Die dunkle Ritterin von Dolette ================================================================================ Kapitel 56: Nachts sind alle Wölfe gleich ----------------------------------------- + Nachts sind alle Wölfe gleich Der Anblick der heiligen Menschenfrau an ihrer Seite, die in einem sanften, kaum merklichen Silber schien, raubte Dolette den Atem. Das Gesicht schmerzverzerrt. Die rechte Hand hoch erhoben. Der Blick noch immer entschlossen, auf das brachiale Getöse um sie herum gerichtet und doch schaute sie durch den Sturm hindurch. Offenbar tief versunken in ihrer Konzentration, den übermächtigen Schild aufrechtzuerhalten, der die Wolkenkuss bis jetzt vor jedem Blitzschlag schützte und den diagonalen Sinkflug leicht auszubremsen vermochte. Die dunkle Elfe verstärkte den Griff um das zarte Handgelenk der Hohepriesterin ein weiteres Mal um ihr zu signalisieren, dass sie nicht allein war. Als wäre das nötig gewesen. Verbunden durch die Berührung, waren die Lichter vereint und Dolette spendete ihrer Liebsten alles an Kraft und musste sich nicht fragen, ob sie dies bemerkte. Dennoch erwiderte Marialle den Druck auf die Hand. Die Todesritterin sah sich kurz um. Sylvanas Windläufer lag ohnmächtig an Deck, nur wenige Körperlängen von ihnen entfernt. Das heilige Licht war ganz augenscheinlich pures Gift für sie und die dunkle Ritterin fragte sich wie es ihrem Volk unter Deck wohl damit erging. Sie wischte die Gedanken eilig wieder fort, als sie spürte wie ihre Gefährtin neben ihr unter der Anstrengung in die Knie sank. "Mari!", stieß Dolette atemlos hervor und fühlte ganz plötzlich die große Belastung am eigenen Körper, die von dem mächtigen Zauber der Priesterin ausging. "Ich kann nicht mehr lange, Dole!", rief die Menschenfrau durch den Lärm des prassenden Regens und des markerschütternden Donners. Die Todesritterin wagte einen Blick über die Reling an der sie sich und die Priesterin festhielten. Um sie herum wirbelten die Wolken in einer beständigen Kreisbewegung und dann auf einmal ein Baum. Ein riesiger Baum, samt Wurzeln aus seinem Leben gerissen, krachte donnernd gegen den gleißenden goldenen Schild, der den Zeppelin umgab. Sie riss ihren Blick nach unten und sah den Schlund des Wirbelsturms, in dem diverse Hölzer, weitere Bäume und teilweise sogar Tiere wild in den Sog gezogen wurden. Der Boden war nicht mehr fern. "Halte aus! Wir sind schon fast am Boden!", brüllte die Elfe durch das laute Getöse, doch in dem Moment erschlaffte die Hand ihrer Geliebten und die Lider, über den sanft schimmernden silbernen Augen, schlossen sich. Dolette riss den leblosen Körper an sich und stürzte zu ihrer Königin, mit letzter Kraft umschloss sie sich und die beiden bewusstlosen Frauen mit einer lilafarbenen Kuppel. Mit der freien Hand ergriff sie den Oberarm der ohnmächtigen Bansheekönigin und beugte ihren Körper schützend über ihre Liebste. Ein letzter Blitzschlag, gefolgt von ohrenbetäubendem Donner. Die Holzkonstruktion um sie herum krachte und ächzte, als die Wolkenkuss Bäume mit sich riss und zu Fall brachte. Holzplanken zerbarsten und flogen in alle Richtungen. Prallten an dem lila schimmernden Schild ab. Ein markerschütterndes lautes Krachen zeugte von dem dumpfen Aufschlag des Zeppelins auf die Erde. Er schlitterte noch etwas auf dem matschigen, aufgeweichten Boden. Das Holz unter ihr wand sich unter der Last und kam knarrend zum Stillstand. Der riesige Ballon über ihnen sank von Bäumen aufgespießt kraftlos in sich zusammen und bedeckte die drei Frauen und das gesamte Deck. Die Elfe brach über dem bewusstlosen Körper ihrer Liebsten, jeglicher Kraft beraubt zusammen und vernahm nur noch das Donnern des Sturms, wie aus weiter Ferne. Er zog weiter