Dear Junk von RedSky (Kazzy's Vorgeschichte) ================================================================================ Kapitel 12: running through Paranoiascape ----------------------------------------- “.....wegen Mordes und schwerer Körperverletzung gesucht. Nachdem er seinen eigenen Bruder über ein Brückengeländer gestoßen und somit umgebracht und im Anschluss darauf seiner Mutter mehrere Knochenbrüche und Hämatome zugefügt hat, ist der Vierzehnjährige flüchtig. Die Polizei fahndet nach ihm und bittet um ihre Mithilfe....“ Joe konnte den Fall seiner brennenden Zigarette auf den Teppichboden gerade eben noch verhindern, als er die Nachrichten im Fernsehen sah. Sein Blick blieb dabei sekundenlang auf das Foto von Kazzy haften, was neben dem Nachrichtensprecher eingeblendet wurde. Ab diesem Zeitpunkt nahm er die akustischen Neuigkeiten nur noch mit einem Ohr wahr. Und dann stürzte er auch schon zum Telefon und wählte hastig J's Nummer. Freizeichen. Schon beim zweiten Tuten wurde Joe ungeduldig. „Jetzt geh schon ran....“ Nach dem vierten Freizeichen nahm endlich jemand ab. „Ja...?“, erklang eine leicht brummelige Stimme. „J?“, schrie Joe regelrecht in den Hörer hinein. „Ja, man, wer sonst?“, kam die leicht zerknirscht klingende Antwort. „Trotzdem kein Grund mich taub zu brüllen.“ Joe ignorierte den letzten Satz. „Sie suchen Kazzy! Ist er noch bei dir?“ „Äh, ja, is' er. Moment – wer sucht ihn?“ „Die Bullen!“ Wieder hatte der Leader von Snakebite seine Lautstärke nicht unter Kontrolle. „Shit.“ Nun war der Schock auch bei J angekommen. Für einen kurzen Moment schwiegen beide. „Wir müssen ihn in Sicherheit bringen“, entschied Joe. „Hat deine Mutter schon die Nachrichten gesehen? Die suchen ihn mit Bild!“ „Fuck, auch das noch...“, stöhnte J über die Verschlechterung der Neuigkeiten. „Nein...uhm, keine Ahnung, ob sie sie schon gesehen hat, Moment....“ J legte den Hörer beiseite. Das konnte Joe natürlich nicht sehen und so hätte es auch nicht verwundern dürfen, dass er nach sekundenlanger Stille ziemlich unruhig wurde. „J?“ Was tat der Junge jetzt schon wieder? „J! J, sag was!!“ Ein leises Rascheln am anderen Ende der Leitung. „Nein, sie steht in der Küche und kocht“, kam plötzlich die Antwort. J hatte den Hörer wieder an sich genommen. „Gut! Okay, hör zu: Kazzy muss da erst mal raus bei dir. Wenn deine Mom Wind von der Suche bekommt-“ J fiel ihm ins Wort. „Ich werd' ihr sagen, dass das 'n Irrtum ist. Dass sie ihn mit jemandem verwechseln.“ „Es ist trotzdem zu gefährlich, J! Er muss da raus! Er kommt erst mal wieder zu mir und vielleicht könn' wir ihn auch zwischendurch mal bei Lucifer unterbringen.“ Aus dem Hörer drang ein kurzes, sarkastisches Auflachen. „Luci? Soll das 'n Witz-?!“ „Tu was ich dir sage!“ Damit war das Gespräch zwischen Joe und J beendet. J stand da und gaffte nur verständnislos den hellen Telefonhörer in seiner Hand an, bevor er ihn kopfschüttelnd wieder zurück auf die Gabel legte. Als ob Lucifer sonderlich gut auf Kazzy zu sprechen sei. Aber gut, wenn Joe meinte... Der Blonde ging zielstrebig zurück in sein Zimmer, wo Kazzy sich gerade durch das Zeichentrickprogramm zappte. „Schlechte Nachrichten, Kleiner.“ Er stellte sich dicht neben die Glotzkiste, direkt vor Kazzy. „Deine Alte hat dich an die Bullen verpfiffen. Du wirst gesucht.