Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 77: Eine neue Woche --------------------------- Einen wunderschönen guten Abend ^.^ Ich hoffe, jeder hatte eine angenehme Woche. Ich schreibe übermorgen eine Klausur und habe danach einen Monat klausurfrei *freu* Es folgen Studientage, Schulfest, Philosophietreffen, Medizinvorlesungen, Psychologievorlesungen - der Winter wird toll *.* Heißt aber auch, dass ich wahrscheinlich sehr beschäftigt sein werde. Für's erste gibt es also nur noch Mittwochs Kapitel ^.^ Ich wollte mich noch einmal herzlich für die Kommentare bedanken >///< Ich kann es gar nicht oft genug tun! Ich danke euch wirklich. Was ihr schreibt, bedeutet mir viel. Ich hoffe, die FF gefällt auch den Schwarzlesern so wie den Kommentarschreibern - wenn nicht, bin ich für Kritik auch sehr dankbar ^.^ Ach ja, einige fragten nach den Autorenlesungen, die ich eventuell halte - ich werde auch erst im tiefsten Winter bzw. im nächsten Jahr benachrichtigt, also kann ich wohl sehr bald kaum etwas sagen. Aber ich melde mich, wenn es Neues gibt ^.^ _________________________________________________________________________________ „Herr Kaiba?“, fragte der Blonde besorgt nach, nachdem sich der Andere schon einige Sekunden nicht mehr bewegt hatte und nur seinen Kaffee anstarrte. „Es fängt an.“, flüsterte dieser nur und ließ sich von Katsuya den Becher aus der Hand nehmen. „Ich bin hier.“, versprach der Jüngere, setzte sich breitbeinig auf Kaibas Schoß und legte einen Arm um dessen Hals, während er mit der anderen Hand Strähnen aus dem Gesicht des Anderen strich. Kaiba brachte noch ein schwaches Lächeln zustande, während er sich auf dem Stuhl zurücklehnte. „Wenn ich Yami richtig verstanden habe, haben sie jetzt eine Menge Spannung in sich, die sie nicht verarbeiten können. Deswegen klingt sich ihr Bewusstsein aus der Realität und verarbeitet die Spannung auf einer anderen Bewusstseinsebene. Problem dabei ist, dass ihr Bewusstsein danach nur schwer in die Realität zurückfindet. Heißt, ich muss sie irgendwie in der Nähe der Realität halten, während ihr Bewusstsein arbeitet. Eine andere Möglichkeit wäre es, wenn sie die Spannung einfach auslassen würden. Das hieße durch Aggression… na ja… ich weiß nicht, ob ich den Versuch überleben würde. Nicht bei ihren Depressionen, das letzte Mal sah ziemlich hart aus. Also halte ich sie doch mal nahe der Realität. Reden hat beim letzten Mal geholfen, schließlich konnten sie sich an meine Worte erinnern. Ergo, ich werde sie voll quatschen, bis sie wieder aufwachen. Und wie beim letzten Mal habe ich keine Ahnung, was ich erzählen soll. Es muss ja etwas sein, was ihre Konzentration verlangt.“, unsicher sah der Blonde sich um, bis sein Blick auf das Buch auf dem Küchentisch fiel, „Idee: Ich lese ihnen was aus diesem Buch vor. Mathe muss die Konzentration einfach fesseln. Obwohl…“, er griff nach dem gewünschten Gegenstand und betrachtete ihn, „Sie sagten, dass sei einfach. Vielleicht ist es nicht so fesselnd. Ich werde zum Lesen Musik anmachen. Sie mochten Klassik, nicht?“, er eilte zum Radio, um eine CD einzulegen, „Ich mag das zwar gar nicht, weil ich es einfach langweilig finde, aber sie können damit wahrscheinlich etwas anfangen.“, er setzte sich wieder auf den Unbewegten, „Und jetzt lese ich einfach mal.“, er schlug das Buch auf und begann wie angekündigt laut zu lesen. Wieso zur Hölle las Kaiba so was? Er war doch nicht einmal Mathelehrer. Und es hörte sich nicht so an, als könnte man das praktisch brauchen. Heilige Zahlen, Pythagoras, Euklid... ähm... ja, was auch immer das jetzt bedeuten sollte. Kombinationen von Zweierpotenzen bilden heilige Zahlen... was war denn bitte heilig an ihnen? Summe der Teiler ohne sich selbst gleich sie selbst – Error? Kaiba würde schon etwas damit anfangen können. Die Musik war gar nicht mal so schlecht. Was hatte er da eigentlich eingelegt? Er warf einen Blick auf den Älteren. Seine Finger bewegten sich! Hoch, runter, zur Seite, zurück, von vorne... woran erinnerte ihn diese Bewegung? Wenn er sich nicht täuschte, stimmte sie mit dem Takt der Musik überein. Die Hand sank langsam wieder zum Tisch. Hatte er etwas falsch gemacht? Katsuyas Blick schwenkte von Kaiba zum Radio und zurück. Lesen! Er Hornochse hatte unbewusst aufgehört. Hastig wandte er sich wieder dem Buch zu und nahm den Faden wieder auf. Anscheinend waren nur zwei Dinge gleichzeitig für Kaiba in irgendeiner Form interessant. Das Blau seiner Augen verschwand plötzlich aus seinem Augenwinkel, was den Blonden wieder aufsehen ließ. Kaibas Kinn war fast auf seine Brust gesunken und die Lider lagen tief über seinen Pupillen. „Herr Lehrer?