Die dunkle Ritterin von Dolette ================================================================================ Kapitel 12: Über Tod und Leid ----------------------------- + Über Tod und Leid Sie ritten die ganze restliche Nacht hindurch und erreichten das Internierungslager, als der Sonnenaufgang kurz bevorstand. Überall quollen dicke Rauchschwaden empor und die vier Reiter trieben ihre Tiere noch weiter an. Als sie das Lager erreichten brannte alles lichterloh. Keine Menschenseele war zu sehen. Einzelne Hütten krachten in sich zusammen und von überall drang das Knistern der Feuer an ihre Ohren. Erst als sie auf einen Platz in der Mitte zukamen, bot sich ihnen ein Bild des Grauens. Ein Berg von aufeinander gelegten, verbrannten Leichen, menschlicher Abstammung, türmte sich neben einem Balken auf, an dem drei Männer, offenbar die Lagerführung, an den Hälsen aufgehangen, baumelten. Es stank bestialisch nach verbranntem Fleisch und Marialle hatte große Mühe ihren schockierten Blick nicht abzuwenden, als sie den besorgten Ausdruck auf dem Gesicht der Kommandantin bemerkte, die sich ihr grade zugewandt hatte. "Wir sind zu spät!" Hörte sie die Stimme des schlaksigen Soldaten, der Dolette an ihrem ersten Abend bei der Prügelei, die Situation erklärt hatte. "Sucht alles nach überlebenden ab, haltet nach Orks Ausschau und dann begraben wir diese Menschen so ehrenvoll wie es noch möglich ist!", befahl die Paladin gebieterisch als der Rest des Trupps hinter ihnen auftauchte. Marialle ließ sich von ihrem Schimmel gleiten und ging zielstrebig auf eine der Hütten zu, aus der sie schon bei ihrer Ankunft ein leises Wimmern zu vernehmen glaubte. Es brannte nicht mehr, aber Asche flog in feinen Fetzen durch das Innere, als würde es in dem Häuschen schneien. Das Mobiliar war größtenteils umgeworfen worden und alles war schwarz vor Ruß. Das Wimmern war nun aber deutlich zu vernehmen und sie trat in den nächsten Raum in dem nur eine zerstörte kleine Kommode stand und ein umgeworfenes Bett, achtlos in der Mitte des Raumes lag. Sie spitze ihre Ohren, um heraus zu bekommen von wo das Geräusch kam. Ihr Blick fiel auf eine Klappe, die unter dem Bett hervorlugte und Marialle machte sich sofort daran das Bett anzuheben, damit die Luke von unten hoch gedrückt werden konnte. "Schnell beeilt euch, ich weiß nicht wie lange ich das Bett noch halten kann!" Die Klappe öffnete sich knarrend und eine junge Frau, kaum älter als sie selbst, stieg zusammen mit einem kleinen Hund aus der Luke. "Danke Mylady! Ihr habt mich gerettet, wie ka..." ein lautes Krachen unterbrach die Frau, als Marialle das Bett fallen lassen musste. Bedrohliches Knacken war nun über ihnen zu vernehmen und die Priesterin warf der Frau einen schockierten Blick zu. "Raus hier schnell! Na macht schon!", rief sie ihr zu und sie rannte ihr, die wenigen Schritte bis zur Tür, hinterher und stieß die Frau grade noch rechtzeitig über die Schwelle, bevor das Dach der Hütte über ihr zusammen brach. Sie wartete, doch spürte sie keinen Schmerz, war sie etwa direkt ins Licht gegangen? Ein Keuchen über ihr riss sie ins hier und jetzt. Marialle sah, wie die blonde Elfe sich über ihr aufbaute, ein goldenes, schildähnliches Gebilde mit ihrem richtigen Schild empor stemmte und so einen Teil der Trümmer davon abhielt, die Priesterin unter sich zu begraben. "Marialle!", stieß sie atemlos hervor. "Bitte, raus hier!", befahl sie flehentlich. Die Priesterin gehorchte und kroch über die Schwelle und sah nur wie die zerstörten, niederfallenden Teile des Hauses die Paladin umhüllten und eine dicke Staubwolke aufstieg. "Dolette!", schrie Marialle aus Leibeskräften. Und wie als Antwort rollten einige Trümmerstücke von dem kleinen Berg hinab bis er sich ganz aufbäumte und die mit Asche und Staub bedeckte Gestalt der Kommandantin preis gab. Sie stolperte aus dem Haufen hinaus und ließ ihren Schild zu Boden fallen, bevor sie auf ein Knie sank. Die Priesterin stürzte augenblicklich auf sie zu. "Beim Licht! Wieso habt ihr das getan, ihr hättet unter den Trümmern euer Leben lassen