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Licht ohne Wärme

Ob unser Kampf jemals enden wird? ...
von

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Heimatland - Das Licht des Morgens

Kommentar: Dies war wieder eines der Kapitel, die mich ausgelacht haben, weil ich anfangs dachte, dass sie einfach zu schreiben wären. Funktionierte zuerst ja auch bis ich mal wieder an den Punkt kam, wo ich den Hintergrund der FF mit den Vorgängen verknüpfen, über die man im Alltag über nicht nachdenkt. Addiert man noch engstirnige Charaktere hinzu, bei denen man sowieso nichts anderes tun kann, als ihnen nachzulaufen, wenn sie einem davonrennen.
 

Viel Spaß beim Lesen
 

mangacrack
 

xxx
 

::Kapitel 25 – Das Licht des Morgens::
 

Die Blätter des riesigen Baumes rauschten im Wind und flüsterten leise zu Uriel, der auf einem hohen gebogenen Ast Platz genommen hatte. Mit überkreuzten Beinen saß er im Geäst und hielt die Augen geschlossen, um in Ruhe meditieren zu können. Mit jedem Atemzug füllten sich seine Lungen und hoben seinen Brustkorb so gleichmäßig, das die sachten Bewegungen seines schwarzen Haars abstrakt und im Vergleich dazu unnatürlich wirkten. Auch weil es immer wieder drohte sich im Blätterdach des Baumes zu verfangen, die Strähnen jedoch stets wie Seide an dem rauen Holz abglitten. Gleichwohl formte Uriel mit seiner Anwesenheit ein Bild, das trotz seiner Fremdartigkeit Einklang ausdrückte.
 

Befreit atmete Uriel weiter den Sauerstoff aus, der sich schon seit viel zu langer Zeit in seiner Lunge angesammelt hatte. Es war eine Wohltat, allein seinen Rhythmus auf Kohlenstoffdioxid aufbauen zu können, denn es ließ ihn ruhiger und entspannter werden. Das Gas CO2 war in seiner Substanz schwer, dunkel und reichhaltig, lange nicht so scharf und angreifend wie die Luft, die normale Lebewesen atmeten.
 

Ich hatte vergessen wie gut das tut, dachte Uriel, als er weiter den Kohlenstoff in sich aufnahm.
 

Mit der mutwilligen Vernichtung seiner Stimmbänder hatte er auch seine Luftröhre verletzt, dessen Folge die Schäden in seiner Lunge gewesen waren, die ihn erst vor kurzem an den Rand des Todes gebracht hatten. Eine unangenehme Entwicklung, die Raphael zum Glück verhindert hatte, denn zwar fürchtete Uriel den Tod nicht, aber es hätte seine Bewegungsfreiheit drastisch eingeschränkt. Enra-Oh hätte sichergestellt, dass er trotz seines Status – oder auch gerade deswegen - den Hades nicht wieder verlassen würde. Zumindest nicht lebendig und auch wenn dies seine Existenz nicht beenden würde, so war ein fehlender Körper grundsätzlich immer hinderlich. Er hätte sich lediglich mit seinem Geist durch die Ebenen bewegen können, was grundsätzlich fehlende Eindrücke bedeutet hätte, die ihm nur lebendiges Fleisch geben könnte.
 

Daher ist es besser, wenn ich mit beiden Füßen in der Erde versinke, aber mein Kopf und mein Oberkörper noch oben herausragen.
 

Es war schließlich Teil seiner Existenz den Tod zu atmen.
 

Rein aus Protest und ganz einfach, weil er dazu in der Lage war, saugte Uriel mit dem nächsten Atemzug so viel Kohlenstoffdioxid auf, wie er konnte. Es spendete ihm Kraft und trieb die Pflanzen um ihn herum an dasselbe zu tun. Für sie war es Teil ihrer Natur und zum Ausgleich gaben sie Sauerstoff ab, der von den anderen Wesen gebraucht wurde, um am Leben zu bleiben, aber es verwurzelte auch den Tod tief in den Fugen der Welt. Schließlich fraßen andere Lebewesen Pflanzen, nur um von selbst gefressen zu werden, damit sie jemand Weiteren ernähren konnten. Am Ende starben jedoch immer alle drei: die Pflanze, der Pflanzenfresser und das Raubtier.
 

Sie starben, verendeten, verwesten und machten Platz für neues Leben. Eifriges, neugieriges und ehrgeiziges Leben, das sich an die Oberfläche kämpfte, um immer näher und weiter an das Licht zu gelangen und ganz gleich wie oft es einem Stärkeren zum Opfer viel, es rückte immer jemand nach. Es war ein endloser, grausamer Wettbewerb, den niemand entfliehen konnte.
 

Niemand.
 

-
 

Mit einem leisen, aber entsetzten Aufschrei protestierte Kato gegen die Bewegung, die ihn wachgerüttelt hatte. Müde und noch nicht bereit jetzt aufzustehen, vergrub er sein Gesicht tiefer in den Bettbezug seines Kissens. Zwar kratzte er unheimlich auf der Haut und die braungelbe Farbe war für die Augen kaum zu ertragen, aber da er in der nächsten Zeit nicht vorhatte sie zu öffnen, konnte ihm das herzlich egal sein. Stattdessen würde er weiterschlafen und die Geräusche ignorieren, die ihn davon abhielten, wieder den Schlaf der Vergessenen zu genießen. Ein erneutes Wackeln der Matratze und ein unsanfter Tritt in seine Seite, ließ ihn allerdings dann doch auffahren.
 

Garstig und alles andere als begeistert riss er sein Gesicht aus dem Kissen, um Kira einen bösen Blick zu zuwerfen, der gerade versuchte über ihn hinweg zu steigen.
 

„Hast du’s bald mal?“, fragte Kato angepisst und sah unter den blonden Strähnen hervor, die ihm wegen des unruhigen Schlafes vor die Stirn gefallen waren.
 

