Dear Loser von RedSky ================================================================================ Kapitel 28: pull the trigger ---------------------------- Die Ascheflocken rieselten lautlos zu Boden. Den noch vorhandenen Teil der brennenden Zigarette führte Yoshiki hingegen wieder zu seinen Lippen, um einen weiteren Zug zu nehmen. Den Rauch, den er inhalierte, stieß er nur wenige Sekunden später wieder aus. Sein Blick war in die Ferne gerichtet. In die Ferne, in der er letztenendes doch nix sah. Wie sollte es nur weiter gehen...? Mit X, mit dem einzigen Halt den er in diesem verrückten Leben noch hatte....? Toshi hatte sich bei ihm nicht mehr blicken lassen, seit der Vorfall mit Den passiert war. Und jedes Mal wenn Yoshiki versucht hatte den Blonden zu Hause oder bei einem ihrer Treffpunkte zu erreichen, war er nie da. Von anderen Leuten hatte er gehört, Toshi sei mit irgendwelchen Typen gesehen worden die er nicht kannte. Alleine mit Fremden..... Yoshiki schmeckte diese Vorstellung nicht. Was hatte sein bester Freund nur vor? Wenn er überhaupt noch sein bester Freund war.... Er kam ins Zweifeln. 'Wir brauchen neue Leute', hatte er gesagt. X würde verweichlichen... Wie konnte Toshi soetwas nur behaupten...? Seine Fingerspitzen spielten an dem herabbrennenden Zigarettenstummel, der weit aus dem Fenster der alten Rohbauruine gehalten wurde, an welches sich Yoshiki gesetzt hatte. Dieses Haus wurde nie fertig gebaut, die Baustelle vereinsamte, kaum dass die Grundmauern standen. Irgendwas war geschehen und hatte den weiteren Bauvorgang gestoppt, alle Beteiligten waren abgezogen und ließen den hässlichen, grauen Kasten mit den leeren Fensteröffnungen alleine zurück. Genau so fühlte sich auch der Anführer von X. Im Stich gelassen, einsam. Gottverflucht, sollte es mit X wirklich genau so enden wie mit diesem unfertigem Haus? Sollte X sich auflösen noch bevor sie überhaupt ihre Glanzzeiten erreicht hatten? Er hatte doch alles dran gesetzt, hatte alles dafür gegeben dass X immer größer und besser wurden, immer mehr Einfluß auf der Strasse bekamen und genügend Respekt erhielten, um die kleineren Banden zu untergraben. Und dann? Was war da plötzlich schief gelaufen....? Warum wurde Einer von ihnen plötzlich umgebracht, warum wollten die Jungs X plötzlich verlassen? X, ihr zu Hause...? Yoshiki nahm einen letzten Zug des Tabakstummels und schnipste ihn von sich, überließ ihn der mehrstöckigen Tiefe unter sich. Er lehnte seinen Kopf zurück, bis Dieser den Betonfensterrahmen als Lehne gefunden hatte. Seine Augen schlossen sich. Der frühsommerliche Abendwind wehte ihm in sanften Brisen um die Nase. Es konnte nicht einfach aus und vorbei sein. Nein, nicht mit X....nicht mit dem woran alles hing. Was sollte er denn ohne seine Anhängerschaft noch machen...? Seinen Schulabschluss nachholen und arbeiten gehen? Auf gar keinen Fall! So wollte er nicht enden, nein! Nicht als gebrochener Ex-Anführer der dem Leben klein bei geben sollte. Nie! Das hatte er sich geschworen, egal was auch immer noch alles passieren sollte, aber ein kleinbürgerliches Spießerleben würde er niemals annehmen! Lieber schmiss er sich vor den nächsten vorbeifahrenden Zug. Es war so still hier, so friedlich. Ausser Toshi gab es noch hide und Pata. Aber Pata war schon seit einiger Zeit so komisch drauf. Als ob irgendwas vorgefallen war wovon er selbst nix mitbekommen hatte. Und hide....ja, eigentlich war hide der Einzige der noch zu ihm stand. Der Einzige der sich noch normal verhielt. Der Einzige.....es waren mal Sechs gewesen. Yoshiki seufzte kaum hörbar. Wo waren diese Zeiten so plötzlich hin? Wo waren sie geblieben, die