“, fragte Katsuya beunruhigt, schloss das Buch und legte es zurück auf den Tisch, „Bitte, sagen sie etwas...“ Natürlich regte er sich nicht – der Blonde hatte auch nichts anderes erwartet. „Warum haben sie eigentlich keine Medikamente?“, meinte er dennoch leicht verzweifelter und nahm das schlanke Gesicht in beide Hände, „Oder haben sie welche und ich weiß nichts davon? Wenn das so wäre… würden mir Depressionen ganz schön Angst machen. Wenn sie aggressiv wären, dann könnten sie mich zusammenschlagen und gut wäre es. Obwohl gut wohl nicht das richtige Wort ist… es wäre… gewohnt. Ja, gewohnt. Gewohnheit ist schon etwas Schlimmes, nicht? Ich wurde regelmäßig geschlagen, seit ich ungefähr zwölf Jahre alt war. Das sind um die sieben Jahre. Sieben Jahre… da kann man von Gewohnheit sprechen, nicht? Sieben Jahre, in denen ich mit Blutergüssen in die Schule ging, müde, weil ich vor Angst nicht schlafen konnte. Sieben Jahre, wo jedes Heben einer Hand mich zusammenschrecken ließ. Sieben Jahre, in denen ich mich selbst verlor. Erst habe ich alles versucht, was ich konnte, um dieses Monster zu ändern. Es tut so weh aufzugeben. Es tut weh, wenn man sich eingesteht, dass es hoffnungslos ist. Es tat weh… nicht die Schläge, sondern die Verzweiflung. Das Wissen, dass man es nicht ändern kann und dass…“, Katsuya schluckte und flüsterte, „…dass man es wert ist…“, er spürte eine Träne auf seiner Wange, „Ich sagte mir, dass ich das wert sei… ich wusste nicht, was ich tun sollte… mein Vater war alles, was ich hatte… wie konnte ich das denken?“, er senkte den Kopf und studierte das glatte Material, aus dem Kaibas Hemd war, „Ich habe wirklich kein Selbstwertgefühl.“, gardinenweiße Knöpfe auf gardinenweißen Stoff, „Ich habe wirklich gedacht, dass ich das verdient habe… weil ich ihm nicht helfen konnte. Ich konnte keine Familie für ihn sein. Ich konnte Mutter nicht ersetzen… warum habe ich es überhaupt versucht?“, seine Hand suchte sich ihren Weg über das noch knitterfreie Hemd, „Vielleicht habe ich wirklich das Hirn einer Frau?“ „Oder einfach nur einen großen Aufopferungsdrang.“, sagte Kaiba mit ruhiger Stimme. Katsuyas Kopf raste nach oben, braun traf blau und seine Lider weiteten sich, bevor sich langsam ein Lächeln auf die Lippen des Blonden schlich – eine Erwiderung auf das, was ihm aus müden Augen entgegenstrahlte. „Du sagtest dir, dass du es wert wärst geschlagen zu werden?“ „Ich glaube schon…“, antwortete der Blonde leise, dem bei dieser Frage das Lächeln wieder erloschen war, „Ich habe es nie wirklich offen gesagt… aber ich glaube, ich habe es gedacht… irgendwo in mir… es war einfach…“, er hauchte, „…normal…“ „Deswegen hast du ihn nie angezeigt? Weil es für dich normal war?“ „Weiß nicht…“, er kratzte sich mit der rechten Hand die linke Schulter, „Ich meine, ich wusste, dass andere nicht geschlagen wurden, aber… irgendwie… ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie das ohne gehen sollte. Obwohl doch… aber… ich meine, andere haben dafür andere Probleme, nicht? Es gibt Schlimmeres als eine Tracht Prügel pro Abend.“ „Und du hast dich nie gewehrt?“, eine Hand strich über den Rücken derer, mit der Katsuya seine Hose knetete. „Manchmal… und es bereut…“, sein Blick lag auf dem Daumen, den Kaiba dazu benutzte, „Aber… ich habe nie wirklich etwas versucht… ich hätte den Schlägern befehlen können ihn mal aufzusammeln. Die Polizei. Vielleicht sogar die Schule…“, er schüttelte abwesend den Kopf, „Wirklich gewehrt… habe ich mich nie…“ „Wie du sagtest, Gewohnheit ist Gewohnheit. Aus der Gewohnheit bricht man nur selten allein aus. Du hattest niemanden zum Reden, keine objektive Meinung… und andere Sorgen als deine Psyche, schätze ich. Hast du in diesen sieben Jahren immer unregelmäßig gegessen?