„Sofort“, flüsterte Kira und beendete seinen Akt über Katos ausgestreckten Körper zu klettern.
 

Als seine nackten Füße den Lehmboden berührten, drehte sich Kira zu ihm um anstatt wie geplant aufzustehen. Entschuldigend sah er zu Kato und stupste ihn an, um zu suggerieren, dass er sich wieder hinlegen sollte.
 

„Tut mir Leid“, sagte er leise, „Ich wollte dich nicht wecken. Du kannst ruhig weiterschlafen, ich bin gleich wieder da.“
 

Grummelnd streckte sich Kato kurz, ehe er sich wieder ins Kissen fallen ließ.
 

„Es war deine Idee an der Wand zu schlafen“, murmelte Kato griesgrämig und schloss die Augen so halb.
 

Doch weil er jetzt auf dem Rücken lag und die Arme unter seinen Kopf gestopft hatte, konnte er jetzt Kira besser sehen, da das schummrige Licht von draußen direkt auf sein Gesicht fiel. Es wirkte zu angespannt für nur einen einfachen Tritt nach draußen, um sich zu erleichtern
 

„Ja, ich weiß“, meinte Kira gedämpft und ließ seinen Blick über das provisorische Bett schweifen, dass sie sich geteilt hatten. „Aber du bist nun einmal ziemlich sicher tot und ich bin es irgendwie nicht. Daher kriege ich den Platz an der Wand.“
 

Er richtete sich nun auf, um sich zu dem Ausgang der kleinen Lehmbude zu bewegen, wobei dies nicht mehr als ein Teppich war, den man vor dem rechteckigen Durchgang in der Wand angebracht hatte. Das von handgewebte hässliche Stück Stoff wurde zur Seite gedrückt, sodass Kira aus der kleinen Ein-Zimmer-Hütte treten konnte, die im besten Fall die Größe einer geräumigen Besenkammer hatte.
 

Mehr hatte man in dieser Gegend auch nicht zu erwarten, das wusste Kira als er sich draußen wie gewohnt umsah. Sie waren weit ab von jeglicher Zivilisation und die Baracken, in denen Kato und er Unterschlupf gefunden hatten, waren die Behausung von herumziehenden Nomaden, die mehr für ihr Leben nicht brauchten und sich auch sonst nicht weiter um die Belange der Welt kümmerten. Sie gingen nur dorthin, wo ihr Vieh Futter fand und ignorierten alles Andere außer die Natur um sie herum.
 

Dabei war es ausgerechnet jene, die ihn aus dem Bett getrieben hatte. Während er den roten Streifen am östlichen Horizont betrachtete, wo zwischen den Hügeln der weiten Ebene die Sonne aufging, musste er an die Geräusche denken, die ihn wach gehalten hatten. Seien es die hungrigen Käfer in der Wand, die geschäftigen Ameisen unter der Erde oder das Schreien eines Vogels auf dem Dach gewesen, er hatte sie nicht ausblenden können. Sie alle lebten und bewegten sich, immer auf der Suche nach Futter und im Schutz der Dunkelheit, weil auch andere Gefahren auf sie lauerten. Größere Jäger, wie das Tier das auf der Suche nach Beute an der Felswand entlang geschlichen war und einen kleineren Vogel erlegt hatte, der für einen Moment unachtsam gewesen war.
 

Kira rieb sich die Schläfen als er zum Jeep lief, um sich aus dem Wasserkanister einen großen Schluck zu trinken zu gönnen. Als er die Tropfen von seinem Mundwinkel wischte, dachte er daran, dass es in ihm kein Entsetzten hervorgerufen hatte, als die Raubkatze mit ihrem kräftigen Kiefer die dünnen Vogelknochen zerbrach und solange zudrückte, bis sie dem Vogel die Luft aus der Lunge gequetscht hatte. Schließlich hatte er die Raubkatze auf leisen Sohlen davon schleichen hören, ihre Beute im Maul, um sie an einem sicheren Ort zu verspeisen und den nagenden Hunger zu stillen. Er hatte keinen Ekel empfunden, als er die Schmatzgeräusche vernommen und in seinem Geist gesehen hatte, wie die Raubkatze mit ihrer rauen Zunge den Vogel von seinen Federn befreite, damit sie besser an das rohe Fleisch kam. Für die Menschen der Moderne war dies brutal. Sie kaufen vorgefertigtes Fleisch im Supermarkt, dass in Plastik verpackt war und blickten schon weg, wenn sie beim Metzger ein totes Schwein von der Decke hängen sahen.
 

Als Kira den Wasserkanister zurück auf die Ladefläche des heruntergekommenen Autos stellte, konnte der dem Drang nicht widerstehen, als seine eigene Hand anzusehen. Sie hatte getötet. Menschen, Tiere und Einiges, was man nicht so genau definieren konnte. Zählten Engel auch dazu oder waren sie eine eigene Kategorie? In den frühen Jahren, in denen er Alexiel verfolgt und ihre Schutzengel getötet hatte, war sie ihm alle bloß im Weg gewesen, aber in seinen Erinnerungen unterschieden sich Engel von allen anderen nichtmenschlichen Wesen, denen er je begegnet war. Viele von ihnen hatte er getötet, ohne zu Zögern und ohne Reue, aber Engel – besonders die Schutzengel – hatten nur ihre Mission gekannt. Es war gleich gewesen, ob sie ihm unterlegen waren, sie waren immer wieder auf ihn losgegangen und hatten sich von oben auf ihn herab gestürzt. Nur um wie ihr Blut auf die Erde zu fallen, wenn er Verteidigungstechniken angewandt hatte von denen er jetzt wusste, dass sie aus Luzifers Gedächtnis stammten.
 

