Elementary Angels von KizuYukiha (Trilogie - Staffel 3) ================================================================================ Kapitel 3: Verborgene Gefühle ----------------------------- Kapitel 3 ~ Verborgene Gefühle ~ Raik Coldfire ~ Diesen Morgen wollte ich weder bei Tam noch bei Hailey verbringen, obwohl ich mir schon einige Sorgen machte. Hoffentlich musste sie nicht zu sehr weinen, weil sie diese Nacht alleine war. Ich brauchte einfach etwas Zeit für mich und Tam kümmerte sich gut um mich und meine Bedürfnisse. Eigentlich fand ich mein Handeln egoistisch und es hatte nicht das Ergebnis, das ich mir erhofft hatte. Nein, ich hatte mich Tam geöffnet, doch meine Gefühle waren die Selben wie vorher. Zumindest hatte ich nun nicht mehr dieses dringende Verlangen nach einer Frau im Bett. „Hey, Brüderchen!“ Ich drehte mich um und sah Jenn, die mir entgegen lief. Sie trug einige Einkaufstüten, die ich ihr gleich abnahm. „Du hast dich aber schwer bepackt. Wo ist dein Auto!?“ „Ach, Alec brauchte es heute leider. Und der Kühlschrank ist leer. Was treibst du? Wie geht es Hailey?“ „Keine Ahnung, ich war die Nacht nicht zu Hause.“ „Oh... Ich verstehe“, sagte sie uns grinste hämisch. Ich wusste, dass sie eine Antwort erwartete und ich wusste auch, dass sie sich schon dachte, wo ich war. „Ja, guck nicht so, ich war bei Tam.“ „Ich sag doch gar nichts!“ „Ich kenne aber deine Gedanken.“ „Hahaha! Gehst du jetzt nach Hause?“ „Habe ich noch nicht vor.“ „Gut, dann komm mit zu mir. Ich hab heute frei und bin etwas einsam zu Hause. Es ist langweilig.“ „Genießt du nicht die Ruhe, wenn keiner da ist?“ „Sollte ich eigentlich. Ich beschwere mich immer. Aber wenn ich dann mal Ruhe habe, langweile ich mich zu Tode.“ Jenn benutzte mich also als Packesel und zur Unterhaltung. Bei ihr zu Hause war alles still, was selten vorkam. Wenn ihre beiden Kinder zu Hause waren, gab es nur Lärm und Geschrei. Ihr Sohn Jo und ihre Tochter Ashley kamen beide nach Jenn und waren daher sehr hitzig. Durch den Altersunterschied waren die beiden schon dazu verdammt sich zu hassen. Jo, der nun neunzehn wurde und Ashley, die erst dreizehn war. Das klappte einfach nicht. Und obwohl Jenn es einerseits nervig fand, genoss sie die Zeit mit ihren Kindern. Jedoch mehr mit Ashley, denn Jo war selten zu Hause. Mit ihm kam sie kaum zurecht. „Ist Jo in der Schule?“, fragte ich sie und bekam schon einen genervten Blick zurück. „Ich hoffe es für ihn. Irgendwann muss ich mir noch was für ihn einfallen lassen! Er ist so schwierig, lässt sich nichts sagen, kommt spät nachts nach Hause und will morgens nicht aufstehen.“ „Sei froh, dass er überhaupt nach Hause kommt.“ „Ach... Das macht er in letzter Zeit auch weniger. Er raucht, er trinkt...“ „Ist sicher nur ne Phase“, entgegnete ich um sie etwas zu beruhigen. Wir alle hatten diese Phase. Manche mehr, manche weniger. Bei mir hielt es sich in Grenzen, bis ich ins Musikgeschäft kam. Da betrank ich mich auch öfters und hab irgendwelche Groupies verführt. Jenn stellte uns beiden einen Kaffee hin und lächelte: „Ich sollte mir nicht zu viele Sorgen um ihn machen. Ich sollte mir eher Sorgen um dich machen, kleiner Bruder. Du siehst schlecht aus, richtig blass und müde. Und jetzt benutz ja nicht die Ausrede, von wegen du hättest gestern zu viel getrunken! Das sieht nicht aus wie ein einfacher Kater, den man vom Alkohol bekommt.“ „Ja, du hast ja recht. Ich dachte, ich sollte heute vielleicht mal in der Agentur anrufen und nach Arbeit fragen.