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Elementary Angels

Trilogie - Staffel 3
von

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Freud und Leid

Kapitel 8 ~ Freud und Leid
 

~ Juline Coldfire ~


 

Aris, Papa... Ich bete, dass es euch gut geht. Haltet durch! Ich werde einen Weg finden um euch zu befreien. Koste es was es wolle. Es muss doch irgendwie möglich sein... Ihr müsst überleben.

Tief versunken in meinen Gedanken stand ich auf dem Balkon unseres Hotels und blickte ins Meer hinaus. Seit drei Tagen war ich nun hier in Orlando und hatte einiges erlebt. Ich sollte die glücklichste Frau der Welt sein, jetzt, wo ich Leute in meinem Alter kennen lernen durfte und ein Leben als „Mensch“ führen konnte. Die innere Unruhe und die Sorgen über das Befinden meiner Liebsten zerschmetterten meine Freude immer wieder.

Wenn ich doch nur wüsste, wie ich ihnen helfen könnte. Ich konnte weder ein Tor in das Reich der Dunkelheit und Elemente öffnen, noch wüsste ich wie ich Chamuel besiegen sollte. Er muss büßen für seine Taten! Doch wie? Dad sagte ich soll versuchen diesen Elohim zu finden. Elohim war wohl ein Engel... Da stellte sich nun die nächste Frage: Wie sollte ich ins Himmelreich gelangen? Das sollte immerhin Elohim's zu Hause sein. Und selbst dann wäre es schwierig ihn zu finden. Ich wusste nicht wie er aussieht, wie groß das Himmelreich überhaupt war. Die Situation wirkte aussichtslos.

„Ich werde ihn niemals finden...“, seufzte ich in die Luft und lehnte mich auf das Geländer. „Wen wirst du niemals finden?“, fragte Melody skeptisch, als sie auf einmal hinter mir stand und mich fast zu Tode erschreckte.

„Nichts. Was gibt es?“ „Jade hat gefragt ob wir zusammen mit der Clique zu Mittag kochen wollen. Ich hab natürlich keine Lust! Aber mich fragt ja niemand.“ „Ich dachte sie hätte „uns“ gefragt.“ „Ja, schon. Also?“ „Versteh dich einer... Ja, gerne. Ich mache mich gleich fertig.“

Mit einem genervten Schnaufen ging sie wieder zurück ins Zimmer und ich starrte erneut auf das Meer, das so unendlich schien.

Ob Reeza wirklich tot ist? Ich wollte nicht daran glauben, dass sie wirklich irgendwo tot im Reich der Dunkelheit und Elemente liegt. Oh Ma... Was würdest du nun tun? Auch Spaß mit deinen Freunden haben? Hattest du Spaß mit deinen Freunden, als dich diese Last, zu sein was du warst, fast zu erdrücken drohte? So wie ich dich kannte, hättest du es wohl genauso gemacht wie ich. Du hättest dich mit den Anderen abgelenkt und dich abends in den Schlaf geheult... Liebe Ma, ich hoffe, dort wo du jetzt bist, geht es dir gut und hoffentlich vermisst du Dad nicht zu sehr. Bei meinem imaginären Gespräch mit meiner Mutter trat ein leicht verzweifeltes Grinsen in mein Gesicht.

Das war so schwachsinnig sich mit nichts zu unterhalten. Weil ich diese Tatsache bescheuert fand, versuchte ich wieder klare Gedanken zu fassen und guckte zum Strand, an dem ich vor einigen Tagen mit Adriano saß.

Automatisch wanderte nun mein Blick zu meiner Hand, die noch immer etwas brannte und gerötet war. Als wäre es eine Verbrennung. Dabei war mein Körper schon auf starke Energiemengen trainiert.

An meinen eigenen Kräften hatte ich mich noch nie selbst verletzt, nichteinmal beim Training mit Dad. Und er forderte ab und zu ziemlich viel von meinen Kräften. Dieses Geheimnis um Adriano's Kräfte interessierte mich stark. Woher kam diese enorm starke Aura...