Jetzt fragte er sich, was sie dazu getrieben hatte. Die Schutzengel waren gute Kämpfer, aber am Ende bloß beauftragte Soldaten gewesen, die nichts für Alexiel empfunden hatten. Nichts außer Hass und Verachtung vielleicht, denn Bilder aus dem Zweiten Großen Krieg zeigten ihm, dass Alexiel damals im Himmel viel Schaden angerichtet hatte. Es war also höchstens Genugtuung gewesen, welche die Schutzengel auf ihrem Posten gehalten hatte. Der Wunsch, den Organischen Engel bestraft zu sehen.
 

Kira verkreuzte die Arme vor der Brust, als er sich nachdenklich gegen das rostige Auto lehnte. Das Gefühl der Lebendigkeit um ihn herum hatte ihn auf diesen Gedankengang gebracht, aber dennoch verstand er nicht, wieso es ihn nach all der Zeit noch beschäftigte. Warum wieder und dann ausgerechnet jetzt?
 

Verwirrung. Ich fühle Verwirrung, erkannte Kira. Doch wieso? Ich habe damit abgeschlossen, dass Setsuna mein Freund war. Nicht nur eine Person namens Alexiel, deren Kraft Luzifer benötigt hatte, um seinen Feldzug gegen den Schöpfer zu beenden.
 

Luzifer hatte Alexiel gebraucht, dies war ihm klar. Auch das Setsuna dies als Liebe fehl interpretiert hatte. Aber das war nur Setsuna in seiner hoffnungsvollen Art gewesen, seine Weigerung sich unterkriegen zu lassen.
 

Wieso macht es mich dann wütend?, fragte sich Kira. Woher kommt dieser Ärger?
 

Ja, Ärger. Das traf es.
 

Es war dasselbe Gefühl, das ihn jetzt aus Irritation gegen die Blechwand treten ließ, das ihm meldete, dass er Hunger hatte und etwas essen sollte, und es war dasselbe Gefühl, das verursachte, dass er jetzt nichts gegen einen Kampf einzuwenden hätte. Ein weiterer Dämon wie der aus der unheiligen Kirche von vor ein paar Tagen oder ein Schutzengel wie aus seinen Erinnerungen, es wäre ihm gleich. Hauptsache er würde diesen Reiz los, der unter seine Haut kroch und es in seinen Fingerspitzen kribbeln ließ.
 

Mit einem Schnauben stieß sich Kira von der Ladefläche des Jeeps ab und fuhr sich durch die zerzausten dunkeln Haare, die dennoch irgendwie von dem Zopf gebändigt wurden, den er sich den Abend zuvor gemacht hatte. Hätte er die Gelegenheit gehabt, hätte er sich jetzt wohl unter die Dusche gestellt, aber hier in dieser Einöde gab es bloß Brunnen und außerdem würde ihm hinterher noch nur bewusster werden, dass sich der Ärger, den er so klar und deutlich wahrnahm wie seine Augen das Morgenrot am Horizont, nicht mit Wasser zu beseitigen war. Der würde sich nicht herunterschrubben lassen, wie der Staub der Wüste, der sich auf seine Haut gelegt hatte.
 

Unsanft ruckte Kira an der Fahrertür des Jeeps, denn er wusste, dass im Innenraum noch etwas zu Essen liegen musste. Vielleicht würde sich seine Stimmung etwas aufheitern, wenn der Hunger verschwand. Aber allein der Blick auf das trockene Brot, das er zwischen den Sitzen fand, ließ ihn das Gesicht verziehen. Appetitlich sah das nicht aus, doch mehr war derzeit nicht da. Also pflanzte sich Kira mit dem Stück Brot und einigen übrig gebliebenen Früchten auf die breite Motorhaube. Während er verbissen auf der Frucht herumkaute, von der nicht einmal ganz sicher war, wie sie hieß, stellte er fest, dass das Essen nur das Knurren seines Magens vertrieb.
 

Nicht den Hunger, den er eigentlich verspürte und wohl mit seinem unterschwelligen Ärger zusammenhängen musste.
 

Also war es Ärger über und Hunger nach etwas.
 

Verärgert blies Kira die Luft aus seinen Lungen und zog die Beine heran, sodass seine immer noch nackten Füße auf der Motorhaube Platz fanden. Inzwischen fing die Felswand, an der ihre Lehmhütte stand, die ersten goldenen Strahlen der Sonne auf, die begann sich über den Rand der Hügelkette in der Ferne zu schieben. Ihr Licht veränderte die Umgebung von der rauen begrenzten Nachtwelt, in die unbegrenzte unbarmherzige Wüste des Tages. Die Temperaturen würden wieder den Schweiß aus ihren Körpern treiben, aber dennoch empfand er Erleichterung über das Licht der Sonne, denn sie vertrieb die Geräusche der Tiere, die ihn nachts wach hielten.
 

Unaufhörlich trieb es sie weiter, Hunger, Durst oder auf der Suche nach Schutz vor anderen Raubtieren. Aber vornehmlich war es der Hunger, der ihn ablenkte. Der Hunger der Tiere, das Sterben der Schwächeren und die Befriedigung, wenn der Hunger für zumindest kurze Zeit verschwand.
 

Es ist wie ein Geräusch in meinem Kopf, das nicht verschwinden will. Lieber werde ich blind, weil ich zu viel in die Sonne geblickt habe, als das ich mich weiterhin durch diesen pressenden Druck wahnsinnig machen lasse, beschloss Kira.
 

Um der Nacht zu entkommen, müsste er in dem Licht der Sonne bleiben. Zwar brannte die auf seiner Haut, ließ die Luft vor seinen Augen flimmern und ließ die Zunge am trockenen Gaumen kleben, jedoch konnte dagegen etwas tun. In der Nacht war er den Leben unzähliger kleiner Kreaturen ausgesetzt, deren schiere Anzahl es verhinderte, dass er etwas unternehmen konnte. Also würde er die Vibration in seinem Hinterkopf einfach ertragen müssen.
 