oder löste sich auf. Es war ihr gleich. Sehnsüchtig sank sie in die erholsame Ohnmacht. Sie musste träumen, dachte sich die Hohepriesterin, als sie vereinzelt das Zwitschern von Vögeln vernahm. Niemals konnten sie diese Bruchlandung überlebt haben. Doch als sie ihre schweren Lider langsam erhob, blendete sie das grelle Licht der, durch die Nadelbäume hereinfallenden Sonnenstrahlen, schmerzhaft. Das Atmen fiel ihr schwer, etwas schnürte ihr die Luft zu, oder lag auf ihr. Und als sie es schaffte an sich hinabzusehen stieg Erleichterung in ihr hoch. Die Todesritterin lag bäuchlings auf ihr. Marialle schaute an ihrer Liebsten entlang und sah an ihrer Seite die ebenfalls bewusstlose Herrscherin der Verlassenen. Ihr Oberarm war noch fest von der fahlen Hand der dunklen Ritterin umschlossen und lächelnd registrierte die Priesterin wie sich erst der graublonde Schopf der Dunkelläuferin und dann der hellblonde von Dolette regte. Sofort ließ die dunkle Ritterin den Arm der Bansheekönigin los und riss ihren Kopf hoch um in die silbernen Augen ihrer Geliebten zu starren. Unglaube wurde in den goldenen von Erleichterung abgelöst und grob zog sie die Hohepriesterin in eine feste Umarmung. "Beim Licht, wir haben es geschafft", stieß sie atemlos hervor. Marialle erwiderte die Umarmung und betrachtete abwesend die Dunkelläuferin, die sich langsam in eine sitzende Position schob. Sylvanas erwiderte den Blick kurz und das glühende Rot ihrer Augen schien milde und kraftlos. Ein Lächeln huschte als Antwort auf Marialles fragenden Blick über ihre blutleeren Lippen. Aufmerksam geworden löste Dolette sich aus der Umarmung und wandte sich ihrer Königin zu. "Seid ihr wohlauf, Mylady?", fragte sie schlicht. Sylvanas antwortete nicht gleich, sie zog es vor sich zuerst zu erheben, um dann prüfend an ihrem hochgewachsenen Körper hinabzusehen. "Noch alles dran. Wir sollten nachsehen, ob alle anderen auch so viel Glück hatten", ließ Sylvanas sich nun vernehmen. Marialle und Dolette nickten nur und die Priesterin ließ sich von den kühlen Händen ihrer dunklen Elfe in die Höhe ziehen. Sie fühlte sich schwach und kraftlos, doch als sie ein weiteres Mal hinauf, durch die Baumkronen zum strahlend blauen Himmel sah, sickerte die Erkenntnis, dass sie noch am Leben waren, erst vollends in ihr Bewusstsein. Langsam schoben sich die drei Frauen durch die hölzernen Trümmerteile der Wolkenkuss. Marialle schaute an der Reling die vielen Körperlängen hinab zum Boden auf dem Teile des Ballons lagen. Andere hingen zerfetzt im Geäst der Bäume. Sie erreichten die zusammengestürzte Flügeltüre die in das Innere des Luftschiffs führen sollte, doch dort war kein Durchkommen. "Lasst uns schauen, dass wir durch die Planken in das Innere gelangen", überlegte Dolette laut. Die anderen beiden antworteten nicht. Schweigend schritten sie das Deck ab, das hier und da aufgebrochen war, bis sie sich an den Bug vorgearbeitet hatten. Auch hier waren die Holzpanelen gebrochen und gaben den Blick auf die Brücke frei. Überall lagen Verlassene auf dem Boden, teilweise bedeckt von Holzbrettern. Langsam und behände kletterten die Frauen hinab und stemmten das Holz zur Seite. Einige Verlassene waren leblos unter den hervor gehievten Brettern liegen geblieben, anderen packten direkt mit an. Etwas Lilianes zog Marialles Aufmerksamkeit auf sich und ihrer Ahnung folgend, schritt sie zu der ledrig wirkenden Haut. "Dole! Hilf mir, ich glaube ich habe Susi gefunden!", rief sie der Todesritterin zu, die sofort gehorchte und an die Seite ihrer Liebsten eilte. Gemeinsam hoben sie einige gebrochene Planken von dem reglosen Körper und schon begannen die ledrigen Schwingen der Sukkubus zu zucken. Sie schlugen auf und gaben den Blick