„Mensch, Juline! Du stehst ja immernoch hier draußen! Beweg deinen Hintern endlich! Die warten doch schon auf uns.“ „Seit wann sind die dir so wichtig?“ „Die sind mir nicht wichtig. Mein Ruf ist mir wichtig. Dazu zählt auch pünktlich sein!“

Ich folgte Melody diesmal gleich nach Drinnen und zog mir ein paar neue Klamotten an, die wir gestern gekauft hatten.

Was das Geld betraf, so war Melody immer sehr großzügig. Ich durfte mir dutzende Jeans, Schuhe und rosa Oberteile kaufen. Melody sagte, ich solle mich wie ein normaler Mensch kleiden, damit ich nicht jedem gleich auffallen würde.

„Bist du endlich soweit? Na komm schon!“ „Jaja! Ich bin ja schon fertig!“ Hektisch packte ich noch ein paar Kleinigkeiten in die Tasche, die ich auch seit gestern besaß und schloss die Zimmertür hinter uns.

„Ich bin ja froh, wenn wir wieder hier sind. Dieses Pack geht mir auf die Nerven!“ „Sie mögen uns eben. Freu dich doch.“ „Freuen!?! Ich verfluche diese Stadt! Und ich finde es zum Kotzen, dass ich noch keinen Rückflug bekommen habe! Das musst du dir mal vorstellen! Diese Idioten vom Flughafen meinen, die nächsten Flüge wären erst im neuen Jahr frei. Ich habe keine Lust Neujahr und Weihnachten hier zu verbringen.“ „Neujahr und Weihnachten... Ich freue mich schon total darauf!“ „War ja klar!“

Noch den ganzen Weg bis zu Jade's Haus wurde ich vollgeheult... Es war ja alles so schrecklich hier. Manchmal musste ich aufpassen sie nicht einfach auszulachen. Melody war so verwöhnt. Aber trotzdem merkte ich, dass auch sie es etwas genoss hier zu sein und Zeit mit mir und den Anderen zu verbringen. Als wir endlich dort ankamen, saßen alle schon versammelt am Tisch. Jo begrüßte uns begeistert und lautstark, während die Anderen es zumindest nicht gleich übertrieben. Jo, der gleich zu uns gelaufen kam, legte jeweils einen Arm um Melody's und meine Schultern.

„Na ihr Schönheiten? Hattet ihr einen schönen Morgen? Und habt ihr auch fleißig von mir geträumt, diese Nacht?“ „Gott, du bist widerlich...“, fauchte Melody und schlug sich sofort frei.

„Nenn mich Jo, Liebling! Und was ist mit dir?“, fragte er mich, worauf ich verlegen wurde. Zu viel männlicher Kontakt... Das brachte mich ganz durcheinander. „Ja, klar hab ich von dir geträumt. Du warst ein kleines rosa Ferkel mit Kringelschwänzchen!“ „Ohh!!!“ Empört ging er von mir weg und wurde von den Anderen ausgelacht.

„So muss das sein!“, jubelte Chris. „Jop! Die Lady gefällt mir“, stimmte Jade zu und verließ das Wohnzimmer.

Ich überlegte wo ich mich hinsetzen sollte, da kam Jade auch wieder zurück und stemmte die Hände in die Hüfte: „Was ist, Mädels? Soll ich alleine kochen? Zeigen wir den Jungs mal, was gute Kost ist!“ „Jaaa! Ich kann es kaum erwarten! Mein Magen ist ein schwarzes Loch!“, meckerte Fabio. Er guckte mich kurz an und wurde dann rot. Was sollte das denn schon wieder bedeuten? Ich verstand die Männer einfach nicht.

„Spielen die Kerle schon wieder Rommé?“, fragte Caro, als sie nochmal zurück zu den Jungs guckte. „Das machen die doch andauernd“, antwortete Jade. Melody zog sich eine Schürze an um ihre teuren Designerklamotten nicht zu versauen: „Wenigstens spielen sie kein Strip-Poker.“ Caro faltete die Hände: „Hach... Das könnten sie aber ruhig machen! Adriano oben ohne ist ein Traum!“ „Ekelhaft!“ „Beleidige nicht den Six-Pack meines Kerls, Mel!“ „Ich zittere.“

Jade, die ein paar Töpfe richtete zwinkerte mir zu: „Fabio kann mit den Anderen aber auch mithalten.“ „Soll das eine Anspielung sein?“, fragte ich skeptisch und guckte den Mädels beim Kochen zu. Ich fand es höchst interessant. Immerhin hatte ich noch nie gesehen wie man kocht.