können!", schalt die Frau die Elfe, bevor sie prüfend mit ihren Händen über ihren Körper glitt und schließlich ein helles, silbernes Leuchten erschien, das die Wunde an der Schulter sofort verschloss. "Ich fand es wäre ein guter Tausch. Mein Leben für das eure, Mylady Lichtsprung.", antwortete die Elfe schwach und sanft lächelnd. "Danke für die prompte Heilung." Marialle sah ihr nur verblüfft in die dunklen Augen und wusste einfach nicht wie sie grade empfinden sollte. Dolette stand schließlich auf und sprach leise zu der jungen Menschenfrau. "Wir sollte uns beeilen und schauen, dass wir noch mehr überlebende finden!" In dem Moment drangen Kampfgeräusche an die Ohren der beiden Frauen und erschrocken rissen sie ihre Leiber in die Höhe. Es war nichts zu sehen, aber auch ihre Soldaten waren nicht mehr auszumachen. "Weicht nicht von meiner Seite!", befahl die Paladin ernst und hob ihr Schild vom rußbedeckten Boden auf. Die Priesterin reagierte nicht. Brauchte sie auch nicht. Der feste Griff um ihr Handgelenk verdeutlichte, dass Dolette keine Widerrede duldete. "Versteck dich Mädchen!", befahl die Elfe nun der jungen Frau, die nickend mit dem Hund auf dem Arm zwischen einigen Trümmern verschwand. Die Kampfgeräusche waren mittlerweile verklungen. Kein gutes Zeichen. Marialle ließ sich weiter von der Anderen ziehen. Dolette bewegte sich zügig und behände, ohne groß Geräusche zu produzieren. Die blonde Paladin linste um eine Trümmerecke und hielt sich den Zeigefinger ihrer freien Hand auf die vollen Lippen, als sie der Priesterin ernst ins Gesicht schaute. Die junge Frau riskierte ebenfalls einen Blick und sah gut ein Dutzend Körper reglos auf dem Boden liegen.sowohl Menschen als auch Orks. Lediglich ein Mensch, an dem blonden Schopf erkannte sie, dass es sich um Borigan handelte, stand noch aufrecht. Sein großes Zweihandschwert vor sich haltend, schien er auf alles gefasst zu sein. Ihm gegenüber lauerten drei Orks unterschiedlicher größe und Statur. Allesamt leicht bekleidet und ohne Rüstung. Ihre grüne Haut schimmerte durch die Flammen die sie umringten und verächtliche Lächeln zierten ihre wulstigen Lippen. Dolette ließ das Handgelenk der jungen Priesterin los und umschloss das Heft ihres Schwertes. Die dunklen Augen hielten Marialle für den Bruchteil eines Herzschlages gefangen, ehe sie sich um wandte, ihre Klinge zog, das Schild erhob und mit einem gewaltigen Satz vor die drei Orks sprang. Marialle brauchte keine Anweisungen. Auf leisen Sohlen eilte sie zu den verletzten Männern und einige Körperlängen von ihr entfernt entbrannte der Kampf zwischen der Kommandantin und den Orks. Dolettes Klinge und Schild parrierten einige mächtige Streiche von Äxten und einem Morgenstern, die unnachgiebig versuchten ihre Verteidigung zu durchbrechen. Erst da schien Borigan sich der Situation gewahr zu werden und eilte an die Seite seiner Herrin. Die junge Priesterin wandte sich ab und nur noch das Klirren der Metalle drang an ihre Ohren während sie, einer nach dem anderen, ihre Hände auf die Körper legte und ihr heiliges Licht Wunden verschloss. Bei dem letzten ihrer Gefährten sank sie kraftlos zusammen und wurde nun ihrerseits von dem Krieger, den sie zuletzt geheilt hatte, gestützt. Müde schauten ihre Augen auf und suchten die Paladin die, mit Borigan an der Seite, grade dem letzten Ork einen mächtigen Schildstoß gab. Der grünhäutige Krieger taumelte daraufhin und Borigan nutzte seine Chance. Er ließ sein riesiges Schwert niederfahren und enthauptete den Ork. Noch ehe die junge Frau sich versichern konnte, dass alle Soldaten ihres Trupps wohlauf waren, eilte die Paladin an ihre Seite und schaute besorgt zu ihr herab. Feine Linien roten Blutes verliefen aus ihrem blonden Haaransatz bis zu ihrem Kinn, doch die dunklen, blauen Augen waren wach und fixiert. "Seid ihr wohl auf Marialle?", fragte sie atemlos. Marialle nickte entschlossen. Erhob sich, dankte dem Krieger und wandte sich zu den anderen, die teils stöhnend und sich krümmend am Boden lagen. Es war schon spät in der Nacht als sie alle Leichen und