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Elementary Angels

Trilogie - Staffel 3
von

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Unerwarteter Wandel

Kapitel 27 ~ Unerwarteter Wandel
 

~ Juline Coldfire ~


 

Nachdem Elohim und Destinia mich mit meinem bewusstlosen Freund in einer Seitengasse alleine gelassen haben, war ich verzweifelt und wütend zugleich. Ich fühlte mich im Stich gelassen. Was sollte ich jetzt tun? Ich konnte Adriano schlecht hier liegen lassen. Er war aber auch zu schwer um von mir getragen zu werden. Zudem plagte mich die Angst vor der Reaktion von Maiko, Maya und Jade. Ich war es, die große Reden geschwungen hat. Die ihnen Hoffnung machte. Und ich hatte versagt.

Ich sollte stark sein, doch grade war ich einfach nur unsicher. Natürlich hoffte ich, dass Adriano schnell wieder wach werden würde. Doch auch davor hatte ich Angst. Er hatte mir immerhin vorgeworfen nur mit ihm zusammen zu sein, weil Elohim die ganze Zeit bei ihm war. Das tat so weh. Für wen hielt er mich eigentlich? Klar, wir kannten uns nicht lange und wir waren auch erst seit kurzem zusammen, aber dass er mir sowas zutrauen würde... Diese Beziehung hatte keinen guten Start und bekam nicht einmal die Chance aufzublühen. Ständig kam etwas dazwischen. Wann hatten wir eigentlich Zeit füreinander seit wir zusammen waren?

Ich vermisste die Zeiten als wir alle noch miteinander Spaß hatten und lachen konnten. Als wir zusammen saßen und nur Müll geredet hatten. Die Zeiten als Adriano und ich uns immer näher kamen.

Wie oft dachte ich in den letzten Tagen, dass Jade recht hatte? Dass ich nur Unglück über alle bringe, seit ich hier bin. Aber dafür konnte ich doch nichts...

Ich nahm Adriano fest in meine Arme und weinte still vor mich hin. Jetzt wo Lumen ihm alles knallhart erzählte würde sicher nichts mehr wie vorher sein. Vielleicht war unsere Beziehung schon vorbei bevor sie überhaupt richtig anfangen konnte. Der Gedanke brach mir das Herz. „Ich will dich nicht verlieren...“, jammerte ich und drückte ihn noch fester. Mein Herz schlug schnell, mein Magen brannte. Zu oft kam das in letzter Zeit vor. Und wie lange sollte es so weiter gehen?

„Juline! Hier bist du!“ Ich schreckte auf und sah Dad auf uns zulaufen. Wie erleichtert ich auf einmal war. „Papa!!!“ So erleichtert, dass ich ihm erstmal in die Arme fiel.

„Wart ihr im Himmelsreich?“ „Ja!“ „Okay... Und wo ist Lumen?“ „Die hatte keine Lust.“ „Hehe... Ja... Sowas dachte ich mir schon. Was ist mit deinem kleinen Freund?“

Während wir uns um Adriano kümmerten erzählte ich Dad was wir so im Himmelreich erlebt hatten.

„Du glaubst nicht wie schrecklich ich mich fühlte! Meine Flügel taten so weh...“ „Ja, das hätte ich dir vielleicht vorher noch sagen sollen. Aber ich dachte nicht mehr daran. Der Grund dafür sind die starken Lichtkräfte. Ein gefallener Engel wird dadurch ziemlich geschwächt.“ „Also hatte Elohim recht...“

Dad seufzte bei Adriano's Anblick und klatschte ihm rechts und links eine. „DAD!“ „Wach auf, Kleiner! Keine Zeit zum Pennen! Ist ja nicht zum Aushalten. Und auf sowas stehst du, Juline? Ich dachte mal, dass du nen richtigen Mann anschleppen wirst.“

Seine Aussagen waren mir unangenehm. Vor allem weil Adriano inzwischen wach wurde und hörte, was Dad über ihn sagte. „Na schönen Dank auch... Dass ihr alle so viel von mir haltet...“ „Was erwartest du? Ich bin immerhin Luzifer.“ Mies gelaunt und beleidigt wollte Adriano mich wieder von sich weg drücken, doch ich hielt meine Arme so fest um ihn wie ich nur konnte.

„Ich lasse dich nicht los!“ „Lass mich in ruhe... Lasst mich alle in Ruhe! Ich hab genug von allem gehört.“ Wieder versuchte er mich weg zu drücken, doch ich gab nicht nach. „Du behauptest ich wäre nur wegen Elohim bei dir... Er ist aber jetzt weg. Und ich bin immernoch bei dir! Aber wenn du mir keine Chance gibst es zu beweisen, dann ist dir nicht zu helfen.“ „Junge Liebe... Tzz...“, seufzte Dad und guckte etwas wehmütig in den Himmel.

„Ich bin verwirrt... Gib mir etwas Zeit.“ „Wenn du mich nicht komplett abweisen wirst, okay. Ich liebe dich! Nur dich! Egal ob Engel, Assistant, Mensch oder...“ „Sinnloser Klon...“ „Jetzt reiß dich mal zusammen!“

„Ich will euch beide in eurem Gefasel ja nicht stören. Aber mir scheint, als hättet ihr euren sterbenden Freund vergessen“, sagte Dad skeptisch und ich zuckte beim Gedanken an Chris und seine Familie zusammen.

„Mist! Grade ist alles so viel...“, sagte ich und half Adriano beim Aufstehen. „Was machen wir denn jetzt wegen Chris? Wir können ihn doch nicht sterben lassen!“, grübelte Adriano verzweifelt. „Dad, sag doch was! Tu irgendwas!“

Er schloss die Augen und lachte kurz kläglich auf: „Du erwartest zu viel von mir. Es gibt nichts was wir tun können, außer nun die Botschaft zu verkünden.“ „WAS!? Mann, du bist Luzifer, irgendwas musst du doch da machen können!“, fuhr Adriano ihn an, worauf er sofort böse Blicke kassierte. Und Dad's schwarze Augen konnten ziemlich beängstigend wirken.

