Dead Society von Gepo (Die Hoffnung stirbt zuerst) ================================================================================ Kapitel 23: Salvation --------------------- Was jetzt kommt, ist das, was viele schon vermutet haben - und der Titel sagt wohl alles. Ich hoffe, mir wird diese sehr abrupte Wendung verziehen... ich wünsche seiner Seele Frieden. Nebenher spreche ich mal eine Widmung aus. Für Taja-chan und greenflower, die mir Kommentare mit mehreren tausend Worten zugesandt haben. Aber natürlich auch allen anderen Schreibern, die mich so fleißig unterstützen. Ich liebe euch alle und danke euch für eure lange Treue! ______________________________________________________________________________ Katsuya sah sich seinen Arm an, auf dessen Ende er seinen Kopf gelegt hatte. Die Jacke war ein Stück nach unten gezogen, sodass der halbe Unterarm frei war. Narben. Teilweise schon Monate alt. Es schien als wollten sie gar nicht mehr verheilen. Wie auch? Waren sie einmal weg, schnitt er Neue hinein. Manchmal auch ohne dass sie vorher verheilt waren. Die meisten waren gerade, doch einige überkreuzten sich auch. Es waren nie die Schmerzen, die ihn zum Messer hatten greifen lassen. Nicht die Befriedigung etwas zu spüren. Nicht die Befriedigung etwas verletzen zu können. Nicht die Befriedigung der Macht. Nicht die Befriedigung der entsetzten Blicke seiner Mitschüler. Nicht die Befriedigung die Gefühle in sich selbst abtöten zu können. Nichts von diesen Dingen, weswegen die meisten sich verletzten. Es war der unwiderstehliche Drang sein Blut zu sehen. Weswegen er auch immer so tief schnitt. Ja, sein Blut. Es war faszinierend. So eine unglaublich schöne Farbe und Konsistenz. So eine wunderschöne Flüssigkeit. Blut war verzaubernd, nein, verlockend! Blut zu schmecken war ein Hochgenuss. Sein Blut. Seins und kein anderes. Sein Blut war sein Leben. Er konnte entscheiden, ob er sein Leben fließen ließ oder es in sich aufnahm. Vielleicht doch nur eine Illusion von Macht? Eigentlich war es doch egal. Es war ein gutes Gefühl. Mittlerweile empfand er nicht einmal mehr Schuldgefühle. Es war gut, was er tat, denn es tat ihm gut. Und wenn die Welt ihm schon nichts Gutes tat, dann musste er es eben selbst tun. Er wollte Blut sehen. Und das Messer war wie immer in seiner Hosentasche. Vorsorge halt. Es sollte Blut fließen… Katsuyas freie Hand glitt in Richtung Tasche, während er weiter seinen Arm fixierte. Gerade wollte er hinein greifen, da hörte er Schritte auf dem Flur. Scheiße! Wer kam denn jetzt um diese Uhrzeit hier vorbei? Wie aus einem Alptraum erwacht schreckte der Blonde hoch und starrte zur Tür, die sich gerade öffnete. „Katsuya?“, fragte Muto verwundert. „Yugi…“, der Ton des immer noch auf dem Boden Sitzenden war flehend, fast beschwörend. Der Ältere verzog das Gesicht. Der Braunäugige wandte den Kopf ab. Er hörte ein Seufzen, sich nähernde Schritte und bemerkte im Augenwinkel, wie sich der Schwarzhaarige neben ihn kniete. „Das mit der Anrede üben wir später noch mal. Was ist mit dir los?“ „Ich wollte mich gerade aufschlitzen.“, erwiderte der Jüngere nur kalt und setzte ein verzweifeltes Lächeln auf. Der Lehrer schwieg. Katsuya ließ seinen Blick abgewandt und starrte auf seinen vernarbten Arm. Warum weinte er denn plötzlich? Mit einem Schnauben wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht. Eine zierliche Hand ergriff seine und zog sie von seinem Gesicht weg. „Weinen ist in Ordnung.“ Dieselbe Hand legte sich auf seine Wange und zog sein Gesicht wieder in Mutos Richtung. Der lächelte. „Na, erfreut dich mein Elend?“, giftete Katsuya. „Nein.“, er lächelte weiterhin, „Ich versuche dich einer vertrauensvollen Atmosphäre einzulullen, damit du mir willig in mein Büro folgst.“ „Willst du mich vögeln?“ „Nein.“, er seufzte während seines Lächelns, „Musst du wieder so wie früher werden, nur weil Seto böse zu dir ist? Du warst sicher nicht wegen ihm auf einmal für deine Verhältnisse freundlich, er hat höchstens den Anstoß dazu gegeben. Ergo musst du auch nicht wieder garstig werden, nur weil er jetzt nicht mehr freundlich ist.