht einmal einen leichten… ich mache mir schon Sorgen. Ich meine, ich kenne Seto jetzt seit gut zehn Jahren und auch, wenn ich ihn zwischendurch nicht gesehen habe, ich hätte das doch eigentlich merken müssen…“, der Rothaarige seufzte und stützte sich mit den Armen rechts und links der Kochplatte ab, „Das lässt mich schon ein wenig an mir zweifeln.“ „Was?“, zischte der Blonde, seinen Blick von dem Gemüse hebend, „So was gibt dir Selbstzweifel?“ Yami und Selbstzweifel? Weil er nicht durch Setos Maske gesehen hatte? Also irgendwo… der Mann überstand es mit drei Stunden Regenerationszeit vergewaltigt zu werden, aber wurde unsicher, weil seine Psychologiekenntnisse nicht halfen einem Mann zu durchschauen, der sogar seine Psyche dafür gespalten hatte nicht aufzufallen? „Yami, jetzt mal ganz ehrlich, aber das… das ist mir nicht verständlich.“, unterbrach Katsuya sich selbst, „Du hast mir mal gesagt, dass Wahrnehmung subjektiv ist. Klar, dass du kleine Zeichen übersiehst, die deine Einschätzung für Seto widerlegen. Und Seto hat dir Größeres einfach nicht gezeigt, er hat sein komplettes Leben darauf ausgerichtet nicht aufzufallen.“ „Warum dann du?“, rief der Ältere und wirbelte herum, „Du hast eine Ahnung von nichts, du hast seinen Bruder umgebracht und ihn in eine akute Phase seiner DESNOS zurückgeworfen. Warum vertraut er sich unbedingt dir an?“ Der Blonde hielt inne, schluckte, sah wieder auf. Yamis Amethysten schienen zu brennen. Als würden sie vor Gift sprühen und gleichzeitig vor Tränen funkeln, während sich die Lider über ihnen zusammenzogen. Dieser Blick hatte sich noch nie gegen ihn gerichtet. Doch was er sah, schien wie durch Watte zu ihm zu dringen. Als wären die Worte nur Teil einer endlosen Litanei, die Augen nur jene, die er täglich sah, diese Verzerrung von Muskeln nichts als ein Schauspiel zum Amüsement. Sein Atem ging tief, als würde sich seine Brust nur schwer heben lassen. Die Lider lagen müde über seinen Augäpfeln, hangen halbtief, als wären Gewichte an ihn. Irgendwo durch sein Bewusstsein sickerte die Erkenntnis, dass Yami ihm die größten Makel seines Selbst vorgeworfen hatte. Quatsch. Yami hatte ihm noch nie Vorwürfe gemacht. Hatte ihn noch nie beschimpft, war nie wütend auf ihn gewesen. Wieso sollte er es plötzlich aus dem Nichts heraus sein? Das war lächerlich. „Katsuya…“, die Augenbrauen des Rothaarigen zogen sich zusammen, bevor er den Blick abwandte, „Es tut mir Leid.“ „Sieh mich an, wenn du dich entschuldigst.“, verlangte der Jüngere tonlos. Was tat er da? Wieso war er gemein zu Yami? Warum sagte er so etwas? Die amethystfarbenen Augen, über denen ein Film von Tränen lag, suchten scheu Kontakt. Doch in derselben Sekunde, wie sie Bernsteine trafen, wichen sie auch schon wieder zur Wand aus. „Warum hast du das gesagt?“ Katsuya kniff die Lider zusammen. Au… was war das? Eine Welle von Emotionen schien mitten gegen seinen Kopf geschlagen zu haben. Das dumpfe Pochen in ihm wurde zu Messern, die sich durch sein Innerstes stachen. Und diese Woge von Hass, von Wut, Enttäuschung, von Verzweiflung und Schuld… sie schien sich wie eine Krone um seinen Kopf zu ranken und auf seine Schultern zu drücken. „Ich…“, Yamis Blick fiel auf das Messer in seiner Hand, „Würdest du das Messer bitte hinlegen?“ „Hast du Angst?“, fragte der Blonde und spürte ein Schmunzeln auf seinen Lippen, während im gleichen Moment eine Träne über seine Wange rollte. Amethyst traf Bernstein. Die Hände des Älteren ballten sich zu Fäusten. „Es tut mir Leid. Ich hätte das nicht sagen dürfen.“ „Hm…“, mit einem leichten Scheppern schlug das Messer auf das Brett, „Warum hast du es dann getan?“ „Weil…“, Yami schlug die Lider nieder, doch hob seinen Blick sofort wieder, „Weil ich dich verletzen wollte.“ „Warum?“ „Weil ich… eifersüchtig bin.“, sie fielen noch einmal zu, doch als sie sich diesmal öffneten, suchten zwei Tropfen ihren Weg aus den atemberaubenden Augen, „Es tut mir Leid…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)