“ „Hey, das klingt doch super, was hält dich davon ab?“ Wie sollte ich ihr nur erklären, dass ich mich lieber um eine Frau sorgte, die viel älter war als ich, doch äußerlich meinem Alter glich. Eine so hübsche Frau, die derartig verletzt und zerbrochen war... „Naja, wer kümmert sich um Hailey?“ „Die ist alt genug. Jill ist auch noch da um sich um sie zu kümmern.“ „Hmm ja, obwohl sie sich vor allen eher verschließt. Sie redet eigentlich nur noch mit mir.“ „Ja, weil du aussiehst wie Clyde. Hart aber wahr... Ich weiß du hörst es nicht gerne, aber es ist so.“ „Soll ich mir die Haare grün färben?“ „Es liegt ja nichtmal an den Haaren. Alles... Deine ganzen Gesichtszüge, dein Verhalten. Unsere Eltern haben echt Schrott fabriziert...“ „Daaanke“, seufzte ich, worauf sie laut lachen musste und mir durch die Haare wuschelte. „Ernsthaft... Ruf dort an. Jetzt! Nimm unser Telefon.“ „Ich kenne die Nummer nicht auswendig.“ „Ausreden... Im Wohnzimmer steht unser PC, such sie im Internet.“ Wieder seufzte ich. Wenn Jenn sich erst was in den Kopf gesetzt hatte, dann zog sie es auch durch, so verbissen war sie. Resigniert setzte ich mich kurz an den PC und suchte die Nummer der Agentur raus. Gleich darauf rief ich dort an mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube. Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte und zuckte zusammen als ich die Sekretärin sprechen hörte. Für einen kurzen Moment hätte ich am liebsten aufgelegt, doch bei Jenn's prüfenden Blicken musste ich eisern bleiben. „Raik Coldfire hier, ich rufe an weil ich fragen wollte, ob sie Jobs zu vergeben haben.“ „Coldfire... Coldfire, hmm. Ach! Sie sind der junge Mann, der vor einigen Jahren für uns gearbeitet hat. Der Bruder von Ayane, richtig?“ „Ehh, ja.“ Entweder erkannte man mich an Clyde's Aussehen oder daran, dass ich irgendwie mit Ayane verwandt war. Doch mich selbst sah niemand, das trieb mir wieder die Wut hoch, doch ich musste sachlich bleiben. „Ja, uns ist heute jemand abgesprungen und wir hätten in einer Stunde einen Termin zum Vortanzen frei. Hätten Sie Zeit?“ „Ja, klar hab ich Zeit!“, gab ich mit gespielter Freude zurück um meine Nervosität zu verdecken. Sie schrieb sich den Termin auf und ich legte den Hörer weg. Jenn faltete stolz die Hände: „Siehst du, es war doch nicht so schwer!“ „Ich muss in ner Stunde dort sein... Heute, bei meinem Bummschädel. Oh Mann...“ „Da musst du durch!“ Wieder lachte sie mich aus und trank ihren Kaffee fertig. Zu meiner Erleichterung schenkte sie mir noch eine Schmerztablette. Nervös stand ich vor meinem damaligen Chef, der mich mit strengen Blicken beobachtete und mich darum bat ihm zu zeigen, was ich noch drauf hatte. Ich hatte schon lange nicht mehr getanzt und gesungen auch nicht. Meine Gedanken spielten verrückt, konzentrieren konnte ich mich kaum. Krampfhaft versuchte ich mich an einige Moves von früher zu erinnern und führte sie so gut es ging durch. Schnell wurde mir klar, dass ich das mal besser konnte. Er verschränkte die Arme und schüttelte den Kopf. „Das sieht zu verkrampft aus. Deine Bewegungen sind nicht fließend. Du denkst zu viel. Tu es einfach...“ „Okay“, stammelte ich und atmete nochmal durch. Erneut führte ich diese Bewegungen durch, aber nicht viel besser als beim ersten Versuch. „Raik, du machst dich lächerlich, wenn du meinst, mit deiner jetzigen Verfassung sofort wieder durchstarten zu können. Das geht nicht. Ich lehne das ab.