“ Kazzy starrte den Älteren entgeistert an und man konnte regelrecht dabei zusehen, wie er plötzlich kalkweiß im Gesicht wurde. Ihm gefror förmlich das Blut in den Adern, als er diese Sätze hörte. Seine Mutter....diese Hexe ließ ihn tatsächlich polizeilich suchen...? Im ersten Moment nur einfach geschockt und zutiefst verletzt von diesem Verrat, begriff er aber doch im nächsten Augenblick die Tragweite dieser Tatsache: Er wurde gesucht. Als Mörder! Sie wollten ihn festnehmen, verhaften und einsperren! Vielleicht sogar töten, dafür dass er seinen Bruder getötet hatte! Kazzy drehte durch. Er sprang auf und hastete in Panik und zitternd aus dem Zimmer in den Flur. „Ich muss weg....muss weg....!“, bekam er gerade noch über seine bebenden Lippen. Sein Blick war orientierungslos und doch irgendwie leer. „Das hat Joe auch gemeint, darum sollst du auch erst mal zu ihm.“ J sah sich im Wohnungsflur suchend nach seinen Schlüsseln um. „...ich...muss weg....weg.... Die...die dürfen mich nicht...kriegen....“ Das monotone Gebrabbel des Jüngeren war getränkt mit Angst und völliger Verzweiflung. Sein Blick huschte so schnell und unruhig die Wände und Inneneinrichtung entlang und doch sah er überhaupt nichts. Er musste fliehen. Er suchte einen Fluchtweg. Auf was Anderes war sein Gehirn im Moment nicht programmiert. „Warte, ich bring dich zu ihm.... - scheiße man, wo sind denn jetzt schon wieder meine Schlüssel?! MOM!“ J bewegte sich von Kazzy weg und steuerte auf die Küche zu. Der in Todesangst verfallene Junge starrte J mit dem Blick eines scheuen Rehs hinterher, im nächsten Moment stürmte er plötzlich zur Tür um Selbige aufzureissen und sie sperrangelweit auf zu lassen, während er mehr durch das Treppenhaus flog als rannte. J, der gerade eben erst die Küche betreten hatte, hörte das Geräusch der Tür und steckte seinen Kopf wieder in den Flurbereich. Sofort fiel sein Blick auf Kazzy's Fluchtweg. „FUCK!“ Er rannte mit Riesenschritten dem Flüchtigen durch das Treppenhaus hinterher. „Kazzy! Warte!!“ J's Mutter, die nicht einmal wusste warum hier plötzlich so eine Aufregung herrschte, steckte nur verwundert ihren Kopf durch die Küchentür – um feststellen zu dürfen, dass alle bereits ausgeflogen waren. Ohne dass Kazzy sich seinem Verfolger überhaupt bewusst gewesen war, hatte er ihn auf den Straßen Seoul's binnen kürzester Zeit erfolgreich abgehängt. Er war völlig planlos kreuz und quer durch die Gegend gerannt, immer nur im Kopf sich in Sicherheit bringen zu müssen. Inzwischen hatte er sein Tempo gezügelt und stapfte, noch immer ziellos, durch die Gegend. Wie und wo er hier gelandet war, wusste er nicht. Er wusste nur, dass es eine Gegend war in der er nicht oft war. Ohne auch nur ein Mal stehen zu bleiben blickte sich Kazzy scheu um, versuchte sich an den Gebäuden oder Ladengeschäften zu orientieren. Doch er wusste nicht wirklich, wo er hier war. In seiner panischen Angst und Paranoia musste er viel weiter gelaufen sein als es ihm bewusst gewesen war. Die Menschen hier...er kannte sie alle nicht. Vielleicht hatte er Glück und sie kannten ihn auch nicht. Er durfte nicht erkannt werden – von niemandem! Kaum zu dieser Erkenntnis erlangt, fuhr er sich geistesabwesend mit den Fingern ins Haar und zubbelte sich die langen Ponyfransen weitestgehend vor's Gesicht. Er wollte nicht von der Polizei verhaftet werden....das war das Schlimmste was ihm überhaupt passieren konnte! Sie wussten, dass er den Tod seines Bruders auf dem Gewissen hatte, sie wussten es alle! Sogar die Jungs von Snakebite