Überlebenden geborgen hatten und ihr Lager aufschlugen. Aber immerhin gab es Überlebende und Marialle kam sich so nicht ganz so nutzlos vor. Ihr graute eh vor dem morgigen Tag, wenn sie alle Verstorbenen beerdigt hatten und sie die passenden Worte, für die Hinterbliebenen und die tapferen Soldaten, finden musste. Und so saß sie, Trübsal blasend, am großen Lagerfeuer in der Mitte des Lagers und versuchte grade nicht daran zu denken. Die junge Frau die sie aus dem Kellerraum befreit hatte machte grade Anstalten sich neben sie zu setzen und die Priesterin nickte ihr freundlich zu. "Ich wollte euch noch einmal danken, Mylady Lichtsprung. Mein Name ist Nadice, meine Eltern haben ein paar Jahre auf dem Hof eurer Eltern gearbeitet, vielleicht erinnert ihr euch? Als wir klein waren haben wir ab und an miteinander gespielt, wenn ihr daheim wart." Das Bild eines süßen rothaarigen Mädchens tauchte vor dem inneren Auge der Priesterin auf und sie nickte lächelnd. "Natürlich, Nadice ich erinnere mich gut. Deine Eltern....?" Sie unterbrach sich als sie sah wie sich der Ausdruck der jungen Frau verfinsterte. "Wir haben gemeinsam hier im Internierungslager gearbeitet, sie sind nicht unter den Überlebenden." Ein feuchter Schimmer legte sich in die grünen Augen der rothaarigen. Marialle legte ihr mitfühlend eine Hand auf den Unterarm. "Das tut mir sehr leid, Nadice." "Schon gut sie hatten ein glückliches Leben und...." Ihre Stimme wurde von Tränen erstickt und die Priesterin nahm sie tröstend in die Arme, in denen die junge Frau hemmungslos zu weinen begann. Marialle spürte derweil einen vertrauten, forschenden Blick auf ihrem Rücken der zu wandern schien und schließlich hörte sie Schritte die an ihr vorbei, vor sie traten und die Hochelfe kniete schließlich vor ihnen nieder. "Kann ich irgendetwas für euch tun?" Begann sie mit besorgtem Ausdruck auf dem makellosen Gesicht. "Wenn ich eine übertrieben fürsorgliche Paladose brauche die mich bemuttert sage ich euch schon bescheid, Kommandantin!", zischte sie zurück und Dolette stand sofort wieder auf und schritt eilig auf ihr Zelt zu um Augenblicke später darin zu verschwinden. Die rothaarige drückte sich sanft aus der Umarmung und sah die Priesterin verwirrt an. "Nanu, was war das denn?" Marialle funkelte noch immer auf die Stelle wo die Paladin grade verschwunden war. "Was denn?", fragte sie bemüht gleichgültig, doch ihr Blick strafte ihre Worte lügen. "Wieso seid ihr die Kommandantin denn so angegangen? Sie schien doch sehr freundlich und ehrlich besorgt um eure Person. Außerdem hat sie euch in der Hütte das Leben gerettet." Die Augen der Priesterin verengten sich, zu verletzt war sie um die Edelmütigkeit der Paladin grade jetzt einzugestehen. Denn das, war das was sie am wenigsten von ihr wollte, diese verdammte Nächstenliebe, die die Diener des Lichts allesamt teilten. "Ach sie ist so...argh!" Ihr fehlten die Worte, um dem Ausdruck zu verleihen, was in ihr tobte. "Es liegt doch in ihrer Natur so vorsintflutlich zu sein! Sie behandelt doch jeden so!", platzte es energisch aus ihr raus. "Ach das ist euer Problem." Die junge Frau zog frech eine Augenbraue hoch und fuhr dann fort. "Ich denke absolut nicht, dass sie in euch dasselbe sieht, wie in allen anderen hier. Im Gegenteil ihr fehlt zu euch jegliche Distanz." Marialle sah sie, nicht ganz überzeugt, an. "Mag sein, aber dafür wahrt sie die Distanz doch ziemlich gut. Ach und sie hat ja eigentlich auch recht damit! Nur dann will ich davon am liebsten nichts mitbekommen!" Die rothaarige nickte verstehend. "Dann werdet ihr wohl oder übel mit ihr darüber reden müssen, sonst wird sich nichts daran ändern." Nadice schenkte Marialle noch ein aufmunterndes Lächeln. "So ich werde mich nun aber hinlegen, ich bin mehr als erschöpft." Marialle stand höflich auf, als die junge Frau es ihr gleichtat. "Dann danke ich dir für das Gespräch und wünsche dir eine angenehme Nacht." "Für euch ebenso, Mylady. Lasst den Kopf nicht hängen, es wird sich schon alles fügen." Die Priesterin nickte dankbar und schaute der jungen Frau zu wie