“ „Chef, kommen Sie schon! Sie wissen was ich kann! Früher konnten Sie nicht genug von meinem Können bekommen und sagten ich sei ein Goldesel!“ „Natürlich warst du das. Du bist ein begabter Tänzer und singen kannst du auch gut. Aber dir fehlt die Übung. So kann ich dich nicht auf die Leute loslassen.“ Er überlegte. Und ich bangte. Wenn er mir keine Chance gäbe, dann müsste ich mir etwas Anderes überlegen womit ich Geld verdienen könnte. Doch ich wusste, dass ich außer Tanzen und Singen nichts konnte. Wer würde mich anstellen? Ich hatte keinen Abschluss, weil mir die Schule egal war. Sie langweilte mich und ich hasste es über Stunden hinweg still zu sitzen. Sein Seufzten riss mich aus meinen Gedanken: „Du machst es mir schwer... Da gibt es doch noch eine Möglichkeit. Ein Workshop, der allerdings schon morgen startet.“ „Ein Workshop?“ „Ja, wir haben sechs Plätze frei, doch wie du bereits weißt, ist uns heute jemand abgesprungen. Wenn du dort teilnimmst, trainierst und wieder fit wirst, dann würde ich es mir vielleicht überlegen, dich zu einem zweiten Vortanzen einzuladen. Und glaub mir, es würde dir gut tun, du hast zugenommen. Dein dicker Hintern macht sich nicht gut auf der Tanzfläche und auf den TV Bildschirmen.“ „Tzz!“ „Also?“, fragte er belustigt. „Ja, gut... Ich nehme daran Teil. Dicker Hintern... Da ist kein Gramm Fett zu viel dran!!!“ „Ich sehe, eines hast du wohl doch mit deiner Schwester gemeinsam.“ „Bitte!?“ „Ihr seid beide Eitel und Ehrgeizig. Na dann, sehen wir uns morgen wieder. Um 11 Uhr am Flughafen.“ „Wo ist der Workshop?“ „Erfahrt ihr dann morgen.“ Der Chef war ein seltsamer Kerl, der sich einen Spaß aus der Unsicherheit seiner Neulinge machte. Doch ich war dankbar, dass er mir zumindest diese kleine Chance gab. Nachdem ich Jenn von Draußen gleich anrief um ihr die Neuigkeiten zu erzählen, überlegte ich mir endlich mal nach Hause zu gehen. Ich wusste nicht was mich nervöser machte. Die Vorstellung schon morgen weit weg reisen zu müssen, oder die Frage, wie Hailey mir gleich gegenüber stehen würde? Mit einem unguten Gefühl öffnete ich die Wohnungstür und hörte mich um. Es herrschte Totenstille. Im Wohnzimmer war niemand, in der Küche auch nicht. Nun wurde ich noch nervöser. Wo könnte sie sein? Sie hatte sich doch wohl nichts angetan... Doch dann fand ich sie in ihrem Schlafzimmer. Sie lag in dem großen Bett und blickte mich mit halb offenen Augen an. Sie hatte schon wieder geweint, ihre Augen und Wangen waren ganz rot. Besorgt setzte ich mich zu ihr auf den Bettrand und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. „Da bist du ja wieder...“, sagte sie leise. „Tut mir leid, ich hatte nicht geplant die ganze Nacht weg zu bleiben. Seit wann liegst du hier?“ „Ich weiß es nicht...“ „Hmm. Magst du aufstehen?“ Ich gab ihr meine Hand und half ihr beim Aufstehen. Ihre Hände fühlten sich kalt und knochig an. Sie war so mager, dass man denken könnte sie würde nur noch aus Haut und Knochen bestehen. Bei einer Körpergröße von 1,70 Metern wog sie auch nur 42 Kilo, was mir Sorgen bereitete. Sie taumelte etwas beim Aufstehen und fiel mir in die Arme. Am liebsten hätte ich sie in diesem Moment niemals mehr losgelassen, doch sie fing sich schnell ab und löste sich wieder. „Tut mir leid... Mir ist etwas schwindelig.“ „Hast du seit gestern denn schon mal etwas gegessen und getrunken?“ Sie drehte sich zu mir und sah verwirrt aus: „Ich weiß nicht...“ „Na, wenn du das schon so sagst, bezweifle ich es mal. Komm mit, ich mach dir was. Und dann hab ich dir etwas zu erzählen.