“ „Wenn überhaupt…“, murmelte der Jüngere, „Schon vorher.“, fuhr er etwas sicherer fort, „Ich kam nicht allein ins Haus. Ich habe die Nachmittage auf der Treppe oder in der Schule verbracht. Ich hatte kein Geld. Ich habe Mitschüler bestohlen, wenn der Hunger zu schlimm war. Oder mich nachts in die Küche geschlichen. Ich habe… ich hatte Hunger… und irgendwann nicht mehr… irgendwann wusste ich nur noch, dass ich zu wenig zu Essen hatte, wenn ich krampfte. Wie ein rasender Schmerz, der sich durch meinen Bauch in alle Glieder zog. Alles zog sich zusammen. Und es schmerzte. Es hat so unglaublich geschmerzt…“ „Du hattest Hungerkrämpfe?“ „Manchmal… nicht oft, aber… manchmal.“, Katsuya suchte mit seinen Augen Kaibas und sah schließlich auf, „Hatten sie schon mal einen Hungerkrampf?“ Der Ältere schüttelte bedächtig den Kopf. „Ihr Stiefvater hat sie nicht hungern lassen?“ „Ein halb verhungertes Balg kann man selbst mit der besten Schminke nicht herrichten.“, informierte der Brünette ihn. „Herrichten wofür?“ „Pressekonferenzen, öffentliche Auftritte, Galen, Benefizkonzerte… das ganze gesellschaftliche Klimbim.“ „Aber Blutergüsse konnte man mit Schminke gut genug verdecken?“, fragte der Jüngere etwas leiser, während er den Kopf schief legte. „Siehst du etwa etwas?“, erwiderte der Lehrer ironisch und wandte Katsuya die Gesichtshälfte zu, die dieser vor knapp einer Stunde geschlagen hatte – die Haut hatte einen durchgehend hellen Teint. „Tut mir Leid…“, murmelte der Blonde, „Dafür und… dass ich sie mit dem allen belaste…“ „Ich habe mich selbst damit belastet. Und ich zwinge dich sogar ein wenig mir dafür zu helfen. Wenn sich jemand entschuldigen muss, bist nicht du das. Obwohl ich die Entschuldigung für die Schläge annehme.“, meinte Kaiba mit einem schon fast amüsierten Lächeln auf den Lippen. „Das tut mir ehrlich Leid…“ „Dass dich das leiden lässt, dass du mich schlägst, kann ich mir bei dir sogar vorstellen. Bei manchen deiner Klassenkameraden sähe das anders aus.“, versuchte er die Situation zu lockern. „Das ist ein Haufen Idioten.“, maulte der Blonde, „Ryou ist die einzig nette Person in der Klasse.“ „Und sonst kommst du mit niemandem klar?“, der Ältere griff an Katsuya vorbei nach einem Stuhl, was der Blonde als den Wink verstand, dass er auf dem Schoß seines Lehrers eigentlich nicht erwünscht war. „Ich würde sicherlich. Aber bei meinem Ruf will keiner etwas mit mir zu tun haben, wenn er nicht auch Außenseiter werden will.“, er setzte sich um, „Unsere Schule hat auffällig wenig Schüler, die nicht konform sind. Mussten sie eigentlich überhaupt jemanden rauswerfen?“ „Wie? Ich?“, der Brünette nahm einen Schluck Kaffee, bevor er das Gesicht verzog und den Becher wieder abstellte. „Sind sie nicht an die Schule gekommen, um die Verwaltung zu übernehmen? Oder war das mit dem Rausschmeißauftrag eine Lüge?“ „Ach, das.“, der Lehrer trug das Gefäß zur Spüle und schüttete das Getränk aus, um sich aus der Kanne neues zu nehmen, während er sprach, „Nein, das gehörte schon zu meinem Auftrag. Natürlich verklausuliert. Offiziell heißt es Ordnung und Disziplin in den Klassenräumen und auf den Fluren zu schaffen. Manchmal frage ich mich, ob sie nicht einfach ehrlich sein sollten… egal, nein, ich musste niemanden rauswerfen. Nach einem Gespräch mit mir sind alle Individuen in Schulkleidung gekommen. Wirklich Arbeit gibt es in den Herbstferien. Bei einer bestimmten Anzahl Fehlstunden muss ich verwarnen, bei einer anderen rausschmeißen. Normalerweise sind für so was nicht stellvertretende Direktoren da… aber die Schule ist so ein Chaos, da bin ich anscheinend die letzte Rettung. Ich habe selten so viel Inkompetenz auf einem Haufen erlebt. Aber…“, Katsuya erkannte ein gefährliches Blitzen in den blauen Augen, „…wirklich lustig wird es, wenn ich bei den Lehrern aussortieren darf. Da werden so einige Leute ihren Job verlieren. Und beginnen werde ich mit dieser Gurke von einem Englischlehrer, den ihr da habt...“ „Ich danke vielmals.“, erwiderte der Blonde mit einem Lächeln. Vielleicht würde Schule in nächster Zeit doch noch interessant werden… dieses stumme Einverständnis ließ auf viel hoffen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)