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Elementary Angels

Trilogie - Staffel 3
von

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Ein Blick in die Vergangenheit

Kapitel 19 ~ Ein Blick in die Vergangenheit
 


 

~ Juline Coldfire ~


 


 

Als ich in dieser Weihnachtsnacht zum ersten mal glücklich neben Adriano schlief, träumte ich von dieser Frau aus dem Stein, den ich vor Kurzem bekommen hatte. Sie schien ein wenig mehr Kraft zu haben als bei unsrer letzten Begegnung und stand dieses mal aufrecht vor mir. Sie sah so hübsch aus... Ich hatte noch nie eine so hübsche Frau gesehen. Ihre Haare strahlten so hell und glänzten. Wahrscheinlich waren sie seidig weich.

Auf einmal lächelte sie mich an, was mir ein ganz warmes Gefühl gab: „Du bist sehr mutig“, sagte sie. Ihre Stimme klang herrlich und durchhallte die ganze Umgebung, die einfach nur schwarz und dunkel war. Dass sie mich ansprach, überrumpelte mich so sehr, dass ich gar nicht antwortete, sondern sie verträumt anstarrte.

„Juline... Du widersetzt dich Gottes Gesetzen und liebst einen Assistant. Also eigentlich einen Menschen.“ „Wie...? Ich kann nicht anders!“, versuchte ich mich zu rechtfertigen. „Wer bist du eigentlich!? Verrate mir mehr über diese Gesetze! Ist es wirklich so schlimm, wenn ich mit einem Assistant zusammen bin?“ „Nunja, du bist kein Bürger des Himmelsreichs und bist die Tochter des gefallenen Engel Luzifer. Mehr kann ich dir dazu auch nicht sagen. Es gab vor dir noch keinen Engel, der einen Assistant liebte. Aber es gab schonmal einen Engel, der einen Menschen liebte.“ „Ja?!“, fragte ich verblüfft.

Aber wer war sie denn nun!? Sie schien, als wäre sie irgendein höherer Engel. Jedenfalls wusste sie wohl ziemlich viel über alles bescheid. Sie hob die Hand und in der Dunkelheit erschien ein Bild von einem Engel, der rotbraune Haare und orangene Augen hatte. Er sah etwas traurig aus. Doch schon sein Äußeres, sein Blick und sein warmes Lächeln strahlten eine herzliche Wärme aus und ließen ihn sehr liebevoll wirken.

„Erkennst du ihn, Juline?“ „Nein, nicht wirklich. Ich stehe irgendwie auf der Leitung. Machen wir heute ein Engelquiz!?“ „Haha, nein. Das ist Chamuel, der Engel der Liebe.“ „WAS!? DAS IST CHAMUEL!?! Das glaube ich nicht!!!“, rief ich entsetzt und starrte das Bild erneut an. Während dessen kamen mir die Erinnerungen von seinen grausamen Blicken und dieser schrecklichen Lache. „Das kann unmöglich dieser Pseudo-Engel sein, der total gestört ist und meine Mutter getötet hat!“ „Doch, so sah er mal aus. Ein wirklich netter Kerl. So lieb und aufrichtig. Ich offenbare dir die Vergangenheit. Und somit die Wahrheit.“ „Jetzt? In meinen Träumen?“ „Es ist Zeit. Es gibt einige Dinge, die du endlich wissen solltest.“

Nervös schluckte ich einmal und merkte, wie mein Herz schneller schlug. Darauf hatte ich so lange gewartet! Aber wollte ich eigentlich noch die ganze Wahrheit wissen? Es muss grausam gewesen sein, wenn man bedenkt, was aus Chamuel wurde.

„Chamuel war einer der vier großen Engel. Gott erschuf zuerst Luzifer. Eigentlich hieß er ja Luzifel aber so wurde er selten genannt. Luzifer sollte ein junger Mann mit enormen Kräften sein. Ein reines Herz sollte er besitzen und er sollte fähig sein ein ganzes Volk zu regieren. Nachdem der König der Engel Leben erhielt, erschuf Gott weitere Engel. Davon drei, die nahezu an Luzifer's Kräfte herankommen sollten. Sie sollten später einmal wichtige Aufgaben übernehmen. Luzifer, der das Licht verkörperte, hatte gleichzeitig noch die Aufgabe auf sein Volk zu achten. Feye wurde später als Sacred Feye zu seinem Gegenstück.“ „Die Dunkelheit...“, ergänzte ich leise. „Genau. Lumen – der Engel des Schicksals. Und Chamuel – der Engel der Liebe. Alle vier hatten wichtige Rollen. Doch mit Luzifer's Ende geriet der Einklang der vier Kräfte durcheinander. Das gesamte Gleichgewicht kippte.“

Wieder hob sie die Hand und die Gegend um uns veränderte sich. Der Boden sah aus, als würde er aus Wolken bestehen. Und der Himmel wurde von schier endlos vielen Sternen bedeckt.