“ „Oh. Gut, ich bin gespannt.“ „Es wird dir nicht gefallen.“ Für einen kurzen Augenblick blieb sie stehen und guckte mir ratlos hinterher. Ich wollte und durfte jetzt nicht schwach werden. Sie hatte es zu akzeptieren und irgendwie mussten wir ja die Wohnung halten. Sie müsste endlich alleine klar kommen, so wie damals, bevor ich mich um sie kümmerte. Ich wusste, dass meine Anwesenheit ihr gut tat. Früher kümmerten sich die Anderen um sie. Jill zum Beispiel. Shinji auch. Aber seit sie gemerkt hatten, dass Hailey auf mich am besten reagierte, ließen sie mich diese Arbeit erledigen. Seither ging es ihr auch besser, mir dagegen schlechter. Ich hatte Mitleid mit ihr und dummerweise begann ich mehr für sie zu empfinden. Sie war so schwach und hilflos... Ich beobachtete sie eine weile schweigend dabei wie sie sich zwang das Essen leer zu bekommen. Und auch das Trinken dauerte eine Weile. Doch sie hatte es geschafft. Jeder leere Teller war ein großer Erfolg. Dann wandte sie sich mir zu zu. Für einen Moment sahen ihre Augen richtig klar aus. Mein Magen zog sich zusammen und meine Kehle fühlte sich trocken an. „Was willst du mir denn erzählen?“ „Ich werde morgen zu einem Workshop gehen um wieder Geld verdienen zu können.“ „Das... Das ist toll. Wirklich, ich freue mich für dich.“ Sie schenkte mir ein gezwungenes Lächeln. Ich wusste, dass sie innerlich unruhig wurde. „Wie lange bist du denn Weg?“ „Wahrscheinlich einige Wochen.“ Ihre Haut wurde blasser als sie sowieso schon war und ihre Augen wurden glasig. „Ich weiß, dass du nicht willst, dass ich gehe. Aber ich muss... Wir brauchen endlich wieder Geld. Du kannst so nicht arbeiten und ich kann eben nur meine Musik machen.“ „Natürlich sollst du gehen und tun was du willst... Wirklich, ich freue mich.“ „Hail, hör auf zu lügen...“ Einen Moment fühlte sie sich offensichtlich ertappt und dann ließ sie ihren Tränen freien Lauf und lehnte sich an meine Schulter. Lange und geduldig saß ich bei ihr und versuchte sie beruhigen indem ich ihr über die Haare streichelte. Es hatte allerdings kaum Wirkung und dauerte einige Stunden bis sie zu müde zum weinen war. Wie sollte sie nur allein und in diesem Zustand hier zurecht kommen? Wahrscheinlich müsste ich meine Schwestern bitten ein Auge auf sie zu werfen. Als Hailey zu schlafen schien, packte ich sie und trug sie ins Schlafzimmer wo ich sie sanft in ihr Bett legte. Doch gerade, als ich mich wieder aufrichten wollte, schlang sie ihre Arme um meinen Nacken und klammerte sich fest. Ich war so erschrocken, dass ich im ersten Moment nichts unternahm um sie schnell von mir loszubekommen. Ich hasste so viel Nähe zu ihr... Dann trieb sie es auf die Spitze und drückte ihre Lippen auf meine. Ich spürte wie meine Knie weich wurden, bezweifelte jedoch, dass sie gerade bei klarem Verstand war. Ich drückte sie etwas von mir weg und sah ihr zufriedenes Lächeln, das mich verwirrte. „Ich liebe dich, Clyde...“, nuschelte sie leise. „Schlaf gut“, antwortete ich und brauchte erstmal frische Luft. Als ich draußen stand und eine Zigarette rauchte, dachte ich mir, dass es wirklich an der Zeit war zu gehen. Der Kontakt zwischen uns hatte brachte nichts Gutes mit sich. Zwar konnte ich Hailey helfen etwas glücklicher zu werden, doch ich wollte es nicht mit diesen Mitteln. Sie sollte ohne Clyde glücklich sein und nicht nur mit der Illusion ihn in Form von mir vor sich stehen zu haben. ~ Jade Coldfire ~ Mein Freund Chris schnurrte