Tage der Gemeinsamkeit, der Zugehörigkeit? Wer hatte sie ihm gestohlen und wie bekam er sie zurück? Es war als ronn ihm X wie Sand durch die Finger..... Wie Sand den er verzweifelt versuchte wieder aufzufangen, was ihm aber selbst bei größter Anstrengung nicht gelang...... Er ronn immer weiter, bis irgendwann nichts mehr übrig sein würde.... Es war schon das dritte Glas Whiskey das den Weg zu seinen Lippen fand. Doch äusserlich sah man Pata seinen Alkoholkonsum dieses Abends nicht an. Völlig gerade, wenn auch etwas in sich eingesackt, saß er auf dem Barhocker und ließ die betäubende Flüssigkeit durch seine Kehle fließen. Was hatte ihn in dem Moment nur geritten, als er Tusk laufen ließ? Diese Frage hatte er sich schon seit dem ersten Glas gestellt. Und die Antwort schwirrte seit genau dem gleichen Zeitpunkt in seinem Kopf herum. Wegen hide. Alles nur wegen hide. So sehr sein Herz sich auch gegen die Tatsache sträuben wollte, dass Tusk hide am Selbigen lag – sein Verstand hatte das schon längst erkannt. Auch wenn es bitter war. Pata konnte es nicht verstehen, konnte nicht nachvollziehen was sein bester Freund an diesem Kerl nur fand. Aber hätte er Tusk tatsächlich getötet, hätte er damit unwillkürlich auch hide Schmerzen zugefügt und das wollte er nicht. Nicht mehr als er es eh schon getan hatte.... Er fuhr sich mit einer Hand durch's Haar, griff dann wieder zum Glas und tankte nach. Tusk verdankte nur hide sein Leben. Ob er ihn aber auch in Zukunft stets verschonte, darüber war Pata sich noch nicht ganz im Klaren. Wenigstens ihn ordentlich zu verprügeln, ihm ein paar Knochen brechen, ja, darauf hätte er ungemeine Lust. Seinen Frust, seine Wut an ihm abreagieren. Der Typ hatte so schiefe Zähne, da würde es doch gar nicht auffallen wenn er ihm ein Paar rausschlug. Pata grinste bitter. Irgendwie musste man sich den restlichen Abend ja schön reden. Völlig in seiner kleinen Welt aus Hass, Ablehnung, Wut und Eifersucht versunken, bekam er auch gar nicht mit wer soeben die schlecht ausgeläuchtete Kneipe betreten hatte. Das registrierte er erst als sich dieser jemand direkt neben ihn an die Bar setzte und ein Glas Soju bestellte. Pata kannte diese Stimme, diese Tonlage in der er die, und zwar genau die, Bestellung aufgab. Er wand seinen Kopf zur Seite und erblickte hide. Seinen besten Freund. Mit einer netten Sammlung von Blutergüssen und Schürfwunden im Gesicht. Er war sich hundertprozentig sicher, dass er ihm diese Verletzungen bei ihrem letzten Zusammentreffen nicht verpasst hatte. „hide...“ Der Blonde sah Pata an. Ohne Scheu, ohne Vorwurf, nur irgendwie müde. Er hatte keine Angst vor ihm, auch nicht davor, dass er wieder ausrasten und ihn womöglich nochmal schlagen könnte. Es war Pata, der da neben ihm saß. Und es war das erste Mal, dass sie sich wieder sahen, seit er ihm den Schlag verpasst hatte. „Hey....“ Ganz simpel, ganz einfach. Eine Begrüßung, als sei nie irgendwas zwischen den beiden vorgefallen. Nur etwas erschöpft klang er. Pata musterte ihn. „Was is' mit dir passiert?“ Der Junge sah wirklich nicht gut aus.... Sein linkes Handgelenk zierte ein weißer Verband und auch oberhalb der Brust meinte er, knapp über dem ausgeleiertem, weiten Ausschnitts des Shirts soetwas wie einen Verband zu erkennen. Auf der Stirn prangte ein unübersehbahres, fettes Pflaster. Und überall diese blutverkrusteten Schürfwunden und blauen und lilanen Flecke...an den Händen, im Gesicht, sogar am Hals... hide machte eine knappe, wegwerfende Handbewegung, als seien seine Verletzungen nicht der Rede wert. „Kleine Prügelei mit den Sister's.