„Sehe ich aus wie ein richtiger Engel? Pff... Der Junge ist mir sowieso egal.“

Für einen Moment musste ich an Metatrons Worte denken... Dass Dad eine potenzielle Gefahr darstellt. Doch ich sah es ihm an. Es war ihm nicht egal. Irgendwas ging in ihm vor. Dennoch konnten wir nun nichts tun. Ich musste mich stellen und den Hiwataris sagen, dass man Chris nicht helfen kann. Meine Angst war riesig.

„Ich hatte es ihnen versprochen... Dass ich eine Lösung finde“, stammelte ich betrübt, ehe Dad seine Hände auf meine Schultern legte: „Nächstes mal wählst du deine Worte und Versprechen mit Bedacht. Okay?“ „Ja... Gehst du mit mir? Ich hab Angst.“ „Aber nur weil du es bist...“, antwortete Dad grummelnd. Zu dritt liefen wir zu den Hiwataris. Ich wurde mit jedem Schritt nervöser.
 

Alle starrten uns erwartungsvoll an, als wir wieder zurück kamen. Chris sah fürchterlich aus. Er atmete nur noch sehr flach und das auch nur noch ganz unscheinbar.

„Da seid ihr ja endlich wieder!!! Ich dachte ihr wollt euch beeilen!“, schnauzte Jade gleich rum und sah dann erst zu Adriano. Offenbar fielen ihr seine Augen auf und dass sie wieder normal aussahen. Man sah ihr an, dass sie tapfer und standhaft bleiben wollte, doch letztlich fiel sie ihrem Bruder heulend in die Arme und schluchzte laut los.

„Juline! Wo ist Lumen?“, fragte Maiko. Ich wusste gar nicht wie ich ansetzen sollte. Unsicher fing ich an herumzustammeln, brachte aber die ausschlaggebenden Worte nicht heraus. Dad übernahm zum Glück diesen Part. Er hatte sich gegen die Wand gelehnt und die Arme verschränkt: „Elohim und Juline haben Lumen gefunden, aber sie weigerte sich mitzukommen“, sagte er schnell und einfach, während der Familie das Entsetzen anzusehen war. „Soll das heißen...“, keuchte Maya ohne den Satz zu beenden. „Ja, das heißt, dass es leider keine Rettung für ihn gibt. Verabschiedet euch.“ „ABER DAS KANN NICHT SEIN!!! WAS SIND DENN DAS FÜR ENGEL!?“, schrie Maya nun frei heraus und klammerte sich an die Hand ihres Sohnes.

Jade war starr vor Entsetzen und wurde von Adriano in den Armen gehalten. Maiko ballte die Fäuste und guckte nachdenklich zu Boden.

„Wir haben wirklich alles versucht...“, erklärte ich kleinlaut. „SCHWACHSINN!!! SICHER HABT IHR NUR RUMGETRÖDELT!!!“, wurde ich darauf von Jade angeschrien.

Ich wusste, dass sie so reagieren würde.

„Statt eure Zeit mit Rumgeschrei und Vorträgen zu verschwenden, solltet ihr euch lieber dem Jungen zuwenden und ihn in seinen letzten Minuten begleiten. Meine Tochter anzuschreien wird ihn auch nicht retten“, sagte Dad kühl und zog mich etwas abseits. Es tat so weh sie alle so zu sehen. Auch ich war traurig, obwohl ich nun nicht allzu viel mit Chris zu tun hatte.

Ich wäre gerne für Adriano da gewesen, aber ich fühlte mich zu ausgeschlossen als mich nun dazu zu setzen. Außerdem hatte er Jade. Ob sie die restliche Familie informiert hatten? Eher nicht, sonst würde das Haus jetzt platzen. Was würden Jo und Melody zu all dem sagen wenn sie erst wieder da sind?

„Dass wir wirklich nichts tun können... Ich verstehe Lumen nicht.“ „Was hat sie denn gesagt?“, fragte Dad leise. „Sie meinte dass ich einfach zurückkehren sollte. Alles andere würde sich ergeben.“ „Informativ wie immer, die Frau.“ „Ich hatte mehr von den Engeln erwartet. Du hast mir doch mal erklärt, dass sie es als Ehre betrachten die Menschen zu beschützen und als höhere Wesen bewundert zu werden... Aber wahrscheinlich haben sie ihre eigenen Prinzipien verraten.“

Eine ganze Weile verging und wir schwiegen einfach nur. Ich fühlte mich schwach und hilflos. Nun warteten wir nur noch auf Chris' Erlösung. Dad schien schwer am Grübeln zu sein. Irgendwas beschäftigte ihn.

„Dad? Was ist los? Woran denkst du?“ Er reagierte erst nicht, dann lächelte er mit einem eher kläglichen Ausdruck: „Ich dachte nur grade daran... All die Jahre, die ich mit meinem Hass verbrachte. Wie ich trotzig über Gott und die Menschen dachte. Dass wir Engel nur die Sklaven von den minderen Kreaturen sind. Aber wir sind die stärkeren und somit wird zu uns aufgesehen, sie setzen ihre ganzen Hoffnungen in uns... Nie hat jemand von Sklaverei geredet. Nur ich...“ „Und nun? Was bringen diese Gedanken noch?“ „Genug davon... Feye hatte recht. Wir sind keine Diener, sondern die Beschützer.“

Ich verstand nicht wirklich warum Dad all das auf einmal durchdachte und was er nun vor hatte. Entschlossen ballte er die Fäuste und ging zu den Anderen ins Zimmer. Sie waren so kaputt und fertig, dass sie nichts zu ihm sagten. Nur als er Maya von Chris' Hand weg jagte, sie packte und seine eigene Hand hob, bekam er ängstliche Blicke zugeworfen. Wollte er ihn umbringen um es schnell zu Ende zu bringen!? Ich war noch verwirrter als sowieso schon.