Während Caro einen Salat machte, kümmerte sich Jade um den Schokopudding und Melody verkünstelte sich an etwas, das sie Lasagne nannten.

„Juline, magst du mir helfen?“, fragte Jade nett. Ich mochte sie gerne, auch wenn sie mir in letzter Zeit zu viel von Fabio sprach. Was erhoffte sie sich dadurch? Bei ihr hatte ich das Gefühl aufgehoben zu sein. Die Jungs waren zwar auch in Ordnung, aber bei einem anderen Mädchen, ging es mir besser. Caro war zwar auch okay, jedoch war sie sichtlich eifersüchtig, sofern ich mich Adriano auch nur zehn Meter zu nahe kam. Dabei wollte ich absolut nichts von ihm. Genauso wie vom Rest der Jungs. Dafür hatte ich einfach keinen Kopf und keine Zeit. Ich hatte ein Ziel! Alles Andere würde mich nur behindern.
 

Als wir unser Essen fertig hatten, guckten wir nach den Jungs um den Tisch frei zu bekommen. Chris hatte deutlich die Überhand und grinste triumphierend, während Jo ihn als „Cheater“ beleidigte. Was auch immer das heißen möge. Adriano nahm es gelassen hin und Fabio warf deprimiert den letzten Rest Karten auf den Tisch.

„So Jungs, jetzt wird gefuttert!“, verkündete Jade und brachte die riesige Lasagne. Melody und Caro folgten mit Salat und Pudding.

Ich durfte die Teller und das Besteck zurechtlegen, was für mich eine ganz neue Aufgabe war. Chris fing beim Anblick des Puddings fast an zu sabbern.

„Ich verzichte auf den Rest und nehme den ganzen Pudding!“ „Nichts da! Du isst wie alle Anderen auch den Salat!“ „WAS!? Muss ich auch Salat essen?“, kreischte Jo verzweifelt dazwischen.

Bei Caro's tödlichen Blick, wagte er es nicht noch etwas dagegen zu sagen und nahm sich schonmal etwas vom Salat auf den Teller. Während alle genüsslich aßen, beobachtete ich Jo beim Verschlingen der Lasagne.

„Wahnsinn! Wer von euch hat die gemacht?“ Leicht verlegen und schweigend hob Melody die Hand. Sie wirkte recht verkrampft und ich musste mir das Lachen verkneifen.

„Du? Das schmeckt total klasse!“ „Findest du?“, fragte sie ihn auf einmal mit rosigen Wangen. „Ja! Wow! Wer so kochen kann muss meine Frau werden! Willst du meine Frau werden... ähh... Wie war nochmal dein Name?!“ „JO!“, schrie Jade entsetzt auf und alle starrten ihn fassungslos an. Melody knirschte ihre Zähne wütend zusammen und ballte die Fäuste. Jedoch hielt sie sich zurück.

Trotz des Ärgers fand ich diese gemeinsamen Momente so herrlich! Ich könnte nie genug davon bekommen. Jetzt wo ich alles kannte, würde mir eine Rückkehr in mein Reich noch viel schwerer fallen. Am liebsten würde ich für immer hier bleiben und mit meinen neuen Freunden lachen und Spaß haben.

Die restliche Gruppe lachte während mir schon wieder fast die Tränen kamen. Ich wollte nicht zurück... Aber ich wollte auch, dass alle wieder in Sicherheit sind. Ach, wäre das alles doch nur nicht passiert...

„Ich bin kurz frische Luft schnappen“, sagte ich beiläufig in die Runde. „Klar, kann ich verstehen, bei der Atmosphäre. Ich bin einfach zu heiß!“, sagte Jo darauf und lachte wieder. Während sich Caro und Melody nicht viel daraus machten, blickten die Drillinge und Chris mir besorgt hinterher.