“ Sein Soju kam und er nahm den ersten, großen Schluck. Pata traf es innerlich wie ein Schlag. Abgesehen davon, dass er hide das 'klein' nicht abnahm, aber....die Sister's... Seine Hand, mit der er sich am Whiskeyglas festhielt, verkrampfte sich. Finstere Wut kroch rasendschnell wieder in ihm hoch. Diese Dreckstruppe hatte hide vermöbelt und er selbst hatte noch Gnade mit Tusk gehabt...? …..hätte er ihn nur abgemetzelt...! Hätte er ihm nicht nur die Kehle durchgeschnitten sondern auch noch gleich das Gesicht unkenntlich gemacht...! Oder am allerbesten Arme und Beine abgetrennt! Wobei er für Letzteres nicht das passende Werkzeug dabei gehabt hätte. Gottverdammt, wie verfluchte er sich doch in diesen Momenten dafür, es nicht getan zu haben! Er hatte tatsächlich mal mit einem Opfer Gnade gezeigt, was er normalerweise nie tat und der Dank dafür war, dass diese Flachwichser seinen Freund verprügelten?? Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Sie würden dafür bluten, sie würden dafür bezahlen! Pata hob das Glas, schüttete sich die letzten Schlucke Alkohol übereifrig in den Rachen und stellte das durchsichtige Gefäß mit einer unüberhörbaren Wucht zurück auf den Tresen, dass der junge Aushilfskellner schon leicht erschrocken in seine Richtung schaute. Dann stand er auf. „Hab noch was zu erledigen“, nuschelte er und wand sich dem Ausgang zu. hide sah ihm verblüfft hinterher. Was sollte das nun wieder? Ging er wegen ihm? Wollte er ihm aus dem Weg gehen? Er war froh, Pata endlich gefunden zu haben und er hatte ihm gegenüber nicht den kleinsten Vorwurf rausgebracht – und doch verließ er ihn so rasch wieder? hide konnte in diesen Momenten seine Enttäuschung nicht leugnen. „Hey...wo willst du hin?“, fragte er ihn noch um wenigstens zu wissen, wo er ihn finden konnte wenn er sich hier ausreichend selbst abgefüllt hatte und höchstwahrscheinlich stockbesoffen aus dem Laden torkelte. „Yoshiki“, lautete die knappe Antwort. Er hob kurz die Hand zu einem angedeutetem Winken zum Abschied, doch er drehte sich dabei noch nicht einmal dem Älteren zu. hide blieb allein zurück. Abermals. Er starrte auf sein halb leeres Soju-Glas, als Pata den Laden verlassen hatte. Jemand, von dem er es nicht erwartet hatte, kehrte ihm mehr und mehr den Rücken zu und jemand, von dem er es ebenfalls nicht erwartet hatte, tat genau das Gegenteil. Ein seltsamer Tag heute. Er leerte die noch vorhandene Hälfte des Trinkgefäßes und bestellte sich sofort ein Neues, kaum dass der letzte Tropfen durch seinen Hals floss. Es war bereits der zweite Tag, an dem Den raus in den Garten des Krankenhauses durfte und trotzdem hasste er diesen Rollstuhl noch genauso wie am Tag zuvor. Er wollte sich einfach nicht an dieses Gefährt auf vier Rädern gewöhnen und würde Ryö Diesen nicht schieben, wäre er schon längst aufgesprungen und hätte darauf bestanden, den Weg zu Fuß zu beschreiten. Doch seines Freundes zu Liebe versuchte er sich zu beherrschen. Es war ein schöner Tag, die Luft war klar und warm, der Himmel blau und nur kleine, vereinzelte Wattewölkchen zogen an Ihm entlang. Der Garten war schon fast ein Park, groß und in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt. Es gab unheimlich viel Grün und Den hatte die Natur bisher selten so genossen wie in diesen Momenten. Ryö steuerte eine Holzbank neben einem großen, mächtigen Baum an. Kaum hatte er Diesen erreicht, parkte er den Rollstuhl und war drauf und dran, Den aus Selbigen raus zu helfen. Der Schwarzhaarige winkte jedoch ab. „Das kann ich alleine, Kleiner.“ Er zwinkerte ihm zu um seine Bemerkung nicht zu abweisend klingen zu lassen. „Sie ha'm mir in den Rücken geschossen, nicht in die Beine.