“ „Du hast doch keine Ahnung!“, fuhr Katsuya ihn an und schlug seine Hand weg. „Du brauchst nicht aggressiv werden, nur weil es dir nicht passt, was ich sage.“ Der Braunäugige warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „In dem Sinne bist du Seto übrigens sehr ähnlich.“ „Vergleich mich nicht mit diesem Scheißkerl!“, schrie er dagegen. „Dieser Scheißkerl ist mein bester Freund, Katsuya.“ „Na und? Yami ist mein bester Freund und du beleidigst ihn auch!“ Beide funkelten sich an. Bernstein traf auf Amethyst. Waren Augen nicht der Spiegel zur Seele? „Meinetwegen kannst du ja weiter schreien…“, erklärte Muto sachlich, „Aber lass uns dafür in mein Büro gehen.“ Warum zur Hölle war er mitgegangen? Muto schloss die Tür hinter ihnen. Warum? „Was hältst du davon, wenn wir beide jetzt unsere Fassung wieder finden statt einander zu beleidigen?“ „Sie klingen wie ein verkorkster Therapeut, der mich in eine Anstalt einweisen muss.“ „Danke.“, Yugi bot Katsuya einen Sessel an, „Möchtest du etwas trinken?“ „Seit wann haben sie ein Büro?“ Muto goss sich ein Glas Wasser ein. „Hätte ich gesagt, dass es Setos ist, wärst du nicht mitgekommen.“ „Das ist ein Kaibas?“, knurrte der Blonde, während er aufsprang. „Noch nie hier gewesen?“, fragte der Ältere nach. Einen Fluch zischend setzte der Punk sich wieder. Er wollte verdammt noch mal hier weg! „Warum bin ich hier?“ „Damit du nicht woanders bist.“, der Lehrer trank einen Schluck, „Und dir etwas antust.“ „Was sollte ich denn tun?“ Er nickte zu Katsuyas Arm, der von dessen Besitzer sofort aus der Blickrichtung gezogen wurde. „Du hast vorhin gesagt, was du tun würdest.“ Der Braunäugige knurrte abermals. „Allein aus medizinischer Sicht ist es mir lieber, du lässt deine aufgestaute Energie an mir ab als an dir selbst.“ „Energie?“, fragte er nach. „Ich vermute mal, unser so genannter Scheißkerl hat wieder etwas sehr Böses gesagt.“ Katsuya zog bei der Betonung des Wortes den Kopf ein. „’Tschuldigung.“ Yugi war viel zu sehr Freund, als dass er solch eine harsche Behandlung verdient hatte. Er hätte echt nicht so eine Szene machen sollen… „Schon gut, ich kann deine Wut verstehen. Man muss Seto lange kennen, bis man versteht wie er tickt.“ Der Satz ließ ihn lächeln, doch der Name riss sein Inneres wieder auf. „Also, was hat er diesmal gesagt?“ Dieses unglaubliche Gefühl als würde alles in ihm zerreißen und in ein großes schwarzes Loch gezogen kam wieder. Und es hatte sich mal wieder mitten in sein Herz gesetzt. „Ich…“, er beobachtete seine gegen das rote Leder tippenden Schuhe, „Er…“ „Ja?“, fragte der Sanfte und riss so Katsuyas Blick wieder nach oben. Auf einmal war alles klar. Als hätten diese Augen den ganzen Nebel durchbrochen. Es klang wie eine Feststellung, als der Blonde weiter sprach. „Er hasst mich.“ Yugi setzte sein Glas wieder an die Lippen, nippte daran und stellte es dann auf den schweren Holztisch. Elegant und anmutig, wie es sonst nur Yamis Art war, ging er auf den Sessel neben Katsuya zu und setzte sich. „Hass…“, flüsterte er und blickte aus dem Fenster vor ihm, „Was ist Liebe und was ist Hass? Das sind beides Gefühle, über die wir nichts sagen können. Und es sind welche, in denen wir uns am meisten täuschen.“ Katsuya beobachtete seine Mimik aufmerksam. „Ich dachte immer Atemu würde mich lieben.“ Yugis Blick verirrte sich in der Ferne und seine Gesichtsmuskeln verzogen sich. Sein Ausdruck wirkte wehmütig, sehnsüchtig und schmerzerfüllt. „Bis zu dem Abend, an dem er das Haus verließ. Er schrie mich an, er warf mir alles an den Kopf, was er an mir hasste. Schließlich schlug er mich, sodass ich bewusstlos in seinem Zimmer zusammensank. Und als ich wieder aufwachte… war er weg.“, er wandte sich wieder an den Blonden, „In Liebe und Hass wird am meisten betrogen.“ Das sollte Yami getan haben? Das konnte nicht wahr sein! Er würde niemals jemanden aus Wut schlagen. … Oder? Vielleicht konnte sich ein Mensch in acht Jahren doch sehr verändern? Und was wollte ihm Yugi denn damit sagen? Halt mal, seit wann erzählte er freiwillig von seinem Bruder? Katsuya runzelte die Stirn. Irgendetwas lief hier falsch… „Du willst wissen, warum ich das erzähle?