wie ein Kätzchen, als ich auf seinem Rücken saß und ihm den Rücken massierte. Wir hatten nicht oft die Gelegenheit unsere Zweisamkeit zu genießen. Ja, wirklich sehr selten, denn immer wenn ich zu ihm ging, musste ich mir eine Ausrede einfallen lassen, was ich Adriano, meinem Bruder, sagen könnte. Meistens halfen mir Fabio - mein anderer Bruder, und meine Eltern dabei. Meine Brüder und ich waren Drillinge und Adriano meinte es nicht böse. Er wollte mir keine Beziehung verbieten, dazu hatte er gar nicht das Recht. Doch er war im Grunde wie ein großer Bruder, der auf Fabio und mich aufpasste. Die Mädels flogen Reihenweise auf Adriano, was ich nicht verstehen konnte. Er sah wirklich sehr gut aus, doch seine schroffe und kühle Art gab mir zu denken. Er wäre nicht mein Typ. Fabio dagegen war immer lustig, fast wie ein Clown. Als Mädchen, das nicht mit ihm Verwandt wäre, würde ich mich wohl eher für ihn entscheiden. Trotz des ganzen Charmes und des Humors, den Fabio an den Tag legte, entschieden sie sich für Adriano. Und so kam es, dass Fabio wirklich noch nie eine Freundin hatte, weil Adriano ihm unbewusst die Aufmerksamkeit der Frauen stahl. Dabei hatte Adriano ja eine feste Freundin und das schon sehr lange. Wir waren nun achtzehn, alle drei, am selben Tag. Ich musste schmunzeln, als ich mich fragte, wie meine Mutter uns drei so lange schon ertragen konnte. Mein Vater machte es sich einfach... Nein, so dürfte ich das nicht sehen. Unser Vater, Ryan Coldfire, ging zur Armee um unserem Land zu dienen. Sicher nicht um Spaß daran zu haben eventuell Leute zu töten, nein. Meine Mutter erzählte, dass sie uns recht jung bekommen haben. Meine Eltern waren vierzehn... Dummheit, würde ich sagen. Obwohl ich meine Mutter nicht so einschätzte. Von ihr hatte ich meinen starken willen, mein Durchsetzungsvermögen und meine strenge Art. Und nicht nur das. Auch meine blonden Haare hatte ich von ihr. Ich färbte mir die Haarspitzen vor einer Weile rot, weshalb mich alle „Spagettieis“ nannten. Eigentlich nicht lustig... Meine teils italienische Herkunft gab meinem starken Temperament nochmals einen großen Schub. Meine Brüder hatten im Gegenteil zu mir die braunen Haare unseres Vaters, dafür aber die grünen Augen von Mama. Das Temperament hat auch bei Adriano seine vollen Ausmaße erreicht nur bei Fabio blieb es irgenwo hängen. Unsere Mutter, Nyria Lombardini, die hübsche Italienerin... Dad hatte einen guten Geschmack. Wieder drückte ich fester auf die Schultern von meinem Freund, der fast einschlief. Sein Anblick trieb mir ein Lächeln aufs Gesicht. „Es gefällt dir.“ „Hör niemals mehr auf“, nuschelte er verschlafen und vergrub sein Gesicht in seinen Armen. Ich hoffte, ich könnte mit Chris für immer glücklich sein. Meinem Dad wäre die Ewigkeit mit Mama nicht vergönnt, denn im Gegenteil zu uns war sie kein Assistant. Als ganz normaler Mensch wurde sie älter und irgendwann würde sie sterben. Langsam verstand ich warum viele von uns Assistants sich beispielsweise mit Cousine oder Cousin einließen. Sie hatten Angst davor den Partner altern zu sehen und zu verlieren. Auch Chris war ein Assistant. Zum Glück. Ich klatschte die Hände zusammen und seufzte: „So, jetzt reicht es aber! Sonst pennst du mir ja gleich wieder ein. Es ist noch so früh und wir müssten eigentlich in die Schule.“ Verschlafen drehte er sich unter mir damit er mich angucken konnte. Diese wahnsinnigen blauen Augen... Wie sie mich immer wieder faszinierten... „Lass uns doch heute mal schwänzen. Ehrlich... Wenn wir nachher wieder gehen, dann müssen wir wieder so tun, als würden wir uns hassen.