auf Plagg frei der zusammengekauert auf dem Körper seiner Dienerin lag. "Susanne auf Herrchen aufgepasst", flüsterte die Dämonin kraftlos, lächelte aber die beiden Frauen glücklich an. Dolette hob den Hexer von ihr und legte ihn einige Körperlängen weiter auf eine stabil wirkende Stelle. "Das hast du gut gemacht, Susi", sprach Marialle ruhig und reichte der Sukkubus eine Hand. Krachend fielen auch die letzten Trümmer von ihr und nachdem sie im Stand angekommen war umschloss Susanne die Priesterin unwirsch mit ihren langen Armen. "Schon gut Susi, es ist vorbei.", versuchte Marialle die Dämonin zu beruhigen, die augenblicklich in herzzerreißendes Schluchzen ausbrach. "Susanne noch nie so einen riesigen Sturm gesehen. Nicht mal im Nether! Das nicht normal!", wimmerte Susanne und ließ sich nach einigem Tätscheln, von Marialle aus der Umarmung schieben. Die Priesterin wechselte einen Blick mit der dunklen Ritterin und auch Sylvanas schien die Ohren bei diesen Worten gespitzt zu haben. Sie sagten nichts, doch Einvernehmen lag in den unterschiedlichen Augen der drei Frauen. Dieser Sturm war alles andere als normal gewesen. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit bis sie es geschafft hatten, die Wolkenkuss so gut es ging zu durchsuchen. Ein Teil der Besatzung und viele der Truppe von Sylvanas hatten die Bruchlandung aber tatsächlich überstanden. Aus Trümmerteilen und Einrichtungsgegenständen der Kajüten hatte man ein provisorisches Lager zusammengezimmert und versammelt standen die Verlassenen an einem riesigen Feuer. Schweigend gedachte man den Untoten, die ihr Ende gefunden hatten. Die Sonne war bereits unter gegangen und die drei Frauen saßen noch immer zusammen mit Plagg, seiner Sukkubus und Nathanos Marris um ein kleineres Feuer, als würde die Tatsache ihres Überlebens sofort zerfallen, würde man ihre Gemeinschaft auflösen. Es war Plagg der die Stille durchbrach. "Wissen wir eigentlich, wo ungefähr wir uns befinden?" Er war wohl noch immer angeschlagen und ausgelaugt, jedenfalls fiel es Dolette noch um einiges schwerer als sowieso schon, den kieferlosen Untoten zu verstehen. Die Miene der Bansheekönigin verfinsterte sich und die dunkle Ritterin konnte sich denken warum. "Wir sind tief im Silberwald. Ich kann mir gar nicht vorstellen welche Geschwindigkeit die Wolkenkuss durch den Sturm gehabt haben muss, dass wir so weit vom Kurs abgekommen sind", erklärte sie ruhig, doch ihr Ausdruck sprach Bände. "Ein abgestürzter Zeppelin und unsere große Anzahl, macht uns mehr als auffällig, meine Königin", gab die Todesritterin zu bedenken. Marialle sah auf und musterte die beiden untoten Frauen. "Wegen der Gilneer?" In all den Jahren seit Marialle und Dolette sich zum ersten Mal trafen, war es ruhig geworden um das mächtige Königreich Gilneas. Als Arthas sich endgültig gegen sein eigenes Königreich auflehnte und die Allianz von Lordaeron der Niederlage immer näher kam, sagte sich Gilneas von allem und vor allem der Umwelt los und verschanzte sich hinter ihrer gewaltigen Mauer, dem Graumähnenwall. Von der Küste durch undurchdringliche Riffe geschützt, an denen jedes Schiff zerschellen würde und ins Landesinnere von dieser unüberwindbaren Mauer umschlossen, schien es, als wäre das Königreich von der Landkarte getilgt worden. Doch immer wieder kamen in der jüngeren Zeit Gerüchte auf, von Wesen die durch den Silberwald streiften und Dolette fragte sich ein ums andere Mal, ob die Gilneer mittlerweile gezwungen waren ihre Ressourcen von außerhalb aufzustocken. Sylvanas nickte sachte, doch war es Nathanos Marris der das Wort ergriff. "Unwahrscheinlich, dass die Gilneer sich in einem größeren Trupp von ihrem schützenden Wall entfernen", gab er mürrisch