„Wow! Ist das schön hier! Wo sind wir?“ „Wir sind im Himmelsreich. Und in der Vergangenheit.“

Fassungslos guckte ich mich um und konnte es kaum glauben einmal im Himmelsreich stehen zu dürfen. Auch wenn es nicht echt war... Aber es sah so verdammt echt aus. Ich zuckte zusammen, als ich ein Lachen aus der Nähe hörte.

„Keine Angst, wir sind für sie gar nicht da.“ „Gut... Ich hatte mich schon erschrocken.“ Immernoch aufgeregt lief ich um die Ecke des Hauses. Es sah ziemlich antik aus! Auf der Treppe saßen vier Engel, die miteinander lachten und Unfug trieben. „Sind das...“ „Ja, das sind Luzifer, Sacred Feye, Lumen und Chamuel.“

Erstaunt wanderten meine Blicke zu meinem Dad. Wie toll er als Engel aussah!

„Hahaha, das hab ich euch noch gar nicht erzählt! Ich hab heute Metatron voll verarscht!“, prahlte mein Dad mit einem fiesen Grinsen, woraufhin Sacred und Lumen kicherten. „Was hast du wieder angestellt?“, fragte Chamuel gespannt. „Ich hatte eine Münze auf den Boden gelegt... Und als er sich danach bückte, hab ich ihm in den Hintern gekickt! Muhahaha!“ „Idiot....“ „Unfassbar...“ „Genial!“ „Wenigstens hat Chamuel Geschmack für gute Witze! Hey Kumpel, ziehn wir morgen durch's Himmelsreich um die andern Engel zu ärgern?“, fragte Luzifer nun aufgeregt und sprang Chamuel an.

„Gar nichts werdet ihr tun!!! Ich glaub's ja wohl! Benehmt euch endlich wie richtige Kerle!“, schimpfte Lumen entsetzt. „Oh man, Lumen! Du Weichflöte! Ich bin dein König, okay? Und als dein König befehle ich dir gefälligst zu dulden, was ich tue!“ „Na gut, Eure Doofheit. Aber was Chamuel tut muss ich nicht dulden! Hihi! Also, nichts gibt’s!“ „Tzz! Als dein König befehle ich dir zu dulden, was Chamuel tut!“ „Erwartest du jetzt auch noch einen Handkuss und Hofknicks?“ „Klingt verlockend. Du könntest meine Stiefel knutschen!“ „VOOOOLLTROTTEL! DU DARFST GLEICH MEINEN HINTERN KNUTSCHEN!!!“, fuhr Lumen Dad an und schlug ihm eins über, während Chamuel und Sacred sich darüber kaputtlachten.

„Keiner huldigt mich“, beschwerte Dad sich nun mit einer rausgequetschten Träne im Auge. „Na komm, ehrenwerter König. Hahahaha! Geh zurück an die Arbeit. Ich werde einen Rundgang durchs Reich machen und checken, ob es allen Engeln gut geht. Feye, übernimmst du das Westviertel?“, fragte Lumen und lächelte. „Ja, mache ich gleich. Bis später!“

Nachdem mein Dad und Lumen weg waren guckten Chamuel und Sacred Feye sich kurz an, ehe sie aufsprang und ihm in die Arme fiel. Eine ganze Weile blieben sie regungslos stehen und hielten sich einfach nur in den Armen.

„Ich hasse es, dass wir Engel uns eigentlich nicht ineinander verlieben dürfen...“, sagte Sacred Feye schließlich und weinte. „Wenn Gott es herausfindet, sind wir wohl dran. Aber das ist es mir wert.“ „Mir auch! Chamuel, ich liebe dich so sehr!“ „Ich liebe dich auch, Feye.“

Meine unbekannte Begleiterin ließ die Hand sinken und wir standen wieder im Dunkeln. Fassungslos starrte ich weiterhin in die Richtung, wo die beiden Engel standen. Ich konnte sie so sehr verstehen.