“ Es bereitete ihm zwar noch Schmerzen sich gerade aufzurichten, aber die nahm er gerne in Kauf wenn er ein paar weitere schöne Stunden mit Ryö verbringen konnte, solange er noch Patient in diesem Krankenhaus war. Bald schon saß er, mit einem weichen Kissen im Rücken, auf der Bank, Ryö dicht neben sich. „Sag mal....du weißt nicht wer eigentlich auf dich geschossen hat, oder...?“, fragte Dieser nach einiger Zeit des Schweigens, in der ihrer beider Blicke durch den Garten geschweift waren und zwei Gärtnern beim Anlegen eines neuen Beetes zusahen. „Mh-mh“, verneinte Den, ohne seinen Blick vom Himmel abzuwenden, in Welchen er jetzt am liebsten eintauchen würde. Dieses Blau....dieses endlose Blau.....so rein und tief.... Sie sah so schön aus, diese Farbe. „Aber es is' mir auch egal...“ Ryö blinzelte irritiert. Hatte er das gerade tatsächlich gesagt? Das klang ja mal so gar nicht nach seinem alten Kumpel. Er hatte damit gerechnet, dass Den früher oder später auf Rache sannen würde, dass er unbedingt rauskriegen wollen würde wer ihm das angetan, wer ihm fast sein Leben genommen hatte. „Du...willst es gar nicht wissen?“, hakte er nochmal vorsichtshalber nach. „Weißt du es denn?“, lautete die gelassene Gegenfrage. „Nein! Natürlich nicht! Sonst hätte ich's dir doch schon längst gesagt.“ Den wand seinen Kopf nun doch vom Himmel ab und blickte Ryö an. „Weißt du, ich bin einfach nur froh, dass ich noch lebe...“ Er zögerte kurz. „Hätte nämlich auch anders kommen können.“ Er musste kurz an den seltsamen Traum denken, den er zwischen dem Schuss und seinem Erwachen im Krankenhaus gehabt hatte. Ryö nickte nur brav. Er bemühte sich, Den's Ansichten zu teilen, doch ganz konnte er seine Irritation wohl nicht verbergen. Den strich ihm mit dem Finger zärtlich über die Wange. „Ich bin so froh, dass ich dich habe.“ Die Worte klangen so dankbar aus seinem Mund. Er legte einen Arm um Ryö's Schultern, zog ihn sanft etwas dichter an sich ran und gab ihm einen Kuss auf die Haare. Ryö verspürte ein ganz leichtes Kribbeln um sein Herz herum als er den Kuss empfing. Er mochte die Gesten, die Den ihm immer gab um seine Freundschaft zu symbolisieren. Oder was auch immer das war was sie verband. Vielleicht war es neben Freundschaft auch noch irgendetwas anderes, wen kümmerte das schon. Wichtig war nur, wie Den schon sagte, dass sie sich gegenseitig hatten. „Und ich bin auch froh, dass wir bei X ausgestiegen sind.“ Das verblüffte Ryö nun aber wirklich! Er hatte immer angenommen, Den würde das nur ihm zu Liebe tun aber nicht aus eigenen Beweggründen. „Aber...ich dachte immer...du wolltest eigentlich bleiben“, stotterte der Braunhaarige und sah ihn mit fast kindlich naiven Augen an. Den grinste. Es war so ein typisches Grinsen. „Ganz zu Anfang ja...aber ich hab gemerkt was du für Bedenken hattest und dass du dir immer mehr Sorgen gemacht hast“, gestand er und ließ den Blick nun über das saftig grüne Gras schweifen. Warum hatte ihm noch niemand gesagt, dass Gras so schön aussehen konnte? So frisch und so lebensbejahend? „Dann bereust du es nicht?“, wollte der Jüngere von beiden wissen. Den wuschelte ihm daraufhin nur kurz lachend durch die Haare. „Wie könnte ich es je bereuen, deinem Weg zu folgen?