zu bedenken. Der Pestrufer war unter den Verlassenen in aller Munde. Stolz trug er noch immer seine Lederrüstung die zeuge seiner Ausbildung zum Waldläufer bei den Hochelfen war. Bei Sylvanas Windläufer höchst selbst. Der Blick seiner verschlagenen Augen, die die Hohepriesterin neben ihr mehr als argwöhnisch musterten, missfiel Dolette, aber sie vertraute auf seinen bedingungslosen Gehorsam Sylvanas gegenüber. "Wir sollten dennoch vorsichtig sein. Nicht länger mit dem Aufbruch nach Unterstadt warten als unbedingt nötig. Irgendwas durchstreift die Nadeln des Silberwalds seit geraumer Zeit", zog die Todesritterin die Aufmerksamkeit aller, aber vor allem des untoten Waldläufers auf sich. "Bei Sonnenaufgang brechen wir sofort auf", schloss sich Sylvanas an. Die Gesellschaft wechselte nur noch einige Blicke und löste sich dann äußerst leise auf. Die Nacht schritt voran und Dolette fand einfach keine Ruhe. Behände stahl sie sich aus der Umklammerung der Hohepriesterin und dem provisorischen Zelt, das sie bezogen hatten. Draußen wurde das dunkle Grün der Nadelbäume durch das hereinfallende Mondlicht schwach beleuchtet. Hier und da unterbrachen geflüsterte Worte der untoten Wachen die Stille der Nacht, doch ihre langen Ohren vernahmen noch mehr. Undeutbare Geräusche, ganz in der Nähe die in unregelmäßigen Abständen zu vernehmen waren. Die Todesritterin ließ ihren Blick über das Lager schweifen, das im Schatten des riesigen Trümmerhaufens lag, das einst die Wolkenkuss war. Im Zelt der Königin glomm noch immer dumpfes Licht und für einen Augenblick war sie versucht ihre Gesellschaft zu suchen, doch ein weiteres, klares Geräusch ließ sie herumfahren. Einem gewohnten Impuls folgend, glitt sie in den Schatten eines großen Baumes und starrte in die Richtung aus der das dumpfe Geräusch erklang. Zwei gelbe Punkte leuchteten tief im Schatten auf und schienen die dunkle Elfe zu fixieren. Sie erwiderte den Blick und versuchte die Schemen des Körpers drum herum zu erkennen, doch die Dunkelheit machte ihr dies unmöglich. Sie entschloss sich provozierend aus ihrem Versteck zu schlüpfen in der Hoffnung, das dunkle Gegenüber würde es ihr gleich tun. Ihr schwerer Plattenstiefel wurde grade eben durch das Mondlicht beschienen, als ein weiteres Geräusch sie zurückweichen ließ. Die beiden gelben Punkte waren augenblicklich verschwunden. Innerlich fluchte die Todesritterin, doch wandte sie sich rasch von dem leeren Fleck ab, den das Wesen hinterlassen hatte und spähte an den Punkt, von dem das jüngste Geräusch ausging. "Lady Glutklinge. Gibt es dort hinten etwas von Interesse?" Nathanos Marris war Urheber der störenden Geräuschkulisse und so entspannte sich ihre Haltung. Sie trat vollends hinaus in das silbrige Mondlicht. "Pestrufer Marris", begrüßte sie den Verlassenen, der nun direkt an ihre Seite getreten war und ebenfalls in die Richtung schaute, in der noch eben das bedrohliche gelb der beiden Punkte lag. "Ich glaube wir werden beobachtet", erklärte sie schlicht. Er entließ die leere Stelle im Schatten aus seinem Blick und nahm nun die dunkle Elfe in Betracht. "Das Gefühl habe ich auch, Mylady. Ich umkreise das Lager nun schon die halbe Nacht und ich würde sagen es mindestens zehn sind.", berichtete er finster. Seine fahle Haut schimmerte grünlich im Mondlicht und passte sich somit seiner Lederrüstung an, die mit grünen Applikationen aufwartete. "Zehn was, Pestrufer?", stieß die Todesritterin ungeduldig aus. "Worgen." Seine Antwort deckte sich mit dem Eindruck den sie soeben bekommen hatte und Dolette schluckte schwer. Worgen waren zügellose unkontrollierbare Wesen, ursprünglich entsandt um der Geißel Einhalt zu gebieten, wandte sich das Blatt im dritten Krieg schnell