„Sie liebten sich heimlich und das ziemlich lange. Und irgendwann kam der Tag, an dem Gott erzählte, dass er ein neues Volk in einer anderen Welt erschaffen wollte. Die Menschen. Er erschuf anfangs nicht viele und verteilte Aufgaben an seine Engel. Zu der Zeit, wurde auch verkündet, dass Sacred Feye in ein eigenes Reich ziehen sollte. Ins Reich der Dunkelheit und Elemente. Zusammen mit ihren vier Elementargöttinnen.“

Erneut hob sie die Hand und wieder sahen wir Chamuel und Sacred Feye, die sich tränenüberströmt in den Armen hielten.

„Es wird besser sein, wenn ich gehe, Chamuel. Wir dürfen uns sowieso nicht lieben. Vielleicht schaffen wir es so etwas Abstand zu finden“, sagte Sacred Feye und schluchzte wieder. „Aber wir könnten uns doch ab und zu sehen! Du hast immerhin kein Verbot ins Himmelsreich zu kommen!“ Sie legte ihre Hand auf seine Wange: „Es ist besser so. Ich werde dich niemals vergessen.“

Wieder ließ die Unbekannte ihre Hand sinken.

„Warum wollte Gott, dass ausgerechnet sie diese Rolle übernimmt!?“, fragte ich verständnislos und vorwurfsvoll. „Es gibt zwei Möglichkeiten, warum Gott sich wohl dazu entschieden hat. Einerseits hat er Sacred Feye wohl von Anfang an für diese Rolle erschaffen, andererseits wäre es auch möglich, dass er längst von der Liebe zwischen der Beiden erfahren hatte und sie trennen wollte, ohne sie gleich töten zu lassen.“ „Gott ist so grausam wie Papa gesagt hat...“ „Wäre er so grausam, hätte er den Beiden das Leben genommen. Nun... Es verging einige Zeit und Sacred Feye lebte sich einigermaßen in ihrer Rolle und mit ihren Aufgaben ein. Und während Luzifer sich damit beschäftigte Gottes Taten in Frage zu stellen, wurde Chamuel nun auch endlich mit einer Aufgabe versehen. Die Menschen sollten sich lieben und zu einem großen Volk heranwachsen, indem sie sich vermehren.“

„Warum nun wieder ausgerechnet Chamuel!? Er musste doch furchtbar gelitten haben!“

„Er war dazu geschaffen dies irgendwann zu tun. Chamuel war der warmherzigste und liebevollste Engel, den es im Himmelsreich gab. Aber die Liebe war zugleich sein tragisches Schicksal. Er sollte dafür sorgen, dass die Menschen sich verlieben und durfte selbst nicht lieben.“ „Das ist so mies...“, sagte ich und zuckte etwas zusammen, als sich die Umgebung wieder änderte.

Nun standen wir offensichtlich auf der Erde. Die Landschaft war ziemlich trocken und eine glühende Hitze schlug auf uns ein. Waren wir in der Wüste?

„Dieser Zeitabschnitt entspricht etwa 1700 Jahre vor Christus, falls dir das etwas sagt.“ „Ich hab die Bibel gelesen, keine Sorge.“

Die Häuser waren ziemlich schlicht gebaut und die Menschen kleideten sich mit Tüchern und Gewändern. Wir schienen wohl mitten in den Markt geraten zu sein, denn um uns herum war ein reges Treiben. Die Menschen wuselten hektisch durch die Stände und waren laut am Verhandeln. Die Unbekannte schien dafür zu sorgen, dass ich ihre Sprache verstand.

Als ich mich weiter umsah, erkannte ich Chamuel, der unerkannt durch die Menschenmenge lief, als würde er dazu gehören. Er fiel niemandem auf. Neugierig wie ich nunmal war, lief ich zu ihm und blieb kurz vor ihm stehen um ihn aus der Nähe anzuschauen.

Was muss diesem Engel nur passiert sein, dass er so geworden ist? Dass jemand wie er so werden könnte, schien mir so unmöglich.