“ Das strahlende Lächeln, was sich ihm daraufhin offenbarte, war so wunderschön und mit eines der schönsten Dinge, die er je in seinem Leben gesehen hatte. Es dauerte fast eine Woche bis es X gelang, Taiji alleine abzufangen. Tommy, der oftmals mit Taiji zusammen war, wäre zwar keine große Bedrohung gewesen, aber Yoshiki legte in diesem Falle besonders viel Wert auf den Psychoterror; er wollte nicht nur hide sich rächen lassen, er wollte ausserdem seinem Erzfeind das Gefühl zu spüren geben wie es ist, komplett alleine da zu stehen...alleine und verlassen, in der Unterzahl und zum verlieren verurteilt. Er ging kaum an dem alten, verlassenem Gebäude am Autofriedhof vorbei, da schossen auch schon zwei Arme auf ihn zu und hatten ihn in Windeseile fest im Griff: Der Eine schlang sich wie eine Würgeschlange um seinen Hals, die Hand des Anderen hielt eine schussbereite Pistole, deren Lauf gegen seine Schläfe gepresst wurde. Taiji keuchte schmerzvoll auf. „Arschloch!“, brachte er mühevoll hervor bevor er auch schon mutwillig mitgeschliffen wurde. „Maul, Sackgesicht!“, fauchte Yoshiki nur zurück, der regelrecht kurz davor war den Lauf seiner 44er Colt Army in Taiji's Schädel zu bohren. „Aber du wirst eh noch früh genug zum schweigen gebracht...für immer“, fügte er grinsend hinzu und genoss seine Macht wie schon lange nicht mehr. Taiji verrenkte sich halb die Augäpfel um Yoshiki's Hand an der Pistole zu sehen. Er hielt sie komisch. Das war ihm schon von Anfang an aufgefallen, seit er ihn das erste Mal mit so 'nem Ding hat rumlaufen sehen. Er hielt die Kanone irgendwie seltsam...als wenn er nicht wüsste wie man sie richtig hielt. Sie lag viel zu locker in seiner Hand. Diese Tatsache nutzte der Sister's Anführer jedoch zu seinem Vorteil und in einem günstigen Moment ging er plötzlich ansatzweise in die Knie um seine Körpergröße zu verringern und schlug Yoshiki die Waffe mit einer gekonnten Bewegung aus der Hand. Dass der Schuss, der sich dabei löste, Taiji nur um sprichwörtlich Haaresbreite verfehlte, spürte Dieser an dem Luftzug der seine blondbraune Lockenmähne streifte. Die 44er fiel in einigen Metern Entfernung in den staubtrockenen Sand. „Bastard!!“, keifte Yoshiki erzürnt, hatte jedoch noch in der selben Sekunde seine Zweitwaffe, einen kleinen aber regelmäßig geschärften Dolch, in der Hand. Taiji war nach dieser Aktion leider nicht mehr ganz so schnell und so wich er Yoshiki's Knie nicht rechtzeitig aus, dass sich daraufhin tief in seine Magengrube rammte. Der Lockenkopf wollte laut aufschreien, doch der Schmerz war so überwältigend, dass ihm in den ersten Momenten tatsächlich die Luft weg blieb. Er krümmte sich zusammen und fiel letztendlich zu Boden, wo er nochmals zwei Tritte von Yoshiki's schweren Stiefeln in seine Magengegend kassieren durfte. So heftig hatte X's Leader ihn schon lange nicht mehr erwischt. Der Schmerz zog sich durch seinen gesamten Oberkörper und hatte ihn voll im Griff. Trotz allem ließ es sich Yoshiki nicht nehmen, seinen unbeliebten Gegner noch kampfunfähiger zu machen und rammte ihm ordentlich die Klinge seines Dolches in den Schenkel. Das brachte Taiji seine Stimme wieder und er stieß einen fürchterlichen Schmerzensschrei aus der sich über den gesamten Autofriedhof zog. Yoshiki jedoch stand nur breitbeinig und grinsend über seinem Opfer und sah zufrieden auf ihn herab. „hide“, brüllte er dann plötzlich, „dein Auftritt!“ Taiji's Hirn war zu sehr mit Schmerzen vernebelt als dass er diese Worte, die da plötzlich ausgerufen wurden, sinnvoll zusammen hätte puzzlen können um deren Inhalt zu verstehen. Was er jedoch realisierte, als er seine vor Schmerzen zugekniffenen Augen zwischenzeitlich mal öffnete, war der schmale Junge mit der Zimmerpflanzenfrisur, der mit gezückter und frontal auf ihn gerichteter Waffe langsam auf ihn zu ging. Irgendwo, von einer anderen Seite aus, gesellte sich dann auch noch Pata zu seinem Freund. Was war das hier nur gerade für ein Alptraum, ging es Taiji immer wieder durch den Kopf. Was hatten die Drei mit ihm vor – oder kämen gleich noch mehr aus ihren Verstecken rausgekrochen? Lag