gegen die Menschen. "Gehen Worgen so systematisch vor?", fragte sie während sie begann die Umgebung wieder mit ihren scharfen Augen abzusuchen. "Da bin ich auch überfragt, aber wir müssen davon ausgehen.", erklärte er und folgte ihrem Blick. Wieder landete sie auf dem Zelt von Sylvanas und kurz trat Stille ein. "Habt ihr der Bansheekönigin Bericht erstattet?", fragte sie ihren Gedankengängen folgend. "Selbstredend!", kam es empört. Sie hatte nur ein mattes Lächeln für sein Missfallen übrig. Dann kam ihr ein verspielter Gedanken und sie fand, dass Nathanos Marris genau der Richtige war um diesen mit ihr zu teilen. "Seid ihr neugierig, Pestrufer?", fragte sie und ihre Lippen verzogen sich zu einem gefährlichen Grinsen. Er verstand sofort. Seine kaputten, durchscheinenden Lippen verzogen sich ebenfalls zu einem Lächeln und Heimtücke legte sich auf seine Züge. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren schwang er sich behände hoch auf einen Ast und zog seinen langen, feingearbeiteten Bogen. Er legte einen Pfeil an und nickte zu der dunklen Elfe hinab, bevor er sich langsam auf den Ästen in Bewegung setzte. Dolette zog ihr Runenschwert und spürte augenblicklich dessen Durst. Das vertraute Wispern wurde deutlicher und drängender, doch bildete es keine klaren Worte. Mehr ein Gefühl, das Verlangen Fleisch mit der Klinge zu durchschneiden. Glieder abzutrennen und in Gedärme zu stechen. Kurz schaute sie dem Verlassenen noch nach, bis sie sich selbst in Bewegung setzte. Die beiden Gefährten entfernten sich beständig vom Lager und schon bald war von den flackernden Lagerfeuern nichts mehr zu sehen. Immer wieder erklang ein dunkles Geräusch ähnlich dem einer Eule aus dem Nadelgeäst und Dolette wusste, dass der Dunkelläufer noch nichts erspäht hatte. Die Todesritterin schlich von Schatten zu Schatten, korrigierte allmählich ihren Kurs, damit sie sich nicht gänzlich vom Lager entfernten. Die Zeichen von Nathanos verhießen ihr, dass er sie noch immer verfolgte. Ein dumpfer Aufschlag zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Eine bärenartige, fellbedeckte Gestalt lag reglos am Boden. Im Brustkorb des niedergestreckten Wesens steckte einer von Nathanos Pfeilen. Die dunkle Elfe trat langsam an die leblose Gestalt heran. Ihre scharfen blau leuchtenden Augen musterten die Statur. Der gesamte Körper war mit Fell bedeckt, doch war dieses Wesen in keinster Weise ein Bär. Seine Schnauze war lang und schmal, wie die eines Wolfes. Lange Eckzähne ragten an den Seiten nach oben und unten. Als Dolette sich niederkniete und vorsichtig ein Auge öffnete erkannte sie das Gelb, das sie vorher in der Dunkelheit ausgemacht hatte. Eine Präsenz neben ihr verriet ihr, dass der Dunkelläufer an ihre Seite getreten war. "Tatsächlich ein Worgen.", sagte er schlicht und riss seinen Blick von dem toten wolfsähnlichen Wesen los, um sich wieder umzuschauen. Dolette stand wortlos wieder auf und schritt ruhig weiter. Sie verstärkte den Griff um ihr Schwert, an dessen Klinge die Runen bedrohlich begannen zu pulsieren. Nathanos sprang wieder hinauf, um mit dem Geäst zu verschmelzen. Nur eine kurze Weile später vernahmen die langen Ohren der Elfe ein Knurren in unmittelbarer Nähe. Der schräg stehende Mond beleuchtete nur noch schemenhaft die Umgebung und so war es ihr nicht möglich etwas ausfindig zu machen, das das Knurren hervor brachte. Ein weiteres Knurren erklang aus einer anderen Richtung, gefolgt von einem grellen Pfiff. Offenbar hatte der Verlassene etwas erspäht. Die dunkle Ritterin hob ihr Schwert vor ihren Körper und konzentrierte sich auf ihre Sinne. Ihre Augen passten sich besser an das Dunkel der Umgebung an. Die langen Ohren hörten Geräusche von weiter