“ „Vielleicht wandert Adriano ja aus, bevor wir heiraten wollen... Irgendwann halt.“ „Na hoffentlich, sonst kann ich dir das Jawort im Krankenhaus geben. Mit Adde will mich ungern anlegen, auch wenn er seit über sechs Jahren mein bester Freund ist.“ „Dass er seinem besten Freund nichtmal erlaubt mit seiner Schwester zu gehen. Tzz. Ich verstehe ihn nicht.“ „Ich schon. Ich hab damals viel Müll geredet um mit den Jungs mithalten zu können. Vor allem mit Jo.“ „Ach komm, Jo. Der ist ein Fall für sich. Damit darf man sich nicht vergleichen. Was hast du denn geredet?“ „Irgendwas... Jedenfalls denkt Adriano wohl, dass ich ein Aufreißer bin.“ Ich musste lachen. Chris und ein Aufreißer... Ich war diejenige, die ihn verführt hatte und dabei hat er sich sogar richtig bescheuert angestellt. Nun, inzwischen hatte er zum Glück alles drauf, was zu einer Beziehung gehört. Ich legte mich neben ihn und kuschelte mich in seine Arme. „Soso, du willst heute also schwänzen. Was deine Eltern davon wohl halten werden?“ „Die waren doch selber nicht besser und sind trotzdem glücklich. Ich denke nicht, dass sie Einwände haben.“ „Gut, dann gehen wir mal zu ihnen runter, erzählen ihnen von unserem Vorhaben und essen etwas. Ich hab total viel Hunger!“ „Fresskuh...“ Ich erwischte ihn grade noch, als er lachend aufstand und vor mir floh. Ich fühlte mich sehr wohl bei ihm zu Hause. Seine Eltern behandelten mich gut, als wäre ich ihre Tochter. Sein Vater saß schon am Frühstückstisch, während seine Mutter noch mit Küchenarbeit beschäftigt war. Auch Chris Opa war zu Besuch, worüber ich immer besonders freute. „Da hocken sie ja schon alle“, erwähnte Chris etwas erschlagen. Er genoss seine Familie nicht so sehr wie ich. „Guten Morgen Jade!“, begrüßte mich Chris' Mutter Maya. „Guten Morgen Maya, Morgen Maiko, guten Morgen Rico“, begrüßte ich sie alle und setzte mich neben Rico. Er war schon ein richtiger Opa geworden, auch vom Aussehen her. Der Arme! Maiko und Maya hingegen erfreuten sich an dem frischen und ewigen Aussehen, das 25 Jahre mit sich brachten. „Dad, ich sag es dir gleich, wir schwänzen heute“, sagte Chris matt und nahm die Tasse Kakao, die seine Mutter für ihn gemacht hatte, entgegen. Ich beobachtete Maiko's Blicke und Rico musste lachen. „Jaja, dann bleibt eben heute zu Hause, aber wehe ihr verhütet nicht!“, sagte Maya streng und musste auch lachen. Sie gab mir einen frischen und noch dampfenden Kaffee. Sie wusste eben was ich gerne mag. „Ihr seid nicht streng genug zu euren Kindern, wo soll das hinführen.“ „Klappe, Dad!“, schimpfte Maiko nun mit seinem eigenen Vater. Maya, die nun endlich alle bedient hatte ließ sich lachend auf dem Schoß ihres Mannes nieder und schlang ihre Arme um ihn. „Sie sind doch brav! Meistens gehen sie doch zur Schule und über Chris Noten kann ich mich nicht beschweren.“ „Streberjunge“, murmelte Maiko und tat unschuldig. Schneller als ich hinsehen konnte, hatten Vater und Sohn ihre Tassen schon geleert und schenkten sich Kaffee nach. Sowohl Rico, Maya als auch ich beobachteten beide skeptisch, als sie sich jeweils sechs Löffel Zucker in den Kaffee kippten. „Ihr bekommt noch Diabetes. Alle beide.