Plötzlich redete Dad irgendwelche Worte und seine Hände strahlten genauso hell wie das Licht, das ich zuvor bei meiner Ankunft im Himmelsreich wahrnahm. Ich hörte die andern noch aufschreien und legte meinen Arm schützend vor meine Augen, die schon wieder brannten.

Was war das!? Es wollte gar nicht mehr aufhören. Mir kam es ewig vor bis dieses Licht wieder weg ging. Ich war so geblendet, dass ich erstmal überhaupt nichts erkannte, bis ich endlich Umrisse sah. Was ich dann sah wollte ich aber kaum glauben! Mein Dad saß bei Chris am Bettrand und hielt ihm die Hände, die immernoch mit Lichtenergie leuchteten. Aber nicht nur er saß da. Auch Chris saß und war wieder bei Bewusstsein. Zwar wirkte er noch erschöpft, aber es ging ihm deutlich besser! Er sah Dad skeptisch an... Aber auch ich konnte meinen Blick kaum noch abwenden. Dad hatte sich verändert! Er war plötzlich wieder Blond. Mir fiel das Atmen schwer, so fassungslos war ich. Auch seine Kleidung war nicht mehr schwarz sondern fast ausschließlich weiß. Er strahlte eine überaus starke Lichtaura aus. So eine Aura hatte ich noch nie gespürt.

„Was... Was passiert hier?“, fragte Maya mit kratziger Stimme. Maiko hatte sie im Arm und schwieg. Auch Jade und Adriano hatte es die Sprache verschlagen.

Endlich ließ Dad Chris' Hände los und guckte ihm einen Augenblick in die Augen.

„Das dürfte erledigt sein. Pass in Zukunft besser auf, verstanden?“ „J-ja...“, stammelte Chris verwirrt und guckte in die Runde. Maya und Jade stießen einen Jubelschrei von sich und fielen sofort über Chris her. „Es... Es ist ein Wunder“, sagte Maiko völlig baff. Als Dad sich zu mir drehte sah ich auch seine Augen. Sie waren hellblau. Wie... Damals. Goldenes Haar und blaue Augen. Sie wirkten aber traurig und unsicher. Leicht verwirrt...

„Luzifer...“, setzte Maiko an, doch Dad schüttelte den Kopf: „Ist okay. Ich hätte mich schneller überwinden sollen das letzte bisschen Lichtkraft in mir zu nutzen um das zu tun. Naja... Ich... Ich muss los.“ „Aber...“

Schneller als wir noch was sagen konnten, drängte Dad sich an mir vorbei und verließ schlagartig das Haus. Ich guckte nochmal zurück zu Chris und den erleichterten Gesichtern ehe ich meinem Dad hinterher rannte. Fast hätte ich die Spur verloren, doch dann sah ich ihn am Himmel weg fliegen und folgte ihm weiterhin.

Er landete auf dem Dach von unsrem Hotel, in dem Melody und ich wohnten und schlug mit der Faust gegen die Mauer vom Treppenhauseingang. Schweigend sah ich ihm dabei zu wie er seine blutende Hand hielt, sich hinsetzte und gegen die Wand lehnte.

„Hast du dich jetzt abreagiert? Was ist eigentlich grade los mit dir?“ „Sie wusste es... Sie wusste, dass ich ihn nicht abkratzen lassen würde und was mit mir passiert, wenn ich ihm helfe.“ „Wie? Meinst du Lumen? Deswegen hat sie uns nicht geholfen!? Aber wieso hast du ihm geholfen? Ich dachte er sei dir egal.“ „Ich hab ihm geholfen weil... Feye ein verdammtes Weichei aus mir gemacht hat. Schau mich an... Das war's mit der dunklen Herrschaft.“ „Du siehst gut aus. Und deine Lichtkräfte scheinen deutlich stärker zu sein als die Dunkelheit, die du vorher hattest.“

In der Tat machten nicht nur die blonden Haare und die blauen Augen den Unterschied. Er wirkte jünger und frischer. Obwohl sich ja an seinem Alter nichts geändert hatte. Luzifer, der schönste aller Engel... Ja, das schien er wohl zu sein. Wenn Mum ihn so sehen würde! Und Reeza – sie würde ihn auslachen. Ich setzte mich lächelnd neben ihn.

„Was hast du jetzt vor?“ „Ich weiß nicht... Ins Himmelsreich gehen und Lumen erschlagen?“ „Hehe... Ja, das hat sie sich verdient. Nicht nur deswegen.“ „Sie ist nunmal so erschaffen worden. Dafür kann sie nichts.“

Seine Worte erinnerten mich an die mysteriöse Frau aus meiner Kugel. Als sie mir erklärte dass Metatron nichts für sein Verhalten könne, weil er so erschaffen wurde. Er knirschte die Zähne zusammen und heilte seine verwundete Hand in Sekundenschnelle.

„Alles wofür ich die letzten Jahrtausende gelebt habe ist bedeutungslos...“, sagte er leise während er wieder in den Himmel guckte und eine Träne von seinen Wangen tropfte. Sein Verhalten verwirrte mich schon etwas. Ich sah ihn vor Mama's Tod noch nie weinen. Nun schon das zweite mal.

„Dad... Fühlt es sich anders an, jetzt wo du wieder ein richtiger Engel bist?“ „Alles fühlt sich komisch an. Es tut... nur noch viel mehr... weh. Willst du nicht zu deinem Freund zurück? Ich mag nicht, wenn du mich so siehst.“ „Pff! Als ob ich dich jetzt so alleine lassen würde! Du brauchst nicht vor mir zu tun als wärst du der Größte. Der bist du auch mit Tränen für mich.“

Er starrte mich verblüfft an und schluchzte los, als ich meine Arme um seine Schultern legte. Eine seltsame Szene. Ich wusste nicht wie lange das so ging, aber irgendwann beruhigte er sich wieder.