weg. Auf diese Weise machte sie fünf weitere wolfsartige Geschöpfe aus. Äste knackten und dann ging alles blitzschnell. Ein Worge schob sich mit atemberaubender Geschwindigkeit direkt, durch die nadelbewehrten Bäume auf die Todesritterin zu. Er war gut zwei Köpfe größer als sie und seine Haltung war nach vorn gebeugt. An den Händen und Füßen, wenn man es so nennen wollte, hatte er lange Krallen und zwischen seinen Lefzen trat der Speichel nur so hervor, vor Gier. Dolette machte einen eiligen Schritt zur Seite und ließ das Ungetüm ins Leere stürmen. Sie zögerte keinen Augenblick und trieb ihm ihre Runenklinge tief zwischen die Rippen. Blut ergoss sich aus der tiefen Wunde. Der Worge heulte laut auf vor Schmerz, was drei weitere Wolfsgeschöpfe auf den Plan rief. Ein blutrünstiger Schimmer glitt über Dolettes Züge und begierig erhob sie erneut ihre blutgetränkte Klinge. Die Wolfsgeschöpfe stürzten auf sie zu. Einer wurde ad hoc von einem Pfeil niedergestreckt der ihn genau in eines der verschlagenen gelben Augen getroffen hatte. Nathanos sprang hinab an die Seite der Elfe und zog seine beiden Krummsäbel. Ein kurzes Lächeln legte sich auf seine zerschlissenen Lippen, das Dolette nur zu gern erwiderte, bevor sie wieder die heranstürmenden Worgen fixierte. Marialle fröstelte leicht unter der dicken Felldecke, als sie erwachte. Nur das gedämmte Schimmern der Lagerfeuer beleuchtete ihre Zeltwände von außen. Ihre Liebste war nicht bei ihr, was sie aufschrecken ließ. Den Schwindel bekämpfend hielt sie ihren Kopf bis sich das Unwohlsein verzog. Sie schob das Fell achtlos zur Seite und trat aus ihrem provisorischen Lager, raus an die milde Kühle der Nacht, des Silberwalds. Das Lager lag in fahlem Mondlicht und strahlte eine magische Ruhe aus. Am Firmament zeugten sanfte Orange- und Gelbtöne vom nahenden Tagesanbruch. Sie schaute sich um, die Todesritterin war nirgendwo auszumachen, nur aus dem großen Zelt der Bansheekönigin drang schwacher Kerzenschein. Also beschloss sie dort als Erstes nach der geliebten Elfe zu suchen. Der süße, schwere Geruch der dunklen Fürstin lag schon vor dem Zelteingang in der Luft und die Priesterin sog ihn tief ein, bevor sie den Stofffetzen, der den Eingang markierte zur Seite schob und sich räuspernd Gehör verschaffte. Sylvanas saß auf einem großen Ohrmuschelsessel und hielt einen Krug mit dampfenden Inhalt in ihrer Hand, die auf einer der Lehnen ruhte. Ihre glühenden Augen waren von ihren Lidern bedeckt, doch sie schmunzelte und Marialle kam es vor als läge der forschende Blick der Dunkelläuferin dennoch auf ihr. Die Priesterin trat näher und Sylvanas erhob das Wort. "Mylady Hohepriesterin, wie nett, dass ihr mich mit eurer Anwesenheit beehrt." Die Sänfte die in den dunkel gesprochenen Worten lag, ließ Marialle leicht erröten und ein Herzschlag verging bevor sie antworten konnte. Sie war kurz damit beschäftigt sich selbst dafür zu verfluchen, dass die Banshee noch immer einen so einschlagenden Einfluss auf ihre Gefühlswelt hatte. Das Schmunzeln der dunklen Elfe wandelte sich zu einem Lächeln während die Menschenfrau begann zu sprechen. "Guten Morgen, Sylvanas. Wie ich sehe war auch euch der Schlaf heute Nacht kein holder Begleiter." Endlich öffnete die Bansheekönigin ihre Augen und gab ein dunkles Rubinrot darin preis. Sie deutete vor sich auf den zweiten Sessel und Marialle gehorchte. Der alte Ledersessel war äußerst weich und bequem und veranlasste die Priesterin sich sofort in ihn zu kuscheln. Die Dunkelläuferin beobachtete jede Bewegung der Menschenfrau und schien die Wirkung die das mit sich brachte noch immer zu genießen. "Verzeiht, mit Met kann ich grade mal nicht dienen", sagte sie noch immer schmunzelnd. "Und ja, wie sollte