No Remains von -Eisregen- (Gajeevy - FF) ================================================================================ Kapitel 22: Der Gesang eines Engels ----------------------------------- Stunden, Wochen, Tage oder doch nur Minuten? Levy hat keine Ahnung wie lange sie bereits in dieser Finsternis gefangen ist. Ihre Arme spürt sie bereits nicht mehr und auch der Rest ihres Körpers fühlt sich taub an. Leider ist es nicht die Taubheit, die einen gar nichts mehr spüren lässt, nein, vielmehr ist es dumpfes Ziehen der Glieder, Pochen, welches sich wie ein Beben um die Wunden herum ausbreitet und sie verschlingt. Sie ist ein Schmerz. So fühlt sie sich zumindest an. Immer wieder fragt sie sich, was ihre Freunde wohl grade tun, ob es ihnen gut geht. In ihren Gedanken beschäftigt sie sich mit Evergreen und den restlichen Raishinshu. Kurz bevor sie auf diesem Berg bewusstlos wurde, hat sie sie gehört. Wie sich alle drei mit sorgenvollen Schreien auf Jose und seine Kameraden stürzten. Wie der Kampf ausging? Das weiß sie nicht, jedoch beschleicht sie ein ungutes Gefühl, denn wenn ihre Freunde gewonnen hätten, dann wäre sie jetzt nicht hier. Wahrscheinlich. Hoffentlich geht es allen gut. Levy beißt die Zähne zusammen. Der ziehende Schmerz ausgehend von ihrem Oberschenkel ist unerträglich. Der kühle Luftzug, der durch das Gemäuer peitscht, heizt die Wunde immer wieder an und verhindert, dass sich das verletzte Gewebe beruhigen kann. Tränen kullern ihre Wangen hinab und sie wundert sich, dass sie nach all dieser Zeit in ihrem Gefängnis, überhaupt noch zum Weinen in der Lage ist. Immer wieder flimmern Erinnerungsfragmente vor ihrem inneren Auge auf. Von Gajeel, von der Gilde, aber auch aus ihrer frühsten Kindheit. Nur verschwommen kann sie sich an die Gesichter ihrer Eltern erinnern, nur schwammig an das Haus und den Ort an dem sie lebte bevor sie alles verlor. Ein groß gewachsener Mann stand in der Türe zu dem kleinen Kinderzimmer. Seine Arme waren vor der Brust verschränkt, doch seine Lippen zierte ein Lächeln. „Levy-chan, es ist schon spät, so langsam musst du schlafen“ versuchte er das kleine Mädchen vor sich dazu zu bewegen, das Licht zu löschen. Es war seine Tochter. Die blauen Locken fielen ihr wirr ins Gesicht, ihre Wangen waren rosig verfärbt und ihre Nase steckte in einem riesigen Buch. „Aber Papa, das ist doch so spannend“, protestierte sie, ohne von dem alten Papier aufzusehen. Kopfschüttelnd ließ sich der blonde Mann neben ihrem Bett auf die Knie sinken. Während er sachte ihren Rücken streichelte beobachtete er die vergnügt zuckenden Mundwinkel und die strahlenden müden Kinderaugen. „Aber es ist schon spät, Mama liegt doch auch schon im Bett“, wagte er einen weiteren Versuch, sie zu überzeugen. Seine Hand kraulte ihr nun den Kopf. „Aber warum hast du mir denn das Lesen beigebracht, wenn ich das jetzt nicht machen darf?“ Diese Frage haute ihn schlichtweg aus seinen dunklen Pantoffeln. Er wusste, dass sein kleines Mädchen schlagfertig war, aber damit hatte er nicht gerechnet. Langsam erhob er sich wieder und zog ihr die Decke noch ein wenig höher über die schmalen Schultern. „Aber mach nicht mehr zu lange, Liebes. Morgen wollen wir doch gemeinsam an den See fahren.“ Seine Tochter beachtete ihn schon gar nicht mehr, viel zu tief war sie in ihrem Buch versunken, in der wunderschönen Welt der Märchen. In einem Königreich mit einer wunderschönen Prinzessin und einem großen starken Drachen. Immer wieder schluchzt die Blauhaarige auf. Die verblassten Erinnerungen an ihren Vater reißen das Loch in ihrem Herzen noch weiter auf. Wie sehr wünscht sie sich, ihn noch einmal sehen zu können. Er ist nie ein Magier gewesen, er war Lehrer an einer kleinen Schule im Dorf, so viel wusste sie noch. Schmerzlich erinnert sie sich an die vielen Stunden, die sie mit ihm in der Bibliothek verbrachte. Dort saß sie auf seinem Schoß und er zeigte ihr die Welt der Bücher, die Schrift und die vielen regionalen Unterschiede. Schon damals konnte sie vier verschiedene Sprachen lesen und verstehen. „Papa“, schreit