Draußen vor der Tür musste ich erstmal tief durchatmen und konnte meine Trauer kaum zurückhalten. Wieder beschäftigten mich diese schier endlosen Fragen. Wie soll ich es schaffen Chamuel zu besiegen? Wie geht es Dad und Aris? Wie kann ich hier sitzen und Spaß haben, während sie ums Überleben kämpfen?

„Juline? Was ist los?“

Überrascht drehte ich mich um und wollte schnell meine Tränen wegwischen, als ich Fabio sah. Er stellte sich neben mich und guckte mich fragend an.

„War dir Jo zu arg? Du darfst ihn nicht so ernst nehmen... Er ist eben...“ „Nein, Jo ist schon in Ordnung. Ich weiß inzwischen, dass man ihn kaum beachten sollte“, antwortete ich. „Was ist es dann? Tut mir leid... Du musst nicht mit mir darüber reden, wenn du nicht magst.“ „Ach... Es sind nur diese ganzen quälenden Fragen und die Sorgen um meine Familie, die noch immer ums Überleben kämpft... Während ich hier bin und Spaß habe.“ „Naja, weißt du... Wenn du nun die ganze Zeit hier bist und Trübsal bläst, geht es dir nur schlechter. Und dann hast du kaum Kraft, wenn es drauf ankommt. Was sollst du denn tun? Die haben selbst gesagt, dass du dich in Sicherheit bringen sollst. Und obwohl ich deine Eltern nicht kenne oder kannte, denke ich dass ihnen deine Sicherheit am wichtigsten ist. Sie würden sich sicher auch für dich freuen, dafür dass du andere Leute kennen lernen durftest und die Welt kennen lernst, die du sehen wolltest.“

Dann lächelte er mich zuversichtlich an, sodass auch meine letzte Träne trocknete. Er hatte ja recht. Mich selbst zu quälen brachte mich auch nicht weiter und würde mich sogar schwächen.

„Danke... Solche Worte hätte ich dir gar nicht zugetraut, Fabio.“ Nun wurde er wieder verlegen und etwas rot im Gesicht: „Äh! Ja, ich sage nur was ich denke! Tut mir leid! Ich sollte mich nicht zu sehr einmischen!“ „Ist doch okay...“

Mit ruhiger Stimme und einem Lächeln versuchte ich ihn wieder zu beruhigen. Warum er nun so aufgeregt war, konnte ich mir nicht erklären. Doch dann ging er schnell wieder rein.

Er wollte mir nur helfen... Und er wollte wissen was mich so bedrückt hatte. Jade hatte recht, er war wirklich sehr nett. Und schlecht sah er ja auch nicht aus... Trotz seiner Worte hatte ich nicht mehr das Bedürfnis nach Feierlaune also ging ich nochmal schnell rein um mich für das leckere Essen zu bedanken und mich zu verabschieden.

Die Ruhe und die gute Luft halfen mir endlich einen klaren Kopf zu bekommen. Noch einmal musste ich an Fabio's Worte denken. Natürlich würde es meinen Eltern gefallen, dass ich Freunde gefunden hatte mit denen ich Spaß haben konnte. Aber Dad's einzige Hoffnung war immerhin ich. Als ich über die Straße lief, kamen mir zwei bekannte Gesichter entgegen. Diese blauen Haare waren aber auch unverwechselbar. Jenn und Maiko schienen oft zusammen unterwegs zu sein. Seit ich davongelaufen war, suchte ich keinen mehr von den älteren Assistants auf, obwohl es meine Pflicht gewesen wäre mich zu stellen.

Zum Glück nahmen mir meine Freunde viel Mühe ab und redeten selbst mit ihren Eltern über die Probleme. Außer Jo wahrscheinlich. Aber Jenn wusste sicherlich alles von Maiko, der wiederum alles Wichtige von seinem Sohn Chris erfuhr. In dieser Familie gab es offensichtlich kaum Geheimnisse.