ich hier ein Auge Zutun. Noch dazu nach unserem Absturz. Ich sehne mich nach den Mauern tief unter der Erde, die meine Gemächer umschließen." Marialle hatte es bisher vermieden darüber nachzudenken, dass die Bansheekönigin, diese Frau für die sie irgendetwas übrig hatte, die Hauptstadt ihrer geliebten Heimat in Beschlag genommen hatte. Sicher, sie war noch ein Kind, als sie für ihr Studium in den Turm zog und so verband sie mit Sturmwind zum Beispiel um einiges mehr, dennoch war Lordaeron einst ein großes Königreich der Menschen gewesen und teilweise behagte ihr der Gedanke nur äußerst wenig, dass man dessen Hauptstadt wohl nie wieder aufbauen würde. Aber die Hohepriesterin war in ihren jungen Jahren durchaus weitsichtig genug um zu erkennen, dass es die Menschen selbst zu Fall gebracht haben, wenn auch nur ein bestimmter in diesem Fall. Arthas Menethil hatte ein zerstörtes Lordaeron zurückgelassen und die Verlassenen hatten es besetzt. Eine Tatsache mit der sie sich selbst gut arrangieren konnte. Bei diesem Gedanken schwenkte sie zu ihrem König, Varian Wrynn. Sie war sich sicher, dass er noch viel Zeit bräuchte, bis er einsehen würde, dass dieses zerstörte Königreich ein kleiner Preis für Frieden zwischen den Fraktionen wäre. Sie seufzte geräuschvoll und die langen Ohren der untoten Elfe zuckten kurz. Wieder der forschende Blick und die Priesterin sandte ein stummes Gebet zum Licht, dass Sylvanas ihr keine Frage zu ihren Gedanken stellen würde. Sie wollte darüber nicht reden, nicht mit ihr. Denn würde die Dunkelläuferin fragen, könnte Marialle sich keiner wahrheitsgemäßen Antwort erwehren. "Ich werde Unterstadt niemals an Varian abtreten, Marialle. Mein junges Volk hat nur dieses eine Königreich.", sprach die Elfe ruhig und die Priesterin dachte sogar eine Spur Wehmut über ihre Züge huschen gesehen zu haben. Marialle straffte ihre Statur und bemühte sich ihren Standpunkt knapp und klar zu erläutern. "Ich weiß. Ich denke uns allen sollte in diesen Zeiten am Frieden am meisten gelegen sein, Sylvanas. Es ist zumindest mein persönliches übergeordnetes Ziel." Wieder dieses wissende Schmunzeln. Die Priesterin fragte sich mittlerweile, ob es überhaupt Sinn ergab, sich der dunklen Elfe zu erklären. "Gewiss. Daran hatte ich nie einen Zweifel." Die Menschenfrau lehnte sich wieder entspannt zurück, als der Gedanke durch ihre noch immer müden Glieder schoss und sie sich erinnerte warum sie das Zelt der dunklen Fürstin überhaupt aufgesucht hatte. "Wisst ihr wo Dolette ist, Sylvanas?", fragte sie daher ohne Umschweife. Und zu Marialles Überraschung legte sich ein verwirrter Ausdruck auf die makellosen, fahlen Züge. Gedanken lesen konnte sie ganz offensichtlich wohl doch nicht. "Habt ihr denn nicht zusammen genächtigt, Marialle?" Die Angesprochene sah betreten zu Boden. "Doch schon, ich schlief in ihren Armen ein, aber als ich aufwachte war ich allein. Als ich sah, dass in eurem Zelt noch immer das Licht brennt, dachte ich, sie wäre vielleicht bei euch. Oder ihr wüsstet zumindest wo sie ist.", erklärte die Priesterin leise. Sylvanas antwortete nicht. Stattdessen erhob sie sich und schritt, ohne die Priesterin noch einmal anzusehen, an ihr vorbei und verließ das Zelt. Marialle hörte ein kurzes Stimmenwirrwarr, bevor der schwere Stoffvorhang erneut zur Seite geschoben wurde und der dunkle, süße Geruch der Banshee sich durch einen Windstoß wieder im Zelt ausbreitete. Marialle fuhr leicht zusammen, doch entspannte sich wieder schnell, als der süße, schwere Duft an ihre Nase trat und Geborgenheit verbreitete. Sylvanas kam vor ihr zum Stehen und berichtete. "Sie durchstreift das Gelände, zusammen mit Nathanos." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)