sie in die Dunkelheit hinaus, während ein salziger Tropfen nach dem Nächsten ihre Wange hinunter perlt und mit einem kleinen Plitsch auf dem steinigen Untergrund zerspringt. Angestrengt versucht sie, die Erinnerungen an ihren Vater, mit anderen zu überdecken. „Mhmhmmm lalalala…la…mhhh“ summte die dunkelhaarige Frau während sie das Geschirr spülte. Das helle Licht der Kerzen ließen ihr fast schwarzes Haar blau leuchten. Draußen regnete es stark und der Asphalt war überschwemmt mit riesigen Wassermassen. Verträumt schaute sie aus dem Fenster und beobachtete die unaufhörlich fallenden Tropfen dabei, wie sie in den Pfützen untergingen, oder an den kleinen Wegmauern zersprangen. Ein lautes Schluchzen und Jammern unterbrach diese Stille. Besorgt wandte sie sich dem kleinen Mädchen zu. „Was ist denn los Levy-chan?“ fragte sie ihre Tochter und setzte ein strahlendes Lächeln auf. „Draußen regnet es so doll, dabei wolltest du doch heute mit mir im Park Seifenblasen machen gehen“ Es war schwierig unter dem Gewimmer überhaupt ein Wort zu verstehen, doch sie verstand genau, was ihre Tochter traurig machte. „Aber Schatz, der Regen ist doch wichtig. Für die Blumen, für den grünen Rasen und auch für die hohen Bäume, die draußen stehen, sie alle würden sonst vertrocknen. Sei doch nicht traurig.“ Herzzerreißendes Heulen entwich der Kehle des kleinen Mädchens, als sie sich theatralisch in die Arme ihrer Mutter warf. „Aber du bist doch immer so oft auf Mission.“ Das traf die junge Mutter mitten ins Herz. Ihr Mann verdiente durch seinen Job als Lehrer zwar gut, aber die Magierin liebte es einfach, mit ihren außergewöhnlichen Kräften, anderen zu helfen. Dass ihre Tochter sich einmal so vernachlässigt fühlen würde, damit hatte sie nie gerechnet. Sachte streichelte sie ihr über den Rücken und summte eine wunderschöne, ruhige Melodie. Das Zittern des Kinderkörpers ließ langsam nach und das Schluchzen wurde weniger. Nach einigen Minuten hatte sich die Kleine beruhigt und die Tränen waren versiegt. Langsam erhob sich die Dunkelhaarige und nahm ihre Tochter bei der Hand. Als sie die Türe in den Hof erreichten, riss der Himmel auf und helle, warme Sonnenstrahlen vertrieben die Unwetterwolken. Diese Erinnerung schmerzt genauso wie die vorherige. Levy hing sehr an ihrer Mutter. Diese war Wettermagierin und hatte die Fähigkeit, aus den schlimmsten Regentagen, die hellsten Sonnenstunden hervorzuzaubern. Manchmal verhalf sie in Dürreperioden den Bauern zu Regengüssen und rettete damit viele Ernten. Die Blauhaarige ist immer stolz auf ihre Mutter gewesen. Leise schluchzend fragt sie sich nun, ob diese das überhaupt gewusst hat. Ein Zittern durchfährt den zierlichen Körper der Scriptmagierin und ein spitzer Schrei entfährt ihrer Kehle. Dieser ebbt jedoch schnell ab, da ihr der Hals bereits seit Tagen schmerzte. „Mama“, haucht sie und ohne Unterlass rinnt Träne um Träne an ihrem Körper herunter bis zum dreckigen Steinboden. Sie hat die Erinnerungen an ihre Eltern schon lange versucht zu verdrängen. Es war einfach zu schlimm gewesen, sie zu verlieren. Fairy Tail ist nach ihrem Beitritt zu ihrer Familie geworden und sie ist immer glücklich gewesen. Immerhin hat sie nun Brüder, Schwestern und viele Menschen, die ihr zur Seite stehen. Doch tief in ihrem Inneren vermisst sie diese Liebe, die nur Eltern ihren Kindern schenken können. Mit Entsetzen nimmt sie das Flimmern vor ihrem inneren Auge wahr und sieht die letzten gemeinsamen Stunden. Es war Nacht gewesen und es regnete, als eine dunkle Gilde ihr Dorf überfiel. Sie raubten alles was sie kriegen konnten und nahmen junge Frauen und Kinder als Geisel mit. Levy hörte sie nur immer wieder vom ‚R-System‘ sprechen. Ihr Vater hatte sich schützend vor seine Familie gestellt, konnte aber nichts gegen die dunkle Magie ausrichten. Blutüberströmt brach er nach wenigen Sekunden zusammen. Mit seinem letzten Atemzug flüsterte er seiner Frau und seinem kleinen Mädchen nur noch zu. „Flieht!