Als sie mich sahen lächelten sie und kamen gleich zu mir: „Hey... Da ist ja die kleine Ausreißerin“, sagte Maiko. Wieder wurde ich verlegen: „Es... Es tut mir leid, dass ich davongelaufen bin. Geht es Hailey besser?“ Jenn nickte: „Du darfst dir keine Vorwürfe machen wegen ihr. Hailey ist einfach an ihrem Verlust zerbrochen. Manche Menschen kommen damit nicht klar.“ „Es geht um Clyde... Meine Ma hatte mir viel erzählt. Auch, dass er am Ende...“

Ich lief ein Stück mit den Beiden weiter, während Maiko wieder das Wort ergriff: „Wir alle haben Clyde sehr geliebt. Er war ein guter Typ. Hat viel durchgemacht in seinem Leben. Dank Lumen durfte er zumindest ein paar Jahre länger bei uns bleiben.“ „Stimmt, und dafür sollten wir allein schon dankbar sein“, fügte Jenn hinzu. Wieder trat Schweigen in die Runde bis Maiko seufzte.

„Wir alle vermissen Clyde und werden ihn nie vergessen. Aber Hailey... Sie klammert sich zu sehr an das Vergangene. Wahrscheinlich wird sie niemals davon loskommen.“ „Das ist furchtbar... Kann ihr niemand dabei helfen?“ „Nicht wirklich“, antwortete Jenn: „Sie ist nur noch einiger maßen erträglich wenn mein Bruder Raik bei ihr ist. Aber der ist zur Zeit im Ausland. Dass nun Feye auch noch...“

Erneut trat eine unheimliche Stille zwischen uns und die Trauer um meine Mutter schlich sich wieder in meinen Kopf.

Maiko lächelte auf einmal: „Hey, wie wäre es, wenn wir Feye zu Ehren einen Platz zum Gedenken an sie errichten?“ „Hmm... Traurige Sache, aber das hat sie sich verdient. Vielleicht dort oben, wo Clyde auch immer gerne war.“

Da ich sowieso nichts zu tun hatte und mich der Vorschlag rührte, folgte ich den Beiden zu einem höher gelegenen Ort, von dem aus man auf die Stadt und das Meer blicken konnte.

Hier war es so friedlich und der warme Wind fühlte sich großartig an. Warum Clyde so gerne hier war konnte ich gut verstehen. Ein einziger Baum spendete etwas Schatten. Davor stand eine Parkbank.

Maiko und Jenn hatten unterwegs ein paar Blumen gekauft und gruben ein kleines Viereck, in das wir Erde schütteten und die Blumen pflanzten. Jenn klatschte sich in die Hände: „Sieht wundervoll aus!“ „Mal sehen, ob ich einen Grabstein oder ein Kreuz beschaffen kann“, sagte Maiko und wir stellten uns zu dritt vor das Grab ehe uns allen in der Stille kleine Tränen von den Wangen tropften.
 

~ Aris ~

Drei schier unendliche Wochen waren vergangen, seit Chamuel unser Reich überfallen und meine Eltern und Feye getötet hatte. Ich hätte es niemandem geglaubt, wenn man mir erzählt hätte, dass dies so geschehen würde. Was war hier nur los? Warum passierten all diese Dinge auf einmal? Ich wünschte Gott persönlich könnte uns aus diesem Schlamassel befreien.

Ich fühlte mich schwach und ausgelaugt. Wahrscheinlich wirkte ich inzwischen ziemlich mager, genau wie Luzifer, dessen Rippen immernoch schmerzten. Meine Kräfte hatten sich kaum erholt und so konnte ich keinen weiteren Heilungsprozess durchführen. Von Sacred Feye hatten wir auch nichts mehr gehört. Es enttäuschte mich, aber Luzifer schien an sie zu glauben. Er sagte ich solle ihr Zeit lassen. Wie viel Zeit denn noch!?

Zumindest hatte Chamuel Juline noch nicht gefunden. Luzifer erklärte mir, dass er hoffte Juline würde Elohim finden. Von ihm hatte ich noch nie etwas gehört. Dies könnte aber auch daran liegen, dass ich wenig Kontakt mit anderen Engeln hatte.

„Wieso glaubst du, dass irgendein komischer Engel ohne Rang uns gerade hierbei helfen könnte?“, fragte ich ihn vor einigen Tagen.