wussten es! Sie würden ihn alle verurteilen, hinrichten! Er müsste sterben, weil er seinen Bruder nicht retten konnte. Er würde für seine Tatenlosigkeit bestraft werden..... Mit all diesen Gedanken und Ängsten im Kopf, wurde Kazzy schwindelig. Seine Atmung verlief wieder zu unregelmäßig und ab und an sah er wieder kleine, vereinzelte schwarze Punkte vor seinen Augen auftauchen. Er machte mit der Hand Bewegungen, als könne er die Punkte wegwischen. Weg, sie sollten weg! Er musste doch sehen können, wohin er ging...flüchtete..... Er würde den Rest seines Lebens auf der Flucht sein müssen, auf der Flucht vor allen. Niemandem konnte er mehr vertrauen, vielleicht noch nicht einmal sich selbst.....immerhin hatte er Shunsuke umgebracht....... Das Schwindelgefühl stieg. Er hielt an und lehnte sich mit dem Rücken gegen eine Wand. Kazzy schloss die Augen. Diese Punkte sollten verschwinden...sie störten ihn...... Plötzlich peitschte ein Schuss durch den monotonen Straßenlärm. Passanten schrien erschrocken auf, sahen sich panisch um wo dieser Schuss herkam. Kazzy riss die Augen auf. Sein Blick war starr ins Nichts gerichtet. Eine gefühlte Ewigkeit. Tatsächlich aber regte er sich bereits nach wenigen Sekunden wieder und wand seinen Kopf sogleich in die Richtung, aus der der Schuss erklungen war. Eine kleine Seitengasse. Ohne darüber nachzudenken und seinen Fluchtreflex scheinbar ausgeblendet, rannte er die wenigen Meter zu dieser Gasse. Er bog in sie ein und sah jemanden am Boden liegen. Eine zweite Person stand daneben. Er hielt eine Waffe in der Hand. Doch mehr konnte Kazzy auch schon nicht mehr erkennen, da das Licht so ungünstig fiel wie es in dieser Position nur fallen konnte. Er war sich nur um Eines sicher: Es war ganz bestimmt kein Cop. Der Schütze sah Kazzy. Er schien einen kurzen Moment zu zögern, dann zielte er mit seiner Waffe auf den Jungen. „Du hast nichts gesehen!“, nuschelte er mit bedrohlich finsterer Stimme unter seinem Schal, den er vor seinem Mund gebunden hatte. Dann verschwand er blitzschnell. Kazzy war zu perplex um später hätte sagen zu können, wohin er verschwunden war. Sein Herz pochte wie verrückt, er stand noch einige Momente wie vom Donner gerührt so da, bis er mal auf die Idee kam zu der Person zu laufen, die der Schütze niedergestreckt hatte. Blaue Haare......blasses Gesicht.....den kannte er doch. Er ließ sich auf die Knie fallen und sah dem Opfer ins Gesicht. Es war der Dealer, den er schon mehrfach gesehen hatte! Der, dem J letztens ein paar Won in die Hand gedrückt hatte und es kurz darauf bereut hatte als er erfuhr, dass dieser Junge die Iron Killers belieferte. - Und er schien nicht tot zu sein, denn seine Augenlider begannen plötzlich zu flattern! „Hey...! Hey, hörst du mich?“, fragte Kazzy aufgeregt und rüttelte den Anderen vorsichtig an der Schulter. Der junge Dealer blinzelte orientierungslos, bis er schließlich Kazzy's Gesicht in sein Blickfeld bekam. Ein kleines, feines, schwaches Lächeln tauchte auf seinen Lippen auf. „.....du...musst aufpassen.....“, hauchte er leise und entkräftet hervor. Kazzy jedoch verstand nicht was er sagte. Deshalb senkte er seinen Kopf näher zum Gesicht des Anderen, hielt sein Ohr über dessen Mund. „Was ist los?“, fragte er. „Was hast du gesagt?“ Er glaubte, es musste etwas Wichtiges gewesen sein. Der Blauhaarige benötigte mehrere Anläufe, um sich nochmal zum Sprechen durchzuringen. Offenbar besaß sein Körper kaum noch Kraft. „...lauf weg.......zu...gefährlich~.......