Plötzlich lief eine junge Frau dicht an mir vorbei und rämpelte Chamuel an. Ihr Obst und Gemüse verteilte sich auf dem Boden und sie tastete mit den Händen verzweifelt den Boden danach ab, während sie sich hektisch bei Chamuel entschuldigte und weinte.

„Hey, es tut mir leid! Einen Moment, ich helfe dir. Aber bitte nicht mehr weinen!“, sagte er etwas verlegen und sammelte das Essen ein, ehe er ihr wieder auf die Beine half. Sie schien gar nichts sehen zu können und wirkte total orientierungslos.

„Ich hätte besser aufpassen sollen!“, sagte sie aufgebracht. „Ist schon okay. Die Eier sind leider kaputt, aber ich kaufe dir gerne neue.“ „Wirklich? Das ist zu gütig... Wie heißt Ihr, Herr?“ „Mein Name ist... Chamuel.“ „Chamuel... Außergewöhnlich! Mein Name ist Mariam. Chamuel, würdet Ihr mit bitte sagen, wo wir gerade sind? Ich habe durch unseren Zusammenstoß vollkommen die Orientierung verloren. Wisst Ihr, ich bin seit meiner Geburt blind. Deswegen konnte ich Euch auch nicht sehen.“

Chamuel lächelte sanft und verständnisvoll, als er sie an der Hand nahm und sicher an den restlichen Leuten vorbei führte. Nachdem er ihr den Einkauf bezahlt hatte, trug er die ganzen Sachen für das Mädchen.

„Soll ich dich noch nach Hause bringen?“ „Ihr seid ein Engel! So gütig und nett...“ Zu seinem Glück sah sie nicht wie verlegen er aussah. Einen kleinen Moment lang musste ich kichern. Das verging mir aber gleich wieder bei der ernsten Miene meiner Begleitung.

Wir folgten Chamuel und Mariam zu einer kleinen Steinhütte, die ziemlich kläglich aussah im Vergleich zu den prunkvollen Nachbarhäusern. Weil uns eh niemand sehen konnte, folgten wir ihnen bis in die Hütte, deren Tür nur aus einem Stück Stoff bestand.

Drinnen sah es auch nicht besser aus. Neben einer kleinen Feuerstelle, gab es zum Schlafen nur eine dünne Matte, die mit Stroh ausgelegt war.

„Dieses Zeitalter wäre wirklich nichts für mich gewesen! Bin ich froh im Zeitalter der Technologie zu leben“, beschwerte ich mich, ehe ich wieder zu den Beiden guckte. Mariam sah sehr erleichtert und glücklich aus.

„Ich weiß gar nicht womit ich dieses Glück verdient habe. Wisst Ihr, Chamuel, die Menschen wollen eigentlich nichts mit mir zu tun haben. Sie denken, sie würden auch blind werden, wenn sie mit mir in Kontakt kommen...“ „Was!? Wie kommen die denn auf sowas?“ „Ich nehme es ihnen nicht übel... Niemand weiß etwas Genaues über meine Krankheit.“

„... Du bist sehr einsam, oder?“ „Hm? Naja... Manchmal. Es reicht, dass ich die Welt um mich herum in Finsternis sehe. Es gibt kein Rot und kein Blau... Auch kein Grün. Ich weiß nicht wie der Himmel aussieht und auch nicht wie Wiesen und Gräser aussehen, wenn unsere Landschaft nach dem Regen zulässt, dass Pflanzen wachsen.“ „Das muss wirklich schlimm sein... Mariam, darf ich dich morgen wieder besuchen? Dann bist du nicht so einsam.“ „Natürlich, wenn Ihr wollt, Chamuel.“ „Du musst nicht so förmlich mit mir reden“, sagte er noch bevor er ging.

Plötzlich war ich wieder mit der unbekannten Frau alleine und guckte sie mit fragenden Blicken an.

„Er hatte also ein blindes Mädchen auf der Erde kennengelernt. Und was passierte dann?“ „Danach besuchte er sie eine ganze Weile lang jeden Tag. Er brachte ihr Essen und Trinken mit, half ihr bei den alltäglichen Aufgaben und kehrte nichtmal mehr ins Himmelsreich zurück, wenn es auf der Erde Nacht wurde. In der Nacht saß er auf der Steinhütte und passte auf, dass ihr nichts geschah. Allerdings vergaß er auch seine Aufgaben als Engel.“

Erneut hob sie ihre Hand und wir standen wieder in der Hütte. Sie schienen nun etwas vertrauter miteinander zu sein.