„Kaum bin ich wieder blond benehme ich mich wie ein Idiot.“ „Sarkastisch bist du immernoch. Über Blondinen macht man keine Witze!“ Nun lachte er. „Es ist echt komisch. Ich spüre meine verdrängten Gefühle viel eher als vorher. Es tut so weh an Feye zu denken. Ich vermisse sie so...“ „Ich vermisse Mama doch auch.“ Ich lehnte mich an seine Schulter und dachte an früher... Als unsere Familie noch glücklich war...
 

~ Adriano Coldfire ~


 

Trotz den negativen Dingen, die ich erst erfahren hatte, war ich gerade glücklich und erleichtert. Mein bester Freund war am leben! Egal was zwischen uns vorgefallen war, aber so weit hätte es nicht kommen dürfen. Einerseits war ich Juline und vor allem Luzifer dankbar für die Hilfe, andererseits hatte ich von Engeln einfach nur noch die Schnauze voll.

Mit einem Lächeln beobachtete ich Jade, die sich überglücklich um Chris' Hals warf und vor Freude heulte. Auch Maiko und Maya hielten sich glücklich in den Armen.

„Wer hätte gedacht, dass der Oberfiesling schlechthin letzten Endes dein Leben rettet“, lachte Maiko. „Ich hätte ihm das auch nicht zugetraut“, stimmte Maya zu und nahm ihren Sohn auch erstmal in die Arme. Nach einiger Zeit verzogen sich Maiko und Maya. Obwohl sie sich immernoch um Chris sorgten, wollten sie ihm nun auch nicht die ganze Zeit auf der Pelle hängen.

Auch ich wollte mich langsam auf den Weg machen. Ich fühlte mich unwohl, weil wir eigentlich alle Streit hatten. Außerdem war es nicht grade aufbauend ein glückliches Paar vor der Nase sitzen zu haben, wo ich selbst nicht wusste wie es überhaupt weiter gehen sollte. Die Sache mit Elohim verwirrte mich so sehr. Was war Lüge? Und was die Wahrheit? Es war eindeutig zu viel Wahrheit...

„Adriano! Bleib hier!“, rief mich Jade zurück und zog mich an der Hand wieder ins Zimmer rein.

„Was ist denn noch? Freut euch lieber auf eure Zweisamkeit!“ „Adde, bleib schon hier und setz dich zu uns“, meinte nun auch Chris. Ich schnaufte einmal tief durch und hockte mich auf den Sitzsack in der Ecke. „In letzter Zeit sind einige Dinge echt blöd gelaufen...“ „Jaja, schon, Jade. Aber es hagelte ja nur Vorwürfe, weiß Gott warum.“ „Vielleicht weil du Fabio's Gefühle missachtet hast? Weil du Caro abgeschossen hast, seit Wochen total seltsam bist und dazu noch lieber mit deiner Tussi rumhängst als dich mal bei der Familie zu melden?“, meckerte Jade sofort wieder los. Chris gab ihr nen kleinen Schubs und schüttelte den Kopf: „Jade, du solltest dich auch langsam mal zusammenreißen und dein Temperament etwas unter Kontrolle kriegen. Wenn die Vorwürfe deinerseits nicht enden, wird sich kaum etwas ändern.“ Jade schien kurz über die Worte nachzudenken und verschränkte die Arme. Ein trotziges Schnaufen konnte sie sich dennoch nicht verkneifen.

„Er hat recht! Was kann man schon gegen seine Gefühle machen? Ich hab lange genug versucht es zu unterdrücken nur seinetwegen! Aber es ging nunmal nicht. Und dazu gehören immernoch zwei! So oder so wollte sie nichts von ihm. Egal ob sie nun mit mir zusammen ist oder nicht. Und es gab gewiss andere Probleme als mit euch am Bäumchen zu sitzen, Geschenke auszupacken und zu feiern! Falls ich dran erinnern darf – ein Haufen hirnloser durchgeknallter Engel treiben hier ihr Unwesen. Und es ist nur eine Frage der Zeit bis hier alles voller Dämonen ist. Dann haben wir den Salat!“

Darauf wusste Jade nichts mehr zu sagen. Ich hatte in letzter Zeit genug mitbekommen um zu wissen, dass die Engel allesamt durchgeknallte Psychopathen waren! Mir fiel in diesem Moment auf, dass ohne Elohim's Geist irgendwas fehlte. Nun war ich eigentlich nur noch ein unwissender dummer Junge mit schwächlichen Wasserkräften. Wenn vorher etwas war, griff er im Notfall ein... Und wenn es wichtige Informationen gab, wusste ich sie durch ihn. Dafür waren die Kopfschmerzen nun endlich weg und ich fühlte mich befreiter... Es hatte wohl alles seine Vor und Nachteile.

„Jetzt wo Luzifer wieder ein richtiger Engel ist, dürfte doch aber alles wieder gut werden, oder?“, fragte Chris unsicher und guckte mich dabei an als wüsste ich es.

„Keine Ahnung? Wäre wünschenswert...“

Wieder schnaufte Jade: „Apropos Engel! Sag mal... Was war denn das vorhin?! Ich bin euch gefolgt. Du warst komisch und hattest ne ganz andere Augenfarbe. Ich hab dich gar nicht wieder erkannt...“ Am Ende ihres Satzes wirkte sie unsicher und traurig. Chris wusste ja von allem nichts und blickte nur noch fragend durch die Runde. Ihre Frage konnte ich aber nicht wirklich beantworten, weil ich mich an nichts erinnern konnte. Sie kramte plötzlich in ihrer Tasche und brachte eine weiß leuchtende Feder zum Vorschein.