“, fragte Yugi lächelnd. Der Blonde nickte nur. „Ich dachte immer, dass Atemu mich liebt so wie ich ihn. Aber er hasste mich. Du glaubst, dass Seto dich hasst und das aus demselben Grund, warum ich dachte, Atemu würde mich lieben. Du kannst nicht in sein Inneres sehen. Und er sagt nicht, was in ihm vorgeht.“ „Er hat gesagt, er hasst mich.“, der Blonde seufzte, „Reicht doch.“ „Und du gibst einfach auf und wirfst alles hin?“, Yugi lächelte, „Hast du ihm nicht gestern erst nach Wahrheit gefragt?“ Katsuya verzog das Gesicht. Bitterer Nachgeschmack… „Ja. Und da hat er gesagt, dass er mich nicht hasst. Heute habe ich ihn noch einmal nach Wahrheit gefragt und er hat gesagt, er hasst mich. Ist das nicht klar?“ „In der derzeitigen Situation glaubst du das eine, letzte Woche hättest du das andere geglaubt.“ „Letzte Woche habe ich auch noch den Schwachsinn von Montag geglaubt.“ „Heute glaubst du den Schwachsinn von heute.“ „Wieso sollte er denn lügen?“, er fuhr auf. Der Schwarzhaarige hob lächelnd eine Augenbraue. „Er versteckt mal wieder etwas.“, stellte Katsuya nüchtern fest. Der Andere nickte langsam. „Und es hat mit seiner Vergangenheit zu tun.“ Weiteres Nicken. „Und was?“ Wie auch beim letzten Mal legte Yugi nur einen Finger auf den Mund. Der Blonde seufzte. „Wenn du jetzt gehst, hast du nur anderthalb Schulstunden verpasst.“ Katsuya verdrehte die Augen. Lehrer! „Wie geht es dir?“, fragte Ryou besorgt. „Besser.“, meinte der Blonde knapp und lächelte kurz. Der Andere lächelte zurück. „Ich hab’ für dich mitgekocht. Hast du Hunger?“ Der Tisch war gedeckt, Reis und Fisch – was auch sonst? – waren schon fertig. Vielleicht war die Gruppenarbeit doch nicht so schlecht? „Aber Ryou…“, Katsuya legte theatralisch die Hand aufs Herz, „Der Fisch ist viel zu braun geworden!“ Der Blick der Lehrerin brannte sich in seinen Rücken. „Jonouchi!“ „Ups…“ Ryou kicherte ebenso wie der Blonde, während sie sich zum Essen setzten. „Was soll ich denn der Zimtkuh gleich als Ausrede sagen?“ „Gibt’s irgendeinen Lehrer, der dich decken würde?“ „Ah.“, der Braunäugige nickte verstehend. „Aber ich muss zugeben…“, beide drehten sich erschrocken zu der Lehrerin um, „Jonouchi hat Recht. Bakura, der Fisch ist ein wenig zu braun. Aber im Anbetracht der Tatsache, das ihr Partner abwesend war, sei ihnen dies vergeben.“ Und was hätte er bitte durch seine Anwesenheit an dem Fisch ändern sollen? „Jonouchi, wo sind sie gewesen?“ „Bei Herrn Muto. Es ging um mein… äh, Sozialverhalten.“ „Ach.“, die Lehrerin zog eine Augenbraue hoch, „Wie gut, dass sich da mal jemand drum kümmert. Ich kann ja nicht einmal verstehen, wie ein fleißiger und talentierter junger Mann wie Bakura hier mit ihnen befreundet sein könnte. Wäre ich seine Mutter, würde ich das ja nicht zulassen.“ „Ich habe keine Mutter.“, Ryou durchbohrte sie mit einem eiskalten Blick. Wo hatte er den denn her? Die Frau musste ihn gerade wirklich verletzt haben… „Oh, ich…“, sie wich ein wenig zurück, „Entschuldigung, das wusste ich natürlich nicht…“ Und schon war sie verschwunden. „Wow.“, meinte Katsuya leicht sarkastisch, „Jetzt hast du’s ihr gezeigt.“ „Meinst du, das war zu hart?“, fragte Ryou verunsichert nach. „Nein, das war gut so.“, der Blonde lächelte, „Woher kannst du denn so böse gucken?“ „Hab’ ich von Bakura.“, der Weißhaarige lächelte. „Halt mal, er heißt Bakura Bakura, oder?“ Er sah von seinem Essen auf. „Ich glaube unseren Eltern ist kein Name eingefallen.“ „Na, ein Glück, dass sie mich nicht Jono genannt haben.“ „Stimmt, ziemlich einfallslos.“ „Namen sind Schall und Rauch, was?“ „Solange wir sie uns nicht selbst geben, ja, ich glaube schon.“ „Wie würdest du dich denn nennen, wenn du dir einen Namen aussuchen dürftest?“ Ryou legte sein Besteck ab und lehnte sich zurück. Gedankenverloren starrte er die Decke an. Er schien wohl ernsthaft darüber nachzudenken. „Hikari.“ „Das Licht? Ist aber ein Mädchenname.“ „Egal. Und du?“, er lächelte erwartungsvoll. „Susano.“, erwiderte Katsuya sofort, „Der Sturm.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)