„Chamuel, dass wir uns getroffen haben, ist das Beste, was mir passieren konnte! Danke, dass du so viel für mich tust.“ „...“ „Was ist denn los? Du bist so still? Chamuel?“, fragte Mariam nun irritiert. Er schien in diesem Moment mit sich selbst zu kämpfen und sah ziemlich unsicher aus. Was er wohl gerade dachte?

„Chamuel, was ist mit dir? Ich weiß, dass du noch da bist!“ Da nahm er plötzlich ihre Hand und zog sie zu sich: „Eigentlich sollte ich das nicht sagen... Aber ich liebe dich.“ Ich schreckte auf und ahnte welches Drama ihn so veränderte. Ein Engel, der einen Menschen liebt...! Mariam schmiegte sich an ihn und weinte wieder, ehe sich die Beiden küssten.

„Oh Chamuel, ich bin so glücklich! Bitte, lass mich nie wieder alleine!“ „Das werde ich versuchen. So weit es mir möglich ist“, entgegnete er nun ziemlich betrübt. „Was meinst du damit?“ „Ich kann es dir nicht versprechen, aber ich tue was ich kann!“ „Hör auf um den heißen Brei zu reden! Na sag schon! Was meinst du?“ „Mariam... Das klingt etwas doof, aber ich sage die Wahrheit. Ich bin... nicht ganz so menschlich, wie du vielleicht denkst. In Wahrheit bin ich ein... Engel.“ „Sehr lustig... Und ich dachte du meinst es ernst mit mir...“

Wütend wollte sie sich von ihm abwenden, doch er hielt sie fest und wirkte etwas verzweifelt: „Okay! Ich werde es dir beweisen! Du wolltest den Himmel und Wiesen sehen? Ich zeige sie dir! Schließe die Augen und halte meine Hand.“ „Ich soll meine Augen schließen!? Ich bin blind... Was macht das für einen Unterschied? Das ist albern!“ „Bitte tu es einfach.“

Sie schnaufte genervt und folgte etwas unsicher seiner Anweisung. Nun hielt er ihre Hand fest und schloss ebenfalls die Augen. Er erschuf mit seinen Kräften eine perfekte Illusion. Wir befanden uns innerhalb eines Augenblickes auf einer riesigen grünen Wiese und der Himmel strahlte blau. Wie kann er sowas machen? Ich wusste gar nicht, dass ein Engel sowas konnte! Auf der Wiese blühten Blumen in den verschiedensten Farben und als Mariam ihre Augen öffnete, starrte sie schockiert in die Ferne.

„Das ist... Das ist ja... Ich weiß nicht was ich sagen soll“, stammelte sie verblüfft und sah aufgeregt aus. „Das ist deine Welt. Nur für dich...“ „Das ist alles ja viel schöner als ich es mir je vorstellte!“

Über ihre Wangen liefen Tränen als sie sich zu Chamuel umdrehte und ihn mit seinen weißen Flügeln betrachtete. Wieder rang sie um Fassung: „Du bist wirklich ein... Engel...“ „Ja.“ „Sehen alle Engel so gut aus wie du?“ „Ach was, ich bin der hübscheste. Die andern sind alle hässlich, vor allem Luzifer.“ „Wer?“ „Ach, nichts. Hehe.“

So ein Idiot!!! Es war so romantisch und dann wagte er es dumme Sprüche über meinen Dad zu reißen!

„Ich kann mein Glück gar nicht fassen... Wie hab ich dich verdient? Und das hier... Alles ist so perfekt und schön!“ „Wir können gerne noch eine Weile hierbleiben. Es freut mich, dass du glücklich bist.“

Nachdem sie sich wieder küssten schaute sie sich wieder die Umgebung an. Sie blickte in den Himmel und untersuchte die Pflanzen mit strahlenden Augen. Ich war so hin und weg von Chamuel's ursprünglicher Gestalt, dass ich fast vergessen hatte, was er inzwischen alles tat. Die Unbekannte Frau, die mir das alles zeigte, senkte erneut ihre Hand und guckte mich ernst an.