„Weil Elohim der einzige ranglose Engel ist, der trotzdem an unsere Stärke kommt.“ „Das heißt, er kommt an unsere Kraft heran obwohl er ein einfacher Engel ist?“ „Nun, welche Art von Engel er ist, weiß bislang niemand. Aber ich bin mir sicher, dass er Juline eine Hilfe sein kann.“ „Hoffentlich...“

Im Gegensatz zu den letzten beiden Wochen war ich inzwischen regelrecht panisch geworden. Oft brach ich auf einmal wie aus dem Nichts heulend zusammen und dachte ich würde jeden Augenblick keine Luft mehr bekommen. Luzifer, der mit seinen eigenen Gefühlen zu kämpfen hatte, kümmerte sich dann auch noch um mich.

Aufgewühlt lief ich in der kleinen Zelle hin und her: „Wir werden niemals mehr hier raus kommen! Und Chamuel wird mich als sein persönliches Lustobjekt benutzen!Und wenn Juline uns schon vergessen hat?“

Luzifer seufzte: „Das hat sie schon nicht. Als ob sie uns vergessen würde.“ „Ja! Aber sie ist jetzt auf der Erde, da wo sie immer sein wollte. Wahrscheinlich hat sie längst Anhang gefunden und lebt nun ihr Leben!“ „Aris, übertreib es nicht. Juline weiß sehr wohl, welcher Gefahr sie ausgesetzt ist. Sie ist meine Tochter, ich weiß, dass sie es schaffen wird.“

Mit gesenktem Kopf setzte ich mich wieder neben ihn und vergrub mein Gesicht in meinen Armen: „Tut mir leid... Du hast ja recht. Ich dreh nur durch hier drinnen.“ „Das kann ich verstehen, aber wir müssen einen kühlen Kopf bewahren und hoffen, dass sich die Gelegenheit auf eine Flucht bietet, bevor er uns oder Juline tötet.“

Wieder schwiegen wir einige Minuten, doch plötzlich riss uns ein grelles Licht außerhalb der Zelle aus unsren Gedanken.

Ein alter Mann stand draußen und guckte uns genervt an. Überrascht richtete sich Luzifer, so gut es ging, auf.

„Huch, ein alter Knacker in unsrem Knast, was verschafft uns die Ehre?“ „Respektlos wie eh und je, die Jugend! Du hast dich kein bisschen verändert, Luzifer.“ „Doch ich habe meine Augen und meine Haare gefärbt... Metatron.“ „Metatron!?!“, fragte ich noch einmal erstaunt.

„Wirklich gut hast du ja noch nie ausgesehen“, antwortete der alte Mann wieder und lachte in seinen schneeweißen Bart. Luzifer grinste: „Jetzt übertreibst du aber. Was willst du? Woher weißt du, dass wir hier sind?“ „Nun, mir entgeht fast nichts. Ich hoffe dir ist klar, was du angerichtet hast, Junge!“ „Was soll ich getan haben!? Ich habe nicht wahllos alle möglichen Leute umgebracht und mich mit Dämonen in eine Festung in der Hölle verschanzt.“ „Ehm... Opa?“

Er stockte kurz und wirkte plötzlich ganz verlegen. „Nicht nur, dass du sehr wohl all diese Dinge getan hast, nein, du hast das gesamte Gleichgewicht mit deinem Egotrip durcheinander gebracht!“ „Oooh! Das Gleichgewicht! Sitzt bestimmt im Keller und weint.“ „Luzifer! Das ist nicht lustig! Und sowas wie du war mal unser König!“ „Gut, dass ich es nicht mehr bin. Bei solchen Anmaßungen hätte ich dich in ein Verließ gesteckt.“

Metatron lachte ausgiebig: „Welch Ironie, dass gerade du eingekerkert vor mir sitzt. Verletzlich wie ein kleines Hündchen.“ „Haha... Witzig. Jetzt sag, warum bist du hier?! Kannst du Aris hier rausholen?“ „Was!? Aber was ist mit dir?“, rief ich zwischenrein und klammerte mich an seinen Arm.