„Die hast... du?... verloren.“ „Was zur Hölle... Ist das eine Engelsfeder?“ , fragte Chris erstaunt und nahm sie an sich. „Na gut, ich glaube ihr solltet langsam auch erfahren was eigentlich los war. Der Grund für meine Kopfschmerzen und warum ich so oft mein Bewusstsein verloren hab war dieser Engel... Elohim.“ „Wie?“

Ich erklärte ihnen weitestgehend was es damit auf sich hatte. Aber manche Fakten verschwieg ich. Zum Beispiel, dass ich nur eine billige Kopie von ihm war. Und dass Juline mich wahrscheinlich nur ausnutzte um ihn zu finden. Jade hatte sowieso keine gute Meinung ihr gegenüber. Das musste nun nicht auch noch provoziert werden.

„Ja und jetzt hat er seinen eigenen Körper wieder und ich meine Ruhe.“ Jade und Chris wirkten fassungslos und sie kam mit recht blassem Gesicht in meine Arme gesprungen.

„Jetzt wird mir so manches klar... Ach Brüderchen, wie schlimm das für dich gewesen sein musste! Und jetzt geht’s dir wieder gut? Keine Kopfschmerzen mehr?“ „Nein, bisher nicht mehr.“ Sie drückte mich fest: „Ich mag nicht mehr mit dir streiten. Ich hab mir nur Sorgen gemacht und du fehlst mir so!“ „Dann hören wir damit auf und gut ist. Ich hab darauf auch keine Lust mehr“, gab ich zu und schien sie damit ziemlich glücklich zu machen. Chris lächelte zufrieden: „Na also, wurde auch Zeit. Und was machst du jetzt?“

„Ich werd euch jetzt wirklich alleine lassen. Es gibt da noch ein paar Dinge die ich klären muss.“

Ich musste Juline suchen, die ja einfach mit Luzifer verschwunden war. Wer weiß wie lange es dauern würde bis ich sie finde... Die konnten ja praktisch überall hingeflogen sein. Vielleicht haben sie sich auch schon ins Himmelsreich verzogen? Womöglich braucht sie mich sowieso nicht mehr, jetzt wo Elohim nicht mehr bei mir ist...

Während ich durch die Stadt lief und Ausschau hielt verfluchte ich meine Gedankengänge. Es schien alles so negativ. Warum musste ich mir alles so schlecht reden? Ich meine, wieso dachte ich so schlecht von meiner Freundin, die mir jedes mal beteuerte, dass sie mich liebt und anfangs nichtmal wusste, dass Elohim bei mir war. Wahrscheinlich hatte sie es mir nur verschwiegen, um mich zu schützen. Oder weil sie wusste, dass ich so darauf reagieren würde. Manchmal hasste ich mich selbst dafür. Obwohl ich mir krampfhaft die positiven Sachen einredete, blieben die Zweifel erhalten.

Leicht außer Puste kam ich gegen Abend am Strand an, wo ich Juline alleine fand.

„Da bist du ja! Endlich hab ich dich gefunden!“ Sie drehte sich zu mir und sah mich schweigend aber traurig an. Ich wusste gar nicht wie ich mich in dem Moment verhalten sollte. Ob sie meine Nähe überhaupt wollte... Mit langsamen Schritten ging ich zu ihr und setzte mich hinter sie in den Sand. Unangenehmes Schweigen lag zwischen uns und ich hatte keine Ahnung wie ich anfangen sollte.

„Wie soll es weiter gehen...?“, fragte sie leise und kaum hörbar. „Sag es mir... Weil was immer ich sage, es wird dir sowieso nicht gefallen... Oder du glaubst mir nicht“, fügte sie noch dazu. Es fühlte sich wie ein Hieb in die Magengegend an und machte mich nervös.

„Es tut mir ja leid, dass ich so drauf bin und in letzter Zeit so abweisend und misstrauisch war. Aber du musst das verstehen... Ich hatte noch nie mit diesem Engelskram zu tun.“ Sie lachte kläglich: „Engelskram... Wir sind also Kram für dich. Ich fragte mich schon als was du uns eigentlich betrachtest. Dich verstehen... Ich hab dich lange verstanden. Ich hab immer alles gemacht damit es dir besser geht. Hat es dich eigentlich jemals interessiert wie es mir geht? Hast du dich jemals gefragt wie es für mich war meine Mutter und Schwester sterben zu sehen? Wie es für mich war mich wochenlang zu fragen ob zumindest mein Vater und Aris noch leben? In eine fremde Welt zu kommen... Mit Vorwürfen verurteilt zu werden. Zum ersten mal zu spüren wie es ist verliebt zu sein nur um dann auch gleich zu erfahren wie weh das tun kann? … Ich hab nie darum gebeten mit den Engeln konfrontiert zu werden. Es ist eben die Welt in die ich geboren wurde. Ich liebe meine Eltern sehr und verdammt, ich habe eben meine Pflichten zu tun. Der Kerl, der meine Mutter umgebracht hat kann Menschen wie euch mit einem Schlag auslöschen. Ohne Skrupel und ohne Mühe. Ist es verwerflich, dass ich euch, den andern Teil meiner Familie, einfach nur beschützen wollte? Ich weiß, dass dir die Sache mit Elohim schwer fällt und dass es wirklich sehr schlimm ist was Lumen getan hat. Wie sie es dir gesagt hat. Ich kann das selbst nicht gut heißen. Aber zur Hölle nochmal! Im Kampf gegen einen überstarken Gegner war Elohim das Einzige, was blieb. Das einzige bisschen Hoffnung doch noch alle retten zu können. Weil er eben stark ist. Weil er es mit Chamuel aufnehmen kann! Und kaum hab ich etwas Hoffnung, machst du sie mir kaputt indem du mir vorwirfst mehr von ihm zu wollen! Ist dir eigentlich klar wie weh du mir damit tust? Ich wollte mit dir zusammen sein weil du mir gezeigt hast was Spaß bedeutet. Was diese besagten „Schmetterlinge im Bauch“ bedeuten! Weil du mir ein völlig anderes Leben gezeigt hast... Aber auf diese Art und Weise tut es zu sehr weh. Und alles was du sagst ist, dass ich deine seltsamen Paranoia Elohim gegenüber verstehen muss...“