“ Die Magiern nahm ihr Kind auf den Arm und presste es fest an ihre Brust. Sie rannte zum Rand des Dorfes immer Richtung Wald hinaus, die dunkle Gilde war ihr dicht auf den Fersen. Die kleine Blauhaarige, in eine Decke gehüllt, starrte ihre Mutter aus angsterfüllten Augen an. „Alles wird gut mein Schatz“ Sie versuchte ein Lächeln aufzusetzen, doch ihre Tochter durchschaute sie. Ein Schuss durchriss die Stille des Waldes und unsanft stürzten die Beiden auf den laubbedeckten Erdboden. Ihr Kind fest umklammernd hielt sie dem Mädchen einen Finger über die Lippen. „Bitte sei still“ Ihr Atem ging schwer und Levy spürte wie eine warme Flüssigkeit die Decke durchnässte. „Mama was ist los?“, fragte sie flüsternd, während Tränen unaufhörlich die kleinen Wangen hinunterliefen. Mit letzter Kraft schleppte sie sich in ein dichtes Gebüsch, bevor sie zusammenbrach. „Hast du sie gesehen“ Die Männer rannten an den Beiden vorbei und die junge Magierin atmete erleichtert auf. „Mama, komm lass uns zurück zu Papa…“ Die Kleine verstummte als sie sah, wie blass ihre Mutter geworden war. „Wir bleiben noch ein wenig hier Levy-chan. Bis die Luft wirklich rein ist“ Und während sie ihrer Tochter sachte über den Rücken streichelte, summte sie wieder diese schöne, ruhige Melodie. In dieser Nacht ist nicht nur ihr Vater, sondern auch ihre Mutter verstorben. Leise beginnt Levy, die Melodie zu summen, die sich wie eine Narbe in sie eingebrannt hat. Immer wieder reiht sie die melodischen Fetzen, die ihr in den Sinn kommen, aneinander. So schlimm diese Erinnerungen auch sein mögen und so sehr sie ihre Eltern manchmal vermisst, sie hat ein zu Hause gefunden und sie ist sich sicher, dass ihre neue Familie alles daran setzt, sie hier rauszuholen. Allen voran der Eisendragonslayer. Der Mann, der nach ihrem Vater, die Welt für sie bedeutet. Immer noch summend versucht sie ihre innere Panik zu unterdrücken und sich auf die beruhigende Vorstellung zu stützen, dass Gajeel bald die Türe zu ihrer Zelle aufbrechen wird und sie von diesen Ketten erlöst. Irgendwann muss sie eingeschlafen sein, denn als sie die Augen wieder öffnet, steht auf dem kleinen Holztisch wieder eine neue Kerze. Ihr Herz beginnt zu rasen. Sie ahnt, dass sie sich nicht mehr alleine in diesem Raum befindet und dass es auf keinen Fall ein positiv gesinnter ‚Gast‘ sein kann, ist ihr ebenfalls schnell bewusst. Aus einer dunklen Ecke heraus tritt Jose auf die Scriptmagierin zu und grinst boshaft. Wie wild spürt sie nun ihr Herz in ihrer Brust hämmern und ihr wird übel von dem Geruch, den der dunkle Magier ausströmt. „Was willst du?“, giftet sie ihn an. Sie hat sich vorgenommen stark zu sein, und keine Schwäche mehr zu zeigen, bis sie gerettet wird. Und das zieht sie durch. „Oho, heute so gut gelaunt?“ Hämisch grinsend bleibt er direkt vor ihr stehen. „Pff“ Sie dreht den Kopf zur Seite. Sie will ihm nicht die Genugtuung geben, in ihren Augen die Panik lesen zu können. „Wie du willst“, knurrt er und schlägt zu. Seine Faust trifft sie mitten ins Gesicht. Sie schmeckt Blut, welches sich in ihrem Mund bildet. Ohne zu zögern spuckt sie es ihm vor die Füße. Im nächsten Moment bereut sie es, da das Anspannen des Gesichtsmuskels ihr wie ein Blitz direkt durch Mark und Bein fährt. Immer wieder schlägt er auf den zierlichen Körper der jungen Frau ein und hinterlässt blutunterlaufene Flecken. An einigen Stellen ist die Haut aufgeplatzt und schmale Blutspuren schlängeln sich mit der Schwerkraft dem Boden entgegen. Der letzte Hieb, den Levy mitbekommt, trifft sie direkt in ihre Magengrube. Schlagartig bleibt ihr die Luft weg und ganz langsam legt sich ein Schleier aus dunklem Nebel über ihren Körper und ihren Geist. Ohnmächtig hängt sie, immer noch an ihren Armen gefesselt vor ihrem Peiniger an der Wand. Keine Bewegung, keine Regung, kein Lebenszeichen. Völlig ausgeliefert halten die eisernen Ketten die blasse Erscheinung aufrecht. Zufrieden schlägt Jose noch einige Male zu, bevor er sich abwendet. „Das war für Monsieur Sol…“, raunzt er noch. Er ist sich sicher, dass die Blauhaarige es nicht mehr mitbekommt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)