“ „Egal“, antworteten sie fast synchron und tranken weiter. Das muss doch ekelhaft süß schmecken. Es schüttelte mich leicht bei dieser Vorstellung. „So, wir müssen langsam zur Arbeit“, bemerkte Maiko mit einem Blick auf die Wanduhr über uns. Ich bewunderte es, dass Rico in seinem Alter noch so hart schuftete. Wahrscheinlich war seine Frau Scarlett auch jetzt noch mit Schminken und ihren Nägeln beschäftigt. Maiko's Mutter war durchaus eine seltsame Frau. Sie kam nie zu Besuch, Maiko duldete es nicht. Sie machte auch keine Anstalten sich mit ihrem Enkel zu beschäftigten. Mit beiden Enkeln nicht, immerhin hatte Chris ja auch noch seine ältere Schwester Tam, die allerdings eine andere Mutter hatte. Maya erzählte es mir einmal, als wir alleine waren. Wie Maiko eigentlich ihre Schwester Pia geheiratet hatte und mit ihr Tam bekam. Und dann verliebten sich die beiden. Maiko und Maya widersetzten sich ihrer Familie. Er ließ sich von Pia scheiden um mit Maya zu leben. Pia und ihre Mutter Naga schienen ihn auch nicht wirklich gut zu behandeln. Danach zogen die Beiden zusammen und bekamen sechs Jahre später Chris, mit dem ich nun schon seit längerem zusammen war. Eine rührende Geschichte, wie ich fand. Und auch Maiko bekam meine Bewunderung und meinen Respekt, denn er lebte recht sorglos, obwohl er nur noch einen Arm bewegen konnte. Er ging damit arbeiten und das nicht schlechter als seine Kollegen. Ja, er meisterte sein Leben gut und Maya gab ihm die Liebe und das Glück, die ihn täglich mit Kraft beschenkten. Es wurde hektisch in der Küche und Maiko ergriff seine Autoschlüssel. Mit einem Kuss und einen Winken verabschiedete er sich erst von seiner Frau, dann von uns. Im Vorbeigehen wanderte seine Hand nochmal in eine Schale, die mit Schokoriegeln gefüllt waren. Der Mann hatte einen Drang nach Schokolade und vererbte ihn an seinen Sohn weiter. Maya grinste: „Lass dir den Riegel schmecken mein Schatz. Der ist glaub ich schon seit sechs Jahren abgelaufen!“ „Bah!!! Du Kuh! Wieso hebst du sowas auf!“ „Iss ihn schon fertig und komm, sonst kommen wir zu spät“, meckerte Rico und drückte seinem Sohn den Riegel in den Mund, wovon Maiko fast kotzen musste. „Schokolade wird nicht schlecht“, bemerkte Chris entspannt und trank seinen Kaffee mit geschlossenen Augen aus. Ich liebte den Trubel, der hier jeden Morgen zu herrschen schien. Genüsslich biss ich in den Croissant, den ich mir aus der Brotschale genommen hatte. „Was machen wir gleich, Schatz?“, fragte ich ihn voller Tatendrang. „Darf ich dich abzocken? So an der Konsole?“ „Tzz! Diesmal gewinnst du nicht!“ „Haha. Sagst du jedes mal.“ Während Maya weiterhin etwas den Haushalt erledigte, gingen Chris und ich wieder nach oben und setzten uns vor seine PS3. Er hatte schon recht, er besiegte mich immer wieder in dem Kampfspiel, das wir öfter spielten. Und jedes mal drohe ich ihm mit Revanche und schwöre auf meinen baldigen Sieg, der wohl noch lange auf sich warten ließe. Während Chris gechillt neben mir lag und auf einer Salzstange herumkaute, stand ich fast rasend neben ihm und vergewaltigte den Controller. „DU ARSCH!!! DU ARSCH, DAS KRIEGST DU ZURÜCK! NA WARTE!!! AAAAHHHR!!! BÄM!!! HAHA! NEEEEIIIIIN! GOTT EH JETZT LASS MICH DICH DOCH AUCH MAL SCHLAGEN!!!“, schrie ich und holte aus um den Controller irgendwo hin zu schmettern, doch mit zuckenden Armen hielt ich dagegen an um nichts kaputt zu machen. Chris lachte und packte mich an der Taille, womit er mich auf sich zog und mich dann küsste: „Du hast es nicht drauf. Aber dafür kannst du andere Dinge besser.“ „Welche?