„Er hat zwei mal gegen Gottes Gesetze verstoßen...“ „Aber man kann doch nichts dafür, wenn man sich verliebt! Sowas passiert einfach und niemand kann etwas daran ändern! Was passierte mit den Beiden!? Wie ging es weiter?“, fragte ich aufgebracht und erneut wütend. Ich hatte solch eine Wut gegenüber Gott und den Engeln.

„Danach schliefen sie miteinander und das Mädchen wurde schwanger.“ „Was? Sie wurde von ihm schwanger?“ „Ein Mensch, der das Kind eines Engels in sich trug... Und Gott hatte es herausgefunden.“ „Oh nein!!! Was geschah dann!?“ „Sieh selbst...“, sagte sie kühl und hob erneut ihre Hand.

Wir standen wieder bei Chamuel und Mariam, die zusammen durch die Landschaft wanderten. Keine Menschenseele war außer ihnen zu sehen.

„Wir sind bald wieder im Dorf, halte noch ein bisschen durch“, sagte Chamuel zu Mariam, die etwas erschöpft wirkte. Dass sie schwanger war, sah man ihr kaum an.

„Chamuel, ich bin nur schwanger und nicht krank. Ich freue mich so wahnsinnig auf unser Kind! Es wird zwar noch einige Monate dauern, aber trotzdem freue ich mich!“

„Ich mich auch! Ich bin gespannt, was es wird.“

Meine Begleiterin tippte mir auf die Schulter und zeigte in den Himmel, wo mein Dad mit seinen ausgebreiteten Flügeln schwebte. Ich erkannte seinen von Zweifeln geplagten Blick ehe er die Augen zusammenkniff und schier geräuschlos hinter Mariam landete. Da Chamuel ihr gerade den Rücken zugedreht hatte, bemerkte er ihn nicht sofort.

Erst als mein Dad sie packte und sie nach Chamuel schrie, drehte er sich um und starrte entsetzt zu meinem Dad.

„Luzifer!!! Was willst du von uns? Lass sie los!!! LASS SIE LOS!“ „Chamuel... Warum bist du so dumm und entwickelst diese Gefühle für einen Menschen? Du kennst die Gesetze.“ „Lass sie bitte los!“, flehte Chamuel seinen besten Freund an, während Mariam ängstlich wimmerte.

Mein Dad zitterte mit den Händen und ließ in seiner Hand ein golden leuchtendes Lichtschwert erscheinen. Dad konnte sowas auch!?

„LUZIFER! LASS SIE SOFORT LOS! Was hast du vor?! SIE IST SCHWANGER!“ „Ich weiß. Gott sagte es mir... Chamuel, du hast gegen die Gesetze verstoßen und deswegen... komme ich im Namen Gottes um sein Urteil zu vollstrecken...“ „LUZIFER! NEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIN!“

Als mein Dad mit seinem Schwert ausholte und ich Mariam aufschreien hörte, hielt ich mir die Ohren zu und guckte weg. Meine Beine gaben nach und ich fiel auf die Knie.

„Nein... Nein, das kann mein Dad nicht getan haben... Er ist nicht so grausam...“, jammerte ich nun und versuchte mir einzureden, dass ich das nicht gesehen hatte und dass es nur Einbildung war. Doch es musste so gewesen sein... Deswegen hatte Chamuel solch einen Hass auf meinen Vater.

Als ich erneut einen Blick wagte, sah ich meinen Dad, der sein Schwert verschwinden ließ und blutverschmiert zu Chamuel guckte. „Warum?! WARUM MUSST DU IMMER NUR NACH GOTTES WILLEN HANDELN!? WARUM MUSSTEST DU DAS TUN!?“ „Weil ich nur eine arme kleine Marionette bin...“ „Du verdammter... Ich werde dich dafür töten!“ „Vergiss den Gedanken schnell wieder, Weichei. Gegen mich hast du sowieso keine Chance. Dazu bist du viel zu nett und zu lieb. Wie ich schon sagte... Du bist ein Weichei. Engel der Liebe...“

Dad verschwand nach seinen Worten sofort wieder und Chamuel fiel vor seiner toten Frau auf die Knie und schrie seine Schmerzen und sein Leid laut heraus. Viel zu lange starrte ich ihn fassungslos an und konnte nicht glauben was mein Vater getan hatte.