„Oder einen Weg finden sie ganz und gar loszuwerden“, murmelte Kira und lehnte sich zurück, sodass sein Kopf auf der Windschutzscheibe des Jeeps lag.
 

Darum, dass der Untergrund auf dem er lag von den Winden der Wüste zugeweht war und er nicht mehr trug als die Kleidung von letzter Nacht, scherte er sich nicht. Goldener Sand und dreckige Erde störte ihn nicht, wenn die Sonne dafür die wispernden Stimmen in seinem Kopf verstummen ließ.
 

„Ist das deine Definition von ‚Bin gleich wieder da?'’“, fragte eine genervte Stimme und als Kira den Kopf wandte, brauchte es eine Sekunde bis er im Licht der Morgensonne Kato ausmachen konnte.
 

Mit den Händen vor der Brust überkreuzt, stand er neben dem Jeep und starrte ihn böse an. Zuerst nahm Kira an, dass dessen leichte Bekleidung der Grund dafür war, bis ihm wieder in den Sinn kam, dass Kato die Temperaturen nicht so wahrnahm wie er selbst. Ob dies damit zu tun hatte, dass er tot war oder Kato die Angewohnheit aus seinen Junkie Zeiten äußere Einflüsse einfach zu ignorieren, einfach beibehalten hatte, konnte er nicht sagen, allerdings erinnerte ihn das daran, dass es die Menschen in seinem Umfeld gewesen waren, die Kato zu seinen Handlungen trieben, gleich welcher Natur sie waren.
 

Er ist wegen mir hier, dachte Kira und stützte sich auf die Ellbogen. Um nachzusehen, wo ich bleibe.
 

Nicht, dass es ihn überraschen sollte, doch tat es das trotzdem irgendwie. Vielleicht weil es weniger Sorge um Kira war, die Kato hatte aufstehen lassen, als das ihn vermutlich der leere Platz an seiner Seite im Bett gestört hatte. Merkwürdig für jemanden, für den Wärme und Kälte eigentlich bedeutungslos war.
 

Außer es geht ihm nicht um Körperwärme, mutmaßte Kira, als Kato grollend neben ihn auf die Motorhaube hopste, weil er keine Antwort bekommen hatte. Sondern um ... Gesellschaft?
 

Es war die logische Schlussfolgerung, aber Kira kapierte nicht wieso genau Kato ihm folgte wie die Gezeiten dem Stand des Mondes. Das war schon so gewesen, bevor der gesamte Wahnsinn begonnen hatte und er noch zusammen mit Luzifer an das Amulettsiegel gebunden gewesen war. Es war gleich, ob er ältere Schüler davon abhielt Setsuna zu vermöbeln oder ob dessen toten Körper bewachte, Kato tauchte immer auf als wäre er gerade falsch abgebogen und hätte etwas gefunden, dass ihn zwar verwunderte, aber nicht überraschte. Wenn er darüber nachdachte, war selbst Luzifer die Gestalt vertraut gewesen, als sie am Horizont auftauchte und ihn angriff, um Setsuna zu verdeutlichen, dass der Höllenfürst nicht derselbe Senpai war, den er so bewunderte.
 

Aber während Setsuna davon abgelenkt war, dass sein Senpai selbst vor dem Töten von Engelskindern nicht zurückschreckte, wenn es bedeutete jemanden wie Sandalphon in Schach zu halten, hatte Kato nicht mal gezuckt. Trotz dessen, dass Luzifer ihn bei ihrer letzten Begegnung verstümmelt hatte und Kato dazu zwang sich seinen eigenen Arm abzuschneiden, um ihn durch dieses Etwas von Materie zu ersetzten.
 

Leicht verlagerte er sein Gewicht, damit er mit seiner rechten Hand nach dem Arm von Kato greifen konnte, der ihm am nächsten war. Als sich seine eigenen Finger um dessen Handgelenk schlossen, um sich zu vergewissern, dass es keine metallene Attrappe war, die ein halbwüchsiger Engelsmechaniker in den Körper von Kato gebohrt hatte, drehte der seinen Kopf zu Kira herum. Merkwürdig ruhig blickte er ihn von oben herab an, weil sich Kato - anders als er selbst – nicht auf die dreckige Windschutzscheibe gelegt hatte. Die sonst viel zu blonden Haare ergänzten sich nun mit Morgenlicht der Sonne und so hell, dass es Kira schwer viel sich daran zu erinnern, ob sie je dunkel gewesen waren. Theoretisch wusste er, dass die Haare einst in pünktlichen Abständen gefärbt wurden, oft hatte er den Plastikhandschuhen hinter Kato gestanden und ihm geholfen die Farbe in den Strähnen zu verteilen, damit kein brauner Fleck übrig blieb. Kato hatte seine natürliche Haarfarbe gehasst, weil es die Gleiche wie von seiner Mutter, seiner Schwester und seinem Stiefvater war. Erst nachdem Fund des Fotos mit seinem leiblichen Vater und eigentlichen Grund für sein beschissenes ungeliebtes Leben, hatte Kato einen Weg gefunden sich zu rächen und seit diesem Zeitpunkt hatte er Kira ihn nie wieder mit braunen Haaren gesehen.
 

Selbst nach seinem Tod nicht.
 

„Benutzt du dir die angelernten Eigenschaften von Meister Uriel dazu, um deine Haare blond zu halten?“, fragte Kira laut, obgleich er eigentlich nicht vorgehabt hatte diesen Gedankengang auszusprechen.
 