„Nein, das kann ich leider nicht. Diese Siegel sind zu stark für meine Kräfte. Ich bin lediglich gekommen um deinen Anblick zu genießen und euch eine Standpauke zu halten!“

Im selben Moment wurde die Tür zu unsrem Kerker aufgeschlagen und Chamuel kam hinzu. Er sah alles Andere als begeistert aus: „Wie kommt der alte Sack hier rein?“, fragte er trocken. „Unfassbar! Kein Respekt vor Älteren! Und sowas wie ihr seid zwei der mächtigsten Engel! Was hat Gott sich dabei nur gedacht euch zu erschaffen!“ „Chamu, mach ihn fertig!“ „Fresse, Luzifer, sonst sperre ich ihn zu euch in die Kammer!“ „NEIN! Selbst sterben ist besser!“

„Ihr Flegel! Erst bringt dieser Verrückte die Göttinnen der vier Elemente um... Dann macht dieser andere Verrückte seine Arbeit nicht gescheit! Was soll nur aus dem Gleichgewicht werden?!“ „Scheiß drauf!“, antworteten Luzifer und Chamuel gereizt. Beim Anblick von Metatron's Gesicht musste ich fast kichern. In solchen Augenblicken fragte ich mich wie Chamuel nur so werden konnte. In einer gewissen Art ähnelte er Luzifer sehr.

Ich war der festen Überzeugung, dass er in sich noch einen kleinen Funken Güte und Liebe trug. Er konnte nicht einfach komplett von Hass und Verzweiflung zerfressen sein!

Metatron war beleidigt und verschwand einfach im Nichts, weshalb Luzifer und Chamuel den Kopf schüttelten. „Dieser Idiot! Kommt hierher um nutzlosen Müll zu reden...“ „Und verschmutzt meine schöne Gefängniskammer. Du hättest ihn einmauern sollen, als du noch die Chance dazu hattest, Luzifer!“ „Danach ist man bekanntlich schlauer.“

Dann fingen sie an ihn nachzuäffen, was ich ungewollt lustig fand. Welch bizarre Situation. So schnell die gute Laune kam, ging sie auch wieder als Chamuel merkte, dass er zu viel Schwäche zeigte. Für einige Sekunden guckten sich Luzifer und er in die Augen, ehe er den Kerker wieder verließ.

„Was ist das zwischen euch? Ihr hasst euch... Aber doch merkt man dieses kleine Bisschen Freundschaft, das mal existierte.“ „Ich weiß nicht. Er war mal mein bester Freund. Früher haben wir uns täglich über den Greis lustig gemacht.“ „Es muss toll gewesen sein... Früher...“ „Ja... War es schon. Wir hatten viel Spaß.“ „Erzähl es mir. Mir ist so langweilig. Ich würde mich über etwas Abwechslung freuen.“ „Hmm... Eigentlich wollte ich diese Zeit immer vergessen. Aber wenn es dir hilft, dann erzähle ich dir davon.“

Gespannt setzte ich mich neben ihn und bemerkte wie seine Augen leicht sentimental wirkten.

„Früher waren wir vier die besten Freunde. Chamuel, Sacred Feye, Lumen und ich. Wir dienten Gott und hatten unendlich viel Zeit füreinander. Am liebsten haben wir andere Engel geärgert.“ „Und... Hast du dich nicht in Sacred Feye verliebt? Ich meine du hast sie sicher nicht umsonst auserwählt um Reeza's Mutter zu sein.“ „Ähm... Naja. Eigentlich war ich nicht in sie verliebt. Sie war eben am passenden Ort...“, stammelte er als Antwort.

„Und in Lumen?“ „Haha! Nein... Das wäre auch nicht gut ausgegangen. Engel war es nicht gestattet sich zu verlieben.“ „Warum?“ „Gott hatte es verboten. Warum weiß ich nicht. Irgendwann erschuf er die Menschen und wir alle bekamen Aufgaben. Ich war zu der Zeit schon der Herrscher der Engel und sollte das Licht für die Menschen in mir tragen. Doch wo es Licht gibt, muss es auch Dunkelheit geben. Dafür wurde Sacred Feye auserwählt und in das Reich...“ „Jaja, das Reich der Dunkelheit und Elemente, bla, bla, bla!“, fiel eine weibliche Stimme ins Wort und Sacred Feye erschien vor uns. Vor Freude zog sich mein Magen zusammen. Endlich!