Chamuel wimmerte irgendwann leise und richtete sich noch einmal auf: „ICH WERDE EUCH ALLE UMBRINGEN!!! VERLASST EUCH DARAUF!!!“

Mir stiegen die Tränen in die Augen, als ich ihn weiter schreien hörte. Endlich beendete die Fremde diese Szene und starrte mich emotionslos an.

„Was waren das für grausame Dinge!?! Du verarschst mich bestimmt nur!!! Du zeigst mir falsche Bilder! Wer bist du!?! Sag es mir!“ „Alles Szenen entsprechen der Wahrheit. Das kannst du deinen Vater gerne fragen, sobald du es geschafft hast, ihn aus seiner kleinen Zelle zu befreien. Und jetzt beruhige dich. Das ist ja noch nicht alles gewesen.“

Unter ihrer Beobachtung schnaufte ich mehrmals tief durch und versuchte den Schock zu verarbeiten. Manchmal war es wohl besser, wenn man die Wahrheit nicht wusste.

„Chamuel kehrte erst einen Tag später ins Himmelsreich zurück“, fing sie an zu erklären. „Griff er dann alle an?“ „Nein. Dazu kam er nicht. Denn es gab dann schon andere Probleme.“

Wir standen nun wieder im Himmelsreich, wo die Engel allesamt in Aufruhr waren und Chamuel sich verwirrt umsah. Er sah müde und schwer mitgenommen aus. Seine Augen waren angeschwollen und rot von den vielen Tränen. Er packte einen der Engel, die an ihm vorbei liefen, am Arm und zerrte ihn zu sich: „Was ist hier los!?!“ „Chamuel! Du bist es! Es ist schrecklich! Luzifer hat Gott und unsrem Reich den Rücken gekehrt!“ „Was!? Wie das?“ „Er sagte, er will Gott nicht mehr dienen und spielt nicht den Sklaven für die Menschheit! Seine Flügel wurden auf einmal schwarz!!! Und dann ist er abgehauen!“ „Verdammt!“

Chamuel so schnell zu folgen war nicht einfach. Er rannte zu Lumen, die völlig verzweifelt aussah.

„Ist das wahr?“, fragte Chamuel sie stürmisch. „Chamuel... Ich habe gerade erfahren, dass Luzifer das Reich der Dunkelheit und Elemente gestürmt hat... Es soll heißen, dass er Sacred Feye getötet hat...“ „... Nein... NEIN! DIESER VERDAMMTE...“

Wieder fing Chamuel an zu zittern und ließ Lumen einfach stehen.

„Wie kann das sein? Hatte mein Dad Sacred Feye nicht erst geschwängert und gewartet, bis Reeza zur Welt kam, bevor er Sacred getötet hat?“, fragte ich verwundert. „Ja, aber das wussten die Engel ja nicht.“ „Hmm, das ist wohl wahr.“

„Chamuel ließ sich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr bei den Engeln blicken und trainierte wohl für sich alleine um sich irgendwann Luzifer zu stellen. Sein Hass ihm und Gott gegenüber war so abgrundtief. Zweimal wurde eine von Chamuel geliebte Person von Luzifer getötet. Und sein ungeborenes Kind ebenfalls.“ „Das ist so grausam...“

Sie nickte und setzte erneut zum Reden an: „Es war aber immernoch nicht alles. Bevor Chamuel als Liebesbote zur Erde kam, lernte er eine von den vier Göttinnen kennen. Während Sacred Feye sich vom Himmelsreich fern hielt, durften sich die Göttinnen frei bewegen. Und so traf er zufällig auf Aquarienne.“

Sie hob wieder ihre Hand und wir sahen die Wassergöttin mit Chamuel zusammen.

„Wie geht es Feye? Hast du ihr meine Grüße ausgerichtet?“, fragte er sie. „Ja, aber sie wollte nichts davon hören. Ich finde sie hat deine Gefühle nicht verdient. Sie weiß dich gar nicht zu schätzen.“ „Wie meinst du das?“ „Ich meine damit, dass ich dich sehr gerne mag.“

Völlig überstürmt küsste er sie auf einmal, was ihr ziemlich gut gefiel. Ich war erstaunt, dass es neben Sacred Feye und Mariam noch eine dritte Frau gab.