Aber er hatte in all der Zeit seit sie sich wieder begegnet waren, nicht ein einziges Haarfärbemittel in Katos Händen gewesen. Nicht, dass die Hölle diese in Geschäften um die Ecke vertreiben würde, aber selbst als Kato noch keinen Körper hatte und nur als Seele Luzifer den letzten Nerv geraubt hatte, waren sie blond gewesen. Unnatürlich blond, es war dasselbe hellgelb der billigen Marke, die Kato zu seinen Lebzeiten immer verwendet hatte. Bedeutete dies, dass sein Freund immer noch nicht über seine inneren Probleme mit seinem Vater hinweg war oder waren Katos Haare stets in dieser hellblonden Farbe geblieben, weil er das so gewollt hatte?
 

Huh. Aber würde das nicht, ...
 

„Sag mal hat dich heute Nacht was gebissen oder was ist mit dir los?“, zeterte Kato los und fuchtelte mit seiner rechten Hand in der Luft herum, weil Kira die linke immer noch mit seinen Finger umschlossen hatte. „Seit wann interessiert du dich für Kosmetik? Oder für meine Haare? Hast du sonst nichts Besseres zu tun, als ...“
 

Das leise Lachen konnte Kira nicht zurück halten, als es sich aus seiner Brust löste und er den Kopf in den Nacken legte, um es entweichen zu lassen. Es war so einfach sich diesem Gefühl der Losgelöstheit hinzugeben, dass es ihn halb wunderte, warum Kato sich immer noch aufregte. Kannte er es nicht, dass man sich so sehr an die Last auf seinen Schultern gewöhnen konnte, dass das Fehlen derselben eine völlige fremde Empfindung war?
 

Noch nie hatte sich Kira so leicht gefühlt.
 

Das war auch eine Erkenntnis, die nur langsam in seinem Geist haften blieb, weil er den Grund für die Leichtigkeit, dessen Symbol Katos Stimme in seinem Ohr zu sein schien, nur allmählich begriff.
 

Ich bin frei, dachte Kira.
 

Heiterkeit breitete sich in seinem Brustkorb aus und er ließ seinem Blick mit einer neuen Sicht über die Savanne streifen. Die Weite erschreckte ihn nicht mehr, so wie sie es in der letzten Nacht getan hatte, weil er das Ende nicht kannte und nicht wusste, was ihn hinter dem Vorhang der Dunkelheit erwartete. Gefangenschaft war nichts neues für ihn, zu lange hatte er in und als Nanatsusaya verbracht, aber er hatte die Freiheit nicht einmal erkannt, als man sie ihm geschenkt hatte.
 

Er hatte die Freiheit nur für eine weitere Illusion gehalten.
 

Neben ihm war Katos Stimme verstummt, aber die raue Haut unter den Fingern seiner rechten Hand, war eine Erinnerung, dass Kato sich kein Stück bewegt oder Anstalten gemacht hatte, sich aus seinem Griff zu befreien. Er hockte mit angezogenen Beinen auf der Motorhaube und betrachtete ihn, wie Kira aus den Augenwinkeln sehen konnte. Wirklich Aufmerksamkeit schenken konnte er aber gerade nur der Welt um ihn herum. Der freien Welt, um ihn herum. Eine Welt, die sich nicht um seine Probleme scherte und nur zurück schlagen würde, wenn sie sich genervt fühlte. Ob Kira sie liebte oder hasste, war ihr dabei gleichgültig.
 

Kein Wunder, dass ich nicht begriffen habe, was mein Problem war, dachte Kira und erinnerte sich an die Verwirrung und den seltsamen Hunger, die ihn erst aus dem Bett getrieben hatten. Ich bin solange geführt und benutzt worden, dass ich vergessen hatte, dass es auch anders sein kann.
 

Nun kannte er auch den Grund, warum er vor Luzifer keine Furcht hatte. Als sie sich einen Körper teilten und der Fürst endlich die Kontrolle über sein Bewusstsein zurück hatte, hatte er deutlich gemacht, dass er die Hilfe anderer nicht brauchte. Niemals würde er die Meisterschaft des Schwertes ausbeuten, so wie es Alexiel getan hatte.
 

Ich bin frei, dachte Kira wiederholt, um die letzten Fesseln zu sprengen, die ihm auferlegt worden waren. Ich bin frei Alexiel zu hassen, ohne das sie es mir verbieten kann.
 

-
 

Die Delle in der Motorhaube auf die Kato sich vorhin leider gesetzt hatte, drückte unangenehm in seinen Hintern und kein Hin- und Herrutschen konnte das Gefühl vertreiben. Seine einzige Möglichkeit der harten Kante zu entkommen wäre entweder von dem Jeep herunter zu springen oder näher an Kira heran zu rücken, der immer noch mit einem fremdartigen Gesichtsausdruck abwechselnd Kato und die aufgehende Sonne betrachtete. Es dünkte Kato etwas zu sagen, aber ihm fehlte der Anlass dazu. Inzwischen war es ein bisschen spät Kira darauf hinzuweisen, dass er seinen Arm loslassen sollte, außerdem war die Körperwärme, die Kira ausstrahlte und praktisch direkt in Katos tote Lebensadern pumpte äußerst angenehm und aufweckend. Mehr sogar als das Licht der Sonne, der sich Kira entgegen zu recken schien.
 

Da es ihm dabei mit jedem Atemzug besser zu gehen schien, beschloss Kato seine Klappe zu halten. Man sah nicht jeden Tag, wie sich Sorgenfalten glätteten. Die warmen Finger über seiner Hand drückten jedes Mal leicht zu, wenn Kira vorsichtig die Luft aus seiner Lunge ließ und an Seelenlast verlor. Kato konnte fühlen wie der Brocken von Kiras Schultern geschoben wurde und in die Tiefe fiel, um irgendwo auf verlorenen Boden aufzuschlagen. Jetzt würde sich jemand anderes damit belästigen müssen, fand Kato, denn ihm gefiel der entspannte Gesichtsausdruck von Kira. So faul und ausgestreckt, wie er da lag, erinnerte es Kato an die Tage, die sie zusammen verbracht und an denen Kira vergessen konnte, dass es Setsuna Mudo überhaupt gab. Jetzt kannte Kato den Grund, warum der immer auf den Bengel hatte aufpassen müssen, anstatt mit ihm faul in der Sonne herum zu hängen oder aus zulosen, welche andere Schulgang sie diesmal zusammenschlagen würden. Doch das hinderte ihn daran sich darüber zu freuen, dass Kira endlich anderes im Kopf hatte, als Engelskram.
 