“, fragte ich grinsend und hatte meine Wut über das Spiel wieder vergessen. „Einige“, antwortete er schlicht und küsste mich erneut. Ich wusste, was er meinte, doch ich spielte gerne mit ihm. Wir beeilten uns nicht möglichst schnell unsere Klamotten vom Leib zu reißen. Nein, so früh am Morgen gingen wir es langsam an und genossen die Stille und die Berührungen. Ich liebte seine Wärme, seine Berührungen und wie er mit mir redete. Eigentlich liebte ich alles an ihm und lächelte zufrieden, während er mir mein Oberteil auszog. Doch plötzlich zuckten wir beide zusammen, als Maya rief. „Chris!!! Adriano ist da!“ „Oh, Scheiße, was will der denn?“ Hektisch suchte ich alle meine Sachen zusammen und hörte schon die Schritte auf der Treppe. Doch ehe ich mir ausdenken konnte, wo ich mich verstecken sollte, gab Chris mir einen schubs und ich fiel mit Schwung in den Wandschrank, den er hinter mir zu schlug ohne mich zu fragen ob es mir gut ging. Durch die Rillen, die etwas Licht in den Schrank ließen, konnte ich sehen was in dem Zimmer vor sich ging. Mein Bruder kam ins Zimmer, als Chris sich gerade hingesetzt hatte. „Hey Alter, warum hockst du hier noch rum?“ „Gute Frage. Und du? Hast du keine Schule?“ „Doch, aber wir haben nach der ersten Stunde zwei Freistunden und da dachte ich mir, dass ich dir einen Besuch abstatte. Bist du krank oder hast du einfach kein Bock?“ „Beides“, antwortete Chris knapp und grinste lässig. Adriano schnaufte und machte sich neben seinem Kumpel breit. „Weißt du, ich find's ja schon komisch, dass ihr heute beide fehlt.“ „Wie?“ „Jade und du.“ „Sie ist heute auch nicht in der Schule?“ „Nee, und ich hab mich gefragt ob du vielleicht etwas damit zu tun hast.“ „Nö, wie kommst du darauf? Die interessiert mich doch garantiert nicht.“ „Wieso nicht? Jade ist doch schon sexy, findest du nicht?“ Ich sah Chris an wie er plötzlich verlegen wurde und um eine Antwort rang. Am liebsten hätte ich meinem Bruder in diesem Moment den Hals umgedreht. Aber ich hatte ein viel zu schlechtes Gewissen ihm gegenüber um ihm deswegen Vorwürfe zu machen. Seit unserer Mittelschulzeit war er es, der die Schläge von den Mitschülern für uns kassierte. Er war es, der sich täglich vor uns stellte und sich verhauen ließ... Wie mutig er dafür die Schmerzen in Kauf nahm nur damit keiner uns einen Kratzer zufügte. Nein, ich dürfte ihm nun nicht in den Rücken fallen und musste dankbar sein, dass er das für uns auf sich nahm. „Adde, bist du gekommen um mich mit deiner heißen Schwester zu verkuppeln?“ „Also doch heiß! Nein, ich bin nur gekommen um zu sehen ob es dir gut geht. Verkuppeln steht nicht auf dem Tagesplan.“ „Ja dann... Kannst du dich ja wieder verziehen. Ich chill heute.“ Für einen kleinen Moment befürchtete ich, dass Adriano auch spontan beschließen würde zu schwänzen und einfach hier zu bleiben. Dann dürfte ich noch Stunden hier drinnen sitzen und denen beim Zocken zuschauen. Und dann gab es noch Maya, die davon nichts wusste und eventuell nach mir fragen könnte. Doch ich schnaufte erleichtert, als Adriano wieder ging. Ebenso erleichtert wie ich, schloss Chris seine Zimmertür ab und ließ mich aus dem Schrank heraus. „Das war knapp“, sagte er und lachte. „Tut mir leid, dass er so ist.“ „Ach... Adde halt. Er ist ja kein schlechter Mensch und nicht umsonst ewig schon mein bester Kumpel. Er wird es verkraften... Irgendwann.“ „Ja, hehe. Hoffentlich ohne deinen Krankenhausaufenthalt.“ „Schauen wir mal. Und jetzt? Sex?“ „Depp...“ ~ Kapitel 3 ~ Verborgene Gefühle ~ Ende ~ Fortsetzung folgt ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)