sie in eins der Zelte verschwand. Sie überdachte das Gesagte, sie könnte auch einfach die Tage die noch übrig waren, versuchen zu überstehen und der Paladin aus dem Weg gehen, doch würde sie sich das Verzeihen können? Sie war zwar noch nie zuvor verliebt gewesen, dennoch war sie sich absolut sicher, dass sie die Elfe über alles liebte, darum konnte sie sich einfach nicht vorstellen, es nicht zumindest noch einmal zu versuchen. Und mit dieser Gewissheit begab sie sich dann auch auf ihr Lager und hatte eine traumlose und doch unruhige Nacht vor sich. Am nächsten Tag war alles damit beschäftigt Gräber für die vielen Verstorbenen auszuheben und sie darin zu betten. Als alle Gräber zugeschüttet waren, stand die Sonne schon tief am Horizont und man versammelte sich, um den Toten die letzte Ehre zu erweisen. Marialle stand vor der versammelten Gruppe Soldaten und Überlebender. Sie war aufgeregt, doch ließ es sich nicht anmerken. "Wir haben uns heute versammelt um den vielen Opfern zu gedenken, die im Internierungslager, hier in Lordaeron, ihren Tod fanden. Sie alle hatten besseres verdient und ihre Opfer werden wir nie vergessen. Von hier unten blicken wir zu euch hinauf und wünschen euch eine gute Reise bis wir uns irgendwo wieder sehen. Möge das Licht eure Seelen leiten." Ausnahmslos alle senkten den Kopf, viele der Hinterbliebenen fingen an zu weinen. Sie standen so noch eine ganze Weile, bis sich die Menschen langsam in ihre Zelte oder an die Feuer verteilten. Es wurde zu Ehren der Verstorbenen gefeiert und die Stimmung im Lager war relativ gelöst. Sie fand Dolette an einem der Feuer, die etwas abseits lagen. Diese straffte ihre Haltung, als sie die Priesterin an sich heran treten sah. "Mylady Lichtsprung, das waren bewegende Worte.", sagte sie steif. "Wenn ihr das sagt, Lady Paladin." Sie musterte die Elfe. Sie war deutlich gezeichnet vom letzten Tag, aber dennoch war sie immer noch eine atemberaubende Erscheinung. "Darf ich dich etwas fragen?", begann die Menschenfrau und versuchte die intime Schwelle, der Ansprache schnell zu überbrücken. "Selbstverständlich darfst du." Wurde sie nicht enttäuscht. "Ich möchte morgen gern dein Versprechen einfordern und dich mit zum Hof meiner Eltern nehmen." Dolette schluckte schwer. Sie machte den Anschein, als hätte sie mit diesem Thema im Leben nicht gerechnet. "Ja natürlich, versprochen ist versprochen.", sagte sie mit leichtem Missfallen in der Stimme. Da wäre sie wohl lieber drum rum gekommen, aber so einfach würde Marialle es ihr nicht machen. "Gut ich hatte schon mit Gegenwehr gerechnet." Ein seichtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. "Sag, wie geht es dir, alles in Ordnung?" Wieder dieser forschende, alles durchdringende Blick, bevor Dolette antwortete. "Das sollte ich wohl lieber dich fragen! Ich habe nicht zum ersten Mal Tod und Zerstörung gesehen." Marialle schaute herab, um sich die aufkommende Trauer nicht anmerken zulassen, als sie zu einer Erwiderung ansetzte: "Ich wünschte du hättest recht, aber ich war bei der Zerstörung der Festung Sturmwind dabei, glaub mir ich habe schon einiges an Leid und Tod gesehen in meinen jungen Jahren." Auf dem Gesicht der Elfe zeichnete sich Entsetzen ab. "Beim Licht, verzeih mir! Hätte ich das gewusst...", sprach sie leise und zaghaft. Die Priesterin sah ihr in die klaren, blauen Augen und schmunzelte etwas. "Nicht doch, wir tragen alle unsere Vergangenheit mit uns. Sie ist ein Teil von uns. Ich denke das weißt du viel besser als ich." Nun war es an der Paladin einmal mehr ihr schönes Lächeln zu offenbaren. "Nun Lady Paladin, wenn ihr mich morgen zu meinen Eltern begleiten wollt, solltet ihr ausgeruht sein. Also husch, husch, ab ins Körbchen." Marialle zwinkerte ihr verschmitzt zu, wandte sich zu ihrem Zelt und spürte deutlich die Augen der Elfe auf sich ruhen, bevor diese sich zu Borigan begab, um ihm Instruktionen für den Rückmarsch zu geben. Sie würden dann später zu ihnen stoßen. Und so nahm dieser traurige Tag ein versöhnliches Ende. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)