Damals wie heute tat es seiner Seele gut. Vor seinem Tod waren es stets jene Tage gewesen, an denen er ohne Stoff ausgekommen war. Die hatte er jetzt kaum noch nötig, aber immerhin kannte er den Unterschied zwischen den guten und den schlechten Tagen. Kira schien das hin und wieder zu vergessen. Jetzt, wo Kira sich streckte und gähnte wie ein verschlafener Löwe in der Mittagssonne, konnte Kato sich sicher sein, dass es wahrhafter Genuss war, der ihn antrieb und nicht der halb obligatorische Zwang, der ihn zu jeder Frau hatte ja sagen lassen, die ihm ein bisschen Amüsement versprach.
 

„Hey Kato“, sprach Kira ihn an, als er den Ellbogen einknickte auf den er sich die längste Zeit gestützt hatte und schloss die Augen, allerdings nicht ohne sein Gesicht wie ein in die Jahre gekommener Sportlehrer in die Sonne zu halten.
 

„Ja?“, fragte Kato zurück und versuchte nicht darüber nachzudenken, dass Kira sich immer noch an ihm festhielt und überlegte stattdessen, was dessen fremder Geist nun wieder ausspucken würde. Man sollte meinen, dass es Kato war, den die merkwürdigen Vorgänge der Menschheit beschäftigten und nicht Kira, aber das Kato derjenige war, der die Dummheiten tat, musste er nicht noch extra erklärt bekommen.
 

„Wieso sieht es bei halbnackten Frauen immer so einfach und gemütlich aus, wenn sie sich auf Motorhauben räkeln und ich stattdessen bloß Rückenschmerzen bekomme?“
 

Kato schnaubte. Hatte er nicht Recht gehabt? Aber das glaubte ihm ja kaum jemand. Kira, der Vernünftige. Ha, ha und ha.
 

Ich habe schon immer gewusst, dass er anders ist, dachte Kato befriedigt. Es ist schön zu wissen, dass ich Recht hatte.
 

„Dir haben die fehlenden Stunden Schlaf auf den Verstand geschlagen?“, lachte Kato. „Diese Frauen räkeln sich in der Regel auf schicken getunten Sportwagen. Was sagt dir das über deine Rückenschmerzen?“
 

„Das ich keine Frau bin?“
 

Kira löste seine Finger von Katos Hand, um auf sein ausgeblichenes Tshirt zu deuten.
 

„Das dies kein Sportwagen ist, mein Freund“, korrigierte Kato mit einem Grinsen. „Sondern eine alte Rostlaube, die mehr Sand im Getriebe hat, als die Wüste um uns herum.“
 

„Wir werden nun mal nicht bezahlt. Da habe ich einfach die nächste Karre genommen, die danach aussah, als ob sie dieser Reise hier standhalten würde“, meinte Kira mit einem Achselzucken und richtete sich umständlich auf bis er wie Kato auf der Kante hockte.
 

„Jetzt sag nicht, du hast sie geklaut?“, fragte Kato neugierig.
 

Weniger, weil er es missbilligte, als das er die Tat vollkommen gut hieß. Was waren schon materielle Besitztümer? Man musste sich halt zu helfen wissen und man wurde nicht jeden Tag vom Teufel persönlich von der Innenstadt Tokios in die Sahara verpflanzt, wo ziemlich schnell wurde, dass Grenzen und Gesetze nur auf dem Papier existierten. Kira hatte in der Vergangenheit eher immer wie der Typ gewirkt, der ein Pass beantragen würde, als einfach ein Auto zu klauen und davon zu brettern.
 

Dem breiten Grinsen nach zu urteilen, das ihm zugeworfen wurde, sollte Kato sich besser in Erinnerung rufen, dass Kira für jeden klugen Spruch auch mindestens genauso viel Unsinn begangen hatte, der das wieder ausglich. Zwar war Kira weder dumm noch unbesonnen, aber er bestimmte auch mehr nach Lust und Laune, ob er die Zigaretten von dem Laden an der Ecke bezahlte oder doch lieber mitgehen ließ. Sein wissendes Lächeln und seine Intelligenz, brachten die Leute dazu ihn zu unterschätzen. Einem ungebildeten Tropf wie Kato traute man niedere Beweggründe eher zu.
 

Niedere Beweggründe, tss ... das klingt wie Uriels übliche Gründe für Todesursachen, wenn er Papierkram erledigt. Das kleine weiße Kästchen in der Ecke, das man auszufüllen hat, erinnerte sich Kato an die Zeit, die er bei seinem Meister im Hades verbracht hatte.
 

Wobei Zeit nicht wirklich der richtige Ausdruck war. Es gab keinen Tages- und Nachtwechsel, sondern nur Dämmerlicht, weil das Totenreich so abgeschirmt war, dass selbst die Auswirkungen der ältesten Macht der Welt kaum zu bemerken waren. Ganz anders als hier, wo es Kato irritierte, dass es so schnell dunkel und wieder hell wurde. Wie sollte man denn bei dem Tempo mithalten?
 