„Denke nicht, dass er sie wirklich geliebt hat. Er wollte sich ablenken und einfach den Frust loswerden.“ „Und sie?“ „Sie war in ihn verliebt... Und sie nahm hin, nur von ihm benutzt zu werden, solange sie Zeit mit ihm verbringen konnte. An dem Abend schliefen die Beiden miteinander, weshalb, kurz nach Luzifers Angriff auf das Reich der Dunkelheit dies geschah...“

Sie hob nochmals die Hand und ich sah Aquarienne, die keuchend durchs Himmelsreich rannte und an einer gut geschützten Stelle stehen blieb. Sie hatte ein Baby im Arm und legte es auf den weichen Boden, während ihr die Tränen von den Wangen liefen.

„Es tut mir so leid, mein Sohn... Ich muss nun gehen und für meine Herrin kämpfen. Du musst groß und stark werden, hörst du? Lass dich von niemandem unterkriegen und lebe! Ich liebe dich, mein kleiner Junge...“

Dann ließ sie das schreiende Baby liegen und verschwand. Entsetzt sprang ich auf und stürzte zu dem Baby, das mir total leid tat. Am liebsten hätte ich ihm geholfen, doch als ich ihm in die Augen sah, wurde mir einen kurzen Augenblick schwindelig. Diese blauen Augen und diese braunen Haare...

„Ist das... Elohim?“ „Ja... Aquarienne war schwanger. Das wusste aber nur sie. Und als Luzifer seinen Angriff startete, rettete sie ihren Sohn, indem sie ihn im Himmelsreich aussetzte. Elohim ist ein Halbengel und der Erbe der Wassergöttin.“ „Und Chamuel... Ist sein Vater...“, ergänzte ich schockiert und musste mich kurz setzen, als die Szene verschwand und wir wieder alleine waren.

Ich musste daran denken wie Elohim und Chamuel gegeneinander gekämpft hatten. Sie wollten sich gegenseitig töten... Und keiner von beiden wusste, dass sie Vater und Sohn waren.

„Ist das nicht ironisch? Chamuel's ungeborenes Kind wird getötet... Aber er hatte die ganze Zeit einen Sohn, den er nun töten will...“ „Elohim ist stark genug um gegen Chamuel kämpfen zu können. Er hat diese enormen Kräfte, weil die Kräfte der Göttin mit denen eines mächtigen Engels vermischt wurden. Und wegen dieser enormen Kraft und des Unwissens über Elohim's Herkunft, haben die Engel Angst vor ihm. Weil Elohim nur alleine war, hat Gott Destinia erschaffen. Er brauchte noch einen Engel, der die Kräfte von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beherrscht. Zudem beherrscht Destinia die Kraft durch Galaxien und Zeiten zu reisen. Destinia wurde als kleines Mädchen erschaffen. Das hatte zwei Gründe. Elohim's Stärke sollte nützlich sein um sie zu beschützen. Ihre Kräfte sind kostbar und ihr darf nichts passieren. Und er war nicht ganz so einsam, der Knirps.“

„Deswegen haben Destinia und Elohim solch ein enges Verhältnis, oder? Weil sie zusammen aufgewachsen sind.“ „Ja, und weil sie männlich und weiblich sind. Er würde seine kleine Freundin mit seinem Leben beschützen. So wie er dich beschützt. Weil er spürt, dass du die Erbin von Sacred Feye bist. Und somit die Gebieterin über seine verstorbene Mutter. Er weiß es natürlich nicht. Aber er fühlt sich dir gegenüber verantwortlich. So wie Aquarienne dir gedient hätte.“

Langsam ließ ich den Kopf sinken: „Verstehe... Ich... Ich will nun wieder zurück. Das war ziemlich viel für mich...“ „Aber nun weißt du die Wahrheit. Ich bin wieder sehr erschöpft und muss mich ausruhen. Träume schön und... Pass gut auf deinen menschlichen Freund auf.“

Mit ihrem letzten Satz blieb mir fast das Herz stehen und ich schreckte hellwach im Bett auf. Mein Herz raste und mein Körper war klatschnass geschwitzt. Völlig außer mir guckte ich zu Adriano, der in Ruhe schlief und musste erstmal eine ganze Weile heulen...
 

~ Kapitel 19 ~ Ein Blick in die Vergangenheit ~ Ende ~ Fortsetzung folgt ~



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