„Ha! Wenn man vom „Teufel“ spricht!“ „Du hast von mir geredet, Liebling. Nicht von dir. Warum erzählst du schon wieder diese alten Geschichten? Hast du Sehnsucht?“ „Nie im Leben! Hast du Juline gefunden? Konntest du ihr helfen? Und kannst du uns nun endlich hier raus holen?“

„Ohh, Luzifer. Du übertreibst! Ja, ich habe mit deiner Kleinen geredet. Sie ist soweit in Sicherheit und hat die Assistants gefunden. Die Frage ist nur, was wir gegen Chamuel in der Hand haben.“ „Nichts außer unsre vereinten Kräfte und Elohim.“ „Pff, du meinst diesen über störrischen Engel, der vom Volk als kleine Kampfmaschine gefürchtet wird? Was soll der schon tun können? Zudem wurde er schon lange nicht mehr gesichtet.“

Während sie über diesen Elohim redete versuchte sie sich angestrengt an unserer Tür zu schaffen zu machen, jedoch ohne Erfolg.

„Mach schnell, er merkt, wenn sich eine fremde Aura hier befindet!“ „Ich bekomm es nicht auf! Meine Kraft ist auch zu schwach...“ „Verdammt!!!“ Wieder zuckte ich zusammen als die Eingangstür erneut mit einem lauten Donnern aufgeschlagen wurde: „Was zur Hölle ist heute eigentlich hier los!?! F-Feye?!“, fragte Chamuel schockiert und packte sie am Arm. Sie guckte ihn ängstlich an. „Du lebst? Wieso lebst du? Ich...“ „Chamuel... Bitte! Hör auf damit. Das hat doch keinen Sinn. Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen und ich habe dich vermisst! Lass die beiden frei und wir reden ganz lange miteinander...“

Immernoch sprachlos ließ er Sacred Feye's Arm los und blickte sie nachdenklich an. Ihre Blicke hingegen waren erwartungsvoll: „Also? Bitte! Ich bin sicher, wir haben uns viel zu sagen. Du weißt doch... Früher... Du und ich.“ „Das war mal... Ich habe dich auch vermisst. Lange... Viel zu lange. Aber was soll's? Das Schicksal wollte es nicht so. Nein, Gott wollte es nicht! UND JETZT IST ES SOWIESO ZU SPÄT!“

Nachdem er Sacred Feye angeschrieen hatte, stieß er sie gegen die Steinmauer, zog sie an den Haaren wieder hoch und schlug sie erneut von sich.

„Chamuel! Hör auf! Du hast sie geliebt, wie kannst du sie denn nun so behandeln!?“, fragte Luzifer angestrengt und erneut mit schmerzverzerrtem Gesicht.

„So etwas wie Liebe war mir nie vergönnt! Also ist es doch sowieso egal!“ „Feye! Verschwinde von hier, sofort!“, rief Luzifer ihr zu.

Chamuel hob die Hand zu einem Angriff, doch Sacred Feye konnte im letzten Augenblick verschwinden indem sie sich davon teleportierte.

„Verdammte Schlampe!“ „Chamuel... Ihr habt euch mal geliebt! Warum musst du so mit ihr umgehen!?“ „Ich habe gesagt, ich liebe niemanden! Nie wieder! Egal was damals war!“

Voller Wut trat er gegen die Gitter und verschwand erneut. Wahrscheinlich würde er nun nicht mehr zulassen, dass sich irgendjemand zu uns porten könnte. Hatte Luzifer nicht gesagt, dass die Liebe zwischen Engeln von Gott verboten wurde? Es schien mir so unglaublich, dass Chamuel und Sacred Feye wohl dennoch einander liebten.

„Was ist nur zwischen euch allen geschehen...“, fragte ich traurig und leise, ehe ich mich wieder neben Luzifer setzte.

„Zu viel um es wieder gut zu machen... Entweder Chamuel stirbt, oder Gott und wir.“
 


 

~ Kapitel 8 ~ Freud und Leid ~ Ende ~ Fortsetzung folgt ~



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