Nach ihren Worten fühlte ich mich sprachlos und schlecht. Sie hatte ja recht... Alles hatte sich um mich und meine Probleme gedreht. Ihr ging es auch nicht gut und trotzdem blieb sie stark, hat immer versucht zu lachen und sich die Tränen zu verkneifen, was auch nicht immer funktioniert hat. Eigentlich sollte ich für sie stark sein und dafür sorgen dass es ihr besser geht. Doch ich jammerte sie nur wieder voll.

Ein Teil ihrer Worte erleichterte mich aber auch, denn immerhin wusste ich nun, dass sie wohl wirklich mit mir zusammen war weil sie mich liebte. Ich legte meine Arme um ihren Bauch und legte meinen Kopf auf ihren Rücken. Als sie dann anfing zu weinen hielt ich sie fest und fühlte mich schrecklich schuldig.

„Ich... Ich will dich nicht verlieren. Aber wenn du dich selbst immer weiter distanzierst weiß ich nicht wie ich dir da vielleicht irgendwann noch folgen soll...“ „Wenn du mir noch eine Chance gibst, werd ich dir versprechen, dass ich mich in Zukunft zusammenreißen werde! Ich werde mich bessern.“ „Wirklich? Meinst du, du schaffst das?“ „Ja, versprochen.“

Mein Versprechen tröstete sie etwas und endlich wurde es zwischen uns wieder lockerer. Jedoch machte es mir auch Angst.

„Weißt du, ich finde du solltest dir die Sache mit Elohim nicht so zu Herzen nehmen. Er sagte doch selbst schon, dass du dein eigenes Leben und deine Freunde hast. Du hast eine große Familie und deinen eigenen Verstand“, sagte sie, während wir auf das Meer guckten.

Es machte mir Angst ihr zu versprechen, dass ich mich bessern würde, denn ich wusste nicht, ob ich es halten könnte. So sehr ich mir auch wünschte so zu denken wie sie – ich konnte nicht. Elohim... Ich hasste ihn so sehr. Der große und tolle Engel, der alles hat und kann. Und ich, sein billiger Abklatsch...
 

~ Elohim ~


 

Gehasst, verabscheut, gefürchtet... Und ich wusste nichtmal warum. Der tolle starke Engel, sagt er. Was weiß er schon? Er hat keine Ahnung wie es sich anfühlt über Jahrtausende von absolut jedem gehasst und gemieden zu werden. Während er von seiner Familie und Freundin geliebt wurde, hatte ich in meinem Leben nur Einsamkeit. Und dennoch meint er ich sei etwas... Besseres? Ich lächelte wehmütig bei dem Gedanken. Was soll's, Adriano war halt dumm. Wie alle verwöhnten Menschen. Depressionen und Minderwertigkeitskomplexe... Wenn einer das Recht dazu hatte, dann ja wohl ich. Allerdings hatte ich schon ewig nicht mehr das Bedürfnis mich zu verkriechen und im Selbstmitleid zu versinken. Beleidigungen zogen mit der Zeit an mir vorbei. Ich interessierte mich einfach nicht mehr... Für niemanden.

Damals war es noch anders. Destinia war mein Leben, mein Ein und Alles. Wenn ich jemandem vertrauen konnte, dann ihr. Und obwohl es mir so schlecht ging, hatte ich meinen Halt bei ihr. Nur wegen ihr hatte ich durchgehalten, weiter gemacht und mich nicht der Dunkelheit zugewandt.

Wir waren immer zusammen und obwohl man uns schon früh erklärte, dass Engel sich nicht lieben durften, war etwas zwischen uns. Irgendwann wurde aus Freundschaft eben mehr... Natürlich erzählten wir niemandem davon. Wenn es im Himmelsreich Nacht wurde und die Engel schliefen, saßen Destinia und ich noch Stunden zusammen. Das war eine kurze aber sehr schöne Phase meines ewigen Lebens. Seit ich wieder meinen eigenen Körper hatte, konnte ich mich deutlich an alles erinnern. Die vielen Male als Destinia mich von Dummheiten abhielt. Wo sie sich zwischen mich und die Engel stellte. Sie in die Flucht schlug und mich verteidigte. Nähe und Zärtlichkeit... Alles was ich davon je erfahren hatte, kam von ihr. Es hätte auch ruhig noch länger so gehen können, doch mit dem Erreichen unserer Volljährigkeit endete auch Destinia's Ausbildung. Von dem Tag an war nichts mehr wie vorher.

„Ich... Ich habe jetzt kaum noch Zeit, tut mir leid. Aber ich habe meine Rolle und meine Aufgaben. Ich muss mich darum kümmern und Gott mit meinen Fähigkeiten dienen“, sagte sie damals zu mir. „Was!? Aber was wird dann aus uns? Scheiß auf Gott und das alles! Als ob das wichtig wäre!“ „Elohim... Ich kann nicht anders. Es ist meine Bestimmung! Wir werden uns wohl nur noch selten sehen können. Und ich hab es dir schon öfter gesagt: Du könntest dich auch mehr engagieren und dir einen Platz erarbeiten. Aber du grenzt dich ja selbst schon aus.“

Natürlich tat ich das. Weil ich sowieso schon wusste, dass sie mich abweisen würden. Destinia hatte keine Ahnung davon, wie man sich als bedeutungsloser Abschaum fühlen musste. Ich spielte keine Rolle im Himmelsreich. Wenn dann nur die des Außenseiters. Dem Sündenbock... Der, der an allem Schuld war, wenn man einen Schuldigen brauchte. Ich sah Destinia von dem Zeitpunkt eigentlich so gut wie gar nicht mehr. Und jetzt meint sie alles sei wieder gut nur weil sie mir folgte und mir was von Liebe erzählte. Doch trotz allem Ärger konnte ich ihr immernoch nicht recht widerstehen und ließ mich darauf ein Juline mit meinem schwächlichen Abbild alleine zu lassen nur um wieder ins Himmelsreich zurückzukehren und mir anzuhören was sie zu sagen hatte.