Es mochte daran liegen, dass er gefühlte Ewigkeiten mit seinem Meister verbracht hatte und selbst der Unterricht und die Turbolenzen in der Außenwelt zweitrangig geworden waren. War er ehrlich zu sich selbst, dann hatte er Setsuna geholfen, weil er ihm etwas geschuldet hatte. Ähnlich wie Uriel selbst war er aus eigenem Antrieb in Anagura aufgetaucht, um den leblosen Körper zu stehlen. Mehr noch, das Treffen mit den anderen Erzengeln, dass Uriel provoziert hatte, war eine Handlung gewesen, sich selbst etwas zu beweisen. Setsuna war nur der Antrieb dafür, aber nicht der Grund. Nicht Setsuna war der Grund, warum er vor den Toren des Himmels sein Ende gefunden hatte.
 

Automatisch wanderte Katos Blick zu Kira herüber, dessen Gesichtsausdruck natürlich gerade jetzt seinem Ebenbild viel mehr glich als sonst, weil er in Gedanken versunken war. Keine Regung zeigte sich in der Miene, sodass die Ähnlichkeit mit Luzifer durch dessen Poren siebte, wie Wasser durch ein Fischernetz. Trotzdem sah Kato den Unterschied, auch wenn er nicht begriff, warum viele Dämonen das nicht fertig brachten. Kiras Haar war braun, nicht schwarz und seine Haut auch lange nicht so blass.
 

Vielleicht bringen sie es ja nicht fertig, weil sie sich nicht auf die Unterschiede konzentrieren, sondern auf die Ähnlichkeit, mutmaßte Kato. Es gibt bestimmt nicht viele Wesen in den Welten, die behaupten können wie Luzifer zu sein.
 

Seine Gedanken schweiften ab zu all den Dingen, denen er bereits begegnet war, um sie mit Luzifer zu vergleichen. Hin und wieder konnte er Vergleiche anstellen, so wie zum Beispiel der Schatten seines Meisters mit der Schwärze gleichkam, die den Teufel umgab, aber Kato wollte niemand einfallen, der ein wirkliches Gleichheitszeichen in Bezug auf Luzifer verdient hätte. Niemand war so unnahbar und gleichsam so einnehmend, dass man bis nach Sheol folgte. Zuzüglich zu dem Wissen, dass man vermutlich in sein Verderben rannte.
 

„Dabei bin ich ja auch nicht besser“, murmelte Kato kaum hörbar zu sich selbst. „Den eigenen Arm habe ich mir abgerissen, um mein Schwert in seine Eingeweide rammen zu können.“
 

Trotz des Wissens, dass er keine Chance gegen den Teufel hatte. Zwei Mal gegen eine Wand zu rennen hatte ihm nicht gereicht, er musste auch drittes Mal dem Höllendrachen nur mit einem Schwert entgegentreten, dass ihn nicht verletzten konnte, nur um eine Rechnung zu begleichen. Nicht wegen Setsuna war er dort gewesen, nicht wegen dem noblem Grund einem eingesperrten Engel zu helfen, sondern nur um Luzifer eine Reinzuhauen. Nur, damit er sich sicher sein konnte, dass es seine eigene Entscheidung gewesen war, den ruhigen dämmrigen Hades zu verlassen und es sich lohnte, sich dem absoluten Licht der Sonne und der unendlichen Finsternis der Nacht auszusetzen.
 

„Hat es das jetzt?“, brummte Kato vor sich hin. „Jetzt sitze ich wieder hier...“
 

... mitten in der Wüste, wo sich die pralle Sonne über den Horizont schob und langsam ihre rote Farbe verlor, weil der Morgen vorüber ging und es bald Mittag werden würde. Nur das Kira und er immer noch untätig auf dieser Motorhaube saßen und nichts mit sich anzufangen wussten. Es zwang sie ja keiner aufzustehen und weiter zu fahren. Den Antrieb dazu mussten sie schon selbst finden, aber ob sie jetzt hier sitzen blieben oder nicht.
 

Andererseits hatte Kira sich über Rückenschmerzen beklagt und sich deswegen aufgesetzt. Saß der etwa nur hier, weil Kato sich nicht rührte? Sah so aus, denn Kira betrachtete ihn vielsagend. Wohl, weil er zu ergründen versuchte, warum Katos Gedanken bei geklauten Autos einfach abschweiften.
 

„Fertig mit den Selbstgesprächen?“, fragte Kira und sah jetzt weitaus wacher aus als vorhin, wo Kato sich zu ihm gesetzt hatte.
 

„Jep“, antwortete er selbst mit einem Nicken und ging nicht näher darauf ein, was ihn abgelenkt hatte.
 

Auch Kira musste nicht alles wissen, das tat er ohnehin schon zu genüge.
 

„Brechen wir dann auf?“, setzte Kato noch nach. „Jetzt wo du dein kümmerliches Frühstück aufgemümmelt hast und bei dem Licht an Schlaf nicht mehr zu denken ist...“
 

„Gern“, meinte Kira und sprang endlich von der Motorhaube. „Wir sollten sehen, dass wir zur Straße zurück finden, denn ich bin diese Konserven langsam Leid. Außerdem ist querfeldein durch die Wüste zu fahren, nicht ganz so mein Ding.“
 

Während Kato ebenfalls vom Wagen glitt und Kira hinterher stampfte, der leicht das Gesicht verzog, weil er immer noch barfüßig war, konnte er es nicht lassen seinen Freund ein bisschen aufzuziehen.
 

„Wieso hast du Angst vor der großen weiten Wüste, du Stadtmensch?“, neckte Kato, der aus dem Hades und aus dem Himmel die fehlende Zivilisation eher gewöhnt war als Kira. Zumindest war Kato dieser Ansicht, schließlich war es ein bisschen schwierig zu sagen, inwiefern Luzifer Einfluss auf dessen Erinnerungen genommen hatte.
 

„Nicht vor der Wüste“, bemerkte Kira.
 

Er duckte sich, um sich an dem Teppich vor dem Lehmbude vorbei und durch die schmale Tür zu drücken, wo seine restlichen Kleider noch drin lagen. Mit einem Handgriff griff er seine zerfledderte Hose und stieg hinein, als Kato neben ihm in die Hocke ging und ihre wenigen Schlafsachen zusammensuchte, die sie besaßen.
 