“ Mehr kam nicht mehr über seine Lippen. Sie verstummten. Und auch seine Augen blieben nicht mehr länger geöffnet. Sein letzter schwacher Atemzug streifte Kazzy's Wange. Der verwirrte Junge saß nur da, starrte fassungslos auf den Dealer neben sich. Er war tot. Er war vor seinen Augen gestorben. Wie war soetwas möglich, verdammt? Doch er bekam gar nicht die Chance, sich darüber den Kopf zu zerbrechen oder es auf irgendeine Art und Weise zu verstehen, denn plötzlich zerschnitt der markerschütternde, spitze Aufschrei eines jungen Mädchens seine Gedankengänge. Kazzy hob den Kopf und sah sie einige Meter von sich entfernt stehen. „Oh mein Gott, er hat ihn umgebracht!“, schrie sie nur hysterisch und zeigte mit dem Finger auf Kazzy. „Holt die Polizei!!“ Viele Passanten warfen nur einen flüchtigen Blick in die Seitengasse, an der sie in ihrer Eile vorbeihasteten, aber einige Vereinzelte blieben stehen, gesellten sich zu dem Mädchen und starrten auf das Opfer und den vermeintlichen Täter. „Nein...“ Kazzy schüttelte leicht apathisch den Kopf, starrte seine Gaffer hilflos an. „...das war ich nicht......ich hab ihn nicht getötet...“, murmelte er mit leiser, zitternder Stimme. Doch die Anderen schienen ihn nicht zu hören. Immer mehr Augenpaare kuckten ihn an, immer mehr Finger zeigten auf ihn. Er war von ihnen schon längst verurteilt worden. Verurteilt. Kazzy sprang in Panik auf und rannte frontal auf die Schaulustigen zu, die ihm daraufhin schon freiwillig aus dem Weg gingen – immerhin wollte keiner von ihnen sein nächstes Opfer werden! „Ich war das nicht!“ Kazzy's Füße rannten, rannten, was seine Schuhsohlen nur hergaben, die Straße entlang. Jetzt war er schon doppelt auf der Flucht. Es wurde immer schlimmer. „Wissen deine Leute das...? Dass du's mit Kerlen treibst?“ Kyo saß seinem Verehrer gegenüber, zwischen ihnen ein alter, runder Tisch inmitten eines alten, verlassenen und baufälligen Hauses. Cipher zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich häng's nicht an die große Glocke.“ Kyo hob daraufhin eine Augenbraue. „Dafür gehst du in der Öffentlichkeit aber ganz schön ran....“, murmelte er und dachte kurz zurück an ihre Begegnung im 'Dragontown' und an den Kuss, den Cipher ihm vorhin aufgedrängt hatte. Ein schelmisches Grinsen spielte um Cipher's Lippen. „Ich lass mir ungern was entgehen“, schnurrte er angetan und musterte seinen blonden Fang. Kyo wusste nicht wirklich, wie er auf diese Bemerkung reagieren sollte und so beließ er es auf leichte Schamesröte im Gesicht. Cipher amüsierte das offenbar nur noch mehr. Er beugte sich zu ihm vor und strich ihm mit den Fingern über eine der geröteten Wangen. Kyo war überrascht davon, wie sanft sich die Gesten von diesem, doch allgemein als tödlich gefährlich geltenden, Typen anfühlen konnten. Und er musste sich selbst eingestehen, dass ihm das gefiel. Er konnte es nicht mehr leugnen, auch nicht mehr vor sich selbst. „Und....wie ist das so...? Mit Typen...?“, stammelte der Blonde etwas hilflos um den heißen Brei herum. Er wollte dieses seltsame Schweigen, das eingetreten war, wieder aufheben. „Ich kann's dir ja zeigen“, lautete die dunkel und doch so warm klingende Antwort, während Cipher's Finger langsam und provokativ von Kyo's Wange hinab zum Kinn und ganz langsam über den Hals fuhr. Kyo schluckte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)