Ich setzte mich auf den Rand eines Brunnens, der grade in der Nähe war und versuchte Destinia wahnsinnig zu machen indem ich sie weitestgehend ignorierte.

„Elohim! Willst du mir nicht zuhören oder warum haust du vor mir ab? Lass es mich doch erklären! Ey!“ Ich antwortete ihr nicht sondern wendete mich ganz dem Wasser zu in das ich meine blaue Kugel rein fallen ließ, nur um sie dann wieder raus zu ziehen und das Ganze zu wiederholen. Was ein Spaß! Und wie schön das Wasser dabei anfing zu leuchten. Zumindest wusste ich nun was es damit auf sich hatte.

Wutentbrannt fing sie meine Kugel diesmal ab und hielt sie fest.

„Es tut mir doch wirklich leid, dass ich dich damals im Stich gelassen hab! Ich hatte doch keine Wahl! Du weißt wie streng hier alle sind... Ich wurde eben dazu erschaffen meine Schlüssel zu schützen und über Raum und Zeit zu wachen. Hätte ich sagen sollen, dass ich keine Lust auf das alles hab? Ich hab dich vermisst! Wirklich! Jeden Tag habe ich dich vermisst! Wir gehören zusammen... Du und ich. Das war doch schon immer so. Lass uns die vielen Jahre vergessen und wieder zusammen sein.“

Wir gehören zusammen... Ich sollte sie beschützen, weil sie wichtig war. Das sagte man mir damals. In gewisser Weise hatte ich also doch eine Rolle.

„Was willst du von mir hören?“, fragte ich sie nun. „Dass du mich immernoch liebst und dass wir gemeinsam gegen Chamuel kämpfen werden! Und dass wir danach für immer zusammen bleiben!“

Als ich seinen Namen hörte fuhr es mir durch den Magen. Ich wollte nicht wissen, dass grade er mein Vater war. Und wenn ich an meine Mutter dachte, fühlte ich mich einfach nur traurig. Sie muss so verzweifelt gewesen sein... Auch sie hatte niemanden, der ihr hätte helfen können.

Wie Chamuel wohl gehandelt hätte, wenn er die Wahrheit wüsste? Hätte er uns beschützt? Oder erst recht angegriffen? Vielleicht wäre er auch nie so geworden. Wer weiß es schon... Herausfinden würden wir es sowieso nicht. Ich hatte überlegt ob ich es ihm das nächste mal, wenn wir uns sehen würden, sagen sollte. Aber was machte das für einen Sinn? Er würde es nicht glauben... Und selbst wenn... Nein, ich würde es nicht erwähnen. Ich würde gegen ihn kämpfen. Gegen ihn als Feind ohne jegliche Verbindung zueinander.

Als ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen wurde spürte ich wie Destinia sich an mich geklammert hatte und ihre Arme fest um mich schloss. „Ich lass dich nie wieder los, wenn du mir nur noch diese eine Chance gibst. Erzähl mir was los ist! So nachdenklich hab ich dich noch nie erlebt.“ Ich wollte es ihr nicht erzählen. Sie würde sich nur wieder das Recht herausnehmen sich überall einzumischen und mir eine Meinung aufzudrängen. Es würden dann Sätze folgen wie: „Aber ihr seid doch eine Familie!“ Und so ein Zeug...

Mit meiner Antwort ließ ich mir Zeit. Bei ihrer Umarmung musste ich seltsamer Weise an Juline denken. Ob sie alleine mit dem Kerl zurecht kam? Juline... Süß war sie ja. Zu süß! Es war seltsam, dass ich sie so sehr mochte, obwohl ich sie eigentlich nur sehr kurz kannte. Vielleicht hatte es was mit dieser gewissen Rangordnung zu tun. Sie war immerhin Sacred Feye's Nachfolgerin. Und ich der Erbe der Wassergöttin. Meine Mutter wurde erschaffen um Sacred Feye zu dienen und das Element Wasser zu kontrollieren. Vielleicht kam daher diese seltsame Bindung zu Juline. Ich fühlte mich für sie Verantwortlich. Im Grunde war mir sonst jeder egal... Nur ihr wollte ich helfen und sie beschützen. Schon bei unsrer ersten Begegnung war es eine Intuition... Als wäre es einfach meine Pflicht.

Ich hoffte es war diese sogenannte „Rangordnung“ und nicht irgendwelche Gefühle, die ich nicht gebrauchen könnte. Wieder war ich in Gedanken abgedriftet! Mist! Ich wollte Juline, Chamuel und einfach alles mal aus meinem Kopf verdrängen. Und obwohl es sonst nicht meine Art war, bot sich die Gelegenheit Destinia dazu auszunutzen.

Ich legte meine Arme um sie und küsste sie ohne irgendwas zu sagen. Schnell war zu merken wie die Anspannung aus ihr wich. Vielleicht sollte ich ihr wirklich die Chance geben. So oder so waren wir aneinander gebunden. Das alles wäre doch erträglicher wenn man es freiwillig durchleben würde und sich gut versteht. Ich sollte mich wieder auf sie einlassen. Die Gefühle würden bestimmt von alleine zurückkehren. Und je schneller ich sie wieder lieben würde, desto unwahrscheinlicher wären dumme Gedanken für Personen, an die ich sowieso nicht kommen könnte. Wie konnte ich Juline überhaupt mögen? Ihr Vater hat schließlich meine Mutter auf dem Gewissen. Aber... Meiner auch ihre... Gott, wie bescheuert!