Zugleich sah er ihn abwartend an und Kira beendete seinen Satz mit einer eindringlichen Betonung, indessen er seinen Gürtel schloss und seine Socken hervorzog, die er sich in seine Schuhe gestopft hatte.
 

„Nur vor der Orientierungslosigkeit, die uns ohne Karte erwarten kann“, sprach er seine Bedenken aus.
 

Mit Interesse verfolgte er wie Kato beim zusammenrollen der Decke innehielt und von unten zu ihm herauf schaute. Ganz konnte er den Blick nicht deuten, aber es lag mehr darin als nur ein flapsiger Kommentar über ihr nächstes Reiseziel.
 

Doch da Kato nichts von sich gab, sondern bloß damit fortfuhr ihre Spuren in ihrer nächtlichen Unterschlupf zu beseitigen, fuhr Kira fort: „Man kann schließlich nie sagen, wo die Wüste einen wieder ausspuckt. Glaube mir, ich habe Erfahrung damit.“
 

„Echt?“, wollte Kato aus einer Mischung von Neugierde und Unglaube wissen, „Wann wurdest du denn das letzte Mal in die Wüste geschickt?“
 

Mit einem leichten Grollen überging Kira Katos absichtliche Formulierung des Satzes, als er sich auf die Matratze niederließ, um sich seine Schuhe anzuziehen und zuzubinden.
 

„Lass mich nachdenken, das muss circa 1187 nach Christus gewesen sein, als Sultan Saladin gerade Jerusalem erobert hatte und wir quer durch die Wüste fliehen mussten“, erinnerte sich Kira an eine von Alexiels zahlreiche Wiedergeburten. „Nicht, dass es das letzte Mal war. Sie war besessen von Gott und dieser Stadt. Ihre Seele hatte praktisch Jahrhunderte dort verbracht, weil sie sich weigerte zu gehen. Das fand erst ein Ende, als die Kinderkreuzzüge um 1212 ihr das endgültig austrieben.“
 

Kira unterbrach seine Rede, als ihm auffiel, wie Kato ihn mit offenem Mund anstarrte.
 

„Oh“, meinte er leise, „das hatte ich vergessen.“
 

„Was vergessen?“, fragte Kato erstaunlich ruhig und schaffte es den entsetzten Gesichtsausdruck wieder zu verdrängen. „Mir zu sagen, dass du dich an alle Inkarnationen vor Setsuna erinnerst? Ich dachte, das erledigt sich, wenn du einen neuen Körper übernimmst.“
 

Kira zuckte mit den Schultern und widmete sich seinem zweiten Schuh, damit er Katos bohrendem Blick entgehen konnte. Es wäre ihm fast lieber gewesen, wenn die Reaktion weniger ruhig und gelassen gewesen wäre. Aber es hatte nun einmal Auswirkungen, wenn der Engel der Erde selbst die Erziehung einer jungen Seele übernahm. Selbst wenn das noch nicht erklärte, warum Kato wusste, wer Sultan Saladin war.
 

Das würde er noch herauskriegen, aber nicht jetzt.
 

„Erinnern ist das falsche Wort“, erklärte Kira. „Ich habe nur nicht bewusst daran gedacht. Es war eine andere Zeit und ich habe weder das Wissen noch die Erfahrung gebraucht, die ich dort gesammelt habe.“
 

„Hm...“, machte Kato und das Geräusch ließ Kira aufsehen.
 

Die braunen Augen starrten ihn eindringlich an, als würden sie tiefer in Kira blicken, als ihm das lieb war. Von der menschlichen Geschichte zu erzählen, war eine Sache. Sich in Erinnerung zu rufen, wie lange er Alexiels Waffe gewesen war, eine Andere. Er hatte Jahrhunderte lang Juden, Christen, Moslems und Engel getötet, weil dort einer der astralen Punkte lag, welche die Glaubenskämpfe nur noch verstärkten, da sie die Vorgänge von Himmel und Hölle widerspiegelten.
 

Ähnlich wie er hinter Katos Augen den Tod sehen konnte. Es fehlte ein bestimmter Schimmer, den die Lebenden besaßen, einfach weil sie nicht wussten, was sie nach ihrem Ableben erwartete. Selbst Geister, Echos und die Seelen von Verstorbenen hatten nicht den einnehmenden dunklen Glanz, der von Katos Aura ausging. Möglicherweise, weil Kato das Totenreich nie wirklich verließ, sondern es immer mit sich herumtrug, wo immer er auch hinging.
 

Uriel, erkannte Kira. Er ist der schwarze Schatten, den Katos Flügel werfen.
 

Nicht, dass er sie sehen musste, um das zu wissen. Es reichte die Ahnung und das Spiel von Licht und Schatten an der Wand, das die Sonne verursachte.
 

„Gehen wir jetzt?“, fragte Kira Katos standhaftem Blick ausweichend, als er aus dem Augenwinkel sah, dass sie das Meiste eingepackt hatte.
 

„Jederzeit“, erwiderte Kato und richtete sich auf.
 

Dann verließ er die Lehmhütte mit dem Bündel ihrer Sachen in der Hand, um sie auf die Ladefläche ihres Jeeps zu werfen.
 

Kira hingegen fragte sich, was gerade in Kato vorgegangen war, das er zu verstehen verpasst hatte.
 

xxx
 

Ja ha! Viel zu spät mal wieder und ich bin noch lange nicht da, wo ich sein wollte, aber solange sich keiner über meine Ausführlichkeit beschwert, geruhe ich jetzt hier zu unterbrechen, da ich das gesamte Wochenende nichts anderes getan habe, als an diesem Kapitel arbeiten. Kira und Kato sind eine willkommene Abwechslung. Charaktere, die ich wirklich vermisst habe.
 

mangacrack



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