es Yoshiki gar nicht daran ihn umzubringen? Warum sonst hörte Dieser plötzlich damit auf ihn weiter fertig zu machen, jetzt, wo er blutend und schmerzhaft verletzt am Boden lag? hide hielt die Waffe anfänglich noch mit beiden Händen, als er auf der Bildfläche auftauchte und mit langsamen aber zielsicheren Schritten auf Taiji zusteuerte, ließ die linke Hand dann jedoch bald schon sinken und hielt seine Pistole nur noch mit rechts. Den Verband um sein Handgelenk hatte er schon vor Tagen wieder entfernt, er wollte nicht dass man seine Schwächen so deutlich erkennen konnte. Doch es fühlte sich nach wie vor nicht wirklich wieder gut an. Yoshiki's Grinsen wurde immer breiter. Er schaute hide an. „Hier hast du ihn!“, rief er laut, als müsse er ihm ihn präsentieren. „Erschieß ihn!“ Taiji gefror das Blut in den Adern. hide sollte ihn töten? Ausgerechnet hide? Warum er? War Yoshiki bisher nicht immer scharf drauf gewesen, ihn höchstpersönlich zur Strecke zu bringen? Was lief hier? Was war der Hintergrund für diesen Umweg? hide befand sich mittlerweile nur noch wenige Schritte von seinem Boss und seinem vermeintlichem Opfer entfernt. Den Lauf immernoch auf Taiji's Kopf gerichtet. Seine Mine war wie versteinert, zeigte nicht die geringste Emotion. Hier und jetzt konnte er alles beenden.... Es waren die Sister's die seinen kleinen Bruder entführt hatten (auch wenn er ziemlich schnell wieder zurück gebracht wurde). Es waren die Sister's die ihn vor einigen Tagen an ihrer Reviergrenze überfallen und niedergeprügelt hatten (auch wenn Einer von ihnen ihm als offizielles Mitglied nicht bekannt war). Jetzt hatte er den Kopf ihrer Erzfeinde direkt vor sich, hatte eine geladene Waffe und den Finger am Abzug. Er brauchte nur eine winzige Bewegung zu machen, brauchte nur abzudrücken, und diese Drecksbande hätte keinen Anführer mehr. Für wie viel von seinem Leid aus den letzten Wochen, aus den letzten Monaten mochte dieser Kerl verantwortlich sein? Und er könnte ihm jetzt alles heim zahlen, mit nur einem Schuss. Er sah Taiji in die rehbraunen, vor Schmerz glasig gewordenen Augen. Er sah die Verwirrung und das nicht verstehen in seinem Gesicht. Er sah die Hilflosigkeit und Schwäche an seinem ganzen Körper. 'Zwei gegen Einen ist unfair. Hab ich von Taiji gelernt.' Sceanna's Stimme schoss ihm durch den Kopf. Und er hatte keine Ahnung, warum es ausgerechnet dieser Satz war. „Nun schieß doch endlich“, drängte Pata, der schräg hinter hide stand. Die Atmung des Opfers wurde plötzlich ruhiger, verlor den hektischen Rhythmus. Der Schmerz aus seinem Brustkorb zog sich ganz langsam wieder zurück. Sein Bein pochte. Waren das jetzt also tatsächlich seine letzten Lebenssekunden? Die letzten Momente bevor er starb? Ohne vorher auch nur noch ein Mal seine Heimat Japan gesehen zu haben? „hide, mach! Er kann dir nichts mehr tun! Er wird dir nie wieder etwas tun! Jetzt jag ihm schon das Blei in den Schädel!“ Yoshiki stachelte seinen blonden Schützling an. Wollte endlich die Leiche zu seinen Füßen liegen haben. „Tu es“, kam es auch abermals wieder von Pata der nicht verstand, weshalb hide noch zögerte. Günstiger konnte es nicht mehr kommen, warum erledigte er ihn nicht einfach? hide's eiskalte und emotionslose Augen starrten immer noch auf Taiji. Auf den Kerl der sich scheinbar nie brechen ließ und jetzt so hilflos am Boden lag wie ein kleines Schäfchen. Wehrlos. Alleine. Verloren. Er drückte ab. Ein gellender Schrei tönte über den verlassenen Schrottplatz. Doch entsprang dieser Schrei nicht Taiji's Kehle, sondern Yoshiki's. Denn ihn hatte die Kugel getroffen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)