„Heißt das, dass du mir nochmal die Chance gibst?“, fragte Destinia hoffnungsvoll. „Ich kann nicht versprechen, dass ich von heute auf morgen genauso verknallt ich dich bin wie damals. Aber ja, warum nicht.“ „Jaaa! Ich verspreche dir, dass ich dich nicht nochmal verlassen werde!“ „Besser wäre es...“

Wieder sprang sie mir in die Arme und mit geschlossenen Augen standen wir eine Weile so da. Für einen kurzen Augenblick fühlte ich mich sogar fast wie früher, als es nur uns beide gab und unsre Gefühle füreinander alles Negative weg schafften. Sie küsste mich erneut und seufzte zufrieden: „Ich bin so froh dich wieder zu haben! Ich liebe dich...“ Für einen kurzen Augenblick stockte mir der Atem. Mein Bauchgefühl erwiderte nichts... Aber... Besser sie als die ewige Einsamkeit, oder? Ich kniff die Augen zusammen und umarmte sie fester: „Ich liebe dich auch...“

Irgendwie war ich erleichtert, als Destinia wehmütig einige Angelegenheiten regeln musste und Aufgaben zu erledigen hatte. Endlich konnte ich nach allen Ereignissen mal völlig für mich sein.

Alleine setzte ich mich erneut an den Brunnen und spielte mit dem Wasser, während ich nachdachte. Ich hatte eigentlich noch so viele Fragen.
 

„Du weißt, dass du ein gefährliches Spiel eingehst“, sagte Lumen, als sie eine ganze Weile später zu mir kam. „Von gefährlichen Spielen hast du ja Ahnung“, konterte ich leise. „Ich musste es so geschehen lassen.“ „Du hättest mir ruhig auch so erzählen können, wer meine Eltern sind. Dazu hätte man mich nicht achtzehn Jahre in den Körper meines Klon's sperren müssen.“ Sie lächelte und setzte sich neben mich: „Hättest du mir denn geglaubt?“ „Das... Ist eine gute Frage. Ich glaube nicht. Das mit meiner Mutter vielleicht. Aber der Teil mit Chamuel ist eine andere Sache.“ „Hm, deine Kräfte, die Kugel, deine Augen... Das sind gute Beweise dafür. Es wundert mich, dass Metatron und seine Gefolgschaft nie darauf kamen.“ „Mich nicht, so dumm wie die sind“, antwortete ich trist. Nachdenklich starrte ich in den Himmel.

Lumen beobachtete mich mit ihrem typischen Lumen-Lächeln. Wie unangenehm!

„Es ist schön, dass du wieder hier bist“, sagte sie schließlich, was mich dann doch wunderte. Sie bemerkte meine fragenden Blicke. Sowas hörte ich aber auch nicht oft... Dass es jemand schön findet, mich bei sich zu haben... „Jetzt schau nicht so. Ich habe dich als Baby aufgenommen und dich aufgezogen. Du bist mir wichtig. Und natürlich hatte ich dich die vielen Jahre vermisst.“

Ihre Worte machten mich verlegen. Ich dachte eigentlich, dass ich ihr immer nur eine Last war.

„Aber wieso grade ich? Nur um meine Herkunft herauszufinden?“ Nun wurde ihre Mimik etwas ernster: „Nein, nicht nur, das muss ich zugeben. Natürlich weißt du von uns allem am besten, wie schwer du es hattest. Dein ganzes Verhalten, deine Blicke. Wie du dich ausgegrenzt hast und immer mehr in Depressionen versunken bist... Es war nur eine Frage der Zeit, bis du der Dunkelheit verfallen wärst.“ „Ich... Ich hatte nie vor...“ „Sowas passiert schneller als man gucken kann und dann gibt es kaum noch ein Zurück. Chamuel's und Luzifer's Verlust sind für das Himmelsreich sehr tragisch. Und du... Mit deinen enormen Kräften... Wenn du dich an uns allen hättest rächen wollen, wäre das der Untergang. Es hätte nicht aufgehört und schließlich wärst du sehr wohl ein Gefallener geworden. Um das zu verhindern und deiner selbst willen, musste ich handeln und dich aus der Situation rausholen. Es war die einzige Lösung.“

Auf ihre Worte schwiegen wir eine Weile um darüber nachzudenken. Bewegte ich mich wirklich so nah an der Grenze der Dunkelheit? Wenn ich an meine Gefühle zurück dachte. Ja, schon... Ich hatte so viel Hass und Wut in mir. So viel Trauer und absolut keinen Lebenswillen. Alles war mir egal... Einzig das Versprechen an Destinia hielt mich lange davon ab. Doch als selbst sie mich im Stich ließ wurde alles noch viel schlimmer. Lumen hatte recht. Hätte sie mich nicht einige Jahre da raus geholt, hätte es übel enden können.

„Hast du... Die Zukunft auf diese Weise gesehen?“, fragte ich leise. „Hm... Ja. Und ich habe sie verhindert und geändert.“ „War ich wenigstens sehr grausam? Und hab ich Metatron zuerst gelyncht?!“ „Was?! Du bist blöd!“, sagte sie amüsiert und stand wieder auf. „Ey! Das war eine ernsthafte Frage!“ „Hihi, und ich hab jetzt ernsthaft zu tun. Wenn du mich also entschuldigst. Genieße noch etwas die Ruhe, ich schätze es ist die Ruhe vor dem Sturm.“
 

Wahrscheinlich, dachte ich mir während ich meine blaue Kugel wieder durchs Wasser trieb.
 

Kapitel 27 ~ Unerwarteter Wandel ~ Ende ~ Fortsetzung folgt ~



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